Julia Extra Band 387

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

EIN KÜHLER PLAN, EIN HEIßER KUSS von MILBURNE, MELANIE
"Ich werde dich niemals heiraten!" Angelique hasst den sexy Playboy Remy Caffarelli von ganzem Herzen. Doch um einen Skandal zu vermeiden, muss sie jetzt seine Frau werden - zum Glück nur zum Schein. Aber warum schmeckt der gespielte Hochzeitskuss dann plötzlich so erregend süß?

MEIN FLIRT MIT DEM MILLIONÄR von LEE, MIRANDA
Ein heißer Flirt mit dem aufregenden Multimillionär Jack Stone: für Vivienne die perfekte Gelegenheit, sich von ihrem Liebeskummer abzulenken. Bis sie erkennen muss, dass sie sich verliebt hat - ausgerechnet in Jack! Dabei weiß sie doch, dass er von den Frauen nur das eine will…

SO SÜß DUFTET NUR DAS GLÜCK von DOUGLAS, MICHELLE
Rico D’Angelo stockt der Atem, als er Janeens betörenden Erdbeerduft einatmet. Woran erinnert ihn diese Frau nur? Am liebsten würde er sie auf der Stelle verführen. Aber das ist keine gute Idee, wenn sie künftig als Managerin für sein neues Café arbeiten soll, oder?

EINE E-MAIL FÜR DIE LIEBE von HARRINGTON, NINA
Wow! Miles Gibson ist echt ein Traumtyp. Wieso hat er überhaupt Internetdating nötig? Vielleicht ist er verheiratet und auf der Suche nach einer Affäre oder ein Journalist auf Recherche? Obwohl bei der schönen Andy alle Alarmglocken schrillen, kann sie sich Miles’ Ausstrahlung nicht entziehen…


  • Erscheinungstag 23.09.2014
  • Bandnummer 0387
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704162
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Melanie Milburne, Miranda Lee, Michelle Douglas, Nina Harrington

JULIA EXTRA BAND 387

MELANIE MILBURNE

Ein kühler Plan, ein heißer Kuss

„Überraschung!“ Schockiert entdeckt Remy seine schöne Erzfeindin Angelique in seiner Hotelsuite in Dharbibi. Will sie ihn etwa verführen, um ihren geliebten Familiensitz von ihm zurückzugewinnen?

MIRANDA LEE

Mein Flirt mit dem Millionär

Heiraten, Kinder: nichts für den überzeugten Junggesellen Jack Stone! Doch als er die Innenarchitektin Vivienne beauftragt, sein Luxusanwesen neu zu gestalten, gerät seine Überzeugung jäh ins Wanken …

MICHELLE DOUGLAS

So süß duftet nur das Glück

Janeens Herz schlägt schneller unter Rico D’Angelos Blick. Wie dunkel und feurig seine Augen sind, zum Dahinschmelzen … Doch sie sollte ihm besser widerstehen. Schließlich ist er ihr neuer Boss!

NINA HARRINGTON

Eine E-Mail für die Liebe

Der erfolgreiche Unternehmer Miles Gibson ist nicht wirklich auf Partnersuche im Internet. Er braucht nur eine Frau für einen Abend. Eine unabhängige Frau mit Esprit und Charisma. Eine Frau wie Andy?

1. KAPITEL

„Was soll das heißen, du hast es verloren?“ Angelique starrte ihren Vater schockiert an.

Henri Marchand zuckte gleichmütig die Achseln, doch sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als müsse er etwas Widerliches schlucken. Tarrantloch, den schottischen Familiensitz von Angeliques verstorbener Mutter, bei einem Pokerspiel in Las Vegas zu verlieren, war allerdings auch verdammt bitter.

„Remy Caffarelli hat so getan, als hätte er eine Pechsträhne“, verteidigte Henri sich. „Er verlor ein Spiel nach dem anderen. Ich wollte ihn ein für alle Mal fertigmachen, aber im alles entscheidenden Spiel hat er mich plötzlich ausgebootet.“

Angelique überlief es eiskalt. Gleichzeitig begann ihr das Blut in den Adern zu kochen. „Jetzt sag nicht, du hast Tarrantloch an Remy Caffarelli verloren!“ Dieser Mann war ihr erbitterter Feind. Der einzige Mann, mit dem sie absolut nichts zu tun haben wollte – noch nicht mal in Gedanken!

„Ich werde alles zurückgewinnen“, verkündete ihr unbelehrbarer Vater im Brustton der Überzeugung. „Ich fordere ihn zu einem weiteren Spiel mit noch höherem Einsatz heraus. Er beißt bestimmt an.“

„Willst du etwa noch mehr verlieren?“ Aufgebracht sah Angelique ihren Vater an. „Remy Caffarelli hat dich reingelegt, kapierst du das denn nicht? Er hat es schon lange auf dich abgesehen, seit der Sache mit seinem Großvater damals. Und dann hast du auch noch Remys Hotelprojekt in Spanien sabotiert! Wie hast du nur auf einen so billigen Trick hereinfallen können?“

„Das nächste Mal bin ich derjenige, der ihn reinlegt, du wirst schon sehen. Er hält sich immer für besonders clever, aber ich werde ihn genau dort treffen, wo es richtig wehtut.“

Angelique verdrehte verächtlich die Augen und wandte sich ab. Ihr Magen fühlte sich an, als hätte man ihn mit einem rostigen Löffel ausgekratzt. Wie hatte ihr Vater nur den geliebten Familiensitz ihrer Mutter an Remy Caffarelli verwetten können? Dabei gehörte Tarrantloch ihm doch gar nicht! Es war Teil des Treuhandfonds, der ihr mit fünfundzwanzig Jahren übereignet werden sollte – in weniger als einem Jahr.

Ihr Heiligtum. Ihr Refugium. Der einzige Ort, an den sie sich zurückziehen konnte, ohne von Paparazzi verfolgt zu werden.

Weg. Verloren. Verspielt.

Und zu allem Überfluss auch noch an ihren Erzfeind!

Remy frohlockte bestimmt! Sie konnte förmlich vor sich sehen, wie er die sinnlichen Lippen zu einem selbstgefälligen Lächeln verzog und seine espressoschwarzen Augen triumphierend glitzerten. Mit Sicherheit stolzierte er in ganz Europa herum und erzählte allen, dass er es Henri Marchand endlich heimgezahlt hatte.

Ihr Vater und die Caffarellis waren seit zehn Jahren erbitterte Feinde. Bis dahin waren Remys Großvater Vittorio und Henri Geschäftspartner und Freunde gewesen. Doch dann musste irgendetwas zwischen den beiden vorgefallen sein. Henri hatte in letzter Minute die Finanzierung einer wichtigen geschäftlichen Transaktion der Caffarellis platzen lassen und deren Imperium damit in große Gefahr gebracht. Seitdem hatten die beiden Männer kein Wort mehr miteinander gewechselt.

Angelique hatte schon länger damit gerechnet, dass ausgerechnet Remy sich an ihrem Vater rächen würde. Vermutlich, weil er sich damit den Respekt seines Großvaters verschaffen wollte. Das war bislang noch keinem der drei Caffarelli-Brüder gelungen, obwohl gerade Remys ältere Brüder unglaublich erfolgreiche Geschäftsleute waren.

Doch Angelique war schon vor dem Bruch zwischen ihren beiden Familien immer wieder mit Remy aneinandergeraten. Seine Arroganz und Überheblichkeit waren ihr auf die Nerven gegangen, während er ihr vorgeworfen hatte, süchtig nach Aufmerksamkeit zu sein. Die acht Jahre Altersunterschied zwischen ihnen hatte ihr Verhältnis nicht einfacher gemacht. Allerdings musste Angelique zugeben, dass sie damals ziemlich schwierig im Umgang gewesen war – vor allem nach dem Tod ihrer Mutter.

Sie drehte sich wieder zu ihrem Vater um, der seine Niederlage gerade mit einem großen Glas Brandy herunterspülte. „Mom dreht sich bestimmt im Grab um – und ihre Eltern und Großeltern gleich mit. Wie konntest du nur so … dumm sein?“

Henris Blick wurde eisig. Wütend presste er die dünnen Lippen zusammen. „Pass gut auf, was du sagst, junge Dame“, sagte er drohend. „Ich bin dein Vater. Du sprichst gefälligst nicht mit mir, als sei ich ein Idiot.“

Angelique straffte die Schultern. „Und was willst du dagegen tun? Mich beschimpfen, so wie Mom? Mich verbal und emotional missbrauchen, bis ich eine Überdosis Schlaftabletten schlucke, nur um dich endlich loszuwerden?“

Ein unheilvolles Schweigen erfüllte den Raum.

Angelique wusste, wie gefährlich es war, ihren Vater zu verstimmen.

Das Unaussprechliche auszusprechen.

Ihre ganze Kindheit hindurch war sie auf Zehenspitzen um ihn herumgeschlichen, um nur ja nicht seinen Zorn zu erregen. Sie hatte mit ansehen müssen, wie er das Selbstwertgefühl ihrer Mutter nach und nach unterminierte, bis sie nur noch ein Schatten ihrer selbst war. Sein Verhalten hatte die Luft verpestet. Angelique hatte lange versucht, seine Zuneigung zu gewinnen, aber nichts, was sie tat, war je gut genug für ihn gewesen.

Mit siebzehn hatte sie dann beschlossen, das Gegenteil zu tun. Seitdem nutzte sie jede Gelegenheit, um ihn in aller Öffentlichkeit in Verlegenheit zu bringen, zum Beispiel mit ihrer Karriere als Bademoden-Model. Sie wusste genau, wie peinlich es ihm war, dass seine Tochter ihren Körper in Magazinen und Katalogen zur Schau stellte, und auch sonst ließ sie keine Gelegenheit aus, sich in die Schlagzeilen zu bringen. Ihren Ruf als skandalerregende Partyschlampe nahm sie gern dafür in Kauf.

„Pass bloß auf, dass ich dich nicht enterbe“, stieß ihr Vater wutentbrannt hervor. „Wenn du so weitermachst, werde ich jeden einzelnen Penny einem Tierheim stiften.“

Angelique hätte fast erwidert, „Nur zu, mach doch“, aber das Vermögen, das er wegzugeben drohte, hatte ihrer Mutter gehört. Von Rechts wegen gehörte es ihr, genauso wie Tarrantloch eigentlich ihr gehört hatte. Und sie würde alles dafür tun, um es zurückzubekommen.

Und zwar sofort.

Remy liebte die Wüste von Dharbiri, eine arabische Provinz, der er so oft wie möglich einen Besuch abstattete. Mit Kronprinz Talib Firas Muhtadi war er seit seiner Schulzeit befreundet.

Er genoss den Anblick des sich endlos bis zum Horizont erstreckenden gewellten Sandes, genoss die Stille, die Einsamkeit und die flirrend heiße Luft. Die fast feudalen Gesetze und Bräuche empfand er als anregenden Kontrast zu seinem durch und durch modernen Leben.

Kein Alkohol. Kein Glücksspiel. Keine unbeaufsichtigten Frauen.

Sein aufregendes Leben gefiel ihm, aber dann und wann empfand er das Bedürfnis, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und seine Batterien wieder aufzuladen.

Das Klima in Dharbiri war ganz anders als im herbstlichen Italien, wo er gerade einige Tage bei seinem Großvater verbracht hatte. Es gab ihm immer ein Gefühl der Genugtuung, unangemeldet bei dem schwierigen alten Mann hereinzuschneien, ein paar Tage zu bleiben und dann einfach ohne Abschied zu verschwinden. Er wusste, dass den alten Herrn das verrückt machte.

Remy liebte Italien, fühlte sich jedoch fast überall zu Hause. Seine französisch-italienische Herkunft und seine Schulzeit in England hatten ihn mehr oder weniger zu einem Kosmopoliten gemacht. Bis jetzt hatte er kein wirkliches Zuhause, sondern lebte fast nur in Hotels. Es gefiel ihm, nie zu wissen, wohin es ihn die nächste Woche verschlagen würde. Seine ausgezeichnete Spürnase für günstige Deals führte ihn mal hier- und mal dorthin. Und er hatte großen Erfolg mit dieser Strategie.

So wie bei seinem letzten Pokerspiel mit Henri Marchand in Vegas. Was für ein geradezu genialer Meisterstreich! Es musste diesen windigen Betrüger äußerst schmerzlich getroffen haben, dass das Schloss in Schottland nun Remy gehörte.

Wie süß schmeckte dieser Sieg! Remy war gleich nach Dharbiri geflogen, um dort erst einmal in aller Ruhe über seinen Gewinn nachzudenken. Tarrantloch war einer der schönsten Landsitze Schottlands. Die einsame isolierte Lage war perfekt, um zu jagen, zu angeln und Freunde zu Partys einzuladen. Remy wäre am liebsten sofort hingeflogen, wollte jedoch nicht zu begierig wirken. Nein, es war besser, Henri Marchand – und seiner verzogenen Tochter Angelique – den Eindruck zu vermitteln, dass Tarrantloch ihm nicht viel bedeutete.

Er würde noch jede Menge Zeit haben, ihr seinen Triumph unter die perfekte kleine Stupsnase zu reiben.

Er konnte es kaum erwarten.

Angelique hatte schon Probleme damit gehabt, einen Flug nach Dharbiri zu bekommen, aber bis zu Remy vorzudringen, gestaltete sich etwa so schwierig, wie mit einer Handvoll Granaten im Handgepäck die Sicherheitskontrolle am Flughafen zu passieren.

Sie knirschte zum ungefähr zehnten Mal in den letzten Stunden vor Wut mit den Zähnen. „Ich muss unbedingt mit Monsieur Caffarelli sprechen. Es ist dringend. Eine Art … Familienkrise.“

Ihre Familienkrise.

Der Rezeptionist gab sich kühl und distanziert. Vermutlich war er schon routiniert darin, ganze Heerscharen weiblicher Glücksritter abzuwimmeln, die ein Arm oder ein Bein – oder beides – dafür hergeben würden, um ein paar Minuten mit dem unglaublich reichen und gut aussehenden Remy Caffarelli verbringen zu dürfen.

Als ob sie jemals so tief sinken würde!

„Monsieur Caffarelli ist gerade nicht erreichbar.“ Der Rezeptionist warf ihr einen abschätzigen Blick zu. „Er speist gerade mit dem Kronprinz und seiner Frau zu Abend, und das Hofzeremoniell erlaubt nur bei dringenden politischen Problemen eine Unterbrechung.“

Angelique verdrehte innerlich genervt die Augen. Okay, dann musste sie sich eben eine andere Taktik einfallen lassen. Kein Problem, sie war eine Meisterin darin, ihren Willen durchzusetzen. Notfalls auch mit List und Tücke.

Sie lächelte hinterhältig.

Schon kurz darauf hatte sie ein junges Zimmermädchen bestochen, das Angelique aus einem Magazin wiedererkannt hatte. Mehr als ein Autogramm war nicht nötig, um Zutritt zu Remys Suite zu bekommen.

Das Zimmermädchen hatte ihr jedoch eingeschärft, dass sie auf keinen Fall jemand in Remys Suite sehen durfte. Anscheinend wegen irgendeines albernen Gesetzes, das es nicht miteinander verheirateten Männern und Frauen verbot, sich unbeaufsichtigt im selben Raum aufzuhalten. Wahrscheinlich war es das Beste, sich zu verstecken, bis Remy zurückkam, so nervig das auch war.

Angelique sah sich nach einem geeigneten Versteck um.

Hinter den Vorhängen? Nein, dann würde man sie von draußen sehen können.

Im Badezimmer? Auch nicht. Was war, wenn ein Zimmermädchen das Chaos beseitigen wollte, das Remy dort hinterlassen hatte?

Blieb also nur noch der Kleiderschrank.

Das war zwar klischeehaft, aber effektiv.

Remy beschlich ein seltsames Gefühl, als er seine Suite betrat. Irgendetwas war anders als vorher. Dabei hatte er das Zimmermädchen extra abbestellt, weil es ihm auf die Nerven ging, wenn ständig jemand seine Privatsphäre störte. Das Hotel hatte seinen Wunsch doch nicht etwa ignoriert?

Lautlos schloss er die Tür und blieb reglos stehen.

Er wartete.

Er lauschte.

Langsam ließ er den Blick durch die luxuriös ausgestattete Suite gleiten. Sein Laptop stand genau so aufgeklappt auf dem Schreibtisch wie vorher. Remys Blick fiel auf die offene Schlafzimmertür. In der Überdecke war noch der Abdruck zu sehen, den er hinterlassen hatte, als er mit seinem Büro in Monte Carlo telefoniert hatte. Und das benutzte Handtuch und die getragenen Kleidungsstücke, die er auf den Boden geworfen hatte, lagen auch noch da.

Anscheinend hatte er sich geirrt. Vielleicht lag es ja am Jetlag. Das seltsame Gefühl ignorierend, streifte Remy sein Dinnerjacket ab und warf es achtlos über die Sofalehne. Dann lockerte er seine viel zu eng sitzende Krawatte – die Vorschriften in Dharbiri waren wirklich streng. Aber Remy befolgte sie gern, denn hier konnte er vergessen, dass er der jüngste Spross der Caffarelli-Dynastie war. Niemand verglich ihn mit seinen beiden älteren Brüdern oder seinem verbitterten Großvater.

Hier war er so frei wie ein Wüstenfalke. Er freute sich schon darauf, sich in den nächsten Tagen erholen zu können.

Angelique hielt die Luft so lange an, bis sie fast ohnmächtig wurde. Sie wollte jedoch sichergehen, dass Remy auch wirklich allein in seiner Suite war, bevor sie aus dem Schrank kam. Aus dem ziemlich leeren Schrank.

Denn offensichtlich hatte Remy nie gelernt, seine Sachen ordentlich aufzuhängen. Die meisten seiner Kleidungsstücke lagen überall auf dem Fußboden verstreut, und im Badezimmer sah es auch nicht viel besser aus. Das Waschbecken war voller Bartstoppeln, und überall lagen benutzte Handtücher herum.

Aber das bestätigte nur, was sie ohnehin schon wusste: Remy Caffarelli war ein verwöhnter Playboy, der mehr Geld als Verstand hatte. Bestimmt war er es gewohnt, dass man ihn von vorn bis hinten bediente.

Angelique kam zwar auch aus einem reichen Elternhaus, aber zumindest hatte sie gelernt, Ordnung zu halten und konnte locker ein Drei-Gänge-Menü zaubern.

Remy hatte in seinem ganzen Leben bestimmt noch nicht mal ein Ei gekocht.

Wahrscheinlich konnte er noch nicht mal Wasser heiß machen!

Angelique ballte die Hände zu Fäusten und knirschte vor Wut mit den Zähnen.

Wie ich ihn hasse!

Sie hörte Remy in der Suite rumoren und dann das Zischen einer geöffneten Dose. Das konnte unmöglich Bier sein, denn Alkohol war hier streng verboten. Man konnte im Knast landen, wenn man welchen trank.

Als Nächstes hörte sie das Klicken der Laptop-Tastatur und Remys tiefes heiseres Lachen. Anscheinend musste er über irgendeinen Online-Beitrag oder eine Mail lachen.

Ihr Herz machte einen Satz.

Er hatte wirklich ein tolles Lachen. Und ein schönes Lächeln. Und einen hinreißenden Mund. Angelique hatte den Großteil ihrer Teenagerzeit damit verbracht, von diesem Mund zu fantasieren.

Hör sofort auf damit, du blöde Kuh!

Du wirst jetzt weder an seinen Mund noch an irgendeinen anderen Teil seines absolut göttlichen Körpers denken.

Als sie gerade aus dem Schrank treten wollte, hörte sie ein scharfes Klopfen an der Tür. Erschrocken zucke sie zusammen. Bekam Remy etwa Besuch? Von einer seiner Verehrerinnen vielleicht? Oh Gott, wenn sie gleich mitanhören musste, wie er es wild mit irgendeiner Schlampe trieb …

„Monsieur Caffarelli?“, hörte sie eine offiziell klingende Stimme. „Wir möchten gern mit Ihnen reden.“

Angelique hörte, wie Remy das Zimmer durchquerte. „Ja? Was ist?“, fragte er in jenem charmanten Tonfall, den er so meisterhaft beherrschte.

Der Beamte räusperte sich, als sei es ihm sehr unangenehm, sein Anliegen vorzutragen. „Uns ist zu Ohren gekommen, dass sich eine junge Frau in Ihrem Zimmer aufhält.“

„Pardon?“ Remy Französisch sprechen zu hören, jagte Angelique einen Schauer der Erregung über den Rücken.

„Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, schreiben unsere Gesetze vor, dass eine alleinstehende Frau nicht unbeaufsichtigt in Gesellschaft eines Mannes sein darf, der nicht ihr Bruder oder ihr Ehemann ist. Wir haben Grund zur Annahme, dass sich jemand in Ihrem Zimmer befindet, auf den beides nicht zutrifft.“

„Haben Sie den Verstand verloren?“, fragte Remy fassungslos. „Ich kenne Ihre Gesetze. Nie würde ich Scheich Muhtadis Ehrgefühl verletzen. Das müsste seinen Beamten – einschließlich Ihnen – doch eigentlich bekannt sein?“

„Eine unserer Angestellten hat unter Tränen gestanden, einer jungen Frau Zutritt zu Ihrem Zimmer gewährt zu haben“, erklärte der Beamte. „Wir würden daher gern Ihr Zimmer durchsuchen.“

„Nur zu, durchsuchen Sie es.“ Remy klang geradezu ekelerregend selbstsicher. Arrogant geradezu. „Sie werden niemand anderen finden als mich.“

Als Angelique hörte, wie die Tür zur Suite aufging, stockte ihr der Atem vor Schreck. Ihr Herz raste wie ein Vorschlaghammer. Ängstlich kauerte sie sich in einer Ecke des Schranks zusammen. Hoffentlich würde die Dunkelheit sie verbergen.

Sie schloss sogar die Augen – so wie ein kleines Kind, das glaubt, niemand könne es sehen, wenn es selbst niemanden sehen kann.

Schwere Schritte und das Klappen von Türen waren zu hören. Vorhänge wurden auf- und wieder zugezogen und die Schubladen von Remys Schreibtisch geöffnet.

Glauben die etwa, ich passe in eine Schublade?

„Sehen sie?“ Remys Stimme klang irritiert. „Außer mir ist kein Mensch hier.“

„Der Schrank.“ Das kam von dem älteren der beiden Beamten. Angelique stellte sich vor, wie er in Richtung ihres Schlupflochs nickte. „Sehen Sie im Kleiderschrank nach.“

„Soll das ein Witz sein?“ Remy lachte spöttisch. „Halten Sie mich wirklich für so abgeschmackt?“

Als die verspiegelte Tür beiseite glitt, hob Angelique die rechte Hand und winkte mit den Fingerspitzen. „Überraschung!“

2. KAPITEL

Remy traute kaum seinen Augen, als er die weibliche Gestalt in seinem Kleiderschrank sah. Er blinzelte schockiert. Das war doch nicht etwa Angelique Marchand, oder?

Oh doch, sie ist es.

„Was zum Teufel soll das?“ Er starrte sie wütend an. „Was machst du in meinem Zimmer?“

Angelique stieg so anmutig aus dem Schrank, als wolle sie eine Modenschau eröffnen. Für einen Moment sah Remy nur ihre wunderbaren Beine, dann die perfekten hohen Brüste, den herrlichen Schmollmund … Ihre Bewegungen waren so geschmeidig wie die einer Katze. Vorwurfsvoll sah sie ihn aus ihren unvergesslichen blaugrauen Augen an. „Was ist denn das für eine Begrüßung, Remy? Ich dachte, du hättest bessere Manieren.“

Remy war noch nie in seinem Leben so wütend gewesen. Er fühlte sich wie ein überhitzter Dampfkessel – kurz vorm Explodieren. Niemand brachte ihn so schnell auf die Palme wie Angelique. Das verwöhnte kleine Luder machte mal wieder, was sie wollte. Hatte sie denn noch nie etwas von fremden Sitten und Gebräuchen gehört? Und was zum Teufel wollte sie eigentlich hier?

War ihr eigentlich bewusst, in was für eine Bredouille sie ihn brachte?

Er stand doch jetzt vor dem Beamten da wie ein Lügner! Dabei war es gerade an einem Ort wie Dharbiri wichtig, absolut vertrauenswürdig zu sein. Die hiesigen Gesetze und Vorschriften zu missachten, war ein schweres Vergehen, auch für den Freund des Prinzen.

Man konnte ihn ausweisen.

Vor Gericht stellen.

Remy überlief es eiskalt.

Auspeitschen.

„Du solltest lieber eine gute Erklärung parat haben, warum du in meinem Zimmer bist“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Angelique warf sich die üppige schwarze Mähne über die Schultern. „Ich bin wegen meines Hauses hier. Ich will, dass du es mir zurückgibst.“ Ihr Blick war so hart wie ein Diamant. „Ich werde nicht eher abreisen, als bis du mir Tarrantloch notariell übereignet hast.“

„Monsieur Caffarelli“, schaltete sich der ältere Beamte ein. „Ist Ihnen diese junge Frau hier persönlich bekannt oder mit Ihnen verwandt? Falls nicht, werden wir sie sofort den Behörden übergeben.“

Sie den Behörden übergeben? Remy gefiel das ganz und gar nicht. So sehr er Angelique auch verabscheute, er konnte nicht zulassen, dass ihr etwas passierte. Er holte tief Luft und setzte sein beschwichtigendstes Lächeln auf. „Ich fürchte, hier liegt ein kleines Missverständnis vor. Meine Verlobte wollte mich anscheinend mit ihrem plötzlichen Auftauchen überraschen …“

„Verlobte?“, fragten Angelique und der ältere Beamte gleichzeitig.

Remy lächelte charmant. „Wir haben unsere Verlobung bisher geheim gehalten. Die Presse bei uns zu Hause macht immer einen solchen Wirbel um solche Dinge.“ Er zuckte nonchalant die Achseln. „Sie wissen ja, wie das ist.“

Der Beamte richtete sich kerzengerade auf. Sein Gesichtsausdruck war so streng wie der eines Feldwebels. „Nach diesem … Überraschungsbesuch Ihrer Verlobten, wird es Ihnen nicht eher gestattet sein, die Provinz zu verlassen, als bis Sie rechtmäßig verheiratet sind.“

„Verheiratet?“, keuchten Angelique und Remy entsetzt.

„Das soll wohl ein Witz sein!“ Angelique starrte den Beamten schockiert an.

„Das ist kein Witz“, raunte Remy ihr zu. „Spiel das Spiel mit. Und versuch, locker zu bleiben.“ Locker bleiben? Habe ich denn den Verstand verloren? Remy fühlte sich nicht locker. Er hatte noch nie so schnell auf eine verzwickte Situation reagieren müssen. Angelique als seine Verlobte vorzustellen, war die einzige Lösung, die ihm auf die Schnelle eingefallen war. Und vielleicht würde ihnen noch nicht mal das den Hals retten.

„Ich werde dich auf keinen Fall heiraten!“ Wutentbrannt starrte sie ihn an. „Eher sterbe ich!“

„Tja, die Chance könntest du vielleicht sogar bekommen“, gab er zurück. „Wir sind hier nicht in Frankreich, Italien oder England. Hast du dich denn nicht über die Gebräuche hier informiert, bevor du hergekommen bist?“

Angelique schluckte. „Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht. Ich bin einfach …“ Sie stockte.

„Nicht nachzudenken konntest du ja immer schon bemerkenswert gut“, sagte Remy sarkastisch.

Angelique ballte die zierlichen Hände zu Fäusten und funkelte ihn wütend an. „Ich dachte, du bist mit dem Kronprinzen befreundet. Kann er nicht etwas unternehmen?“

„Ich fürchte nein.“ Remy hatte diese Diskussion schon während des Studiums mit seinem Freund geführt. „Die königliche Familie hat viel Einfluss, aber nicht genug, um die Gesetze der Stammes­ältesten außer Kraft zu setzen.“

„Aber das Ganze ist doch lächerlich!“

Remy sah sie warnend an. „Wenn du weiter so beleidigende Dinge von dir gibst, werde ich mein Leben bestimmt nicht deinetwegen aufs Spiel setzen.“

Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Offensichtlich hatte es ihr ausnahmsweise mal die Sprache verschlagen. Nicht dass dieser Zustand lange andauern würde. Remy kannte Angeliques scharfe Zunge zur Genüge. Sie wollte immer das letzte Wort haben.

Aber nicht mit ihm.

„Monsieur Caffarelli?“ Der Beamte trat einen Schritt vor. „Wir werden alles Nötige für die Zeremonie morgen früh vorbereiten und werden Ihrer Verlobten ein eigenes Zimmer geben. Sie werden bestimmt verstehen, dass sie die Nacht nicht bei Ihnen verbringen darf.“

„Aber selbstverständlich.“ Remy schenkte dem Beamten wieder sein charmantestes Lächeln. Je eher ihr sie hier rausschafft, desto besser. „Sie haben mein vollstes Verständnis. Ich entschuldige mich aufrichtig für das impulsive Verhalten meiner Verlobten. Sie ist manchmal ein bisschen eigenwillig, aber sobald wir verheiratet sind, werde ich schon dafür sorgen, dass sie spurt.“

Remy musste innerlich grinsen, als er Angelique hochrot anlaufen sah. Äußerlich wahrte sie die Fassung, doch er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie vor Wut kochte. Plötzlich bedauerte er es doch, dass sie gleich gehen würde. Er hätte sie zu gern ausflippen sehen.

Angelique drehte sich zu dem Beamten um und sah ihn sittsam und bescheiden an. Sie klimperte sogar unschuldig mit den vollen, unglaublich langen Wimpern. „Darf ich bitte für einen Moment unter vier Augen mit meinem … Verlobten sprechen? Vielleicht könnten Sie uns vom Flur aus beaufsichtigen. Wir lassen die Tür offen stehen. Wäre das zumutbar?“

Der Beamte nickte steif und bedeutete seinem Untergebenen, ihm in den Flur zu folgen.

Remy bekam Angeliques Wut ungefiltert zu spüren, als sie zu ihm herumwirbelte. „Du brauchst mich gar nicht so anzusehen“, kam er ihr zuvor. „Du bist diejenige, die uns das Ganze eingebrockt hat.“

Angelique zitterte vor Wut wie ein vibrierender Außenbordmotor. „Verlobte?“ Sie klang, als würde sie an dem Wort ersticken. „Warum hast du nicht gesagt, ich sei deine Schwester … oder deine Kusine?“

„Weil alle Welt weiß, dass ich einer von drei Brüdern bin, die früh Vollwaisen wurden. Und da meine Eltern beide Einzelkinder waren, habe ich keine Kusinen.“

Ihr Blick war voller Hass. „Deswegen musstest du mich noch lange nicht wie eine durchgeknallte Irre darstellen, die du zur Räson bringen musst! Das hast du bestimmt mit Absicht gemacht, du widerlicher Chauvi!“

Remy fand ihre Wut seltsam erregend, versuchte jedoch, das Gefühl zu ignorieren. „Die Vorstellung, wie ich dich zur Räson bringe, ist für dich bestimmt unerträglich, was, ma petite?“

„Du hast meinen Vater reingelegt, gib’s zu! Ich kenne dich! Du wolltest ihm einen Denkzettel verpassen, weil er dir bei diesem dämlichen Ibiza-Deal letztes Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, aber das lasse ich mir nicht gefallen! Ich werde erst Ruhe geben, wenn du mir mein Eigentum zurückgibst!“

Remy musterte sie betont kühl und ungerührt, weil er genau wusste, dass sie das noch mehr auf die Palme brachte. „Die Mühe kannst du dir sparen. Ich habe Tarrantloch rechtmäßig gewonnen und gebe es nicht wieder her. Dein Vater wusste genau, worauf er sich einließ. Aber ich muss schon sagen, es ist ganz schön erbärmlich von ihm, dich hier rauszuschicken, um mich anzubaggern.“

Hochmütig warf sie den Kopf in den Nacken. „Du glaubst, ich wäre deswegen gekommen? Als ob ich je so tief sinken würde! Du bist der letzte Mann auf der Welt, den ich versuchen würde zu verführen!“

„Dito, mon coeur. Du lässt mich auch völlig kalt.“

Angelique biss sich auf die Unterlippe, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, bevor sie sich würdevoll aufrichtete. „Und diese Hochzeit … also, das ist absolut lachhaft. Kommt gar nicht infrage. Ich werde dich niemals heiraten!“

„Das ist nur eine Formsache. Wir lassen die Ehe in England einfach wieder annullieren. Wir tun, was man von uns verlangt und reisen ab. Mehr nicht.“

„Mehr nicht?“ Ihre Augen blitzten wütend auf. „Wir werden verheiratet sein!“ Sie schauderte, als sei ihr die bloße Vorstellung zuwider. „Selbst wenn es nur auf dem Papier ist, ich will das einfach nicht! Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen. Das ist eine … eine Katastrophe!“

„Die du selbst verschuldet hast.“ Remy gab sich wieder betont kühl und unbeteiligt. Er wusste genau, wie sehr sie das irritierte.

Angelique presste die Lippen zusammen und starrte ihn an, als wolle sie ihn umbringen. „Das Ganze ist nicht meine Schuld, sondern deine, weil du so darauf versessen bist, dich an meinem Vater zu rächen! Du brauchst Tarrantloch doch gar nicht! Deine Familie hat viel größere und schönere Häuser. Warum hast du dir ausgerechnet das Einzige unter den Nagel gerissen, das ich mehr liebe als alles andere?“

Remy verspürte einen Anflug von Schuldgefühlen. Nur einen ganz winzigen. Nichts, was sich nicht ignorieren ließe. Schließlich hatte er nur das getan, was alle Caffarellis machten. Er hatte sich ein Ziel gesetzt und alles daran gesetzt, es zu erreichen. So lautete schließlich das Credo der drei Caffarelli-Brüder: Ziel anvisieren. Drauf los. Gewinnen.

Remy hätte Henri Marchand natürlich auch etwas anderes abknöpfen können als das alte schottische Schloss, aber er hatte gewusst, dass dessen Verlust den alten Herrn schmerzlich treffen würde. Es war Henri Marchands liebstes Statussymbol. Er liebte es, sich vor seinen Geschäftsfreunden als König der Highlands aufzuspielen.

Die Tatsache, dass seine Tochter und Alleinerbin vernarrt in den Landsitz war, interessierte Remy dabei nicht. Noch nicht mal ansatzweise. Schließlich war er Geschäftsmann und kein Wohltäter.

Er hatte lange auf diese Gelegenheit gewartet, seine persönliche Rechnung mit Henri Marchand zu begleichen – eine Rechnung, die absolut nichts mit seinem Großvater zu tun hatte.

Remy hatte fast den Kauf eines Hotelkomplexes in Ibiza in der Tasche gehabt, als eine anonyme E-Mail den Verkäufer in letzter Sekunde abgeschreckt hatte. Es war nicht schwierig gewesen, den Absender herauszufinden. Henri Marchand war zwar intrigant, aber nicht besonders geschickt darin, seine Spuren zu verwischen. Remy hatte sich sofort geschworen, Rache zu nehmen, ganz egal, wie lange er auf eine passende Gelegenheit warten musste.

„Tarrantloch gehört jetzt mir, Angelique. Finde dich damit ab.“ Falsche Sentimentalität war hier fehl am Platz. „Schließlich bist du nicht obdachlos. Du wohnst doch sowieso fast das ganze Jahr über in Paris, oder?“

Angeliques Gesicht verzerrte sich vor Wut. „Ich wollte mich in Tarrantloch zur Ruhe setzen!“

Remy stieß einen leisen Pfiff aus. „Du planst ja weit voraus. Wie alt bist du noch mal? Fünfundzwanzig?“

„Vierundzwanzig. Ich werde nächste Jahr im Mai fünfundzwanzig.“

„Und in welchem Alter setzen Bademoden-Models sich zur Ruhe?“ Remy konnte nicht umhin, sie von Kopf bis Fuß zu mustern. Sie hatte eine fantastische Figur. Und das war sogar noch untertrieben. Er kannte keine Frau, die verführerischer auf ihn wirkte als Angelique! Vor fünf Jahren hatte er sie das erste Mal in einem Hauch von Bikini von einem riesigen Werbeplakat auf sich herablächeln sehen, und seither war sie ihm nicht mehr aus dem Sinn gegangen.

„Ich will in einem anderen Bereich des Modegeschäfts arbeiten.“

„Zum Beispiel?“

Aufgebracht funkelte sie ihn an. „Ich bespreche mit dir doch nicht meine beruflichen Pläne! Du wirst sie ja doch nur in der Luft zerreißen und mir erzählen, dass ich nur meine Zeit verschwende und mir einen richtigen Job suchen soll.“

Remys Schuldgefühle meldeten sich erneut. Stimmt, er hatte sie bei ihren Model-Plänen nicht gerade ermutigt. Als er erfahren hatte, dass sie die Schule abbrechen wollte, um einen Vertrag bei einer Model-Agentur zu unterzeichnen, hatte er das Kontaktverbot seines Großvaters einfach ignoriert, Angelique angerufen und sie gebeten, es sich noch mal zu überlegen.

Aber die Ratschläge anderer Menschen zu befolgen, gehörte nicht gerade zu Angeliques Stärken.

„Monsieur Caffarelli?“, sagte der Beamte von der offenen Tür aus. „Das Zimmer für Ihre Verlobte ist jetzt vorbereitet.“ Er drehte sich zu Angelique um. „Würden Sie mir bitte folgen, Mademoiselle? Wir haben zwei Begleiterinnen für Sie organisiert.“

Angelique warf Remy einen letzten erbosten Blick zu, bevor sie an ihm vorbeimarschierte. Verstohlen atmete Remy ihr Parfum ein, das hervorragend zu ihr passte: Exotisch, blumig und einfach unverwechselbar.

In nur wenigen Stunden würden sie also Mann und Frau sein. Wenn ihm gegenüber das H-Wort ins Spiel gebracht wurde, lautete sein Antwortsatz meist: Nur über meine Leiche.

In diesem Augenblick – hier und jetzt – war Remy sich seiner Sache plötzlich nicht mehr so sicher …

Da Angelique kein Auge zubekam, wanderte sie fast die ganze Nacht auf und ab und verfluchte Remy. Sie hasste ihn! Wie konnte er ihr nur so etwas antun? Sie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen als zu heiraten.

Und dann auch noch ausgerechnet ihn!

Sie hatte sich geschworen, nie zu heiraten. Niemals würde sie jemandem erlauben, Kontrolle über sie zu haben und sie für immer an sich zu fesseln.

Ihre Mutter war ein abschreckendes Beispiel gewesen. Kate Tarrant hatte ihre Ehegelübde nur allzu ernst genommen. Sie war vom ersten Tag an unterwürfig und gehorsam gewesen und hatte ihre Freiheit und ihr Recht auf Selbstbestimmung restlos aufgegeben.

Angelique würde so etwas nie tun.

Der bloße Gedanke an die Ehe und alles, was damit zusammenhing, machte sie krank. Schon allein das Hochzeitskleid! Wer zog sich schon freiwillig wie ein Baiser an und ließ sich wie ein Päckchen an irgendeinen Mann weiterreichen, der einen in den nächsten fünfzig Jahren wie seine Haussklavin behandeln würde?

Angelique hörte ein Klopfen an ihrer Tür. Als sie sie öffnete, stand ein Zimmermädchen mit einem Tablett mit frischem Obst, Brötchen und heißem, ungewöhnlich aromatisch duftendem Kaffee vor ihr. „Ihr Frühstück, Mademoiselle.“

Ob sie darauf hinweisen sollte, dass sie Kaffee hasste und morgens nur Tee herunterbekam?

Wahrscheinlich nicht.

Kurz nachdem das Zimmermädchen gegangen war, erschien eine sehr viel ältere Bedienstete mit einem riesigen Stoffgebilde in den Händen und informierte Angelique, dass sie ihr jetzt bei der Vorbereitung für die Trauungszeremonie helfen würde.

„Das zieh ich auf keinen Fall an!“, sagte Angelique, als das Zimmermädchen ein Kleid auf dem Bett ausbreitete, das so voluminös wie ein Zirkuszelt war. Allerdings wie ein besonders schönes. Feine Goldfäden durchwirkten den Stoff, und das Mieder war mit unzähligen Diamanten bestickt.

„Das hier ist das traditionelle Brautkleid von Dharbiri“, erklärte das Zimmermädchen. „Die Kronprinzessin trug es bei ihrer Hochzeit im Juli. Es ist eine große Ehre, dass Sie es tragen dürfen.“

Welche Ironie, dachte Angelique, als das Zimmermädchen die vielen Meter Stoff um sie drapierte. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt damit, so gut wie nichts zu tragen, und jetzt hüllte man sie so gründlich und vollständig ein wie ein Geschenk.

Was für eine Farce! Unglaublich, dass sie in weniger als einer Stunde mit Remy Caffarelli verheiratet sein würde! „Sind wir endlich fertig?“, fragte sie ungeduldig.

„Fast.“ Das Zimmermädchen holte einen dichten Schleier, der mit weiteren Diamanten bestickt war, und eine mindestens fünf Meter lange Schleppe.

Angelique prallte entsetzt zurück. „Oh nein“, protestierte sie. „Das ist einfach zu viel.“

Die ältere Frau sah sie gelassen an. „Wollen Sie hier weg oder nicht?“

Als Remy die verhüllte Gestalt mit dem langen Schleier sah, war sein erster Gedanke, dass man ihm unter dieser Aufmachung jede Frau andrehen konnte. Die Gestalt zitterte jedoch so – vermutlich vor Wut –, dass es sich nur um Angelique handeln konnte.

Außerdem erkannte er sie an ihren Augen.

Wie hätte er auch diese graublauen Augen verwechseln können, die ihn jetzt voller Abscheu durch den Schleier anblitzten, als sie sich neben ihn stellte.

Remy musste plötzlich an die Hochzeit seines ältesten Bruders Rafe vor ein paar Wochen denken. Er hatte Rafe immer für ziemlich gefühlskalt gehalten, aber der Kerl hatte tatsächlich feuchte Augen gehabt, als er seiner Braut Poppy den Ehering an den Finger gesteckt hatte.

Auch Remys anderer Bruder Raoul würde kurz vor Weihnachten vor den Altar treten. Seine künftige Frau Lily Archer war die Physiotherapeutin, die ihn seit dem Wasserskiunfall behandelte, der ihn an den Rollstuhl fesselte. Seltsamerweise hatte Remy seinen Bruder nie zuvor so glücklich erlebt wie seit seiner Verlobung! Dabei war Raoul immer ein sehr körperhafter Mensch gewesen – unglaublich sportlich. Aber die Liebe schien ihn jetzt für all das zu entschädigen, was er verloren hatte …

Nicht dass Remy sich damit auskannte oder auch nur auskennen wollte. Er war schon öfter verknallt gewesen, aber Liebe? Nein, davon hielt er sich lieber fern. Menschen, die man liebte, konnte man nämlich verlieren. Sie konnten von einer Minute auf die andere verschwinden.

Wie meine Eltern.

Remy fiel es immer schwerer, sich noch an seine Mutter und seinen Vater zu erinnern. Er war erst sieben gewesen, als sie gestorben waren, und mit jedem Jahr verblassten die Erinnerungen ein Stück mehr.

Als ihn der Geistliche bat, Angeliques Hand zu nehmen, durchzuckte ihn die Berührung wie ein Stromschlag, der von seinem Arm direkt in seine Lenden zu schießen schien. So als habe Angelique ihn eigenhändig dort angefasst.

Remy hatte sich körperlich immer von ihr ferngehalten, auch, als ihr Vater und sein Großvater noch nicht zerstritten gewesen waren. Da Remy acht Jahre älter war als sie, hatte man ihn ab und zu gebeten, ihr während der Partys seines Großvaters Gesellschaft zu leisten. Er hatte schon damals gesehen, dass sie mal eine richtige Schönheit werden würde. Ihr rabenschwarzes Haar, ihre Augen, ihre schlanken Glieder und ihre knospenden Brüste waren eine ernste Versuchung gewesen, aber er hatte sich jeden Gedanken daran verboten.

Würde der Geistliche etwa auch von ihm erwarten, sie zu küssen? Nicht dass die Vorstellung nicht verlockend war, aber Remy wollte sie lieber unter vier Augen küssen als vor einer Ansammlung konservativer Stammesleute.

Angeliques Hand fühlte sich winzig klein in seiner an. Ihm wurde wieder bewusst, wie zierlich sie war. Unwillkürlich stellte er sie sich im Bett vor – eine sehr erregende Vorstellung. Es musste ein unglaubliches Gefühl sein, in sie einzudringen, ihren festen sexy Körper um sich herum zu spüren …

Reiß dich zusammen, Mensch! Das hier wird nur eine Ehe auf dem Papier, schon vergessen?

Als es Zeit für das Ehegelübde wurde, spulte Remy es so routiniert ab wie ein Schauspieler seinen Text. Es waren schließlich nur Worte, völlig bedeutungslose noch dazu. Angelique hingegen schien fast daran zu ersticken, vor allem als sie Remy versprechen musste, ihm zu gehorchen. Sie klang wie eine Katze, die ein Haarknäuel hochwürgt.

„Ich erkläre Sie jetzt zu Mann und Frau.“ Der Geistliche lächelte Remy väterlich zu. „Sie dürfen jetzt den Schleier heben und die Braut küssen.“

Panik flackerte in Angeliques Blick auf. „Ich würde lieber darauf …“

Remy ließ ihr jedoch keine Zeit, den Satz zu vollenden. Erstens wollte er nicht riskieren, dass sie alles verriet, und zweitens war wirklich nichts dabei. Eine flüchtige Berührung ihrer Lippen, und alle würden zufrieden sein.

Easy.

Er hob den schweren Schleier.

Angelique hatte als Teenager oft von diesem Augenblick geträumt – ihrem ersten Kuss von Remy. Er war sogar dann noch in ihren Fantasien aufgetaucht, wenn sie andere Männer geküsst hatte. Sie hatte einfach die Augen geschlossen und sich vorgestellt, in Remys Armen zu liegen und von ihm berührt und begehrt zu werden. So peinlich es ihr auch war, aber diese Fantasien hatten die Küsse – und den Sex – ein bisschen erträglicher gemacht.

Doch keine ihrer Fantasien reichte auch nur ansatzweise an die Realität heran. Remy küsste weder zu lässig, noch zu feucht, noch … Er küsste einfach genau richtig, fordernd und gefühlvoll zugleich.

Seine festen warmen Lippen und seinen unglaublich männlichen Körper zu spüren, machte Angelique so trunken, dass sie sich unwillkürlich auf die Zehenspitzen stellte und leicht ihre Lippen öffnete. Remys Kuss wurde immer intensiver.

Stöhnend packte er sie an den Hüften und zog sie noch enger an sich.

Angelique hörte, wie der Geistliche sich räusperte. „Ähm …“

Remy ließ die Hände sinken. Für einen Moment sah er ziemlich schockiert aus, doch dann schien er sich wieder zu fangen und lächelte dem Geistlichen charmant zu. „Sorry. Anscheinend habe ich für einen Moment ganz vergessen, wo ich bin.“

Der Geistliche lächelte verständnisvoll. „Es ist schön, ein so enthusiastisches Paar zu sehen. Gute Voraussetzungen für eine glückliche und erfüllte Ehe.“

Angelique knirschte vor Wut mit den Zähnen, als sie sah, wie sehr Remy die Situation genoss. Sein freches Augenzwinkern ließ keinen Zweifel daran.

„Der Kronprinz und seine Frau haben zur Feier Ihrer Hochzeit ein Bankett arrangiert“, sagte der Geistliche.

Oh nein! Jetzt bitte keinen Hochzeitsempfang mit Reden.

Doch wie sich herausstellte, handelte es sich eher um eine Party. Eine ohne Alkohol allerdings, was eine Schande war, da Angelique dringend etwas Starkes gebrauchen konnte – zum Teufel mit den Kalorien –, weil sie jetzt offiziell eine verheiratete Frau war.

Aaaahhh!

Der Festsaal war so groß wie ein Fußballplatz. Mindestens tausend Leute schienen gekommen zu sein. Was für ein lächerliches Brimborium.

Sie und Remy wurden zum Kopfende des Tisches geführt, wo Angelique der Frau des Kronprinzen vorgestellt wurde, Abby, einer jungen Engländerin. In ein paar Monaten würde ein Thronfolger zur Welt kommen, was zur Feierlaune beizutragen schien. Wenn das so weiterging, konnte die Party noch tagelang dauern.

Na toll.

Remy nahm Angelique Hand und führte sie aufs Tanzparkett, um den Hochzeitstanz zu eröffnen. „Entspann dich“, sagte er nach einer Weile. „Du fühlst dich an wie eine Schaufensterpuppe.“

„Nimm gefälligst die Pfoten von meinem Hintern!“

Remy ließ die Rechte zu ihrer Hüfte gleiten und zog Angelique an sich. „Besser so?“

Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Wir sollen tanzen, nicht herummachen.“

„Ich hätte dich für eine bessere Tänzerin gehalten.“

„Ich tanze hervorragend.“

„Dann zeig mir, was du drauf hast.“

Angelique lehnte sich an ihn und überließ ihm die Führung. Als sie sich dem Rhythmus der fließenden romantischen Musik überließ, kam sie sich wie eine Prinzessin auf einem Ball vor. Remy und sie schwebten in perfektem Einklang über das Parkett. Die anderen Paare – es mussten Hunderte sein – wichen bewundernd zurück, um ihnen Platz zu machen.

„Gut gemacht“, sagte Remy, als sie fertig waren. „Vielleicht sollten wir das mal wiederholen.“

„Du bist mir auf die Zehen getreten.“

„Bin ich nicht.“

„Bist du doch!“

Grinsend kniff er sie in eine Wange. „Lächle, ma chérie.“

Sie lächelte durch zusammengebissene Zähne. „Am liebsten würde ich dir die Augen auskratzen!“

„Habe ich dir schon gesagt, dass du sehr schön aussiehst?“

„Ich kann in diesem Kleid kaum atmen. Und ich habe keine Ahnung, wie ich damit in eine Toilettenkabine passen soll. Sie werden die Tür rausnehmen müssen.“

Remy lachte und strich ihr sanft über die Nasenspitze. „Das kriegst du schon hin.“

Na, das konnte ja heiter werden. Sobald Remy seinen Charme aufdrehte, war sie völlig verloren.

3. KAPITEL

„Das musst du probieren“, sagte Remy, als er kurz darauf mit einem vollen Teller zu ihr zurückkehrte.

Angelique stieg der köstliche Duft von Lamm mit Kräutern und Knoblauch in die Nase. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie den Couscous-Salat, die gebackenen Kartoffeln und das Fladenbrot neben dem Fleisch sah. Viel zu viel Kohlenhydrate. „Nein.“ Sie lächelte verkrampft, falls zufällig gerade jemand hinsah. „Ich habe keinen Hunger.“

„Hier.“ Er spießte ein Stück Lamm auf und hielt es ihr hin. „Probier mal. Es ist unglaublich lecker.“

„Ich will aber nicht!“

Streng sah er sie an. Unerbittlich geradezu. „Öffne den Mund.“

Angeliques Herz machte einen Satz, als sie seinen herrischen Tonfall hörte, aber sie hatte nicht die Absicht, nachzugeben. Das hier war ihre Schlacht, nicht seine. Sie war diejenige, die wegen ihrer Karriere in Topform bleiben musste. Sie zählte schon seit ihrem ersten Modelvertrag Kalorien und Kohlenhydrate. Eigentlich sogar schon länger, denn die Nahrungsaufnahme war das Einzige, was sie kontrollieren konnte. Sie wusste genau, wie sie ihre Figur in Topform brachte und würde ihre Bemühungen von niemandem sabotieren lassen. Schon gar nicht von Remy Caffarelli!

Sie erwiderte seinen Blick trotzig. „Ich habe gesagt, ich habe keinen Hunger.“

„Du lügst.“

Sein Blick war so durchdringend, dass er ihr durch Mark und Bein ging. Ihr wurde heiß – jedoch nicht vor Hunger, sondern vor Begierde.

Nach Sex.

Angelique wusste jedoch genau, dass sie der Versuchung nicht nachgeben durfte.

Sein Kuss hat auch so schon genug Schaden angerichtet.

Und diese Dirty-Dancing-Nummer erst …

Sie konnte sich keine Schwäche erlauben. Sie hatte ihren Appetit fest im Griff. Wenn Angelique über eins verfügte, dann über Selbstbeherrschung und Disziplin.

Sie wollte weder ihn noch sein Essen oder seine Tanzkünste.

Es gab nur einen Ausweg: die älteste, aber wirkungsvollste Ausrede der Welt. Angelique presste eine Hand an die Schläfe und sah Remy gequält an. „Tut mir leid, aber ich habe schreckliche Kopfschmerzen. Wahrscheinlich, weil ich letzte Nacht kein Auge zugekriegt habe.“

Er musterte sie argwöhnisch. „Vielleicht bist du dehydriert. Hast du genug getrunken?“

„Ich könnte gerade für ein Glas Wein töten.“

Missbilligend sah er sie an. „Du könntest für eins getötet werden.“

Angelique lief ein Schauer über den Rücken. „Wir sind doch jetzt aus dem Schneider, oder? Ich meine, jetzt, wo wir … verheiratet sind?“

Remys Miene wurde so ernst, dass Angelique plötzlich Angst bekam. „Wir sind nur aus dem Schneider, wenn wir glaubwürdig vermitteln, dass wir wirklich verheiratet sind. Es wäre leichtsinnig von uns, alles auffliegen zu lassen, bevor wir im Flieger sitzen.“

Angelique musterte die vielen Hochzeitsgäste nervös. Sie sahen so harmlos aus, aber vielleicht lauerten sie ja nur darauf, dass sie sich verriet?

Ihr wurde ganz schlecht bei der Vorstellung.

Noch nicht mal in ihren wildesten Träumen hätte sie mit diesem Verlauf der Ereignisse gerechnet, als sie sich auf den Weg zu Remy gemacht hatte. Sie hatte doch nur mit ihm reden wollen. Sie hatte nicht darüber nachgedacht, wo oder bei wem er war und ob sie mit ihrem Auftauchen gegen irgendwelche Sitten verstieß. Sie hatte nur Tarrantloch zurückhaben wollen.

Und jetzt musste sie so tun, als sei sie Remys Frau.

Wieso so tun? Ich bin mit ihm verheiratet.

Sie drehte sich wieder zu Remy um. „Mir ist das alles hier total fremd“, sagte sie. „Ich war noch nie in einem Wüstenstaat.“

„Und was ist mit dem Plakat, das ich vor zwei Jahren in New York gesehen habe? Darauf hast du dich auf einer Sanddüne geräkelt, und im Hintergrund waren Kamele zu sehen.“

Angelique versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. Dann hatte er das Plakat also gesehen. Und es nicht vergessen. „Das war nicht echt. Die Sanddünen befanden sich in Mexiko, und die Kamele kamen aus einem Zoo. Das Shooting war schrecklich. Der Fotograf war mit nichts zufrieden. Er hat mich so lange gequält, bis ich einen Sonnenstich hatte.“

Remy zog missbilligend die Augenbrauen zusammen. „Warum machst du so etwas eigentlich?“

Angelique wusste schon, was jetzt kommen würde. Sie hatte die Predigt schon unzählige Male aus Remys Mund hört. „Wie meinst du das?“

„Na, das Modeln. Dich nur mit ein paar Stofffetzen bekleidet zur Schau stellen.“ Remy wirkte geradezu steif und altmodisch. Konservativ. „Du kannst doch etwas Besseres machen, als Männern eine Wichsvorlage unter der Dusche zu bieten.“

Angelique hob trotzig das Kinn. „Sprichst du da etwa von dir selbst?“

Sein Blick wurde eisig. Er biss die Zähne so fest zusammen, dass ein Muskel in seinem Unterkiefer zuckte. „Nein“, antwortete er kurz angebunden. Verräterisch kurz angebunden. „Ich denke nicht auf diese Art an dich.“

Er log offensichtlich, genauso wie sie vorhin über ihren Appetit.

Wie … interessant!

Die Vorstellung, dass er auf sie stand – dass er an sie dachte, wenn er masturbierte, war schockierend und erregend zugleich. Ihr Körper begann von Kopf bis Fuß zu kribbeln, und ihr wurde heiß. Ihr Puls beschleunigte sich, und sie empfand plötzlich den Wunsch, ihn selbst zum Orgasmus zu bringen – mit ihrem wahren Ich, nicht als retuschiertes Abbild.

Hast du den Verstand verloren? Du wirst auf keinen Fall mit ihm schlafen!

„Wann ist diese Charade endlich vorbei, Remy? Ich will sofort zum Flughafen fahren, sobald die Party gelaufen ist. Meine Sachen sind schon gepackt.“

Remys dunkelbraune Augen wurden noch eine Nuance dunkler. „Heute wird daraus nichts mehr.“

Angelique spürte wieder Panik in sich aufsteigen. „Wieso nicht?“, fragte sie. „Du hast doch einen Privatjet. Da bist du doch flexibel.“ Sie schluckte und sah ihn hoffnungsvoll an. Verzweifelt. „O…oder?“

Remy kehrte dem Saal den Rücken zu. „Wir müssen erst noch einen weiteren Brauch befolgen“, raunte er. Seine unheilvoll gesenkte Stimme verhieß nichts Gutes. „Wir können nicht eher abreisen, als bis unsere Ehe offiziell vollzogen wurde.“

Angelique prallte entsetzt zurück. „Soll das ein Witz sein? Nie im Leben! Wer will eigentlich beurteilen, ob wir … na ja … es getan haben oder nicht?“

Remy sah sie eindringlich an. „Wir müssen es beweisen.“

Angeliques Herz begann zu rasen. Ihr wurde heiß. Sehr heiß. „Du meinst, es gibt Zeugen oder so? Oh mein Gott, das glaube ich einfach nicht! Ich bin so gar nicht der Dreier-Typ. Ich bin noch nicht mal für einen Zweier. Ich …“ Sie klappte den Mund wieder zu, bevor sie noch weitere Intimitäten ausplauderte.

„Wir müssen nachweisen, dass du noch Jungfrau bist.“

Angelique blinzelte schockiert. „Wie bitte?“

Seine Miene war undurchdringlich. „Blut. Wir müssen am nächsten Morgen das blutige Laken aus dem Fenster hängen.“

Fassungslos starrte sie ihn an. „Das einzige Blut, das hier gleich vergossen wird, ist deins!“

Er zuckte die Achseln. „Sorry, aber da ist leider nichts zu machen. So läuft das hier nun mal.“

„Aber es ist verkehrt!“

„Die Frauen hier sind glücklich.“ Remy klang völlig ernst. „Sie dürfen sie selbst sein. Sie brauchen sich nicht mit künstlicher Bräune aufzumotzen, falsche Fingernägel zu tragen oder sich das Haar zu färben. Sie müssen auch nicht so tun, als hätten sie keinen Hunger, wenn sie in Wirklichkeit am Verhungern sind. Sie werden nicht nur nach ihrem Aussehen beurteilt. Es zählt, wer sie im Innern sind.“

Das klang ja wie das reinste Paradies … oder?

Störrisch presste Angelique die Lippen zusammen. „Sie sind bestimmt nur deshalb glücklich, weil sie gar nicht wissen, was ihnen entgeht. Wenn auch nur eine der Frauen hier einen Blick nach draußen werfen könnte, würde hier sofort Anarchie herrschen.“

Remy lächelte belustigt. „Ich nehme an, du würdest den Aufruhr anführen?“

Trotzig hob sie das Kinn. „Worauf du Gift nehmen kannst!“

Bis jetzt genoss Remy jede Sekunde seiner „Ehe“. Es machte Spaß, Angelique zu provozieren. Er wusste genau, mit welchen Worten und welchem Tonfall – sogar mit welchem Blick er sie auf hundertachtzig bringen konnte. Dabei empfand er diese Situation als genauso lächerlich wie sie.

Für ihn war die Ehe eine Falle. Sie bedeutete nichts als Einschränkungen. Sie war geradezu Freiheitsberaubung.

Manche Menschen kamen damit gut zurecht, aber nicht alle.

Und er hörte zur letzteren Kategorie.

Er wollte niemandem Rechenschaft ablegen, dafür hatte er zu lange im Schatten seiner Brüder und seines Großvaters gestanden. Er wollte seinen eigenen Weg gehen, sich selbst finden. Er wollte sich selbst einen Namen machen.

Und was Kinder anging … also, das überließ er lieber seinen beiden älteren Brüdern, die ziemlich scharf darauf zu sein schienen, sich fortzupflanzen.

Remy hatte keine Lust auf schreiende Babys, volle Windeln, schlaflose Nächte, Rotznasen und Trotzanfälle. Nein, das war nichts für ihn. Niemals.

Er wollte seinen Spaß, sich gründlich die Hörner abstoßen, ein wildes Leben führen. Er liebte es, Risiken einzugehen. Dem Erfolg hinterherzujagen, ihn in den Händen zu halten und den Sieg zu genießen.

Er war ein Spieler, hatte jedoch genug Verantwortungsbewusstsein, um rechtzeitig die Notbremse zu ziehen, denn er hielt sich an eine wichtige Regel: Setze nie mehr aufs Spiel als du dir zu verlieren erlauben kannst.

Remy richtete den Blick wieder auf Angelique. Sie sah so aus, als stünde sie kurz vorm Explodieren. Wahrscheinlich war ihr gar nicht bewusst, wie anziehend sie wirkte, wenn sie wie eine Wildkatze fauchte und kratzte. Er hätte nichts dagegen, ihre scharfen Krallen im Rücken zu spüren, während er sie und sich ins Paradies beförderte.

Hast du den Verstand verloren!?

Wenn du mit ihr schläfst, kannst du die Annullierung eurer Ehe nach eurer Rückkehr vergessen.

Sie würden sich zwar nachher ein Zimmer teilen müssen – das ließ sich leider nicht vermeiden –, aber er würde sich aufs Sofa legen.

Hoffentlich gibt es überhaupt ein Sofa …

„Was machen deine Kopfschmerzen?“

Angelique sah ihn für einen Moment verständnislos an. „Meine …? Ach, ja. Sie sind schrecklich.“ Sie legte wieder eine Hand an die Schläfe. „Ich sehe alles ganz verschwommen.“

„Dann sollten wir dich lieber ins Bett befördern.“

Seine Worte hallten anzüglich in der nachfolgenden Stille wider. Plötzlich knisterte die Luft vor erotischer Spannung.

„Zum Schlafen“, fügte Remy hinzu. „Ich wollte dir keinen falschen Eindruck vermitteln.“ So wie seinem Körper, der prompt mit einer Erektion reagierte. Tief durchatmen.

Misstrauisch sah Angelique ihn an. „Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass du nur mit mir spielst.“

Nur zu gerne wollte er mit ihr spielen. Sein Körper sagte Ja, aber sein Verstand war dagegen, zumindest bis jetzt. Wie lange würde er es schaffen, die Finger von ihr zu lassen? Theoretisch war sie zwar die letzte Frau auf der Welt, mit der er etwas zu tun haben wollte. Sie war so fürchterlich anstrengend. So wild. Andererseits …

Normalerweise bevorzugte er Blondinen, aber Angeliques rabenschwarzes Haar und ihre helle Haut hatten etwas vom Glamour des alten Hollywood. Sie hatte die Ausstrahlung eines Filmstars, wenn sie einen Raum betrat. Er glaubte nicht, dass das nur aufgesetzt war oder dass sie das auf dem Laufsteg gelernt hatte. Sie hatte schon als Teenager eine unglaubliche Präsenz besessen.

Und nun war sie einfach so mitten in sein Leben geplatzt – er musste sie dringend wieder loswerden!

„Du nimmst das alles viel zu ernst, Angelique.“

„Das mit dem Laken …“ Sie biss sich verlegen auf die Unterlippe. „Das stimmt gar nicht, oder?“

Remy verspürte plötzlich den Impuls, ihr das Haar zu raufen oder ihr in die Wangen zu kneifen. Sie war so niedlich, wenn sie mal nicht die Coole spielte. Er hatte sie noch nie so verunsichert gesehen. Wütend, genervt und irritiert, ja – aber verunsichert? Nein. Vielleicht hatte sie sich bisher auch nur gut verstellt.

„Warum fragst du?“ Er verzog keine Miene. „Bist du denn keine Jungfrau mehr?“

Herausfordernd erwiderte sie seinen Blick. „Nein. Du etwa?“

Er musste lachen. „Emotional vielleicht schon, aber ansonsten bin ich weit rumgekommen.“

Sie verdrehte abfällig die Augen. „Kann ich mir vorstellen.“

„Wie viele?“

„Wie viele … was?“

„Liebhaber.“

Sie erstarrte für einen Moment, bevor sie den Kopf in den Nacken warf und ihn hochmütig ansah. „Ich glaube kaum, dass dich das etwas angeht.“

„Ich bin immerhin dein Mann.“

Eins.

Zwei.

Drei.

Puff!

Remy hatte genau gewusst, wann sie explodieren würde. Ihre Augen blitzten vor Wut. „Hauptsache, du hast deinen Spaß, oder?“, zischte sie. „Ich wette, du kannst es kaum erwarten, nach Italien oder Frankreich oder wo auch immer du gerade lebst, zurückzukehren, um dich damit zu brüsten, wie du mir nicht nur Tarrantloch weggenommen, sondern mich auch noch mit einem billigen Trick in die Ehe gelockt hast!“

„Beruhige dich.“ Remy hob eine Hand. „Ich bin nicht derjenige, der uns diese Hochzeit eingebrockt hat. Du wärst die Letzte, die ich heiraten würde – wenn ich das wollte. Was aber nicht der Fall ist und auch nie sein wird.“

„Dito!“

„Na schön. Dann sind wir uns ja wenigstens in einem Punkt einig.“ Remy schob seinen Ärmel zurück und blickte ungeduldig auf die Uhr. „Ich glaube, es wird Zeit, die Party zu verlassen. Komm, wir gehen.“

Angelique folgte ihm mit gespielter Sanftmut, während sie und Remy den anderen Gästen und den Beamten eine gute Nacht wünschten. Ihre Notlüge über die Kopfschmerzen war inzwischen schmerzhafte Realität geworden. Als sie mit Remy in der Suite ankam, pochten ihr die Schläfen, und ihr war übel und schwindlig.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als er die Tür schloss und sie schließlich zu zweit waren.

Allein.

In der Hochzeitssuite.

Sie bemühte sich um einen gleichmütigen Tonfall. „Wollen wir wegen des Betts eine Münze werfen?“

Remys dunkelbraune Augen wirkten jetzt sogar noch dunkler als auf dem Empfang. Sie konnte kaum seine Iris erkennen. Er zog eine Münze aus der Tasche, ohne dabei den Blick von ihr abzuwenden, und legte sie auf den Rücken seiner Linken. „Kopf oder Zahl?“

„Kopf.“

Er warf die Münze hoch in die Luft und fing sie wieder geschickt auf. „Willst du deine Meinung noch ändern?“

Angelique hob das Kinn. „Wenn ich mich erst mal entschieden habe, bleibe ich auch dabei.“

Einer seiner Mundwinkel zuckte. Seine schokoladenbraunen Augen funkelten. „Dito.“

Sie beugte sich vor, um zu sehen, wie die Münze gefallen war, aber er hielt sie noch in der Hand. „Na los, zeig schon her.“ Ihre Stimme klang heiserer als normal, doch sie schob es auf die unbestreitbare Tatsache, dass er einfach zu dicht bei ihr stand. Und er roch fantastisch. Nach Zitrone, Holz und nach Mann. Auf seinem Kinn konnte sie dunkle Bartstoppeln erkennen.

Sein Verlangen lag so deutlich spürbar in der Luft, dass es einen pulsierenden Nachhall in Angeliques Unterleib auslöste. Er krampfte sich lustvoll zusammen. Voller Hunger. Ihre Brustwarzen spannten sich gegen ihren Spitzen-BH. Unwillkürlich fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Als sie bemerkte, dass Remy diese Bewegung mit dem Blick verfolgte, machte ihr Herz einen Satz.

Sie schluckte. „Also … die Münze?“

Er hatte den Blick noch immer auf ihren Mund gerichtet, so fasziniert, als habe er noch nie einen gesehen. „Was ist mit der Münze?“ Seine Stimme klang tief und rau.

„Ich will wissen, wer gewonnen hat.“

„Ich.“

Angelique runzelte irritiert die Stirn. „Wie willst du das wissen? Du hast doch noch gar nicht nachgesehen!“

Seine Mundwinkel zuckten wieder belustigt. „Ich habe einen sechsten Sinn, was solche Dinge angeht. Ich habe gewonnen. Du hast verloren.“

Sie schnaubte verächtlich. „Glaubst du etwa, das nehme ich dir ohne Beweis ab? Mach die Hand auf.“

„Zwing mich doch“, sagte er heiser.

Sie stand wie gebannt unter seinem Blick. Ihr Körper kribbelte von Kopf bis Fuß. Es war fast unmöglich, Remy zu widerstehen, wenn er seinen Charme spielen ließ. Kein Wunder, dass die Frauen ihm zu Füßen lagen.

Aber Angelique stand nicht auf Alpha-Männer, und Remy war eindeutig einer. Das steckte ihm einfach im Blut. Er war dazu erzogen worden zu herrschen, die Führung zu übernehmen und die Zügel in der Hand zu halten. Er war ihr viel zu dominant und zu selbstsicher. Zu skrupellos. Zu sexy.

Zu sehr Caffarelli.

Zu sehr Feind.

Zu viel von allem.

Sie hob das Kinn und straffte die Schultern. „Nein danke.“

Langsam senkte er den Blick erneut zu ihrem Mund und hob ihn dann wieder – seine Augen schienen zu glühen. „Schade. Ich habe mich schon auf ein bisschen Gerangel gefreut. Das hätte Spaß gemacht.“

Angelique wusste, dass er nicht mehr von der Münze sprach. Sie atmete zittrig aus. „Du kannst das Bett nehmen. Du bist sowieso größer als ich.“ Das war noch untertrieben. Er musste sich bücken, wenn er durch eine Tür ging. „Ich lege mich aufs Sofa.“

„Welches Sofa?“

Erschrocken sah sie sich in der Suite um. Hier gab es alles … nur kein Sofa. „Ach … Also, dann …“

„Das Bett ist groß genug für uns beide. Du bleibst auf deiner Seite und ich auf meiner. Es ist ja nur für eine Nacht.“

Angelique versuchte, schlau aus seinem Gesichtsausdruck zu werden, aber er hatte wieder sein Pokerface aufgesetzt. „Ich hoffe, du schnarchst nicht.“

„Falls doch, stoß mich ruhig an.“

Vernichtend starrte sie ihn an. „Kommt gar nicht infrage! Ich werde mich so weit wie möglich von dir fernhalten.“

Er verzog den Mund zu einem sexy Lächeln. „Dann wärst du die erste Bettgenossin, die das tut.“

Angelique ließ sich Zeit mit Abschminken und Zähneputzen. Sie kämmte sich sogar mit hundert Bürstenstrichen das Haar, um ihre Rückkehr ins Schlafzimmer hinauszuzögern. Als sie sich schließlich doch dazu überwand, war von Remy keine Spur zu sehen. Er hatte sich noch nicht mal die Mühe gemacht, ihr einen Zettel hinzulegen, auf dem stand, wo er war oder wann er zurückkommen würde … oder mit wem er zusammen war.

Oh Gott, ich klinge ja schon wie eine Ehefrau.

Angelique schüttelte diesen Gedanken ab und zog die Überdecke von dem riesigen Bett. Die Anspannung der letzten vierundzwanzig Stunden – zweiundsiebzig, wenn sie die Zeit mitzählte, seitdem sie vom Verlust Tarrantlochs erfahren hatte – holte sie schließlich ein. Kaum lag sie in der kühlen Bettwäsche, spürte sie, wie sie sich entspannte. Sie kuschelte sich ein und schloss erschöpft seufzend die Augen …

Als Remy um drei Uhr morgens in die Suite zurückkehrte, schlief Angelique schon tief und fest, und zwar in der Mitte des Betts.

Ihre glänzende schwarze Haarmähne umrahmte ihren Kopf wie eine dunkle Wolke. Ihre roten Lippen waren leicht geöffnet, und ihr Gesicht war ungeschminkt. Jetzt, wo ihre kultivierte Maske weg war, sah sie jung und zart aus – fast zerbrechlich. Unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, die das Make-up verborgen haben musste. Sie war unglaublich schlank – zu schlank, wie er fand, als er einen spitzen Hüftknochen unter der Decke hervorragen sah.

Remy konnte die schmalen Träger ihres elfenbeinfarbenen Satinnachthemdes sehen … und den Ansatz ihrer Brüste. Er hatte ihre Brüste schon immer gemocht – nicht zu groß, nicht zu klein, sondern genau richtig.

Sich innerlich einen Ruck gebend, wandte Remy sich von Angeliques verführerischem Anblick ab.

Hände weg! Schon vergessen?

Erschöpft fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar und über den verspannten Nacken. Er hatte ein paar Beziehungen spielen lassen müssen, damit sie Dharbiri morgen früh verlassen konnten. Er wollte keine Sekunde länger mit Angelique „verheiratet“ bleiben als unbedingt nötig. Wenn die Presse erst mal Wind von ihrer Hochzeit bekam, war der Teufel los. Er würde zu einer Lachnummer werden, und dazu hatte er beim besten Willen keine Lust. Remy konnte die Schlagzeilen schon vor sich sehen: Größter Playboy der Welt unter der Haube.

Nein, er wollte diese Hochzeit ein für alle Mal aus seinem Gedächtnis löschen und wieder sein normales Leben führen.

Als er Angelique im Schlaf murmeln hörte, drehte er sich wieder zu ihr um. Sie räkelte sich wie eine Katze – wie eine schöne exotische Katze, die darum bettelte, gestreichelt zu werden. Unwillkürlich fragte er sich, wer wohl gerade ihr Liebhaber war. In der Presse hatte in der letzten Zeit nichts gestanden, was erstaunlich war, weil normalerweise keine zwei Monate vergingen, ohne dass sie in irgendeinen Skandal verwickelt war.

Remy hatte sich schon oft gefragt, wie viel davon der Wahrheit entsprach. Wahrscheinlich nicht viel. Er wusste nur allzu gut, dass die Presse die Dinge oft aufbauschte. Ihn selbst stellten die Medien gern als trunk- und partysüchtigen Playboy dar, dabei trank er kaum Alkohol und hatte noch nie Drogen genommen.

Na ja, das mit dem Playboy stimmte allerdings.

Er konnte nicht abstreiten, dass er mit vielen Frauen geschlafen hatte, und er hatte nicht vor, damit aufzuhören. Weshalb er diese Ehe auch so schnell wie möglich annullieren lassen musste. Auch wenn dies nur eine Ehe auf dem Papier war, Remy war altmodisch genug, um sein Ehegelübde nicht zu brechen. Untreue kam für ihn nicht infrage, auch in der lockersten Beziehung nicht.

Er unterdrückte ein Gähnen, als er sich seine Schuhe abstreifte und das Hemd aufknöpfte. Er warf es vage in die Richtung eines Stuhls und legte die Hände auf den Hosenbund.

Nee, behalt sie mal lieber an.

Er konnte nämlich ein paar zusätzliche Schutzschichten zwischen sich und Dornröschen gebrauchen. Aber ob das reichte, um die Gefahr für diese Nacht zu bannen?

4. KAPITEL

Als Angelique sich umdrehte, stieg ihr zuerst der Lavendelduft des parfümierten Lakens in die Nase. Dann erschnupperte sie Zitrone, Holz und … schlafwarmen Mann. Sie schlug die Augen auf und erblickte Remys gebräunten Arm auf ihrem Bauch. Ihr Herz machte einen Satz. Er sah so dunkel und fremd auf dem hellen Satin ihres Nachthemds aus.

Remys muskulöse Beine waren locker mit ihren verschränkt. Sie fühlten sich rau und stark an. Männlich.

Hatten wir …? Sie schluckte. Sex?

Nein.

Nein!

Moment mal …

Sie fühlte sich körperlich nicht anders als vorher. Und zweifellos würde sie sich anders fühlen, wenn Remy mit ihr geschlafen hätte. Irgendwie … befriedigt. Sie konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass er kein guter Liebhaber war. Er machte grundsätzlich nichts halbherzig. Bestimmt kannte er sich mit dem Körper einer Frau so gut aus wie ein Kunstexperte mit einem Gemälde.

Bisher war Sex für sie immer enttäuschend gewesen. Sie hatte versucht, ihn zu genießen, hatte sich jedoch bei keinem ihrer Partner wirklich wohlgefühlt. Nicht dass sie besonders viele gehabt hätte.

Sie hatte mit ihren Freundinnen darüber gesprochen, und die hatten ihr versichert, dass sie einfach nur noch nicht den Richtigen gefunden hatte. Dass die Chemie entscheidend war, und das Timing.

Welche Ironie, dass Angelique einen der meistbegehrten Körper der Welt hatte, aber selbst noch keine echte Leidenschaft erlebt hatte. Klar, sie konnte sich selbst befriedigen, aber dazu hatte sie nur selten Lust. Vielleicht gehörte sie einfach zu den Menschen mit schwach ausgeprägter Libido. Oder gar keiner.

Remy festigte den Griff um ihre Taille und schmiegte das Gesicht an ihren Hals. „Mm…“, murmelte er schläfrig.

Angeliques eben noch für wenig stark ausgeprägt gehaltene Libido meldete sich plötzlich vehement. Sie spürte sie in ihrem Unterleib – ein lustvolles Ziehen und Pochen, das nicht weggehen wollte. Ihre Brüste kribbelten unter Remys Arm, als er seine Position veränderte. Plötzlich konnte sie seine Erektion – seine steinharte Erektion – an ihrem Oberschenkel spüren.

War er etwa wach?

Vielleicht war er ja so routiniert, dass er sogar im Schlaf konnte. Innerlich verdrehte Angelique genervt die Augen. Bei ihm würde sie nichts überraschen!

Seine Hand fühlte sich elektrisierend heiß an, sogar durch den Satinstoff ihres Nachthemds hindurch. Angelique sehnte sich nach mehr, wollte Remys große starke Hand auf ihrer nackten Haut spüren.

Als sein Daumen ihre Knospe kitzelte, erschauerte sie vor Erregung.

Okay, er musste wach sein.

Ihr Verstand riet ihr, einzugreifen und ihn daran zu erinnern, dass zwischen ihnen nie vom Austausch von Zärtlichkeiten die Rede gewesen war, doch ihre neu erwachte Sinnlichkeit verlangte das Gegenteil.

Sie wollte mehr.

Als sie erst seine Lippen und dann seine Zunge an der hyperempfindlichen Stelle hinter ihrem Ohrläppchen spürte, lief ihr ein lustvoller Schauer über den Rücken. Er ließ eine Hand von ihrem Knie so sanft zu ihrem Oberschenkel gleiten, dass ihr ganz heiß wurde.

Schließlich drehte er sie auf den Rücken und legte sich auf sie.

Ich muss ihn wirklich aufhalten.

Noch nicht! Noch nicht!

Langsam öffnete er die Augen und zuckte laut fluchend zurück. „Was zum Teufel machst du da?“

Angelique sah ihn pointiert an. „Was ich mache? Du bist derjenige, der meine Brust in der Hand hat!“

Remy starrte seine Hand so verwirrt an, als werde ihm erst jetzt bewusst, dass sie zu seinem Körper gehörte. Hastig zog er sie weg und stand auf, bevor er sich mit besagter Hand durchs Haar fuhr und Angelique wütend anfunkelte. „Du hättest mich wecken sollen!“

Spöttisch zog sie eine Augenbraue hoch. „Also kannst du es wirklich im Schlaf.“

Gereizt starrte er sie an. „Du schienst aber auch auf Autopilot zu laufen. Wann hast du das Ganze abzubrechen gedacht?“

Irgendein kleiner Dämon in Angelique beschloss, die Gelegenheit dazu zu nutzen, ihn ein bisschen zu ärgern. Mit einem verführerischen Augenaufschlag sah sie ihn an – ihr berühmter Fünfzigerjahre-Hollywood-Blick. „Vielleicht war ich ja gar nicht auf Autopilot.“

Er presste die Lippen zusammen. „Vergiss es, Angelique. Ich werde keine Minute länger als nötig mit dir verheiratet bleiben, also kannst du es dir abschminken, dir einen reichen Mann zu schnappen!“

Angelique beschloss, ihn noch ein bisschen mehr anzustacheln. Das macht ja richtig Spaß! Noch nie hatte sie ihn so wütend erlebt. Wo war plötzlich sein Sinn für Humor geblieben? „Aber du willst mich“, schnurrte sie. „Das kannst du nicht abstreiten.“ Sie warf einen vielsagenden Blick auf seine ausgebeulten Boxershorts, bevor sie ihm ein weiteres verführerisches Lächeln schenkte.

Finster zog er die Augenbrauen zusammen. „Du bist unglaublich! Machst du das eigentlich mit jedem Mann, der dir über den Weg läuft?“

Angelique ließ den rechten Fuß lasziv über ihren linken Knöchel gleiten, stützte sich auf die Ellenbogen und bog den Rücken durch wie eine Katze. „Bilde dir nichts ein. Kann ja sein, dass die meisten Frauen sich darum reißen würden, um in deinem Bett zu landen, aber ich nicht. Ich bin nur wegen der Umstände hier drin.“

„Und damit ist jetzt Schluss.“ Remy trat einen Schritt vor und zog ihr mit einem Ruck die Decke weg.

Angelique stieß einen Schreckensschrei aus, als er sie an einem Knöchel packte und sie zu sich zog. „Lass die Finger von mir!“

„Das klang vor ein paar Sekunden aber noch ganz anders.“ Er zog sie hoch, doch sie verlor das Gleichgewicht und wäre hingefallen, wenn Remy sie nicht festgehalten hätte. Sie wartete darauf, dass er sie wieder losließ, doch er schien nicht daran zu denken. Er festigte den Griff um ihre Hüften sogar noch.

Sie hob den Blick zu seinem Mund, was wie immer ein großer Fehler war, aber was sollte sie machen? Sie schien nicht anders zu können. Sein Mund zog ihren Blick so unwiderstehlich an wie ein starker Magnet ein Stück Eisen.

Sie standen so eng aneinandergepresst, dass Angelique seine Erektion an ihrem Bauch spüren konnte. Ihre Sinne spielten so verrückt, dass sie sich kaum noch unter Kontrolle hatte.

„Ich will das hier nicht“, stieß er hervor, hielt sie jedoch noch immer fest.

„Ich auch nicht.“ Lügnerin. Du willst es sehr wohl. Du willst ihn.

Plötzlich ließ Remy sie los, trat einen Schritt zurück und fuhr sich wieder mit einer Hand durchs Haar. „Okay … lass uns eine Auszeit nehmen.“

Auszeit?

Ich will Inzeit!

Angeliques kleiner Dämon wollte immer noch nicht aufgeben. „Du hast Angst“, sagte sie. „Du machst dir Sorgen, dass du dich an mich gewöhnen könntest, oder Remy? So etwas kennst du nämlich nicht, weil du bisher wöchentlich die Partnerinnen wechselst. Du gehst keine längerfristigen Bindungen ein, nur bequeme lockere Affären, die bloß deiner körperlichen Befriedigung dienen.“

Er wurde wütend. „Wie kommst du darauf, dass ich mich an dich gewöhnen könnte? Du bringst mir schließlich nichts als Ärger ein!“

„Gib mir Tarrantloch zurück, und ich verschwinde schneller aus deinem Leben, als du Blackjack sagen kannst.“

Eine spannungsgeladene Stille folgte.

„Nein“, sagte Remy schroff. Er klang unerbittlich. Sehr unerbittlich. Caffarelli – unerbittlich.

Angelique hob trotzig das Kinn. „Dann wirst du mich nicht wieder los. Ich weiche dir erst wieder von der Seite, wenn du mir gibst, was ich will.“

„Du willst Tarrantloch doch gar nicht.“ Er lächelte spöttisch. „Was du willst, ist das anerkennende Schulterklopfen deines Vaters.“

Sie lachte höhnisch. „Und was du willst, ist das Lob deines Großvaters. Du hoffst doch nur darauf, mit dem Besitz von Tarrantloch in seiner Gunst zu steigen.“

Remy lachte ebenfalls. „Ich brauche nicht die Zustimmung des Alten, um mich erfolgreich zu fühlen. Das bin ich auch so. Ich brauche niemandes Zustimmung, um glücklich zu sein.“

„Du bist nicht glücklich, sondern rastlos. Dir reicht nie, was du hast, weil du im tiefsten Innern unzufrieden mit dir selbst bist.“ Genau so wie ich.

Seine Augen blitzten wütend auf. „Ach, bist du etwa eine Expertin auf diesem Gebiet? Die Frau, die nichts isst, um nur ja kein Gramm zuzunehmen? Dass ich nicht lache!“

Angelique fand es schrecklich, dass er sie nach so kurzer Zeit schon durchschaut hatte. Wie machte er das nur? Sie hatten einander in den letzten Jahren doch kaum gesehen. „Ich habe einen Vertrag zu er…“

„Einen Vertrag mit Leuten, die sich einen Dreck um dich scheren und die Millionen von Dollar mit dir verdienen. Du selbst zählst doch gar nicht für sie, nur dein Körper.“

Er hatte recht.

Was er sagte, war die nackte, brutale Wahrheit.

Angelique war das selbst erst vor Kurzem bewusst geworden. Genau deshalb wollte sie ja mit dem Modeln aufhören und sich der Modebranche von einer ganz anderen Seite nähern – Design und Marketing. Aber dazu fehlte ihr noch das nötige Selbstvertrauen. Sie hatte weder einen Schulabschluss noch sonst irgendwelche Qualifikationen. Vielleicht war sie ja gar nicht fähig, sich selbständig zu machen.

Sie war eine blutige Anfängerin, und die Welt der Mode war das reinste Haifischbecken, das wusste sie aus eigener Erfahrung. Gut ausgebildete Menschen mit besten Absichten wurden von skrupellosen Geschäftsleuten zur Seite gedrängt, die sich nur für den Profit interessierten.

„Ich habe nicht vor, noch lange zu modeln.“

Remys Blick verhärtete sich. „Dann gehöre ich also zu deinem Backup-Plan? Der reiche Ehemann, der dir …“, er zeichnete Anführungszeichen in der Luft, „… den Ruhestand finanziert?“

„Ich zeichne eigene Entwürfe.“

Remy sah sie für einen Moment irritiert an. Seine Stirnfalten vertieften sich.

„Entwürfe?“

Angelique seufzte resigniert. Sie hatte bisher noch niemandem von ihren Plänen erzählt. Es war seltsam – ironisch geradezu –, dass sie ausgerechnet mit Remy darüber sprach. „Nicht alle Frauen haben Size Zero. Viele haben nach einer Schwangerschaft mit ihrer Figur zu kämpfen, haben Narben oder mussten sich eine Brust entfernen lassen. Niemand ist perfekt.“

„Unglaublich, das ausgerechnet aus deinem Mund zu hören.“

Sie seufzte erneut. „Ich habe es satt, immer nur perfekt sein zu müssen. Es ist so anstrengend, ständig gut auszusehen.“

„Du siehst verdammt gut aus.“

Angelique freute sich insgeheim über dieses Kompliment. Ihm gefiel ihr Aussehen also?

Aber es ist nicht echt.

Würde sie normal essen, hätte sie mindestens eine Kleidergröße mehr. Würden Remy und der Rest der Welt sie dann immer noch attraktiv finden?

Im Grunde genommen war sie eine körperliche Hochstaplerin.

Und emotional sowieso.

Angelique hatte keinen echten Zugang mehr zu ihren Emotionen, seitdem sie mit zehn Jahren über ihre reglose Mutter gestolpert war. Sie sah noch immer das Wasserglas mit dem Lippenstiftrand vor sich. Und das leere Pillenfläschchen.

Es war totenstill im Zimmer gewesen.

Kein Herzschlag.

Kein Puls.

Keine Mutter.

Angelique hatte ihre Gefühle tief in sich vergraben und agierte seitdem wie eine Marionette.

„Ich will ein eigenes Bade- und Freizeitmodenlabel herausbringen. Ich möchte mehr Kontrolle über mein Leben und meine Karriere.“

„Dafür brauchst du aber Geld.“

„Ich weiß. Ich habe ein paar Ersparnisse, aber das reicht natürlich nicht, um die Sache professionell aufzuziehen.“

„Hat dir schon jemand Unterstützung angeboten?“

„Ich habe ein paar Leute gefragt, aber sie waren skeptisch.“ Sie seufzte. „Ich glaube, mein Ruf hat sie abgeschreckt.“

„Wie viel ist eigentlich an diesen Gerüchten dran?“

„Ich bin kein Engel … wollte nie einer sein. Aber die Presse stellt alles viel schlimmer dar, als es ist. Ich brauche bei einer Party oder in einem Nachtclub nur neben einem Mann zu stehen, und schon dichtet man mir irgendetwas Skandalöses an.“

„Du hast dich nie gegen diese Gerüchte zur Wehr gesetzt.“ Remys Gesichtsausdruck war undurchdringlich. „Du hast nie verlangt, dass irgendeine dieser Behauptungen zurückgezogen wird.“

„Wozu? Wenn man sich wehrt, macht man es nur noch schlimmer.“ Angelique seufzte erneut. „Außerdem war mir der Klatsch am Anfang sogar ganz recht. Einige der berühmtesten Models sind für ihr Benehmen genauso bekannt wie für ihr Aussehen.“

Remy rieb sich mit einer Hand über das Kinn. Das kratzige Geräusch war seltsam laut in der Stille zu hören. „Ich habe ein paar Kontakte, die vielleicht hilfreich sein könnten. Aber vorher möchte ich einen Blick auf deine Entwürfe werfen. Ich setze mein Geld nämlich nicht auf Loser.“

Angelique war enttäuscht, dass er nicht einfach so an sie glaubte. Ihr war bisher gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie sich wünschte, dass er ihr etwas zutraute. Dass er nicht nur ihre hübsche Fassade sah, sondern erkannte, was in ihr steckte. „Ich würde noch nicht mal im Traum daran denken, Hilfe von dir anzunehmen“, sagte sie schnippisch.

„Ich bin vielleicht ein Spieler, Angelique, aber in erster Linie bin ich Geschäftsmann. Ich kann es mir nicht erlauben, meine geschäftlichen Entscheidungen von Emotionen beeinflussen zu lassen.“

„Diese Skrupel hattest du aber nicht, als du meinem Vater Tarrantloch abgeknöpft hast“, brauste sie auf. „Das war keine geschäftliche Entscheidung, sondern eine sehr persönliche, und das werde ich dir nie verzeihen!“

„Ich gebe gern zu, dass ich ihm heimzahlen wollte, was er meinem Großvater angetan hat. Seinetwegen hätten wir damals fast alles verloren.“ Remys Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Aber das war nicht der einzige Grund. Ich wette, er hat dir nichts davon erzählt, auf welche Art er meinen Ibiza-Deal zum Platzen gebracht hat, oder? Vor seiner kostbaren kleinen Tochter will er bestimmt nicht wie ein bösartiger Intrigant dastehen.“

Seine kostbare kleine Tochter?

Angelique unterdrückte ein zynisches Lachen. Wenn Remy nur wüsste, wie sehr ihr Vater sie verachtete. Er zeigte das allerdings nie öffentlich, schließlich hatte er einen Ruf als hingebungsvoller Vater zu verlieren. Henri konnte sich sehr überzeugend verstellen, wenn es sein musste, aber kaum waren sie hinter verschlossenen Türen, wurde er wieder zu dem selbstherrlichen überkritischen Despoten, der er war. Sie wusste selbst nicht, warum es ihr nie gelungen war, seine Liebe zu gewinnen. Vielleicht lag es dran, dass er sich immer einen Sohn gewünscht hatte?

„Mein Vater ist kein Heiliger, aber dein Großvater auch nicht“, gab sie zurück.

„Das habe ich auch nie behauptet. Ich weiß, wie schwierig er sein kann.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will dein Geld nicht, Remy. Ich will nur zurück, was mir gehört, mehr verlange ich nicht von dir.“

„Vergiss es, ma chérie.“ Sein Blick war undurchdringlich. „Und nur dass du es weißt, ich bin mit deinem Vater noch nicht fertig. Tarrantloch ist nichts, verglichen mit dem Schaden, den er mit seiner diffamierenden E-Mail angerichtet hat. Ich höre erst dann auf, wenn ich es ihm mit gleicher Münze heimgezahlt habe.“

Angelique lachte höhnisch. „Hast du dir deshalb diese Hochzeitsscharade einfallen lassen? Die Gelegenheit konntest du dir nicht entgehen lassen, nicht wahr? Das ist so erbärmlich, dass ich mich übergeben könnte.“

Finster zog Remy die Augenbrauen zusammen. „Glaubst du wirklich, ich würde so weit gehen? Komm schon, Angelique, denk doch mal nach. Ich wollte nie heiraten, schon gar nicht jemanden wie dich.“

„Was soll das heißen? Was stimmt denn nicht mit mir?“

Seufzend fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar. „Es ist alles in Ordnung mit dir. Ich sehe dich nur nicht als Ehefrau.“

„Weil?“

„Weil du nicht der mütterliche Typ bist.“

Angelique hob die Augenbrauen. „Du willst also Kinder?“

Remy prallte zurück, als habe sie ihn gefragt, ob er eine tödliche Krankheit wollte. „Nein! Himmel, nein. Ich meine ja nur …“

„Was meinst du denn?“, fragte sie ungeduldig. „Vielleicht könntest du dich mal ein bisschen klarer ausdrücken.“

Remy sah plötzlich völlig ratlos aus. Ein ungewohnter Anblick. Normalerweise war er entweder kontrolliert und beherrscht oder machte auf Kosten anderer Menschen Witze. „Ich wollte damit nicht sagen, dass du nicht eine tolle Mutter wärst.“

„Aber du findest, ich wäre eine miserable Ehefrau?“

„Ich glaube, es fällt dir schwer, Kompromisse zu machen.“

Angelique prustete los. „Im Gegensatz zu dir, ja? Mein Gott, Remy! Du bist wirklich unglaublich. Du bist der kompromissloseste Mensch, dem ich je begegnet bin. Wenn ich eine schlechte Ehefrau bin, dann bist du ein noch schlechterer Ehemann.“

„Gott sei Dank werden wir nicht mehr verheiratet sein, sobald wir wieder in England sind.“

„Hältst du das wirklich für so einfach? Wer weiß, wer schon alles von unserer Hochzeit erfahren hat. Hast du nicht gesehen, wie viele Menschen auf der Feier waren? Was ist, wenn auch nur einer der Gäste ein Foto gemacht hat?“

Remys Gesichtszüge verhärteten sich wieder. „Niemand wird davon erfahren. Wir werden unsere Ehe sofort nach der Landung annullieren lassen. Ich habe schon alles mit meinem Londoner Anwalt besprochen. Wir können vom Flughafen aus direkt zu seiner Kanzlei fahren. Danach ist alles vorbei, und wir können unser Leben weiterführen, als wäre nie etwas passiert.“

Na viel Glück, dachte Angelique trocken. Sollte auch nur ein Journalist Wind davon bekommen, was in Dharbiri passiert war, würden sie und Remy schon bei der Landung von den Medien belagert werden. Und selbst, wenn noch nichts durchgesickert war: Jeder Tourist, jeder Besitzer eines Smartphones konnte sie am Flughafen miteinander fotografieren und das Foto an eine Zeitung mailen.

Oh Jubel …

5. KAPITEL

Remy war verblüfft, wie viel Aufmerksamkeit Angelique auf sich zog. Noch bevor sie den Zoll passiert hatten, stießen die anderen Fluggäste einander an und zeigten auf sie. Einige kamen sogar auf sie zu und baten um Autogramme, und wieder andere knipsten Fotos, obwohl es genug Hinweisschilder gab, die das Fotografieren untersagten.

„Musst du denn zu allen so verdammt freundlich sein?“, fragte er genervt, als er Angelique zu seinem bereits wartenden Wagen führte. „Kannst du nicht sagen, dass es sich um eine Verwechslung handelt? Ich mache das auch immer so. Klappt wunderbar.“

„Warum sollte ich unhöflich zu einer Frau sein, die viel Geld für einen von mir präsentierten Badeanzug hingelegt hat?“ Sie lächelte einem weiteren weiblichen Fan zu, der sich mit einem Kugelschreiber und einer Bordkarte näherte.

Remys Blutdruck stieg. Machte sie das etwa mit Absicht? Jetzt richtete sich die Aufmerksamkeit schon auf ihn. Bestimmt überlegten die anderen Fluggäste, wer er war und was er mit Angelique zu tun hatte. Wie lange würde es dauern, bis man ihn erkannte und eins und eins zusammenzählte?

Er packte sie an einem Ellenbogen. „Wir müssen los. Jetzt.“

„Immer mit der Ruhe.“ Angelique zwinkerte ihm frech zu.

Dann lächelte sie wieder, weil eine weitere Frau auf sie zukam, ihre Bewunderung zum Ausdruck brachte und Angelique versicherte, dass sie den Quatsch mit dem verheirateten Bankier keine Sekunde lang glaubte, blablabla …

Remy hielt sich mit seinen Fragen zurück, bis sie im Wagen saßen. „Wusstest du eigentlich, dass der Bankier verheiratet war, als du etwas mit ihm anfingst?“

„Ich hatte nichts mit ihm.“ Angelique wischte sich einen nicht vorhandenen Fussel vom Mantel. „Ich wurde neben ihm in einer Hotellobby fotografiert, als ich darauf wartete, dass der Portier mein Gepäck herausträgt.“

Remy runzelte verwirrt die Stirn. „Willst du allen Ernstes behaupten, dass du ihn gar nicht gekannt hast?“

Sie erwiderte seinen Blick gelangweilt. „Landet etwa jede Frau, mit der du sprichst, gleich bei dir im Bett?“ Sie verdrehte genervt die Augen. „Nein, du braucht nicht zu antworten. Ich weiß schon. Wenn sie unter dreißig ist, ja.“

„Ich schlafe grundsätzlich nicht mit verheirateten Frauen. Ich mag vielleicht ein Playboy sein, aber ich habe gewisse Grundsätze.“

„Gut zu wissen.“

Ihr kryptischer Tonfall und die demonstrativ gelangweilte Art, mit der sie ihre Fingernägel musterte, gingen Remy auf die Nerven. „Wie meinst du das?“

„Es ist sehr beruhigend, weiter nichts“, sagte sie achselzuckend.

Er runzelte wieder die Stirn. Auf irgendetwas wollte sie doch hinaus. „Was ist beruhigend?“

„Dass du nicht mit verheirateten Frauen schläfst.“

„Wieso?“

Sie zog die Augenbrauen hoch und sah ihn an. „Weil ich verheiratet bin.“

Plötzlich flammte wieder die Begierde in Remy auf. Er begehrte sie heftiger, als er je eine Frau begehrt hatte. Sofort versuchte er, seinen Zustand mit einem Lachen zu verbergen. „Aber nicht mehr lange.“

Stolz hob sie das Kinn und inspizierte wieder ihre Nägel. „Was mich angeht, kann die Annullierung gar nicht schnell genug gehen.“ Sie ließ die Hand in den Schoß sinken. „Die letzten achtundvierzig Stunden waren die schlimmsten meines Lebens.“

Er schwieg einen Moment. „Glaubst du, wir stellen eine Art Rekord auf?“

Angelique zuckte wieder mit den Schultern, ohne ihn anzusehen. „Kann schon sein.“

Autor

Miranda Lee
Miranda Lee und ihre drei älteren Geschwister wuchsen in Port Macquarie auf, einem beliebten Badeort in New South Wales, Australien. Ihr Vater war Dorfschullehrer und ihre Mutter eine sehr talentierte Schneiderin. Als Miranda zehn war, zog die Familie nach Gosford, in die Nähe von Sydney.

Miranda ging auf eine Klosterschule. Später...
Mehr erfahren
Michelle Douglas

Das Erfinden von Geschichten war schon immer eine Leidenschaft von Michelle Douglas. Obwohl sie in ihrer Heimat Australien bereits mit acht Jahren das erste Mal die Enttäuschung eines abgelehnten Manuskripts verkraften musste, hörte sie nie auf, daran zu arbeiten, Schriftstellerin zu werden.

Ihr Literaturstudium war der erste Schritt dahin, der...

Mehr erfahren
Nina Harrington
Nina Harrington wuchs in der Grafschaft Northumberland in England auf. Im Alter von 11 Jahren hatte sie zuerst den Wunsch Bibliothekarin zu werden – einfach um so viel und so oft sie wollte lesen zu können.
Später wollte sie dann Autorin werden, doch bevor sie ihren Traumberuf ausüben konnte, machte sie...
Mehr erfahren
Melanie Milburne

Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der...

Mehr erfahren