Traummänner & Traumziele: Hawaii

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Im Rausch der Sinne
Also, das geht Elaine nun wirklich zu weit! Den kostbaren Smaragdring zur Verlobung hat sie angenommen, ja. Allerdings nur, damit die Öffentlichkeit ihre geplante Scheinehe mit dem Milliardär Marco De Luca für echt hält. Auf keinen Fall aber wollte sie mit ihm zum Flittern nach Hawaii und vor allem dort nicht das Bett mit ihm teilen! Eine Jungfrau wie sie passt ohnehin gar nicht in sein Beuteschema, oder? Entschlossen gibt Elaine sich unnahbar und reizt Marco, ohne es zu ahnen, damit noch mehr. Doch was für Pläne verfolgt der italienische Playboy wirklich?

Urlaub - Traummann inklusive?
Reif für die Insel! Kurzentschlossen bucht Paige drei Wochen Hawaii. Wie vom Donner gerührt ist sie allerdings, als sie dem Chef der Ferienanlage gegenübersteht: Jack Banta! Ist dieser braungebrannte, knackige Traummann wirklich der Klassenstreber von damals? Urlaub - Liebe inklusive? Hand in Hand mit Jack am Strand, Küsse in der wilden Brandung, Sex unter tausend hellen Sternen? Alles scheint möglich! Paige ahnt nicht, was Jack mit seinem frechem Surfercharme im Schilde führt: Es ihr verführerisch süß heimzahlen, weil sie ihn damals kühl abblitzen ließ…
Traumgirl auf Hawaii
Nicht weit entfernt von der kleinen hawaiianischen Insel Molokai geschieht es: Lilly Kokoa entdeckt von ihrem Segelboot aus einen verletzten Mann, der schiffbrüchig im Pazifik treibt. Sofort nimmt sie ihn an Bord. Er hat anscheinend sein Gedächtnis verloren. Aber dafür meint Lilly zu wissen, wer er ist: der berühmte Schauspieler Cameron ross! Bildet sie es sich nur ein, oder herrscht zwischen ihnen wirklich eine sehr erotische Anziehungskraft? Eigentlich darf das nicht sein, denn Cameron ist mit der schönen Dulcy verheiratet - auch wenn er sich im Moment nicht daran erinnern kann. Und er will auch nicht daran erinnert werden, als sie nach einem gefährlichen Abenteuer - sie entgehen nur knapp einer Entführung - endlich Molokai erreichen...…


  • Erscheinungstag 06.07.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787097
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Kerri Leroy, Maisey Yates, Kathleen Korbel

Traummänner & Traumziele: Hawaii

Kerri LeRoy

Urlaub – Traummann inklusive?

IMPRESSUM

JULIA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2006 by Kerry LeRoy
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 162009 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Bettina Röhricht

Fotos: Matton Images

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-336-3

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

„He, was soll das?“, rief Paige Pipkin empört auf, als ihre Tante Naomi ihr die Papiere wegnahm.

„Was ist das überhaupt?“ Naomi schob sich eine krause, orangerot gefärbte Haarsträhne aus der Stirn und betrachtete die Unterlagen mit zusammengekniffenen Augen.

„Eine Bewerbung für mein nächstes Promotionsstudium in Stanford.“

„Welches Fach ist es diesmal?“

„Alte Geschichte und Archäologie des Mittelmeerraums. Dafür muss ich zwei alte Sprachen lernen und praktische Erfahrungen in Archäologie sammeln. Klingt das nicht toll?“

Statt einer Antwort riss ihre Tante die Bewerbungsformulare in der Mitte durch.

„He!“ Paige sah sie entgeistert an.

„Entspann dich, Darling“, beruhigte Naomi lächelnd und zog eine Hochglanzbroschüre aus der Tasche ihrer weiten, bunt geblümten Bluse. „Das hier finde ich toll.“

Noch immer verärgert betrachtete Paige die Broschüre. „Club Lealea, der heißeste Single-Ferienclub von ganz Kau-ai.“ Über den Rand ihrer Brille hinweg sah sie ihre Tante an, die ihr gegenüber am Küchentisch Platz nahm. „Du fährst in einen Ferienclub für Singles?“

„Nein, nicht ich. Du fährst dorthin.“

Paige sah sich die erste Seite der Broschüre an: Palmen, eine Bar direkt am Pool, Frauen in Bikinis, Männer mit Waschbrettbäuchen. Leise lachend schob sie die Broschüre zu ihrer Tante zurück. „O nein. Ich fahre auf gar keinen Fall dorthin.“ Sie legte die Hälften ihrer zerrissenen Bewerbungsformulare aneinander und überlegte, wo der Tesafilm war.

„Nicht so schnell“, versuchte Naomi sie für ihren Vorschlag zu interessieren. „Ich finde, du könntest mal eine Uni-Pause gebrauchen. Du hast doch schon einen Doktortitel in Romanistik, und jetzt willst du noch einen machen? In … was war es noch gleich? Langweilige Geschichte und irgendwas mit Archäologie?“

Paige musste lachen. „Alte Geschichte und Archäologie des Mittelmeerraums.“

„Ja, und ich finde diese Wissbegierde toll, Darling. Um keinen Preis würde ich etwas an meiner klugen, intelligenten Nichte ändern wollen. Trotzdem musst du endlich hinter deinen Büchern hervorkommen und dich dem wirklichen Leben stellen, Paige. Ein bisschen Bewegung in die Dinge bringen.“ Naomi blätterte in der Broschüre. „Im Urlaub könntest du überlegen, wie du dir dein weiteres Leben vorstellst – und den gesellschaftlichen Umgang mit anderen Menschen üben.“ Sie zeigte ihrer Nichte das Foto eines männlichen Gastes. „Vielleicht könntest du dich auch abschleppen lassen.“

Paige war sprachlos. „Oder du lernst jemand ganz Besonderen kennen“, fuhr ihre Tante ungerührt fort. „Jemanden wie ihn hier.“

Kopfschüttelnd betrachtete Paige das Bild. Der sonnengebräunte, muskulöse Mann darauf stemmte Gewichte im clubeigenen Fitnessstudio. Ja, er war ziemlich attraktiv. Aber dieser Single-Club war ja die reinste Fleischbeschau. Paige passte einfach nicht dorthin. Alle Frauen in der Broschüre trugen Bikinis. Sie dagegen mochte bis zum Hals zugeknöpfte Blusen, Bücher und wissenschaftliche Abhandlungen.

Doch Naomi hatte nicht ganz unrecht. Paige war gerade achtundzwanzig geworden und war noch immer nicht diesem „ganz besonderen Menschen“ begegnet. Und das würde sie gern, eines Tages. Doch wie sollte sie das anstellen?

Vertieft in ihre Bücher, lebte es sich nun einmal sicher und geborgen. Allein beim Gedanken daran, sich in die Höhle eines Single-Clubs zu begeben, wurde ihr schon kalt. Sie fühlte sich unter anderen Menschen einfach oft unsicher und unbeholfen. Wie hatte Naomi es ausgedrückt: Sie sollte sich dem wirklichen Leben stellen und Bewegung in die Dinge bringen? Und sich womöglich auch noch „abschleppen“ lassen?

„Ein Ferienclub für Singles ist … nicht mein Stil“, verteidigte sie sich.

„Vielleicht wird es Zeit, dass du mal einen neuen Stil ausprobierst.“

Naomis selbstzufriedenes Lächeln ließ Paige erstarren, denn diesen Blick kannte sie nur zu gut. „Was hast du angestellt, Naomi?“

„Wieso?“ Plötzlich schien Naomi ganz in das Betrachten ihrer glitzernd lila lackierten Nägel vertieft zu sein. Dann ließ sie die Hände sinken und sah ihrer Nichte in die Augen. „Ich habe einen dreiwöchigen Urlaub im Club Lealea für dich gebucht. Alles ist bezahlt, und dein Koffer ist auch schon gepackt. Du reist morgen ab.“

Was?“ Paige sprang auf und begann, in der Küche umherzulaufen. „Das kannst du dir doch gar nicht leisten! Du musst verrückt geworden sein!“

„Tja, ich bin eben die verrückte Tante, die du so lieb hast.“ Mit einem breiten Lächeln auf ihren gepuderten Wangen stand Naomi auf und legte einen Arm um Paige.

In Paiges Kopf drehte sich alles. Sie würde allein in den Urlaub fahren, Kontakte mit anderen Leuten knüpfen müssen und vielleicht sogar eine Verabredung haben. Und was war mit ihren Vorlesungen? Die Sache gefiel ihr gar nicht. Sie ließ sich gegen die Lehne ihres Stuhls sinken und blickte Naomi, die wohlmeinend lächelte, mit starrem Blick an.

Ihre Tante war immer für sie da gewesen und hatte sie jedes Mal bei sich aufgenommen, wenn Paiges viel beschäftigte Eltern mal wieder zu einer ihrer Forschungsreisen aufgebrochen waren. Naomi hatte sie immer willkommen geheißen, war mit ihr Eis essen gegangen und hatte ihr all ihren klobigen klimpernden Schmuck zum Verkleiden überlassen. Als Teenager hatte Paige von ihr Schminktipps und gute Ratschläge bekommen, in allem was das Thema Jungen betraf. Nicht, dass es allzu viele Männer in ihrem Leben gegeben hätte, aber dennoch …

Paige blickte ihre Tante an, die neben ihr stand und sie erwartungsvoll ansah – der Mensch, der sie besser kannte als irgendwer sonst auf der Welt.

Naomi war unverheiratet und hatte als Lehrerin an der Highschool von Kauai gearbeitet. Genau zum Zeitpunkt ihrer Pensionierung sollte Paiges Studium in Stanford beginnen. Da Paige Bedenken hatte, ganz allein nach Kalifornien zu gehen, bat sie ihre Tante, mit ihr zu kommen. Und wie immer war auch diesmal auf Naomi Verlass: Bereitwillig zog sie mit Paige nach Kalifornien und ließ sie mietfrei in dem Haus bei sich wohnen, das sie gekauft hatte. Doch auf einen Universitätsabschluss war immer der nächste gefolgt, bis jetzt …

Reuig blickte Paige ihre Tante an. Sie stand wirklich in ihrer Schuld. All die Opfer und die Unterstützung würde sie ihr niemals vergelten können. Und sie spürte deutlich, was diese Reise Naomi bedeutete. Sie hatte ja sogar schon gepackt!

Seufzend fragte Paige: „Meinst du wirklich, das ist eine gute Idee?“

Naomi nickte so heftig, dass ihre langen, halbmondförmigen Ohrringe gegen ihren Hals schlugen. Ernst blickte sie ihre Nichte an und sagte eindringlich: „Ich möchte nicht, dass du irgendwann alt und allein bist, so wie ich.“

Paige runzelte die Stirn. „Bist du denn nicht zufrieden mit deinem Leben?“

„Doch, natürlich. Aber ich habe auch Glück gehabt: Ich hatte ja immer dich.“ Naomi lächelte liebevoll und strich Paiges Pferdeschwanz glatt. „Für mich bist du wie eine Tochter.“

Paige schluckte. Wie könnte sie sich weigern, die Reise zu machen, wenn es ihrer Tante doch offenbar so viel bedeutete? „Möchtest du nicht mitkommen? Bestimmt gibt es da auch ältere Männer …“

„Nein, es ist wichtig, dass du alleine fährst. Glaub mir, die Reise wird dir guttun! Genieß die Sonne, lerne Leute kennen … du wirst schon zurechtkommen. Es ist nicht nur der heißeste Ferienclub für Singles im ganzen Land, sondern er liegt auch in vertrauter Umgebung: Du bist doch zwei Jahre auf Kauai zur Schule gegangen“, fuhr Naomi begeistert fort. „Und weißt du was?“

Paige traute sich nicht nachzufragen.

„Du erinnerst dich doch bestimmt an meine Freundin Irene Nielsen. Sie wohnt noch immer dort und möchte, dass ich sie besuche. Also werde ich für ein paar Tage hinfliegen, während du dort Urlaub machst. Klingt das nicht gut?“

Eigentlich schon, dachte Paige und nickte.

„Ich möchte nur, dass du es einmal versuchst“, sagte Naomi ruhig. „Denke einmal gründlich über dein Leben nach und überlege, in welcher Richtung es künftig verlaufen soll. Wenn du danach zurück an die Uni möchtest, werde ich dich nicht davon abhalten. Aber ich möchte wetten, dass du bei deiner Rückkehr eine andere Frau sein wirst.“

Das bezweifle ich, dachte Paige. Doch sie musste zugeben, dass die Broschüre ziemlich viel Spaß verhieß: tropische Blumen, Swimmingpools … ein ziemlicher Kontrast zum Uni-Leben. Denn auch wenn sie sich normalerweise hinter ihren Büchern versteckte – insgeheim hatte Paige sich immer danach gesehnt, keine Außenseiterin zu sein, sondern dazuzugehören. Ich sollte es einfach versuchen, dachte sie. Es würde Naomi sehr glücklich machen. Und vielleicht könnte ich die drei Wochen als eine Art Forschungsprojekt betrachten, die Beobachtung einheimischer Singles und wie man sich ihnen anpasst.

Der Gedanke gefiel ihr. Paige beschloss, Hintergrundinformationen zu sammeln und Artikel über Dating und Ferienclubs zu lesen, ein oder zwei Bücher über den sozialen Umgang mit anderen Menschen und über höflichen Smalltalk.

„Hmm“, machte Naomi genüsslich und riss sie aus ihren Gedanken. „Mit dem würde ich ja auch gern mal Wellenreiten gehen, wenn du verstehst, was ich meine.“ Sie hielt die Broschüre hoch und strich mit dem Finger über den Bizeps eines jungen Surfers. Dann fing sie an, einen wilden Hula-Tanz vorzuführen. „Du musst ihm unbedingt ein ‚Aloha‘ von mir ausrichten.“

Paige lächelte gequält. „Mache ich“, versprach sie. „Ein ‚Aloha‘ an den netten jungen Surfer.“ Sie ließ den Kopf auf den Tisch sinken.

Der Shuttlebus fuhr durch die Tore des luxuriösen Club Lealea, dessen Eingang von Palmen umgeben war. Paige blickte aus dem Fenster und betrachtete die sattgrünen tropischen Pflanzen, die sich sanft in der Brise wiegten, als würden sie ihr zuwinken.

Sie war die einzige Passagierin gewesen und hatte die Fahrt im Sonnenuntergang entlang der gewundenen, von tropischem Wald gesäumten Straße sehr genossen.

„Willkommen im Club Lealea.“ Der Busfahrer parkte vor der riesigen Anlage und hob ihren Koffer, den Naomi ihr geliehen hatte, aus dem Bus.

Es war ein Überbleibsel aus den Siebzigern, dessen altersschwache Schnappverschlüsse so aussahen, als würden sie jeden Moment den Geist aufgeben. Sie umfasste den Griff, betrachtete die riesige Ferienanlage und wusste, dass ihre leichte Übelkeit nichts mit der kurvigen Straße zu tun hatte. Dann atmete sie tief ein und ging los.

„Elegant“ war das Erste, was ihr beim Anblick dieses Clubs einfiel – bis plötzlich ein Huhn aus dem Gebüsch gelaufen kam und ihren Weg kreuzte. Paige hatte ganz vergessen, dass Kauai voller Hühner war, die auf der kleinen Insel keine natürlichen Feinde besaßen.

Sie stieg die Stufen zur Eingangstür hinauf und betrachtete die üppig mit heimischen Pflanzen begrünten Wege und Balkons. Die Anlage wirkte wie eine Oase, in der man tatsächlich Zuflucht vor den Alltagssorgen suchen konnte. Paige verspürte eine gewisse Anspannung und Vorfreude zugleich. Während der Wind den frischen Duft von Hibiskus und Plumeria herüberwehte und ihre erhitzte Haut kühlte, fragte sie sich, ob sie hier zurechtkommen würde.

Auf dem Hinflug hatte Paige den Ratgeber: „Vom Mauerblümchen zur Partyqueen“ zu Ende gelesen. Jetzt fragte sie sich seufzend, ob sie wohl die neu erlernten Tipps würde anwenden können. Mit einem weiteren tiefen Atemzug stieg sie die letzten Stufen der breiten Steintreppe hinauf.

Oben angekommen, kam ihr ein junger Mann mit nacktem Oberkörper entgegen, in jedem Arm eine Frau mit Kokosnuss-BH und Baströckchen. Sie prallten mit Paige zusammen.

„Oh, Verzeihung, Baby.“ Der junge Mann betrachtete sie unverhohlen und fragte dann grinsend: „Möchtest du vielleicht mitkommen?“

„Äh … nein, danke.“

Er zuckte eine Schulter. „Dann nicht. Auf geht’s, Ladies.“ Er trank einen Schluck aus einer Bierflasche, ließ einen lauten Schrei ertönen und zog die beiden „Ladies“ mit sich die Treppe hinunter.

Nicht zum ersten Mal fragte Paige sich, was Naomi ihr da eingebrockt hatte. Dann betrat sie das Foyer und blickte sich um.

Ein Mann Mitte zwanzig mit beeindruckendem Bizeps schlenderte an ihr vorbei. Er trug nichts außer einer Shorts, die ausgesprochen tief auf seinen Hüften saß. Er warf Paige einen Blick aus den Augenwinkeln zu und grinste.

„Augenkontakt und Lächeln sind das A und O“, hieß es in dem Ratgeber. Also rang sie sich ebenfalls ein Lächeln ab, doch der junge Mann schenkte seine Aufmerksamkeit bereits einer Frau in einem leuchtend rosafarbenen Bikini.

Paige ließ die Mundwinkel wieder sinken, schnitt ein Gesicht und machte sich auf den Weg zur Rezeption.

Jack Banta saß hinter seinem Schreibtisch im Club Lealea und lächelte geduldig die junge Frau an, die ihm gegenüber saß und ihm unbedingt etwas verkaufen wollte. Sie war höchstens sechzehn oder siebzehn, und ganz bestimmt war das ihr erster Ferienjob: von Tür zu Tür gehen und Leis verkaufen, die typischen Blumenkränze Hawaiis.

Leicht nervös spulte sie ihren Verkaufsvortrag ab: „Früher waren die Leis ein Symbol der Liebe. Die kreisförmigen Kränze sollen eine Umarmung darstellen. Deshalb sind sie für einen Single-Club, dessen Gäste ja auf der Suche nach Liebe sind, geradezu perfekt geeignet.“

Jack musste daran denken, wie er als Teenager gewesen war, dünn, schüchtern und unbeholfen. Er hatte Mitgefühl mit der jungen Frau, brauchte aber eigentlich keine Blumen, da er von einem Freund, einem einheimischen Blumenzüchter, Rabatt erhielt.

„Sie könnten doch jedem neu eintreffenden Gast zur Begrüßung eine Blumenkette umhängen“, schlug die junge Frau jetzt vor.

Keine schlechte Idee, dachte Jack. „Wie viele Leis pro Woche müssen Sie denn verkaufen?“, fragte er unverblümt.

„Ähm … fünf Schachteln.“

„Da müssen Sie aber eine ganze Menge mit sich herumschleppen!“

„Allerdings!“, stimmte das Mädchen ihm impulsiv zu. „Ich trage die schon den ganzen Tag durch die Gegend und habe noch keinen einzigen Lei verkauft!“

Sie hielt inne, als würde sie sich plötzlich wieder besinnen. „Aber eigentlich ist die Arbeit gar nicht so schlimm“, versicherte sie schnell. „Also, wie viele möchten Sie?“

Aha, den Trick versuchte sie also. Ach, was soll’s, dachte Jack und erklärte: „Ich nehme fünf.“ „Toll!“ Die junge Frau nahm fünf Blumenkränze aus einer Schachtel.

„Nein, ich meinte fünf Schachteln.“

Echt?“ Mit großen Augen sah sie ihn an. „Das ist ja meine Quote für die ganze Woche!“

„Genau. Und jetzt hole ich jemanden, der Ihnen beim Hereintragen hilft.“ Jack reichte ihr die Hand.

Plötzlich wurde die junge Frau rot und kicherte nervös. Doch Jack war es gewohnt, dass Frauen so auf ihn reagierten.

In diesem Moment steckte Lulu den Kopf zur Tür herein. Die junge Hawaiianerin mit dem langen geflochtenen Zopf koordinierte die Freizeitaktivitäten im Club Lealea. „Jack, Nick ist am Telefon auf Leitung drei. Er will mit dir über den Zeitplan für die nächste Woche sprechen.“

„Ich komme sofort. Und würdest du einen der Pagen bitten, der jungen Dame beim Hereintragen der Blumen zu helfen? Ich habe fünf Schachteln davon gekauft.“

„Wo sollen wir die denn unterbringen?“

„Keine Ahnung“, erwiderte Jack ungerührt.

„Ich helfe Ihnen gern“, bot die junge Verkäuferin eifrig an.

Vorsichtig steckte Jack dem Mädchen eine rote Hibiskusblüte hinters Ohr. „Alle hübschen Verkäuferinnen sollten eine Blume im Haar tragen.“

Ihr Lächeln wurde noch breiter. „Vielen Dank!“

Jack nickte und zwinkerte ihr zu, bevor er sich an Lulu wandte. „Könntest du bitte die Formalitäten für den Blumenkauf erledigen, während ich mit Nick spreche?“

„Natürlich.“ Lulu führte das Mädchen aus dem Büro.

Jack ging zur Rezeption und blickte sich um: Alles schien gut zu laufen. Der Ferienclub war voller Singles, die zum Pool flanierten oder einfach durch die Gärten bummelten. Viele von ihnen standen in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich angeregt.

Er nahm den Hörer ab. „Hallo, Nick.“

Der stellvertretende Leiter berichtete ihm von seinen Plänen für die kommende Woche. „Ein Limbo-Wettbewerb beim Pool am Donnerstag?“ Jack nickte. „In Ordnung. Hast du auch schon einen Vorschlag für Freitag?“

Während er telefonierte, beobachtete Jack, wie eine hübsche Frau mit schwarzem Pferdeschwanz einen etwas merkwürdig aussehenden Koffer über den edlen Marmorboden des Foyers schleifte. Das riesige Gänseblümchen auf dem Gepäckstück erinnerte an die Hippiezeit und wollte so gar nicht zu dem eher braven Erscheinungsbild der jungen Frau passen. Aber Jack mochte Frauen wie sie, die ein wenig nach lebensfremden Bücherwürmern aussahen.

Es gefiel ihm, wie sie beim Anblick der halb nackten Menschen, die durch das Foyer schlenderten, leicht missbilligend die Lippen zusammenpresste. Plötzlich verspürte er den starken Wunsch, ihr Gesellschaft zu leisten bei den Abenteuern, die sie im Club Lealea suchte. Er warf ihr einen letzten Blick zu und schenkte dann wieder Nick seine Aufmerksamkeit.

„Wie wäre es, statt eines weiteren ‚Miss-Bikini-Wettbewerbs‘, mit einem Badehosen-Wettbewerb, damit auch die Damen mal profitieren?“ Jack hörte sich Nicks Antwort an und nickte. „Gut. Dann bis später.“ Er legte auf und blickte sich nach dem niedlichen Neuankömmling um. Sie stand vor einem Ständer voller Broschüren über die Wanderungen und Führungen, die der Club Lealea veranstaltete.

„Hallo, Jack!“ Eine rothaarige Frau näherte sich dem Empfangstresen.

Jack setzte sein strahlendes Clubmanager-Lächeln auf. „Ah, die entzückende Miss Cindy!“

Cindy trug ein enges, tief ausgeschnittenes schwarzes Kleid, das ihre kurvenreiche Figur betonte. Sie stammte aus … Jack überlegte kurz. Ach ja, aus Arizona.

„In Arizona werden Sie bestimmt schmerzlich vermisst. Wie geht es der begehrtesten Frau im ganzen Club?“

Cindy strahlte angesichts seines Kompliments. „Mir geht es super“, erwiderte sie und fügte dann vielsagend hinzu: „… zumindest im Moment.“ Sie beugte sich über den Tresen und bot Jack damit uneingeschränkte Sicht auf ihr Dekolleté.

Jack wusste nicht recht, was für eine Reaktion sie erwartete. Sollte er vielleicht Beifall klatschen? Höflich wandte er den Blick ab und dachte daran, dass jeden Moment die entzückende, etwas streng wirkende Frau mit dem Pferdeschwanz an der Rezeption auftauchen konnte.

„Wissen Sie schon, dass der Luau wegen des angekündigten Regens drinnen stattfinden wird, Cindy?“, sprach er sie auf das Fest mit Hula-Vorführung und typisch hawaiianischem Essen an. „Wie ich weiß, hoffen zahlreiche männliche Gäste, Sie dort zu sehen.“

„Das klingt toll. Ich bin schon ganz ausgehungert.“ Ihr Blick besagte, dass sie als Hauptgericht am liebsten Jack vernascht hätte. „Werden Sie auch dort sein?“

Er versuchte, enttäuscht zu wirken. „Leider nicht, ich muss arbeiten.“

Cindy richtete sich wieder auf. „Dann vielleicht nächstes Mal?“

„Klar.“ Jack sah ihr nach, als sie davonrauschte. Allzu oft suchten sich die Frauen im Club ihn als Zielobjekt für ihren Urlaubsflirt aus. Aber sein Ziel war es, dass Gäste wiederkamen, und komplizierte Verwicklungen in Liebesaffären waren da natürlich eher hinderlich. Also ließ er sich grundsätzlich nicht darauf ein. Erneut wanderte sein Blick zu der äußerst reizvollen Frau hinüber, und er erlaubte sich den Gedanken, dass manche Regeln dazu da sind, gebrochen zu werden …

In diesem Moment zog sie eine Brille aus der Tasche ihrer olivfarbenen Shorts, um sich eine Broschüre genauer anzusehen.

Jack gefiel es, wenn Frauen Brillen trugen. Unwillkürlich stellte er sich vor, sie würde ihr schwarzes Haar in einem strengen Knoten tragen, den er dann mit den Fingern lösen oder während einer leidenschaftlichen Liebesstunde lockern könnte …

Die schmale schwarze Brille gab der jungen Frau ein ernstes intellektuelles Aussehen und wirkte merkwürdigerweise gleichzeitig sehr sexy. Als sie beim konzentrierten Lesen leicht die Nase kräuselte, kam sie ihm auf einmal sehr bekannt vor.

Du meine Güte, das war ja Paige – Paige Pipkin!

Jack hatte gehört, dass sie Kauai nach der Highschool verlassen hatte und aufs Festland gezogen war, um dort zu studieren und zu promovieren. Erinnerungen an ihre gemeinsame Highschoolzeit wurden in Jack lebendig. Damals war er ein unbeholfener Teenager gewesen, der leidenschaftlich für Paige schwärmte. Doch seine Gefühle wurden nicht erwidert, und er konnte sie niemals vergessen.

Die Geräusche des belebten Clubs traten in den Hintergrund, als Jack schluckte und einen Moment lang wieder der schüchterne, unsichere Junge war, der damals genau das getan hatte, was er auch jetzt wieder tat: Paige Pipkin aus der Entfernung beobachten.

Dann gab er sich einen Ruck und richtete sich auf. Schließlich war er kein Schuljunge mehr, sondern Jack Banta – der erfolgreiche Manager des Club Lealea und ein äußerst begehrter Junggeselle. Manch einer bezeichnete ihn sogar als Playboy.

Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er Paige. Jedes Mal, wenn er damals seinen ganzen Mut zusammengenommen und sie gebeten hatte, mit ihm auszugehen – in der Hoffnung, sie würde endlich Ja sagen –, wurde er von ihr abgewiesen.

Plötzlich kam ihm ein Gedanke: Wie wäre es wohl, wenn sie jetzt begreifen würde, was sie sich damals hatte entgehen lassen? Jeder schüchterne, eigenbrötlerische Teenager träumte doch davon, sich später zu einem attraktiven, reichen Mann zu entwickeln und das Herz seines früheren Schwarms zu erobern. Jack stellte sich vor, wie Paige in seinen Armen lag und mit geöffneten Lippen zu ihm aufblickte …

Wie lange Paige wohl auf Kauai sein würde, zwei, drei Wochen? Mehr Zeit würde er nicht brauchen. Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Am Ende ihres Urlaubs im Club Lealea würde sie voller Sehnsucht abreisen – eine Art sinnliche Rache.

In diesem Moment blickte Paige zum Empfangstresen hinüber. Als sie auf ihn zukam, sagte Jack leise zu sich: „Ja. Zeit für einen kleinen Racheplan.“

„Was für ein ‚Racheplan‘?“, fragte Lulu, die eine Schachtel Leis hinter dem Tresen abstellte.

„Ach, nichts.“

Lulu folgte seinem Blick und sah stirnrunzelnd zu Paige hinüber. „Bist du nicht bald fertig?“, fragte sie leicht ungeduldig.

„Noch nicht.“ Jack wollte auf keinen Fall nach Hause gehen, bevor er nicht mit Paige gesprochen hatte.

„Ich koche heute Abend ein traditionelles hawaiianisches Gericht mit Meeresfrüchten nach einem alten Rezept meiner Familie und hätte gegen etwas Gesellschaft beim Essen nichts einzuwenden.“

„Oh, ähm, vielen Dank. Leider muss ich heute bis spät abends arbeiten. Aber vielleicht hat Nick ja Zeit?“

„Hm“, machte Lulu wenig begeistert. „Dann also bis morgen.“

„Ja, bis dann“, erwiderte Jack. Lulu war eine tolle Mitarbeiterin: immer hilfsbereit und freundlich. Manchmal war sie allerdings ein bisschen zu freundlich, fast so, als würde sie mit ihm flirten wollen …

Lulu nahm ihre Handtasche und ging – genau im richtigen Moment, denn Paige näherte sich bereits. Innerlich bereitete sich Jack auf das Wiedersehen mit der Frau vor, von der er früher geträumt hatte.

Genau in diesem Moment rannte eine junge Frau im Baströckchen kreischend durchs Foyer, verfolgt von einem jungen Mann mit einer riesigen Wasserpistole. Dieser prallte mit Paige zusammen, sodass ihr der Koffer aus der Hand fiel und sich dessen Inhalt über den ganzen Boden verteilte.

Der junge Mann wollte ihr beim Einsammeln helfen, doch Jack kam ihm zuvor. „Lassen Sie mich das machen – Sie haben ja anderes zu tun.“

Der Mann grinste und nahm seine Verfolgung der Frau im Baströckchen wieder auf.

Jack kniete sich neben Paige auf den Boden und reichte ihr eine Bluse, die aus dem Koffer gefallen war.

„Danke, ich schaffe das schon allein“, wehrte sie seine Hilfe ab, während sie hastig die auf dem Boden liegenden Gegenstände wieder in den Koffer stopfte.

Versonnen sah ihr Jack eine Weile dabei zu. In der Schule konnte er sich ihr nur auf intellektueller Ebene nähern, und infolge dessen hatte sie ihn eher als Konkurrenten wahrgenommen und nicht als potenziellen Partner für eine Verabredung. Sie wetteiferten sogar darum, Jahrgangsbester zu werden und die Abschlussrede halten zu dürfen – und Jack hatte ganz knapp gesiegt.

Schließlich griff er nach etwas voluminösem Weißem. Was, um alles in der Welt, mochte das sein? Ach so, Unterhosen – echter Oma-Chic.

Paige blickte auf und riss ihm ihre Wäsche aus der Hand. „Entschuldigung“, zischte sie peinlich berührt.

Sie erkennt mich nicht wieder, stellte Jack fest. Eigentlich nicht überraschend, denn im Gegensatz zu früher trug er keine Brille mehr, war größer und auch ziemlich durchtrainiert.

Voller Mitgefühl angesichts dieses etwas unglücklichen Einstiegs in ihren Urlaub betrachtete er Paige. Als sie seinen Blick erwiderte, sah er es: ein kurz aufflackerndes sexuelles Interesse und dann ein leichtes Erröten.

Schnell wandte sie den Blick wieder ab. Jack war es ja gewohnt, dass Frauen so auf ihn reagierten, doch es machte ihn äußerst zufrieden, dass auch Paige es tat. Und gerade in diesem Moment war der offizielle Startschuss für seinen kleinen Racheplan gefallen.

Während Paige Socken und Shorts in ihren Koffer packte, hob Jack eine zerknitterte Zeitschrift auf und reichte sie ihr.

„Danke“, sagte sie schon etwas freundlicher. „Was war eigentlich mit den beiden eben los? Gibt es hier keine Vorschriften gegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit?“

„Vorschriften? Nein. Das würde doch den ganzen Spaß verderben.“

„Und wie sieht das der Clubmanager?“

„Ganz genauso. Das bin nämlich ich.“

Als Paige schnaufte und sich wieder ihrem Gepäck zuwandte, nutzte Jack die Gelegenheit, sie eingehend zu begutachten. Ihre Bluse war bis zum obersten Knopf zugeknöpft, was sehr korrekt und brav aussah: genauso, wie er Paige in Erinnerung hatte. Alles andere als brav dagegen wirkte die Art und Weise, wie sich der Stoff um ihre sanft gerundeten Brüste schmiegte …

Paiges Figur war etwas kurvenreicher geworden, was Jack äußerst gut gefiel. Er hob eine weitere Zeitschrift auf, die am Fuß des Empfangstresens gelandet war. Als er sie Paige reichte, fiel sein Blick auf die Titelseite: „Frauen und Sex: Zehn Wege zum besseren Orgasmus“, las er laut. Dann schluckte er und sah Paige noch einmal an. Vielleicht hatte sie sich seit der Schulzeit doch stärker verändert, als es den Anschein hatte. „Alle Achtung. Offenbar erwartest du dir ziemlich viel von diesem Urlaub.“ Lächelnd zwinkerte er ihr zu: „Viel Glück.“

2. KAPITEL

Paige riss dem Clubmanager die Zeitschrift aus der Hand. Wovon redete er eigentlich?

Nach einem Blick auf den Titel schloss sie entsetzt die Augen. Diese Lektüre musste ihre Tante in den Koffer geschmuggelt haben. Naomi, ich bringe dich um, dachte Paige.

Um sich zu beruhigen, holte sie tief Luft. Schließlich machte sie die Augen wieder auf, schob die Zeitschrift in ihren Koffer und klappte ihn zu. Dann schenkte sie dem unverfrorenen Mann vor ihr, der so amüsiert lächelte, einen kühlen Blick.

„Danke für Ihre Hilfe. Ich würde jetzt gern einchecken.“ Als sie so würdevoll wie möglich zum Empfangstresen ging, hörte sie ihn hinter sich leise lachen.

„Du erinnerst dich wohl nicht mehr an mich, Paige?“

Ruckartig blieb sie stehen. Woher wusste er, wie sie hieß?

Lässig lehnte sich der Clubmanager gegen den Empfangstresen und betrachtete sie mit einem jungenhaften Grinsen.

„Kennen wir uns?“

„Klar. Für mich warst du damals die süßeste Intelligenzbestie an der Highschool von Kauai. Aber du warst immer nur darauf aus, dir ein noch besseres Forschungsprojekt auszudenken als ich oder den ersten Platz beim Debattieren zu ergattern.“

Fassungslos blickte Paige ihm in die blauen Augen. „Jackson Banta?“

„Ich werde jetzt Jack genannt“, erklärte er flirtend. „Jackson klingt ein bisschen langweilig, findest du nicht?“

Statt zu antworten, betrachtete Paige ungläubig den gutaussehenden Mann mit dem weißen T-Shirt und den kakifarbenen Shorts. Das sollte Jackson Banta sein? Er sah so anders aus als früher: groß, durchtrainiert, mit markanten, maskulinen Gesichtszügen. Sein dunkelblondes Haar, dessen Farbe an Karamell erinnerte, und seine sinnlichen Lippen machten ihn noch attraktiver. Jack wirkte reichlich selbstbewusst, fast schon ein wenig großspurig – ganz anders als der stille, fleißige Junge von damals. Sein Blick brachte Paige durcheinander, löste aber auch noch etwas anderes, sehr Beunruhigendes in ihr aus. Jackson Banta, früher ein schüchterner, aber etwas langweiliger Musterschüler, spielte jetzt ganz eindeutig in einer anderen Liga als sie.

„Und, was führt dich nach Kauai, Paige?“ Ohne Eile ließ er den Blick über ihr Gesicht gleiten.

Paige wollte natürlich nicht verraten, dass ihre Tante sie praktisch aus dem Nest geschubst hatte, damit sie sich „abschleppen ließ“ – was sie ja auch nicht vorhatte.

„Ich möchte nur ein bisschen Urlaub machen“, erklärte sie. „Eine kleine Erholungspause zwischen meinen Seminaren an der Uni.“

„Und was studierst du?“

„Ich habe gerade in Stanford in Romanistik promoviert und möchte als Nächstes Alte Geschichte studieren, mit Schwerpunkt auf Archäologie des Mittelmeerraums.“

Jack nickte nur und betrachtete weiterhin ihr Gesicht. Eine Weile herrschte angespanntes Schweigen, während sie einander ansahen. Schließlich blickte er auf die Uhr. „Wir sollten dich wohl besser jetzt einchecken, stimmt’s?“ Er ging hinter den Tresen und gab ihren Namen in den Computer ein.

„Du bist also der Manager des Clubs?“, nahm Paige ihr Gespräch wieder auf.

„Nicht nur das“, erwiderte er zwinkernd. „Der Club gehört mir auch.“

Wer hätte gedacht, dass Jackson einmal der Besitzer eines heißen Single-Clubs werden sollte? Paige sah ihn an. Er kniff die hellblauen Augen zusammen, während er sich auf den Computer-Bildschirm konzentrierte, und man sah, wie sich beim Tippen auf der Tastatur die Muskeln in seinen Unterarmen bewegten. Er sieht wirklich toll aus, dachte sie unwillkürlich.

Was war eigentlich los mit ihr? Du meine Güte, das war doch Jackson Banta! Dennoch machte ihr Herz einen Sprung, als er den Kopf hob und ihre Blicke sich begegneten.

„Du wirst also drei Wochen bleiben?“

„Ähm, ja. Und wegen … wegen der Zeitschrift von vorhin …“ Paige errötete noch einmal. „Die muss meine Tante mir heimlich in den Koffer gepackt haben.“

Jack zuckte eine Schultern. „Das hier ist ein Ferienclub für Singles, und du bist natürlich hergekommen, um während deines Urlaubs andere Singles kennenzulernen.“ Er beugte sich vor und flüsterte ihr zu: „Keine Angst, dein kleines Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.“ Seine Augen funkelten amüsiert.

Paige beschloss, dass es keinen Sinn hatte, ihn überzeugen zu wollen.

„Okay, alles fertig“, sagte Jack schließlich und reichte ihr den Zimmerschlüssel.

„Danke.“ Sie wollte gehen, hielt dann aber noch einmal inne. „Jackson, kannst du mir die Wanderung entlang der Na-Pali-Küste morgen Vormittag empfehlen?“ Sie zeigte ihm die Broschüre.

„Na klar, die ist ziemlich gut. Eigentlich sind natürlich alle unsere Veranstaltungen empfehlenswert. Lulu koordiniert die Aktivitäten und organisiert die Ausflüge. Sie wird morgen früh hier sein.“ Er wies zu ihrem Schreibtisch auf der anderen Seite des Foyers.

„Super. Dann melde ich mich morgen für die Wanderung an.“

„Es ist schön, dich wiederzusehen, Paige“, sagte Jack leise.

Auch Paige freute sich über das Wiedersehen – vielleicht sogar ein wenig zu sehr.

Er reichte ihr einen hellgelben Lei. „Willkommen im Club Lealea.“

„Oh, vielen Dank.“ Sie legte sich den duftenden Kranz um den Hals.

„Ich werde dir den Koffer aufs Zimmer tragen lassen.“ Jack wollte einen Hotelpagen herbeirufen.

„Lieber nicht“, entgegnete Paige. „Ich möchte nicht, dass der Koffer noch einmal aufgeht. Ich werde ihn lieber selbst tragen.“ Und schon machte sie sich auf den Weg zu den Aufzügen.

„Bist du sicher? Du könntest die Ratschläge aus deiner Zeitschrift ausprobieren.“ Jack lächelte jungenhaft und wies mit dem Kinn auf eine Gruppe gut aussehender, durchtrainierter Hotelpagen, die im Foyer standen.

Paige warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Sehr witzig“, raunte sie pikiert und ging zum Fahrstuhl. „Gute Nacht, Jackson.“

„Jack!“, korrigierte er sie. Doch die Aufzugtüren schlossen sich bereits, und auf Paiges Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus.

Am nächsten Morgen hießen tropische Blumen, Dschungel-pflanzen und eine warme Brise Paige am Pool willkommen. Ihr blieb noch eine Stunde Zeit, bis die geführte Gruppenwanderung um 10 Uhr beginnen würde: eine Tour entlang der Na-Pali-Küste und ihre erste Gelegenheit, die Operation „am wirklichen Leben teilnehmen und Bewegung in die Dinge bringen“ zu starten, wie Naomi es ausgedrückt hatte.

Paige trat auf die sonnige Terrasse am Pool und freute sich über den schönen Anblick: Der Swimmingpool wurde von drei Seiten des Clubgebäudes eingeschlossen, sodass eine sehr private Atmosphäre entstand. Und man blickte auf den wunderschön breiten Sandstrand, der zu Fuß schnell zu erreichen war. In steinernen Gefäßen wuchsen farbenprächtige, leuchtend rot und gelb blühende Pflanzen und die Balkons sowie die Innenhöfe waren stilvoll mit heimischen Pflanzen begrünt.

Seufzend blickte Paige sich am Pool um. Die Gäste hier boten leider keinen schönen Anblick: Körper von ungesunder Bräune, vor Sonnenöl glänzende Oberkörper, offen zur Schau gestellte künstliche Brüste, Tanga-Bikinihöschen, die den Blick auf Hinterteile freigaben … außerdem Bloody Marys, an denen zahlreiche Gäste in Liegestühlen und auf Hockern an der Bar schon um diese frühe Uhrzeit nippten. Rock und Hip-Hop dröhnten aus den Lautsprechern.

Auf dem Weg zu einem freien Tisch stieg Paige über ein Paar Beine hinweg und versuchte dabei, das nackte Hinterteil zu ignorieren, das sie förmlich anzugrinsen schien. Nachdenklich betrachtete sie ihre eher konservative Bluse und die Wandershorts, die nicht gerade dem typischen Outfit einer alleinstehenden Frau mit Sex-Appeal entsprachen, die gerne Männer kennenlernen wollte … Paige ließ sich im Schatten eines Sonnenschirms auf einen Stuhl sinken.

Sie öffnete den Rucksack, den sie sich für die Wanderung gepackt hatte: Sonnenschutz und Sonnenhut, Wasserflasche, Fernglas, Broschüre, Tagesplaner, Notizblock, Stift – und dann war da noch ihr dickes Pflanzenbestimmungsbuch. Alles da.

Paige blickte auf die Uhr und stellte fest, dass sie immer noch jede Menge Zeit hatte. Sie schob den Aschenbecher auf dem Tisch von sich weg und ließ den Blick über die Terrasse schweifen. An diesem Morgen schienen sämtliche Mitarbeiter des Clubs Lealea eine Blumenkette um den Hals zu tragen, ein wirklich netter Einfall.

Als Jack plötzlich am anderen Ende der Terrasse erschien, stockte ihr der Atem. Verärgert darüber, dass sie so heftig auf ihn reagierte, runzelte sie die Stirn und beobachtete ihn verstohlen.

Von seinem sonnengebleichten, zerzausten Haar bis zu den kakifarbenen Shorts wirkte Jack locker und leger. Und auch er trug eine Blumenkette. Während er am Pool entlangging, sah er sich gelassen um und ließ den Blick über die Bar, das Becken und die Gäste gleiten. Einmal blieb er stehen, um einem jungen Mann die Hand zu schütteln. Als er einer Gruppe von Frauen zunickte, die sich sonnten, dachte Paige: Das ist nicht der Jackson Banta, den ich von früher kenne.

Nein, er möchte ja auch Jack genannt werden, rief sie sich dann in Erinnerung. Doch eigentlich bereitete es ihr eine diebische Freude, wie er jedes Mal zusammenzuckte, wenn sie ihn mit seinem vollen Namen ansprach.

Nein, ganz eindeutig war er nicht mehr der Jackson, mit dem sie zur Highschool gegangen war. Von seiner früheren Unbeholfenheit und seinem zögernden Gang war nichts mehr zu erkennen: Seine Bewegungen waren selbstbewusst und geschmeidig, fast elegant.

Gelassen ließ er den Blick über die Tische schweifen, bis er Paige unter ihrem Sonnenschirm entdeckte. Als sie einander in die Augen sahen, begann ihr Herz im Rhythmus des aus den Lautsprechern dröhnenden Hiphops zu schlagen. Paige fand seine Wirkung auf sie mehr als unheimlich.

Als er sich näherte, fiel ihr noch einmal auf, wie markantmaskulin seine Gesichtszüge sich entwickelt hatten. Auch seine weichen Lippen wirkten nun fester und männlicher. Vermutlich hat er schon mit zahlreichen seiner weiblichen Gäste angebändelt, dachte Paige. Aber selbst wenn sie an ihm interessiert wäre – was sie natürlich nicht war, wie sie sich selbst streng ermahnte –, dann würde Jack Banta sich bestimmt nicht zu einer Frau hingezogen fühlen, die so unscheinbar und im Umgang mit anderen Menschen so unbeholfen war wie sie.

Jack näherte sich ihrem Tisch. Er hatte gehofft, sie noch vor dem Aufbruch zur Wanderung zu sehen. Denn schließlich wollte er während ihres Aufenthalts im Club Lealea so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Und Rache musste ja nicht unbedingt etwas Unangenehmes sein.

Er musste an den Plan denken, den er ganz beiläufig auf einer Papierserviette entworfen hatte. Listen zu schreiben war eine Angewohnheit aus seiner Schulzeit. Und noch immer empfand er es als äußerst befriedigend, Dinge als erledigt abzuhaken. Der erste Schritt seines Plans bestand darin, sich, sooft er konnte, in ihre Nähe zu begeben, ihr seine Aufmerksamkeit zu schenken und ein bisschen mit ihr zu flirten – sie also in erster Linie freundlich zu stimmen. Schritt zwei bestand darin, sie zum Essen oder auf einen Drink einzuladen. Das sollte eine lockere Angelegenheit sein, eventuell mit einem kurzen Abstecher in seine Suite, wenn alles gut lief.

Wenn Paige sich entspannt hätte, würde Schritt Nummer drei folgen: eine wie zufällige Bewegung hier und da, vielleicht würde er ihr den Arm um die Schultern legen und sie ein wenig streicheln, wenn sie dafür bereit wäre. Und wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, würde er sie küssen. Es sollte ein Kuss werden, den Paige in ihrem Leben nicht vergessen könnte – und der ihr zeigen würde, was sie sich vor all den Jahren hatte entgehen lassen. Kurz vor ihrer Abreise würde sie sich dann selbst dafür ohrfeigen, dass sie einmal geglaubt hatte, Jackson Banta sei nicht gut genug für sie.

Als Jack Paiges Tisch erreichte, schenkte er ihr sein charmantestes Lächeln. „Aloha! Was dagegen, wenn ich mich setze?“

„Nein, nur zu.“

Erledigt. Jack setzte sich auf den Stuhl neben ihr und hakte in Gedanken den ersten Punkt seiner Liste ab. „Hast du dich für die Wanderung angemeldet?“

Paiges Pferdeschwanz wippte, als sie nickte. „Ja. Um zehn Uhr geht es los.“

„Gut.“ Es gefiel Jack, wie ihre Begeisterung ihr etwas steifes Benehmen durchdrang. Doch so war Paige immer gewesen: fleißig, aber auch begeisterungsfähig – und an allem interessiert, was es um sie herum gab. Ihr Gesicht hätte er nicht als bildhübsch bezeichnet, aber ihre schlichte Schönheit gefiel ihm: Eine kesse kleine Nase, große dunkelgrüne Augen, die einen reizvollen Kontrast zu ihrem hellen, zarten Teint bildeten, der wohl kaum jemals die Sonne sah. So wie Jack Paige kannte, verbrachte sie wahrscheinlich immer noch die meiste Zeit in der Bibliothek. Er musste lächeln.

„Die vogelkundliche Wanderung nächsten Mittwoch würde dir bestimmt auch gefallen“, sagte er.

„Wie konnte ich die nur übersehen?“ Paige blätterte in dem Flyer mit den Veranstaltungen. „Ich finde hier keine Wanderung mit Vogelbeobachtung, du vielleicht?“ Sie hielt ihm das Programm hin und schlug ihre langen, schlanken nackten Beine übereinander.

Jack zwang sich, den Blick von ihren sanft geschwungenen Waden abzuwenden. Was hätte er damals darum gegeben, Paige an seiner Seite zu haben – so wie jetzt. Die Sonne ließ ihr tiefschwarzes Haar glänzen, während sie ihn erwartungsvoll ansah. Doch damals hätte er nicht gewusst, was er mit ihr anfangen sollte. Das hatte sich nun geändert …

„Jack?“, riss sie ihn aus seinen Gedanken und wedelte mit der Broschüre. „Ich finde die Wanderung nicht.“

„Ach so.“ Er nahm den Prospekt und sah nach. „Hier ist sie: ‚Vogelkundliche Führung‘ – unter ‚Expeditionen‘. Abfahrt ist Mittwoch um ein Uhr.“

Paige zog ihren Terminkalender aus dem vollgepackten Rucksack. „An dem Tag wollte ich vormittags die Aerobic-Stunde ausprobieren und direkt danach den Hula-Kurs. Würde mir dann noch genug Zeit bleiben, um mich für die Wanderung umzuziehen?“ Nachdenklich biss sie sich auf die Lippe und blätterte eine Seite weiter. „Wenn ich nachmittags zum Hula-Kurs gehe, sollte es mit der Vogelwanderung klappen. Allerdings findet um drei Uhr ein Yogakurs statt, aber zu dem könnte ich ja auch am nächsten Mittwoch gehen …“

Jack nahm ihr den Kalender aus der Hand und klappte ihn zu. „Paige, du bist im Urlaub. Warum lässt du nicht einmal einen Tag ganz unverplant? Die Teilnehmer der Wanderungen melden sich in der Regel erst im letzten Moment an, du kannst es also einfach auf dich zukommen lassen.“ Jack lächelte selbstbewusst. „Wie man hier auf der Insel sagt: hang loose – locker bleiben.“

„Locker? Hm.“ Paige schnaufte ein wenig verächtlich und riss ihm den Kalender aus der Hand, um ihn wieder in ihrem Rucksack zu verstauen. Als sie aufblickte, runzelte sie die Stirn und betrachtete etwas, das sich hinter Jack befand. „Im Swimmingpool befindet sich ein Huhn“, stellte sie trocken fest.

Was? Jack wandte sich um.

Eins der frei umherlaufenden Hühner war ins Wasser gefallen. Es gackerte schrill und schlug wie wild mit den Flügeln, kam aber nicht aus dem Pool heraus. Eine Frau, die auf einem großen aufblasbaren Reifen lag, ließ ihre Bloody Mary fallen und begann zu kreischen, was das Huhn als Aufforderung zu verstehen schien, sich zu ihr zu gesellen.

„Sieht so aus, als müsste ich zum Vogelbeobachten gar keine Wanderung unternehmen“, amüsierte sich Paige.

Jack biss die Zähne zusammen. Wie sollte er einen coolen, gelassenen Eindruck machen, während er versuchte, ein Huhn aus dem Pool zu befördern?

„Bis später“, sagte er kurz angebunden, erhob sich und ging davon.

Eine halbe Stunde später saß Paige allein in dem Bus, der die Teilnehmer zum Ausgangspunkt der Wanderung bringen sollte. Seufzend blickte sie aus dem Fenster, wo sich schon einige Singles sammelten. Sie hatten offenbar alle bereits entweder Freundschaften geschlossen oder einen Partner gefunden. Plötzlich fühlte Paige sich sehr allein.

Schließlich stiegen zwei durchtrainierte Männer in den Bus: der eine groß, der andere stämmig und muskulös.

Sollte sie ihnen zulächeln? Vielleicht ein oder zwei Worte sagen? Paiges Herz schlug schneller.

„Hallo!“, platzte sie heraus, als die beiden gerade an ihr vorbeigehen wollten.

Der größere der beiden Männer schien sich leicht zu erschrecken.

„Hey.“ Er nickte höflich und ging weiter nach hinten. Sein Kumpel tat es ihm nach.

Na super. Bestimmt lässt sich „Ich bin nett, und mit mir kann man Spaß haben“ kaum besser ausdrücken als mit einem heraustrompeteten „Hallo!“, dachte Paige resigniert.

Zu ihrer großen Erleichterung begann der Bus sich wenige Minuten später zu füllen. Zuerst stiegen die Gäste immer nur zu zweit ein, doch dann kamen auch kleine Gruppen aus drei oder vier Urlaubern. Aber niemand setzte sich auf den freien Platz neben Paige. Starr blickte sie aus dem Fenster, während Gelächter und fröhliche Unterhaltungen den Bus erfüllten.

Schließlich stieg ein attraktiver junger Mann ein und blickte sich suchend um. Als er den freien Platz neben Paige entdeckte, stellte er Augenkontakt zu ihr her. Sie erwiderte seinen Blick, nickte leicht und rang sich ein, wie sie hoffte, nettes, einladendes Lächeln ab.

Der Mann kam auf sie zu, strich sich dabei durch das dunkle Haar und lächelte gewinnend.

In diesem Moment tauchte Jack wie aus dem Nichts hinter ihm auf und legte ihm die Hand auf die Schulter. Als der hübsche Fremde sich umdrehte, begann Jack betont locker ein Gespräch: „Hallo! Na, wie geht’s?“

Was will der denn hier?, fragte sich Paige, als die beiden einander neben ihrem Sitzplatz die Hand schüttelten.

„Gefällt es dir im Club Lealea?“

„Ja, es ist toll“, erwiderte der Gast. „Kommst du auch mit auf die Wanderung?“

Jack warf Paige einen Blick zu und lächelte. „Ja, ich habe heute ein bisschen Freizeit.“ Wieder sah er den jungen Mann an. „Paige ist eine alte Freundin von mir. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mich hier hinsetze?“

Der andere Mann zuckte die Schultern. „Nein, wie du möchtest, ich …“

„Hier!“, rief eine Gruppe junger Männer weiter hinten im Bus und wiesen auf einen weiteren freien Platz.

Der gut aussehende Gast nickte seinen Kumpels zu. „Ich setze mich dann mal zu meinen Freunden.“ Mit diesen Worten ging er weiter nach hinten durch.

Paige blickte ihm nach. Dank Jack war ihr soeben ihre erste Chance entgangen, jemanden kennenzulernen.

Selbstzufrieden setzte Jack sich neben sie und streckte seine Beine in den Gang. „Ach, es ist doch herrlich, genug Beinfreiheit zu haben.“

Insgeheim verfluchte Paige sein atemberaubendes Lächeln und seinen frischen maskulinen Duft. „Hast du nicht noch ein paar Hühner in Seenot zu retten?“, fragte sie kühl, als der Bus losfuhr.

„Nein, sämtliche Hühner sind da, wo sie sein sollten“, erwiderte Jack und gähnte gelassen.

„Ganz im Ernst, was machst du hier?“

„Ab und zu mache ich gern bei unseren Aktivitäten mit – um mich zu vergewissern, dass alles glattläuft. Ich muss doch darauf achten, dass die Gäste sich amüsieren.“ Er nahm eine Tüte Zimtkekse aus seinem Rucksack, schob sich einen davon in den Mund und hielt dann Paige die Tüte hin.

„Nein, danke“, lehnte sie trotzig ab und zwang sich, den Blick von seinen äußerst attraktiven Gesichtszügen abzuwenden.

„Ich bin ein wenig gekränkt“, teilte er ihr kauend mit. „Du hast mich gar nicht gefragt, ob ich Single bin.“

Paige sah ihn wortlos an.

„Nur, damit du es weißt: Ich bin Single. Und um dir deine nächste Frage zu ersparen: Ja, ich bin zu haben.“

Gegen ihren Willen musste sie leise lachen. Jack stimmte mit ein, während sein blondes Haar von der Brise zerzaust wurde, die durchs halb offene Fenster hereinwehte.

Paige stellte fest, dass sein Lachen ihr gefiel: Es klang sorglos, gelassen und sehr … sehr männlich.

„Dass ich hier Urlaub mache, bedeutet noch nicht, dass ich vorhabe, hier mit irgendwelchen Männern herumzutollen“, erwiderte sie.

„Ich glaube, ich habe auch noch nie gesehen, wie du ‚herumtollst‘, Paige.“

„Wie bitte?“ Sie runzelte die Stirn. „Tue ich aber!“

„Klar, du führst bestimmt das ausschweifende Leben eines Rockstars.“ Jetzt lachte er amüsiert, was Paige gar nicht mehr gefiel.

„Du kannst es mir ruhig glauben, Jackson.“

„Ich werde jetzt Jack genannt“, erinnerte er sie. „Und ich bin noch immer nicht überzeugt.“

„Aber nur, weil ich noch nie mit dir ‚herumgetollt‘ habe.“

„Soll das etwa ein Angebot sein, Paige Pipkin?“ Er blickte nach hinten. „Ehrlich gesagt habe ich dich nicht als jemanden eingeschätzt, der sich gerne auf der Rückbank von Bussen vergnügt. Genug Platz ist aber bestimmt …“, fügte er in Schlafzimmerlautstärke hinzu, „… wenn du darauf bestehst.“

Unwillkürlich stellte Paige sich vor, wie sie mit Jack auf der Rückbank lag, seine blauen Augen dunkel vor Verlangen und er die Hände über ihre bloße Haut gleiten ließ …

Sie schluckte und sah ihn an. Ihre Blicke trafen sich.

In diesem Augenblick ging jemand durch den Gang und stieß gegen Jacks Schulter, sodass er näher zu Paige geschoben wurde. Sein hübsches Gesicht befand sich jetzt ganz nah vor ihrem – so nah, dass Paige den verlockenden Duft nach Zimt bemerkte, der sich mit seinem Atem mischte. Das Motorengeräusch und die lebhaften Unterhaltungen rückten in den Hintergrund, und Paige nahm nur noch Jacks Gegenwart wahr. Noch einmal schluckte sie.

Würde er sie küssen? Plötzlich wurde sie von einer freudigen Erregung erfasst. Paige wollte, dass Jack sie küsste. Sie atmete seinen Duft ein – einen angenehmen, betörenden Duft nach Zimt, Meeresbrise und Männlichkeit. Sie konnte gar nicht genug davon bekommen. Wenn sie sich nur wenige Zentimeter zu ihm hinüberlehnte, würden ihre Lippen einander berühren …

„Los, Jack!“, ertönte eine Männerstimme von hinten, gefolgt von einem anerkennenden Pfiff.

Unsanft wurde Paige wieder in die Wirklichkeit zurückbefördert. Sie zuckte zusammen, und die starke Verbindung zwischen ihr und Jack war unterbrochen.

Er setzte sich wieder gerade hin, als wäre nichts geschehen.

Paige dagegen fühlte sich verunsichert. Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich, sich zu benehmen wie ein sexhungriger Teenager. Bestimmt lag das nur an der Atmosphäre, die im Ferienclub herrschte und die sie ganz durcheinanderbrachte.

Energisch wandte Paige den Blick von ihm ab und sah auf das türkisfarbene Meer. Wer hätte je gedacht, dass sie sich ausgerechnet zu Jackson Banta hingezogen fühlen würde?

3. KAPITEL

Eine Stunde später stieg Paige unter dem Blätterdach des Dschungels von Kauai auf einen dunklen Felsbrocken in der Mitte eines schmalen Bachs. Die Arme seitlich ausgestreckt, um die Balance zu halten, überquerte sie den kleinen Fluss, atmete erleichtert aus und blickte sich um.

Dicht an dicht wuchsen hier riesige Bäume, deren Stämme wie auch der Boden mit Moos bedeckt waren. Paige hatte ganz vergessen, wie schön die Inseln von Hawaii waren, allen voran Kauai, die Garteninsel.

Die erste halbe Stunde der Wanderung war Jack neben ihr gegangen, bis Lulu ihn zur Seite genommen hatte, um ihm ein paar organisatorische Fragen zu stellen.

Jetzt leistete ihr nur noch der Bach Gesellschaft, der gluckernd über den felsigen Untergrund plätscherte. Die feuchte Luft war warm und schwer und roch nach Erde und Laub. Paige blieb stehen, um einen Farn neben dem Weg genauer zu betrachten. Als sie ihr Bestimmungsbuch aus dem Rucksack zog, fiel ihr auf, dass die anderen Teilnehmer bereits außer Sichtweite waren. Sie wünschte wirklich, Lulu würde ihnen mehr über die Pflanzen- und Tierwelt erzählen. Darum ging es doch schließlich bei so einer geführten Wanderung! Wollten die anderen nicht auch etwas dazulernen? Wahrscheinlich nicht, dachte Paige nach kurzem Nachdenken. Die meisten Gäste wollten vermutlich eher Leute kennenlernen, als Pflanzenbestimmungsbücher zu studieren. Ihr war klar, dass ihre Intelligenz und ihr Wissensdurst viele Leute abschreckten. Seufzend schob sie das Buch zurück in ihren Rucksack und ging weiter, um die anderen einzuholen.

Sie lauschte dem Rhythmus ihrer Wanderstiefel auf der rötlichen Erde des Pfads, der schon kurze Zeit später steil bergauf fühlte. Als Paige oben ankam, war sie außer Atem.

Die Mittagssonne brach durch die Bäume und schien zwischen einer Wolkenformation hindurch zu lächeln, die einem Blumenkranz ähnelte. Paige entdeckte die übrigen Teilnehmer der Wandergruppe: Sie standen auf einem Aussichtspunkt, betrachteten Na Palis smaragdfarbene, baumbewachsene Abhänge und die schaumgekrönten Wellen, die unten ans Ufer schlugen.

„Alle mal hergehört“, rief Lulu. „Wir machen hier eine Pause, ihr könnt also den Imbiss zu Euch nehmen, den ich vor dem Aufbruch verteilt habe. In einer halben Stunde geht es dann weiter. Etwa eine Meile von hier entfernt endet der Pfad.“

Die Urlauber setzten sich in kleinen Gruppen zum Essen hin, und Paige stand alleine da. Lulu drehte sich zu ihr um. „Gefällt dir die Wanderung bisher?“

Paige, die Lulu morgens kennengelernt hatte und sie sehr sympathisch fand, nickte. „Ja, es war toll. Eine schöne Route, die sowohl durch den Dschungel führt als auch einen fantastischen Ausblick auf die Küste bietet.“

„Schön, dass es dir gefällt. Darf ich mich zu dir setzen?“

„Gern.“ Paige freute sich, Gesellschaft zu haben.

Durstig trank sie einen großen Schluck Wasser, blickte die hübsche Hawaiianerin an und beschloss, ihr neu erworbenes Wissen durch die Lektüre des Buches „Smalltalk für Zweiergespräche“ auch anzuwenden. „Wohnst du schon lange hier?“

„Nein, ich bin erst vor einiger Zeit von Maui nach Kauai gezogen, kurz nachdem der Club Lealea hier eröffnet wurde“, erwiderte Lulu und packte ihr Sandwich aus. „Und wo kommst du her?“

„Ich studiere seit einigen Jahren in Kalifornien, bin aber auch zwei Jahre hier auf Kauai auf die Highschool gegangen.“

Lulu blickte Paige interessiert an. „Dann kennst du Jack, den Besitzer des Clubs, noch von damals?“

„Ja, wir waren im selben Jahrgang.“ Paige begann, ihr Sandwich zu essen.

„Dann bist du hergekommen, um Jack wiederzusehen?“

„Nein, ich wusste nicht einmal, dass der Club Lealea ihm gehört.“

„Ach so.“ Lulu sah sie ziemlich durchringend an. „Jack war bestimmt einer der sportlichen Stars der Schule, stimmt’s?“

Paige unterdrückte ein Kichern. „So würde ich es nicht unbedingt beschreiben.“

„Eher ein Schwerenöter und Herzensbrecher?“

Bevor Paige sich eine höfliche Beschreibung von Jack als Teenager überlegen konnte, sagte Lulu auch schon: „Lass mich raten: Du hast total für ihn geschwärmt. Wollte Jack sich mit dir verabreden?“

Paige nickte. „Ja, aber …“

„Dann seid ihr also miteinander gegangen?“

„Also … nein, eigentlich nicht.“

Lulu wirkte verwirrt.

„Ist hier noch ein Platz frei?“, fragte Jack, der plötzlich neben ihnen stand.

„Ja, setz dich ruhig zu uns!“, erwiderte Lulu lächelnd. „Wir haben übrigens gerade über dich gesprochen.“

„Ach wirklich?“ Lässig setzte er sich ins Gras und lehnte sich gegen den Felsen, auf dem sie saßen. „Kein Wunder, dass meine Ohren ganz heiß geworden sind.“

Lulu zog ihn sanft am Ohr. „Nein, das liegt daran, dass du einen Sonnenbrand hast.“ Sie nahm eine Tube Sonnencreme heraus, beugte sich über ihn und begann, sein linkes Ohr einzureiben.

„He, das kann ich doch selbst“, wehrte Jack ab, doch Lulu ließ nicht locker. Erst als er ihr auswich, gab sie nach, jedoch nicht ohne ihm lachend etwas Sonnencreme auf die Nase zu tupfen.

Paige hatte die beiden beobachtet und festgestellt, dass Lulu Jack ziemlich häufig anfasste.

„He, Lulu!“ Ein paar junge sportliche Männer winkten sie zu sich herüber.

„Die Pflicht ruft“, seufzte Lulu. „Ich sehe mal besser nach, was sie von mir wollen.“

Paige blickte ihr nach und wandte sich dann zu Jack um, der sich gerade den letzten Rest Sonnencreme von der Nase wischte. „Wie hat dir die Wanderung gefallen?“, erkundigte er sich.

„Es war toll.“

„Schön, das freut mich.“ Er nahm sein Sandwich und einen Apfel aus seiner Tasche. „Was für einen Keks hast du in deinem Lunchpaket?“

„Einen mit Erdnussbutter, glaube ich“, erwiderte Paige, die Erdnussbutter nicht besonders mochte. „Und du?“

„Einen mit Schokoladenstückchen.“

„Oh, das ist meine Lieblingssorte.“

„Dann lass uns doch tauschen“, schlug Jack vor und reichte ihr seinen Keks.

„Vielen Dank.“ Paige fand, dass er seit ihrer Ankunft im Club Lealea wirklich ausgesprochen nett zu ihr war: Immer wieder gesellte er sich zu ihr, um sich zu vergewissern, dass bei ihr alles in Ordnung war. Es überraschte sie, dass er so viel Zeit mit ihr verbrachte, insbesondere angesichts der vielen hübschen Frauen, die an der Wanderung teilnahmen. Um das eingetretene Schweigen zu beenden, fragte sie: „Hast du eigentlich immer auf Kauai gelebt?“

„Nein“, antwortete Jack. „Ich bin zwar hier geboren, aber nach der Highschool bin ich nach Kalifornien gegangen.“

„Ach, wirklich?“

„Ja, ich hatte ein Stipendium für die UCLA und habe danach in einem Internetunternehmen gearbeitet. Mit ein paar Geschäften habe ich richtig viel Geld gemacht und mich dann zum richtigen Zeitpunkt zurückgezogen.“

Paige stellte fest, dass sie so gut wie gar nichts über Jacks Privatleben wusste. Interessiert sah sie den attraktiven Mann an, der da neben ihr saß. „Dann hast du also genau wie ich in Kalifornien studiert.“

„Stimmt.“

„Und dann hast du mit all dem Geld, das du verdient hattest, den Club Lealea aufgebaut?“

„Nicht ganz“, entgegnete Jack. „Eigentlich habe ich eine Kette gegründet. Auch auf Maui und der Hauptinsel gibt es einen Club Lealea.“

Paige war beeindruckt. „Du warst ja schon in der Schule ziemlich aufgeweckt, da wundert es mich nicht, dass du so viel Erfolg hast. Aber ausgerechnet Ferienclubs für Singles?“

Jack begann, seinen Apfel zu essen. „Mir macht es Spaß, die Clubs zu leiten“, verteidigte er sich. „Ich kann auch nichts Verwerfliches daran finden, sich zu vergnügen und ein bisschen Spaß zu haben. Alle Menschen könnten etwas mehr Aufregung in ihrem Leben vertragen, sogar du.“

„Nein danke“, widersprach sie sofort. „Ich führe lieber ein ruhiges Leben.“

„Verstehe. Und weil du lieber ruhig und zurückgezogen lebst, hast du damals auch vorgesprochen, um bei dem Schultheaterstück mitmachen zu dürfen, stimmt’s?“

Bei der Erinnerung daran errötete Paige. Während ihrer ersten Monate an der Highschool von Kauai hatte sie sich sehr einsam und isoliert gefühlt, so gern hätte sie dazugehört. Also sprach sie, obwohl das gar nicht zu ihrem Wesen passte, für eine Rolle im Schultheaterstück vor – einfach, weil das alle beliebten Mädchen getan hatten.

Jack lächelte jungenhaft. „Wer hätte geglaubt, dass die stille Paige Pipkin sich insgeheim danach sehnte, im Rampenlicht auf der Bühne zu stehen?“ Er lachte amüsiert.

Paige blickte starr auf den Boden. Ihr war immer klar gewesen, dass sie Jackson nichts hatte vormachen können. Sie hatte ebenso wenig auf die Schulbühne gepasst wie die Cheerleader in den Schachclub.

„Du hast doch auch vorgesprochen, wenn ich mich nicht irre“, erinnerte ihn Paige. Sie wusste noch genau, wie Jackson, so ruhig, ernsthaft und uneitel wie immer, zum Vorsprechen gekommen war. Wie üblich hatte er ein kurzärmeliges Hemd und alte, abgetragene Jeans an und sich auf die ihm eigene aufmerksame Art umgesehen.

Paige wusste, dass er nur ihretwegen dort gewesen war – Jackson schwärmte nämlich für sie. Oft hatte sie seinen ernsten Blick auf sich ruhen gespürt – eigentlich so gut wie jedes Mal, wenn sie einen Raum betrat. Doch seine Bitte nach einer Verabredung wies sie immer wieder zurück, damals war sie einfach zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Nicht, dass sie ihn nicht gemocht hätte – er war ein guter Freund und Lernpartner gewesen.

„Du warst damals ja auch nicht gerade ein Partytier“, setzte Paige ihre Erinnerungen fort.

Jack betrachtete ihre übereinandergeschlagenen Beine und hob den Kopf, um ihren durchdringenden Blick zu erwidern.

„Mir ging es beim Vorsprechen ausschließlich ums Küssen.“

Offenbar hatte er den Kuss also ebenso wenig vergessen wie Paige. Wer sich um die Hauptrolle bewarb und in die engere Auswahl kam, musste eine kurze Textpassage vorsprechen, zu der auch ein harmloser schneller Kuss auf den Mund gehörte. Und zu Paiges Entsetzen musste sie gemeinsam mit Jackson vorsprechen.

Mit hochrotem Gesicht sprach er die wenigen Zeilen. Dann kam er einen Schritt auf sie zu und presste den Mund auf ihren. Seine weichen Lippen hatten sanft gebebt … und dann war es auch schon wieder vorbei gewesen.

Keiner von ihnen bekam eine Rolle in dem Stück, und zu allem Übel folgte Jackson ihr auch noch, als sie die Aula verließ. „Lass mich in Ruhe“, keifte Paige.

Ein verletzter Ausdruck trat in seine Augen, den er jedoch sofort verbarg. Er betrachtete sie mit ruhigem klugen Blick und versprach: „Keine Angst, Paige. Wenn ich dich das nächste Mal küsse, dann weil du es willst, nicht weil du musst.“ Mit diesen Worten wandte er sich um und ging davon. Und Paige war klar geworden, dass in Jackson Banta mehr steckte, als man auf den ersten Blick vermutete.

Jetzt sah sie einem lächelnden Jack in die Augen. Es waren schöne Augen, die Charisma und Selbstvertrauen ausstrahlten und sehr anziehend wirkten. Wenn man genau hinsah, bemerkte man, versteckt hinter dunklen Wimpern und seiner Unbekümmertheit, seinen scharfen Intellekt – das Einzige, was Paige an den Jungen von damals erinnerte.

„Es überrascht mich nur, dass ich trotz meines jungenhaften Charmes und meines blendenden Aussehens die Rolle nicht bekommen habe“, beklagte er sich selbstbewusst.

Als er von seinem Keks abbiss und ein Krümel an seiner Unterlippe hängen blieb, verspürte Paige plötzlich den Drang, sich vorzubeugen und das Stückchen Keks mit der Zunge von seinem sinnlichen Mund zu entfernen. Schnell wandte sie den Blick ab und rutschte ein wenig von ihm weg. Was war denn nur in letzter Zeit mit ihr los? Verwirrt versuchte sie, sich wieder auf die Unterhaltung zu konzentrieren.

„Hätte ich die Rolle bekommen, dann hätte ich die Cheerleaderin küssen können, die die weibliche Hauptrolle übernommen hat“, fuhr Jack fort. „Sie sah ja ziemlich toll aus: blond, tolle Figur … Ich habe nur ihretwegen vorgesprochen“, sagte er und warf ihr einen verstohlenen Blick zu.

„Ah ja. Wie hieß sie doch gleich?“

„Wie sie hieß?“ Jack kratzte sich am Kopf. „Das weiß ich natürlich noch. Sie hieß Tina.“

Paige schüttelte den Kopf.

„Aber ihr Name fing mit T an.“

„Sie hieß Tiffany.“

„Ach ja, natürlich, Tiffany“, nickte er zustimmend. „Bestimmt konnte sie super küssen. Auf jeden Fall besser als das Mädchen, mit dem ich vorsprechen musste.“

He!

„Was ist denn?“, fragte er gespielt unschuldig. „Ach, warte mal … warst du das etwa? Komisch, dass ich das gar nicht mehr weiß …“ Er strich sich übers Kinn und tat so, als würde er konzentriert nachdenken. „Oh, jetzt erinnere ich mich.“ Ein entschuldigendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Dein Kuss war leider nicht sonderlich überzeugend, dir fehlte es wahrscheinlich an Übung. Trisha dagegen hätte das sicher super gemacht.“

„Sie hieß Tiffany.“

„Ach ja, richtig – Tiffany.“

4. KAPITEL

In Wirklichkeit erinnerte Jack sich noch genau daran, wie er Paige damals auf der Bühne der Schulaula geküsst hatte. Wie hätte er das auch jemals vergessen können?

Er sah zu, wie sie die leere Tüte ihres Lunchpakets in ihrem Rucksack verstaute, und musste sich eingestehen, dass er es genoss, mit ihr seine Zeit zu verbringen – wie schon früher in der Schule.

Jack runzelte die Stirn. Warum hatte sie ihn eigentlich damals abgewiesen? Wegen seines Aussehens? Zugegeben, er war nicht der Kapitän der Football-Mannschaft gewesen – sogar ziemlich weit davon entfernt. Aber es hätte Paige doch nicht umgebracht, ein- oder zweimal mit ihm auszugehen. Wieder musste er daran denken, wie verletzt und abgelehnt er sich gefühlt hatte. Es war nicht so, dass sie ihn nicht gut genug kannte, sie waren schließlich befreundet gewesen.

Paige stopfte ihre Wasserflasche in den Rucksack und blickte Jack an. „Sieht aus, als ob die anderen schon weitergegangen sind. Wir sollten ihnen langsam mal nachgehen, oder?“

Nein, eigentlich nicht, dachte Jack. „Ja, klar“, erwiderte er und suchte nach einem Vorwand, um noch ein wenig mit ihr allein sein zu können. „Sieh dir mal die hier an!“, rief er aus und wies auf ein paar außergewöhnliche Blumen am Wegesrand. „Wie die wohl heißen?“

Paige biss sofort an und blieb stehen, um die kleinen weißen Blüten genauer zu betrachten. Ja, so war sie eben – sie ließ sich keine Gelegenheit entgehen, etwas Unbekanntes zu untersuchen. Schon hatte sie den Rest der Wandergruppe vergessen und begutachtete die Blumen, die unter einem riesigen Farn hervorlugten. Sie war ihm so nah, dass er den zarten Duft nach Hibiskus und Meersalz wahrnahm, den ihre Kleidung und ihre Haut verströmten.

Jack war es gewohnt, dass Frauen ihm zu Füßen lagen. Doch bei Paige war alles anders. Da sie ihr Haar immer streng zusammengefasst trug, wirkte sie stets etwas unnahbar. Doch jetzt hatte sich eine Strähne aus dem Zopf gelöst und schmiegte sich an ihre Wange.

Paige nahm ihre Brille aus dem Rucksack und setzte sie auf. „Hm. Die Blume duftet nicht und scheint bevorzugt an schattigen Standorten zu wachsen“, stellte sie fest, befühlte vorsichtig die Blüten und kräuselte die Nase, um ihre Brille zurechtzurücken.

Sie war wirklich süß!

Als Jack sich neben ihr auf den Boden hockte, um die Blumen näher zu betrachten, zog Paige ein riesiges Pflanzenbestimmungsbuch aus dem Rucksack und blätterte darin herum.

Du meine Güte, hatte sie das etwa die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt? Kein Wunder, dass sie bei der Wanderung so weit zurückgeblieben war!

„Also“, fasste Paige jetzt zusammen und nahm ihre Brille ab. „Ich weiß nicht genau, was das für Blumen sind.“ Sie rieb ein Blatt zwischen den Fingern und sah sich die Unterseite an. „Die Blattform ist doppelt gefiedert, also muss es entweder diese hier oder diese sein.“ Sie wies auf zwei Seiten in dem Bestimmungsbuch.

Jack war es völlig egal, wie die Blumen hießen, die er ohnehin etwas langweilig fand: weiß mit einem leichten rosafarbenen Hauch. Nichts sonderlich Bemerkenswertes.

„Sind sie nicht wunderschön?“, hörte er Paige ganz nahe an seinem Ohr leise fragen, und die Haut an seinem Hals begann zu prickeln. Ja, so schlecht sind sie eigentlich doch nicht, dachte er.

Als Paige ihn ansah, blickte er ihr in die Augen. „Ja“, stimmte er leise zu, „wirklich schön.“ Er ließ den Blick über ihren zarten blassen Teint und ihre Augen gleiten, moosgrün mit braunen Sprenkeln. Dann betrachtete er ihre Lippen, deren zartes Rosa an den Farbton der Blume erinnerte. Und bestimmt fühlten sie sich auch genauso zart an wie Blütenblätter, weich und sinnlich …

Jack schluckte und plötzlich nahm er den Dschungel um sich herum intensiver wahr als üblich: die feucht-warme Luft, die summenden Insekten und das dichte grüne Blattwerk. Vorsichtig hob er die Hand und strich Paige sanft die lose Haarsträhne hinters Ohr.

„Da seid ihr ja!“, rief Lulu, die durch den Farn auf sie zustapfte.

Widerstrebend ließ Jack die Hand sinken, versuchte, den aufsteigenden Ärger zu unterdrücken, und schenkte Lulu ein freundliches Lächeln. Er und Paige standen auf.

„Was ist denn?“, fragte er Lulu.

„Ach, nichts“, erwiderte sie. „Ich habe euch nur nicht mehr gesehen und dachte, es wäre euch vielleicht etwas passiert.“

Es hätte durchaus etwas passieren können, wenn du etwas mehr Fingerspitzengefühl besitzen würdest, dachte Jack seufzend. Andererseits war es vielleicht besser so, denn möglicherweise würde es seinen Plan durchkreuzen, wenn er Paige zu früh küsste. Ich muss die Dinge langsam angehen, ermahnte er sich innerlich. Es war nicht ratsam, von Punkt eins seiner Liste gleich zu Punkt vier überzugehen. Ein besserer Zeitpunkt und ein besserer Ort für ihren Kuss würden sich auf jeden Fall noch ergeben. Und wenn er Paige dann küsste, würde er jeden Moment genießen.

Genau wie sie.

Abends schlenderte Paige am Pool entlang und folgte dem von Fackeln beleuchteten Weg zum Luau. Dort standen Gäste in kleinen Gruppen zusammen, unterhielten sich und lachten. Andere füllten ihre Teller an dem im Freien aufgestellten Büffett. Die meisten Tische waren bereits besetzt.

Paige musste sich zwingen, weiterzugehen, denn es fiel ihr immer sehr schwer, sich unter fremde Menschen zu mischen. Suchend ging sie zwischen den Gästen hindurch, konnte jedoch kein einziges bekanntes Gesicht entdecken. Ob sie sich an einen freien Tisch setzen und darauf warten sollte, dass sich jemand zu ihr gesellte?

Nein, dachte Paige plötzlich. Sie war schließlich hergekommen, um etwas zu erleben und Neues auszuprobieren. Es war höchste Zeit, auf andere Menschen zuzugehen und ein paar Bekanntschaften zu schließen.

Endlich gab sie sich einen Ruck und begann, sich ihren Weg zwischen den Tischen hindurchzubahnen, wobei sie gelegentlich den schon an den Tischen sitzenden Gästen ein etwas unsicheres Lächeln schenkte. Dabei spürte sie, wie ihre hochhackigen Sandaletten in den Sand einsanken und sich winzige Steinchen unter ihren Fersen sammelten.

Neben der Bühne waren noch einige Plätze frei. An einem der Tische saß ein einzelner Mann, der auch allein hier zu sein schien.

Paige dachte an die Artikel, die Naomi in ihren Koffer geschmuggelt hatte. Einer davon trug den Titel „Zehn Arten, einen heißen Typen anzusprechen und seine Telefonnummer zu bekommen“. Sie schluckte. Ja, der Mann fiel eindeutig in die Kategorie „heißer Typ“. Seine Telefonnummer brauchte sie nicht unbedingt, aber es wäre nett, beim Essen Gesellschaft zu haben.

In diesem Moment kam ein Ober mit einem Tablett vorbei und bot ihr etwas zu trinken an. Warum eigentlich nicht?, dachte Paige. Vielleicht erwies sich dies ja als hilfreich dabei, „einen heißen Typen anzusprechen“. Sie ließ den Blick über die angebotenen Getränke gleiten: Ananas-Mai Tai, Erdbeer-Margaritas, dekoriert mit winzigen Papierschirmchen, gekühltes Bier und Wein in eleganten, hohen Gläsern.

Schließlich entschied sie sich für ein Glas Weißwein und dankte dem Ober.

Nach einem weiteren verstohlenen Blick auf den Traummann beschloss Paige, dass es an der Zeit war, ihren Charme spielen zu lassen. Sie trank einen Schluck Wein und begann, sich seinem Tisch zu nähern. Genau in diesem Moment wandte er sich zu ihr um.

Oh nein, er sieht mich an, dachte Paige und blieb abrupt stehen. Gleichzeitig bemerkte sie, dass eine junge Frau mit langem rotblondem Haar, die sehr nett wirkte, am Nachbartisch Platz nahm. Paige fand die Vorstellung, sich zu ihr zu setzen statt zu dem Traummann, wesentlich weniger furchteinflößend. Erleichtert über diese neue Möglichkeit steuerte sie auf den Tisch der rotblonden Frau zu.

Eine halbe Stunde später ließ sie sich entspannt und glücklich über ihre Entscheidung gegen die Rückenlehne ihres Stuhls sinken. Kathy, ihre neue Bekannte, war eine sympathische junge Frau, die am selben Tag wie sie im Club Lealea angekommen war. Gemeinsam gingen sie zum Büfett und setzten sich anschließend mit ihren gefüllten Tellern wieder an den Tisch, um zu essen und sich zu unterhalten.

Kathy schob sich das lange rotblonde Haar über eine Schulter und fragte: „Hast du denn schon jemanden kennengelernt?“ Hinter vorgehaltener Hand fügte sie flüsternd hinzu: „Einen süßen Typen, meine ich?“

„Nein, noch nicht. Und du?“

„Auch noch nicht. Aber der Urlaub hat ja gerade erst angefangen, stimmt’s?“ Kathy nahm ihr Glas und stieß es leicht gegen Paiges.

Paige lachte. Ihre neue Freundin gefiel ihr, was sie selbst überraschte. Eigentlich hatte sie erwartet, dass sie mit den anderen Gästen nicht viel gemeinsam haben würde. Aber Kathy war einfach nur nett, freundlich und sehr umgänglich.

Gut gelaunt trank Paige einen Schluck Wein und betrachtete die hübschen Schwimmkerzen in der Kristallvase, die den Tisch in ein sanftes Licht tauchten. Vielleicht war sie mit ihrem Urteil über die Gäste des Single-Ferienclubs etwas voreilig gewesen.

Eine hawaiianische Musikgruppe betrat mit mehreren Ukulelen die Bühne. Einer tippte gegen das Mikrofon und räusperte sich. „Ladies and gentlemen, wir begrüßen Sie beim Lealea-Luau. Wir möchten jetzt etwas Musik für Sie spielen. Bitte bedienen Sie sich am Büfett, falls Sie das noch nicht getan haben. Später gibt es dann noch Hula-Tanz und einen Limbo-Wettbewerb. Mahalo.“ Auffordernd nickte er den anderen Musikern zu und nahm seine Ukulele zur Hand. Dann begann die Gruppe leise im Hintergrund zu spielen.

„Haben die jungen Damen etwas dagegen, wenn ich mich dazusetze?“ Ein gutaussehender junger Mann stand an ihrem Tisch, in einer Hand einen Teller, in der anderen ein Bier.

„Nein, setz dich“, erwiderte Kathy.

Er nahm Platz. „Ich verstehe gar nicht, dass ihr beiden allein hier sitzt und nicht eine ganze Horde Männer abwehren müsst“, eröffnete er charmant das Gespräch und lächelte verschmitzt.

„Es könnte ja auch sein, dass du der Erste bist, dem wir es gestatten, an unserem Tisch Platz zu nehmen“, entgegnete Kathy kokett und lächelte ihn frech an.

Der junge Mann lachte. „Dann habe ich heute Abend wohl das große Los gezogen.“

Kathy zwinkerte Paige zu. „Stimmt.“

Paige musste über den lustigen Flirt lächeln und wünscht insgeheim, sie wäre ebenso schlagfertig und unbefangen wie Kathy. Neugierig betrachtete sie den gutaussehenden Neuankömmling, der freundlich, aufgeschlossen und interessiert wirkte. Sein dichtes dunkles Haar hing ihm in die Stirn, und an seinem Kinn zeigte sich ein dunkler Schatten von Bartstoppeln. Die beiden Frauen stellten sich vor und fragten dann nach seinem Namen.

„Ich heiße Kurt“, sagte er und trank einen Schluck Bier. „Wo kommt ihr beiden denn her?“

„Ich komme aus Kalifornien“, erwiderte Paige.

„Und ich aus Nevada“, ergänzte Kathy. „Und du?“

„Aus Colorado. Seid ihr zusammen hier?“

„Nein, wir haben uns gerade erst kennengelernt.“

„Du kommst mir irgendwie bekannt vor“, stellte Kathy fest. „Warst du bei der Schnorcheltour gestern dabei?“

Wieder lächelte Kurt jungenhaft. „Ja. Stimmt, ich erinnere mich auch an dich: Roter Bikini, blaue Schirmmütze, hab ich Recht?“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Du bist doch die, der auf der Bootsfahrt zurück leicht übel geworden ist?“

„Oh nein, hast du das etwa bemerkt?“ Kathy errötete leicht. „Das Meer war an dem Tag aber auch wirklich ziemlich unruhig.“

„Stimmt. Mir ging es auch nicht besonders“, gestand Kurt und zwinkerte ihr gutmütig zu. „Ich habe bloß versucht, mir nichts anmerken zu lassen.“

Während sie aßen, bemerkte Paige, dass ihr neuer Tischgenosse Kathy immer mehr Aufmerksamkeit schenkte. Die beiden schienen viel gemeinsam zu haben und verstanden sich sehr gut: Immer wieder warfen sie einander Blicke zu oder lächelten sich an.

Irgendwann machten die Musiker eine Pause, und vier Tänzer kamen auf die Bühne. Sie wirbelten brennende Fackeln umher und bewegten sich zum Rhythmus der Trommeln. Als Kurt Kathy zum Tanzen aufforderte, gingen sie gemeinsam zu einer provisorischen Tanzfläche im Sand vor der Bühne. Fackeln flackerten im Licht der untergehenden Sonne.

Paige blickte Kurt und Kathy lächelnd nach. Sie hatte die Gesellschaft der beiden genossen und freute sich, zwei nette Leute kennengelernt zu haben. Und sie freute sich für die beiden, dass sie einander gefunden hatten. Darum ging es ja schließlich in einem Ferienclub für Singles.

Fröstelnd rieb sie sich über die nackten Arme, denn die vom Meer herüberwehende Brise war kühl. Vor dem in tiefes Rosa getauchten Horizont waren Palmen zu sehen, und das Rauschen der Wellen mischte sich mit der Musik.

Plötzlich erschien vor Paige ein Teller mit Limettenkuchen, gehalten von einer männlichen Hand. Überrascht hob sie den Kopf und erblickte Jack, der sie übermütig anlächelte, einen Cocktail in der anderen Hand.

Autor

Kathleen Korbel
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Kerri Le Roy
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Maisey Yates
Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin.
Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen.

Von da an konnte nichts und niemand...
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