Allein mit dem griechischen Traummann

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Atemlos lauscht die hübsche VJ, was Kris Demetrious ihr mit rauchiger Stimme erzählt. Sein sexy griechischer Akzent geht ihr direkt unter die Haut! Sie muss plötzlich an heiße Küsse und sinnliche Berührungen denken, an Sternenhimmel und warme Regennächte. Und wie es wohl wäre, in Kris‘ Armen zu liegen - verlockende Gedanken während ihrer gemeinsamen Autofahrt nach Dallas. Mit jeder Meile, die sie hinter sich lassen, wächst VJs Verlangen nach diesem Traummann. Aber wie viele Stunden bleiben ihr noch? Denn an ihrem Ziel wartet bereits Kris‘ Verlobte auf ihn …


  • Erscheinungstag 05.05.2015
  • Bandnummer 1871
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721152
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Er gab nichts Schlimmeres, als sich in Texas zu verirren.

Und das auch noch im August.

Kris Demetrious lehnte sich im Fahrersitz seines leuchtend gelben Ferrari zurück, zog sich das durchgeschwitzte Hemd aus und klappte sein Handy auf. Er hatte eine neue Straßenkarten-App auf sein Handy geladen, doch die Linien auf dem Bildschirm hatten keinerlei Ähnlichkeit mit der Straße vor seinen Augen. Lektion des Tages – digitale Straßenkarten halfen nur, wenn sie genau waren.

Der Ferrari verfügte zwar über einen MP3-Anschluss, aber über kein GPS-System. Entweder verfuhren sich italienische Autobauer nie oder es war ihnen egal, wo sie ankamen.

Die Landschaft war in jede Himmelsrichtung von Bergen umschlossen, doch anders als in L. A. gab es keine Straßenschilder, keine Villen, kein Riesenschriftzug von „HOLLYWOOD“, nichts, woran man sich hätte orientieren können.

Am Filmset fand er sich zurecht. Dort besaß er einen sicheren Platz hinter der Kamera, und wenn die Szene nicht so lief, wie er es wollte, musste er bloß „Cut“ rufen und konnte von vorn beginnen.

Wie zum Teufel war er auf den Gedanken gekommen, nach Dallas zu fahren statt zu fliegen?

Eine Verzögerungstaktik, darauf lief es wohl hinaus.

Zwar verspürte er keinen dringenden Wunsch, in der Wüste zu sterben, doch seinen Zielort wollte er auch nicht erreichen. Wenn er nur Wasser und Essen auftreiben könnte, dann hätte er nichts dagegen, noch eine Weile verschollen zu bleiben. Denn sobald er Dallas erreichte, musste er seine Verlobung mit Publikumsliebling Kyla Monroe bekannt geben.

Er schob sein Handy in die Tasche zurück. Die Nachtmittagssonne brannte erbarmungslos auf ihn nieder, und das tausendmal heißer, zumal er auch noch Schwarz trug. Die Hitze flimmerte auf dem Asphalt und ließ den Horizont vor seinen Augen verschwimmen.

Genau in diesem Moment wirbelte eine Staubwolke hoch. Es war die erste Bewegung, die er in den letzten fünfzehn Minuten wahrgenommen hatte. Ein rostiger, orangefarbener Pick-up-Truck fuhr mitten durch die Staubwolke und kam dicht hinter dem Ferrari zum Stehen. Sand peitschte Kris ins Gesicht. Er strich sich das Haar zurück und ging seinem Retter entgegen.

Tatsächlich hätte er, wenn ihm das Benzin ausging, tagelang hier festsitzen können. Mit nichts als einem Smartphone und einer spiegelnden Sonnenbrille, um die Geier in Schach zu halten. Er hatte sich wirklich gründlich verirrt, doch mit ein bisschen Glück würde der Truckfahrer Kris erklären können, wie er zurück auf den Highway kam.

Einen Moment später öffnete sich die Fahrzeugtür mit einem Quietschen, und Licht fiel auf den verblassten Schriftzug des orange lackierten Trucks. Big Bobbys Autowerkstatt, seit 1956 zu Ihren Diensten. Zuerst sah er rissige, staubige Stiefel, dann legte sich der Staub, und die schmale Gestalt eines Mädchens kam zum Vorschein. Sie wirkte kaum alt genug zum Fahren und war aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Big Bobby.

„Probleme mit dem Wagen, Chef?“, fragte sie, während sie auf ihn zukam. Beim Sprechen dehnte sie die Vokale. Ihr Texasdialekt war schwer wie der Straßenstaub, trotzdem hatte ihre Stimme einen melodischen Klang. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab, und einen Moment lang stand die Welt still. Die erbarmungslose Hitze, die fehlenden Straßenschilder und die Probleme, die ihn in Dallas erwarteten, schwanden aus seinem Kopf.

Klare, blaue Augen blickten aus einem herzförmigen Gesicht zu ihm auf. Volles, zimtbraunes Haars lockte sich um ihre Porzellanwangen. Auf ihrer Haut war keine Spur von Make-up zu sehen. Das Sonnenlicht tauchte ihr Gesicht in einen warmen Glanz. Wie eine lebende Sonnenblume sah sie aus. Frisch, unschuldig und atemberaubend schön. Am liebsten hätte er sie gefilmt.

Sie sah ihn fragend an. „Problema con el coche, Señor?“

Kris klappte den Mund wieder zu und räusperte sich. „Ich bin Grieche, kein Spanier.“

Eine schlagfertige Antwort, wenn auch nicht ganz zutreffend – er hatte im Alter von sechzehn Jahren auf seine griechische Staatsangehörigkeit verzichtet und betrachtete sich durch und durch als Amerikaner. Wie hatte eine so kleine Person seinen Verstand in weniger als dreißig Sekunden lahmlegen können?

„Wow. Das müssen Sie sein. Bei Ihrem sexy Akzent. Sagen Sie noch etwas“, bat sie ihn. Ihre blauen Augen bekamen einen sinnlichen Glanz. „Sagen Sie, Ihr Leben hat keine Bedeutung ohne mich, und dass Sie alles dafür geben würden, mein Herz zu gewinnen.“

Und wieder stand ihm vor Verblüffung der Mund offen. „Im Ernst?“

Sie lachte klar und hell, ein Klang, der ihm direkt in die Magengrube fuhr. Sinnlichkeit hüllte sie ein wie ein Parfüm.

„Nur wenn Sie es auch so meinen“, sagte sie.

Ihre ganze Haltung wirkte zu selbstbewusst für einen Teenager. Sie musste mindestens Mitte zwanzig sein. Doch andererseits, wie erfahren konnte ein Mädchen aus der texanischen Einöde schon sein? Besonders in Anbetracht ihres offensichtlichen Hangs zu romantischem Melodram und ihres entschiedenen Mangels an Selbsterhaltungstrieb. Soweit sie es wusste, konnte er ebenso gut der nächste Charles Manson sein wie der neue Scorsese.

Lächelnd hob sie ihr Kinn. „Ich lasse Sie schon in Ruhe, Kumpel. Sie können sprechen, worüber sie wollen. Hier in der Gegend bekommen wir nicht allzu viele interessante Fremde in so schicken, ausländischen Wagen zu sehen. Ich würde Sie gerne genauer unter die Lupe nehmen. Ich meine, ihn.“ Sie schüttelte den Kopf und schloss für einen Moment die Augen. „Das Auto. Ich schaue es mir gerne für Sie an.“

Den Wagen? Folglich musste sie als Mechanikerin für Big Bobby arbeiten. Die meisten Frauen, die er kannte, fanden ohne Hilfe nicht einmal den Benzintank.

„Er ist nicht kaputt. Ich hab mich bloß verirrt“, gestand er. Im Kopf malte er sich bereits aus, wie sie ihn unter die Lupe nahm, mit viel Einsatz ihrer geschickten Händen. Verlangen durchfuhr ihn, heftig und unerwartet.

Vielleicht wurde es Zeit, sich zu erinnern, dass er keine siebzehn mehr war. Frauen machten ihm die ganze Zeit eindeutige Angebote, aber sie taten das meistens mit der Feinfühligkeit eines startenden Düsenjets, und er war nie in Versuchung geraten, sich darauf einzulassen. Überhaupt hatte er wenig Erfahrung mit Liebesbeziehungen, wenn sie sich nicht gerade auf der Leinwand abspielten.

Diese Frau hatte es geschafft, ihn mit wenigen Sätzen hinter der Kameralinse hervorzulocken. Es war nervenaufreibend. Aber auch aufregend.

„Verirrt, ja?“ Sie musterte ihn langsam von oben bis unten. „Dann war es eine glückliche Fügung, dass ich Sie gefunden habe. Heißt das, Sie stehen jetzt in meiner Schuld?“

Ihr Tonfall hatte etwas leicht Anzügliches. In Kombination mit ihrer Unbefangenheit und ihrem frischen, jungen Gesicht war die Wirkung überwältigend. „Nun, Sie haben bislang nichts für mich getan. Noch nicht.“

Sie hob eine Augenbraue. „Was möchten Sie denn gerne, dass ich für Sie tue?“

Er beugte sich vor und roch den Duft ihres Haares. Kokosnuss und Schmierfett, eine Mischung, von der er bis jetzt geschworen hätte, dass er sie nicht im Geringsten erotisch fand. Dasselbe galt für das weite T-Shirt mit dem gehörnten Frosch vorne drauf, dem Logo der Texas Christian University, und den billigen Jeans. An ihr sah es aus wie Haute Couture.

Er lockte sie mit dem Finger näher zu sich heran, und sie gehorchte. Es fühlte sich seltsam natürlich an, als hätten sie schon oft Verschwörungen zusammen ausgeheckt.

„Genau jetzt gibt es nur eine einzige Sache, die ich von Ihnen will“, sagte er.

Sein Blick wanderte zu ihren Lippen, und was als harmloser Flirt begonnen hatte, geriet plötzlich in gefährliches Fahrwasser. Er brannte darauf, diese namenlose Wüstenschönheit zu küssen, seinen Mund auf ihre rosafarbenen Lippen zu pressen und das heiße Innere ihres Mundes zu erforschen.

Doch Fremde zu küssen, war nicht sein Stil, und mit einem Mal fand er das schade.

„Ja? Was soll ich denn für Sie tun?“ Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zungenspitze, und er spürte, wie ihm das Blut bis hinunter zu den Zehen schoss.

„Sagen Sie mir, wo ich bin.“

Wieder gab sie ihr erregendes, melodiöses Lachen von sich. „Little Crooked Creek Road. Auch bekannt als das Ende der Welt.“

„Es gibt einen Fluss in all diesem Sand hier?“ Wasser – kühl und erfrischend und perfekt zum Nacktbaden.

Nein. Kein Nacktbaden mit Fremden. Was war nur mit ihm los?

„Nein.“ Sie rümpfte die Nase und verzog niedlich das Gesicht. „Er ist irgendwann um Achtzehnhundert ausgetrocknet. Uns fehlt die Fantasie, uns einen neuen Namen für die Straße einfallen zu lassen.“

„Ist es hier immer so heiß?“ Ehrlich gesagt, hatte er lange aufgehört, sich um seine durchgeschwitzten Klamotten zu scheren, aber er wollte das Gespräch unbedingt am Laufen halten.

„Nein, normalerweise ist es heißer. Deswegen laufen wir bei über 40 Grad im Schatten auch nicht in Schwarz herum“, sagte sie und musterte ihn mit einem Blick, der ebenso heiß war wie der Asphalt unter ihren Füßen. „Obwohl es mir an Ihnen gefällt. Was hat sie überhaupt so weit vom richtigen Weg abgebracht?“

„Ich wünschte, ich könnte Ihnen eine interessantere Geschichte erzählen. Aber es war leider nur eine falsche Abzweigung.“ Er grinste und konnte beim besten Willen keine Reue darüber empfinden, dass er die Interstate verlassen hatte. Überraschenderweise fühlte es sich gar nicht so schlimm an, mitten im Geschehen zu sein. „Ich war aus El Paso raus und dachte, ich sei auf dem richtigen Weg, aber ich habe schon lange kein Schild für Dallas gesehen.“

„Sie haben sich wirklich verirrt. Diese Straße verläuft südlich des Rio Grande. Er ist nicht besonders groß und verdient den Namen Rio nicht wirklich. Als Ausflugsziel kann ich ihn nicht empfehlen. An Ihrer Stelle würde ich wieder in Richtung Van Horn fahren und die Zehnte nach Osten nehmen.“

„Van Horn. Ich erinnere mich vage, dass ich da durchgekommen bin.“

„Da gibt’s nicht viel zu erinnern. Ich komme gerade aus der Stadt, und da ist nicht viel los. Apropos, ich muss mich langsam wieder auf den Weg machen. Das Ersatzteil, das ich abgeholt habe, wird sich leider nicht von selbst in Gus’ Truck installieren.“ Sie seufzte und wies mit dem Daumen über ihre Schulter. „Van Horn ist da lang. Viel Glück und behalten Sie die State Troopers im Auge. Die lieben es, schnelle Autos anzuhalten.“

Sie grinste. „Oder“, fuhr sie fröhlich fort, „fahren sie da lang und biegen rechts ein. Die Straße führt ins Zentrum von Little Crooked Creek und zum Diner mit dem besten frittierten Hähnchen im ganzen Staat.“

Er hatte noch nicht annähernd genug vom harmonischen Klang ihrer Stimme. Oder der charmanten Art, wie sie über nichts plaudern konnte und trotzdem sein Interesse gefangen hielt. Die harte Realität drohte am Horizont. Doch auch wenn er Dallas erst in einem Monat erreichte, würde er noch immer nicht glücklich sein mit dem Finanzierungsplan für Visions of Black. Kyla würde immer noch Kyla sein – untreu, egoistisch und künstlich – und es würde ihn viel zu viel Energie kosten, gleichgültig zu bleiben.

Doch das war es wert, wenn er Visions machen durfte. Seine Exfreundin hatte nicht nur einen Oscar gewonnen, sondern war auch ein Publikumsliebling. Eine Verlobung mit ihr würde dem Film eine Menge kostenlose Publicity bringen. Eine falsche Verlobung.

„Frittiertes Hähnchen ist mein Lieblingsessen“, sagte er. Und er war wirklich am Verhungern. Was konnten ein paar Stunden schon schaden? Schließlich war er deswegen mit dem Auto gefahren, um seine Ankunft in Dallas möglichst hinauszuzögern. „Was ist Little Crooked Creek?“

„Das armseligste Exemplar einer Kleinstadt, das man sich vorstellen kann“, sagte sie trocken und verzog das Gesicht. „Dort lebe ich.“

Der griechische Gott folgte ihr. V J warf einen unauffälligen Blick in den Rückspiegel. Ja, der muy amarillo Ferrari war direkt hinter Daddys Truck. Gott hatte einen Traummann mitten in der Wüste ausgesetzt, und er folgte ihr.

Sie hatte Schmetterlinge im Bauch. Lange hatte sie auf ihren Ritter in schimmernder Rüstung gewartet, doch nicht in einer Million Jahre hätte sie damit gerechnet, dass sie ihn fand, bevor sie Little Crooked Creek verließ. In Ewigkeit, Amen. Aber er war da. Ein Mann aus Fleisch und Blut, 1,80 groß, fantastisch aussehend, und er folgte ihr zu Pearl’s.

Sie bog in den Parkplatz des Diners ein; beim Anblick des weißen Tiefladers in der Parklücke neben ihr verzog sie das Gesicht. Na toll, Lenny und Billy waren auch hier. Es musste später sein, als sie gedacht hatte. Ihre Brüder kamen nie vor drei Uhr aus dem Bett und auch dann nur, wenn sie die Jungs aus dem Bett schmiss und drohte, dass sie kein Frühstück mehr bekommen würden, wenn sie ihre faulen Hintern nicht sofort bewegten.

Hoffentlich waren sie noch nicht bei ihrer zweiten Tasse Kaffee angelangt und würden den Fremden nicht bemerken, der durch Pearl’s spazierte. Das Letzte, was sie wollte, war, ihren kostbaren Ritter der Gesellschaft der zwei dämlichsten Jungs in West Texas auszusetzen.

Der Ferrari rollte in die Lücke auf der anderen Seite von Daddys Truck, und der griechische Gott glitt geschmeidig aus der Tür. Er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, und er gehörte ganz ihr. Für den Moment. Sie war nicht so blauäugig zu denken, dass so ein eleganter, kultivierter Mann bei ihr bleiben würde, aber war es ein Verbrechen, sich ein wenig in seinem Glanz zu sonnen, bis er wieder aus ihrem Leben entschwand? Seufzend warf sie sich ihren Rucksack über die Schulter und ging ihm entgegen.

Pearl’s war beinahe leer. Ihr Fremder wirkte deplatziert wie ein Maikäfer im Januar, und innerhalb weniger Sekunden waren alle Augenpaare im Raum auf ihn gerichtet. Sie führte ihn an den zerkratzten Tischen vorbei zu einer Sitznische, die im Schatten der Küche lag – diese Nische war, wie jeder wusste, für Paare reserviert, die sich Privatsphäre wünschten. Sie wählte für sich die Sitzbank, die notdürftig mit Isolierband repariert war, und überließ ihm den besseren Platz.

Er setzte sich, und seine schmalen Pianistenfinger fuhren über das Herz, das in die Resopaltischplatte eingekerbt war. L und St stand in der Mitte des Herzens. Laura und Steve waren mittlerweile fast zwanzig Jahren verheiratet, ein typisches Kleinstadtehepaar. Der Gegensatz zu diesem Mann, der sonst zweifellos in schicken Sushi-Bars und eleganten Nachtclubs verkehrte, hätte nicht größer sein können.

Was hatte sie sich dabei gedacht, ihn hierher einzuladen?

„Interessant hier“, sagte er.

Es war heruntergekommen, dunkel und roch nach ranzigem Fett. Interessant war sicher keine zutreffende Beschreibung für das Pearl’s. „Hier gibt es die beste Küche meilenweit. Und die einzige“, fügte sie hinzu.

Er lachte und sie versuchte sich fieberhaft eine weitere, lustige Bemerkung einfallen zu lassen, um diesen tiefen, grollenden Klang noch einmal zu hören. Doch als der Blick aus diesen unglaublich warmen, braunen Augen sie durchbohrte, gab sie auf. Seine Züge waren fein und wie in Marmor gemeißelt. Eine Statue, die so perfekt gelungen war, dass der Künstler ihr Leben eingehaucht hatte, damit sie unter den Sterblichen wandeln konnte.

„Ich heiße übrigens Kris.“ Er streckte die Hand aus. „Ich komme aus Los Angeles.“

Verstohlen wischte sie sich den Ruß und den Schweiß ab, bevor sie seine glatte Hand ergriff. Energiewellen flirrten zwischen ihnen, und ein Schlag durchfuhr sie.

„Entschuldigung. Elektrische Aufladung. Es ist sehr trocken um diese Jahreszeit.“ Sie legte ihre Hand in den Schoß und strich mit der anderen verstohlen darüber. War es übertrieben, diese Hand nie wieder zu waschen? „Ich bin V J aus der Pampa. Und ich werde weiter in der Pampa bleiben, wenn ich mich jetzt nicht an die Arbeit mache. Ich spare jeden Cent, um hier wegzukommen.“

Sie sprang auf, obwohl sie es hasste, ihn allein zu lassen. Doch es war beinahe vier Uhr.

„Kannst du nicht bleiben?“ Kris warf den Kopf in den Nacken und eine seidige Strähne seines schulterlangen Haares fiel ihm in die Stirn. Sie ballte ihre Hand zu einer Faust, damit sie dem Impuls nicht nachgab, ihm die Strähne aus dem Gesicht zu streichen. Das Berühren des Kunstwerks war verboten, auch wenn es nicht hinter Glas war.

„Keine Chance. Leider“, sagte sie. „Ich muss meine Uniform anziehen, dann kann ich wieder Wünsche von dir entgegennehmen.“ Sie blickte zu den anderen Gästen, die den Fremden in ihrer Mitte mit unverhohlener Neugier anstarrten.

„Du arbeitest hier?“

Sein Akzent war unglaublich. Die Worte waren auf Englisch, eine Sprache, die sie ihr Leben lang kannte, doch bei ihm klang jede Silbe exotisch und außergewöhnlich. Es war wie der Unterschied zwischen Detroit und Italien – beide Länder stellten Autos her, doch das Endergebnis hatte nicht mehr gemeinsam als vier Reifen und ein Lenkrad.

Sie musste endlich aufhören, ihn anzugaffen. „Äh, ja. Fünf Tage die Woche.“

Polternd erhoben sich ihre Brüder von ihren Hockern.

„Wer ist das Weichei?“, fragte Lenny und beugte sich verächtlich über ihren Tisch.

V J stieß ihn mit der Schulter gegen die Brust, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Er ist nur auf der Durchreise“, sagte sie. „Er ist keine Bedrohung für euch, also lasst ihn in Ruhe.“

Lenny schubste sie mit Leichtigkeit aus dem Weg, als ob sie nicht mehr wog als eine Feder.

Bevor sie ihr Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, war Kris schon aufgesprungen und an ihrer Seite. Ohne mit der Wimper zu zucken, starrte er Lenny und Billy nieder. Okay, vielleicht musste sie ihn nicht verteidigen. Ihr Herz rutschte ihr in die Hose, als er sich schützend vor sie stellte, völlig unbeeindruckt von den fünfhundert Pfund schweren Lewis-Jungs, die ihn wütend anfunkelten. Niemand in Little Crooked Creek wagte es, auch nur einem ihrer Brüder Paroli zu bieten, geschweige denn beiden. Er war ein echter Held.

„Kristian Demetrious. Und wer sind Sie?“ Sein Gesicht war hart und herrisch geworden – wie ein Krieger, kurz davor, sich mit gezücktem Schwert in die Schlacht zu stürzen. Als ob sie noch mehr Anstoß gebraucht hätte, sich ihn als Ritter ihrer Träume vorzustellen.

Dann wurde ihr sein voller Name bewusst.

Sie blinzelte ein paarmal schnell hintereinander, aber es war kein Traum. Kristian Demetrious stand mitten im Pearl’s. Das würde ihr niemand glauben. Gott, er hielt sie wahrscheinlich für eine totale Hinterwäldlerin, dass sie ihn nicht erkannt hatte. Sie musste sofort Pamela Sue anrufen.

Sobald sie sichergestellt hatte, dass Lenny und Bill nicht vorhatten, mit Kyla Monroes Verlobtem den Boden aufzuwischen.

„Das hier sind meine Brüder. Sie spielen gerne die harten Kerle, aber sie sind harmlos“, sagte sie. „Ich muss mich für sie entschuldigen. Sie kriegen nicht oft Ausgang aus der Irrenanstalt.“

Sie verpasste ihren Brüdern einen harten Stoß gegen die Brust und sagte: „Setzt euch wieder hin und trinkt noch einen Kaffee. Der geht auf mich. Und um Gottes willen regt euch ab. Mr Demetrious ist nicht hier, um sich mit euch herumzuschlagen.“

Sobald sie seinen vollen Namen ausgesprochen hatte, verwandelte sich Kris für sie in eine ferne, unerreichbare Gestalt. Das Herz wurde ihr schwer. Er war mit Kyla Monroe verlobt. Natürlich. Männer wie er waren immer mit Frauen wie Kyla zusammen – sie war wunderschön, elegant, berühmt und hatte noch dazu ein Regal voller Filmpreise.

Zwar war VJ klar gewesen, dass ihr griechischer Ritter in einer anderen Liga spielte, aber dass er dermaßen unerreichbar war, hatte sie nicht geahnt. Tatsächlich hatte sie das Gefühl gehabt, dass er ein klein wenig mit ihr flirtete – aber das konnte nicht sein. Sie musste seine unschuldigen Bemerkungen missverstanden haben.

Lenny und Billy zogen ab, nicht ohne Kris ein paar gehässige Blicke über die Schulter zuzuwerfen. Dann nahmen sie wieder ihre Plätze an der Theke ein und starrten Kris über den Rand ihrer Kaffeebecher hinweg argwöhnisch an. Kretins.

„Ich fürchte, Sie haben meine geheime Superkraft entdeckt. Ich bin ein Idioten-Magnet.“ Sie sah Kris direkt in die Augen. „Danke, dass Sie sich für mich eingesetzt haben, Mr Demetrious.“

Wie unangemessen. Aber wie konnte sie ausdrücken, was für ein unglaubliches Gefühl es gewesen war, dass ein Mann wie Kristian Demetrious sie verteidigt hatte? Für ihn war es nur eine Kleinigkeit, aber ihr bedeutete es alles.

Er zuckte verlegen die Achseln, ihm war offensichtlich unbehaglich zumute. „Also heißt es ab jetzt Sie und Mr Demetrious?“ Er setzte sich auf die Bank und lachte trocken, als sie stehen blieb. Aber sie konnte sich unmöglich einfach so mit ihm an den Tisch setzen. „Ich bin kein Freund von Förmlichkeit. Es hatte einen Grund, dass ich mich dir als Kris vorgestellt habe. Können wir nicht einfach wieder locker miteinander umgehen?“

Sein Lächeln war so ansteckend und bezaubernd, dass sie nicht anders konnte, als zurückzulächeln. „Meine Mutter hat mir beigebracht, dass ich höflich sein soll.“

„Mir gefielst du respektlos besser.“ Er seufzte. „Offensichtlich weißt du, wer ich bin. Ich nehme an, es ist wegen Kyla und nicht weil du meine Filme gesehen hast.“

„Sorry. Wir können von Glück sagen, wenn wir eine Handvoll Premieren ins Kino von Van Horn bekommen. Für diese Ecke sind die Filme, bei denen Sie Regie führen, einfach zu … wie sagt man?“ Sie schnipste mit den Fingern. „Kosmopolitisch.“

„Obskur“, sagte er gleichzeitig, und ein entschlossener, leidenschaftlicher Ausdruck trat in seine Augen. „Das wird sich ändern. Und zwar bald.“

„Ich muss einstempeln“, sagte sie. Und ein bisschen Abstand zwischen sie bringen, bevor sie anfing, ihn auszufragen. Nach seiner Arbeit, seinen Plänen, seinen Träumen. Sie hätte ihm die ganze Nacht zuhören können. Sie hatte nicht oft die Chance, an kultivierten Unterhaltungen dieser Art teilzunehmen.

Sie wandte sich zum Gehen. Da hielt er sie fest, und sie spürte den sinnlichen Druck seiner Finger um ihren Arm. Wie aufregend wäre es, seine goldbraune Hand zu halten – zu fühlen, wie beide Hände über ihren Körper glitten, sie auszogen, liebkosten … Genug jetzt.

„Zieh dich schnell um. Ich bin völlig ausgehungert“, sagte er, und seine Augen bekamen einen seltsamen Glanz. Bevor sie gewusst hatte, dass er vergeben war, hätte sie diese Bemerkung sicher missverstanden und in seinem leidenschaftlichen Gesichtsausdruck eine Aufforderung gelesen.

„Sie sind der Boss.“ Sie machte sich davon, voller Angst, er könnte sich in Luft auflösen, sobald sie ihn aus den Augen ließ.

Und wenn schon. Er war vergeben, und das auch noch an die blonde Leinwandgöttin Kyla Monroe.

Der Gedanke verursachte ihr Übelkeit. Sie kamen aus verschiedenen Welten. Er war nur hier, weil er sich verfahren hatte, nicht weil das Schicksal ihn zu ihr geführt hatte.

Kristian Demetrious gehörte einer anderen Frau. Für einen flüchtigen Augenblick war er in Little Crooked Creek aufgetaucht und würde schon bald wieder verschwinden.

2. KAPITEL

Kris lehnte sich in seiner harten Bank zurück und sah seiner Wüstenschönheit zu, wie sie ein Dutzend alltägliche Dinge erledigte. Sie schob ihre Stempelkarte in die alte Maschine an der Wand. Dann machte sie einen Telefonanruf von einem waschechten Münztelefon aus, das man zwischen dem Videospielautomaten und den Toiletten platziert hatte.

Die lebhafte Anmut, mit der sie sich bewegte, erinnerte ihn an eine aufblühende Blume. Von einem Moment auf den anderen war alles voller Farbe und Leben, überwältigende Schönheit, wo eben noch nichts Bemerkenswertes gewesen war. Wo war die Kamera, wenn man sie wirklich brauchte? Eine solche natürliche Schönheit musste er für die Nachwelt festhalten.

Nein, nicht für die Nachwelt, für sich selbst. Künstlerische Kreativität statt Gewinnstreben. Vielleicht lag hier auch der Schlüssel für das Konzept von Visions of Black, über dem er schon seit Wochen brütete.

Das Licht im Diner war fahl und trüb. Völlig falsch. Er würde sie draußen filmen, wo die Nachmittagssonne ihr ins Gesicht schien und sich die Berge hinter ihr als natürliche Kulisse erhoben. Vielleicht würde er ein Interview mit ihr führen, damit er diesen honigsüßen, schweren Dialekt einfangen konnte und ihre rückhaltlose Ehrlichkeit. Bei V J war alles an der Oberfläche, in ihren Augen, auf ihren Lippen. Er selbst hingegen steckte bis zum Hals in Hollywoodspielchen.

Er hatte sein Appartement in L. A. an diesem Morgen noch vor Sonnenaufgang verlassen, um direkt nach Dallas durchzufahren. Dort hatte er sich mit Kyla treffen wollen, um mit der Vorproduktion von Visions zu beginnen.

Doch im Moment erschien ihm ein weiterer Abend ohne Kyla weniger wie eine Gnadenfrist als eine Notwendigkeit.

Er wollte einfach nur Filme machen, sich nicht mit der Finanzierung, Werbung oder endloser Hollywoodbürokratie herumschlagen. Visions of Black war der perfekte Film, um seine Karriere auf die nächste Stufe zu befördern. Eine ideale Mischung aus sympathischen Figuren, fesselnder Dramatik und spannungsgeladener Action. Die Zuschauer würden Kyla in der Hauptrolle lieben, ihre Ausstrahlung auf der Leinwand war einfach unvergleichlich. Sie war von Anfang an ein wesentlicher Teil des Pakets gewesen, in erster Linie weil der Hauptproduzent Jack Abrams darauf bestanden hatte. Und auch Kris erkannte den doppelten Vorzug von Kyla als Kassenmagnet und erstklassiger PR.

Der Drang, aus seiner Geschichte einen Film zu machen, brannte stark genug in ihm, dass er gewillt war, sich mit seiner Exfreundin und jedem anderen Hindernis herumzuschlagen, das man ihm in den Weg stellte.

Morgen.

V J ging um die Tische herum und trat mit einem erwartungsvollen Lächeln auf ihn zu. „Frittiertes Hähnchen?“

„Absolut.“ Niemand in L. A. aß frittiertes Hähnchen, aber der herzhafte Geruch hatte ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, seit er den Diner betreten hatte. „Und ein Bier.“

„Erstklassige Wahl. Leider sind wir mitten im Bibelgürtel und nehmen das Alkoholverbot in der Öffentlichkeit ernst. Lieber eine Cola stattdessen?“, schlug sie vor.

„Ihr verkauft keinen Alkohol?“ Als er sich im Diner umblickte, konnte er sich die Frage selbst beantworten. Jedes Glas war mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit gefüllt. Jede Wette, dass es sich um unglaublich süßen Tee handelte.

„Sorry, ich fürchte, hier ist es trocken wie in der Wüste.“ Sie beugte sich zu ihm herunter und hob die Augenbrauen. „Wir sind hier alle gute Baptisten. Außer hinter geschlossenen Türen natürlich.“

Er verstand. Wo er herkam, war man streng griechisch-orthodox. Außer hinter geschlossenen Türen. Anderes Etikett, dieselbe Heuchelei. „Cola ist prima.“

„Kommt sofort, Sir.“

Er stöhnte entnervt auf. „Kannst du bitte mit diesem Sir-Quatsch aufhören? Leiste mir ein bisschen Gesellschaft“, sagte er.

Autor

Kat Cantrell
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