Julia Collection Band 75

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ICH WUSSTE NICHT, WIE GUT DU KÜSST von BEVARLY, ELIZABETH
Jaynes Freundinnen sind gerührt, als sie dem charmanten Erik ihr Ja-Wort gibt. Was sie ihnen verschweigt: Die beiden gehen nur eine Zweckehe auf Zeit ein. Jetzt muss Jayne nur noch schaffen, das ihrem Herzen beizubringen, - denn das hat offenbar ganz eigene Pläne …

DIE SÜßESTE ALLER FRÜCHTE von GARBERA, KATHERINE
Schon lange ist die Assistentin Lila in ihren Chef Nick Camden verliebt. Eines Tages ruft er sie zum Diktat - und kann kaum den Blick von ihr wenden. Einen Augenblick später liegt sie in seinen Armen. Spielt er nur mit ihr, oder empfindet er wirklich etwas für sie?

TRAU DICH - LIEB MICH von LITTLE, KATE
Liebe auf den ersten Blick? Nichts für Meredith! Nie wieder will sie auf einen Mann hereinfallen. Bis Adam auf einmal vor ihr steht und das Undenkbare passiert: Vom ersten Augenblick an fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Darf sie ihren Gefühlen trauen?


  • Erscheinungstag 12.12.2014
  • Bandnummer 75
  • ISBN / Artikelnummer 9783733703325
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Elizabeth Bevarly, Katherine Garbera, Kate Little

JULIA COLLECTION BAND 75

Das Haus am Amber Court

ELIZABETH BEVARLY

Ich wusste nicht, wie gut du küsst

Um eine Erbschaft anzutreten, muss Erik bis zu seinem dreißigsten Geburtstag verheiratet sein. Eine Zweckehe auf Zeit scheint ihm die Lösung. Die bezaubernde Jayne wäre genau die Richtige: Sie ist hübsch, klug, warmherzig – und schon bald behagt ihm der Gedanke, sich nach einem Jahr wieder von ihr zu trennen, immer weniger …

KATHERINE GARBERA

Die süßeste aller Früchte

Immer wieder hat Nick Camden, Leiter eines elitären Schmuckunternehmens, auf seiner letzten Geschäftsreise an seine Assistentin Lila denken müssen. Er schätzt sie für ihre hervorragende Arbeit – aber auch ihre sexy Kurven gehen ihm nicht aus dem Kopf … Als sie eines Tages zum Diktat in sein Büro kommt, überwältigt sie beide die Leidenschaft …

KATE LITTLE

Trau dich – lieb mich

Kuss für Kuss versucht der Unternehmer Adam Richards, das Herz der sensiblen Künstlerin Meredith zu erobern. Doch obwohl es zwischen ihnen sofort knistert, entzieht sie sich ihm immer wieder, wagt es nicht, ihre Gefühle zuzulassen. Zu sehr ist sie in der Vergangenheit enttäuscht worden. Wie kann Adam ihr die Angst vor der Liebe nehmen?

1. KAPITEL

Es war entschieden kein guter Tag für Jayne Pembroke.

Sie begann ihn damit, dass sie verschlief, ein Umstand, der nicht gerade dadurch verbessert wurde, dass sie aus einem der wundervollsten Träume erwacht war, den sie seit sehr langer Zeit gehabt hatte. In ihrem Traum hatte Jayne Gesellschaft gehabt, und zwar wirklich nette Gesellschaft in Form eines gut aussehenden, dunkelhaarigen, dunkeläugigen Fremden, der die wundervollsten – und erotischsten – Dinge mit ihr anstellte.

Zumindest glaubte sie das. Denn sehr viel Erfahrung hatte sie nicht auf diesem Gebiet. Aber was auch immer der dunkelhaarige, dunkeläugige Fremde mit ihr in ihrem Traum getan hatte, es hatte sich herrlich angefühlt.

Was jedoch ihre Wirklichkeit anging, so war sie weder wundervoll noch erotisch und ganz bestimmt nicht herrlich – und das nicht nur, weil Jayne verschlafen hatte, sie lag auch, wie immer, allein im Bett.

Als sie es schließlich doch noch schaffte, zur Uhr hinüberzublinzeln, fiel sie buchstäblich aus dem Bett und stieß sich dabei den Kopf am Nachttisch. Deshalb trat sie rachsüchtig mit dem Fuß gegen den Nachttisch und stieß sich den Zeh. Als sie daraufhin fluchend ins Badezimmer hüpfte, kam Mojo, der Kater ihrer Schwester Chloe, ins Zimmer stolziert und brachte Jayne zu Fall. Es war ein großer Fehler gewesen, ihrer Schwester, die auf dem College war, zu versprechen, auf das kleine Biest aufzupassen.

Doch damit war die Liste ihrer Missgeschicke noch keineswegs erschöpft.

Das Wasser in der Dusche war nur noch lauwarm, weil ohne Zweifel alle anderen Bewohner von Amber Court Nr. 20 schon längst geduscht hatten, weil sie natürlich alle pünktlich aufgewacht waren. Die einzige saubere Bluse, die Jayne finden konnte, passte nicht zu dem einzigen sauberen Rock, den sie finden konnte, und die einzige saubere Strumpfhose, die sie finden konnte, hatte eine Laufmasche. Die Folge war, dass sie gezwungen war, eine Farbzusammenstellung zu tragen, die einem die Tränen in die Augen trieb – eine erdbeerrote Bluse zu einem orangefarbenen Rock mit hellgrünem Gürtel.

Da war es schon keine Überraschung mehr für sie, dass der Haartrockner in dem Moment seinen Geist aufgab, als sie ihn anstellte, dabei einen gefährlich klingenden Summton von sich gab und verdächtig nach Verbranntem roch. Jayne zog sofort den Stecker heraus und warf das Gerät in den Abfalleimer – der natürlich umkippte und seinen gesamten Inhalt auf dem Badezimmerboden verteilte.

Jayne unterdrückte einen hysterischen Aufschrei und flocht dann methodisch ihr nasses, rotes Haar zu einem dicken Zopf und rubbelte hastig ihren Pony trocken, so gut sie konnte. Sie legte schnell erdbeerroten Lippenstift auf – wenigstens würde er zu einem Teil ihrer Kleidung passen – und benutzte einen dezenten Lidschatten für ihre veilchenblauen Augen. Dann rannte sie in die Küche, um sich die Tasse Kaffee einzuschenken, die sie unbedingt haben musste, wenn sie halbwegs funktionieren wollte.

Das Gute war, dass der Timer der Kaffeemaschine offenbar vollkommen funktionierte. Das Schlechte war, dass Jayne vergessen hatte, Kaffee in die Filtertüte zu füllen. Also erwartete sie nur eine Kanne heißes Wasser.

Sie unterdrückte einen Schrei, der alles Dagewesene überboten hätte – aber nur mit größter Mühe. Dann nahm sie resignierend hin, dass ihr heute wohl kein Kaffee vergönnt sein sollte – oder sonst irgendetwas –, und sah aus dem Fenster. Es war, wie nicht anders zu erwarten, ein ungewöhnlich regnerischer Tag für Anfang September. Und natürlich, ebenfalls nicht verwunderlich, hatte sie ihren einzigen Regenschirm bei Colette Jewelry vergessen, dem bekannten, erfolgreichen Juweliergeschäft, in dem sie als Verkäuferin arbeitete.

Du meine Güte, dachte Jayne beklommen. Was mag mir heute noch bevorstehen? Dabei war es noch nicht einmal neun Uhr morgens.

So schnell sie konnte, jagte sie durch ihr restliches Morgenritual, und tatsächlich ging kaum noch etwas schief. Sie brach sich nur einen Fingernagel ab, als sie auf der Suche nach ihrem Regenmantel – den sie natürlich nicht fand – in ihrem Schrank herumwühlte.

Sie schloss gerade die Tür zu ihrer Wohnung ab, als die Tür der gegenüberliegenden Wohnung geöffnet wurde und ihre Vermieterin heraustrat. Es war das erste Mal heute Morgen, dass Jayne lächelte. Rose Carson brachte bei jedem ein Gefühl guter Laune und Wohlbefindens hervor, ganz gleich, wo sie auftauchte. Rose war eine sehr nette Dame, und sie war es auch gewesen, die für Jayne den Job bei Colette Jewelry gefunden hatte. Die Freundin einer Freundin, hatte Rose ihr damals erzählt, habe die freie Stelle in dem Juweliergeschäft erwähnt, und Jayne hatte sie sofort erhalten.

Mit ihrem kurzen dunklen Haar, das gerade anfing, ein wenig zu ergrauen, den Lachfältchen um die dunklen Augen und der rundlichen Figur musste Rose nach Jaynes Schätzung Anfang fünfzig sein und damit im gleichen Alter von ihrer Mutter, wenn diese das Flugzeugunglück vor vier Jahren überlebt hätte. Auch ihr Vater war dabei umgekommen.

Obwohl Jayne erst seit einem Monat in Amber Court Nummer 20 wohnte, hatte sie das Gefühl, ihre Vermieterin schon seit Ewigkeiten zu kennen. Rose weckte in ihren Mitmenschen vom ersten Moment an Zuneigung und das Gefühl, man könnte sich ihr bedenkenlos anvertrauen. Bereits wenige Tage nach ihrem Einzug hatte Jayne Rose alle Einzelheiten ihrer Lebensgeschichte enthüllt. Sie hatte ihr von dem Tod ihrer Eltern erzählt, als sie achtzehn gewesen war, und dass sie seitdem für die vier Jahre jüngeren Zwillinge, Chloe und Charlie, verantwortlich war. Und dass sie auf den Besuch des College verzichtet hatte, damit die beiden jetzt studieren konnten.

Wenn ihr Bruder und ihre Schwester in vier Jahren das Diplom in der Tasche haben würden, würde sie an der Reihe sein und aufs College gehen. Immerhin hatte sie noch sehr viel Zeit. Sie war erst zweiundzwanzig, und das ganze Leben lag noch vor ihr.

Im Augenblick war Jayne einfach froh, endlich einmal keine Angst vor der Zukunft haben zu müssen. Die vergangenen vier Jahre waren ungemein schwierig gewesen, da sie ständig darum hatte kämpfen müssen, dass die Zwillinge und sie ein Dach über dem Kopf und genügend zu essen hatten.

Der Verkauf ihres Elternhauses, eine bescheidene Lebensversicherung und das Kindergeld für die Zwillinge hatten ihnen das Anfangskapital gesichert, das sie in jener Zeit gebraucht hatten. Aber jetzt waren Charlie und Chloe achtzehn, und es gab kein Kindergeld mehr. Die jährlichen Collegegebühren für zwei Studenten würden zwar selbst mit dem kleinen Stipendium, das die Zwillinge erhielten, eine große Belastung darstellen, aber im Augenblick war ihre finanzielle Situation einigermaßen gesichert. Solange sie ihren Job bei Colette Jewelry behielt, würde alles gut gehen.

Das hoffte sie jedenfalls.

„Guten Morgen, Jayne“, sagte Rose lächelnd, nachdem sie ihre Tür abgeschlossen hatte, und wandte sich ihrer jüngsten Mieterin zu. Sie sah auf die Uhr. „Sind Sie nicht ein wenig spät dran, meine Liebe?“

Jayne unterdrückte die aufsteigende Panik. So spät war es nun auch wieder nicht. Da sie sich wie eine Wilde beeilt hatte – und nicht einmal Kaffee getrunken hatte –, würde sie es gerade noch rechtzeitig zur Arbeit schaffen – vielleicht, wenn sie den ganzen Weg dorthin lief. Und es blieb ihr kaum etwas anderes übrig, da sie den Bus verpasst hatte und es immer noch regnete. Doch wenn sie sich dicht an die Häuserwände hielt, würde sie vielleicht relativ trocken bleiben.

„Ja, ein wenig“, gab Jayne zu. „Irgendwie ging heute alles schief“, fügte sie hinzu.

Rose nickte verständnisvoll. „Strömender Regen und dazu noch Montag, nicht wahr?“

Jayne lachte geringschätzig. „Strömender Regen an einem Montag, ein kaputter Wecker und ein kaputter Haartrockner, keine saubere Wäsche und eine unkooperative Kaffeemaschine, Menschen mordende Katzen und …“

Rose hob lachend die Hand. „Mehr brauchen Sie nicht zu sagen. Du meine Güte, solche Tage habe ich zu meiner Zeit auch einige erlebt.“

Jayne wollte sich verabschieden und davoneilen, als sie eine Brosche an Roses cremefarbener Bluse bemerkte. Die Brosche war sehr schön mit mehreren dunkelgelben Steinen, die in verschieden getönten Edelmetallen eingefasst waren. Jayne war so fasziniert von dem Schmuckstück, dass sie Rose unwillkürlich darauf ansprach.

„Ihre Brosche ist wunderschön“, sagte sie impulsiv. „Das sind keine Topase, oder?“

Rose strahlte, als ob Jayne ihr gerade das schönste Kompliment gemacht hätte. „Nein, es ist Bernstein.“ Ihr Lächeln wurde verhaltener. „Ich besitze die Brosche schon seit sehr langer Zeit. Und die Geschichte, wie ich dazu gekommen bin, ist ziemlich interessant.“

„Sie müssen sie mir einmal erzählen, wenn ich nicht so in Eile bin und nicht einen so miserablen Tagesbeginn habe.“

Doch bevor Jayne nun endlich losrennen konnte, hielt Rose sie noch einmal zurück. „Warten Sie. Tragen Sie die Brosche heute“, sagte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln und nahm die Brosche ab. „Sie hat mir früher Glück gebracht. Vielleicht hilft Sie Ihnen, diesen verrückten Tag besser zu überstehen.“

Jayne lächelte schief. „So wie es heute angefangen hat, habe ich das Gefühl, dass ich die Brosche eher für einen ganzen Monat bräuchte.“

„Dann tragen Sie sie eben den ganzen Monat“, meinte Rose und befestigte sie kurzerhand an Jaynes Bluse. Mit einem schelmischen Lächeln fügte sie hinzu: „Sie werden schon wissen, wann Sie sie zurückgeben möchten.“„Aber ich kann doch nicht …“

„Aber natürlich können Sie“, unterbrach Rose sie sanft und betrachtete die Bernsteinbrosche an Jaynes erdbeerrote Bluse. „Sie passt zwar nicht zu Ihrer heutigen Aufmachung …“

Jayne musste trotz allem lachen. „Als ob heute irgendetwas an mir zusammenpasst! Erinnern Sie mich bitte daran, dass ich große Wäsche mache, wenn Sie mich heute Abend sehen, okay?“

Rose nickte. „Werde ich.“

Jayne schenkte Rose noch ein letztes Lächeln, winkte und spurtete los.

„Viel Glück!“, rief ihre Vermieterin ihr nach.

„Danke!“, rief Jayne zurück. „Irgendetwas sagt mir, dass ich es gebrauchen kann!“

Am anderen Ende von Youngsville, Indiana, genoss Erik Randolph seinen Morgen auch nicht besonders, wenn auch aus völlig anderen Gründen als Jayne Pembroke.

Er hatte in der Nacht sehr ruhig und traumlos geschlafen, und er wachte nicht zu spät zur Arbeit auf. Aber das lag daran, dass keine Arbeit auf ihn wartete, zu der er sich hätte verspäten können. Er könnte zwar zur Arbeit gehen, wenn er wollte – es war kein Geheimnis, dass sein Vater ihm den Posten des Vizepräsidenten in der „Randolph Shipping and Transportation“ offen hielt. Aber es war ebenfalls kein Geheimnis, dass Erik nicht zur Arbeit geschaffen war. Um zu arbeiten, brauchte man zunächst so etwas wie eine Arbeitsmoral und darüber hinaus Zielstrebigkeit oder wenigstens Pflichtgefühl und das Verlangen, seinen Teil zu was auch immer beizutragen. Erik jedoch wies, wie man allgemein wusste, keine einzige dieser lobenswerten Eigenschaften auf. Das minderte jedoch nicht im Geringsten seinen Charme.

Wie die Dinge nun also standen, war der Zeitpunkt, zu dem er aufwachte, völlig nebensächlich, weil er den heutigen Tag ohnehin so verbringen würde wie alle anderen Tage – ohne bestimmte Dinge oder Pläne im Sinn zu haben. Und er wachte nur deswegen allein in seinem Bett auf, weil er nie jemandem mit nach Hause brachte.

Das lag natürlich daran, dass er das Haus mit seinen Eltern teilte, die die wahren Besitzer waren. Er musste nicht etwa befürchten, von besagten Eltern entdeckt zu werden, denn das Haus war so groß, dass man sich monatelang darin aufhalten konnte, ohne jemandem zu begegnen. Aber Erik fühlte sich nicht ganz wohl, wenn er zu Hause war. Je weniger Zeit er hier verbringen musste, desto besser. Er wusste nicht einmal genau, warum das so war.

Das Haus war wunderschön und elegant eingerichtet, mit edlen Perserteppichen, den exquisitesten europäischen Möbeln und eindrucksvollen Kunstwerken aus allen Ländern. Seine Eltern und seine zwei jüngeren Schwestern waren alles recht nette Menschen, und als Familie kamen sie sehr gut miteinander aus. Aber irgendetwas fehlte hier. Dem Haus fehlte etwas. Deswegen hielt Erik sich nie besonders gern zu Hause auf.

Aber das war nur einer der Gründe, weswegen er so oft auf Reisen war. Der andere Grund war natürlich, dass das Reisen ihm so viel Spaß machte. Ein weiterer Grund war, dass er auf Reisen vielen wundervollen Menschen aus allen Schichten begegnete, und mit den Frauen, auf die er bei der Gelegenheit traf, ging er nicht selten eine ernsthafte, monogame Beziehung ein – manchmal sogar für mehrere Tage. Die Tätigkeit eines Playboys, das hatte Erik schon vor Langem festgestellt, war die beste, die ein Mann ausüben konnte.

Doch wenn er gezwungen war, Zeit im Haus seiner Eltern in Youngsville zu verbringen, kam man ihm in jeder Hinsicht entgegen. Dessen war Erik sich durchaus bewusst. Selbst um neun Uhr lag er immer noch in seinem breiten Bett, die Überreste seines Frühstücks, das der den Randolphs treu ergebener Butler Bates ihm vor einer Stunde gebracht hatte, auf dem silbernen Tablett neben sich. Obwohl Erik unruhig und ein wenig gereizt war, als ob er kurz davor wäre, eine irgendwie lebensverändernde Erfahrung zu machen, brachte er einfach nicht die nötige Energie auf, um das Bett zu verlassen und für jene Erfahrung bereit zu sein.

Wozu denn auch? fragte er sich und fuhr sich ungeduldig durch das etwas zu lange dunkle Haar. Heute war Montag, und es regnete, also war ein wenig Trägheit das einzig Richtige. Zu allem kam noch hinzu, dass heute der erste September war, der Monat, in dem er Geburtstag hatte, und das …

Plötzlich verstand Erik seine Rastlosigkeit, seine Nervosität, sein Bedürfnis, das Haus zu verlassen und besagte lebensverändernde Erfahrung zu machen. Bis zu seinem dreißigsten Geburtstag waren es nur noch zwei Wochen. Verdammt noch mal! Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er hatte den ganzen Sommer damit zugebracht, über den Erdball zu jetten, um die Tatsache zu verdrängen, dass er bald dreißig Jahre alt sein würde. Trotzdem war der Augenblick gnadenlos näher gerückt. Nur noch zwei Wochen würde er ein Twen sein – zwei armselige Wochen … vierzehn armselige Tage.

Dreißig. Er war bald dreißig. Wahnsinn! Wie hatte das bloß geschehen können?

Es war gar nicht so sehr die Tatsache, dass er älter geworden war – immerhin war das nicht anders zu erwarten gewesen –, die Erik störte. Er hatte sein Dasein als Twen zwar sehr genossen, dachte aber nicht, dass das dreißigste Lebensjahr das Ende seines gesamten Lebens einläutete. Im Gegenteil, er kannte einige Leute, die tatsächlich über dreißig waren und sich trotz allem erstaunlich gut zu amüsieren schienen. Viele von ihnen behaupteten sogar, dass sie jetzt noch mehr Spaß hätten als früher.

Erik ging zwar nicht so weit, ihnen das auch noch zu glauben, aber er hatte im Grund nichts dagegen, dreißig zu werden – jedenfalls unter normalen Bedingungen, und wenn es nicht um eine ganz bestimmte familiäre Verpflichtung ginge, die er sehr bald erfüllen musste. Und zwar in besagten zwei Wochen – in anderen Worten, in vierzehn Tagen.

Vierzehn armselige Tage.

Denn innerhalb dieser jämmerlich wenigen Tage musste Erik sich etwas ganz Bestimmtes beschaffen, um das Erbe anzutreten, das ihm sein Großvater väterlicherseits als Treuhandvermögen hinterlassen hatte. Sicher wäre er finanziell nicht ruiniert, wenn er das Erbe ausschlug, denn auch ohne die Reichtümer seines Großvaters waren die Randolphs eine außerordentlich wohlhabende Familie.

Damien Randolph, Eriks Vater, war nicht besonders gut mit seinem eigenen Vater ausgekommen. Das war sogar so weit gegangen, dass die beiden Männer zehn Jahre lang nicht miteinander gesprochen hatten. Schließlich hatte der alte Randolph sein Vermögen von einhundertachtzig Millionen Dollar zwischen Erik und seinen zwei Schwestern aufgeteilt und seinen Sohn ausgeschlossen.

Natürlich gab es einen kleinen Haken bei der Sache. Der alte Randolph hatte gefürchtet, dass seine Enkel das Leben im Luxus zu sehr genießen könnten – und das aus gutem Grund, wie Erik jetzt fairerweise zugab. Deshalb enthielt sein Testament eine Klausel, nach der seine Enkel ihren Anteil nur dann erben könnten, wenn sie eine gewisse Bedingung vor ihrem dreißigsten Geburtstag erfüllten. Eriks Schwestern mussten sich da noch eine ganze Weile keine Sorgen machen. Celeste war vier Jahre und Maureen acht Jahre jünger als er. Also würde er sozusagen das Versuchskaninchen sein. Da Erik allerdings eine sehr gute Beziehung zu seinem Vater hatte, fühlte er sich verpflichtet, die Bedingung seines Großvaters zu erfüllen und das Vermögen in der Familie zu halten. Das war schließlich das Mindeste, was er für seinen Vater tun konnte.

Außerdem betrug sein Anteil immerhin sechzig Millionen Dollar.

So etwas bekam man nicht jeden Tag geschenkt. Der alte Randolph war im Umgang mit Geld immer sehr klug gewesen und hatte außerdem auch einige Prinzipien gehabt. Das erinnerte Erik wieder an die Bedingung, die er erfüllen musste, bevor er die Kontrolle über sein Erbe erhalten würde. Und er musste sie noch vor seinem dreißigsten Geburtstag erfüllen. Nun, so schwierig würde es schon nicht sein. Was er dafür brauchte, konnte man so ziemlich überall finden. Er war nur noch nicht dazu gekommen, danach zu suchen. Da ihm jetzt aber nur noch vierzehn Tage blieben, wäre es wohl besser, wenn er sich allmählich in Bewegung setzte.

Aber wo soll ich zuerst gucken? fragte er sich. Gab es in den Gelben Seiten eine Rubrik für das, was er brauchte? Wenn er unter „E“ nachschlug, würde er eine Liste von potenziellen Ehefrauen finden?

Vermutlich nicht, was auch nicht schlimm war. Sollten es in Youngsville zu wenige Heiratskandidatinnen geben, würde er eben irgendwo anders eine Frau finden. Chicago lag gleich auf der anderen Seite des Lake Michigan und war um einiges größer. Dort würde bestimmt fündig werden.

Außerdem war es ja nicht so, dass er die Frau, die er fand, auch behalten musste. Im Testament seines Großvaters hieß es klar und deutlich, dass er nur ein Jahr verheiratet bleiben müsste, um sein Erbe zu erhalten. Wahrscheinlich hatte er gedacht, dass Erik sich nach einem Jahr so an das Eheleben gewöhnt haben würde, dass er es danach nicht würde aufgeben wollen. Der alte Randolph war dermaßen in seine Frau verliebt gewesen, dass es ihm gar nicht in den Sinn gekommen war, es könnte anderen Männern in dieser Hinsicht anders gehen. Oder er hatte gedacht, dass ein Jahr in der Gesellschaft einer guten Frau genügen würde, damit sein Enkel sich in sie verliebte.

Erik schüttelte ungläubig den Kopf.

Er war viel zu pragmatisch, um an etwas so Romantisches wie die ewige Liebe zu glauben, und er genoss sein Leben als Playboy auch viel zu sehr, um es jemals aufgeben zu wollen. Aber wenn es darum ging, den Status quo der Familienfinanzen aufrechtzuerhalten, konnte er notfalls ein Jahr aufs Junggesellenleben verzichten. Besonders wenn bei diesem Verzicht Millionen von Dollars für ihn heraussprangen.

Manchmal musste man eben Opfer bringen.

Zufrieden mit dem Entschluss, noch an diesem Morgen auf die Jagd nach einer Ehefrau zu gehen, erhob Erik sich aus seinem Bett. Während er sich genüsslich reckte, machte er sich in Gedanken eine Liste mit allen Qualitäten, über die seine Zukünftige verfügen musste. Sie würde natürlich, das verstand sich von selbst, schön sein. Blondinen hatten ihm schon immer gefallen, also musste auch seine Frau blond sein. Die Augenfarbe war nicht so wichtig, aber er fand, dass Braun besonders attraktiv aussah zu blondem Haar. Außerdem musste seine Frau einigermaßen intelligent und recht redegewandt sein. Er hasste nichtssagende Unterhaltungen. Natürlich sollte sie ihm keine Vorträge über Atomphysik oder Gentechnik halten, aber eine gewisse Kenntnis der gegenwärtigen Modetendenzen wäre äußerst willkommen.

Was sonst noch? überlegte er.

Nun, eine sanfte Disposition wäre Starrköpfigkeit bei Weitem vorzuziehen. Natürlich sollte sie eine eigene Meinung haben, aber seinen Vorschlägen gegenüber immer offen sein, und sie musste ausreichende Kenntnisse über das passende Benehmen in der Öffentlichkeit besitzen. Er besuchte viele Partys und erwartete von seiner Frau, dass sie sich in seinen Kreisen ebenso souverän bewegte wie er. Sie musste einen guten Geschmack haben, einen guten Wein erkennen können und die schönen Künste zu schätzen wissen …

Er sollte das alles vielleicht lieber aufschreiben. Himmel, es gab noch so viel zu tun, und er hatte nur so wenig Zeit!

Ein lautes Donnerkrachen erinnerte ihn daran, dass er seine Suche auch noch unter recht unangenehmen Wetterbedingungen beginnen musste. Aber das machte die Herausforderung nur noch interessanter. Und er liebte Herausforderungen – vorausgesetzt, sie waren nicht übertrieben.

Andererseits, was war schon so schwierig daran, eine Frau zu finden? Er war einer von Youngsvilles begehrtesten Junggesellen. Das hatte er selbst vor nicht allzu langer Zeit in der Sonntagsausgabe der „Youngsville Gazette“ gelesen. Also musste es auch stimmen. Er war praktisch eine hiesige Berühmtheit. Jede Frau würde die Gelegenheit, ihn zu heiraten, sofort ergreifen. Immerhin hatte er ja auch viel zu bieten – gutes Aussehen, trockenen Humor, eine fröhliche Natur, viel Geld und ein nettes Zuhause. Na schön, Letzteres war vielleicht nicht wirklich seins, aber das war nur eine Formalität. Trotzdem machte der Familiensitz der Randolphs einen wichtigen Teil seiner persönlichen Vorteile aus. Das Einzige, was ihm eigentlich noch fehlte, um der ideale Bräutigam zu sein, war ein Ring.

Ja, er brauchte einen Verlobungsring, um die Angelegenheit auf passende Weise zu erledigen. Eine Ehefrau musste vorher eine Verlobte gewesen sein, und ohne Ring gab es keine Verlobte. Für Erik Randolphs Verlobte war natürlich nur das Beste gut genug, und alle in Youngsville wussten, wo man hingehen musste, um das Beste zu bekommen, was es an Schmuck gab: zu Colette.

Also war das der Ort, den er aufsuchen würde, bevor seine Jagd richtig beginnen konnte. Er würde genau den richtigen Ring aussuchen, der schön, aber nicht zu auffällig sein musste, exquisit, ohne protzig zu wirken und von schlichter Eleganz – ungefähr so wie die Frau, die er zu finden hoffte.

Ja, Colette würde sicher genau das haben, was er suchte.

2. KAPITEL

Als Jayne das Juweliergeschäft in der Hammond Street betrat, fühlte sie sich wie eine ertrunkene Ratte. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass der Himmel ausgerechnet in dem Moment, als sie von zu Hause aufbrach, seine Schleusen geöffnet hatte, um eine wahre Sintflut auf Youngsville herunterprasseln zu lassen. Nicht einmal die Markisen der Geschäfte hatten sie bei diesem Unwetter schützen können. Jetzt, zusätzlich zu der Tatsache, dass sie wie ein Clown angezogen war, war sie auch noch vollkommen nass und zerzaust.

Außerdem war ihr kalt, weil die Klimaanlage im Geschäft trotz des unfreundlichen Wetters auf höchste Stufe gestellt war. Doch obwohl ihr der kühle Luftstrom zusetzte, war, machte Jayne sich Mut. Schlimmer konnte ihre Lage ja wohl kaum werden.

Zu spät erkannte sie, wie sehr sie sich geirrt hatte. Denn statt wie üblich das Geschäft vor der Öffnungszeit leer vorzufinden – was ihr Zeit gegeben hätte, sich wenigstens ein bisschen wieder herzurichten, bevor jemand sie sah –, wimmelte es heute von Kollegen, die alle hier waren, weil es einer der beiden Tage im Jahr war, an dem die Mitarbeiter zu einem sehr günstigen Preis Schmuck kaufen konnten.

Oh doch, der Tag konnte auf jeden Fall noch unangenehmer werden. Denn nun würde sie gezwungen sein, in ihrem jetzigen Zustand sämtlichen Kollegen über den Weg zu laufen, weil keiner diesen Tag ungenutzt vorbeigehen ließe.

Das Gebäude von Colette Jewelry befand sich im Zentrum von Youngsville und hatte sieben Stockwerke. Der große Verkaufsraum nahm das gesamte Erdgeschoss ein, und die Firmenbüros füllten das übrige Gebäude aus. Die Einrichtung war überall luxuriös, nicht nur in der Chefetage. Die Wände waren in warmen Farbtönen gehalten und mit kostbaren Gemälden behängt. Orientteppiche mit lebhaften Farben und Mustern schmückten die Parkettböden, und elegante Skulpturen füllten jene Stellen, die nicht für die Schmuckvitrinen gebraucht wurden. Unter dem strahlenden Licht der Kronleuchter glitzerte alles – ganz besonders die exquisit geschliffenen Edelsteine.

Zusätzlich zu den Büros gab es im Gebäude ein Restaurant für die höheren Ränge in der Firma und eine Cafeteria für die übrigen Angestellten. Jayne war noch nie in dem Restaurant gewesen, sie verbrachte ihre Mittagspause meistens in der Cafeteria, die ebenfalls sehr elegant eingerichtet war, so wie jeder Raum im Gebäude.

Aber ihr Lieblingsort war die Lobby der Büros im ersten Stock, wo sie sich ein oder zwei Mal mit ihren Kolleginnen getroffen hatte. Denn in dieser Lobby befand sich das schönste Schmuckstück, das Jayne je gesehen hatte: eine einzelne Rose, die aus Rubinen, Diamanten und Smaragden gefertigt worden war. Jayne kannte die Geschichte dieses Schmuckstück nicht, sie wusste nur, dass es ein atemberaubendes Kunstwerk war, und wie alle, die hier arbeiteten, liebte sie schöne Dinge.

Das war noch einer der Gründe, warum sie sich hier heute Morgen so fehl am Platz vorkam, denn schön sah sie heute ganz bestimmt nicht aus. Ihre Kollegen schienen derselben Meinung zu sein, denn sie warfen ihr verstohlene Blicke zu und hatte Mühe, ein Kichern zu unterdrücken.

Zu ihrer Erleichterung entdeckte Jayne vor einer der Vitrinen drei Frauen, die sie gut kannte. Genau wie sie wohnten sie in Amber Court 20. Alle drei waren offensichtlich pünktlich bei der Arbeit erschienen, denn keine von ihnen ähnelte in irgendeiner Weise einer ertrunkenen Ratte. Im Gegenteil, was ihre Kleidung anging, so war sie durchaus akzeptabel und vor allem trocken.

Lila Maxwell wohnte im zweiten Stock von Amber Court 20 und arbeitete im dritten Stock von Colette Jewelry. Sie war die Assistentin von Nicholas Camden, einem der Vizepräsidenten der Firma, der für den Überseemarkt verantwortlich war. Lila war heute wie auch sonst immer gekleidet – wie eine beruflich sehr erfolgreiche Frau. Ihr langes dunkelblondes Haar schimmerte wie Bronze und betonte ihre dunkelbraunen Augen, deren Ton an Zartbitterschokolade erinnerte. Ihr graues Kostüm war so geschnitten, dass es in eleganter Weise ihre aufregenden Kurven betonte.

Sie plauderte leise mit den anderen beiden Nachbarinnen und Kolleginnen: Meredith Blair, die Schmuckdesignerin war, und Sylvie Bennett, die als Marketing-Leiterin für die Firma arbeitete. Meredith war wie immer auf ihre übliche, nichtssagende Art gekleidet. Ihr langer beigefarbener Rock und der formlose helle Sweater taten nichts, um ihre sehr weibliche Figur oder ihr bemerkenswertes Gesicht zu unterstreichen. Ihr langes, lockiges rotbraunes Haar hatte sie streng aus dem Gesicht genommen und mit einer unvorteilhaften Spange zusammengesteckt.

Obwohl sie sie erst seit einem Monat kannte, hatte Jayne bereits erkannt, dass Meredith nicht das geringste Selbstvertrauen besaß und alles tat, um im Hintergrund zu bleiben. Aber sehr lange würde sie das nicht mehr machen können, denn Meredith entwarf den schönsten Schmuck, den man sich denken konnte. Sie würde es noch sehr weit bringen im Schmuckgeschäft. Die Leute würden anfangen, sie zu beachten. Und was würde Meredith dann tun?

Dafür war Sylvie das genaue Gegenteil, lebhaft, und energisch und voller Intensität. Sie trug einen dunkelroten Hosenanzug, der ihre schwarzen Locken hervorhob, und strahlte wie immer eine unbändige Energie aus.

Jayne versuchte, so lautlos und unauffällig wie möglich weiterzugehen, kam aber natürlich nicht umhin, ihre drei Kolleginnen zu begrüßen.

„Guten Morgen“, sagte sie mit leicht zittriger Stimme, weil ihr so kalt war. „Ein schöner Morgen heute, nicht?“

Die drei Frauen drehten sich zu ihr um und öffneten den Mund, um zu antworten. Aber Jaynes Aufzug ließ sie nach Luft schnappen, und sekundenlang brachten sie kein Wort heraus. Dann legten sie fast gleichzeitig los.

„Jayne, wenn ich gewusst hätte, dass du heute zu Fuß gehst, hätte ich dich im Auto mitgenommen“, sagte Sylvie.

„Ich kam auch erst im letzten Moment an, bevor das Unwetter losbrach“, erklärte Meredith.

„Du hättest doch mit mir den Bus nehmen können“, meinte Lila.

Jayne lächelte schief. „Ich habe verschlafen, also hätte ich den Bus sowieso nicht mehr erwischen können“, erwiderte sie. „Danke für dein Angebot, Sylvie, aber dich hätte ich sicher auch verpasst. Außerdem nieselte es nur ein bisschen, als ich von zu Hause wegging. Ich dachte, die Balkons und Markisen würden mich vor dem Regen schützen. Aber ich hätte es natürlich besser wissen sollen. Heute ist wirklich nicht mein Glückstag – ich spüre es in den Knochen.“

Unwillkürlich berührte sie die Brosche, die sie heute trug. „Ich habe vorher aber noch Rose getroffen, und sie bestand darauf, mir diese Brosche anzustecken.“ Sie lächelte, als ihre Freundinnen sich vorbeugten, um sich das Schmuckstück anzusehen. „Rose meint, die Brosche würde mir Glück bringen, aber ich glaube, nichts kann diesen Tag noch retten. Von jetzt an kann es nur noch schlimmer werden. Glaubt mir.“ Jayne biss sich auf die Unterlippe. Hoffentlich hatte sie sich jetzt nicht noch mehr Pech an den Hals gewünscht. Das Schicksal forderte man besser nicht heraus.

Auf ihre Worte hin erntete sie von allen drei Freundinnen einen sehr seltsamen Blick.

„Was ist los?“, fragte Jayne aufgeregt.

„Es ist nur ein Gerücht“, erwiderte Lila schnell.

Das klang ganz und gar nicht gut. „Was ist nur ein Gerücht?“, fragte Jayne, Böses ahnend.

Diesmal antwortete Sylvie. „Es geht um Colette. Aber es ist wirklich nur ein Gerücht.“

„Ja, aber was ist nur ein Gerücht, verflixt noch mal?“ Jayne explodierte fast. „Was ist geschehen? Warum seht ihr so aus, als ob das Ende der Welt bevorstünde?“

„Es geht um die Übernahme der Firma“, sagte Meredith leise.

„Übernahme?“, wiederholte Jayne ungläubig.

Meredith nickte. „Es heißt, dass jemand – und keiner scheint zu wissen, wer – Anteile von Colette Jewelry aufkauft, um die Kontrolle über die Firma zu gewinnen.“

„Aber das hat doch keine Auswirkungen auf uns, oder?“, fragte Jayne hoffnungsvoll – und wahrscheinlich ganz schön naiv, wie sie sich eingestand.

„Nein, nur auf unsere Jobs“, sagte Sylvie trocken. „Bei Übernahmen dieser Art werden die Firmen oft gesundgeschrumpft, was nichts anderes als Entlassungen bedeutet. Aber abgesehen davon …“

„Aber … aber …“ Vor Aufregung geriet Jayne ins Stottern.

„Sieh mal, es gibt keinen Grund, in Panik zu geraten“, sagte Lila beruhigend. „Es ist nur ein Gerücht.“

Jayne war vollkommen unwissend, wenn es um solche Dinge ging. Obwohl sie ihre Arbeit als Verkäuferin sehr mochte, interessierte das Management der Firma sie nicht besonders. Sie wusste über Colette Jewelry nur, was allgemein in Youngsville bekannt war, was sie von ihren Kollegen gehört und was sie in ihrer einmonatigen Ausbildung gelernt hatte. Abraham Colette, dessen Familie seit Generationen in Paris im Schmuckgeschäft war, war 1902 aus Frankreich nach Youngsville gekommen, um sich sein eigenes Imperium aufzubauen. Er hatte ein Mädchen aus der Gegend geheiratet, das Teresa hieß, seine Firma eröffnet, die bald für vorzüglichen, sehr stilvollen Schmuck berühmt werden sollte.

Selbst während der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts florierte die Firma, dank der Klugheit Carl Colettes, des Sohnes von Abraham und Teresa. Und so war Colette im Lauf der Jahre landesweit und sogar weltweit bekannt geworden für den einzigartigen Schmuck, der nur von den besten Designern und Goldschmieden geschaffen wurde.

„Was wird geschehen?“, fragte Jayne. „Ich darf diesen Job nicht verlieren. Ich hatte unglaubliches Glück, dass ich ihn überhaupt gefunden habe, und dass auch nur, weil Rose ein gutes Wort für mich eingelegt hat. Ich habe nichts anderes gelernt und würde unmöglich etwas finden, wo ich so viel verdiene wie hier. Ich brauche meine Provisionen.“ Sie schluckte, um ihre aufsteigende Angst zu unterdrücken. „Ich muss einen Bruder und eine Schwester durchs College bringen.“

„Jetzt beruhigt euch erst mal“, sagte Lila. „Es ist nichts als ein Gerücht, okay? Kein Grund, durchzudrehen. Wahrscheinlich ist alles in Ordnung.“ Sie sah auf die Uhr. „Das Geschäft öffnet in einer halben Stunde, Jayne, und hier sind eine Menge Kollegen, die Einkäufe machen wollen. Du und deine Kollegin Amy, ihr solltet euch besser beeilen, wenn ihr heute pünktlich öffnen wollt.“

„Stimmt“, sagte Jayne und holte tief Luft. „Stimmt“, wiederholte sie und straffte die Schultern. Arbeit war genau, was sie jetzt nötig hatte. So würde sie wenigstens von ihren trüben Gedanken abgelenkt werden.

Es kann unmöglich schlimmer kommen, versicherte sie sich erneut.

Als der Nachmittag schon halb vorbei war, war Erik schon nicht mehr so optimistisch, was seine Heiratsaussichten anging. Zum einen hatte das düstere Wetter seine Laune gedämpft, aber noch viel mehr als das entmutigte ihn die Tatsache, dass von den drei Frauen, denen er bis jetzt die Ehe angetragen hatte, keine einzige seinen Antrag angenommen hatte. Wenn das kein schlechtes Omen war!

Als Erste hatte er Marianne, die beste Freundin seiner Schwester Celeste, gefragt, die einige Tage bei ihnen zu Besuch war, bevor sie wieder zu ihrem College zurückkehren würde. Er kannte sie seit Jahren und mochte sie auch ganz gern, obwohl er sie eigentlich nicht gut kannte. Dennoch hatte er damit gerechnet, dass sie sich für seinen Heiratsantrag erwärmen würde, auch wenn es nur eine Ehe auf Zeit wäre, denn Celeste hatte ihm einmal anvertraut, dass Marianne wahnsinnig verliebt in ihn sei.

Na schön, diese Enthüllung hatte vor einer ganzen Weile stattgefunden. Vielleicht waren inzwischen sogar zehn Jahre vergangen und Marianne war damals erst elf gewesen, aber das war schließlich nebensächlich. Er war trotzdem überrascht gewesen, dass sie ihn abwies, weil sie beabsichtige, ihr Studium fortzusetzen, wie sie erklärt hatte.

Na, wenn schon, hatte Erik sich gesagt. Auf zu neuen Ufern. Kandidatin Nummer zwei war Diana, die Tochter von Mrs Martin, der Haushälterin der Randolphs. Auch Diana kannte er seit Jahren, da Mr und Mrs Martin seit Ewigkeiten für seine Eltern arbeiteten. Aber aus irgendwelchen Gründen hatte Diana seinen Antrag nicht ernst genommen und einfach nur gekichert, als er ihr seinen Vorschlag unterbreitete. Und sie hatte nicht aufgehört zu kichern, sosehr er auch beteuert hatte, dass es sich keineswegs um einen Scherz handelte. Schließlich hatte sie sich die Lachtränen abgewischt und ihn abgewiesen, nicht ohne ihm zu danken, und war wieder an ihre Arbeit gegangen. Er hatte sie noch immer kichern hören, als sie sie den Flur hinuntergegangen war.

Den dritten Korb hatte er gerade vor ein paar Minuten erhalten, und zwar von der Kellnerin in einem Restaurant in der Marion Street. Obwohl besagte Kellnerin seinen Antrag nicht auf die leichte Schulter genommen hatte wie die anderen beiden Frauen, hatte sie ihn ebenfalls abgewiesen, da sie bereits vergeben sei. Sie fühle sich verpflichtet, hatte sie ihm mitgeteilt, ihren Verlobten, wie versprochen, im nächsten Monat zu heiraten.

Trotzdem klammerte Erik sich verbissen weiterhin an seine Überzeugung, noch heute eine Frau zu finden. Er war sich dessen sogar so sicher, dass er einen seiner schicksten Anzüge und eine dazu passende, sündhaft teure Designerkrawatte trug, um einen denkbar guten Eindruck zu machen. Jetzt machte er sich auf den Weg zu Colette Jewelry, im festen Glauben daran, dass er sein Ziel erreichen würde. Eine Frau zu finden, mit der er ein Jahr lang eine akzeptable Ehe führen konnte, musste doch ein Kinderspiel sein.

Der Gedanke ließ ihn lächeln, und Erik öffnete voller Optimismus die Tür des Juwelierladens und trat ein. Er war im Lauf der Jahre natürlich schon viele Male hier gewesen, um kleine Geschenke für seine jeweiligen Freundinnen zu kaufen. Aber anstatt sich wie sonst nach links zu wenden, wo es spezielle Einzelstücke zu bewundern gab, ging er heute nach rechts zur Abteilung für Verlobungs- und Eheringe. Auf seinem Weg dorthin hörte er zwei Frauen miteinander reden, die gerade dabei waren, eine Vitrine neu zu dekorieren.

Die beiden Verkäuferinnen waren über die Vitrine gebeugt und nahmen ihn nicht sofort wahr. So vertieft waren sie in ihr Gespräch, dass sie ihn nicht einmal bemerkten, als er fast vor ihnen stand. Er wollte sich gerade räuspern, um seine Gegenwart zu erkennen zu geben, als die Bemerkung einer der Frauen ihn innehalten ließ.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn die Übernahme wirklich stattfinden sollte“, sagte die Frau mit dem roten Haar. „Wenn Colette von einer anderen Firma übernommen wird, könnte ich ohne Job dastehen, und dann kann ich unmöglich Charlies und Chloes Collegegebühren bezahlen.“

Ihre brünette Kollegin nickte. „Sicher, Jayne, aber es ist ja nur ein Gerücht. Mach dir doch noch keine Sorgen.“

„Ich kann nicht anders, Amy“, erwiderte die Frau namens Jayne nüchtern. „Was wird aus Charlie und Chloe, wenn ich diesen Job verliere? Ich komme jetzt schon nur mit Ach und Krach zurecht.“

„Vielleicht solltest du bei der Sendung ‚Wer wird Millionär?‘ mitmachen. Oder noch besser, du gehst zu einer von diesen Shows, wo man einen Multimillionär heiraten kann.“

„Ja, genau.“ Jayne lachte. „Das würde wirklich alle meine Probleme lösen. Selbst wenn die Ehe nicht lange halten würde, wären mir wenigstens ein paar nette Abschiedsgeschenke sicher, stimmt’s?“

Erik stand da wie vom Blitz getroffen, als er ihre Bemerkung und ihr Lachen hörte. Man hätte meinen können, dass ihre Worte an ihn persönlich gerichtet waren, und ihr Lachen klang so musikalisch, dass es ihn sofort bezauberte. Wer immer diese Frau war, sie hatte ein wunderschönes Lachen, das ihn anrührte und bei dem ihm warm wurde ums Herz.

Ein wirklich sehr interessantes Gefühl.

Als sie nun aufsah und ihn entdeckte, stellte er fest, dass sie außerdem wirklich zauberhaft errötete. Für einen so düsteren Tag gewannen die Dinge plötzlich einen ganz eigenen Glanz.

„Hallo“, sagte der Rotschopf leise. „Kann ich Ihnen helfen?“

Und ob, dachte Erik und lächelte.

Was habe ich noch mal für unerlässlich gehalten bei meiner Frau? fragte er sich, während er Jayne betrachtete. Ach, ja. Zuallererst muss sie schön sein.

Er betrachtete die Verkäuferin von oben bis unten und machte eine kurze Bestandsaufnahme. Große Augen, helle Haut, blasse Sommersprossen und, was die Farbzusammenstellung betraf, eine ziemlich ungewöhnliche Kleidung, die sogar ein wenig feucht zu sein schien. Diese leicht zerzaust wirkende Frau war schon irgendwie ganz süß.

„Nun, Miss …“, fing er an und ließ eine vielsagende Pause folgen.

„Pembroke“, sagte sie prompt. Dann stellte sie ihre schicksalsschwere Frage noch einmal. „Kann ich Ihnen helfen?“

Eriks Lächeln verblasste ein wenig, als ihm einfiel, dass er sich seine Frau blond vorgestellt hatte und mit braunen Augen. Er betrachtete wieder das rote Haar und sagte sich, dass rotblond seinem Ideal nah genug kam. Und obwohl ihre Augen von einem unverkennbaren Veilchenblau waren, hatte er doch niemals gesagt, dass die Augen unbedingt braun sein müssten, oder? Nein, bestimmt nicht. Er hatte nur gedacht, es wäre ganz nett, mehr nicht. Niemand sollte behaupten können, dass er, Erik Randolph, zu keinem Kompromiss fähig sei. Veilchenblau ging in Ordnung.

„Sie können mir tatsächlich helfen“, sagte er. „Ich suche etwas ganz Besonderes.“

Sie lächelte ihn an, und er fand ihr Lächeln wirklich sehr reizend. Das würde im kommenden Jahr sehr von Vorteil sein.

„Dann sind Sie am rechten Ort“, erwiderte sie.

„Oh, das bezweifle ich keinen Augenblick“, versicherte er. Ihre schlagfertige Antwort beruhigte ihn, was seine Anforderungen an Intelligenz und Ausdrucksfähigkeit anging.

Aber er hatte sich außerdem gewünscht, dass die zukünftige Mrs Randolph sich in Sachen Mode gut auskannte. Doch nachdem er das Outfit dieser Frau noch einmal – wenn auch widerwillig – begutachtet hatte, musste er zugeben, dass es hierfür keine Entschuldigung gab.

Es sei denn, natürlich, sie war ihm in Modefragen weit voraus. Was nicht wahrscheinlich, aber doch immerhin möglich war. Wer konnte schon sagen, ob in einem Monat nicht alle Frauen in Youngsville Orange und Erdbeerrot zusammen mit grünen Accessoires tragen würden? Schließlich waren Hosen mit Schlag und Fransen auch wieder in, nicht wahr?

Systematisch ging Erik den Rest seiner Liste durch. Ein sanftes, ausgeglichenes Wesen konnte er bei dieser Frau mit Sicherheit voraussetzen, denn sonst hätte man sie bei Colette bestimmt nicht eingestellt. Aber sie sollte auch ihre eigene Meinung vertreten können. Noch ein Blick auf ihre Garderobe genügte, um ihn in dieser Hinsicht zu beruhigen. Was die Umgangsformen bei gesellschaftlichen Anlässen anging, konnte er ja mit ihr zusammen üben. Und für die Liebe zu den schönen Künsten würde ein gutes Buch sorgen.

Nobody is perfect, sagte er sich. Doch da sie ein Jahr zusammen verbringen würden, könnten sie sich mit Jaynes Ausbildung ja die Zeit vertreiben. Miss Pembroke schien die meisten Punkte auf seiner Liste zu erfüllen. Erik fand, dass sie genau die Frau war, die er brauchte. Sie hatte gerade eben selbst gesagt, dass die Ehe mit einem reichen Mann, selbst wenn sie nicht halten sollte, alle ihre Probleme lösen würde. Und wenn sie ihn heiratete, wären auch seine Probleme alle gelöst. Er brauchte eine Frau – sie brauchte Geld. Ihre Begegnung an diesem Tag war eindeutig Schicksal. Der Himmel hatte sein Flehen erhört und ihm diese Frau geschickt. Was wollte er mehr?

Er lächelte erneut. Sie waren füreinander geschaffen. Jetzt musste er nur noch Jayne davon überzeugen.

„Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten“, sagte sie, da er immer noch schwieg. „Es war nicht unsere Absicht, Sie zu ignorieren. Wir haben Sie nur nicht hereinkommen hören.“

„Oh, das macht doch nichts“, erwiderte er schnell. „Tatsächlich fand ich Ihr Gespräch sehr interessant.“

Jayne sah ihn besorgt an. „Sie meinen, das mit der Übernahme? Oh, das war alles gar nicht so gemeint.“

„Ja“, stimmte ihre Kollegin ein. „Das haben wir uns nur so ausgedacht.“

Jayne nickte. „Wer würde Colette schon übernehmen können, nicht wahr? Es wäre undenkbar.“

„Die Übernahme ist mir völlig egal“, stellte Erik freundlich, aber entschieden klar. „Das war gar nicht der Teil Ihrer Unterhaltung, den ich interessant fand.“

Die beiden Frauen wechselten einen verstohlenen Blick, und Jayne sagte nur: „Oh.“

Er wandte sich kurz an ihre brünette Kollegin. „Macht es Ihnen etwas aus, uns allein zu lassen?“, sagte er höflich. „Ich glaube, Miss …“

„Pembroke“, wiederholte Jayne.

„Miss Pembroke“, fuhr er fort, „kann sich jetzt um mich kümmern.“

Miss Pembrokes Kollegin war sichtlich verblüfft, ging jedoch sofort zu einer anderen Vitrine hinüber.

Er wandte sich wieder an seine Wunschkandidatin. Miss Pembroke, wiederholte er in Gedanken, um es nicht zu vergessen. Es gehörte sich wirklich nicht, den Namen seiner Verlobten zu vergessen. Er schenkte ihr sein entwaffnendstes Lächeln. „Nein, es war nicht der Teil über eine eventuelle Übernahme, der mich interessierte“, betonte er. „Sondern Ihre Bemerkung, dass Sie einen Multimillionär heiraten wollen.“

Sie verzog keine Miene, nur ihre Augenbrauen hoben sich kaum merklich.

Er wagte sich weiter vor und erklärte gleichmütig: „Denn, sehen Sie, ich bin zufällig selbst Multimillionär.“

„Oh“, sagte sie wieder nur, und wieder verriet ihr Gesichtsausdruck nicht, was sie dachte.

Er nahm das als gutes Zeichen. Andererseits nahm er eigentlich alle Zeichen als gute Zeichen, wenn es sich nicht gerade um Naturkatastrophen handelte. So war er nun einmal.

„Oder zumindest werde ich Multimillionär sein“, erklärte er liebenswürdig. „Sobald ich verheiratet bin, meine ich.“

An diesem Punkt hellte Jayne Pembrokes Miene sich auf. Sie wirkte jetzt eindeutig erleichtert. Vielleicht würde das Ganze leichter werden, als er gedacht hatte.

„Sie sind also gekommen, um einen Verlobungsring für Ihre Zukünftige zu kaufen“, fragte sie lächelnd.

„Ja“, bestätigte er zufrieden. „Genau das – einen Verlobungsring. Und wenn wir heiraten, wird sie noch einen weiteren Ring erwarten, nicht wahr? Im Grunde sind es also zwei Ringe: einen für die Verlobung und einen für die Hochzeit. Und das wäre“, fügte er hinzu, „wenn man es sich recht betrachtet, ein verdammt nettes Geschenk, denn immerhin wird sie ja nur für ein Jahr meine Frau sein.“

Jetzt verschwand Jaynes Lächeln wieder, und sie runzelte die Stirn. „Nur für ein Jahr?“, wiederholte sie und klang ein wenig enttäuscht.

„Na ja, Sie können doch nicht von mir verlangen, länger als ein Jahr verheiratet zu bleiben, oder?“, gab Erik zurück, ohne zu berücksichtigen, dass sie ja nichts von dem Testament seines Großvaters ahnen konnte, und unterdrückte einen Anflug von Ärger. Also, wirklich, dachte er. Sie waren noch nicht mal verheiratet, und schon fand sie etwas an ihm auszusetzen. „Schließlich habe ich noch andere Verpflichtungen.“

Jayne wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus.

„Aber meine Frau braucht sich keine Sorgen zu machen“, stellte Erik fest und drehte seinen Charme wieder auf. „Denn es versteht sich natürlich von selbst, dass ihr, sobald wir wieder jeder unserer Wege gehen, bestimmt ein paar nette Abschiedsgeschenke sicher sind.“ Er grinste vielsagend.

Diesmal sah Jayne ihn an, als ob er aus einer Irrenanstalt ausgebrochen sei. Gehe ich die Sache doch nicht so geschickt an? überlegte er. Hatte er sich doch nicht so deutlich ausgedrückt, wie er glaubte?

Um sicherzugehen, richtete Erik sich zu seinen vollen ein Meter fünfundachtzig auf, warf den Kopf auf eine Weise zurück, die viele Frauen schon als jungenhaft-charmant bezeichnet hatten, strich sich das dunkle Haar aus der Stirn und setzte sein liebenswürdigstes Lächeln auf. „Was ich zu sagen versuche, Miss Pembroke“, fuhr er im verführerischem Tonfall fort, „ist Folgendes: Wollen Sie mich heiraten?“

3. KAPITEL

Jayne betrachtete vorsichtig den Mann ihr gegenüber und war volle fünfzehn Sekunden kurz davor, den Fuß auf den Alarmknopf zu setzen, der sich genau hinter der Vitrine befand. Allerdings sah ihr Gegenüber nicht wie ein durchgedrehter Mörder aus. Im Gegenteil. Mit seinem wild zerzausten, dunklen Haar und den freundlichen schokoladenbraunen Augen hatte er durchaus etwas sehr Anziehendes an sich. Aber heutzutage konnte man ja nie wissen. Doch wie es so ihre Art war, wollte sie ihm noch eine Chance geben. Außerdem wollte sie ganz langsam sprechen und keine abrupten Bewegungen machen.

„So, so“, sagte sie. „Das ist … äh …“ Sie räusperte sich und versuchte es noch einmal. „Es ist wirklich sehr nett von Ihnen, mich das zu fragen, Mr …“

Mr Durchgeknallt mit Fragezeichen schloss in scheinbar ehrlicher Verlegenheit kurz die Augen, presste die Finger gegen die Stirn und wirkte ziemlich ratlos.

„Entschuldigen Sie bitte“, sagte er. „Ich kann mir denken, was Sie von mir halten müssen. Ihnen einfach einen Antrag zu machen, wenn ich mich Ihnen noch nicht einmal vorgestellt habe.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. „Ich bin Erik Randolph.“

Oh, das erklärt natürlich vieles, dachte Jayne. Da sie in Youngsville aufgewachsen war, wusste sie alles über die Randolphs. Sie waren sozusagen die hiesige Königsfamilie. Vor allem sie lieferten Stoff für die Gesellschaftskolumne der „Youngsville Gazette“. Die Randolphs waren angeblich eine der reichsten Familien im Staate Indiana, und es hieß, sie seien auch die exzentrischste. Wenn Erik ein typisches Beispiel für das Verhalten seiner Familie bot, dann war besagte Exzentrizität kein Gerücht.

Allerdings hieß es, dass die Randolphs harmlos waren. Tatsächlich waren sie nicht nur reiche, sondern großzügige Menschen und in mehreren Bundesstaaten für ihr ausgeprägtes soziales Engagement und als Sponsoren diverser wohltätiger Einrichtungen bekannt. Aber noch nie hatte sie davon gehört, dass einer der Randolphs geistig verwirrt sei, was jetzt natürlich eine Erleichterung für sie war.

Trotzdem gab sie Erik Randolph nur zögernd die Hand. Als seine Finger ihre fest umschlossen, lächelte er, und sie entspannte sich.

„Mr Randolph“, sagte Jayne und war froh, dass sie den Alarmknopf nicht betätigt hatte. „Es freut mich, Sie kennenzulernen“, fügte sie hinzu, da ihr nichts anderes einfallen wollte. Immerhin konnte sie seinen Antrag ja nicht gut annehmen. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört.“

Er nickte freundlich, als ob es ihn überhaupt nicht überraschte, das zu hören. „Nur Gutes, hoffe ich.“

„Oh, natürlich“, versicherte sie. „Nach allem, was man so hört, sind Sie sehr reizend.“ Und auch ein ganz schön seltsamer Vogel, setzte sie innerlich hinzu.

„Nun, dann sind Sie mir gegenüber im Vorteil“, erwiderte er, immer noch lächelnd, „weil ich leider nur sehr wenig über Sie weiß. Abgesehen davon, dass Sie auch sehr reizend zu sein scheinen und dass Sie einen reichen Ehemann brauchen. Was“, fügte er hastig hinzu, bevor sie Zeit hatte, ihm zu widersprechen, „ganz wunderbar passt, weil ich nicht nur reich bin, sondern auch eine Frau brauche.“

Oje, dachte Jayne. Jetzt geht das schon wieder los. „Nun, ich wünsche Ihnen Glück bei Ihrer Suche“, antwortete sie diplomatisch, „und helfe Ihnen gern bei der Auswahl des Ringes, den Sie Ihrer Verlobten schenken wollen. Aber ich kann auf keinen Fall Ihren Antrag annehmen.“ Sie lächelte auf freundliche und, wie sie hoffte, in keinem Fall mörderische Instinkte herausfordernde Art. „Selbst wenn ich von Ihnen gehört habe, kenne ich Sie schließlich nicht persönlich. Also kann ich unmöglich annehmen. Nicht, dass ich nicht geschmeichelt bin“, fügte sie vorsichtshalber noch hinzu. „Nun zu dem Ring“, fuhr sie hastig fort. „Persönlich finde ich die Diamantringe hier sehr schön, besonders die in Weißgold gefassten …“

Aber Erik Randolph ließ sich nicht so leicht entmutigen. „Nein, nein, nein“, unterbrach er sie sanft. „Sie verstehen nicht. Es ist nicht nötig, dass meine Frau mich näher kennt.“

Jayne hob verblüfft die Augenbrauen. Exzentrisch war nicht das passende Wort für Erik Randolph. Nein, sie fing allmählich an zu glauben, dass der Begriff „größenwahnsinnig“ ihn sehr viel besser beschrieb. „Ach nein?“

„Unsere Ehe wird nur auf dem Papier Gültigkeit haben“, erklärte er. „Sicher, wir werden zusammenleben müssen, um die Bedingung des Testaments zu erfüllen, aber das wird kein Problem sein.“

Sie fragte sich, warum sie sich immer noch mit ihm unterhielt, als ob er normal wäre, entgegnete aber trotzdem: „Nein, das wäre es nicht?“

„Natürlich nicht.“

Was sollte man darauf antworten? Jayne beeilte sich, das Thema zu wechseln. „Nun, ich bin sicher, Sie werden bald die richtige Frau finden. So, hier haben wir eine sehr hübsche Auswahl einzeln gefasster Steine, die Sie vielleicht …“

Doch bevor sie seine Aufmerksamkeit auf die Vitrine vor ihnen lenken konnte, unterbrach Erik sie erneut. „Oh, ich glaube, ich habe die richtige Frau schon gefunden.“

Nun, das glaubte sie aber ganz und gar nicht. Sie sah zu ihm hoch – wirklich, er hatte die wundervollsten braunen Augen, die so dunkel waren, dass man gar nicht genau sagen konnte, wo die Iris aufhörte und die Pupillen begannen und …

Worüber hatten sie gerade gesprochen? Richtig, jetzt fiel es ihr wieder ein. Er hatte sie gebeten, ihn zu heiraten, und sie wollte ihm erklären, warum das nicht ging.

„Wie ich schon sagte“, setzte sie erneut an, „ich fühle mich sehr geschmeichelt, dass Sie um mich anhalten, Mr Randolph, aber ich fürchte, ich kann Sie wirklich nicht heiraten, weil ich schon vor langer Zeit beschlossen habe, einen Mann zu nehmen, den ich – nun, wie soll ich es ausdrücken? – gut kenne. Außerdem finde ich, dass ich in ihn verliebt sein sollte. Aber trotzdem vielen Dank. Was also den Ring angeht für Ihre Verlobte, wer auch immer sie am Ende sein mag …“ Sie zeigte auf die Auswahl von Ringen vor ihnen, aber Erik betrachtete stattdessen immer noch sie, und zwar mit großem Interesse.

„Sie glauben nicht, dass ich es ernst meine, stimmt’s?“

Im Gegenteil, sie befürchtete, dass er es eben doch ernst meinte, und genau das war ja das Problem. Sie seufzte. „Können Sie mir daraus einen Vorwurf machen?“

„Nein, sicher nicht“, räumte er ein. „Wie oft kommen schon wildfremde Männer in dieses Geschäft herein und halten um Ihre Hand an, nicht wahr?“

„Glauben Sie mir, Sie sind der Erste.“

Er lächelte. „Nun, ich kann Ihnen versichern, Jayne Pembroke, dass ich es sogar sehr ernst meine. Ich möchte, dass Sie meine Frau werden.“

„Ein Blick, und Sie haben sich in mich verliebt, was?“, schlug sie spöttisch als logische Erklärung vor.

„Seien Sie nicht albern“, erwiderte er. „Ich kenne Sie doch gar nicht.“

Sie war sprachlos.

„Außerdem glaube ich nicht an Liebe auf den ersten Blick. Wie ich schon sagte, diese Ehe wird eine reine Formsache sein, mehr schlage ich nicht vor. Eine Vernunftehe, wenn Sie so wollen. Ich werde bald dreißig. Und mein Großvater, ein liebenswerter alter Herr, beschloss vor langer Zeit, dass ich verheiratet sein müsste, wenn ich dieses Alter erreiche. Tatsächlich erpresst er mich zu einer Heirat.“

„Können Sie es ihm nicht ausreden? Erklären Sie ihm doch einfach, dass Sie noch nicht heiraten wollen.“

„Nein, das geht nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil er tot ist.“

„Oh, das tut mir leid.“

Erik ehrlich bedrückt aus, als er darauf antwortete: „Mir auch. Aber, wie ich schon sagte, er war ein liebenswerter alter Herr, und ich bin sicher, er wollte nur das Beste für mich.“

„Und was hielt er für Ihr Bestes?“

„Die Liebe einer guten Frau“, erwiderte Erik.

„Oh.“ Jayne musste trotz der Absurdität des Ganzen lächeln. „Wie süß von ihm.“

„Und außerdem ein Drittel seines Vermögens von einhundertachtzig Millionen Dollar“, fügte Erik gelassen hinzu.

Erst allmählich wurde Jayne die Bedeutung seiner Worte klar, und sie schnappte unwillkürlich nach Luft. „Ein Drittel, das sind …“

„Sechzig Millionen.“ Erik nahm ihr die Rechnerei großzügigerweise ab.

„Mann“, brachte sie schließlich heraus. „Das ist ja wirklich allerhand.“

Erik nickte nur, als ob es nichts Ungewöhnliches wäre, dass einem ein liebenswerter Großvater ein Vermögen von sechzig Millionen vererbte. „Leider bestand Grandpa Randolph auf einer kleinen Bedingung – dass ich verheiratet sein müsste, wenn ich dreißig bin.“

„Und Sie werden bald dreißig.“

Er nickte wieder. „Sehr bald. In zwei Wochen, um genau zu sein.“

Jayne war fassungslos. „Schon in zwei Wochen?“, wiederholte sie.

Er nickte noch einmal.

„Sie rechnen damit, eine Frau zu finden, die Sie innerhalb von zwei Wochen heiratet?“

„Halten Sie das für undenkbar?“, fragte er und klang jetzt beunruhigt.

Jayne traute ihren Ohren nicht. Er schien wirklich zu glauben, dass er einfach so eine Frau dazu bringen könnte, ihn zu heiraten, nur weil er dadurch um sechzig Millionen reicher werden würde. Aber dann wurde ihr klar, dass es wahrscheinlich viele Frauen gab, die genau das tun würden. Ganz besonders, nachdem sie erst einmal einen Blick auf Erik Randolph geworfen hatten – auf seinen maßgeschneiderten dunklen Anzug, die hochgewachsene Gestalt, das weiche dunkelbraune Haar, die faszinierenden braunen Augen und den sinnlichen Mund, der zum Küssen wie geschaffen zu sein schien …

Nun, es genügte zu sagen, dass es sogar jede Menge Frauen gäbe, die seinen Antrag mit Kusshand annehmen würden. Aber sie, Jayne Pembroke, gehörte nicht zu ihnen.

„Hören Sie“, begann sie und suchte nach einer höflichen Art, ihm mitzuteilen, dass er durchgedreht sein musste. „Ich fühle mich wirklich geschmeichelt“, betonte sie zum x-ten Mal, „und ich wünsche Ihnen Glück bei Ihrer Suche, aber ich bin nicht die Frau, die Sie brauchen.“

Er sagte einen Moment gar nichts. Dann fragte er: „Würden Sie wenigstens heute Abend mit mir essen gehen?“

Jayne schüttelte den Kopf. „Bedaure, das geht leider nicht. Trotzdem vielen Dank.“ Es war ihr überraschend schwergefallen, ihn abzuweisen.

„Ach, bitte. Auf diese Weise könnte ich Ihnen alles besser erklären, und Sie ändern vielleicht Ihre Meinung. Außerdem können Sie mich dabei besser kennenlernen.“

Sie konnte nicht anders, sie musste sein aufregendes Lächeln erwidern. „Nein, wirklich“, beteuerte sie, obwohl sie kurz davor war, nachzugeben, was Erik offenbar auch merkte, denn sein Lächeln vertiefte sich.

„Und wenn Sie mich erst besser kennenlernen“, fügte er hinzu, „werden Sie feststellen, wie charmant und unwiderstehlich ich sein kann – ganz davon zu schweigen, was für eine großartige Partie ich bin.“

Jayne ertappte sich doch tatsächlich bei dem Wunsch, Ja zu sagen – natürlich nicht zu seinem Antrag, das wäre zu albern, sondern zu seiner Einladung. Er war ja auch wirklich charmant und unwiderstehlich, und er kam ihr von Minute zu Minute immer weniger wie ein irrer Mörder vor. Das sprach zu seinen Gunsten.

„Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee wäre“, sagte sie halbherzig. Sie redete sich ein, ihm die bittere Pille ihrer Abweisung versüßen zu wollen, aber in Wirklichkeit versuchte sie nur, Zeit zu gewinnen. Denn ihr wurde klar, dass sie seine Einladung sogar sehr gern annehmen würde. Was für eine Überraschung, dachte sie ironisch.

Erik drängte weiter. „Wenn Sie sich Sorgen wegen meiner Absichten machen, brauchen Sie mir nicht zu sagen, wo Sie wohnen. Wir können uns irgendwo treffen.“

„Ach, ich weiß nicht …“

„Und ich lasse Sie auch das Restaurant aussuchen.“

„Es ist nur so, dass …“

„Bitte, Jayne“, unterbrach er sie. „Sie sind womöglich meine einzige Chance. Wenn ich Ihnen die Situation erst einmal erklärt habe, ändern Sie vielleicht Ihre Einstellung.“

Sie wusste nicht, ob sie den ersten Teil seiner Rede als Kompliment nehmen sollte, aber der zweite Teil war auf jeden Fall absolut unmöglich. Doch was würde schon geschehen, wenn sie mit ihm zum Essen ausging? Sie hatte sowieso nichts anderes vor. Abgesehen von großer Wäsche, wie ihr gerade einfiel.

Jetzt sah Eriks Vorschlag sogar noch verlockender aus.

Sie überlegte weiter. Er überließ ihr jede Entscheidung, damit sie sich sicher fühlen konnte. Dass er den Ruf eines Exzentrikers hatte, war noch lange kein Grund, ihn abzuweisen, oder? Wenn irgendein anderer netter, unwiderstehlicher Mann sie zum Essen eingeladen hätte, hätte sie höchstwahrscheinlich sofort Ja gesagt.

Und dieser Mann war nun wirklich unglaublich anziehend.

„Ich habe eine Idee“, sagte Erik, als Jayne immer noch nicht antwortete. „Kennen Sie ‚J. J.’s Deli‘ am anderen Ende dieser Straße?“ Er meinte den Delikatessenladen, zu dem ein kleines Restaurant gehörte. „Wann hören Sie auf zu arbeiten?“

„Um fünf“, antwortete Jayne automatisch.

Er lächelte. „Schön. Ich werde heute Abend um sieben Uhr bei J. J. sein. Wenn Sie sich entschließen sollten zu kommen, wäre das wundervoll. Wenn nicht …“

Er unterbrach sich, und sie war überrascht über den Grad der Enttäuschung in seiner Stimme. „Wenn nicht“, wiederholte er und seufzte, „werde ich es wohl irgendwie überleben.“

Sie schwieg.

„Aber ich glaube, Jayne, dass wir eine schöne Zeit zusammen hätten, wenn Sie kommen würden, und eine sehr interessante Unterhaltung. Heute Abend, sieben Uhr“, sagte er noch einmal eindringlich. „Bei J. J. Ich hoffe, Sie kommen.“

Damit drehte Erik Randolph, der exzentrische, unwiderstehliche Mann und künftige Multimillionär sich um und verließ Colette Jewelry, ohne noch einen Blick über die Schulter zu werfen.

Und Jayne konnte nur den Kopf schütteln und sich verblüfft fragen, was in aller Welt gerade geschehen war.

Nachdem sie am Abend um halb sechs zu Hause angekommen war, und natürlich sofort über Mojo stolperte, weil der verflixte Kater auf der Lauer gelegen hatte, um sie zu Fall zu bringen, sah sie das Blinken des Anrufbeantworters, der ihr mitteilte, dass sie zwei Anrufe erhalten hatte. Jayne spürte, dass ihre Pechsträhne noch nicht ganz vorüber war.

Die erste Nachricht gab ihr recht. Sie war kurz und bündig. „Jayne, ruf mich an, denn wir müssen etwas besprechen.“ Das klang ziemlich Unheil verkündend, wahrscheinlich vor allem deswegen, weil es von ihrem Anlageberater kam.

Sie ließ die zweite Nachricht warten und rief sofort bei dem Mann an.

Als sie wieder auflegte, hatte sie erfahren, dass eine der „todsicheren“ Investitionen, zu der man sie ermutigt hatte, doch nicht so sicher gewesen sei, dass sie sich aber keine Sorgen zu machen brauche, da sie nicht gar so viel Geld verloren habe, und dass sie ihre Verluste in ganz kurzer Zeit – in etwa vier bis fünf Jahren – wieder wettmachen könne. Bis dahin würden ihre Finanzen aber nicht ganz so rosig aussähen.

Als sie sich erkundigt hatte, was „nicht ganz so rosig“ unter den Umständen zu bedeuten habe, hatte sie erfahren, dass sie bis zum Jahr 2003 oder 2004 nicht in der Lage sein würde, die Studiengebühren für ihre Geschwister zu bezahlen.

Das war allerdings ein Problem. Die Gebühren für das laufende Semester hatte sie zum Glück bereits im letzten Monat bezahlt, aber was würde im Frühling geschehen? Wie sollte sie Charlie und Chloe sagen, dass sie schon nach ihrem ersten Semester das College würden abbrechen müssen? Jayne erinnerte sich noch an ihre freudestrahlenden Gesichter, als sie sich vor kaum einer Woche auf dem Campus der Universität von Indiana verabschiedet hatten. Die Zwillinge waren so aufgeregt gewesen, und gemeinsam hatten sie Zukunftspläne geschmiedet. Sie würde alles tun, um ihnen diese Freude zu erhalten und ihnen ihren Traum zu erfüllen. Nun, nicht alles, aber fast alles.

Jayne seufzte und überlegte bedrückt, was sie machen sollte. Sie war fest entschlossen, etwas zu unternehmen. Auf keinen Fall sollten Charlie und Chloe vom College abgehen müssen. Sie würde alles in Ordnung bringen.

In den letzten vier Jahren war das ihre ständige Rolle gewesen. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte Jayne alles getan, um den Zwillingen den Verlust zu erleichtern. Sie war für die beiden stets da gewesen. Wann immer sie sie gebraucht hatten, hatte sie alles stehen und liegen lassen und die Dinge geregelt.

Aber dieses Mal würde das sehr schwierig sein. Jayne seufzte wieder. Es gab keine schnelle Lösung für den Verlust einer so großen Summe. Es sei denn, man gewann im Lotto, oder man stolperte zufällig über eine große Summe Geld, oder man stolperte zufällig über jemanden, der eine große Summe Geld besaß.

„Denn, sehen Sie, ich bin zufällig selbst Multimillionär. Oder zumindest, ich werde einer sein, sobald ich verheiratet bin …“

Oje, dachte Jayne. Das war das Letzte, woran sie sich erinnern wollte. Erik Randolphs Antrag sollte nicht die Lösung ihres Problems sein.

Die Ehe bestünde natürlich nur auf dem Papier …

Das war ihr vollkommen egal. Es gab so viel, was schief gehen konnte bei solch einer Abmachung. Sicher, sie würde fast alles tun, um ihren Geschwistern zu helfen, aber die Betonung lag hier auf „fast“. Niemals würde sie einen wildfremden Mann heiraten, um ihre Geschwister aufs College schicken zu können.

Andererseits konnte man eigentlich nicht behaupten, dass er ihr völlig fremd war. Sie kannte ihn vom Hörensagen, und sie hatten heute Nachmittag eine nette, wenn auch manchmal reichlich bizarre Unterhaltung geführt. Natürlich gab es immer noch unzählige Gründe, weswegen sie Erik Randolph nicht heiraten konnte.

Das blinkende Knöpfchen am Anrufbeantworter erinnerte Jayne an den zweiten Anruf, und sie war nur allzu froh über die Unterbrechung ihrer Gedanken.

Diesmal ist es wenigstens eine gute Nachricht, dachte sie, als sie die Stimmen der Zwillinge hörte. Es gab nichts, was sie mehr erfreuen konnte als Charlies und Chloes Berichte aus dem College, die seit dem Beginn des Semesters so ziemlich täglich kamen.

„Hi, Jaynie!“, rief Chloe, und aus dem Hintergrund ertönte Charlies Stimme.

„Na, große Schwester, wie geht’s denn so?“

Jayne lächelte zärtlich. „Hallo, Chloe. Hallo, Charlie“, murmelte sie, obwohl sie natürlich wusste, dass die beiden sie nicht hören konnten.

„Wir haben nur angerufen, um Hi zu sagen, und dass wir heute im Einführungskurs ‚Kreatives Schreiben‘ ein Gedicht über dich geschrieben haben.“

Auf diese Ankündigung folgte Chloes Räuspern und Charlie, der mit einem tiefen „mi-mi-mi“ einen Opernsänger imitierte, der vor seinem Auftritt Tonleitern sang. Jayne lachte amüsiert, bevor beide gleichzeitig anfingen, ihr Gedicht vorzulesen.

„J steht für Jaynie, unsere holde Schwester, A für ihren aufopfernden Charakter, der Welt bester.“ Das wurde von Geflüster unterbrochen. „Ich hab dir doch gesagt, an dieser Zeile müssen wir noch feilen.“ Ernst fuhren die Zwillinge fort: „Y steht für das liebevollste Yin zu unserem Yang, N steht für Nächstenliebe, wovon ihr Herz so voll. Und E ist für alles Edle, das sie für uns getan und für uns aufgegeben hat.“

„Na schön, den Reim kannst du so ziemlich vergessen“, fügte Chloe hastig hinzu. „Und der Rhythmus haut auch nicht so ganz hin. Es ist eben unser erstes Gedicht, aber wir wollten es dir widmen.“

Es folgte eine kleine Pause, und dann verkündeten Charlie und Chloe wieder gemeinsam: „Wir haben dich lieb, Jaynie.“

Charlie sagte leise: „Du sollst wissen, dass wir nie vergessen werden, was du für uns getan hast. Alles ist so toll hier.“

„Wir sind einfach begeistert vom College“, bekräftigte Chloe. „Ruf uns an, wenn du kannst. Gib Mojo einen Kuss von mir. Wir melden uns bald wieder.“

Danach war nur noch das Freizeichen zu hören.

Erst jetzt merkte Jayne, dass sie Tränen in den Augen hatte – nicht deswegen, weil sie fürchtete, dass ihre Geschwister beim „Kreativen Schreiben“ wahrscheinlich durchrasseln würden, sondern weil sie in diesem Moment wusste, dass sie doch alles tun würde, um ihnen ihren Aufenthalt am College zu sichern. Selbst wenn das bedeutete, dass sie einen exzentrischen – aber immerhin unwiderstehlichen – Mann namens Erik Randolph heiraten müsste.

Das Mindeste, was sie tun konnte, war, ihn heute Abend zu treffen und anzuhören, was er zu sagen hatte. Vielleicht war er gar nicht so verrückt, wie er klang. Vielleicht würde sein Vorschlag tatsächlich das vollkommene Arrangement für sie beide sein. Vielleicht war ihre heutige Begegnung mit ihm Schicksal, und alles würde sich zum Besten wenden.

Und vielleicht, sagte Jayne sich spöttisch, werde ich heute, während ich schlafe, in eine reiche Prinzessin verwandelt.

Deshalb sollte sie Erik Randolph wenigstens anhören. Nachdem diese Entscheidung gefallen war, fiel es Jayne ein, dass ihre Sachen ja im Korb für Schmutzwäsche lagen. Sie würde Lila, ihre Nachbarin von oben, fragen, ob sie sich das süße gelbe Kleid leihen konnte, dass diese letzten Monat beim Firmenpicknick getragen hatte.

4. KAPITEL

Sie kommt nicht.

Der Gedanke ging Erik zum x-ten Mal durch den Kopf, während er die Salz- und Pfefferstreuer auf seinem Tisch zum x-ten Mal umstellte. Obwohl Jayne ihm nicht direkt versprochen hatte, ihn hier zu treffen, war er überrascht, dass sie tatsächlich nicht kam. Irgendwie war er sich so sicher gewesen. Er hatte den Eindruck gehabt, dass sie seine Einladung gern annehmen würde, selbst wenn sie es nicht hatte zugeben wollen.

Aber jetzt war es zwanzig nach sieben, und er konnte sich nur einen Grund für ihre Verspätung vorstellen – nämlich, dass sie überhaupt nicht kommen würde.

Sie kommt nicht, sagte Erik sich erneut, und diese Erkenntnis löste ein ungewohntes Gefühl der Melancholie in ihm aus. Er wusste zwar, dass sein Vorschlag reichlich unkonventionell war, um es milde auszudrücken, und Jayne war selbstverständlich misstrauisch gewesen. Aber zum Schluss hatte er eigentlich gehofft, dass sie wenigstens heute Abend mit ihm essen und sich seine Erklärung anhören würde.

Andererseits bekam eine Frau wohl nicht jeden Tag aus heiterem Himmel einen Heiratsantrag von einem Unbekannten. Da wollte sie wahrscheinlich schnellsten auf Distanz zu besagtem Mann gehen, selbst wenn dieser so charmant und unwiderstehlich war wie er.

Erik war überrascht von der Heftigkeit seiner Enttäuschung. Er sagte sich, seine Niedergeschlagenheit läge daran, dass er jetzt wieder auf die Suche nach einer passenden Frau machen müsse. Aber tief im Innern ahnte er, dass der Grund ein ganz anderer war, weigerte sich aber, eingehender darüber nachzudenken. Er wusste nur, dass er im Moment unglücklich war, weil er Jayne nicht wieder sehen würde.

Doch diese Tatsache war schon seltsam genug – weil es nicht leicht war, Erik Randolph unglücklich zu machen, besonders wenn es um Frauen ging. Er war von Natur aus Optimist, und es gehörte viel dazu, ihn zu deprimieren. Noch von keiner Frau war er um den Schlaf gebracht worden, noch nicht einmal von denen, mit denen er über eine längere Zeitspanne von, zum Beispiel, zwei Monaten zusammen gewesen war. Er hatte sich einfach nie so sehr für eine Frau interessiert, dass ihre Abwesenheit ihn unglücklich gemacht hätte. Aber bei Jayne Pembroke musste er feststellen, dass sie ihm bereits nach einer kurzen Unterhaltung fehlte.

Das war sehr, sehr seltsam.

Er seufzte tief auf und war im Begriff, aufzustehen, als etwas Hellgelbes in der Nähe des Eingangs seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Erik wandte den Blick hoffnungsvoll in diese Richtung, und sein Herz schlug plötzlich schneller. Aber seine Hoffnung war nur von kurzer Dauer, als er sah, dass die Frau, die das Restaurant betreten hatte, nicht die war, die er erwartete. Zumindest glaubte er nicht, dass es Jayne Pembroke war. Aber er schaute noch einmal genauer hin.

Die Frau sagte gerade etwas zur Hostess, die daraufhin nickte und in seine Richtung deutete. Als die Frau in Hellgelb sich nun zu ihm umdrehte, hörte sein Herz eine volle Sekunde lang völlig zu schlagen auf. Denn es war tatsächlich Jayne Pembroke.

Er war ungemein froh, dass er gewartet hatte.

Jayne lächelte verlegen, als sie Erik bemerkte, und bahnte sich einen Weg durch die Tische zu dem in der Ecke, den Erik gewählt hatte, damit sie ungestört wären. Das Restaurant war klein, aber sehr gemütlich mit der hohen Decke und den alten Balken, den Terrakottafliesen auf dem Boden und den unverputzten Wänden, die mit bunten Postern alter Kinofilme dekoriert waren. Tagsüber war es hier meist überfüllt, da es im Zentrum von Youngsvilles Geschäftsviertel lag. Aber um knapp halb acht an einem Montagabend war das Restaurant fast leer.

Erik sah Jayne auf sich zukommen und betrachtete interessiert ihr schlichtes gelbes Kleid und den hellblauen Pullover, den sie sich um die Schultern gelegt hatte. Im Grunde passte sie in diese Umgebung, und doch hatte er den Eindruck, ein Mitglied einer königlichen Familie nähere sich ihm.

„Hi“, sagte sie leise, als sie vor ihm stehen blieb.

Ihr Haar, das sie am Nachmittag streng zurückgebunden hatte, trug sie jetzt hochgesteckt, wobei einige Locken ihr äußerst attraktiv in die Stirn fielen. Ihre veilchenblauen Augen schienen noch blauer zu sein als am Nachmittag, und er fand die winzigen Sommersprossen auf Nase und Wangen noch süßer als vorher. Das einzige Make-up, das er feststellen konnte, war ein zartes Rosa auf ihren Lippen, der gleiche Farbton wie an ihren Fingernägeln.

Ihr faszinierendstes Accessoire war eine Brosche, die sie an ihren Pullover gesteckt hatte, ein ungewöhnliches, wunderschönes Schmuckstück, dessen Farbton sehr gut zu dem Kleid passte. Bernstein, vermutete er. Er war zwar kein Experte in Sachen Schmuck, erkannte aber Qualität, wenn er sie sah.

Also würde Jaynes Geschmack doch kein Problem sein, denn im Augenblick sah sie aus, als wäre sie den Seiten eines Modejournals entstiegen – eines auf besonders feminine Frauen abzielenden Modejournals. Irgendwo tief in seinem Innern regte sich etwas, was er noch nie zuvor gespürt hatte und nicht benennen konnte. Alles in allem war es kein unangenehmes Gefühl.

Sie ist nervös, stellte er fest und atmete erleichtert auf, denn das bedeutete, dass es ihr ähnlich ging wie ihm.

„Hi“, antwortete er. Mehr fiel ihm zu seiner eigenen Verlegenheit nicht ein.

Autor

Elizabeth Bevarly
Elizabeth Bevarly stammt aus Louisville, Kentucky, und machte dort auch an der Universität 1983 mit summa cum laude ihren Abschluss in Englisch. Obwohl sie niemals etwas anderes als Romanschriftstellerin werden wollte, jobbte sie in Kinos, Restaurants, Boutiquen und Kaufhäusern, bis ihre Karriere als Autorin so richtig in Schwung kam.

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Katherine Garbera

Katherine kann sich nichts Schöneres vorstellen, als zu schreiben. Jedes Buch gibt ihr die Gelegenheit, die unterschiedlichen Verhaltensmuster der Menschen hervorzuheben. Leidenschaftliche Liebesromane zu verfassen, bedeutet für sie die Verwirklichung eines Traumes.

Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann, den sie in "Fantasyland" kennenlernte, und den beiden gemeinsamen Kindern in Florida.

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