Traumhochzeit mit Verspätung (Julia 2370)

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Du redest zu viel", knurrte er und verschloss ihren Mund erneut mit seinen Lippen.
Sechzehn Monate ist die heiße Nacht mit ihrem Boss Angel Valtinos her. Niemals wird Merry die leidenschaftlichen Stunden vergessen! Denn jedes Mal, wenn sie zärtlich durch die dunklen Locken ihrer kleinen Tochter fährt, muss sie an den glutäugigen Griechen denken. Mit Geld hat er sie eiskalt abgefunden, weil er nichts mit ihr und seinem Kind zu tun haben wollte. Doch dann steht Angel eines Tages vor ihrer Tür. Wie erstarrt hört Merry, was er von ihr verlangt. Soll sie ihn wütend fortschicken – oder ihm voller Sehnsucht um den Hals fallen?
  • Erscheinungstag 27.11.2019
  • Bandnummer 2370
  • ISBN / Artikelnummer 9783963690600
  • Laufzeit 04:47:24
  • Auflagenart ungekürzte Lesung
  • Audio Format mp3-Download
  • Unsere CORA-Hörbücher gibt es überall, wo Hörbücher erhältlich sind, auch bei Streaming-Anbietern wie Spotify, Deezer, Napster u.v.m.

Leseprobe

1. KAPITEL

Der griechische Milliardär Angel Valtinos schlenderte in die Büroetage seines Vaters und sah, dass seine Brüder bereits am Empfang warteten. Abrupt blieb er stehen und zog seine ebenholzschwarzen Augenbrauen hoch. „Was wird das hier? Ein Familientreffen?“

„Vielleicht will Papa uns auch wegen irgendetwas zurechtweisen“, kommentierte sein italienischer Halbbruder Prinz Vitale Castiglione amüsiert. Denn sie waren alle schon weit über das Alter hinaus, in dem elterliches Missfallen Anlass zur Sorge gab.

„Tut er das öfter?“, wollte Zac Da Rocha wissen.

Angel fing Vitales Blick auf und presste die Lippen aufeinander. Keiner von ihnen sagte etwas. Zac, ihr unehelicher Bruder aus Brasilien, war eine neue und eher mysteriöse Ergänzung ihrer Familie, und sie hatten ihn noch nicht vollständig akzeptiert. Denn sowohl Angel als auch Vitale neigten dazu, anderen schnell Vertrauen zu schenken.

Vitale grinste. „Du bist der Älteste“, rief er Angel in Erinnerung. „Du stehst ganz oben auf der Agenda.“

„Ich bin mir nicht sicher, dass ich das in diesem Fall möchte“, gestand Angel ein, schüttelte dann aber schnell den ungewöhnlichen Anflug von Unbehagen ab, der sein sonst so unerschütterliches Selbstbewusstsein ins Wanken bringen wollte.

Immerhin hatte Charles Russell im Leben seiner Söhne nie den strengen Vater gespielt. Doch selbst ohne seine Autorität ins Feld zu führen, ist er ein bemerkenswert anständiger Vater gewesen, sinnierte Angel. Charles war weder mit Angels noch mit Vitales Mutter lange verheiratet gewesen, hatte sich aber nach den Scheidungen um eine enge Beziehung zu seinen Söhnen bemüht. Angel nahm an, dass er seine pragmatische Herangehensweise ans Leben und seinen geschäftlichen Scharfsinn von seinem Vater geerbt hatte, wofür er sehr dankbar war. Seine Mutter war eine flatterhafte und leichtsinnige griechische Erbin, deren Umgang mit der Erziehung und Ausbildung ihres Sohnes ohne das Eingreifen seines Vaters fahrlässig gewesen wäre.

Charles Russell durchquerte sein Büro, um seinen ältesten Sohn zu begrüßen. „Du kommst zu spät“, sagte er.

„Mein Vorstandstreffen hat länger gedauert als erwartet“, erwiderte Angel geschmeidig. „Worum geht es hier eigentlich? Als ich Zac und Vitale am Empfang gesehen habe, dachte ich schon, dass es sich um einen Notfall handelt.“

„Das kommt darauf an, was du als Notfall betrachtest.“ Charles musterte seinen hochgewachsenen, dreiunddreißigjährigen Sohn, der ihn um einige Zentimeter überragte.

Ein Sohn, auf den man stolz sein konnte. Das hatte Charles zumindest bis vor Kurzem geglaubt. Doch dann waren ihm verstörende Informationen zu Ohren gekommen, die seinen väterlichen Stolz getrübt hatten. Um fair zu sein, musste man sagen, dass Angel auch die Gene einer unglaublich reichen griechischen Familie mit einem unendlich langen Stammbaum in sich trug, die mehr für ihre Selbstzerstörung als für ihre Erfolge bekannt war. Trotzdem. Charles hatte sich viel auf Angels guten Ruf in der Geschäftswelt eingebildet. Angel war der erste Valtinos seit zwei Generationen, der mehr Geld verdiente, als er ausgab. Er war leistungsorientiert, loyal und ein liebender Sohn und somit das letzte seiner Kinder, von denen Charles erwartet hatte, dass es ihn enttäuschte. Doch Angel hatte genau das getan, als er seine rücksichtslose, unverantwortliche Valtinos-Seite gezeigt hatte.

„Sag mir, worum es geht“, drängte Angel auf seine typisch kühle Art.

Charles lehnte sich gegen seinen aufgeräumten Schreibtisch. Mit Anfang fünfzig war er trotz seiner grauen Haare immer noch ein attraktiver Mann. Sein muskulöser Körper war angespannt. „Wann hast du vor, erwachsen zu werden?“, fragte er ironisch.

Angel blinzelte verwirrt. „Soll das ein Witz sein?“

„Traurigerweise nicht. Vor einer Woche habe ich aus einer Quelle, die ich nicht nennen werde, erfahren, dass ich Großvater bin.“

Angels attraktive Gesichtszüge erstarrten, und sein Blick wurde undurchdringlich. Dann reckte er aggressiv das Kinn vor, wie um seinen Schock zu verbergen. Das Problem, von dem er gehofft hatte, es unauffällig aus dem Weg räumen zu können, war ausgerechnet von dem einzigen Mann auf der Welt in Erfahrung gebracht worden, dessen Meinung er wertschätzte.

„Und noch dazu der Großvater eines Kindes, das ich, wenn es nach dir geht, nie kennenlernen werde“, fügte Charles bedauernd an.

Angel runzelte die Stirn und zuckte dann auf typisch griechische Art mit den Schultern. „Ich wollte dich beschützen …“

„Nein. Deine einzige Motivation war, dich zu beschützen“, widersprach Charles, ohne zu zögern. „Vor den Anforderungen, die ein Kind mit sich bringt, und vor der Verantwortung.“

„Es war ein Unfall. Erwartest du etwa von mir, mein Leben wegen eines Missgeschicks komplett auf den Kopf zu stellen?“, fragt Angel defensiv.

Sein Vater sah ihn nur an. „Ich habe dich nie als Missgeschick betrachtet.“

„Deine Beziehung mit meiner Mutter stand auf ganz anderen Füßen“, erklärte Angel mit dem Stolz seiner wohlhabenden, privilegierten Vorfahren.

Ein Schatten verdunkelte das Gesicht des älteren Mannes. „Angel … Ich habe dir nie die ganze Wahrheit über meine Ehe mit deiner Mutter erzählt, weil ich nicht wollte, dass du sie weniger respektierst“, gab er widerstrebend zu. „Aber Fakt ist, dass Angelina dich bewusst empfangen hat, sobald sie erkannte, dass ich unsere Beziehung beenden will. Ich habe sie geheiratet, weil sie schwanger war, nicht, weil ich sie geliebt habe.“

Das Geständnis überraschte Angel, schockierte ihn aber nicht. Ihm war immer bewusst gewesen, dass seine Mutter verwöhnt und egoistisch war und mit Zurückweisung nicht gut umgehen konnte. „Und eure Ehe hat nicht funktioniert, oder? Also kannst du mir ja wohl kaum vorschlagen, dass ich die Mutter meines Kindes heiraten soll!“

„Nein, Angelina Valtinos zu heiraten, hat für mich nicht funktioniert“, gab Charles zu. „Aber für dich hat es wunderbar funktioniert. Du hast einen Vater bekommen, der nur dein Bestes im Sinn hatte und sich in deine Erziehung mit einbringen durfte.“

Bei dieser Erwiderung biss Angel die Zähne zusammen, denn sie entsprach der Wahrheit. „Ich sollte dir vermutlich für dein Opfer danken“, sagte er rau.

„Das musst du nicht. Der wundervolle kleine Junge ist zu einem Mann herangewachsen, den ich respektiere …“

„Mit Ausnahme des angesprochenen Themas“, unterbrach ihn Angel angespannt.

„Du bist das falsch angegangen. Du hast die Anwälte angerufen, diese Geier, deren einzige Motivation darin besteht, dich und den Namen und das Vermögen der Valtinos zu beschützen …“

„Ganz genau“, warf Angel sanft ein. „Sie beschützen mich.“

„Aber willst du denn dein eigenes Kind nicht kennenlernen?“, fragte Charles mit wachsender Verzweiflung.

Scham stieg in Angel auf, und das machte ihn wütend. „Natürlich will ich das, aber es ist nicht leicht, an seiner Mutter vorbeizukommen.“

„So siehst du das also? Du machst sie für diesen Schlamassel verantwortlich?“ Charles schüttelte den Kopf. „Deine Anwälte haben sie gezwungen, im Gegenzug für finanzielle Unterstützung einen Geheimhaltungsvertrag zu unterzeichnen. Du hast dabei keinerlei Anstalten gemacht, ein Umgangsrecht für dein Kind auszuhandeln.“

Angel verkrampfte sich. Er kämpfte seine Verärgerung nieder und war entschlossen, sich nicht dem frustrierenden Zorn zu ergeben, der in seinem Inneren tobte. Er sollte verdammt sein, wenn er zuließ, dass diese ärgerliche Baby-Situation, wie er sie nannte, zwischen ihn und seinen geliebten Vater kam. „Das Kind war zu dem Zeitpunkt noch nicht geboren. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich fühlen würde, sobald es auf der Welt wäre.“

„Deine Anwälte haben sich natürlich darauf konzentriert, deine Privatsphäre und dein Vermögen zu schützen. Deine Rolle wäre es gewesen, sich auf den Familienaspekt zu konzentrieren“, betonte Charles. „Stattdessen hast du dir die Mutter deines Kindes zum Feind gemacht.“

„Das war nicht meine Absicht. Ich habe die Valtinos-Anwälte nur eingeschaltet, um das Persönliche aus den Verhandlungen herauszuhalten.“

„Und wie hat dieser unpersönliche Ansatz für dich funktioniert?“, fragte Charles trocken.

Beinahe hätte Angel laut aufgestöhnt. Um ehrlich zu sein, er hatte bekommen, was er glaubte, haben zu wollen – und dann zu spät erkannt, dass es überhaupt nicht das war, was er sich vorstellte. „Sie will nicht, dass ich zu Besuch komme.“

„Und wessen Schuld ist das?“

„Meine“, gab Angel grimmig zu. „Aber im Moment zieht sie mein Kind unter unpassenden Umständen auf.“

„Ja, als Hundehüterin zu arbeiten, während man die nächste Valtinos-Erbin aufzieht, wird nicht empfohlen“, merkte sein Vater ironisch an. „Nun, zumindest ist diese Frau nicht auf dein Geld aus. Denn sonst wäre sie in London geblieben und hätte es sich mit deinen Zahlungen gut gehen lassen. Auf keinen Fall wäre sie nach Suffolk aufs Land zu ihrer ältlichen Tante gezogen, um sich dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

„Die Mutter meiner Tochter ist verrückt!“, stieß Angel hervor und zeigte das erste Mal eine emotionale Reaktion. „Sie versucht alles, damit ich mich schlecht fühle.“

Charles hob fragend eine Augenbraue. „Meinst du? Das scheint mir ein ziemlicher Aufwand zu sein für einen Mann, den zu sehen sie sich weigert.“

„Sie besaß die Frechheit, meinem Anwalt zu sagen, dass sie mir nicht erlauben könne, sie zu besuchen, weil sie damit einen Bruch der Geheimhaltungsvereinbarung riskiert“, knurrte Angel.

„Diese Sorge von ihr könnte berechtigt sein“, überlegte sein Vater. „Die Paparazzi folgen dir überall hin. Wenn du die Frau besuchst, würden sie und das Kind damit ins Scheinwerferlicht gerückt.“

Angel richtete sich zu seiner vollen Größe auf und straffte die Schultern. „Ich wäre diskret.“

„Leider ist es ein wenig spät, um sich über das Besuchsrecht zu streiten. Das hättest du von Anfang an berücksichtigen sollen, denn in England haben unverheiratete Väter nur wenige bis gar keine Rechte …“

„Schlägst du etwa wirklich vor, dass ich sie heirate?“, wollte Angel ungläubig wissen.

„Nein.“ Charles schüttelte den Kopf. „So eine Geste muss von Herzen kommen.“

„Oder kopfgesteuert“, korrigierte Angel. „Ich könnte sie heiraten, mit nach Griechenland nehmen und dort um das Sorgerecht kämpfen. Denn da wäre ich im Vorteil. Diese Option ist mir sogar an einem Punkt von meinen Anwälten vorgeschlagen worden.“

Charles betrachtete seinen unverfroren rücksichtslosen Sohn mit leichter Besorgnis. Es war nie seine Absicht gewesen, die Situation zwischen Angel und der Mutter des Kindes eskalieren zu lassen. „Ich hoffe, dass du nicht einmal darüber nachdenkst, dich auf so ein Niveau zu begeben. Ganz sicher ist doch noch eine vernünftigere Lösung denkbar?“

Wie sollte er das nach allem, was passiert war, noch wissen? Merry Armstrong hatte seine Pläne durchkreuzt, ihn abgeblockt und ihm eine Reihe von unverschämten Argumenten vor die Füße geworfen, anstatt ihm einfach das zu geben, was er wollte. So ein respektloses Verhalten war Angel nicht gewohnt.

In seinem Leben hatte er von den Frauen eigentlich immer bekommen, was er wollte und wann er es wollte. Das andere Geschlecht betete ihn normalerweise an – von seiner Mutter über seine Tanten und seine Cousinen bis zu den Frauen, die ihm im Bett wie einem Gott huldigten. Die Frauen lebten, um Angel zu gefallen, ihm zu schmeicheln, ihn zu befriedigen. So war es in Angels privilegierter Welt aus Bequemlichkeit und Vergnügen schon immer gewesen. Und er hatte diese Realität als gegeben hingenommen. Bis zu dem sehr düsteren Tag, an dem er sich entschieden hatte, sich auf Merry Armstrong einzulassen …

Sie war ihm sofort aufgefallen. Das glänzende dunkelbraune Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst war, der ihr beinahe bis zur Taille reichte. Die hellblauen Augen und der rosige volle Mund, der für einen fantasiebegabten Mann von Sünde sprach. Dazu die endlos langen, schlanken Beine … Ihr Zusammentreffen war unausweichlich gewesen, obwohl Angel noch nie zuvor mit einer seiner Angestellten geschlafen und sich immer geschworen hatte, es niemals zu tun.

Merry hielt den Briefumschlag, den der Briefträger ihr gerade überreicht hatte, in den zitternden Fingern. Ein zerzauster kleiner Yorkshire Terrier sprang ihr lautstark um die Füße.

„Ruhig, Tiger“, murmelte Merry energisch, denn der kleine Hund war bei ihr zur Pflege, damit sie ihn ausbildete und er somit bessere Chancen auf eine Vermittlung hatte. Doch sie wusste natürlich, dass sie bei Tiger die Regel ihrer Tante Sybil gebrochen hatte, die da lautete, sich nie emotional auf einen der Pflegehunde einzulassen. Tiger durfte inzwischen mit aufs Sofa und auf Merrys Schoß. Sybil liebte Hunde, hielt aber nichts davon, sie zu vermenschlichen oder zu verhätscheln. Vielleicht bin ich emotional genauso beschädigt wie Tiger, dachte Merry. Tiger brauchte Futter als Trost, sie brauchte es, mit einem Hund zu kuscheln. Oder machte sie sich etwas vor, wenn sie die Demütigung, die sie durch Angel erlitten hatte, mit dem Missbrauch verglich, den Tiger hatte durchmachen müssen? Machte sie aus einer Mücke einen Elefanten, wie Sybil ihr einmal barsch erklärt hatte?

Sie drehte den Umschlag um, und ihr Magen zog sich vor Übelkeit zusammen, als sie den Londoner Poststempel erblickte. Es war ein weiterer offizieller Brief, und damit konnte sie im Moment nicht umgehen. Angewidert und mit einem Anflug von Furcht stopfte sie das Couvert in die Schublade des alten Flurtischchens, wo es bleiben würde, bis sie ruhig genug wäre, um sich damit zu beschäftigen.

Ruhig zu sein war für Merry eine Herausforderung, seitdem sie das erste Mal von den Valtinos-Anwälten gehört hatte und sich seitdem mit dem Stress, den Terminen und Beschwerden herumschlagen musste. Sie befand sich in einer nicht enden wollenden juristischen Schlacht, wo alles, was sie tat, Anlass zu Kritik oder einer anderen einschüchternden Forderung war. Bei dem Gedanken daran, schon wieder einen höflich-bedrohlichen Brief öffnen zu müssen, baute sich ein Zorn in ihr auf, den sie vor einem knappen Jahr noch nicht gekannt hatte. Dieser Zorn schien sie zu vereinnahmen, und er machte ihr manchmal Angst, denn bis ihr Weg den von Angel Valtinos gekreuzt hatte, waren ihr solche Gefühle vollkommen fremd gewesen. Er hatte ihr nichts als Verbitterung, Hass und Feindseligkeit beigebracht – alles Emotionen, auf die sie gut verzichten könnte.

Aber, musste sie sehr, sehr widerstrebend zugeben, er hatte ihr auch Elyssa geschenkt …

Erpicht darauf, ihre Gedanken in eine fröhlichere Richtung zu lenken, schaute Merry aus der Küche hinüber in das winzige Wohnzimmer des Häuschens, in dem sie wohnte. Ihre Tochter saß auf dem Teppich und spielte fröhlich mit ihrem Spielzeug. Schwarze Locken umrahmten ihr engelhaftes Gesicht mit der olivfarbenen Haut und dem kleinen Schmollmund. Sie hatte die Locken ihres Vaters und die Augen und den Mund ihrer Mutter und war, Merrys Meinung nach, ein unglaublich hübsches Baby. Wobei Merry, was das anging, vielleicht ein wenig voreingenommen war.

Vor ihrer unglücklichen Schwangerschaft und Elyssas Geburt hätte Merry sich niemals vorstellen können, dass die Ankunft ihrer Tochter ihre Sicht auf die Welt verändern und Merry mit einer nie gekannten bedingungslosen Liebe erfüllen würde. Inzwischen wusste sie: Es gab nichts, was sie für Elyssa nicht tun würde.

Ein leises Klopfen an der Hintertür verkündete Sybils Eintreten in die Küche. „Ich setze den Kessel auf … Zeit für einen Tee“, sagte sie fröhlich. Die schlanke Blondine ging auf die sechzig zu, war aber immer noch unglaublich schön, wie es sich für eine Frau gehörte, die in den Achtzigerjahren ein international gefragtes Supermodel gewesen war.

Sybil war von klein auf Merrys Vorbild gewesen. Ihre Mutter Natalie hatte geheiratet, als Merry sechzehn war, und war mit ihrem Ehemann nach Australien gezogen. Merry war bei ihrer Tante geblieben. Mit Sybil stand Merry sich wesentlich näher als mit ihrer Mutter. Das Tierasyl war von ihrer Tante mit den Einnahmen aus ihrer Modelkarriere aufgebaut worden. Als Sybil ausreichend Geld gespart hatte, um sich für den Rest ihrer Tage um die Pflege von heimatlosen Hunden zu kümmern, hatte sie ihrem glamourösen Leben den Rücken gekehrt.

Gegen Ende ihrer Schwangerschaft hatte Merry angefangen, in dem Hundeasyl mitzuhelfen. Sie hatte mit ihrer Tante in der alten Scheune gewohnt, die Sybil stylish hatte umbauen lassen, und gleichzeitig vorsichtig Pläne für eine unabhängigere Zukunft geschmiedet. Als Buchhalterin hatte sie ein kleines Büro eröffnet, in dem sie sich um die Buchhaltung der örtlichen Ladenbesitzer kümmerte. Inzwischen reichte ihr Einkommen, um sich sogar ein Auto zu leisten und ihrer Tante eine gute Miete für das Häuschen zu zahlen, das sich am Eingang zum Grundstück des Hundeasyls befand. Das Häuschen war winzig und altmodisch, verfügte aber über zwei Schlafzimmer und einen kleinen Garten und entsprach somit genau dem, was Merry und Elyssa derzeit benötigten.

Sybil war der Halt in Merrys Leben, gab ihr Zuneigung und Sicherheit. Als Natalie, Merrys Mutter, mit neunzehn schwanger wurde und sich nach der Geburt als vollkommen ungeeignet für die Erziehung eines Kindes erwiesen hatte, war Sybil regelmäßig am Wochenende als Babysitterin eingesprungen und hatte Merry mit zu sich aufs Land genommen, damit Natalie mit ihren Freunden feiern gehen konnte.

Eine lange Reihe von unpassenden Männern war durch Natalies Leben gezogen – gewalttätige Männer, betrunkene Männer, Männer, die Drogen nahmen, Natalies Geld stahlen und sich weigerten, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Als dieser Lebensstil Auswirkungen auf Merrys Leistungen in der Schule hatte und das Jugendamt drohte, sie in eine Pflegefamilie zu stecken, war Sybil wieder eingesprungen und hatte Merry zu sich genommen.

Neun glorreiche Jahre hatte Merry allein mit Sybil gelebt, das in der Schule Versäumte nachgeholt, gelernt, wieder ein Kind zu sein. Von ihr wurde nicht länger verlangt, zu kochen und zu putzen, sich in ihrem Zimmer zu verstecken, während die Erwachsenen unten einander so laut anschrien, dass die Nachbarn die Polizei riefen. Doch diese Periode der Sicherheit hatte geendet, als Natalie wieder einmal einen Neuanfang machte und verlangte, dass ihre Tochter zu ihr zurückkehrte.

Natürlich hatte es nicht funktioniert, denn inzwischen hatte Natalie sich an ihre Freiheit gewöhnt, und anstatt in Merry eine kleine beste Freundin zu finden, die sie erwartet hatte, traf sie auf eine Tochter, mit der sie nichts mehr gemeinsam hatte. Sobald Keith in Natalies Leben trat, war das Ende vorherbestimmt. Er war jünger als Natalie und hatte deutlich gemacht, dass er keine Lust hatte, mit kaum dreißig die Vaterrolle zu übernehmen. Vielmehr wollte er nach Australien zurückkehren und Natalie mitnehmen. Merry war daraufhin erneut zu Sybil gezogen und hatte ihre Mutter seitdem nie wiedergesehen.

„Habe ich da gerade den Briefträger gesehen?“, fragte Sybil.

Merry verkrampfte sich und wurde rot bei dem Gedanken an den Umschlag, der in der Schublade im Flurtischchen steckte. „Ich habe im Internet etwas für Elyssa bestellt“, log sie beschämt. Aber einer so mutigen Frau wie Sybil gegenüber konnte sie nicht zugeben, dass ein Brief ihr solche Angst machte.

„Keine weiteren Briefe von ‚Dem, der nicht genannt werden darf‘?“, hakte Sybil überraschenderweise nach, denn in letzter Zeit hatte sie dieses Thema meistens auf sich beruhen lassen.

„Offensichtlich machen wir gerade eine kleine Pause von dem Drama, was sehr angenehm ist“, murmelte Merry und wandte sich schnell ab, um Teebeutel in die Becher zu hängen.

Sybil hob ihre Großnichte vom Teppich und herzte sie, bevor sie sich mit ihr auf dem Schoß hinsetzte.

„Denk nicht mal an ihn.“

„Das tue ich nicht“, log Merry, während Selbstekel in ihr aufstieg, weil nur eine komplette Idiotin ihre Zeit damit vergeuden würde, an einen Mann zu denken, der sie so schlecht behandelt hatte. Aber wie sollte Sybil das verstehen? Als umwerfend schöne und berühmte junge Frau hatte sie die Verehrer reihenweise abwehren müssen, aber nie den einen getroffen, mit dem sie sesshaft werden wollte. Merry bezweifelte, dass je ein Mann Sybil gegenüber respektlos gewesen war.

„Er wird seine gerechte Strafe noch bekommen“, sagte Sybil voraus. „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“

„Aber es stört mich, dass ich ihn so sehr hasse“, gab Merry atemlos zu. „Ich habe noch nie jemanden gehasst.“

„Du bist immer noch verletzt. Aber jetzt, wo du wieder angefangen hast, mit Männern auszugehen, werden diese bösen Erinnerungen bald verblassen.“

Ein unerwartetes Lächeln erhellte Merrys Gesicht bei der Aussicht auf den Ausflug am morgigen Nachmittag. Als Tierchirurg kam Fergus Wickham regelmäßig in ihr Hundeasyl. Merry hatte ihn kennengelernt, als sie ihrer Meinung nach abschreckend schwanger gewesen war. Nur hatte ihn das offenbar nicht gestört, sondern er hatte sich einfach Zeit gelassen, bis ihre Tochter auf der Welt und Merry einem Annäherungsversuch gegenüber aufgeschlossener war.

Ich mag Fergus, ich genieße seine Gesellschaft, rief sie sich stoisch in Erinnerung. Er löste bei ihr keine Schmetterlinge im Bauch oder Sehnsucht nach seinen Küssen aus, aber wie wichtig waren solche körperlichen Gefühle im Vergleich zum Großen und Ganzen? Angels sexuelle Anziehungskraft war mit dem Biss einer Giftschlange vergleichbar. Wunderschön, aber tödlich. Guter Gott, wie sehr sie ihn hasste. Die in ihr lodernden Emotionen katapultierten sie in ihrer Erinnerung erbarmungslos sechzehn Monate in der Zeit zurück …

2. KAPITEL

Merry trat ihre erste Stelle voller Enthusiasmus an, auch wenn es sich nicht um ihren Traumjob handelte. Nach ihrem erstklassigen Universitätsabschluss in Finanz- und Rechnungswesen hatte sie nicht vor, sich dauerhaft am Empfang von Valtinos Enterprises einzurichten.

Aber sie hatte dringend eine lukrative Arbeit benötigt, weil sie für ihr Gefühl schon viel zu lange auf Sybils Großzügigkeit angewiesen war. Sybil hatte sie bereits während ihres Studiums unterstützt, indem sie ihr Ferienjobs in ihrem Hundeasyl gegeben hatte. Und Merry hatte bei ihr immer ein behagliches Zuhause gehabt, in das sie an den Wochenenden und in den Ferien zurückkommen konnte.

Ihr Job bei Valtinos Enterprises war Merrys erster Schritt in Richtung wahre Unabhängigkeit. Die Arbeit wurde gut bezahlt und ließ ihr genügend Zeit, um sich nach einer passenderen Stelle umzusehen.

Als Angel an ihrem ersten Tag aus dem Fahrstuhl kam, stockte Merry der Atem, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. Er hatte schwarze Locken, die immer ein wenig zerzaust aussahen, und ein schlankes, auf düstere Art schönes Gesicht mit hohen Wangenknochen, einer schmalen, geraden Nase und funkelnden goldbraunen Augen. Augen, die, wie sie viel später feststellen sollte, so hart und kalt werden konnten wie ein schwarzer Diamant.

„Sie sind neu hier“, merkte er an und musterte sie mit einer leichten Bewunderung im Blick, von der ihr ganz heiß wurde.

„Heute ist mein erster Tag, Mr. Valtinos“, erwiderte sie.

„Vergeude dein Lächeln nicht an ihn“, flüsterte ihre Kollegin, als Angel in sein Büro weiterging. „Er flirtet nicht mit den Angestellten. Im Gegenteil, es geht sogar das Gerücht um, dass er schon einige seiner Assistentinnen gefeuert hat, weil sie zu persönlich wurden.“

„Ich bin nicht an ihm interessiert“, erwiderte Merry amüsiert – und es stimmte. Was Männer anging, zeigte sie nur selten Interesse.

Als Kind zuzusehen, wie ihre Mutter ständig nach dem Mann ihrer Träume suchte und dabei alles andere im Leben vernachlässigte, hatte Merry Angst gemacht. Nach dieser instabilen Kindheit war ihr Sicherheit sehr wichtig. Sie ging niemals ein Risiko ein. Eigentlich war sie sogar der risikoscheuste Mensch, den sie kannte.

Diese ihr innewohnende Vorsicht hatte dazu geführt, dass sie auf der Universität nur gelernt und kaum an sozialen Aktivitäten teilgenommen hatte. Es hatte den einen oder anderen Freund gegeben, aber keinen, den sie in ihr Bett eingeladen hatte. Zu sehen, wie die Beziehungen um sie herum alle irgendwann böse endeten, hatte sie noch weiter abgeschreckt. Ihr gefiel ein ruhiges, aufgeräumtes Leben. Was in keiner Weise erklärte, wie sie jemals mit einem so unbeständigen Mann wie Angel hatte intim werden können.

Es stimmte, de facto passten sie und Angel überhaupt nicht zusammen. Angel hatte ein Temperament, das an einen Vulkan erinnerte – es brach jedes Mal aus, wenn jemand etwas tat oder sagte, was er als dumm erachtete. Er war weder tolerant noch unproblematisch im Umgang. In den ersten Wochen ihrer Anstellung sah sie regelmäßig persönliche Mitarbeiter aus seinem Büro hasten, die gestresst und beklommen wirkten. Angel war ungeduldig und fordernd. In seinen maßgeschneiderten Designeranzügen mochte er wie ein Topmodel aussehen, aber er besaß Charakterzüge eines Tyrannen und einen unbändigen Appetit auf Arbeit und Erfolg. Das Einzige an ihm, was ihr in jenen ersten Wochen Respekt einflößte, war seine Cleverness.

Wenn sie bei den Vorstandstreffen Kaffee servierte, hörte sie, wie er ellenlange Argumente mit nur wenigen gezielten Worten zerpflückte. Ihr fiel auf, dass die Menschen zuhörten, wenn er sprach, und versuchten, ihm zu gefallen und ihn zu beeindrucken. Ab und zu schwebten wunderschöne Blondinen herein, um sich mit ihm zum Lunch zu treffen – die typischen Damen der Gesellschaft, die offenbar nur für ihre beneidenswerten Gesichter und Körper sowie ihre Fähigkeit, Angel bewundernd anzusehen, ausgesucht worden waren. Die, die ohne Einladung erschienen, schafften es nicht einmal über die Schwelle zu seinem Büro. Er behandelte Frauen als lockere Abwechslung und ließ sie fallen, sobald sie ihn langweilten. Die Parade an sich ständig ändernden Gesichtern machte deutlich, dass er sehr schnell gelangweilt war.

Kurz, nichts an Angel Valtinos hätte Merry anziehen sollen. Er hatte beinahe jede Eigenschaft, die sie an einem Mann nicht leiden konnte. Er war ein egoistischer, anmaßender, übersexualisierter Workaholic, der von einem Leben in Luxus und von mehr weiblicher Bewunderung, als gut für ihn war, verwöhnt worden war.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
Mehr erfahren