Julia Exklusiv Band 251

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HEIß WIE DIE NÄCHTE SIZILIENS von WEST, ANNIE
Alissa ist schockiert! Um das traumhafte Castello ihres Großvaters zu erben, soll sie sechs Monate die Ehefrau des Tycoons Dario Parisi spielen. Niemals! Doch dann küsst sie der Sizilianer so heiß, dass sie nicht weiß, ob sie sich je von ihm trennen kann…

EIN MILLIONÄR ZUM VERLIEBEN von STEELE, JESSICA
Varnie traut ihren Augen kaum, als sie den Millionär Leon Beaumont in ihrem Bett findet! Was will er in ihrem einsamen Cottage? Darf sie den Boss ihres Bruders einfach rauswerfen? Besser nicht! Außerdem hat sie dazu auch keine Lust, denn sie würde ihn gern näher kennenlernen…

GEHEIMNIS EINER TROPENNACHT von WILLIAMS, CATHY
Die Schönheit Borneos verzaubert Rose - und auch von ihrem attraktiven Chef Nick ist sie mehr als angetan. Dabei hat sie geschworen, nie etwas mit ihm anzufangen! Doch am Ende des Tages kann sie an diesem Traumstrand für nichts mehr garantieren…


  • Erscheinungstag 10.10.2014
  • Bandnummer 0251
  • ISBN / Artikelnummer 9783733703578
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Annie West, Jessica Steele, Cathy Williams

JULIA EXKLUSIV BAND 251

ANNIE WEST

Heiß wie die Nächte Siziliens

Ein halbes Jahr hat Dario Parisi Zeit, um die wundervolle Alissa für sich zu gewinnen – so lange geht sie eine Scheinehe mit ihm ein. Ganz Sizilien würde ihr der Tycoon zu Füßen legen, doch Alissa misstraut ihm offensichtlich zutiefst. Was kann er nur noch tun, um endlich ihr Herz zu erobern? Ihm läuft die Zeit davon …

JESSICA STEELE

Ein Millionär zum Verlieben

Endlich Ruhe vor der Klatschpresse! Wo könnte der schwerreiche Unternehmer Leon Beaumont sie anders finden als in diesem zauberhaften Cottage im einsamen Cornwall? Dass er dort die hinreißende Varnie treffen würde, konnte er ja nicht ahnen. Schade nur, dass die Schöne sich so unglaublich kühl und abweisend verhält …

CATHY WILLIAMS

Geheimnis einer Tropennacht

Wie oft hat sich der attraktive Milliardär Nick Papaeliou nun von der atemberaubenden Rose schon ein Nein eingehandelt? Und doch versucht er auf einer Geschäftsreise nach Borneo erneut, ihr Herz zu erobern. Ihrem einsamen Spaziergang am weißen Strand und einem romantischen Candlelight-Dinner folgt endlich eine Tropennacht, in der alles möglich zu sein scheint …

1. KAPITEL

In dem Moment, als ­Alissa aus der Straßenbahn stieg, öffnete der Himmel über Melbourne seine Schleusen zu einem wahren Wolkenbruch. Und sie trug keinen Schirm bei sich! Denn an das Wetter hatte sie an diesem Tag nicht einen Gedanken verschwendet.

Ein krachender Donnerschlag ertönte so dicht neben ihr, dass sie fast erwartete, der Asphalt vor ihren Füßen müsse sich auftun. Schlagartig sank die Temperatur, und ­Alissa überlief ein seltsamer Schauer.

Das ist ein Zeichen … ein Omen!

Heftig schüttelte sie den Kopf, als weigere sie sich, auf ihre innere Stimme zu hören, die sie schon den ganzen Tag mit unguten Prophezeiungen quälte. Der Sturm kündigte sich bereits seit Tagen an und konnte darum kaum ein Vorzeichen für drohendes Unheil sein. Es war ein Zufall, mehr nicht.

Dass sich trotz aller Einsicht ihre Nackenhärchen sträubten, ignorierte ­Alissa standhaft. Energisch straffte sie die Schultern und eilte den verlassenen Bürgersteig entlang, ungeachtet des strömenden Regens.

Sie hatte den Verlauf dieses Nachmittags minutiös geplant, und nichts – weder der Sturm noch ihre nagenden Zweifel – würden sie aufhalten. Das Ziel lag so nah vor ihr!

Alles, was sie tun musste, war … zu heiraten.

Ausgerechnet bei diesem Gedanken wäre sie fast über eine unebene Stelle auf dem Boden gestolpert. Ich tue das Richtige, predigte sie sich immer wieder, während ihr ein eisiger Schauer nach dem anderen über den Rücken lief. Es ist die einzige Lösung! Doch bei dem Gedanken an den Gang zum Altar presste kalte Furcht ihr wild klopfendes Herz zusammen.

Sie würde sich einem Mann ausliefern!

Dabei war es ganz egal, dass die Idee von ihr selbst stammte, und Jason an sich gar keine Bedrohung darstellte. Bei ihm wäre sie sicher, und die Ehe würde ohnehin nicht lange bestehen.

Aber die Vergangenheit hatte ­Alissa gelehrt, dass die Nähe eines Mannes grundsätzlich Gefahr bedeutete. Und so brachte sie es, aller Logik zum Trotz, nicht fertig, das Gefühl abzuschütteln, sie befände sich auf dem Weg zu ihrer eigenen Hinrichtung.

Doch ein Zurück gab es nicht. Donna war auf sie angewiesen. Dies war ihre letzte Chance, und ­Alissa würde alles tun und es sogar mit den Dämonen der Vergangenheit aufnehmen, um ihrer geliebten Schwester zu helfen. Niemand sonst war dazu in der Lage. Diese Last ruhte ganz allein auf ihren Schultern.

Es wird alles gut werden.

Ungebeten spulte sich das alte Mantra wieder und wieder in ihrem Hinterkopf ab.

Natürlich würde alles gut werden! Jason und sie würden heiraten und nach sechs Monaten wieder getrennter Wege gehen. Und dank des Vermögens, das sie dadurch erhielt und mit dem sie Donnas Leben retten konnte, sogar unbeschwert und glücklich.

Es war eine geschäftliche Transaktion, aus der jede Partei ihren Nutzen zog. Nichts konnte schiefgehen. Es durfte einfach nichts schieflaufen!

­Alissa hastete durch den Eingang in das dämmerige Foyer und stolperte über irgendein Hindernis.

„Achtung!“, warnte eine tiefe Stimme. Starke Hände hielten sie davon ab, gegen einen kräftigen Körper dicht vor ihr zu prallen. Der maskuline Duft eines herben Aftershaves mit Zitrusnote und das erdige Aroma warmer, männlicher Haut hüllten sie ein und machten sie ganz schwach.

Als Reaktion auf diese eindeutigen Signale schoss ­Alissas Puls in die Höhe. Abrupt wandte sie den Kopf zur Seite und starrte auf den Boden, um festzustellen, was sie fast zu Fall gebracht hatte.

Schuhe! Groß genug, um zu den Händen zu passen, die sie immer noch festhielten. Elegante schwarze, auf Hochglanz polierte Schuhe, die noch keine Schramme abbekommen hatten … bis jetzt.

Der Anblick der perfekten Fußbekleidung irritierte sie seltsamerweise mindestens so sehr wie das entnervende Schweigen des Fremden. Sie versuchte, sich von ihm freizumachen – ohne Erfolg. Empört hob sie den Blick, ließ ihn über den mächtigen Brustkorb und die breiten Schultern bis zu dem festen, glatt rasierten Kinn wandern. Auf dem gut geschnittenen Mund darüber zeigte sich nicht der Hauch eines Lächelns. Trotzdem schien er die harten Züge irgendwie zu mildern, während die klassische Nase und die hohen Wangenknochen ihnen ein aristokratisches Aussehen gaben.

Wider Willen war ­Alissa fasziniert. Mit dem dichten dunklen Haar und dem prachtvollen, athletischen Körper wirkte der Fremde so elegant und weltmännisch wie ein männliches Supermodel. Bis man in die schwarzen Augen sah …

Gereizt von einer derart zur Schau gestellten Arroganz und Überheblichkeit stieß ­Alissa zischend den Atem aus. Gnade Gott der Frau, die hierher kommen würde, um diese Inkarnation aus Testosteron und Machismo zu heiraten, dachte sie.

„Verzeihung“, bemerkte sie kühl, als sie endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte. „Aber ich war so in Eile, dass ich nicht darauf geachtet habe, wo ich hinlaufe.“

Schweigen. Allein zwischen den dunklen Brauen des Mannes zeigte sich ein missbilligendes V. Dann gab er ­Alissa endlich frei.

Mit zittriger Hand strich sie über ihr regennasses Haar. Ein kleiner Bach rann auf ihre Schultern und den weißen Hosenanzug, der an Brüsten, Rücken, Bauch und den langen Beinen klebte. Selbst in den hochhackigen Schuhen stand Wasser. ­Alissa fröstelte, als sie spürte, wie die feuchte Kälte in ihre Glieder kroch.

Doch vielleicht ärgerte sie auch nur sein harter, missbilligender, ja, fast hasserfüllter Blick. Was war nur los mit diesem Mann? Gefiel ihm nicht, was er vor sich sah, oder war er einfach nur wütend, weil sie ihn fast umgerannt hätte?

Unkontrollierter Wildfang ohne Disziplin und damenhaftes Benehmen!

Der Vorwurf hallte so laut in ihrem Kopf, dass ­Alissa unwillkürlich zusammenzuckte. Es war die raue, brüchige Stimme ihres Großvaters, die sie hörte, nicht die des Fremden. Allein der kalte Blick des Unbekannten hatte die schmerzliche Erinnerung in ihr wachgerufen. Sie musste doch nervöser und labiler sein, als sie gedacht hatte, wenn der alte Mann es sogar schaffte, sie noch aus dem Grab heraus zu verfolgen …

„Sehen Sie, ich …“, begann sie.

„Platzen Sie eigentlich immer so in einen Raum hinein?“ Seine Stimme klang tief und voll. Der leicht heisere Unterton ließ ihre Haut prickeln. Aber diesmal weder vor Kälte noch vor Panik. So eine Stimme war dazu geschaffen, Frauen zu verführen und willenlos zu machen. Und ­Alissa registrierte frustriert, dass auch sie sich dieser Wirkung nicht ganz entziehen konnte.

„Ich platze grundsätzlich nirgendwo hinein!“, erwiderte sie kühl und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Trotzdem reichte sie dem Fremden nur bis zur Schulter. Typisch! Wieder mal ein Beweis dafür, dass körperliche Attribute nichts über die wahre Größe eines Menschen aussagten!

„Und ich möchte mich noch einmal in aller Form dafür entschuldigen, Ihre … Kreise gestört zu haben.“ Damit wandte sie sich ab und marschierte davon. Doch die hohen Absätze zwangen sie, ihre Schrittlänge zu verkürzen, was den Abgang nicht so schwungvoll und dynamisch aussehen ließ, wie sie es sich gewünscht hätte.

Und obwohl sie seinen sengenden Blick deutlich in ihrem ­Rücken spürte, geriet ­Alissa auf keinen Fall in Versuchung, ihn als maskuline Bewunderung zu interpretieren. Warum sollte er ihr überhaupt hinterherstarren? Vielleicht verspätete sich seine Verlobte, und er versuchte nur, auf diese Weise seine Ungeduld im Zaum zu halten.

Wie auch immer, was ging sie dieser unmögliche Mensch überhaupt an?

­Alissa schaute kurz auf eine Übersichtstafel und bog dann in den richtigen Korridor ein. Sie musste sich jetzt auf ihre Hochzeit konzentrieren, da blieb keine Zeit für unsinnige Spekulationen über dunkelhaarige Fremde – so attraktiv und charismatisch sie auch sein mochten.

„Er hat was gesagt?“ ­Alissas Stimme klang schrill vor Fassungslosigkeit.

Der Beamte machte eine bedauernde Geste und lächelte hilflos. „Dass es ihm leider nicht möglich war, die Verabredung mit Ihnen einzuhalten“, wiederholte er gedämpft, in der vagen Hoffnung, sein Beispiel würde auf die empörte Dame vor seinem Pult abfärben.

Die Verabredung nicht einhalten …

Geschockt ließ ­Alissa die wenigen Worte in sich nachhallen, mit denen Jason ihre gesamten Zukunftspläne zunichtemachte. Verdammt, es ging um ihre Hochzeit! Und um Donnas Leben! Das musste ein übler Scherz sein!

Nein, Jason war genauso begierig auf diese Heirat gewesen wie sie, wenn auch aus anderen Gründen. Auf jeden Fall ging es für sie beide um Geld. Um jenes Geld, das der sizilianische Besitz ihres Großvaters ­Alissa bei einem Verkauf einbringen würde.

Jason hatte der Idee zu einer Vernunftehe zwischen ihnen so rasant zugestimmt, dass ­Alissa einigermaßen überrascht gewesen war. Offensichtlich steckte er in größeren Geldnöten, als sie es bereits geahnt hatte.

Nein, nein! Jason hatte sich sicher nur verspätet!

„Was genau hat er zu Ihnen gesagt“, fragte sie den Beamten noch einmal mit erzwungener Ruhe.

Dieser maß sie mit einem langen undurchdringlichen Blick, bevor er sich einen kleinen Seufzer gestattete und auf die Notiz in seiner Hand schaute. „Mr Donnelly rief vor … exakt dreiunddreißig Minuten an und erklärte mir, er sei nicht in der Lage, hier zu erscheinen. Er habe seine Meinung geändert.“ Als er wieder aufschaute, war sein Blick eindeutig spekulativ. Doch ­Alissa hatte weder Zeit noch Lust dazu, die am Boden zerstörte, sitzen gelassene Braut zu spielen, sondern unterdrückte nur mit Mühe einen Fluch.

Der Hochzeitstermin durfte einfach nicht platzen! Das würde sie nicht zulassen!

Wenn sie nicht innerhalb der nächsten einunddreißig Tage Mrs Irgendwer war und damit die verflixte Klausel im Testament ihres Großvaters erfüllte, konnte sie ihren Plan vergessen. Wie sollte sie Donna dann für die überlebensnotwendige Operation in die USA bringen?

Das Testament auf offiziellem Gerichtsweg anzufechten würde viel zu lange dauern. Wobei der positive Ausgang des Rechtsstreits, laut ihrem Anwalt, keineswegs für verbrieft angesehen werden konnte. Und der Bitte um ein Darlehen hatte ihre Bank noch nicht einmal pro forma Gehör geschenkt.

So gab es nur den Ausweg, genau das zu tun, von dem sie sich geschworen hatte, es dürfe nie passieren. Sie musste sich dem verachtenswerten, Letzten Willen ihres Großvaters beugen, um in den Genuss ihres Erbes zu kommen. Unter Garantie würde der alte Satansbraten einen Freudentanz in der Hölle aufführen, wenn er sie jetzt sehen könnte!

­Alissa zwang ein verbindliches Lächeln auf ihre tauben Lippen. „Sonst noch etwas?“

„Nein, das war alles.“

„Ich verstehe … Vielen Dank.“

Nein, das war gelogen! Sie verstand nichts! Aber auch rein gar nichts!

„Miss Scott?“, rief der Beamte ihr hinterher, kaum dass sie sich abgewandt hatte.

Wie der Blitz fuhr sie herum. Hatte Jason es sich vielleicht doch noch überlegt?

„Ja?“

„Dieser Herr möchte mit Ihnen reden.“

„Mit mir …?“, fragte sie tonlos. Gleichzeitig wanderte ihr Blick von dem nüchternen Beamten zu dem dunkelhaarigen Adonis, den sie kurz zuvor über den Haufen gerannt hatte und der jetzt plötzlich neben ihr stand.

„Nur wenn Sie tatsächlich ­Alissa Scott sind.“ Der skeptische Unterton in der dunklen Stimme war nicht zu überhören.

„Die bin ich.“

„Verlobt mit Jason Donnelly?“

Sie nickte wie betäubt. „Das ist richtig.“

„Enkeltochter von Gianfranco Mangano?“

Wieder nickte sie. Diesmal widerstrebend und mit zusammengepressten Lippen.

„Dann müssen wir tatsächlich miteinander reden. Ich habe Neuigkeiten für Sie.“

In ­Alissa regte sich ein schwacher Hoffnungsschimmer. „Von Jason?“ Hatte ihr der Fremde deshalb im Foyer aufgelauert? Um Jasons Abwesenheit zu erklären und zu entschuldigen? Warum hatte er ihr das nicht gleich gesagt?

„Sì.“ Es war nur ein einziges, kleines Wort, aber der raue Klang erschien ­Alissa wie eine Drohung. Wahrscheinlich lag das an ihrem überreizten Nervensystem.

Der Fremde bedeutete ihr mit einer Geste, ihm zu folgen, und wandte sich ab, ohne auch nur einen Blick darauf zu verschwenden, ob sie hinterherkam oder nicht. ­Alissa beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten, was in den nassen, rutschigen Schuhen gar nicht so einfach war. Erst als er das Foyer bereits durchquert hatte und die Eingangstür aufstieß, holte sie ihn ein.

„Wo wollen Sie eigentlich hin?“

„Meine Limousine parkt vor der Tür. Dort können wir uns ungestört unterhalten.“

Niemals! Mit einem Fremden würde sie nirgendwohin gehen. Und ganz bestimmt nicht mit diesem seltsamen Mann! Schon gar nicht in einen startbereiten Wagen! Sie mochte verzweifelt sein, aber sie war nicht dumm!

„Wir können genauso gut hier miteinander reden.“

„Sie möchten Ihre privaten Affären tatsächlich in aller Öffentlichkeit diskutieren?“, fragte er gedehnt, doch ­Alissa ließ sich nicht irritieren.

„Also …“, forderte sie ihn zum Sprechen auf, „wie lauten Ihre Neuigkeiten?“

Als ­Dario in das perfekte Oval ihres Gesichts sah, spürte er erneut dieses seltsam vertraute Gefühl von eben, als die schöne Unbekannte in ihn hineingelaufen war. Inzwischen war sie zwar keine Unbekannte mehr, doch seine gesteigerte Wahrnehmung und das Gefühl einer ungeheuren Anziehung waren immer noch dasselbe. Ungeachtet seines Hasses auf die Mangano-Familie und der Verachtung für eine skrupellose Harpyie, der so einfach in den Schoß fallen sollte, was ihm allein gehörte.

Mit aller Kraft versuchte ­Dario das verräterische Ziehen in seinen Lenden zu ignorieren, das allein ihr Anblick in ihm auslöste, egal, wie wütend er auf sie war oder wie misstrauisch sie ihn anstarrte.

Diese Frau hatte seine Angebote kalt abgewiesen, hatte ihn zurückgewiesen! Und das nicht nur einmal! Ohne ihn je persönlich kennengelernt zu haben! Das allein kam einer Beleidigung gleich, für die er auf jeden Fall Genugtuung forderte. Noch keine Frau hatte es je gewagt, ihm zu verweigern, was er wollte. Aber sie erdreistete sich sogar, seine Pläne zu durchkreuzen, um zu erlangen, was ihm zustand!

Hinter seinem Rücken tat sie sich mit einem Niemand zusammen, nur um zu verhindern, dass er sein Geburtsrecht zurückerlangte. Sie wollte alles für sich allein.

Ginge es um eine Heirat aus Liebe, hätte ­Dario es vielleicht sogar verstanden. Doch dies war ein kalkulierter Akt, um die alte Fehde am Leben zu erhalten und ihm das Einzige zu verweigern, woran sein Herz wirklich hing.

Das Castello in Sizilien, das ­Alissas Großvater vor vielen Jahren seiner Familie gestohlen hatte.

Vor ihm stand die Frau, die alles verkörperte, was er zutiefst verachtete. Oberflächlichkeit, Hinterhältigkeit, Verdorbenheit und eiskalte Berechnung. Groß geworden in jeglichem Luxus, der mit Geld nur zu erwerben war, wusste sie ihre Chance nicht zu nutzen, sondern versank stattdessen in einem Sumpf aus Alkohol, Drogen und wilden Partys. Bis selbst ihr Großvater nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.

­Dario empfand nichts als Ekel und Widerwillen vor diesem haltlosen Geschöpf, und dennoch … Ihre helle reine Haut, die großen, kornblumenblauen Augen, der verführerische Schwung ihrer weichen vollen Lippen, die fraulichen Kurven ihrer ansonsten zierlichen Figur … Selbst das flammend rote Haar zeugte von einer kaum zu unterdrückenden Vitalität und Energie und komplettierte ein feminines Erscheinungsbild, das keinen Mann aus Fleisch und Blut unberührt lassen konnte.

Und ihn machte es fast wahnsinnig! Seine niederen Gefühle durchkreuzten den sorgfältig durchdachten Plan. Normalerweise entledigte er sich der Dinge in seinem Leben, die ihn störten, auf eine sehr subtile Weise: Er ließ sie einfach verschwinden – dank seines Reichtums, seiner Macht und Willensstärke.

Um diesen Status zu erlangen, hatte er hart gearbeitet. Heute brachte er keinerlei Geduld oder Verständnis für Hindernisse auf, die sich ihm in den Weg stellten – seien sie nun menschlicher Natur oder sonst wie gearteter Sachzwänge.

„Was ich Ihnen zu sagen habe, ist aber nicht für fremde Ohren bestimmt.“ Ihr vehementer Widerstand irritierte und ärgerte ­Dario. Aber was hatte er erwartet, nachdem ­Alissas Anwalt all seine mehr als großzügigen Angebote stetig abgelehnt hatte, ohne sich auch nur eine Bedenkzeit einzuräumen?

„Kommen Sie. Wir finden sicher einen geeigneteren Ort für ein vertrauliches Gespräch …“ Ihr mochte es ja egal sein, aber er war es nicht gewohnt, Dinge von Bedeutung unter den Augen der Öffentlichkeit zu besprechen.

Entschlossen durchquerte ­Dario das Foyer, öffnete ein paar Türen und fand schließlich ein leeres Büro. Er hielt die Tür weit auf und wartete darauf, dass ­Alissa vor ihm eintrat. Sie zögerte nur einen winzigen Moment, bevor sie hocherhobenen Hauptes und mit schwingenden Hüften an ihm vorbeistolzierte. Selbst in dem regentriefenden Hosenanzug und mit wirrem, klatschnassem Haar war sie eine Sensation.

Da ihre unerwartete Wirkung auf ihn ­Dario regelrecht schockte, brauchte er einen Moment, um sich zu fassen. Dabei entsprach sie, trotz der herausfordernd runden Brüste und der endlos scheinenden Beine, gar nicht seinem Typ. Weiter weg von einer brünetten Modelschönheit mit Madonnenlächeln und sanftmütigem Wesen ging es wohl kaum.

Unglücklicherweise schien die Stimme der Vernunft, auf die er sonst immer vertraute, heute stumm zu bleiben.

„Dürfen wir hier überhaupt sein?“, fragte ­Alissa kritisch.

Daraufhin zuckte er achtlos mit den Schultern und schloss die Tür. „Jetzt sind wir hier und haben die nötige Privatsphäre. Das allein zählt.“

­Alissas Augen weiteten sich, und sie schien Einspruch erheben zu wollen, besann sich dann aber anders. „Also …?“, hakte sie nach.

„Ihr Bräutigam …“

„Jason ist doch nichts passiert?“, unterbrach sie ihn hastig. „Haben Sie ihn gesehen? Mit ihm gesprochen?“ Die Besorgnis in ihrer Stimme konnte gespielt sein oder auch nicht. Das wagte ­Dario momentan nicht zu entscheiden. Möglicherweise hatte aus der geplanten Heirat doch nicht nur eine Vernunftehe werden sollen? Ob er dem Faktor Lust vielleicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte?

Einen Moment dachte ­Dario an Jasons hübsches weiches Jungengesicht. Anziehend, aber ohne Substanz. War das etwa die Sorte Mann, von der sie sich angezogen fühlte? Seltsamerweise störte ihn dieser Gedanke erheblich.

„Ich habe ihn heute Nachmittag gesehen und mit ihm geredet“, erklärte er.

„Geht es ihm gut? Was ist denn nur passiert?“, fragte ­Alissa nervös.

„Nichts, Ihrem Mr Donnelly geht es ausgezeichnet, er ist nur eben nicht länger Ihr Mr Donnelly.“

­Alissa hob die feinen Augenbrauen und schaute ihn stumm an. ­Dario überlegte, ob man ihm seine Genugtuung ansah. Sie bewusst zu verbergen, bemühte er sich jedenfalls nicht. Was für ein erhebendes Gefühl. Er hielt alle Karten fest in seiner Hand, und es gab nichts, was Miss Scott dagegen tun konnte.

„Ich verstehe nicht …“, murmelte sie.

„Er hat einfach beschlossen, Sie nicht länger heiraten zu wollen.“ Seine Stimme troff förmlich vor Sarkasmus.

„Aber wieso? Und warum sagt er mir das nicht selbst? Warum schickt er stattdessen einen völlig Fremden?“

„Er hat mich nicht geschickt. Ich bin hier, weil ich es will.“

Jetzt weiteten sich ­Alissas Augen ungläubig, dann schüttelte sie langsam den Kopf. „Was soll das alles? Warum sagen Sie mir nicht geradeheraus, was hier vor sich geht?“

„Mr Donnelly hat ein besseres Angebot bekommen. Eines, das er unmöglich ablehnen konnte. Darum verzichtet er auf die Heirat.“

„Ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte …?“

„Geld natürlich!“, half er ihr zynisch auf die Sprünge. „Das ist doch die Sprache, die Sie beide am besten verstehen, oder?“

Selbst in ihrer Verwirrung war sie unglaublich attraktiv und so herausfordernd sexy, dass er sich zusammenreißen musste, um nicht den Grund seiner Anwesenheit zu vergessen. Deshalb schaute er noch grimmiger drein als zuvor, doch das schien ­Alissa nicht im Mindesten zu beeindrucken.

„Geld wofür?“, gab sie kalt zurück. „Und von wem?“

„Von mir, damit er seine Heiratspläne beerdigt.“

Alles war so verdammt einfach gewesen. Falls Donnelly und diese Frau ein Verhältnis hatten, herrschte zumindest keine Loyalität zwischen ihnen. Ihr Lover war so gierig auf Bares, dass er keinen weiteren Gedanken an die Frau verschwendete, die er verriet. ­Dario war es gewesen, der vorgeschlagen hatte, eine Nachricht bei dem Beamten zu hinterlassen.

Auf ­Alissas Wangen brannten rote Flecken, und ihre Augen sprühten Funken. Da war es, das unterschwellig lodernde Feuer, das er bereits unter der hübschen Schale vermutet, bisher allerdings vermisst hatte.

Ohne jede Spur von Angst trat ­Alissa einen Schritt näher und fixierte ihn mit sengendem Blick. „Warum sollten Sie so etwas tun?“

Dass sie sich in seiner Gegenwart nicht eingeschüchtert fühlte wie die meisten Menschen, nötigte ihm einen widerwilligen Respekt ab. Allerdings wusste Miss Scott ja auch nicht, wen sie vor sich hatte.

„Weil er im Weg war. Sie werden nämlich mich heiraten …“

2. KAPITEL

So unglaublich es schien, dieser Fremde meinte offensichtlich, was er da sagte.

­Alissa schlang, wie schützend die Arme um ihren Oberkörper und schauderte. Wie hypnotisiert schaute sie in das dunkle unbewegte Gesicht dicht vor sich und hatte das Gefühl, der Boden unter ihren Füßen tue sich auf.

„Wer, zum Teufel, sind Sie?“, fragte sie heiser.

Sekundenlang herrschte tiefes Schweigen. „Ich bin ­Dario ­Parisi.“

Seine Worte hallten in ihren Ohren wider wie die Totenglocke auf dem Friedhof. Wieso war sie nicht schon längst darauf gekommen? Der italienische Akzent, die unglaubliche Arroganz und das schwer fassbare Flair schlichter, unaufdringlicher Eleganz, das man nur mit einem entsprechend seriösen, finanziellen Hintergrund erlangte.

Der unversöhnliche Hass in seinen Augen!

Aber wie hätte sie ahnen können, dass er um den halben Globus reisen würde, um sie persönlich aufzusuchen? Schon in seinen Briefen war er sehr hartnäckig gewesen. Doch jetzt wirkte er geradezu besessen. In die glühenden schwarzen Augen zu schauen, war wie ein Vorgeschmack auf das Höllenfeuer.

Kein Zweifel, er war gefährlich. Ein Mann, von dem sie weder Gnade noch Milde erwarten durfte.

Laut einschlägigen Presseberichten umgab ihn eine undurchdringliche Aura von Rücksichtslosigkeit, gepaart mit geradezu sagenhaftem Erfolg. Geschäftlich besaß ­Dario Parisi längst keine ernst zu nehmenden Rivalen mehr, weil er es niemandem gestattete, sich ihm in den Weg zu stellen.

Und in der Liebe …

Auch dort eilte ihm der Ruf voraus, ebenso rücksichtslos und fordernd zu sein, wenn es darum ging, eine spektakuläre Schönheit in den Olymp zu erheben oder sich ihrer zu gegebener Zeit zu entledigen.

„Es freut mich zu sehen, dass Sie sich offensichtlich an meinen Namen erinnern“, sagte er gedehnt, doch sein Sarkasmus prallte an ­Alissa ab. Zumindest hoffte sie, dass es den Eindruck machte. „Ich dachte schon, Sie hätten mich ganz aus dem Gedächtnis gestrichen.“

Wie sollte sie das, wenn ihr sein Name doch förmlich ins Bewusstsein eingebrannt war? Ihr Großvater war entschlossen gewesen, sie mit ­Dario Parisi zu verheiraten. Dabei hatte er ihr abwechselnd die Vorzüge ihres zukünftigen Gatten angepriesen oder seiner Enkelin drakonische Strafen angedroht, sollte sie es wagen, sich seinem Willen zu widersetzen. Mit besonders viel gern Vergnügen hatte er ihr Artikel aus der italienischen Presse vorgelesen, die von Parisis phänomenalem Erfolg oder seinen skrupellosen Taktiken berichteten.

Wieder überlief sie ein kalter Schauer. ­Alissa presste die Kiefer zusammen und versuchte, das haltlose Zittern ihrer Glieder zu beherrschen.

Egal, welche Macht Mario Parisi auf seinem Terrain ausübte, im Grunde genommen war er auch nur ein Mann wie jeder andere. Nur reicher, skrupelloser und entschlossener, aber über sie hatte er keine Gewalt. Das musste sie sich nur immer wieder in Erinnerung rufen.

„Sie hätten sich mir auch gleich vorstellen können, oder haben Sie etwa eine Schwäche für Melodramen?“, fragte sie scheinbar gelassen. „Erwarten Sie womöglich von mir, dass ich in Ihrer überwältigenden Gegenwart in Ohnmacht falle?“

Egal, wie heftig ihr Herz im Hals schlug und wie nah sie mit ihren Worten der Wahrheit kam, sie hatte gelernt, dass es nur einen Weg gab, dieser Sorte Mann zu begegnen. Indem man auf Augenhöhe blieb und keinen Meter zurückwich, egal, was es einen kostete.

„Wie hätte ich denn ahnen sollen, dass du den Namen deines zukünftigen Ehemanns vergessen könntest, ­Alissa“, forderte er sie absichtlich heraus. „Du weißt sehr gut, dass unsere Hochzeit eine beschlossene Sache zwischen mir und deinem Großvater war.“

„Aber nicht für mich!“, fuhr sie ihn gereizt an, ohne zu registrieren, dass er wie selbstverständlich zum familiären du übergegangen war. „Und als potenzielle Braut habe ich in dieser Sache doch wohl auch ein Wörtchen mitzureden!“

„Nicht unbedingt!“

Nicht unbedingt? Fassungslos starrte ­Alissa ihn an.

Er besaß die gleichen Eigenschaften, mit denen ihr Großvater sie fast in den Wahnsinn getrieben hatte: Er war dominant, manipulativ und chauvinistisch! Dabei war ­Dario Parisi erst Anfang dreißig! Was war dieses Sizilien nur für ein Land, dass es Männer hervorbrachte, die nur aus einem übersteigerten Ego und einer Überdosis Testosteron bestanden?

„In diesem Land hat eine Frau das gleiche Recht wie ein Mann zu entscheiden, wen sie heiratet und wen nicht“, erklärte sie barsch. „Und ich werde Sie auf keinen Fall heiraten, Mr Parisi!“

Seine dunklen Augen schienen schwarze Blitze auf sie abzufeuern. „Glaubst du etwa, ich wäre scharf darauf, dich zur Frau zu nehmen?“, erwiderte er kalt. „Glaubst du allen Ernstes, ich würde es womöglich als Ehre empfinden, eine Mangano zu ehelichen? Eine Braut mit derart verdorbenem Blut? Eine verachtenswerte, skrupellose Intrigantin, die …“ Nur mit Mühe gelang es ihm, seinen auflodernden Hass zu bezwingen, um ihr nicht noch mehr Einblick in sein Innerstes zu geben. „Du weißt verdammt genau, warum ich auf dieses perfide Spiel eingehe. Also hör endlich auf, den Unschuldsengel zu spielen. Auf jeden Fall hat meine Entscheidung nichts mit Liebe oder Begehren zu tun, wie dir langsam klar sein sollte.“

Vor Empörung blieb ­Alissa förmlich der Atem weg. Was bildete sich dieser widerliche Macho eigentlich ein?

„Nein …“, keuchte sie heiser. „Mir ist sehr wohl bewusst, dass es Ihnen nur um den sizilianischen Besitz geht, den ich quasi als Mitgift in die Ehe einbringe. Ein marodes Castello inmitten verwahrloster Weinberge.“

Ihr war absolut unverständlich, wie man ein derartiges Theater um einen Haufen alter Steine machen konnte. Dafür sogar eine Frau zu heiraten, die man nie zuvor gesehen hatte, oder mit einem Mann wie Gianfranco Mangano zu kooperieren, das überstieg ­Alissas Vorstellungsvermögen.

Dabei war er vom gleichen Schlag wie ihr Großvater. ­Dario Parisis Vermögen war so immens, dass er es in seinem Leben niemals ausgeben konnte, und trotzdem gierte er nach mehr. Beide Männer waren förmlich besessen vom Objekt ihrer Begierde und benutzten das Castello – genau wie ­Alissa – als Spielball in ihrem erbitterten Krieg gegeneinander.

In angespannter Haltung und mit bebenden Nasenflügeln stand der heißblütige Sizilianer vor ihr wie ein Rachegott. Doch das waren die einzigen Anzeichen seiner nur mühsam unterdrückten Wut. Die markanten Züge blieben ausdruckslos, ebenso die dunklen Augen, die eben noch glühenden Kohlen geglichen hatten.

„Ich kann immer noch nicht fassen, dass Sie Jason so einfach gekauft haben“, versuchte ­Alissa auf ein etwas ungefährlicheres Terrain umzuschwenken. „Das muss Sie einiges gekostet haben.“

„Dein Verlobter ist leicht verführbar“, stellte ­Dario geringschätzig fest, ohne ­Alissa aus den Augen zu lassen. „Offensichtlich ist Mr Donnelly der Ansicht, dass deine Schönheit und dein Charme nicht ausreichen, um ihn zu einer Ehe mit dir zu verführen.“

Ihr Charme? Ihre Schönheit? Wusste er denn nicht, dass Jason schwul war?

„Sie haben also den langen Weg von Sizilien hierher in Kauf genommen, nur um meine Hochzeit mit ihm zu verhindern?“, fragte sie nüchtern, ohne auf seine versteckte Beleidigung einzugehen. „Dann muss Ihr Hass auf die Manganos wirklich groß sein.“

„Deine Familie hat meine bestohlen, betrogen, missachtet und mich um mein Geburtsrecht gebracht. Sie nahmen uns nicht nur das Heim, sondern verbauten mir damit auch alle Chancen, die daran hingen. Ist dir das jemals durch den Kopf gegangen, während du dein Leben in Reichtum und Komfort verbracht hast?“

Sofort öffnete ­Alissa den Mund, um zu protestieren und ihm zu sagen, dass sie keineswegs auf Rosen gebettet gewesen war, wie er offenbar glaubte, sondern in ständiger Furcht und Bedrängnis gelebt hatte. Doch das würde er ihr ohnehin nicht glauben, da er den Besitz ihres Großvaters – den größten und luxuriösesten im ganzen Distrikt Victoria – mit eigenen Augen gesehen hatte. Also schwieg sie.

„Na? Fehlen dir plötzlich die Worte?“, fragte er zynisch.

­Alissa ignorierte das nervöse Flattern in ihrem Magen und schaute ihm offen und unverwandt in die Augen. „Ich bin nicht für die Taten meines Großvaters verantwortlich“, stellte sie mit fester Stimme klar.

„Also gibst du zu, dass er meiner Familie großes Unrecht angetan hat?“

Vor ihrem inneren Auge erstand das Bild von Gianfranco ­Manganos unrühmlichem Leben und Verhalten. Das Bedürfnis zu nicken war fast unwiderstehlich. Doch ­Alissa hatte sich geschworen, einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen und sie ein für alle Mal ruhen zu lassen. Sonst wäre sie nicht in der Lage, an eine bessere Zukunft für sich und Donna zu glauben und dafür zu kämpfen. Egal, gegen wen.

„Er hat eine Menge Fehler in seinem Leben begangen“, gestand sie dennoch ein. „Wer weiß, vielleicht bezahlt er gerade dafür …“

Auf jeden Fall hatte Gianfranco Mangano im Angesicht des Todes eine derartige Panik erfasst, dass er seinen gesamten Besitz der Kirche vermacht hatte – als verzweifelten Versuch, sich von seinen Sünden freizukaufen. Nur den sizilianischen Besitz hatte er ausgenommen, weil er der Versuchung nicht widerstehen konnte, ein letztes Mal den Allmächtigen zu spielen.

„Erwarten Sie jetzt nicht von mir, dass ich für seine Schuld sühne.“ Sie hatte es endgültig satt, immer wieder das Opfer zu sein. Trotzdem ließ sie der Gedanke nicht los, dass sie irgendwie zu einer Einigung wegen des verflixten Testaments kommen mussten.

„Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“ Eine reservierte weibliche Stimme hinter ihnen ließ sie herumfahren. Eine Frau mittleren Alters in einem marineblauen Kostüm betrachtete die Szene neugierig bis misstrauisch von der offenen Tür her. ­­Alissa öffnete den Mund, um sich für ihr Eindringen zu entschuldigen, doch ­Dario war schneller und kam ihr zuvor.

Chiedo scusa, Signora. Ich weiß, wir dürften nicht hier sein …“ Er spreizte die Hände in einer sympathisch hilflosen Geste und lächelte.

Selbst aus ­Alissas Blickwinkel war sein Lächeln so spektakulär, dass sie ungläubig blinzelte. Es verwandelte die strengen aristokratischen Züge auf eine Art und Weise, die sie, wenn auch widerstrebend, nur als herzerwärmend und unglaublich sexy bezeichnen konnte. Wenn sie nicht genau wüsste, was für ein Mensch ­Dario Parisi in Wirklichkeit war, hätte sie sich in dieser Sekunde in ihn verliebt!

Himmel! Dieser Mann war ja noch viel gefährlicher, als sie bisher gedacht hatte!

Die verunsicherte Angestellte schien ihre Meinung nicht zu teilen. Die strenge Miene der Frau schmolz unter seinem warmen, jungenhaften Blick wie Schnee in der Mittagssonne, während sie verzückt ­Darios aalglatter Entschuldigungsarie lauschte, die er mehrfach mit nichtssagenden, aber wohllautenden italienischen Phrasen spickte.

Erst als ­Alissa die verdächtig klingende Vokabel fidanzata aufschnappte, wurde ihr klar, dass sie selbst, als seine angebliche Verlobte, inzwischen Gegenstand seines seichten Monologs war. Ihren Versuch zu intervenieren, als er auch noch von einem winzigen Disput unter Liebenden zu reden begann, verhinderte ­Dario ganz einfach dadurch, dass er seine angebliche Braut fest an sich zog und damit ihren Protest wirkungsvoll erstickte.

Woraufhin die Standesamtsangestellte ihm eilfertig versicherte, er könne ihr Büro gern den ganzen Tag nutzen, da sie ohnehin anderweitig zu tun habe.

„Nein, nein“, wehrte er charmant ab. „Wir haben Sie wirklich lange genug von Ihrer Arbeit abgehalten. Komm, cara“, forderte er ­Alissa mit zärtlichem Lächeln auf, während er ihre Hand nahm und sie einfach mit sich zog. Steifbeinig und völlig benommen folgte sie ihm wie eine willenlose Marionette zuerst aus dem Zimmer und dann aus dem Gebäude.

Die feuchte Kühle des Regens auf ihrer Haut brachte ­Alissa langsam wieder zur Besinnung.

„Ich bin hier, fidanzata mia“, ertönte eine verführerisch sanfte, dunkle Stimme dicht neben ihr.

Sie zuckte zurück wie von der Tarantel gestochen. „Ich bin nicht Ihre Verlobte!“, zischte sie den Mann an ihrer Seite an. „Sie können jetzt mit der albernen Scharade aufhören, wir haben kein Publikum mehr!“

Völlig ungerührt von ihrem Ärger ging ­Dario einfach weiter und hielt ihr jetzt demonstrativ die Tür zu einer schwarzen Luxus­limousine, komplett mit Chauffeur und dunkel getönten Scheiben, auf. Natürlich stand die Luxuskarosse unbehelligt im absoluten Halteverbot, und der uniformierte Chauffeur sah eher nach einem Bodyguard als nach einem Fahrer aus.

„Ich werde auf keinen Fall in Ihren Wagen einsteigen“, erklärte ­Alissa kategorisch.

„Wir haben einige wichtige Dinge zu klären. Und das weißt du ebenso gut wie ich.“

Unglücklicherweise hatte er damit sogar recht. Nichts hätte sie jetzt lieber getan, als sich einfach umzudrehen und für immer und ewig aus ­Dario Parisis beunruhigender Gegenwart zu verschwinden. Aber sie musste an Donna denken. Also blieb ihr keine Wahl.

„Okay …“, murmelte sie widerstrebend, während sich ihre Gedanken überschlugen. „Zwei Blocks weiter gibt es ein nettes Café. Dort sollten wir einen ruhigen Tisch bekommen.“

­Dario betrachtete sie schweigend und eindringlich, als gehöre sie zu einer fremden, ihm unbekannten Spezies. Vielleicht war es ja tatsächlich so. Unwillkürlich schob ­Alissa ihr Kinn noch ein Stückchen weiter vor. Jede Wette, dass er es sonst eher mit der Kategorie Frauen zu tun hatte, die versuchten, sich im Wetteifer um seine Gunst gegenseitig auszustechen.

Für eine Sekunde dachte sie an sein sexy Lächeln und schwor sich insgeheim, niemals zu der langen Schlange seiner Eroberungen zu gehören.

„Daccordo“, entschied er schließlich knapp. „Lass uns gehen, du zeigst mir den Weg.“ Bevor er ihr folgte, machte er eine entsprechende Geste und wechselte noch rasch ein paar Worte mit seinem Chauffeur.

Während sie stumm nebeneinander herliefen, ging ­Alissa immer wieder seine unfassbare Eröffnung durch den Sinn. Sie werden nämlich mich heiraten …

Ach ja, inzwischen hieß es bereits du! Das verstand sie neben den zahlreichen Briefen in den letzten Monaten als weiteren kleinen Hinweis, dass es ihm tatsächlich ernst damit war, ihre bisher eher flüchtige Bekanntschaft auf einer … sehr viel intimeren Basis zu etablieren!

­Dario Parisis Braut! Wenn der Gedanke nicht so abstrus und beängstigend wäre, hätte ­Alissa laut gelacht. Aber ein kurzer Blick auf sein entschlossenes Profil belehrte sie eines Besseren.

Hatte sie letztes Jahr im Haus ihres Großvaters für ihren entschlossenen Widerstand nicht schon genug gelitten und bezahlt? Bis zum letzten Atemzug hatte er ihr nicht vergeben, dass sie sich seinem Wunsch widersetzte, die beiden Familien miteinander zu vereinigen.

Natürlich hätte sie das Haus verlassen und damit seinem Zorn entgehen können. Aber sie wollte Donna, die noch nicht volljährig war, auf keinen Fall schutzlos der Willkür des alten Mannes ausliefern. Ihre kleine Schwester, für die sie die Verantwortung trug, so lange sie denken konnte.

Geistesabwesend massierte ­Alissa ihr Handgelenk, während sie an Gianfrancos ersten Wutanfall zurückdachte, nachdem sie sich rundheraus geweigert hatte, seinen Heiratsplänen für sie zuzustimmen.

„Komm näher, du weichst ja völlig auf.“ ­Alissa sah irritiert ihren Begleiter an, der plötzlich einen riesigen Schirm in der Hand hielt. Als er sie auch noch wie selbstverständlich unterhakte, drohte ihr Atem auszusetzen. ­Darios atemberaubender Körper so dicht an ihrem, sein herber Duft und der Druck seiner Finger auf ihrem Arm machten sie völlig schwach.

Mehrfach setzte ­Alissa an, um gegen seine Bevormundung zu protestieren, brachte jedoch keinen Ton hervor. Stattdessen passte sie sich seinen langen, ausholenden Schritten an, um nicht wie ein Anhängsel mitgezogen zu werden.

Die erzwungene Nähe unter dem Regenschirm hatte etwas seltsam Intimes, das beide im wahrsten Sinne von dem Rest der Welt abzuschirmen schien. Und zu allem Überfluss war ­Alissa sich längst nicht mehr sicher, ob ihr das gefiel oder nicht …

„Da sind wir …!“ Nur mit Mühe verschluckte sie das „endlich“, das ihr auf der Zunge gelegen hatte. Ein wenig schämte sie sich auch über das vage Bedauern, das sie überfiel, als ­Dario seinen Arm wegzog, um den Schirm zu schließen und die Tür zum Café für sie zu öffnen.

„Danke“, murmelte sie rau, während sie an ihm vorbeihuschte und jede auch noch so zufällige Berührung vermied.

­Dario stellte den Schirm in einem Ständer neben der Tür ab und sah, wie ­Alissa mit dem Kellner redete, der sie mit einem warmen Lächeln begrüßte. Gleich darauf folgte sie dem jungen Mann zu einem etwas separat stehenden Tisch und saß bereits mit dem Rücken zur Wand, als er nachkam.

Entschlossen, autark, jedes unnötige Risiko meidend – ging es ihm durch den Kopf. Doch als sich ihre Blicke begegneten, fiel ihm noch etwas anderes auf. Egal, wie spröde und unnachgiebig sich Gianfrancos schöne Enkelin ihm gegenüber auch zeigen mochte, ein gewisses Funkeln in ihren kornblumenblauen Augen verriet ein eindeutig weibliches Interesse an ihm.

Wer weiß, dachte er, vielleicht erweist sich unsere zukünftige Beziehung zueinander viel interessanter und animierender, als ich bisher vermutet habe?

Doch bereits während er sich ihr gegenüber hinsetzte und die langen Beine unter den Tisch streckte, verwarf ­Dario den Gedanken wieder. Sie war zwar ein niedliches kleines Ding, aber billige, leicht verfügbare Ware war noch nie nach seinem Geschmack gewesen.

Wie von Zauberhand tauchte der Kellner erneut an ihrem Tisch auf und wartete offensichtlich auf ihre Bestellung.

„Espresso“, orderte ­Dario, ohne den Blick von seinem reizenden Gegenüber zu nehmen. „Und du …?“

„Heiße Schokolade.“ Als Reaktion auf seine mokant erhobenen Brauen fügte sie hinzu: „Ich brauche kein Stimulans in meinem Blut. Mir reicht es, wenn ich wieder auftaue.“

Trotz der hektischen roten Flecken auf den hohen Wangenknochen sah ihre zarte Haut erschreckend blass aus. Stress? Schock? Frust, weil er ihren schönen Plan durchkreuzt hatte? Sein Mitleid hielt sich jedenfalls in Grenzen.

Das Schweigen zwischen ihnen wurde immer angespannter. ­Dario verspürte jedoch keinen Drang, es zu beenden. Er wusste nur zu gut, wie entnervend eine erzwungene Zeit der Stille sein konnte. Warum hetzen? Der Ausgang dieser Geschichte lag völlig klar vor ihm. Sollte Miss Scott ruhig noch etwas länger zappeln.

Wenn sie nervös war, merkte man es ihr nicht an. ­Alissa wirkte zu seiner Irritation völlig entspannt. Sie schien seine Anwesenheit vorübergehend sogar zu vergessen, während die klammen Hände die Kakaotasse hielten und sie mit geschlossenen Augen einen kleinen Schluck des süßen, heißen Getränks nach dem anderen genussvoll ihre zarte Kehle hinabrinnen ließ.

­Darios Mund fühlte sich seltsam trocken an. Während er an seinem Espresso nippte, versuchte er, sich ein Bild von dieser seltsamen jungen Frau zu machen, die sich so anders gab als ihre Geschlechtsgenossinnen.

Ob ihre Ruhe und Gelassenheit nur gespielt waren? Und selbst wenn, offensichtlich ließ sie sich nicht leicht einschüchtern. Das überraschte ihn. Er hatte ihr weder einen Funken Durchhaltevermögen und schon gar keinen Biss zugetraut und sah sich nun gezwungen, seine vorgefasste Meinung zu revidieren.

„Was ist das?“, wollte ­Alissa wissen, nachdem sie die Augen wieder geöffnet und ihre Tasse abgestellt hatte. Ihr Kinn wies misstrauisch auf ein Schriftstück, das ­Dario auf den Tisch gelegt hatte.

„Du musst es komplettieren, damit es heute noch ausgehängt werden kann.“ Aus seiner Tasche zog er einen goldenen Füllfederhalter, den er neben das sehr offiziell aussehende Dokument legte.

Ein unbestimmtes Vorgefühl krampfte ­Alissas Magen zusammen. Sie konnte ihm nicht einfach das Anwesen überschreiben, und das wusste er nur zu gut. Aber was sonst sollte sie unterzeichnen? Widerstrebend beugte sie sich ein Stück vor, um den Text entziffern zu können.

Es war ein Aufgebot!

Dieses Formular kannte sie sehr gut, weil sie es erst vor Kurzem zusammen mit Jason ausgefüllt hatte! Doch diesmal standen dort andere Namen … besser gesagt, ein anderer Name neben dem der Braut:

­Alissa Serena Scott und ­Dario Pasquale Tommaso Parisi.

3. KAPITEL

„Das kann unmöglich dein Ernst sein!“

Vor lauter Erregung ging auch sie plötzlich zum vertraulichen du über. Ob es daran lag, dass sie jetzt schon wie ein altes Ehepaar miteinander stritten, noch bevor sie überhaupt vor dem Altar standen?

Während sie in seine schwarze Augen schaute, sank ­Alissas Herz. Denn es war sehr wohl sein Ernst. ­Dario Parisi wollte sie tatsächlich heiraten, um an das sizilianische Castello zu kommen, das er als sein naturgegebenes Erbe ansah.

Und damit drohte ihr nach all den Jahren erbitterten Widerstands gegen die manipulativen Verschwörungspläne ihres Großvaters genau das Schicksal, das sie mit aller Macht hatte abwenden wollen. Sollte sie wirklich ­Darios Antrag annehmen und damit seine aristokratische Familie zwingen, eine Mangano in ihren illustren Zirkel aufzunehmen? Sollte sie einen Ehemann akzeptieren, der ebenso gefährlich und hassenswert war wie der alte Despot, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte?

„Deine Zurschaustellung weiblicher Empörung ist wirklich anrührend“, spottete ­Dario. „Aber absolut verschwendet. Du hättest es auf die leichtere Art haben können, wie du weißt. Stattdessen hast du den harten Weg gewählt.“

­Alissas Kopf schoss nach oben, und in ihren blauen Augen blitzte es. „Willst du etwa mich für dieses … Desaster verantwortlich machen?“

„Wem der Schuh passt …?“

Während er an seinem Espresso nippte, wirkte er wie ein ­Model in einem Hochglanzmagazin. Allerdings hätte kein bezahltes Fotomodel diesen berechnenden, selbstzufriedenen Zug um die Mundwinkel, dachte ­Alissa zynisch.

„Wir könnten schon seit Jahren verheiratet sein“, erinnerte ­Dario sie. „Seit damals, als ich dem Geistesblitz deines Groß­vaters zugestimmt hatte.“

Ein Geistesblitz ihres Großvaters!

In Wirklichkeit hatte ­Dario sich erst für die abstruse Heiratsidee interessiert, nachdem Gianfranco ein fantastisches Angebot nach dem anderen für den sizilianischen Besitz ausgeschlagen und darauf beharrt hatte, der einzige Weg dorthin führe über eine Ehe mit seiner Enkelin.

Dagegen hatte sich ­Alissa von der ersten Sekunde an gewehrt und bitter dafür bezahlen müssen. Wieder massierte sie unbewusst ihr Handgelenk. Eine nervöse Geste, deren sie sich erst bewusst wurde, als sie ­Darios forschenden Blick auf ihren Händen spürte.

„Doch damals schien dein Bedarf an Geld noch nicht so dringend gewesen zu sein, zumal Gianfranco noch lebte und dich unterstützen konnte.“

Fast wäre ­Alissa ein bitteres Auflachen entschlüpft. Ihr Großvater und sie unterstützen!

„Vielleicht wollte ich dich einfach nur nicht heiraten?“, gab sie zu bedenken und legte die gefalteten Hände auf den Tisch. Ihr reichte dieses alberne Spiel. Wenn sie doch nur einen Funken Verständnis in seinem harten Blick entdecken könnte. Doch sie erhielt als einzige Antwort ein zynisch amüsiertes Zucken seiner Mundwinkel.

„Das ist dir völlig egal, oder?“, fauchte sie.

„Unsere Heirat ist keine Verbindung gleichgesinnter Partner und schon gar nicht die Besiegelung einer romantischen Liebe, sondern rein geschäftlicher Natur. Lägen die Dinge anders, würde es mir nicht im Traum einfallen, ausgerechnet dich zu meiner Frau zu machen.“

Ohne Vorwarnung beugte er sich über den Tisch und kam ihrem Gesicht ganz nah. „Du hättest das Angebot annehmen sollen, das ich dir nach dem Tod deines Großvaters gemacht habe. Heirat, eine schnelle, unkomplizierte Scheidung und als Gegenleistung für deinen Anteil am Castello ein nettes finanzielles Polster, das deine gesamte Zukunft abgesichert hätte.“

Abgesehen von der Tatsache, dass sie weder mit dem sizilianischen Besitz noch mit ­Dario Parisi etwas zu tun haben wollte. Reichtum, und erst recht einer, an dem solche Fesseln hingen, bedeutete ihr gar nichts. Darum hatte ­Alissa auch sofort abgelehnt, als der Rechtsanwalt ihr nach dem Tod ihres Großvaters von ­Darios erneutem Antrag erzählte.

„Ich will den Besitz gar nicht haben“, murmelte sie.

„Ich weiß, dass dir nichts an dem Castello liegt. Aber du dachtest, du könntest Gianfrancos Letzten Willen geschickt umgehen und so allein in den Genuss des Erbes kommen, ohne mit mir teilen zu müssen. Geldgier scheint in deiner Familie das stärkste Gen zu sein.“

„Das sagst ausgerechnet du?“, fuhr ­Alissa empört auf und kam ihm dabei so nah, dass sie die elektrische Spannung zwischen ihnen unmöglich ignorieren konnte. „Du würdest doch alles tun, um dein verdammtes Castello zu bekommen!“

Wie gebannt schaute sie in seine schwarzen Augen. Gleichzeitig machte sie der würzig herbe Duft dieses Mannes ganz schwindelig. Alle Alarmglocken in ihrem Hinterkopf begannen zu schrillen, doch als sie sich abwenden wollte, war es zu spät.

Blitzartig umfasste ­Dario ihre Handgelenke und hielt sie fest. „Keine Frage, dass auch der Hass auf meine Familie Teil deines Erbes ist“, sagte er heiser. „Sonst wärst du nicht so entschlossen zu behalten, was mir gehört.“

„Nein, ich wollte nur nicht dein verdammtes Geld haben“, widersprach sie ihm hitzig. Zumindest nicht bis zu dem Zeitpunkt, als sie von Donnas schier aussichtsloser Lage erfuhr. Verbissen versuchte ­Alissa, sich aus ­Darios stählernem Griff zu winden, doch er gab sie nicht frei. Auf einen unbeteiligten Beobachter mussten sie wie ein Liebespaar wirken.

„Lüg mich nicht an. Immerhin bist du bis vor Kurzem in Geld geschwommen. Plötzlich mittellos und ganz allein zu sein hat dir wahrscheinlich eine Heidenangst eingejagt. Außerdem war es sicher ein ziemlicher Schock zu erfahren, dass Gianfranco den größten Teil seines Besitzes der Kirche vermacht hat. Offenbar bist du in seiner Gunst gefallen …“

„Das kann man so sagen“, murmelte sie bitter.

­Dario lachte. „Ich kenne deine … Gewohnheiten, ­Alissa. Sie sind nicht ganz billig.“ Mit jedem Wort hatte seine Miene sich mehr verhärtet. „Auch wenn es so aussieht, als hättest du dich inzwischen gefangen, zeugt deine wenig rühmliche Erfahrung mit Designerdrogen von einem zwar nicht besonders exklusiven, aber ziemlich kostspieligen Geschmack.“

Davon wusste er also auch? Eine Welle von Übelkeit krampfte ihren Magen zusammen, während ungebetene, quälende Erinnerungen sie überfielen. In ihrem Mund spürte sie den bitteren Geschmack von Galle. Dieser Mann glaubte, ihre Vergangenheit zu kennen, verurteilte sie dafür und wollte sie trotzdem heiraten! Das war doch krank!

Am liebsten hätte sie ihm entgegengeschleudert, dass sie noch nie in ihrem Leben Drogen genommen hatte. Aber das konnte sie nicht. Das durfte sie nicht!

Es gab nur eine Person außer ihr, die die Wahrheit kannte. Und ­Alissa hatte geschworen, sie zu schützen, selbst wenn sie damit ihren eigenen Ruf aufs Spiel setzte. Ohne zu zögern hatte sie Schuld und Schande auf sich genommen und die unausweichlichen Konsequenzen klaglos akzeptiert.

Inzwischen war es zu spät und sinnlos, irgendetwas daran ändern zu wollen. Davon abgesehen würde ­Dario Parisi ihr ohnehin nicht glauben, egal was sie ihm erzählte.

„Du hast Nachforschungen über mich angestellt?“, fragte sie mit flacher Stimme.

„Natürlich“, kam es prompt zurück. Herausfordernd strich er mit dem Daumen über die zarte Haut an ihrem Handgelenk, und ­Alissa spürte entsetzt ein verräterisches Prickeln. „Selbst wenn es um mein Geburtsrecht geht, würde ich keine Ehe eingehen, ohne alles über meine Braut zu wissen.“

Sie saß in der Falle. Verbissen versuchte sie noch einmal, ihm die Hände zu entziehen, doch er hielt sie so fest, dass sie sich nur selbst wehtat. Also gab ­Alissa auf und fühlte, wie sich kleine Schweißperlen auf ihrer Oberlippe bildeten, während ­Dario sie scharf beobachtete.

„Warum hast du bis heute damit gewartet, Jason zu bestechen?“, versuchte sie von sich abzulenken.

„Meine Leute haben bereits Kontakt mit ihm aufgenommen, als sie von dem Aufgebot erfuhren.“

„Du hast das alles bereits vor Wochen arrangiert?“, keuchte sie fassungslos.

„Dachtest du, ich würde dir auch nur die leiseste Chance lassen, mit zu entkommen? Während du deine Hochzeit vorbereitet hast, wusste ich, dass sie nie stattfindet.“

„Und du hast so lange gewartet, weil du genau wusstest, dass du die mir gesetzte Frist damit verkürzt“, stellte sie fest. „Keine Frage, dass du den Termin kennst, bis zu dem ich verheiratet sein muss, um mein Erbe nicht zu verlieren.“ Sie atmete ein paar Mal tief durch und versuchte, sich zu fassen. „In Australien muss ein Aufgebot vier Wochen vor der Hochzeit ausgehängt werden, was bedeutet …“

„Dass dir keine echte Alternative zu meinem Vorschlag bleibt“, vollendete er den Satz für sie. „Es sei denn, du hast als letzten Trumpf noch einen anderen Bräutigam im Ärmel versteckt.“ Wieder strich er mit dem Daumen rhythmisch über ihre zarte Haut und jagte damit ­Alissas Puls in schwindelnde Höhen. Wütend auf ihn und ihren verräterischen Körper, knirschte sie lautlos mit den Zähnen.

„Na, was glaubst du? Werde ich heute noch jemand finden, der bereit ist, das hier …“, er wies mit dem Kinn auf das Dokument vor ­Alissa, „… zu unterzeichnen, bevor das Standesamt schließt?“

Sein Sarkasmus traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. „Du hinterhältiger, skrupelloser, arroganter …“

„Aber, aber, redet man so mit dem einzigen Mann, der einem das geben kann, was das Herz begehrt?“

„Nimm deine Hände von mir! Jetzt sofort!“ Ihre Stimme blieb beherrscht, doch aus jeder Silbe sprach kalte Wut.

Endlich lockerte er den Griff um ihre Handgelenke. Mit einem heftigen Ruck machte ­Alissa sich von ihm frei. Was hätte sie in dieser Sekunde dafür gegeben, wortlos ihren Stuhl zurückschieben zu können und zu gehen … allein! Doch das durfte sie nicht. So trank sie bedächtig den inzwischen kalten Kakao, um Zeit zu gewinnen und sich zu sammeln.

„Nach den Statuten des Testaments muss ich mit meinem Ehemann mindestens sechs Monate zusammenleben, bevor wir beide in den Genuss des Erbes kommen“, stellte sie betont sachlich fest.

Er nickte. „Die Scheidung findet statt, sobald der Besitz auf uns überschrieben ist. Dann verkaufst du mir deinen Anteil. Natürlich zum derzeit herrschenden Marktwert.“ Es hörte sich nach einer ganz normalen, geschäftlichen Transaktion an.

Trotzdem klopfte ­Alissas Herz wie verrückt bei dem Gedanken, ein halbes Jahr unter dem gleichen Dach wie ­Dario Parisi zu leben. Wie sollte sie das fertigbringen, wo er sie mindestens so sehr verachtete wie sie ihn und sie trotzdem schon auf die flüchtigste Berührung von ihm reagierte?

„Aber das bedeutet … zusammenleben“, warf sie ein.

„Beunruhigt dich das? Warum? Was ist bei mir anders als bei Mr Donnelly?“ Er ließ es so klingen, als sei es ganz normal, mit einem Fremden Tisch und … was sonst noch zu teilen. Wofür hielt dieser Mensch sie eigentlich?

Für ein Drogenopfer ohne Scham und Perspektive, beantwortete sie sich die Frage gleich selbst.

„Jason kenne ich gut, und ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann.“ Das hörte sich selbst in ihren Ohren ziemlich schwach an, nachdem genau er sie gerade derart hintergangen hatte. Aber bei ihm war sie wenigstens sicher gewesen, dass er nie etwas anderes sein wollte als ein platonischer Freund und Mitbewohner.

„Ah, ich verstehe!“, spottete ­Dario. „Du willst von mir eine eidesstattliche Erklärung, dass ich auf keinen Fall deinem Charme und Sex-Appeal erliege und womöglich versuche, dich zu verführen?“ Während er sprach, wanderte sein Blick zu ihrem v-förmigen Ausschnitt und weiter nach unten von einem Knopf ihres Blazers zum nächsten. ­Alissa fühlte sich plötzlich nackt und verschränkte automatisch die Arme vor der Brust.

„Ich gebe dir mein Ehrenwort als Parisi“, versprach er nachlässig. „Es gehört nämlich nicht zu meinen Gewohnheiten, mich einer Frau gegen ihren Willen aufzuzwingen. Außerdem bist du nicht mein Typ.“

„Verstehe“, behauptete ­Alissa schmallippig, hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Empörung.

Nicht sein Typ! Andersherum wurde wohl eher ein Schuh daraus!

„Ich kann mir auch keinen Mann vorstellen, den ich weniger attraktiv finden könnte als dich.“ Sie empfand es als gewisse Genugtuung, dass sich sein Gesicht angesichts ihres patzigen Statements sichtbar verdüsterte. Also war auch Mr Almighty längst nicht so cool und abgebrüht, wie er sich gab. Zum Glück wusste er nicht, dass sie ihn gerade angelogen hatte.

„Ausgezeichnet“, murmelte ­Dario und versuchte, ein vages Gefühl der Kränkung abzuschütteln. „Dann sind ja keine Komplikationen zu erwarten.“

So bekam er wenigstens, was er wollte, und gleich danach würde er ­Alissa Scott den Laufpass geben. Und wenn das Castello endlich wieder in seinem Besitz war, konnte er in aller Ruhe nach der perfekten Frau suchen.

Die endgültige Signora Parisi wäre eine elegante, kultivierte Schönheit mit sanftmütigem Temperament. Nicht so eine scharfzüngige Xanthippe, die ihn mit jedem Blick, jeder Geste und jedem Wort herausforderte und fast in den Wahnsinn trieb!

Sie würden ein ganzes Haus voller wohlerzogener, hübscher bambini haben, und er könnte die traumatische Vergangenheit endgültig abhaken. Nur zu gut erinnerte er sich noch daran, wie hungrig und verlassen er sich damals gefühlt hatte.

Nie wieder! Das hatte er sich geschworen.

Bald würde er alles besitzen, was er sich jemals gewünscht hatte: Reichtum, Macht, Respekt, sein Geburtsrecht und eine eigene Familie.

Warum nagte dann ­Alissas Stichelei derart an ihm? Seine Herkunft, sein Aussehen und sein Vermögen machten ­Dario nahezu unwiderstehlich für jede Frau. Und sie bildete da keine Ausnahme! Er hatte das begehrliche Glitzern in ihren blauen Augen sehr wohl registriert.

Auf seinem harten, aber rasanten Weg an die Spitze hatte er sich, trotz hinreichender Versuchungen, immer an seinen eigenen strengen Ehrenkodex gehalten. Trotzdem war er von vielen Seiten verleumdet worden. Zumeist von erfolglosen Journalisten, die versuchten, ihm alles Mögliche anzuhängen und auf seine Kosten mit reißerischen Storys zweifelhafte Karriereleitern zu erklimmen.

All das hatte ihn völlig kalt gelassen. Warum bohrten sich dann ausgerechnet ­Alissas alberne Beleidigungen wie ein spitzer Dorn in sein Fleisch?

„Wir wissen also beide, wo wir stehen, ?“, vergewisserte er sich noch einmal. „Keine Missverständnisse zwischen uns.“

Das letzte, was er brauchte, war, dass sie versuchte, ihre Krallen an ihm zu schärfen und ihn mit weiblicher List einzuwickeln! Mit aufdringlichen Frauen hatte er absolut keine Geduld, selbst, wenn sie so herausfordernd sexy waren wie sein Gegenüber.

Der laszive Hüftschwung, das verführerische Spiel der weichen Lippen und die herausfordernd femininen Kurven straften ihre zur Schau getragene Naivität und Unschuld Lügen. Das konnte er als Experte auf diesem Terrain sehr wohl beurteilen.

Doch dieser verletzliche Ausdruck in den kornblumenblauen Augen …

Unsinn! ­Alissa Scott war eine manipulative kleine Hexe, vor der er sich hüten musste. Und sie war seine Feindin, das durfte er nie vergessen.

Keine Missverständnisse …

Durfte sie seinen Worten wirklich trauen? Wenn er sie verachtete, konnte er sie doch nicht gleichzeitig begehren, oder? Aber was hatte dieses seltsame Glitzern in seinen Augen sonst zu bedeuten, während er ihren Körper mit hungrigen Blicken bedachte? Selbst für ­Alissas relative Unerfahrenheit in Sachen Männer und Sex zeugte dieses Verhalten von eindeutigem Interesse.

Außerdem, bei seiner Herkunft und den archaischen Ideen über Familienrache und Vergeltung erschien es ihm möglicherweise als ganz persönliche Genugtuung, die Frau zu verführen, in der er seinen ärgsten Feind sah.

Nein! Sicher schoss sie in ihrer lebhaften Fantasie nur wieder einmal übers Ziel hinaus. Hastig schloss sie die Augen und stellte sich vor, sie befände sich in einem quälenden Albtraum, aus dem sie gleich aufwachen würde.

„­Alissa?“

Niemand sprach ihren Namen so aus wie er. Es hörte sich an wie eine Liebkosung, obwohl das ganz sicher nicht beabsichtigt war. Zu ihrem Entsetzen spürte ­Alissa, wie sich ihre Brustspitzen hart und fordernd aufrichteten. Nur widerstrebend öffnete sie die Augen.

­Dario beobachtete sie aufmerksam und mit einer neugierigen Intensität, wie ein Wissenschaftler ein seltenes Objekt unter dem Mikroskop. Geistesabwesend fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen.

„Nichts weiter als ein geschäftliches Arrangement“, murmelte sie mit rauer Stimme. „Sicher hast du dir auch bereits Gedanken darüber gemacht, wo wir leben werden.“

„Natürlich begleitest du mich nach Sizilien, in meine Heimat.“

„Natürlich …“ ­Alissa bezweifelte, dass er den Sarkasmus in ihrer knappen Antwort wahrnahm. Wahrscheinlich kam es ihm überhaupt nicht in den Sinn, dass sie Verpflichtungen oder Neigungen haben könnte, die es ihr unmöglich machten, Australien für einen so langen Zeitraum zu verlassen. Ein Heim, eine Arbeit, eine Schwester, an der sie hing und um die sie sich schreckliche Sorgen machte. „Dann wäre ich gezwungen, meinen Job zu kündigen.“

„In sechs Monaten hast du so viel Geld, dass du nie mehr arbeiten musst.“

Was würde er wohl sagen, wenn sie behauptete, ihren Job zu lieben? Dass sie es genoss, anderen Menschen dabei zu helfen, ihren Urlaub zu planen und zu gestalten? Und dass man ihr gerade im Umgang mit schwierigen, kapriziösen Klienten ein ganz besonderes Talent bescheinigte?

Egal. In sechs Monaten wäre sie in der Lage, das Leben ihrer Schwester zu retten. Das allein zählte. Donna zuliebe würde sie es auch sechs lange Monate mit einem herablassenden, arroganten Sizilianer unter einem Dach aushalten.

Feindselig betrachtete sie das verhasste Dokument vor sich auf dem Tisch. Bis auf ihre Unterschrift war es bereits komplett ausgefüllt, inklusive ihrer privaten Daten. Offensichtlich überließ dieser Mann nichts dem Zufall.

Sollte sie sich ihm wirklich auf Gedeih oder Verderb ausliefern? Ja, lautete die einzig mögliche Antwort. Sie durfte Donna diese letzte Chance auf keinen Fall verweigern. Aber wenn es vielleicht dann schon zu spät für ihre Schwester war?

Jeder Mensch hat eine Achillesferse, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Auch Mr ­Dario Parisi! In ihrem Fall war es natürlich Donna – und bei ihrem zukünftigen Bräutigam? Das heiß begehrte Castello! Sein geliebter Familienbesitz, für den er offensichtlich zu allem bereit war.

„Wenn ich diesem … Deal tatsächlich zustimmen sollte, bestehe ich auf einem Vorschuss“, erklärte ­Alissa kühl und ohne mit der Wimper zu zucken. „Ein Drittel vom Wert des Castellos, und zwar am Tag unserer Hochzeit.“

Während sie auf seine Reaktion wartete, klopfte ihr Herz zum Zerspringen. ­Dario besaß so viel Geld, dass er den Verlust nicht einmal bemerken würde. Für ihn waren das nur Peanuts. Für sie und ihre Schwester jedoch bedeutete es wirklich alles.

„Na, was ist?“, hakte sie anscheinend kaltschnäuzig nach, während ihre Knie unter dem Tisch vor Nervosität gegeneinanderschlugen. „Das sollten deine fähigen Anwälte doch leicht arrangieren können.“

„Unbedingt“, erwiderte er eisig. „Mein Kompliment, neben vielem anderen hast du also auch noch das Talent deines Großvaters geerbt, das absolute Optimum aus deinen bedauernswerten Opfern herauszuquetschen.“ Aus seinen Augen sprach unversöhnlicher Hass.

Jedes seiner Worte traf sie wie ein Dolchstoß, doch es gelang ­Alissa, ihren Schmerz hinter einem höhnischen Lachen zu verbergen. „Du willst dich selbst nicht ernsthaft als bedauernswertes Opfer hinstellen, oder? Das wäre dann wohl doch ein wenig zu dick aufgetragen“, forderte sie ihn noch weiter heraus.

„Sehr clever, ­Alissa“, lobte ­Dario mit zusammengepressten Kiefern. „Du bist wirklich gerissen. Da du genau weißt, wie viel mir an dem Castello liegt, spekulierst du natürlich darauf, dass ich dich unter allen Umständen heiraten werde. Aber da muss ich dich enttäuschen. Nie wieder werde ich mich von einem Mitglied deiner Familie manipulieren lassen!“

Während er sprach, stand ­Dario halb von seinem Sitz auf, die Fäuste auf den Tisch gestemmt, und bedachte sie mit einem Blick, der ­Alissa automatisch zurückweichen ließ. „Wenn dir nicht reicht, was ich dir anbiete, dann geh zum Teufel! Aber vergiss nicht, dass wir beide an diese verdammte Testamentsklausel gebunden sind. Und ich habe auf jeden Fall den längeren Atem.“

Damit hatte er leider recht, zumindest finanziell gesehen. Außerdem war ­Alissa ganz sicher, dass es ihm sogar Vergnügen bereiten würde, sie gerichtlich bis zum letzten Blutstropfen zu bekämpfen. Sein Ziel zu erreichen, wäre dabei nicht einmal eine besondere Kunst, da sie selbst weder Geld noch hilfreiche Verbindungen besaß.

„In einer Stunde schließt das Standesamt“, erinnerte er sie mit einem Blick auf seine dezente goldene Uhr. „Dann hast du deine Chance vertan.“

­Alissa wischte sich unter dem Tisch die feuchten Hände an den ebenfalls noch feuchten Hosenbeinen ab. Dann streckte sie den Rücken, griff nach dem Füllfederhalter und versuchte, die warnende Stimme in ihrem Hinterkopf endgültig zum Schweigen zu bringen.

Es fühlte sich falsch an. Und doch war es das einzig Richtige, was sie tun konnte.

„Okay, du hast gewonnen …“, sagte sie.

4. KAPITEL

Rastlos, wie ein Tiger im Käfig, wanderte ­Dario im Foyer auf und ab und verbot sich mit äußerster Willensanstrengung den prüfenden Blick auf die Uhr. Sie ist unterwegs, versicherte er sich selbst. Immerhin informierten ihn seine Leute über jeden ihrer Schritte.

Die Hände in den Hosentaschen zu Fäusten geballt, strebte er auf den Eingang zu und trat ins Freie. Nie zuvor war er derart versessen darauf gewesen, ein Geschäft endlich unter Dach und Fach zu bringen. Seinen Familiensitz zurückzuerlangen bedeutete ihm sehr viel mehr, als Firmen zu kaufen und verkaufen. Hier ging es nicht um schnöden Profit, sondern um seine Identität.

Um eine wilde, unstillbare Sehnsucht, die ihn umtrieb, so lange er denken konnte.

Natürlich widerstrebte es ihm, deshalb eine Frau heiraten zu müssen, die sich aus Berechnung und Gier selbst verkaufte, um ein Vermögen zu erlangen. Aber um sein Ziel zu erreichen, war ­Dario kein Preis zu hoch.

Sein Blick fiel auf ein junges Mädchen, das aufgeregt an ihm vorbeieilte. Mit flatterndem Haar und endlos langen Beinen wie ein übermütiges Füllen.

Augenblicklich überfiel ihn die Erinnerung an seine erste Begegnung mit ­Alissa Scott, vor einigen Jahren. Damals hatten ihn Ungeduld und Ärger wegen der Hinhaltetaktik Gianfranco Manganos, der ihm den Parisi-Besitz nur gegen einen Ring an der Hand seiner Enkelin überlassen wollte, von Sizilien nach Australien getrieben.

Damals saß er nach einer fruchtlosen Debatte mit dem alten Schurken frustriert in seinem Auto und grübelte darüber nach, wie sein nächster Schritt aussehen sollte. In dem Moment sah er ­Alissa, wie sie sich im Schutz der Dunkelheit offenbar heimlich ins Haus schlich.

Der Anblick der langen, wohlgeformten Beine unter dem knappen Minirock, als sie aus dem niedrigen Sportwagen stieg, traf ihn wie ein Hieb auf den Solarplexus. Und dann dieses raue, kehlige Lachen einer Frau, die sich von ihrem Liebhaber verabschiedete … der graziöse Schwung, mit dem sie ihr langes Haar über eine Schulter zurückwarf, der flüchtige Blick, den sie ihm unbewusst auf die wohlgeformten Brüste und ihr zartes Profil gewährte …

Sein Körper reagierte derart heftig, dass ihm der Atem stockte und sein Blut wie flüssige Lava durch die Venen schoss.

Gianfranco Mangano hatte ihm gegenüber mehr oder weniger dezente Hinweise bezüglich des ziemlich losen Lebenswandels seiner Enkelin fallen lassen. Deshalb wollte er sie wohl auch endlich sicher verheiratet und in festen Händen sehen.

Doch ­Dario wusste auf den ersten Blick, dass ­Alissa nicht zu der Sorte Frauen gehörte, deren Traumziel es war, einen guten, anständigen Mann zu ehelichen. Dieser Eindruck verfestigte sich noch, als er später von ihren Drogenproblemen hörte.

Trotzdem hatte sie etwas an sich, das ihn in seiner primitivsten Männlichkeit ansprach und ihn fast zur Raserei trieb. Ein Blick von ihr reichte, und seine Hormone spielten völlig verrückt. Eine Reaktion, auf die er keineswegs stolz war!

Aus den Augenwinkeln registrierte er eine Bewegung und drehte den Kopf.

Porca miseria! Das konnte unmöglich ihr Ernst sein!

Hatte die Frau denn keinen Funken Selbstrespekt? Oder beabsichtigte sie, sie beide der Lächerlichkeit preiszugeben?

Fassungslos maß er seine zukünftige Frau von Kopf bis Fuß, während sie vorsichtig die Stufen zum Eingang hinaufstieg. Ein Traum … nein, ein Albtraum in Satin und Spitze, der neben seinem noch etliche andere Blicke auf sich zog! Den bauschigen Rock des langen schneeweißen Kleids, das in einer Schleppe endete, hielt sie hoch, um nicht zu straucheln. Ihr Gesicht, auf dem ganz sicher ein triumphierendes Lächeln lag, war halb verborgen hinter einem frivolen kleinen Schleier, der keck auf dem aufgetürmten Haar saß.

„Ich kann mich nicht erinnern, etwas von einem Kostüm gesagt zu haben“, knurrte er leise, als sie nah genug war.

­Alissa schluckte, tat als hätte sie die unflätige Bemerkung nicht gehört, und schritt weiter die Treppe empor und an ihm vorbei. Der Gedanke an die bevorstehende Hochzeit verursachte ihr bereits heftige Übelkeit, da konnte sie auf unangebrachten Sarkasmus sehr gut verzichten.

Am liebsten hätte sie sich einfach umgedreht und wäre davongelaufen, aber diesen Luxus durfte sie sich nicht leisten.

„Hallo, ­Dario. Charmant wie immer …“

Er war zu groß, zu einschüchternd und schrecklich beunruhigend. Ihr Magen zog sich zusammen, und als sein typischer Duft nach Limonen und warmer, männlicher Haut sie streifte, beschleunigte sich ihr Pulsschlag.

„Was hat das zu bedeuten?“, wollte er wissen und trat ihr in den Weg.

„Was, bitte?“, erwiderte sie betont harmlos und wappnete sich gegen seinen stählernen Blick.

„Diese Kostümierung!“ Er presste die Worte förmlich zwischen den zusammengekniffenen Lippen hervor. ­Alissas einzige Genugtuung lag in der Erkenntnis, dass ihr Bräutigam Donnas auffälliges Hochzeitskleid noch viel mehr zu hassen schien als sie selbst. Gut, dachte sie, wenigstens eine kleine Entschädigung für die Qualen, die ich ertragen muss.

„Hast du noch nie eine Braut gesehen?“, fragte sie spöttisch.

„Du bist keine Braut im üblichen Sinn, wie du sehr wohl weißt!“

Und dafür war sie mehr als dankbar!

„Warum dann diese Scharade?“, wollte er wissen.

„Da du darauf bestehst, dass ich dich nach Sizilien begleite, musste ich meinen Bekannten hier von unserer Hochzeit erzählen. Das wäre überflüssig gewesen, wenn ich in Melbourne hätte bleiben können“, erklärte sie müde. „Außerdem ist meine Schwester sehr romantisch und sentimental. Sie hat selbst erst vor Kurzem geheiratet und glaubt an die große Liebe mit allem drum und dran.“

„Du hast deine Schwester bezüglich unserer zukünftigen Ehe angelogen?“ Die Verachtung in ­Darios Stimme war nicht zu überhören.

­Alissa zuckte mit den Schultern. „Es war leichter, ihr eine Liebe auf den ersten Blick zu verkaufen, als sie über deine Geschäftspraktiken aufzuklären. Nach unserer Scheidung kann ich dann wenigstens mit der Geschichte von der überstürzten Heirat aus blinder Liebe aufwarten.“

Unter keinen Umständen hätte sie Donna zusätzlich zu deren gesundheitlichen Problemen auch noch ihr eigenes Elend aufgehalst, aber das ging ­Dario nichts an. Auch nur zu ahnen, dass ­Alissa nur heiratete, um ihrer kleinen Schwester zu helfen, würde bei Donna womöglich noch einen Schuldkomplex auslösen.

„Das erklärt aber immer noch nicht deinen Aufzug.“

„Donna wollte unbedingt mitkommen, und es war ein hartes Stück Arbeit, sie davon abzuhalten.“

Allein mit dem Hinweis, dass sie sich unbedingt für einen möglichen Termin bei einem Spezialisten in den USA schonen müsse, konnte ­Alissa ihre Schwester davon abhalten, den australischen Kontinent extra für ihre Hochzeit zu durchqueren.

„Aber sie hat mich darum gebeten, wenigstens das Kleid, das ihr so viel Glück gebracht hat, anzuziehen. Du weißt schon, etwas Geborgtes …“ Unter seinem harten Blick versagte ihre Stimme. ­Alissa räusperte sich und schob trotzig das Kinn vor. „Ich habe ihr versprochen, es zu tragen, okay?“

„Und du hältst deine Versprechungen?“

Warum musste er nur so skeptisch klingen? Nur gut, dass ihr nichts an seiner Meinung lag! Hier ging es um ein Geschäft und sonst nichts!

„Wenn du mit deiner Kritik endlich fertig bist, könnten wir vielleicht gehen. Du willst doch sicher nicht einen für dich so wichtigen Termin versäumen, oder?“

Schweigend und ziemlich grob zog er ihren Arm durch seinen und geleitete sie ins Innere des Gebäudes. So gaben sie die perfekte Parodie eines liebenden Brautpaares ab.

Alles, was dann kam, zog wie in dichtem Nebel an ­Alissa vorüber. Nichts schien real zu sein. Nicht die Schwere ihres Brautkleids oder die Selbstverständlichkeit, mit der sich ihre Hand in seine zu schmiegen schien. Als ­Dario ihr den Ring an den Finger steckte, ein Symbol seines Reichtums und seiner bedeutenden Stellung innerhalb der High Society, überraschte es sie kein bisschen, dass er wie angegossen passte.

Erst als der Standesbeamte sagte „… und jetzt dürfen Sie die Braut küssen“, riss das ­Alissa unsanft aus ihrer Trance.

­Dario zog seine frisch angetraute Frau zu sich, und angesichts des Triumphs in seinen dunklen Augen wurde ihr plötzlich ganz elend. Erst jetzt traf sie die Wahrheit wie ein Schlag ins Gesicht: Ab sofort war sie rechtmäßig an einen Mann gebunden, den sie so gut wie gar nicht kannte und der ihr das Leben zur Hölle machen konnte.

Verzweifelt versuchte sie, das aufkommende Gefühl von Panik zurückzudrängen, doch das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie nichts anderes mehr hörte.

Mit einer entschlossenen Geste schlug ­Dario den Schleier zurück. Ohne den mildernden Sichtschutz erschien ihr sein Lächeln plötzlich rasiermesserscharf und zynisch. Sein Blick war nicht der eines Geschäftsmanns nach einem erfolgreichen Deal, sondern der eines Piraten, dem es nach einer langen, verbissenen Verfolgungsjagd endlich gelungen war, das begehrte Schiff zu kapern.

Dies war keine Farce, sondern real und sehr persönlich!

Bevor sie protestieren konnte, zog ­Dario sie fest an seine Brust und verschloss ihr den Mund mit einem heißen, sengenden Kuss, als wollte er ihr sein Brandzeichen aufpressen. ­Alissa hatte den Schock noch nicht überwunden, da wandelte sich der hungrige Kuss zu einer herausfordernd zärtlichen Liebkosung, die ihr fast die Sinne raubte.

Kein Zweifel, dieser Mann küsste einfach meisterhaft! Seine Lippen waren sanft, aber bestimmt. Er dirigierte seine Frau exakt in die Richtung, in der er sie haben wollte. Anstatt sich gegen seine verführerische Dominanz zu wehren, verspürte ­Alissa den quälenden Drang, sich ganz seiner Führung zu überlassen und sich ihm zu ergeben …

Verzweifelt versuchte sie, wenigstens einen Rest ihrer Selbstachtung zurückzugewinnen. Aber solange er ihr so nah war, konnte sie an nichts anderes mehr denken als daran, dass sie jetzt ein Ehepaar waren und …

Als ­Dario sich abrupt von ihr zurückzog, sie die Augen öffnete und seinem wissenden Blick begegnete, errötete sie unwillkürlich.

Autor

Cathy Williams

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