Julia Exklusiv Band 262

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MEIN STOLZER ANDALUSIER von WINSPEAR, VIOLET
Andalusien, ein Meer aus Licht und Farben, darin eine märchenhafte Hazienda. War Arabel schon einmal hier? Und ist der stolze Don Cortez de la Dura wirklich ihr Ehemann? Seit einem Unfall ist ihre Erinnerung wie ausgelöscht. Und nun soll sie dem Fremden vertrauen …

FÜR IMMER IN DEINEN ARMEN? von CELMER, MICHELLE
Hannah wird den König von Morgan Isle heiraten. Aber kann eine arrangierte Ehe gutgehen? Hannahs Zweifel verblassen, als er sie im Schlossgarten in seine starken Arme schließt. Doch kurz vor der Hochzeit spürt sie die hasserfüllten Blicke einer mysteriösen Frau. Liebt Phillip eine andere?

IN DER OASE DES SCHEICHS von GRACE, CAROL
Weit ist der Himmel über der Wüste, doch eng ist es um Claudias Herz. Bleibt ihre Sehnsucht nach Scheich Samir auf ewig unerfüllt? Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, verlobt sich die Liebe ihre Lebens in wenigen Tagen in seiner Heimat Tazzatine mit einer anderen Frau …


  • Erscheinungstag 14.08.2015
  • Bandnummer 0262
  • ISBN / Artikelnummer 9783733703677
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Violet Winspear, Michelle Celmer, Carol Grace

JULIA EXKLUSIV BAND 262

VIOLET WINSPEAR

Mein stolzer Andalusier

Sein Stolz verbietet es dem reichen Don Cortez de la Dura, der hübschen Arabel die ganze Wahrheit zu eröffnen. Durch einen Unfall hat sie ihre Erinnerung verloren. Doch was, wenn sie zurückkehrt? So sehr wünscht er sich, dass in seinem märchenhaften Palast inmitten des traumhaften Andalusiens einfach alles gut wird. Aber er ahnt auch die Gefahr, die das in sich birgt …

MICHELLE CELMER

Für immer in deinen Armen?

Er wird Hannah heiraten, das weiß König Phillip genau. Auch wenn er ihr keine Liebe bieten kann. Sie ist in arrangierten Ehen nicht vorgesehen – besonders nicht im Hochadel. Doch je besser er Hannah kennenlernt, desto mehr fühlt Phillip sich zu der schönen jungen Frau hingezogen. Er genießt die wunderbare Zeit mit ihr … bis seine Exgeliebte plötzlich auftaucht ...

CAROL GRACE

In der Oase des Scheichs

Der mächtige Scheich Samir Al-Hamri will seine zauberhafte Assistentin Claudia in seiner luxuriösen Villa unbedingt um sich haben, wenn er jenen großen Schritt tut: Er wird einer anderen das Eheversprechen geben. Die Etikette will es nun mal so! Doch was nützen ihm sein Reichtum und seine Macht, wenn er nicht seinem Herzen folgen kann? In Claudias Arme …

1. KAPITEL

Zuerst kamen die großen cremeweißen Kamelien. Die junge Frau im Krankenbett registrierte verschwommen, wie schön sie aussahen, aber es war ihr gleichgültig, wer die Blumen geschickt oder vielleicht persönlich vorbeigebracht hatte.

Am Tag darauf erhielt sie einen Korb mit saftigen dunkelblauen Weintrauben, auf deren glänzender Schale sich das Sonnenlicht brach. Dann wurde eine mit Seide bezogene Bonbonniere abgegeben, die mit einer dunkelroten Schleife verziert war. Diesmal fühlte sich die Patientin kräftig genug, um nach der kleinen gedruckten Karte zu greifen, die an der Schleife befestigt war.

San Devilla.

Die junge Frau formte die Worte mit den Lippen nach, doch sie ergaben keinen Sinn für sie. War es der Name eines Hauses? Wohnte sie selber dort, oder gehörte es einem Freund? Dann musste es sich um den freundlichen Menschen handeln, der ihr die Blumen, das Obst und die erlesenen Pralinen geschickt hatte.

Eine Schwester kam herein, und die junge Frau bot ihr an, von dem Konfekt zu kosten. „Sie sind zu liebenswürdig, Señora.“ Die Schwester betrachtete die köstlichen Süßigkeiten mit leuchtenden Augen. „Man traut sich kaum, etwas davon zu nehmen, und andererseits ist es unmöglich zu widerstehen.“

Die Patientin musterte die Schwester, sie bemerkte die dunklen Augen und das schwarze Haar unter dem weißen Häubchen. „Wo bin ich?“, fragte sie zum ersten Mal. „Und … wer bin ich?“

„Sie befinden sich in einem Krankenhaus in Córdoba.“ Die Schwester lächelte und wählte eine Praline mit rosa Zuckerguss, die sie anmutig und mit sichtlichem Genuss verzehrte.

„Córdoba?“

„Die Stadt in Südspanien, Señora. Erinnern Sie sich nicht?“

„Kein bisschen.“ Die junge Frau hob ihre linke Hand, konnte aber keinen Ring entdecken. „Warum nennen Sie mich Señora? Bin ich verheiratet?“

„Allerdings“, versicherte die Schwester. „Betrachten Sie Ihre andere Hand.“ Als sie merkte, wie schwach ihre Patientin noch war, trat sie ans Bett, hob die schlanke Rechte an und hielt sie in den Sonnenstrahl, der durch einen Spalt der Jalousie hereinfiel. Die junge Frau erkannte einen schimmernden Goldreif mit einem tiefblauen Edelstein.

Ein ängstlicher Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Ihr Herz begann zu hämmern, und das Atmen wurde ihr schwer. Sie starrte auf den Ring, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass ihre Augen genauso blau und leuchtend waren wie der kostbare Saphir, der ihn zierte. Ebenso wenig war sie sich ihrer fein geschnittenen Gesichtszüge, ihrer vollen Lippen und ihres langen blonden Haars bewusst, in das das Sonnenlicht goldene Reflexe zauberte. Ihre beinahe durchscheinende Blässe verlieh ihren Zügen einen ganz eigenen Reiz.

Der Blick der jungen Frau hing wie gebannt an dem Trauring, dann verzogen sich ihre Lippen wie in plötzlichem Schmerz, so als habe etwas Unerträgliches den Nebel in ihrem Bewusstsein durchdrungen. Wie von selbst schloss sich ihre Hand zur Faust, so fest, dass die Knöchel weiß unter der zarten Haut hervortraten.

„Warum trage ich den Ring an der rechten Hand?“ Es schien die Patientin nicht zu wundern, dass sie praktische Dinge wahrnahm, obwohl ihr alle persönlichen Erinnerungen fehlten.

„Ihr Mann ist Spanier, Señora. Es ist so Sitte in diesem Land.“

„Ich verstehe. Aus welchem Land stamme ich?“

„Soweit man uns informiert hat, aus den Vereinigten Staaten. Aus Boston, Señora.“

„Dann bin ich Amerikanerin. Wissen Sie zufällig auch, wie ich heiße?“

Ein mitleidiger Ausdruck erschien in den dunklen Augen der Schwester. Es ging ihr nah, wie rührend die Kranke um Auskunft über sich selbst bat. „Sie heißen Arabel, Señora. Ein hübscher Name, nicht wahr?“

„Arabel.“ Die junge Frau sprach den Namen zögernd nach, als hoffte sie, er würde ihr schlagartig die Erinnerung zurückbringen. „Und weiter?“

„Sie sind Señora Ildefonso de la Dura.“ Die Stimme der Schwester verriet deutlich ihre Hochachtung.

Arabel ließ den Namen auf sich wirken, aber er sagte ihr absolut nichts. Der ehrerbietige Ton der Schwester war ihr nicht entgangen, und sie griff krampfhaft nach der Bettdecke, um nicht laut herauszuschreien, dass das alles nicht stimmen konnte … dass sie nie und nimmer die Frau eines unbekannten Spaniers war. Sie hatte das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein. Alles, was sie ausmachte, schien aus ihrem Gedächtnis gelöscht, und womöglich würde sie schon morgen einem Mann begegnen, der so streng und einschüchternd war, wie sein Name vermuten ließ. Einem Fremden, der sie als seine rechtmäßige Ehefrau betrachtete.

„Ich … ich finde mich nicht mehr zurecht“, flüsterte sie und sah sich genauer in dem Krankenzimmer um. „Wie komme ich hierher? Was ist mir zugestoßen? Habe ich einen Unfall gehabt?“

„Mit all diesen Dingen sollen Sie sich vorläufig nicht beschäftigen, Señora“, erwiderte die Schwester. „Ich werde es Ihnen jetzt ein bisschen bequemer …“

„Nein!“ Arabel machte eine abwehrende Handbewegung. „Sie weichen mir aus, und ich will wissen, was mit mir los ist. Warum kann ich mich an nichts erinnern … nicht einmal an meinen Namen oder das Gesicht meines Ehemanns? Was ist mit mir geschehen?“

„Regen Sie sich bitte nicht auf, Señora.“ Die Schwester begann nervös zu werden. „Das ist nicht gut für Sie und wird die Heilung …“

„Heilung wovon?“, wollte Arabel wissen. Ihre blauen Augen waren ängstlich auf die Schwester gerichtet. „Ich verlange Auskunft.“

„Sie leiden an Gedächtnisverlust infolge einer Gehirnerschütterung“, antwortete die Schwester widerstrebend. „Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Sie sind noch sehr geschwächt, aber sobald Sie sich genug erholt haben, wird der Doktor Ihnen alles erklären. Bis dahin müssen Sie Körper und Geist schonen, dann sind Sie bald wieder gesund.“

Arabel starrte die Schwester an. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. „Wenn Sie mir keine Auskunft geben wollen, verlange ich, dass Sie den Doktor holen“, erklärte sie. „Ich muss wissen, was mit mir los ist, Schwester, sonst werde ich verrückt!“

„Wie Sie meinen, Señora.“ Die Schwester wirkte verunsichert. „Ich werde nachsehen, ob Doktor Guardano abkömmlich ist. Liegen Sie bis dahin möglichst still, damit Ihr Puls sich wieder beruhigt.“

Die Tür schloss sich hinter der Schwester, und Arabel blieb allein zurück. Sie hielt die Bettdecke immer noch krampfhaft fest, der kostbare blaue Stein an ihrer Hand funkelte im Licht des einsamen Sonnenstrahls. Er war also reich – dieser Spanier, dieses gesichtslose Phantom, dessen Frau sie angeblich war. Er konnte das Einzelzimmer bezahlen, in dem sie lag, und anscheinend lag ihm so viel an ihr, dass er ihr Blumen, Früchte und Konfekt zukommen ließ.

Sie hätte sich beschützt und aufgehoben fühlen sollen, stattdessen verspürte sie eine entsetzliche Beklommenheit, wenn sie nur an ihn dachte. Sie hatte nicht die blasseste Vorstellung von ihm, aber alles in ihr reagierte mit instinktiver Abwehr.

Wie war es dazu gekommen, dass sie als Amerikanerin einen Spanier geheiratet hatte? Sie schloss die Augen und versuchte sich zu erinnern, doch der Nebel in ihrem Hirn wollte sich nicht lichten. Ihre Vergangenheit lag hinter einem undurchdringlichen Schleier verborgen. Sie hatte eine Gehirnerschütterung erlitten … Etwa infolge eines heftigen Schlags auf den Kopf? Es war frustrierend, dass sie normal denken, sich jedoch an nichts Persönliches erinnern konnte – auch nicht an den Mann, dessen Ring sie trug.

Sie war fast wieder eingeschlafen, als sich die Tür öffnete und ein schlanker dunkelhaariger Mann im weißen Kittel hereinkam.

„Ich bin Dr. Guardano“, stellte er sich vor. Dann trat er an das Bett, nahm ihre Hand und fühlte ihr den Puls. Dabei sah er ihr aufmerksam ins Gesicht, und sie bemerkte, dass er leicht die Brauen zusammenzog.

„Sie haben sich aufgeregt“, meinte er kopfschüttelnd. „Das schadet Ihnen und macht Sie unnötig müde.“

„Es schadet mir mehr, wenn man mich über meinen … Unfall im Unklaren lässt“, entgegnete Arabel. „Der Ring an meiner Hand beweist, dass ich kein Kind mehr bin. Ich erwarte, dass man mir die Wahrheit sagt.“

Dr. Guardano setzte sich vorsichtig auf die Bettkante, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Die Schwierigkeit liegt darin, dass man bei Ihnen nicht von einem gewöhnlichen Unfall sprechen kann, wie er etwa auf der Straße oder im Haushalt vorkommt. Verstehen Sie mich?“

„Sie meinen, jemand hat mir einen Schlag gegen den Kopf verpasst?“

„Eine kluge Schlussfolgerung. Ich wusste schon immer, dass Amerikanerinnen gut erzogen sind und die Welt mit wachen Augen betrachten. Ja, Señora … unglücklicherweise war genau das die Ursache Ihrer Gehirnerschütterung, in deren Folge Sie Ihr Gedächtnis verloren haben. Kein sehr angenehmer Zustand, aber er wird vorübergehen, wenn wir uns Zeit lassen und wenn Sie mithelfen. Vor allem dürfen Sie sich zu nichts zwingen. Das Gehirn ist ein äußerst empfindliches Organ.“

„Wer hat mir die Verletzung beigebracht?“ Arabels Stimme klang leise und angespannt. „Geben Sie mir wenigstens diesen Hinweis.“

„Es wäre mir lieber, Señor Hidalgo würde Ihnen alles erklären.“

„Wer?“ Arabel sah den Arzt mit großen Augen an.

„Ihr Ehemann, Señora.“ Ein besorgter Ausdruck erschien auf Dr. Guardanos Gesicht. „Können Sie sich nicht an ihn erinnern?“

„Nein.“ Ein Zittern überlief Arabel. „Es ist, als würden Sie von einem Fremden sprechen. Ich fühle mich schrecklich … als befände ich mich allein im Weltall.“

„Kein schlechter Vergleich, Señora.“ Der Doktor drückte Arabels Hand. „Sie verdanken ihm Ihr Leben, auch wenn Sie sich nicht an die Umstände erinnern können.“

„Mein Leben?“ Arabel fühlte einen schmerzhaften Druck im Magen. „Welche Heldentat hat er denn vollbracht?“

Dr. Guardano runzelte die Stirn. Er fand es besorgniserregend, dass Arabel auf den einzigen Menschen, der ihr hätte wichtig sein müssen, mit ängstlicher Abwehr reagierte. Sie schien geradezu vor ihm zurückzuschrecken.

„Einiges kann ich Ihnen mitteilen, Señora“, lenkte er ein. „Sie wurden in Venezuela verhaftet, weil Sie zwei Studenten Zuflucht gewährten, die für einen Brandanschlag auf eine Ölraffinerie verantwortlich waren. Sie versteckten sie in Ihrem Apartment, aber eine Nachbarin hatte die beiden gesehen und meldete ihre Beobachtung der Polizei. Ihre Wohnung wurde durchsucht, man verhaftete die Brandstifter und anschließend Sie. Anscheinend kam es dabei zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf Sie den Schlag auf den Kopf erhielten. Die Angelegenheit kam Señor Ildefonso de la Dura zu Ohren, und mithilfe seiner inoffiziellen Verbindungen wurde Ihre Freilassung erwirkt, sonst würden Sie heute noch in einer Zelle hilflos dahindämmern. Kluge Männer halten sich aus der Politik heraus, aber der Señor Hidalgo war mutig genug, sich Ihretwegen einzumischen. Er heiratete Sie und konnte Sie als seine Frau außer Landes bringen.“

Arabel hatte dem Bericht gespannt zugehört, doch nichts ergab einen Sinn für sie. Südamerikanische Brandstifter, brutale Polizisten, die Rettungsaktion eines unbekannten Spaniers … was hatte das alles mit ihr zu tun? Aber Dr. Guardanos tiefernstes Gesicht bewies ihr, dass er die Wahrheit sprach und ihr kein Schauermärchen erzählte.

„Ich kann mich beim besten Willen nicht an den Mann erinnern“, beteuerte sie. „Außerdem wundert es mich, dass er sich mit einer Frau belastete, die dumm genug war, zwei Brandstifter zu decken. Die ganze Geschichte ist nicht wirklich plausibel, Doktor, nicht wahr?“

„Auf den ersten Blick vielleicht nicht“, gab er zu, „zumal Sie immer noch unter Schock stehen und geistig verwirrt sind. Später, wenn Ihnen nach und nach die Einzelheiten einfallen …“

„Warum kann ich mich nicht einmal an das Gesicht meines Retters erinnern?“, unterbrach Arabel ihn unglücklich. „Wenn er mich nach dem Schlag auf den Kopf geheiratet hat, müsste ich ihn doch kennen … auch wenn alles, was vorher geschah, im Dunkel liegt.“

„Der entscheidende Zusammenbruch erfolgte erst während des Flugs nach Spanien“, erklärte Dr. Guardano. „Sie wurden direkt vom Flugplatz in einem Krankenwagen zu uns gebracht. Sie waren bewusstlos und blieben es für mehrere Stunden. Als Sie wieder zu sich kamen, gaben wir Ihnen Sedativa, um die nötige Ruhe zu gewährleisten. Darum haben Sie die letzten Tage in einer Art milder Betäubung verbracht. Ich hätte diesen Zustand gern noch aufrechterhalten, aber wie es scheint, ist Ihre Neugier inzwischen so groß …“ Er lächelte beruhigend. „Die Erinnerung wird zurückkommen, Señora. Mit der Zeit.“

„Mit der Zeit?“, wiederholte Arabel. „In einer Woche? Einem Monat? Oder vielleicht in einem Jahr? Mein ganzes Leben ist wie ausgelöscht. Ich weiß nicht einmal, warum ich in Venezuela gearbeitet habe.“

„Vermutlich, weil Sie gut bezahlt wurden.“ Wieder lächelte der Doktor. „Amerikanische Frauen bleiben nicht brav zu Hause. Sie möchten die Welt kennenlernen … und Sie sind keine Ausnahme. Es war unüberlegt von Ihnen, sich mit diesen Studenten einzulassen, aber dafür sind Sie jetzt mit einem bedeutenden Mann verheiratet.“

„Wie … bedeutend?“, fragte Arabel mit banger Vorahnung. „Ist er alt und gebrechlich?“

Dr. Guardano sah sie einen Moment verblüfft an und musste dann lachen. „Señor Ildefonso de la Dura ist keineswegs ein alter Mann, Señora. Dass er Ihnen zu Hilfe kam, als Sie im Gefängnis waren, beweist, dass er Sie schon vorher kannte, und das ist kein Wunder, wenn ich das sagen darf. Mit Ihrem hellen Teint und dem blonden Haar gehören Sie zu den Frauen, die in südlichen Ländern auffallen.“

„Bin ich blond?“ Die Auskunft schien Arabel zu erstaunen. Mit gerunzelter Stirn tastete sie nach ihrem Zopf und betrachtete ihn. „Ja, tatsächlich. Es ist furchtbar, sich selbst und die Familie, aus der man stammt, nicht mehr zu kennen, Doktor. Warum haben meine Verwandten mir nicht geholfen? Warum musste es ein Fremder tun?“

„Sie dürfen sich nicht mit solchen Fragen quälen“, warnte der Doktor. „Je mehr Sie nach Antworten suchen, umso weniger werden Sie welche finden.“ Er nahm einen Handspiegel aus dem Nachtschränkchen und reichte ihn ihr. „Betrachten Sie sich genau, Señora. Sie werden bestimmt nicht enttäuscht sein.“

Arabel nahm den Spiegel und hielt ihn so, dass sie ihr Haar und ihr Gesicht darin erkennen konnte. Sie sah tiefblaue Augen, die tausend Fragen stellten, einen Mund, der vor Nervosität leise bebte, und hohe Jochbeine mit leicht eingefallenen Wangen darunter. Es war ein interessantes Gesicht. Es war ihres, und es hatte einen unbekannten Spanier bezaubert – einen Mann, den sie nach Meinung des Doktors gekannt hatte, bevor sie verhaftet und verletzt worden war und während des Flugs hierher ihr Gedächtnis verloren hatte.

Plötzlich erfasste sie eine entsetzliche Müdigkeit. Dr. Guardano bemerkte es, nahm ihr den Spiegel ab und empfahl ihr, sich hinzulegen. „Die Schwester wird Ihnen ein Beruhigungsmittel bringen“, sagte er leise. „Schlaf ist jetzt die beste Medizin für Sie.“

„Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen …“

Der Arzt betrachtete sie verwundert. „Wie bitte, Señora?“

„Ich habe wohl etwas zitiert“, murmelte Arabel. „Ob das ein gutes Zeichen ist, Doktor? Werde ich beim Aufwachen feststellen, dass sich der Nebel verzogen hat?“

„Das ist gut möglich, Señora, aber knüpfen Sie nicht zu viele Erwartungen an ein literarisches Zitat. Das Gedächtnis muss langsam zurückkehren, damit Sie wieder ganz gesund werden.“

„Dann bin ich nicht verrückt?“

„Was für eine abwegige Vermutung, Señora!“

Arabel lächelte schwach. „Sie sind sehr freundlich, Doktor. Ob … er es auch ist?“

„Ein Spanier, der eine junge Frau hat, ist immer freundlich“, versicherte Dr. Guardano.

Tröstliche Worte, dachte sie. Doch deswegen mussten sie nicht wahr sein. Ein Arzt hatte die Pflicht, seine Patienten zu beruhigen, aber sie war verheiratet und konnte sich nicht einmal daran erinnern, Braut gewesen zu sein.

Ein Gefühl der Trostlosigkeit und Verlassenheit überkam Arabel, und sie nahm das angekündigte Beruhigungsmittel dankbar ein. Nach wenigen Minuten begann alles zu verschwimmen, dann fiel sie in tiefen, traumlosen Schlaf. Ihre rechte Hand lag ausgestreckt auf der Bettdecke. Wenn ein Sonnenstrahl darüber hinwegglitt, blitzte der Saphir auf.

Am nächsten Tag durfte Arabel ein Bad nehmen. Anschließend brachte die Schwester ihr ein frisches seidenes Nachthemd und bürstete ihr das Haar, bis es seidig glänzend über ihre Schultern fiel. Dann schüttelte sie die Kissen auf und steckte sie hinter ihrem Rücken fest, damit sie bequem sitzen konnte. Es ist wohl überflüssig zu fragen, ob sich ein Besucher angemeldet hat, dachte Arabel. Alle Anzeichen sprachen dafür.

„Fertig.“ Die Schwester stand neben dem Bett und lächelte zufrieden. „Wie jung Sie aussehen … wie ein kleines Mädchen, das besonders artig war und jetzt seine Belohnung erhält.“

„Mit der Belohnung meinen Sie meinen … Ehemann, nicht wahr?“ Arabel wunderte sich, dass sie so ruhig sprechen konnte, obwohl sie innerlich bis zum Zerreißen gespannt war. Sie hätte flehentlich darum bitten mögen, sie nicht mit dem Fremden, der sie als seine Ehefrau betrachtete, allein zu lassen. Das alles konnte nur eine Verschwörung sein. Wenn man verheiratet war und seinen Mann liebte, verlor man ihn nicht so vollständig aus dem Gedächtnis!

Arabels Blick blieb an den wunderschönen rosa Nelken hängen, die vor einer Stunde abgegeben worden waren. Darunter lag ein Päckchen, das sie bisher nicht geöffnet hatte.

„Soll ich das Geschenk auspacken?“, fragte die Schwester. „Sicher sind Sie neugierig, was Ihr Mann Ihnen geschickt hat.“

„Eigentlich nicht.“ Arabel brauchte sich zu dem kühlen Ton nicht zu zwingen. Sie empfand nur Furcht und Abneigung gegen den Fremden, der über ihr Schicksal bestimmte und sie von denen, die sich vielleicht um sie sorgten, fernhielt. Womöglich verschwieg er ihnen sogar absichtlich, dass sie mit Amnesie in einem südspanischen Krankenhaus lag.

Alle Blumen und Geschenke waren von ihm gekommen. Als Arabel gefragt hatte, ob sich irgendjemand telefonisch nach ihr erkundigt habe, war die Antwort Nein gewesen. Man schien es für richtig und ausreichend zu halten, dass sich dieser unbekannte Spanier, der sich als ihr Ehemann ausgab, um sie kümmerte.

„Lassen Sie mich das Päckchen öffnen“, drängte die Schwester. „Ihr Mann könnte sonst annehmen, dass Sie seine Güte nicht zu schätzen wissen.“

„Was ich jedenfalls überhaupt nicht schätze, ist, dass er meine Verwandten und Freunde über meinen Zustand völlig im Unklaren lässt“, bestätigte Arabel bitter. „Mit den Blumen und Geschenken will er bestimmt nur sein Gewissen beruhigen.“

Die Schwester sah sie erst entsetzt und dann missbilligend an. „Seien Sie versichert, dass Ihr Mann ein Gentleman ist, Señora“, sagte sie streng. „Er ist muy distinguido … sehr vornehm, und er würde nie etwas Unehrenhaftes tun.“

„Ich bezweifle nicht, dass er sich perfekt verbeugen und blumige Komplimente machen kann“, erwiderte Arabel. „Meine Angehörigen in Amerika hat er allerdings nicht über mein Schicksal benachrichtigt. Gehen alle spanischen Ehemänner so eigenmächtig vor? Verliert eine Frau ihre Familie, wenn sie einen spanischen Grande heiratet?“

„Vielleicht haben Sie in Amerika gar niemanden, der Ihnen nahe steht und den man benachrichtigen könnte“, wandte die Schwester ein. „Es ist ungerecht, Ihren Mann so zu verdächtigen … zumal Sie geistig immer noch verwirrt sind.“

Arabel biss sich auf die Lippe. Vielleicht hatte die Schwester recht, doch das änderte nichts an ihrem Gefühl der Verlassenheit und ihrem Widerstreben, dem Mann zu begegnen, dem sie so hilflos ausgeliefert war. Lag sie nicht wie eine Gefangene in diesem Krankenhausbett? Zugegeben, man sorgte vorbildlich für sie, aber war das Grund genug, dass alle in Ehrfurcht erstarrten, sobald auch nur der Name Ildefonso de la Dura fiel?

„Also gut“, gab sie nach. „Meinetwegen können Sie das Päckchen öffnen, wenn Ihnen so viel daran liegt.“

Die Schwester lächelte erleichtert, wickelte das Geschenk aus und hielt staunend den Atem an. In einem Kästchen aus Schildpatt lagen ein juwelenbesetzter Schmuckkamm, wie ihn Spanierinnen im Haar trugen, und ein weißer Spitzenfächer, der mit einem goldenen Blütenzweig bemalt war. Beide Stücke waren ausgesucht schön, aber Arabel presste die Hände zusammen und verweigerte jede Berührung.

„Ist der nicht reizend?“ Die Schwester klappte den Fächer auf, schwenkte ihn mit einer gekonnten Drehung des Handgelenks und hielt ihn dann so vor ihr Gesicht, dass nur noch die dunklen Augen zu sehen waren.

„Sie können ihn gern behalten“, sagte Arabel. „Weil Sie so nett zu mir waren.“

„Oh nein!“ Erschrocken klappte die Schwester den Fächer zu und legte ihn in das Kästchen zurück. „Er ist ein Geschenk Ihres Mannes, und der Señor Hidalgo wäre sehr zornig, wenn Sie ihn weiterverschenken würden. Es handelt sich vermutlich um ein Familienerbstück, das Sie in Ehren halten müssen.“

„Aber Sie sind Spanierin, und der Fächer passt zu Ihnen. Sie sollten sich auch den Kamm nehmen, wenn Sie Freude daran haben.“

„Nein.“ Die Schwester trat eilig vom Bett fort, ihre Miene zeigte eine Mischung aus Unverständnis und Nachsicht mit der verstörten Patientin. Jemanden wie Arabel hatte sie bislang nicht kennengelernt. Wie konnten einer Frau die teuren und kostbaren Geschenke ihres Ehemanns so gleichgültig sein? „Ich lasse Sie jetzt allein, Señora, mich rufen andere Pflichten. Kann ich Ihnen noch etwas bringen, bevor ich gehe?“

„Wie wäre es mit meiner Kleidung und meiner Handtasche?“, fragte Arabel ironisch. „Ich würde am liebsten von hier verschwinden … bevor er kommt und sich das Netz noch dichter um mich zusammenzieht. Ich fühle mich wie ein gefangener Vogel, Schwester, begreifen Sie das nicht? Ich möchte mich befreien, aber Sie tun alles, um mich diesem Mann auszuliefern.“

Die Schwester schüttelte nur den Kopf. Die Amerikanerin war nicht ganz bei sich, darum musste man behutsam mit ihr umgehen. „Essen Sie von Ihren Weintrauben, Señora“, schlug sie vor. „Bald kommt der Señor Hidalgo, und dann wird alles gut.“

Sie verließ den Raum, und Arabel sah ihr mit zusammengepressten Lippen nach. Es machte sie wütend, dass alle so ehrfürchtig von dem Unbekannten sprachen, in dem sie nur ihren Peiniger sah. Kamm und Fächer waren von erlesener Schönheit, wie auch die anderen Geschenke, doch nichts gehörte wirklich ihr. Nicht einmal das seidene Nachthemd mit echter spanischer Spitze.

Seufzend lehnte sie sich in die Kissen zurück. Sie saß in einer Falle, aus der es im Augenblick kein Entkommen gab. Sie musste die Ankunft des Fremden abwarten. Vielleicht würde sich bei seinem Anblick alles klären, aber die Angst vor ihm würde bleiben.

Woher kam diese Angst, wo ihr doch jeder versicherte, dass sie Grund hatte, dem Señor Hidalgo dankbar zu sein? Er war zu ihrer Rettung geeilt, hatte seinen Einfluss geltend gemacht, um sie aus den Fängen der Geheimpolizei zu befreien … Alles gut und schön, aber wie war sie überhaupt in die Gesellschaft politischer Rebellen geraten?

War alles eine Lüge, um besser Druck auf sie ausüben zu können? Doch warum sollte der Spanier eine solche Geschichte erfinden? Welchen Grund konnte es dafür geben? Er hatte sich für sie verwendet, und der Ring an ihrer Hand war sorgfältig ausgewählt worden. Nicht nur passte er wie angegossen, das Blau des Saphirs harmonierte auch perfekt mit der Farbe ihrer Augen. Alles wies darauf hin, dass sie tatsächlich Señora Ildefonso de la Dura war, obwohl sie sich wie ein verwirrtes kleines Mädchen fühlte, das vom Leben einer Ehefrau nicht das Geringste wusste.

Dr. Guardano behauptete, der Spanier habe sie geheiratet, um sie aus Venezuela herauszuschaffen. Durfte sie daraus schließen, dass die Ehe nur auf dem Papier bestand und sie nach Amerika zurückkehren konnte, sobald ihre Gesundheit es erlaubte? Ihre innere Anspannung begann nachzulassen. Ja, so musste es sein. Señor Ildefonso de la Dura kam her, um ihr mitzuteilen, dass die Heirat nur ein Vorwand gewesen war – ein Mittel zum Zweck. Jetzt, wo sie sich in Spanien befand und nicht mehr wegen Unterstützung von Rebellen bestraft werden konnte, würde sie binnen Kurzem ihre völlige Freiheit zurückerhalten.

Arabel atmete auf und lächelte zaghaft. Aber es war ein flüchtiges Lächeln, das schnell wieder verschwand, als ein Sonnenstrahl die Facetten des Saphirs traf und ihn zu funkelndem Leben erweckte.

Der Edelstein blitzte und schimmerte, als wolle er sie verspotten, doch Arabel war inzwischen klar genug, um sich nicht mehr einreden zu müssen, er sei eine Imitation – so unecht wie das Eheversprechen, das sie gegeben hatte, ohne sich daran zu erinnern.

2. KAPITEL

Der kleine Wecker auf dem Nachtschränkchen tickte, und das helle Sonnenlicht, das von den weißen Wänden zurückgeworfen wurde, bewies, dass draußen wieder ein heißer Tag angebrochen war. In Spanien herrschte den ganzen Sommer über glühende Hitze, aber hier im Krankenhaus sorgten Klimaanlagen dafür, dass es angenehm kühl war, das konnte Arabel an dem feinen Luftzug erkennen, der aus einer vergitterten Öffnung unterhalb der Zimmerdecke strömte.

An der Wand gegenüber dem Bett hing ein hölzernes Kruzifix. Arabel schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, das in diesem katholischen Land, in dem man so beharrlich an alten Ehegesetzen festhielt, vermutlich wenig Aussicht auf Erhörung hatte.

Als sie die Augen wieder aufschlug, stand ein Mann in der offenen Tür, wie ein großes Porträt in einem rechteckigen Rahmen. Arabel sah ihn an und stellte verwundert fest, wie dunkel sich seine Silhouette gegen die weiße Zimmereinrichtung abhob. Sogar der Anzug war dunkel und perfekt auf seine schlanke Figur zugeschnitten. Das makellos weiße Hemd betonte die tiefe Sonnenbräune, die seinem Gesicht in Verbindung mit der schwarzen Samtklappe über dem linken Auge ein kühnes, verwegenes Aussehen gab.

Als er bemerkte, dass Arabel die schwarze Samtklappe anstarrte, strich der Mann flüchtig darüber und sagte mit leisem Lächeln: „Lass dich dadurch nicht stören, mi vida. Erinnerst du dich nicht daran?“

Mi vida – mein Leben. Warum nannte er sie so? Seine Stimme klang tief und volltönend, der südländische Akzent war unüberhörbar. Ein Blick in sein gesundes Auge genügte, um Arabels Nerven vibrieren zu lassen. Es war außergewöhnlich schön – leicht schräg gestellt, mit einem goldenen Ring, der die cognacfarbene Pupille umgab. Der Mann hatte ausgeprägte Gesichtszüge, die ein wenig hart wirkten. Seine Brauen lagen wie schwarze Pinselstriche über dem gesunden Auge und der Samtklappe, die seltsamerweise keine Erinnerung bei Arabel auslöste.

Er war nicht übertrieben groß, aber von geschmeidiger, muskulöser Statur. Jede seiner Bewegungen verriet vollkommene Körperbeherrschung und erinnerte an die natürliche Anmut von Raubkatzen. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, näherte er sich dem Bett. Er beugte sich zu Arabel hinunter, nahm ihre rechte Hand und drückte seine Lippen darauf. Sie fühlten sich warm und fest an, lebendig und … fremd.

„Du bist so blass.“ Sowohl seine Stimme wie der südländische Akzent gaben seinen Worten eine besondere Bedeutung. „Die Sonne wird dir guttun. Sie wird deiner Haut einen warmen Honigton verleihen.“

Arabel hätte ihm gern die Hand entzogen, denn die Nähe des Spaniers löste keine intimen Erinnerungen, sondern nur ein Gefühl ohnmächtiger Angst in ihr aus. Die tiefen Linien um seine Augen- und Mundwinkel ließen vermuten, dass er viel Zeit im Freien verbrachte und gewohnt war, über andere zu gebieten. Sein Alter schätzte Arabel auf Ende dreißig, während sie Anfang zwanzig sein musste, wenn sie ihrem Handspiegel trauen durfte.

Nein, dieser Mann war kein unerfahrener Jüngling mehr. Er hielt ihre Hand fest in seiner, als hätte er ein Anrecht darauf, und wenn sie seinen Mund genauer betrachtete, fiel ihr auf, wie fest und entschlossen er wirkte und wie viel männliche Leidenschaft die ausgeprägte Unterlippe verriet.

„Du siehst mich an, als hättest du Angst vor mir“, sagte er. „Sind dir mein Gesicht und meine Berührung nicht vertraut, Arabel?“

Arabel erbebte, als sie ihn ihren Namen sagen hörte. Alles an diesem Mann war ihr fremd. Hier kam kein hübscher, charmanter Südländer, um sie nach Hause zu holen, sondern ein echter Spanier, ein Sohn der Sonne und der harten, trockenen Erde, der die Seele dieses Landes verkörperte. Sie brauchte ihn nur anzusehen, um das zu erkennen, auch wenn sie sonst nichts über ihn wusste.

„Das Ergebnis eines Stierkampfs in Talavera“, erklärte er und deutete auf die Augenklappe. „Kein schöner Anblick, daher bleibt die Wunde besser verdeckt. Ich war Matador … das wusstest du bei unserer Hochzeit. Im Moment bist du verwirrt, das lese ich in deiner Miene, aber ich bin Don Cortez, dein rechtmäßiger Ehemann. In einigen Tagen nehme ich dich mit nach Hause … nach San Devilla.“

Jedes einzelne Wort prägte sich Arabel tief ein. Dieser einäugige Fremde und ehemalige Torero war der Besitzer eines Anwesens namens San Devilla, der ihr Kamelien und kostbare Geschenke aus Schildpatt und Seide geschickt hatte und sie jetzt so feurig ansah.

„Liegt Ihr Haus weit im Süden?“, erkundigte sie sich.

„Mi casa es tu casa“, antwortete er. „Mein Haus ist dein Haus. Unsere estancia liegt im Herzen von Andalusien und hat die weiße, stolze Schönheit meiner Frau.“

Arabel schlug das Herz bis zum Hals. Sie begann zu ahnen, was sich alles in der Seele dieses Mannes verband: das Erbe der Konquistadoren, der Mauren und der alteingesessenen iberischen Heiden. All das passte zu einem Stierkämpfer, aber kaum zum Ehemann einer Amerikanerin, die nur deshalb in seine Hände geraten war, weil sie aus Dummheit zwei studentischen Wirrköpfen Schutz gewährt hatte.

„Wir können unsere Ehe annullieren lassen“, schlug sie in ihrer Bedrängnis vor und richtete den Blick ihrer blauen Augen flehentlich auf ihn. „Sie hat ihren Zweck erfüllt, wofür ich Ihnen zutiefst dankbar bin, Don Cortez.“

„Wir haben vor einem katholischen Priester geheiratet, mi vida.“ Er sah sie eindringlich an. Selbst in ihrem jetzigen geschwächten Zustand, in dem sie nicht die kleinste Erinnerung an ihn hatte, war sie von verwirrender Schönheit. Ihre Lippen wirkten weich und voll, wie geschaffen, um von einem Mann geküsst zu werden. „Für mich ist dieses Sakrament heilig.“

„Aber wir sind nicht Mann und Frau!“, rief Arabel verzweifelt. „Nicht im eigentlichen Sinne.“

„Woher willst du das wissen?“, fragte er gedehnt. „Du kannst dich nicht an mich erinnern und weißt nicht, was ich dir bedeute. Du irrst wie in einem Nebel umher und musst dich von mir führen lassen.“

„Dr. Guardano informierte mich, warum Sie mich geheiratet haben.“ Arabel richtete sich auf und sprach so eindringlich, als säße sie auf der Anklagebank und müsste vor einem unerbittlichen Richter um ihre Freiheit bitten. „Sie haben es getan, um mich vor dem Gefängnis zu bewahren. Das war sehr ritterlich von Ihnen, aber jetzt ersuche ich Sie zu verstehen, dass Sie ein Fremder für mich sind. Ich habe nur noch den Wunsch, zu meinen Verwandten nach Amerika zurückzukehren. Sie müssen sie über mein Schicksal in Kenntnis setzen. Das ist Ihre Pflicht!“

„Es gibt niemanden, den ich in Kenntnis setzen könnte, Arabel.“ Er stand da und sah auf sie hinunter. „Außer mir hast du keinen Menschen. Ich bin dein Beschützer, dein Wächter und dein Ehemann und werde meine Pflichten dir gegenüber wahrnehmen … so, wie du deine wahrnehmen wirst.“

„Dann soll diese Ehe weiterbestehen?“ Arabel wurde noch blasser, und ihre Augen leuchteten in einem umso intensiveren Blau. „Sie verlangen, dass ich gegen meinen Willen Ihre … Frau bleibe?“

„Du bist meine Frau.“ Seine Stimme klang unerbittlich, und Arabel gewann eine Vorstellung davon, wie dieser Mann im bunten Torerokostüm, dem traje de luces, gewirkt haben musste – wie ein grimmiger Harlekin, das rote Tuch schwenkend, um den Stier zu reizen, und sie war nur eine hilflose Frau ohne Erinnerungsvermögen. „Du gehörst zu mir, ob es dir gefällt oder nicht, Arabel. Das ist eine Tatsache, mit der du dich abfinden musst.“

„Ich liebe Sie nicht …“

„Bist du dir da sicher? Du hast dein Gedächtnis verloren und kannst folglich nicht wissen, wie es mit uns beiden gewesen ist.“

„Soll das heißen, ich hätte Sie geliebt? Oh nein, niemals! So etwas wie Liebe vergisst man nicht. Man kann Unglück vergessen, aber niemals das, was einen glücklich gemacht hat.“

Ihr leidenschaftlicher Appell zeigte keine Wirkung auf Don Cortez. „Amnesie macht keinen Unterschied zwischen Glück und Unglück“, erwiderte er. „Dr. Guardano wird dir das erklären. Sie legt sich über den Geist, wie ein Nebel über eine Stadt, und macht alles unsichtbar … nicht nur die Hinterhöfe und dunklen Gassen. Die Sonne scheint nicht mehr. Man verliert die Orientierung, und wer klug ist, folgt der Führung eines Freundes.“

„Sind Sie ein Freund, Señor?“ Arabels Gesicht nahm den Ausdruck kindlicher Unschuld an, als wüsste etwas in ihr, dass sie ihm vertrauen konnte – und musste, weil es keine andere Möglichkeit für sie gab.

„Mit der Zeit wirst du begreifen, wer ich bin, querida“, antwortete er.

Geliebte! Überraschenderweise verstand sie auch diese zärtliche Anrede. „Dann soll ich Ihnen auf gut Glück folgen?“

„Ja. Ich bin Spanier und kenne keine Nachgiebigkeit, wenn es um die Frau geht, die mir gesetzlich angetraut ist.“

„Don Cortez, bitte bedenken Sie, dass ich nicht dazu erzogen wurde, einem fremden Mann in die Ehe zu folgen.“

„Wir heiraten alle als fremde Menschen, Arabel. Erst das Zusammenleben öffnet uns die Augen füreinander.“

„Sie bestehen also darauf, dass ich Ihnen nach Hause folge? So, wie ich bin? Stört es Sie nicht, eine Frau zu bekommen, die Angst vor der Zukunft hat?“

„Es ist ganz natürlich, dass du so empfindest.“ Don Cortez nahm den Kamm, den er ihr geschickt hatte, und hielt ihn so, dass sich ein Sonnenstrahl in den Edelsteinen brach. „Dieser Kamm wird dein Haar wunderbar schmücken. Er gefällt dir doch?“

„Er ist wunderschön“, erwiderte Arabel tonlos. „Werden Sie versuchen, mich in eine Spanierin zu verwandeln? Da müssen Sie sich große Mühe geben, Señor, denn ich weiß trotz meiner Verwirrung, dass es nicht meine Art ist, mich vor dem so genannten starken Geschlecht zu beugen. Stimmt es wirklich, dass ich keine Verwandten habe, die man über meine hilflose Lage informieren könnte?“

„Hilflose Lage?“, wiederholte Don Cortez mit spöttisch erhobenen Brauen. „Du bist bei mir gut aufgehoben, querida. Falls es dein Vertrauen in mich stärkt, werde ich dir gern unsere Heiratsurkunde zeigen.“

Er legte den Kamm wieder in das Perlmuttkästchen, nahm ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seiner ledernen Brieftasche und reichte es Arabel. „Vielleicht gelingt es dir trotz deines Gedächtnisverlusts, das spanisch geschriebene Dokument zu entziffern. Bei der Gelegenheit möchte ich dich daran erinnern, dass du perfekt Spanisch sprichst und in Venezuela für einen Landsmann von mir gearbeitet hast.“

Arabels Hände zitterten, als sie das Dokument auseinanderfaltete. Im ersten Moment sagten ihr die Worte nichts, aber plötzlich begann sie zu verstehen. Don Cortez hatte recht. Sie verstand Spanisch und war offiziell mit ihm verheiratet. Ihr vollständiger Name lautete Arabel Marsha Ildefonso de la Dura y Lennox. Sie wurde ausdrücklich als Bürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet und war zweiundzwanzig Jahre alt. Der Mann, den sie geheiratet hatte, stammte aus Andalusien und war neununddreißig Jahre alt. Als Beruf war Grundeigentümer, als Wohnsitz war San Devilla angegeben.

„Wie du siehst, sind alle Zweifel ausgeschlossen, mi esposa.“

Meine Frau! Er hatte das Recht, sie so zu nennen, aber Arabel erschrak bei dem Gedanken, dass er sie vielleicht schon morgen in sein Haus bringen und alles, was ihm als Ehemann zustand, einfordern würde. Als sie ihm das Schriftstück zurückgab, hatte sie das Gefühl, sich selbst auszuliefern, ohne den Lauf des Schicksals länger aufhalten zu können.

„Das alles kommt mir so unwirklich vor“, sagte sie und presste die Hand gegen die Stirn, als könne sie auf diese Weise das Bollwerk sprengen, hinter dem sich alle Erinnerungen an diesen Mann verbargen. Was sie selbst betraf, so war sie einmal Arabel Lennox gewesen und war in Venezuela für einen Bekannten von Don Cortez tätig gewesen. Hatte sie ihren jetzigen Ehemann dort kennengelernt? Sehr wahrscheinlich, aber dass sie ihn geliebt hatte, war undenkbar. Einen Mann mit einer solchen Entstellung, der einem wütenden Stier die Stirn bot, um ihn am Ende mit einem Degenstich zu töten? Welche Barbarei! Schlimm genug, dass sie sich an derartige Grausamkeiten erinnerte und nicht an das, was ihr weit mehr am Herzen lag.

„Wie sind wir uns begegnet?“, rief sie gequält.

„Wir sind uns begegnet.“ Don Cortez beugte sich über sie und legte ihr einen Finger auf den Mund. „Diese Lippen haben geweihten Wein getrunken und Schwüre abgelegt, die auch der Degen eines Matadors nicht mehr lösen kann.“

Arabel starrte ihn an, als sei er eine Erscheinung aus einer anderen Zeit. Seine Miene war ernst, nur in dem goldbraunen Auge spielte ein überlegenes Lächeln, das ihr sagte, wer von jetzt an ihr Herr war.

„Das alles hat wenig mit einer Heirat zu tun“, sagte sie bitter. „Eher mit einer Entführung.“

„Beides ist bindend“, versicherte er. „Eine Frau, die sich ihrem Mann widersetzt, gleicht der muleta, die den Stier reizt. Weißt du das?“

„Sie gleichen mehr einem Adler als einem Stier, Don Cortez.“ Arabel zwang sich, nicht vor ihm zurückzuweichen. Er war leicht erregbar und gefährlich, darin ähnelte er den Tieren, die er bekämpft und getötet hatte. „Haben Sie mich wirklich aus Ritterlichkeit geheiratet, oder suchten Sie eine Herausforderung, wie sie die Arena bietet?“

„Beides war ausschlaggebend, mi vida“, gestand er. „Aber welche Gründe auch immer ich hatte … Du bist mit mir verheiratet, und in Spanien gelten Gesetze, die dir nicht vertraut sind. Was die Ehe betrifft, so sind sie erheblich strenger als in deinem Land. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt.“

„Sie lassen es an Deutlichkeit nicht fehlen“, erwiderte Arabel. „A sus ordenes, señor. Wie Sie befehlen.“

Die Genugtuung, die er bei ihren letzten Worten empfand, entging ihr nicht. Sie ließ die ungezähmte Wildheit durchschimmern, die dicht unter seiner kultivierten Oberfläche schlummerte. Dieser Mann wusste, was er wollte – seine rechtmäßige Ehefrau, die ihm die Landesgesetze zuerkannten.

„Sie sind Grundbesitzer, Señor?“

Don Cortez nickte. „Genauer gesagt, Viehzüchter. Ich verkaufe mein Vieh an Bauern … falls Sie sich fragen, ob ich Jungtiere für den Stierkampf züchte.“

„Das habe ich mich tatsächlich gefragt“, gab sie zu. „Wäre es in Ihrem Fall nicht folgerichtig?“

„Vielleicht handle ich nicht immer logisch, querida“, antwortete er mit einem spöttischen Lächeln. „In der Arena hieß ich El Tuerto, aber meine Frau soll mich mit meinem richtigen Namen anreden.“

„Der Einäugige“, übersetzte Arabel halblaut für sich. „Haben Sie Ihre Behinderung genutzt, um mich für sich zu gewinnen, Señor? Hätte ich Sie geliebt, würde ich bestimmt etwas davon spüren. Man liebt mit dem Herzen, nicht mit dem Verstand.“

„Vergiss den Körper nicht.“ Don Cortez sah sie so herausfordernd an, als wäre sie die erste Frau, um deren Gunst er sich bemühte, doch das konnte nicht sein. Einem berühmten Torero lagen die Frauen zu Füßen. Sie warfen ihm rote Nelken zu, und er gewährte ihnen seine Gunst, bis er ihrer überdrüssig war. Nur diesmal hatte er sich zur Heirat verleiten lassen – und zwar nicht von einer schwarzhaarigen andalusischen Schönheit, sondern von einer Frau, deren Äußeres das ganze Gegenteil war. „Und darüber müssen Mann und Frau nach der Hochzeit noch viel lernen“, setzte er lächelnd hinzu.

„Wir leben nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert!“, entfuhr es Arabel.

„In meinem Land lebt man mit der Tradition, mi vida. Sie reicht bis in die Zeit der maurischen Eroberung zurück, die sich über das ganze südliche Spanien erstreckte und alle Lebensbereiche erfasste. Man spürt den arabischen Einfluss bis heute. Das Land, die Menschen, die würzigen Düfte und selbst der kühlende Schatten sind vom Orient geprägt.“

„Und in einem solchen Land soll ich leben … mit einem Fremden?“, flüsterte sie.

Don Cortez beugte sich tiefer zu ihr hinunter, bis sie seinen frischen, herben Duft roch, in den sich ein Hauch von Zigarrenrauch mischte. Die männliche Ausstrahlung seines warmen, kraftvoll angespannten Körpers war so stark, dass sie zusammenzuckte. Sie konnte die Regung einfach nicht unterdrücken.

Ein scharfer, durchbohrender Blick aus dem goldbraunen Adlerauge war die Antwort. Vor dem weißen Hintergrund des Krankenzimmers kam er Arabel tatsächlich wie ein Nachfahre jener Mauren vor, die auf ihren schnellen arabischen Pferden aus der glühenden Wüste gekommen waren, um ihre Paläste und Serails unter der milderen Sonne Spaniens zu errichten.

„Deine Nerven sind angegriffen“, sagte er. „Und ich weiß, wie schwer es für dich ist, in einem Fremden deinen Ehemann zu erkennen, aber du musst Geduld haben. So, wie auf einem Schlachtfeld wieder rote Mohnblumen wachsen, wird auch dein Gedächtnis zurückkehren. Lass die Zeit und die wärmende Kraft der Sonne ihre heilende Wirkung tun.“

„Und wenn sich herausstellt, dass ich mehr Grund habe, Sie zu hassen als zu lieben?“, fragte Arabel. „Das sollten Sie immerhin bedenken, Don Cortez. Sie nutzen meine Schwäche aus. Sie zwingen mir Ihren Willen auf, weil ich krank und schutzlos und fremd bin in diesem Land. Sie behaupten, ich hätte keine Familie, aber warum soll ich Ihnen das glauben? Sind Sie bereit zu schwören, dass es in Amerika keinen Menschen gibt, an den ich mich wenden könnte?“

„Ich schwöre nicht unnötig“, antwortete er, „obwohl ich manchmal fluche. Du bist meine Frau, Arabel. Du stehst unter meinem Schutz.“

Seine Frau? Sie konnte sich beim besten Willen an keinen Moment der Trauungszeremonie erinnern, die offenbar im Gefängnis stattgefunden hatte. Eine Zeremonie nach spanischem Ritus, mit einem spanischen Priester und finsteren Männern in Uniform als Zeugen dafür, dass sie in die Obhut von Don Cortez gegeben worden war.

Sie konnte seinen Blick beinahe körperlich spüren. Ihr Puls beschleunigte sich unter der gnadenlosen Prüfung, der er sie unterzog. Als sei er in der Lage, ihre heimlichsten Gedanken zu lesen, berührte er den Ring an ihrer Hand.

„Dieser Ring symbolisiert unser Ehebündnis“, sagte er, „und ich habe mit Bedacht einen Saphir als Stein gewählt. Sein tiefes leuchtendes Blau entspricht der Farbe deiner Augen.“

Er spricht wie ein Liebhaber, dachte sie, aber die Vertraulichkeit, die in seinen Worten lag, ängstigte sie. Alles in ihr wehrte sich gegen ihn. Er warnte sie, dass er nicht nur mit Worten ihr Liebhaber sein würde. Ihn um Nachsicht zu bitten, war vergeblich, das wusste sie. Mitleid kannte er nicht, das hatte er zu oft im glühenden Sand der Arena bewiesen.

Was, in Gottes Namen, hatte sie bloß dazu veranlasst, sich mit zwei rebellischen Studenten zu verbünden? Waren diese Männer ihr wichtig gewesen? Hatte es sich um Freunde gehandelt oder zwei Fremde, die bei ihr eingebrochen waren und sie gezwungen hatten, sie zu verstecken?

„Wie konnte ich nur so etwas tun“, stöhnte sie.

Don Cortez lächelte flüchtig. „Die Emanzipation mag ihr Gutes haben, aber in einem lateinamerikanischen Land ist sie nicht ohne Risiko.“

Das konnte Arabel nicht unwidersprochen hinnehmen. „Dann gehört eine Frau Ihrer Ansicht nach ins Haus, Don Cortez?“, fragte sie spöttisch. „Sie hat zu kochen und die Wünsche ihres Mannes zu erfüllen?“

„Wenn sie das tut, läuft sie wenigstens nicht Gefahr, durch einen Schlag auf den Kopf ihr Gedächtnis zu verlieren“, antwortete er ungerührt. „Spanische Männer mögen Tyrannen sein, aber sie misshandeln ihre Frauen nicht.“

„Auch nicht, wenn sie Schwierigkeiten machen?“ Arabel hatte das seltsame Gefühl, ein Duell mit Don Cortez auszufechten. Fast kam es ihr so vor, als wäre das nichts Neues für sie – so wenig wie die Genugtuung, die sie empfand, wenn ihre Argumente ins Schwarze trafen.

„Du wirst mir keine unüberwindlichen Probleme machen, mi vida“, versicherte er. „Ich habe schwierigere Gegner besiegt.“

Arabel nickte. „Da spricht El Tuerto. Wollen Sie auch bei mir die banderillas einsetzen, Señor? Diese widerlichen, mit Bändern verzierten Spieße, die den armen Stier mehr quälen als das flatternde rote Tuch?“

„Ah!“ Don Cortez’ Augen leuchteten. „Mich hast du vergessen, aber an die corrida erinnerst du dich.“

„Tatsächlich …“ Arabel biss sich auf die Lippe. „Merkwürdigerweise scheine ich viele allgemeine Dinge nicht vergessen zu haben, während alles Persönliche, das mir so wichtig ist, weiter im Dunkeln liegt. Ich muss bei einem Stierkampf anwesend und zutiefst abgestoßen gewesen sein.“

„Romantisch veranlagte Frauen hassen die corrida“, gab er zu. „Mit romantisch meine ich gefühlvoll und vielleicht auch idealistisch. Südländische Frauen sind nüchterner, erdverbundener und mehr im Einklang mit sich selbst. Du träumst zu viel von Helden und Errettung … wahrscheinlich, weil du in einem Waisenhaus mit einer altmodischen Bibliothek aufgewachsen bist. Du hast als Kind zu viel gelesen und sahst in jedem Mann einen Ritter, der alles wagt und wenig dafür fordert …“

„In einem Waisenhaus?“ Arabel packte ihn aufgeregt am Arm. Es war das erste Mal, dass sie Don Cortez berührte, seit er das Zimmer betreten hatte. „Sie wissen also, woher ich komme?“

„Aus einem Waisenhaus in Boston“, bestätigte er. „Du bist dort aufgewachsen und wurdest nicht adoptiert, weil die Leiterin dich ins Herz geschlossen hatte. Sie ist inzwischen gestorben, und du hast jetzt niemanden mehr … außer mir.“

Außer ihm – einem Mann, der so hart war wie Stahl! Arabel wollte nicht in seine Gewalt geraten, aber er hatte ihre Hand genommen und ließ sie nicht wieder los.

„Erzählen Sie mir mehr über die Frau im Waisenhaus, die mich behalten wollte“, bat sie ihn. Es fiel ihr schwer, normal zu sprechen. Sie erbebte unter seiner Berührung, beinahe so, als sei sie einer unsichtbaren Kraftquelle gefährlich nahegekommen. Wie sollte sie sich unter solchen Umständen beschützt oder geliebt fühlen? Zärtlich geliebt? Falls die Geschichte mit dem Waisenhaus stimmte, war sie tatsächlich allein auf der Welt und hatte nur diesen Fremden, dem sie auf Gedei und Verderb ausgeliefert war.

„Ich weiß sehr wenig über sie“, erklärte Don Cortez mit nachdenklich gerunzelter Stirn. „Allem Anschein nach hat sie dich gut behandelt und dafür gesorgt, dass du genug lerntest, um später einen Beruf auszuüben, von dem du leben konntest. Als du sechzehn warst, wurde sie krank. Sie nahm dich mit nach Kalifornien, wo du vermutlich Spanisch gelernt hast. Nach ihrem Tod hast du eine Weile in Texas gearbeitet, bevor du mit deinem Chef nach Venezuela versetzt wurdest.“

„Venezuela … alles endet anscheinend in Venezuela.“ Arabel seufzte. „Und ich kann mich an nichts erinnern. Mein Geist gleicht einem Blatt Papier, das mit unsichtbarer Tinte beschrieben wurde. Ich hoffe immer noch, dass die Schrift irgendwann sichtbar wird, aber wenn das nicht geschieht? Was soll ich dann tun?“

„Mach dir darüber keine Gedanken“, riet Don Cortez, doch es klang mehr wie eine Anordnung. „Du kommst mit mir nach San Devilla und beginnst dort ein neues Leben.“

„Das lässt sich leicht sagen.“ Arabel ärgerte sich über Don Cortez’ Befehlston und sein mangelndes Mitgefühl. „Können Sie sich überhaupt nicht in mich hineinversetzen?“

„Ein Blick in deine Augen genügt, um deine Seele zu erkennen“, antwortete er mit einem Anflug von Ironie. „Ich sehe Angst und Misstrauen gegenüber meinen Motiven. Du glaubst, dass ich dich belüge. Du willst die Wahrheit nicht akzeptieren, aber das wird sich ändern. Du wirst begreifen, dass du zu mir gehörst und bei mir gut aufgehoben bist.“

„Haben wir … die Ehe vollzogen?“ Arabel errötete bei dieser Frage, doch sie musste es wissen. „Nicht einmal daran kann ich mich erinnern.“

„Und wenn es so war?“ Er verzog leicht die Lippen. „Solange du glaubst, dass du mich eher gehasst als geliebt hast, solltest du lieber nicht fragen.“

„Sagen Sie es mir!“, verlangte sie mit blitzenden Augen.

Seine Hand schloss sich fester um ihre. „Am Abend nach unserer Hochzeit verließen wir Venezuela, nachdem wir uns kaum Zeit genommen hatten, in deiner Wohnung einige Sachen für dich zusammenzupacken. Wir nahmen ein Taxi zum Flugplatz und bestiegen die Maschine nach Córdoba. Während des Flugs erlittest du einen posttraumatischen Schock. Du kamst bewusstlos in Spanien an und wurdest sofort in dieses Krankenhaus gebracht. Wir sind Mann und Frau, querida, aber wir haben noch nicht miteinander geschlafen. Stellt dich diese Auskunft zufrieden?“

„Ja.“ Arabel holte tief Atem. „Demnach existiert unsere Ehe nur auf dem Papier. Wir können sie annullieren lassen, dann steht es mir frei, nach Amerika zurückzukehren. Die Geburt eines Kindes ist ausgeschlossen, was unsere Verbindung – wie ich sehr wohl weiß – für einen katholischen Spanier unauflösbar machen würde. Doch so, wie die Dinge liegen, sind wir durch nichts aneinander gebunden. Stimmt das nicht?“ Sie sah Don Cortez flehend an. „Sie müssen mir meine Freiheit wiedergeben, Señor, denn zu Hause würde ich bestimmt gesund werden. Sie können mich nicht zwingen, bei Ihnen zu bleiben, obwohl ich Sie gar nicht kenne!“

„Die Zeit wird dir deine Gesundheit zurückgeben, querida.“ Seine Miene und der Ton seiner Stimme waren unerbittlich. Die schwarze Samtklappe verstärkte den Eindruck von Strenge, den er machte, sodass Arabel seine Hand losließ und sich die Augen zuhielt, um das Bild auszusperren.

„Mir … graut vor Ihnen“, flüsterte sie. „Ich kann es kaum ertragen, Sie anzusehen. Die Vorstellung, bei Ihnen zu leben …“

„Sei nicht kindisch, Arabel“, antwortete er scharf. „Du bist zweiundzwanzig Jahre alt und musst dich deiner Zukunft stellen. Es ist mein Verdienst, dass du nicht in einer schmutzigen Gefängniszelle sitzt und Männern ausgeliefert bist, die skrupellos foltern, um an Informationen zu kommen. Sie hätten dich sehr wohl als Komplizin der Studenten ansehen und dir Schmerzen und Erniedrigungen zufügen können, über die ich lieber schweigen möchte. Du hast diese Rebellen bei dir versteckt. Zwei junge Hitzköpfe, die viel Schaden angerichtet haben, als sie die Ölraffinerie in Flammen aufgehen ließen.“

„Waren es Amerikaner?“

„Der eine hatte mehrere Jahre in Amerika studiert. Erinnerst du dich wirklich nicht an sie?“

„Nein.“ Arabel schüttelte den Kopf, der ihr allmählich wehtat. Dieser grimmige Spanier wollte sie nicht freigeben, aber inzwischen war sie zu müde und zu niedergeschlagen, um den Kampf mit ihm fortzuführen. Im Moment beherrschte er die Situation, und sie musste sich fügen. Ihr blieb nur die Hoffnung, später eine Möglichkeit zur Flucht zu finden.

„Wenn Sie damit zufrieden sind, eine Frau zu haben, die Sie weder kennt noch mag, dann ist das Ihr Problem, Don Cortez“, seufzte sie. „Ich muss irgendwo bleiben, wenn ich aus dem Krankenhaus entlassen werde. Warum also nicht in San Devilla?“

Sie spürte die plötzliche Anspannung, die seinen ganzen Körper erfasste, und dachte verzweifelt: Ich sterbe, wenn er mich jetzt küsst!

Doch er stand nur auf und verbeugte sich förmlich. „Adiós, mi esposa … für heute. Ruh dich aus, und ängstige dich nicht. Eines Tages wirst du wissen, ob du mich hasst … oder liebst.“

3. KAPITEL

Eine gleißende Sonne stand über der Landschaft. Am Horizont ragten die verfallenen Mauern eines alten Schlosses in den strahlend blauen Himmel. Vielleicht geistert dort bei Anbruch der Nacht der dunkelhäutige Schlossherr herum, dachte Arabel. Oder man hört ein leises Klirren wie von einer Fußspange, wenn das Gespenst seiner Favoritin im Mondlicht vorbeigeht, ohne jemals Ruhe zu finden.

Sie sah Bauern, die auf dem Weg zu ihren Felder waren. Sie ritten auf kleinen, stämmigen Eseln oder führten die Tiere am Zügel, wenn sie sie hoch mit Körben beladen hatten. Das Zaumzeug dieser burros war mit blauen oder goldenen Quasten verziert, und auf den braun gebrannten Gesichtern ihrer Besitzer, die weiche Strohhüte trugen, verlor sich die Zeit.

In den Dörfern drängten sich die Häuser in Reihen zusammen. Die dick getünchten Mauern leuchteten grellweiß im Sonnenlicht, auf den vorspringenden, von schmiedeeisernen Geländern umgebenen Balkonen wuchsen Geranien, Jasmin und spezielle Sorten von Weinranken.

Die große taubengraue Limousine fuhr in gemächlichem Tempo, um Arabel Gelegenheit zu geben, alle diese typisch spanischen Bilder in sich aufzunehmen und Gefallen an ihnen zu finden. Don Cortez saß etwas entfernt von ihr auf dem bequemen Rücksitz. Eine Glasscheibe trennte sie von dem livrierten Chauffeur, einem schlanken, ungewöhnlich hübschen jungen Spanier, der Arabel ungläubig angestarrt hatte, als sie aus dem Krankenhaus gekommen und in die Limousine eingestiegen war.

Don Cortez fuhr nicht selbst – wahrscheinlich, weil er auf dem linken Auge blind war. Es gab Arabel immer noch einen Stich, wenn sie die schwarze Samtklappe bemerkte, und sie war dankbar, dass er ihr während der Fahrt sein rechtes Profil zukehrte. Die Abneigung, die sie gegen seine Verletzung empfand, beunruhigte sie. War sie vielleicht zu sensibel? Gehörte sie zu den Menschen, die sich durch Narben oder Behinderungen bei anderen abgestoßen fühlten?

Arabel legte die Hände fest ineinander. Sie wollte nicht zu diesen Menschen gehören, aber jedes Mal, wenn Don Cortez ihr sein Gesicht ganz zuwandte, sah sie instinktiv zur Seite. Sie hatte Angst vor dem, was die schwarze Samtklappe verbarg, und hoffte inständig, dass er sie auch nachts nicht abnehmen würde.

Durch das Autofenster hatte sie einen wunderbaren Blick auf die Dörfer mit ihren weiß gekalkten Häusern. In den engen, steilen Gassen, die es hier statt breiter Straßen gab, war kaum jemand zu sehen. Vermutlich herrschte gerade Siesta, jene Mittagspause, die man sogar im Krankenhaus einhielt. Dort pflegte die Schwester zu kommen, um die durchsichtigen Bettvorhänge zu schließen, und dann kehrte völlige Ruhe ein, während draußen die heißesten Stunden des Tages verstrichen.

Dass Don Cortez trotz der Mittagshitze aufgebrochen war, bewies Arabel, wie schnell er sie nach San Devilla bringen wollte. Zum Glück gab es in seiner Luxuslimousine eine Klimaanlage, und außerdem trug sie das leichte geblümte Chiffonkleid, das man heute Morgen ins Krankenhaus geschickt hatte. Ihr war angenehm kühl. Der Don hatte vor einer Weile sein Jackett ausgezogen und saß ungezwungen in weißem Hemd und dunkler Hose neben ihr.

„Sie dürfen gerne rauchen, wenn Sie möchten“, sagte Arabel. Es machte sie nervös, dass er in diesem Punkt Rücksicht nahm, weil sie gerade aus dem Krankenhaus kam. „Ich bin keine zarte Blüte, die bei ein bisschen Zigarrenrauch gleich verwelkt.“

„Woher weißt du, dass ich Zigarren rauche?“, fragte er.

„Nun … stimmt es etwa nicht? Sie sind durch und durch Spanier und außerdem ein reicher hidalgo. Solche Männer stellt man sich automatisch als Zigarrenraucher vor. Nehmen Sie nur dieses Auto, den Chauffeur und das Kleid, das Sie für mich ausgesucht haben. Seine schlichte Eleganz beweist, wie teuer es war.“

„Ist es nicht meine Pflicht, für deine Garderobe zu sorgen?“ Don Cortez zog ein dünnes Lederetui aus der hinteren Hosentasche und klappte es auf. Es enthielt mehrere lange, dunkelblättrige Zigarren, von denen er eine zwischen die Lippen steckte und mit dem Feuerzeug anzündete. Schon nach dem ersten Zug breitete sich ein aromatischer Duft aus, der Arabel stutzen ließ. Kannte sie diesen Geruch, oder bildete sie sich das nur ein?

In dem Dorf, das sie gerade passierten, überragte eine aus Sandstein erbaute Kirche die niedrigen, fast primitiv wirkenden Häuser. „Wir hätten in einer solchen iglesia getraut werden müssen“, bemerkte der Don. „Ich frage mich, ob wir es nicht nachholen sollten.“

„Ist das wirklich notwendig?“ Arabel hörte selbst, wie nervös ihre Stimme klang und dadurch die heimliche Hoffnung verriet, doch noch aus dieser Zwangsehe herauszukommen. „Ich bin Amerikanerin, und ohne Zweifel teile ich Ihren Glauben nicht.“

„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass wir nach katholischem Ritus vermählt worden sind“, erwiderte er. „Gib dich keiner Täuschung hin, Arabel. Du bist mit mir verheiratet und wirst in diesem Sinn mit mir zusammenleben. Ich möchte nicht als gutmütiger, impotenter Narr dastehen, der sich eine Frau nur als Hauskätzchen hält. Das würde dir vermutlich gefallen, und ich wäre vielleicht damit einverstanden, wenn du strähniges Haar, schiefe Zähne und eine unreine Haut hättest.“

Er lächelte, während er Arabel betrachtete, und fuhr fort: „Vor Jahren begegnete mir während einer corrida eine alte Wahrsagerin, die mir unbedingt aus der Hand lesen wollte. Da alle Matadore abergläubisch sind, ließ ich sie für einige Silbermünzen gewähren. Sie sagte mir merkwürdige Dinge, die ich damals nicht ernst nahm, sondern mit einem Lächeln abtat. Sie meinte, ich würde in meinem Leben vieles verlieren, das wertvoll für mich sei, und nur wenig gleich Wertvolles dazugewinnen. Einige Zeit nach dieser Begegnung verlor ich in Talavera mein linkes Auge und zog mich vom Stierkampf zurück. Ich ging auf Reisen, um … nun, sagen wir, um mich wieder am Anblick schöner Frauen zu erfreuen. Du kannst dir nicht vorstellen, mi vida, welches Vergnügen es mir bereitet, dich anzuschauen.“

„Und Sie können sich nicht vorstellen, was ich bei Ihrem Anblick empfinde, Señor!“ Arabel schleuderte ihm die Bemerkung förmlich ins Gesicht, doch der Don zeigte keine Reaktion. Er zuckte nur die Schultern, zog erneut an seiner Zigarre und schnippte die Asche auf den Teppich des Wagens.

„Angst vor der Hochzeitsnacht ist nichts Ungewöhnliches, Arabel“, sagte er in ausdruckslosem Ton. „Viele unschuldige Frauen empfinden so.“

„Woher wollen Sie wissen, dass ich noch unschuldig bin, Don Cortez?“, fragte Arabel kampflustig. Ihre blauen Augen blitzten, und eine feine Röte belebte das blasse Gesicht. „Vergessen Sie nicht, dass ich zwei junge Männer in meinem Apartment versteckt hielt. Vielleicht war einer von ihnen mein Liebhaber.“

„Das wäre schlimm für dich, querida“, erwiderte er mit einer lässigen Handbewegung. „Sicher kennst du die Gestalt des Othello und weißt daher … Ah, ich sehe dir an, dass dir die Geschichte des eifersüchtigen Mohren bekannt ist. Erinnerst du dich auch an seine Gattin Desdemona, die er erwürgte, weil er sie für untreu hielt? Dein Hals ist überaus schlank und zart, und in meinen Adern fließt maurisches Blut … wie bei vielen Bewohnern Südspaniens. Du hast mich doch verstanden?“

„Sie waren überdeutlich, Señor.“ Arabel sah ihn misstrauisch an. „Sie würden es tun, nicht wahr? Dabei könnte man eine Affäre, die ich vor unserer Hochzeit hatte, eigentlich nicht als Ehebruch bezeichnen … es sei denn, Sie schreiben sich Ihre eigenen Gesetze.“

„Vielleicht tue ich das, Arabel.“

„Wie anmaßend von Ihnen!“, empörte sie sich. „Ich bin in einem amerikanischen Waisenhaus und nicht in einem spanischen Kloster aufgewachsen, wo die Novizinnen streng bewacht werden. Hätten Sie sich Ihre Braut von dort geholt, dürften Sie mit Recht annehmen, dass sie noch Jungfrau ist, aber wer garantiert Ihnen, dass Sie sich mit mir keine zweite Wahl erworben haben?“

Don Cortez nahm Arabels Hand, und es lief wie Feuer durch ihren Körper. „Ich habe selbst nicht als Heiliger gelebt, querida. Wie könnte ich es da von dir erwarten? Ich habe überwiegend Frauen gekannt, für die Stierkämpfer halbe Götter waren. Ist es da verwunderlich, dass ich mir eine tugendhafte Ehefrau wünsche?“

„Für meine Tugend fehlt uns leider jeder Beweis, Señor. Was für ein Mensch bin ich bisher gewesen? Wir wissen es beide nicht, und trotzdem drohen Sie mir, falls ich Sie … enttäuschen sollte.“

Der Don schüttelte den Kopf. „Das sind unsinnige Spekulationen, Arabel. Ich glaube, ich kenne die Frauen gut genug, um dich richtig zu beurteilen.“

„Viele Frauen?“ Arabel fragte nicht aus Neugier. Sie wollte ihn lediglich ein bisschen ärgern.

„Genug.“ Er zog kräftig an seiner Zigarre. „Hast du dir einen Mönch als Ehemann gewünscht?“

„Ich habe mir überhaupt keinen Ehemann gewünscht, und es wäre unsinnig, von einem Torero Enthaltsamkeit zu erwarten. Ein Mann, der ständig dem Tod gegenübersteht …“ Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. „Wie kann man nur auf diese Weise sein Geld verdienen! Gab es keine andere Möglichkeit für Sie?“

„Ich wollte reich werden“, antwortete er verblüffend ehrlich. „In Spanien schafft man das am schnellsten, indem man ein berühmter Matador wird. Das ist mir gelungen, aber wie du schon weißt, kam das Ende in Talavera. Dieser Abschnitt meines Lebens liegt hinter mir. Du brauchst also nicht zu zittern und zu befürchten, dass ich mit blutigem Mantel nach Hause komme. Damit ist es vorbei. Ich bewirtschafte jetzt meine estancia, deren Herrin du sein wirst.“ Er nahm Arabels Hand. „Ein beachtlicher Schritt nach vorn für eine Sekretärin, meinst du nicht auch?“

„Eine große Ehre“, spottete sie und zuckte zusammen, als er ihre Hand so fest drückte, als wolle er sie zerquetschen. „Lieber Himmel … wie grausam Sie sind!“

„Ich bin wahrscheinlich alles, was du an einem Mann – zumal an deinem Ehemann – verabscheust“, gab er zu und ließ ihre schmerzende Hand langsam los. „Doch wir sind alle dem Schicksal unterworfen, und ob du mich nun wolltest oder nicht … du hast mich.“

Arabel wich seinem Blick aus. Das Auge mit der cognacfarbenen, goldumränderten Pupille irritierte sie nach wie vor. Ein mächtiger Adler schien sie in den Fängen zu halten und in eine wilde Bergwelt zu entführen, wo sie das Nest, das er von seinem Blutgeld erbaut hatte, mit ihm teilen sollte.

„Du siehst mich an wie eine Märtyrerin“, sagte er ironisch. „Bist du vielleicht hungrig? Du hast bestimmt kaum gefrühstückt.“

„Hungrig?“ Arabel benetzte ihre trockenen Lippen mit der Zungenspitze. „Um ehrlich zu sein, Don Cortez … ich bin unglaublich durstig.“

„Das werden wir sofort ändern.“ Er beugte sich vor und schob die Glasscheibe zurück, die sie von dem Chauffeur trennte. „Mateo“, sagte er. „Halten Sie bitte kurz an, und holen Sie den Lunchkorb aus dem Kofferraum. Die Señora und ich brauchen eine kleine Stärkung.“

„Si, señor.“ Der Chauffeur in der maßgeschneiderten beigefarbenen Livree brachte den Wagen sanft zum Stehen, stieg aus, nahm einen dicht geflochtenen Spankorb aus dem Kofferraum und reichte ihn herein. Wieder spürte Arabel, wie aufmerksam er sie dabei beobachtete. Wahrscheinlich verglich er sie mit den lebhaften südländischen Frauen, die sein Herr bisher gekannt hatte und vielleicht noch kannte. In seinem Alter und bei seinem Ruf hatte der Don bestimmt mehr als eine Geliebte gehabt.

Gracias, Mateo.“ Don Cortez öffnete den Korb und nahm eine Flasche Bier und ein Päckchen mit Sandwichs heraus. „Hier, Mateo“, sagte er. „Genießen Sie Ihren Lunch, aber suchen Sie vorher noch einen kühlen Platz für das Auto.“

Einige Minuten später stand der Wagen im Schatten einer Mauer, die von mehreren Palmen überragt wurde. Ein fremdartiges Rankengewächs mit orangeroten kürbisartigen Früchten überzog das bröckelnde Gestein.

„Die Äpfel von Sodom“, erklärte Don Cortez, während er für Arabel Wein einschenkte. Er selbst trank Bier. „Der Wind reißt die reifen Früchte ab und treibt sie wie bunte Ballons vor sich her.“

„Danke, Señor.“ Arabel kostete von dem zartgelben Wein, der leicht süß schmeckte. „Die seltsamen Äpfel und vor allem die Palmen lassen mich an die Wüste denken.“

„Die Eroberer aus der Wüste haben mit ihrer islamischen Kultur auch die Palmen hierher gebracht, querida“, bestätigte der Don. „Das Maurische steckt den Andalusiern noch im Blut. Es bestimmt ihre Musik, ihre Häuser mit den kühlen patios und ihr Denken … vor allem, was Frauen betrifft.“

Er reichte Arabel einen gebratenen Putenflügel, der in eine Serviette eingeschlagen war. Diesmal fielen ihr die scharfen Linien in seinem Gesicht auf, die nicht immer so deutlich hervortraten.

„Wollen Sie damit andeuten, dass zu Ihrem Haushalt ein Harem gehört?“, fragte sie provozierend. „Soll ich etwa in völliger Zurückgezogenheit leben und nur verschleiert umhergehen?“

„Das wäre sicher ein bezaubernder Anblick.“ Der Don streute reichlich schwarzen Pfeffer auf seinen Putenschenkel und biss kräftig hinein. „Nimmst du auch Pfeffer?“

„Nein, danke.“ Arabel kostete von dem zarten Fleisch und beobachtete dabei den Don, der mit sichtlichem Appetit aß und sein Bier aus der Flasche trank. Es fiel ihm nicht ein, den höflichen Gastgeber zu spielen, doch das berührte sie eher angenehm. Er verhielt sich ganz natürlich, wie jeder andere Mann, aber wenn sie sich vorstellte, was das für sie selbst bedeutete, stieg ihr das Blut ins Gesicht. Auf Nachsicht, Geduld oder kühle Zurückhaltung durfte sie bei ihm nicht hoffen.

„Noch etwas Wein?“ Er hielt die Flasche über ihr Glas, und als sie zögernd nickte, schenkte er ihr zum zweiten Mal ein. Mit dem Wein würde die Angst erträglicher werden, die ihr die Brust zusammenschnürte. Bis San Devilla war es bestimmt nicht mehr weit, und sobald sie die estancia erreicht hatten, durfte sich Arabel getrost als Gefangene betrachten – wie die Frauen, die sich die Mauren als Gespielinnen gehalten hatten.

„Iss, querida.“ Don Cortez nahm eine Fleischpastete aus dem Korb, schnitt zwei Scheiben davon ab und bot ihr eine an. „Die Pastete ist gut, und du musst nach deinen schweren Qualen wieder zu Kräften kommen.“

„Meine Qualen haben gerade erst begonnen“, wehrte Arabel ab.

„Mit Weißwein und gebratenem Geflügel … im Schatten von Palmen?“, neckte er sie. „Du verstehst es, deinem Mann Komplimente zu machen, querida. Bin ich denn wirklich so schrecklich?“

Arabel umklammerte den Stiel ihres Weinglases. „Sie tun weiter so, als wäre alles normal, Señor, aber für mich bleibt es wie ein böser Traum, aus dem es kein Erwachen gibt. Wenn ich Ihnen nur vertrauen könnte …“

„Du zweifelst immer noch an mir?“ Don Cortez tupfte mit einer Serviette seine Lippen ab und sah sie fragend an.

„Ja“, gab sie zu. „Es kommt mir vor, als würden Sie etwas zurückhalten, das Licht in das Dunkel bringen könnte. Alles verläuft nach Ihrem Plan. Sie lassen mich absichtlich in diesem gedächtnislosen Zustand.“

„Ah“, sagte er gedehnt. „Warum sollte ich das tun?“ Seine Stimme klang samtweich, nur die schwarzen Brauen hatten sich drohend zusammengezogen.

„Weil ich dann wissen würde, warum ich nicht Ihre Frau sein will.“

Gracias, mi vida … welch neue Schmeichelei eines sanften und dankbaren Geschöpfs.“ Er lächelte verächtlich. „Warum bemühe ich mich bloß um dich, wo ich mir jederzeit eine charmante und zärtliche Andalusierin ins Haus holen könnte, die glücklich wäre, an meiner Seite zu leben?“

„Ganz recht, Señor. Warum geben Sie sich solche Mühe mit einem … kalten Fisch?“

„Eher mit einem Goldfisch, der zwischen die Haie geriet und eingefangen werden musste, bevor es ihm ans Leben ging. Wenigstens dafür könntest du dankbar sein. Es hätte dir wenig gefallen, Bekanntschaft mit einem elektrischen Schlagstock zu machen.“

„Um Himmels willen!“ Arabel schauderte bei der Vorstellung. „Es war nobel von Ihnen, mich da herauszuholen, aber mussten Sie mich gleich heiraten? Hätten Sie meine Freilassung nicht auch anders erwirken können? Beim amerikanischen Konsulat vorzusprechen wäre sicher ausreichend gewesen.“

„Das hätte zu viel Zeit gekostet, darum nutzte ich das Ansehen, das ich in Venezuela genoss. Ich präsentierte ihnen einen Priester und spielte den leidenschaftlichen, verzweifelten Liebhaber.“

Beim letzten Wort zuckte Arabel zusammen. „Also gut, da sind wir nun … zwei Menschen, die aneinander gebunden sind und sich nicht leiden können.“ Sie trank einen Schluck Wein, zum Essen fehlte ihr der Appetit. „Freiwillig hätte ich nie einen Torero geheiratet, davon bin ich fest überzeugt.“

„Ich kämpfe nicht mehr in der Arena, Arabel, das habe ich dir schon mehrmals erklärt. Ich bin Grundbesitzer und Viehzüchter, und nur so sollst du mich sehen … als den Herrn von San Devilla. Vergiss meinen früheren Beruf.“

„So, wie ich alles andere vergessen habe?“ Arabel seufzte. „Ich komme mir wie ein Kind vor, das ganz von vorn anfangen muss, aber Sie werden mich nicht wie ein Kind behandeln. Sie verlangen von mir, in jeder Hinsicht eine Frau zu sein.“

„Du bist eine Frau, querida. Eine erwachsene Frau.“ Der Don teilte eine ungeschälte Orange in zwei Hälften. Den Saft, der dabei über seine Hände lief, leckte er ungeniert ab. Wie eine große Wildkatze, die sich das Fell putzt, dachte Arabel. Sie bemerkte das geschmeidige Spiel seiner Muskeln unter der dunklen Haut, und noch nie zuvor hatte er sie so sehr an ein gefährliches Raubtier erinnert.

„Du weißt so gut wie ich, dass wir nicht in demselben Haus wohnen können, ohne uns zu begegnen“, fuhr er fort. „Dazu müsste ich dich im entferntesten Winkel von San Devilla unterbringen, und das ist nicht meine Absicht. Warum sollte ich Zweifel daran aufkommen lassen, dass ich eine junge, begehrenswerte Frau als Mann befriedigen kann? Du kennst die Andalusier nicht und weißt nicht, mit welcher angeborenen Neugier sie Neuvermählte beobachten. In der estancia erwarten uns nicht nur die Angestellten, sondern auch mehrere Verwandte von mir. Für keine Frau der Welt würde ich es hinnehmen, dass man an meiner Potenz zweifelt.“

Arabel lachte nervös. „Das würde niemandem in den Sinn kommen, Señor. Davon bin ich überzeugt.“

„Ich werde trotzdem dafür sorgen, dass nicht der leiseste Verdacht aufkommt.“ Don Cortez löste ein großes Stück Fruchtfleisch aus der Orangenschale und verzehrte es. „In einem spanischen Haushalt geht es öffentlicher zu als in einem amerikanischen. Unsere Räume liegen nebeneinander, und man erwartet, dass wir uns freizügig besuchen. Auch das Badezimmer werden wir gemeinsam benutzen. Du wirst mir deine Reize enthüllen, Arabel. Glaubst du wirklich, dass ich dabei zusehen kann, ohne so zu reagieren, wie die Natur es gewollt hat? Ich bin nicht aus Stein … genauso wenig wie du.“

Arabel fühlte eine tiefe innere Unruhe. „Was … meinen Sie damit?“, fragte sie beklommen.

„Du bist aus Fleisch und Blut, querida. Soll ich es dir beweisen?“ Er streckte die Hand aus und strich an der weichen Innenseite ihres linken Arms entlang. Arabel stockte der Atem, denn die zarte Berührung verriet viel Erfahrung. So würde ein Gitarrist sein fein gestimmtes Instrument prüfen, bevor er es meisterlich zum Klingen brachte.

„Nein!“ Arabel zog den Arm weg, und der Don hinderte sie nicht. Er lächelte nur, wie ein Mann, der die Frauen kennt, während sie nichts über Männer wusste. Ihre scheue, fast spröde Art, auf die Berührung zu reagieren, bewies, dass ihr jede Erfahrung in der Liebe fehlte. Sie war keusch – ein altmodischer Begriff, aber in ihrem Fall passte er. Aus Don Cortez’ Miene sprach dieselbe Überzeugung. Er würde ihr erster Mann und Lehrmeister in der Liebe sein.

„Bekommen Sie immer, was Sie wollen?“, rief sie verzweifelt.

„Wenn möglich, ja“, antwortete er gelassen. „Du wirst dich widersetzen, doch das war zu erwarten.“

„Dann werden Sie mich nicht schonen?“ Arabels blaue Augen wirkten übergroß. „Auch nicht, wenn ich Sie anflehe, mir Zeit zu geben, um mich an Sie und Ihren Lebensstil zu gewöhnen? So viel Rücksicht könnte ein Mann immerhin aufbringen, der sich gern Don nennen lässt!“

„Einen Titel kann man sich kaufen, querida. Ich wurde nicht als Adliger geboren. Ich wuchs in den Gassen von Sevilla auf und habe meine Erziehung in den Vergnügungsvierteln bekommen, wo die Zigeunerinnen nächtelang Flamenco tanzen. Meine Mutter war eine Herumtreiberin, und meinen Vater habe ich nie gekannt. Angeblich war er ein durchreisender Kastilier, der sich in ihr hübsches Gesicht verguckt hatte. Als junges Mädchen muss sie schön gewesen sein, aber ich erinnere mich nur an eine ärmlich angezogene schwarzhaarige Schlampe, die an den Hintertüren der Bars herumhing, in denen sie für die Männer tanzte. Ich war zwölf, als sie starb … an einem Messerstich, irgendwo auf einem dunklen Hinterhof. Von da an trieb ich mich bei der Arena herum, wurde ein sehr junger Torero und stieg schließlich zum gefeierten Matador auf. Ich habe Schmutz, Hunger, Lust und Qual dieses angeblichen Heldenlebens in einem Alter kennengelernt, in dem die Söhne echter Dons noch von ihren Schwestern und Erziehern verwöhnt werden. Mit fünfzehn traf mich zum ersten Mal das Horn eines Stiers. Ich war schwer verletzt und wurde in einem Bordell von den Mädchen gesund gepflegt.“

Don Cortez beugte sich vor und sah Arabel tief in die Augen. „Da hast du die glorreiche Geschichte meiner Kindheit. Denk darüber nach und berufe dich nie wieder auf meine menschlichen Regungen. Ich habe sehr wenige davon.“

Autor

Carol Grace
Carol Grace wurde mit Fernweh im Blut geboren. Sie wuchs in Illinois auf, sehnte sich aber sehr bald danach, die weite Welt zu erkunden. Während des Studiums erfüllte sie sich diesen Traum erstmals mit einem Auslandssemester an der Sorbonne in Paris. Ihren Abschluss machte sie an der Universität von Los...
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