Julia Extra Band 391

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DER KUSS DES WÜSTENPRINZEN von KENDRICK, SHARON
Catrin jobbt in einem kleinen Strandhotel, als Sultan Murat Al-Maisan in ihr Leben tritt. Er zeigt ihr nicht nur die Welt, sondern auch, wie schön die Liebe sein kann. Doch dann erfährt Catrin, dass er eine Wüstenprinzessin heiraten soll …

ZU SCHÖN FÜR DIE LIEBE von MORTIMER, CAROLE
Darf ein Mann so schön sein? Die junge Malerin Bryn kann sich an Gabriel D’Angelo nicht sattsehen. Doch der reiche Galerist hat einst ihre Familie ins Unglück gestürzt. Auf keinen Fall will sie ihm nahekommen - sagt ihr Verstand. Aber Bryns Körper sendet ganz andere Signale …

JULIA UND DER MILLIONÄR von BRAUN, JACKIE
Julia soll ihm helfen, sein Playboy-Image abzulegen. Nichts sonst. Doch als die süße PR-Expertin sein Outfit checkt, streift sie seinen Arm - und Alec ist elektrisiert. Er muss sie einfach küssen, einmal und immer wieder. Doch empfindet er genug für sie, um sein Leben umzukrempeln?

ZAUBER EINER WEIßEN WINTERNACHT von ANDERSON, CAROLINE
Georgia fährt eine Abkürzung - und steckt im Schnee fest. Direkt vorm Anwesen ihres Ex’! Fünf aufwühlende, romantische, einzigartige Tage lang sind sie und Sebastian von der Außenwelt abgeschnitten. Dann droht ein Abschied für immer, weil ein altes Geheimnis ihre Liebe überschattet …


  • Erscheinungstag 16.12.2014
  • Bandnummer 0391
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704285
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick, Carole Mortimer, Jackie Braun, Caroline Anderson

JULIA EXTRA BAND 391

SHARON KENDRICK

Der Kuss des Wüstenprinzen

Sultan Murat will Catrin nicht aufgeben – obwohl er eine andere heiraten soll. Dass nun sie es ist, die ihre heiße Affäre beendet, damit hätte er nicht gerechnet. Ist diese Nacht wirklich ihre letzte?

CAROLE MORTIMER

Zu schön für die Liebe?

Bryns Blick ist voller Begierde – doch sie weist Gabriel zurück, weil er vor Gericht einst gegen ihren Vater auftrat. Will er sie nicht noch einmal verlieren, muss Gabriel alles auf eine Karte setzen …

JACKIE BRAUN

Julia und der Millionär

Playboy Alec ein kinderliebes Image verpassen? Aussichtslos! Doch dank Julia gewinnt er die Herzen aller Mütter. Nur sie selbst darf sich nicht bezaubern lassen, auch wenn er sie noch so charmant umwirbt …

CAROLINE ANDERSON

Zauber einer weißen Winternacht

Je eisiger es draußen tobt, desto wärmer wird Sebastian ums Herz. Denn solange müssen Georgia und ihr kleiner Sohn bei ihm ausharren. Ob er seine große Liebe zurückgewinnen kann, bevor der Schnee schmilzt?

1. KAPITEL

„Du bist doch bloß die Hure eines reichen Kerls!“

Die verächtlichen Worte ihrer Mutter hatten sich unauslöschlich in Catrins Seele gebrannt.

„Hast du dir mal überlegt, was er so treibt, wenn er im Ausland ist?“, hatte Ursula Thomas gehöhnt. „Meinst du, er geht abends früh ins Bett und liest?“

Die gehässigen Anschuldigungen hatten bei Catrin an einen wunden Punkt gerührt. Tief verletzt hatte sie deswegen das Lallen ihrer betrunkenen Mutter zunächst schweigend über sich ergehen lassen. Dann hatte sie versucht, sich zu rechtfertigen. Ein völlig sinnloses Unterfangen, denn Ursula Thomas sah sowieso immer nur das Schlechte im Menschen.

Ich bin keine Hure!

Und Murat liegt tatsächlich allein im Bett, wenn ich nicht bei ihm bin.

Sehnsüchtig dachte Catrin an den aufregenden Sultan, der ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt hatte. Sie hatte nie vorgehabt, sich von ihm aushalten zu lassen. Und doch lebte sie nun als Murats Geliebte in seinem Londoner Penthouse und wartete ungeduldig auf das nächste Rendezvous.

Wie hatte es nur so weit kommen können? Catrin hatte sich wider jede Vernunft mit einem Mann eingelassen, für den keine Regeln zu gelten schienen. Für den sie selbst bereits jede Regel gebrochen hatte.

Murat flog heute aus seiner Heimat Qurhah ein, und Catrin konnte es kaum erwarten, endlich wieder in seinen Armen zu liegen. Wenn Murat sie küsste, vergaß sie alles um sich herum. Doch schon bald würden sie wieder die nagenden Zweifel plagen. Zu allem Überfluss war sie jetzt auch noch ihrem wichtigsten Vorsatz untreu geworden. Denn Catrin hatte sich von Anfang an geschworen, sich nie in ihren Sultan zu verlieben.

Und nun das: Sie liebte Murat!

Das war der absolute Super-GAU.

Nachdenklich schaute Catrin aus dem Fenster. Wie hatte das nur passieren können? Sie glaubte nicht an die Liebe, wusste nicht einmal, was Liebe war. Jedenfalls hatte sie das immer gedacht. Wann genau war die Liebe in ihr Leben gekommen? Seit wann klopfte ihr Herz aufgeregt, sobald sie an Murat dachte? Wieso liebte sie einen Mann, der eigentlich nie für sie da war? Es war völlig unlogisch! Ihr Sultan war zwar ein fantastischer Liebhaber, der es genoss, Catrin mit Geschenken zu überhäufen, aber was Liebe anging …

Andererseits hatte Liebe wohl auch nichts mit Logik zu tun. Eines Tages war sie einfach da, ob man wollte oder nicht. Das war ja gerade das Gefährliche. Zumal Catrins Liebe vollkommen sinnlos war – Murat hatte von vornherein klargestellt, dass es zwischen ihnen niemals eine feste Beziehung geben könnte.

Catrin ließ den Blick über die Baumwipfel in der Ferne gleiten. Die saftig grünen Blätter bewegten sich sanft in der leichten Sommerbrise. Bei diesem Anblick vergaß man schnell, dass Murats Luxuswohnung direkt im Londoner Stadtzentrum gelegen war. Wenn sie die gepflegte Parklandschaft betrachtete, fühlte Catrin sich eher wie auf dem Land.

Manchmal musste sie sich zwicken, wenn ihr die elegante junge Frau aus dem Spiegel entgegenblickte. War das wirklich Catrin Thomas? Wann hatte sich das ehemals so kratzbürstige Kleinstadtmädchen dem autokratischen Wüstenkönig von Qurhah so bedingungslos unterworfen?

Der wilde Lockenkopf hatte sich in eine seidig schimmernde Wellenfrisur verwandelt. So wunderschön, dass Catrin bereits angesprochen worden war, ob sie interessiert wäre, einen Werbespot für ein Shampoo zu drehen. Die Zeiten der Armut waren definitiv vorbei. Jetzt brauchte sie keine Billigklamotten mehr von ihrem kargen Gehalt zu kaufen. Als Geliebte eines steinreichen Mannes musste sie sich natürlich auch entsprechend teuer und exklusiv kleiden.

Das Telefon klingelte. Hastig griff Catrin danach, als sie Murats Namen im Display blinken sah. Der Sultan wartete nicht gern, und sie akzeptierte seine Ungeduld. Immerhin herrschte Murat über einen ausgesprochen reichen Wüstenstaat. So einen Mann ließ man nicht lange warten. Seine Zeit war sehr kostbar.

„Hallo?“, hauchte sie, atemlos vor Vorfreude. Murat meldete sich stets, wenn sein Privatjet sich bereits im Landeanflug auf den kleinen Flugplatz an der Stadtgrenze befand. So früh hatte sie ihn gar nicht erwartet.

„Cat? Bist du das?“

Sie liebte diese tiefe melodische Stimme mit dem exotischen Akzent. Sofort flatterten Schmetterlinge in Catrins Bauch, und ein erregendes Prickeln überlief sie. Gleichzeitig mahnte sie sich zur Gelassenheit. Auf gar keinen Fall durfte Murat merken, dass sie sich in ihn verliebt hatte!

„Sicher. Wer sollte sich denn sonst an diesem Apparat melden?“

„Du klingst so anders.“ Nach kurzer Pause fügte er hinzu: „Einen Moment lang dachte ich, du hättest mich verlassen.“

Seine sonore Stimme klang so sehnsüchtig. Wie immer, wenn er Catrin länger nicht gesehen hatte. Seit seinem letzten Besuch in London war inzwischen ein ganzer Monat vergangen. So lange waren sie noch nie voneinander getrennt gewesen. Catrin war fast verrückt geworden vor Sehnsucht nach ihm.

„Ich glaube, wir wissen beide, dass ich nicht vorhabe, von hier zu verschwinden“, antwortete sie leise und versuchte zu verbergen, wie sehr er ihr gefehlt hatte.

„Dann bin ich ja beruhigt.“ Sein Tonfall klang so seltsam, dass Catrin ein ahnungsvoller Schauer über den Rücken lief. Besorgt zog sie die Augenbrauen zusammen. „Bist du sehr erschöpft, Murat?“

„Ja, bis eben war ich hundemüde. Aber deine Stimme zu hören, die Aussicht, dich gleich wiederzusehen, verleiht mir neue Energie, mein wunderschönes grünäugiges Kätzchen.“

Ach, wäre er doch schon hier und küsste sie! Wenn sie in seinen Armen lag, würden die dummen Selbstzweifel sich sofort in Luft auflösen, da war Catrin sich sicher. „Ich freue mich auf dich“, sagte sie leise.

„Verrätst du mir, was du gemacht hast, bevor du ans Telefon gegangen bist? Du klingst etwas atemlos“, bemerkte Murat.

Die Antwort lag ihr schon auf der Zunge. Doch dann überlegte Catrin es sich anders, weil sie nicht wusste, wie Murat auf die Wahrheit reagieren würde. Er musste ja nicht unbedingt wissen, welche Gemeinheiten ihre betrunkene Mutter von sich gegeben hatte. Wahrscheinlich wäre es sowieso am besten, die unschöne Geschichte aus ihrem Gedächtnis zu streichen. Ihre Mutter war, wie sie war, und daran würde sich auch so schnell nichts ändern. Catrin hatte sich schon lange vorgenommen, immer nur den Moment zu leben und sich an dem zu erfreuen, was sie hatte, statt Luftschlössern nachzujagen. Ihre Kindheit hatte sie gelehrt, dass dies der einzig richtige Weg war, ihr Leben zu gestalten.

„Atemlos? Nein, das kommt dir nur so vor. Wahrscheinlich liegt es an der Verbindung. Weißt du schon, wann du hier sein wirst?“

„Bald, meine Schöne. Sehr bald. Aber ich will keine Zeit damit verschwenden, über meinen genauen Ankunftstermin zu spekulieren, wenn es viel interessantere Themen gibt. Mich würde beispielsweise brennend interessieren, was du anhast.“

Catrin betrachtete ihre makellos lackierten Fingernägel und atmete tief durch. Sie wusste genau, was jetzt von ihr erwartet wurde. Normalerweise machte ihr das Spiel auch Spaß, das Murat ihr beigebracht hatte. Sie war eine willige Schülerin und beherrschte die Regeln perfekt. Die Rolle der sexy Geliebten, die Tag und Nacht bereit war, war ihr praktisch auf den Leib geschneidert.

Heute klangen ihr jedoch noch die schrecklichen Worte ihrer Mutter im Ohr…

Nun reiß dich mal zusammen, ermahnte sie sich streng. Freu dich, dass es dir gut geht, und gib dich mit dem zufrieden, was du hast, statt dich insgeheim nach etwas zu sehnen, was nie in Erfüllung gehen kann!

Lasziv strich sie über eine Hüfte – und spürte den harten Jeansstoff. Murat hasste Jeans. Also stöhnte Catrin leise und verlieh ihrer Stimme einen verführerischen Klang. Die Liebe lebte von der Fantasie. Auch das hatte Murat ihr beigebracht. „Ich … trage Seide auf meinem nackten Körper“, wisperte Catrin verführerisch.

„Was für Seide?“

Obwohl ihr das Spiel heute schwerfiel, machte sie weiter. In den Telefongesprächen mit Murat schwang immer ein erotischer Unterton mit. Das unschuldige Mädchen aus Wales, das sie mal gewesen war, wäre zu so einem Spiel niemals in der Lage gewesen. Aber Catrin war klug – und lernfähig. Zwar entstammte sie keiner gebildeten Familie, doch sie hatte schon immer eine schnelle Auffassungsgabe gehabt. Und die Kunst, einem Mann Freude zu bereiten, ließ sich genauso erlernen wie die Kunst, einen Kuchen zu backen oder Blumen zu arrangieren!

„Weiche Seide“, antwortete sie. „Butterweich.“

„Erzähl mir mehr!“, forderte Murat heiser.

Catrin dachte an den im Schritt offenen hauchdünnen Seidentanga, der schon auf dem Bett bereitlag. Erst wollte sie noch schnell duschen, dann den winzigen Stofffetzen überstreifen. Sie ahnte, dass dieses sexy Nichts Murats Ungeduld binnen Minuten zum Opfer fallen würde. „Die Farbe ist Mitternachtsblau“, erzählte sie.

„Wunderbar!“, raunte Murat. „Ist es … ein winziges Höschen?“

„Oh ja. So winzig, dass es fast unsichtbar ist. Eigentlich eine Zeitverschwendung, es überhaupt zu tragen.“

„Hmm.“ Murat schwieg einen Moment lang. „Du trägst doch hoffentlich auch den dazugehörigen BH?“

„Was dachtest du denn?“ War es nicht ziemlich dreist, Murat etwas vorzumachen? Aber er wollte es ja nicht anders. Er liebte erotische Spiele am Telefon.

„Auch der BH ist winzig“, fügte Catrin verführerisch hinzu. Langsam ging die Fantasie mit ihr durch. „Er ist mit kostbarer Spitze besetzt, sodass meine Nippel nicht völlig unbedeckt sind.“

Offensichtlich stellte Murat sich dieses Bild vor. Seine Stimme bebte leicht, als er schließlich fragte: „Trägst du … Strümpfe?“

„Ja.“ Catrin schloss die Augen, um nicht vom Anblick ihrer Jeans aus dem Konzept gebracht zu werden. „Schwarze Seidenstrümpfe. Extra aus Frankreich eingeflogen. Bei dieser Hitze kleben sie direkt an meinen Oberschenkeln.“

„Ich kann es kaum erwarten, das mit eigenen Augen zu sehen.“ Murat stöhnte leise und sagte rau: „Und dann ziehe ich sie dir ganz, ganz langsam aus.“

„Ja?“

„Dann lasse ich meine Zunge zwischen deine Schenkel gleiten und lecke dich, bis du kommst. Würde dir das gefallen, meine Schöne?“

Aus irgendeinem Grund konnte Catrin das erotische Spiel plötzlich nicht mehr genießen. Ernüchtert riss sie die Augen auf. „Sehr … Wann … wann wirst du hier sein?“

„Bald“, sagte er erneut. „Sehr bald.“

Catrin wollte sich gerade verabschieden und den Anruf beenden, als sie hörte, wie ein Schlüssel in die Wohnungstür gesteckt wurde. Erstaunt wirbelte sie herum. Fast wäre ihr das Telefon aus der Hand geglitten, als sie sah, wer hereinspazierte.

Träumte sie? Das konnte doch noch gar nicht Murat sein! Doch er war es. Höchstpersönlich. Murat der Mächtige, wie er in seiner Heimat Qurhah genannt wurde, stand leibhaftig vor ihr! Murat der Großartige, dachte sie hingerissen. Auch diesen Beinamen hatte ihm sein Volk verliehen.

Das wellige blauschwarze Haar umrahmte sein markantes Gesicht mit den sinnlichen Lippen, der scharf vorspringenden Nase und den ebenholzschwarzen blitzenden Augen. Murat hatte den Körper eines stolzen Wüstenkriegers, worüber auch die eleganten italienischen Anzüge nicht hinwegtäuschen konnten, die er bevorzugte, wenn er sich im westlichen Ausland aufhielt. In Qurhah trug er wehende Gewänder und die traditionelle Kopfbedeckung. Das wusste Catrin aber nur von Fotos, denn bisher hatte sie das Sultanat noch nicht besucht. Dieser Teil seines Lebens blieb ihr wohl für immer verborgen.

„Murat!“ Sie hatte die Sprache wiedergefunden. „Ich hatte dich erst später erwartet.“

„Das sehe ich.“ Leise schloss er die Tür und kam näher. Ein wissendes Lächeln umspielte seinen Mund, als er das Handy ausschaltete und in die Hosentasche schob. Dann wurde er ernst und musterte Catrin nachdenklich. Offensichtlich hatte er sich das Wiedersehen anders vorgestellt. „Willst du mich denn gar nicht begrüßen, meine Schöne?“

„Hallo.“ Mit leicht bebender Hand legte sie das Telefon auf eine Kommode.

Schweigend ließ Murat erneut den Blick über Catrin gleiten. Irgendwie wirkte sie ganz anders als sonst. Aber wieso? Es beunruhigte ihn, dass er nicht sofort darauf kam. Doch dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Das war ja die Cat, die er kennengelernt hatte! So hatte er sie zum allerersten Mal gesehen. Dieses bildhübsche, völlig ungekünstelte Mädchen vom Lande hatte ihn auf den ersten Blick fasziniert. Cat hatte ihn mit ihren außergewöhnlichen grünen Augen angeschaut und geblinzelt, als glaubte sie zu träumen.

Leger gekleidet, das lange schwarze Haar ungebändigt, als hätte sie es achtlos mit den Fingern gekämmt, die schier endlosen Beine in Jeans. Er hasste es, wenn Frauen Jeans trugen. Hatte sie ihm nicht versprochen, diese grässlichen Dinger aus ihrer Garderobe zu verbannen? Wenigstens konnte er die Konturen der hübschen festen Brüste unter dem dünnen T-Shirt ausmachen. Aber trotzdem … So hatte er sich das Wiedersehen nicht ausgemalt.

Wie sie sich verändert hat, dachte Murat. Der Rohdiamant hatte sich in ein kostbares Juwel verwandelt. Manchmal vermisste er das kleine freche Biest, das er damals verführt und inzwischen vielleicht zu sehr gezähmt hatte.

„Du hast versprochen, Strümpfe zu tragen“, sagte er langsam.

Schuldbewusst fuhr Catrin sich durchs Haar und blickte auf die Jeans hinab. „Ich hatte nicht so früh mit dir gerechnet“, erklärte sie leise.

„Ich wollte dich mal überraschen.“

„Das ist dir gelungen.“

Er hielt ihren Blick fest. „Bekommt dein Sultan keinen Begrüßungskuss?“ Murat zog das Jackett aus und hängte es lässig über eine Stuhllehne. „Nicht einmal eine Umarmung?“

Catrin biss sich nervös auf die Lippe, sagte aber nichts. Jetzt plagte Murat das schlechte Gewissen. Wahrscheinlich war es unfair gewesen, für sich zu behalten, dass er praktisch bereits vor der Tür stand, als er sie angerufen hatte. Aber vor lauter Sehnsucht nach seinem Kätzchen hatte er den Flug mehrere Stunden vorverlegt. Allzu viele Gelegenheiten für ein Rendezvous würden sich nicht mehr ergeben.

In letzter Zeit war ihm nämlich leider bewusst geworden, dass diese Affäre bald ein Ende haben musste. Der Tag, an dem er mit Catrin über die Zukunft reden musste, rückte immer näher. Es gab Dinge in seinem Leben, über die sie Bescheid wissen sollte.

Aber nicht heute.

Er presste die Lippen zusammen.

Es war immer der falsche Zeitpunkt.

Heute wollte er noch einmal diese besonderen Momente mit Catrin genießen. Momente, die es eigentlich niemals hätte geben dürfen.

Entschlossen schob Murat diese Gedanken beiseite und rang sich ein Lächeln ab. Überwältigt hielt Catrin den Atem an, dann erwiderte sie strahlend das Lächeln und stürzte sich in Murats Arme. Ganz fest schmiegte sie sich an ihn, sodass er ihre weichen Brüste an seinem Körper spürte. Im nächsten Moment begann sie, kleine heiße Küsse auf seinem Gesicht zu verteilen.

„Bitte entschuldige, Murat“, stieß sie atemlos hervor. „Hallo! Ich freue mich so, dich zu sehen.“

Nun endlich fanden sich ihre Lippen. Murat stöhnte leise. Ihre Küsse schmeckten süßer als die jeder anderen Frau. Und das Liebesspiel mit Catrin war schlicht und ergreifend überirdisch. Lag es daran, dass er sie nach seinen Wünschen geformt hatte? Vielleicht. Jedenfalls war sie die perfekte Geliebte, die er sich immer gewünscht hatte. Die unschuldige kleine Schönheit war zur überaus talentierten Gespielin gereift, die es jederzeit mit den Frauen aus seinem Harem aufnehmen konnte.

Immer wieder umspielte ihre Zunge seine, als wollte sie diese schmecken. Die vor Erregung harten Nippel bohrten sich in seine Brust. Plötzlich waren Murat die sexy Seidenstrümpfe egal. Es spielte auch keine Rolle mehr, dass Catrin sich nicht hübsch für ihn gemacht hatte, wie er es eigentlich erwartet hätte. Alles war ihm egal, denn dies war seine faszinierende Cat, die ihn über alle Maßen erregte. Mehr als jede andere Frau zuvor.

„Cat.“ Er stöhnte leise an ihrem Mund. „Du hast mir so gefehlt. Bei den Blüten der Mekathasinian Sands, ich habe dich unendlich vermisst.“

Catrin lehnte sich zurück und schaute ihm tief in die Augen. „Wirklich?“

„Ist das nicht offensichtlich?“

Sie nickte wortlos. Doch zuvor war ein Schatten über ihr bildhübsches Gesicht gehuscht. „Doch, Murat. Aber manchmal sehnt eine Frau sich danach, es zu hören.“

„Dann will ich dir all die Dinge sagen, die du hören musst – und noch viele Dinge mehr. Ich habe dich wahnsinnig vermisst.“ Zärtlich küsste er sie auf den Scheitel. „Ich habe mich richtiggehend nach dir verzehrt. Bei jedem Ritt durch die Wüste habe ich nur an dich gedacht. Wenn ich in endlos langen politischen Sitzungen gefangen war, habe ich mich nach einem Blick aus deinen wunderschönen grünen Augen gesehnt, nach deiner seidigen Haut, nach deinem weichen Körper an meinem. Ich habe mir vorgestellt, mich auf dich zu schieben, in dich hineinzugleiten, von deiner Wärme umhüllt zu sein, mich tief in dir zu verlieren. Komm mit mir ins Bett, meine Schöne, bevor der Frust mich völlig verrückt macht.“

Obwohl Catrin heißes Verlangen in seinen dunklen Augen las, brachen sich wieder die Zweifel Bahn, die sie schon die ganze Woche über geplagt hatten. Murats Worte, seine Liebkosungen erregten sie natürlich, so wie sie es immer taten. Trotzdem wünschte sie sich, er hätte sich nach der wochenlangen Trennung zuerst ein wenig mit ihr unterhalten. Oder betrachtete er sie wirklich nur als Lustobjekt? Hatte ihre Mutter doch recht? Konnte er seine Lust nicht ein einziges Mal zügeln? Musste er gleich nach der Ankunft Sex haben, statt sich erst einmal danach zu erkundigen, wie Catrin die vergangenen Wochen ohne ihn überstanden hatte?

Wie würde Murat reagieren, wenn sie ihm erst mal eine Tasse Kaffee anbot? Oder ihm kühl erklärte, sie müsste nach ihrer überstürzten Anreise aus Wales zunächst duschen?

Allerdings hatte Murat in ihrem Körper bereits heiße Lust entfesselt, der Catrin nun doch nicht widerstehen konnte. Also ließ sie sich willig ins Schlafzimmer führen, verscheuchte die Zweifel und ließ sich von ihm ausziehen. Schon lag das T-Shirt auf dem Boden, gefolgt von den Jeans, die der Sultan so wenig leiden konnte. Und dann lag Catrin ausgestreckt auf dem Bett – in weißem Höschen und BH. Ihr war ja keine Zeit mehr geblieben, für den Wüstenkönig sexy Dessous anzuziehen.

Schweigend starrte er die züchtige Wäsche an. Dann beugte er sich vor und berührte das Höschen, spürte die Hitze darunter und schob es beiseite, um Catrin zu streicheln. Dann zog er den feucht glänzenden Finger heraus und lutschte aufreizend langsam daran. Das machte sie erst recht heiß. Deshalb protestierte sie auch enttäuscht, als Murat sich abwandte.

„Du musst deine Ungeduld zügeln, mein Kätzchen“, mahnte er mit wissendem Lächeln. „Ich will erst mal diesen Anzug loswerden.“

Wohl oder übel fasste sie sich in Geduld und sah Murat beim Ausziehen zu. Der Anblick seines durchtrainierten Körpers faszinierte sie immer wieder. Der einzige Makel war eine kleine Narbe auf der rechten Seite. Keine Kriegsverletzung, wie Catrin vermutet hatte, sondern eine Blinddarmoperation hatte die Narbe hinterlassen.

Nackt stand Murat nun vor dem Bett und präsentierte stolz seine mächtige Erektion. Wie gebannt haftete Catrins Blick auf dem Beweis, wie heftig Murat sich nach ihr sehnte. Schon kam er zu ihr ins Bett, beugte sich über sie und zog ihr ungeduldig den BH aus. Sie konnte es kaum erwarten, tief durchdrungen zu werden. So war es immer, wenn Murat bei ihr war. Sie liebte ihn so sehr.

„Murat.“ Sie stöhnte leise vor Lust und ließ die Lippen über seine Wange gleiten, die sich rau anfühlte. „Oh Murat.“

„Was ist denn, meine Süße?“, fragte er mit seiner tiefen Stimme. „Sag es mir!“

Die Wahrheit? Nein, Murat wollte wohl kaum hören, dass es Catrins größter Wunsch war, ihre Beziehung zu legalisieren. Allein schon, um ihrer Mutter zu zeigen, dass sie sich geirrt hatte. Was würde Murat sagen, wenn er wüsste, wie sehr sie sich in den einsamen Nächten danach sehnte, seine Frau zu werden? Es waren viele einsame Nächte, die sie in diesem großen Bett wach lag und überlegte, was Murat wohl gerade in Qurhah tat. Verging er auch fast vor Sehnsucht? Ach, es wäre wundervoll, wenn sie ihn in seine Heimat begleiten dürfte – als seine Sultana. Sie wollte die Landessprache erlernen und ihrem geliebten Ehemann prächtige Söhne gebären und glücklich mit Murat leben bis ans Ende ihrer Tage.

Wahrscheinlich würde er Hals über Kopf aus der Wohnung stürzen, wenn er wüsste, was Catrin sich insgeheim ausmalte. Sie würde ihn niemals wiedersehen. Eine feste Bindung kam für ihn offensichtlich nicht infrage, sonst hätte er wohl schon mal darüber gesprochen, seit er Catrin vor gut einem Jahr aus ihrem walisischen Tal in seine Penthousewohnung nach London geholt hatte, wo sie nun bebend vor Leidenschaft darauf wartete, endlich wieder eins mit ihm zu werden.

Von Anfang an hatte Murat ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Beziehung keine Zukunft habe und eine Heirat ausgeschlossen sei. Von einem Sultan wurde erwartet, standesgemäß zu heiraten. Damit hatte Catrin sich auch abgefunden. Zumindest hatte sie das gedacht. Doch inzwischen wurde ihr eine feste Beziehung immer wichtiger. Es wäre so schön, endlich einmal ein sicheres und behütetes Leben führen zu können. Das war etwas, das Catrin noch nie zuteil geweorden war, und sie spürte, dass sie sich immer mehr danach sehnte.

Leider würde es wohl bei dem Wunsch bleiben. Eigentlich war es reine Zeitverschwendung, sich Illusionen zu machen.

Schnell schob Catrin die trüben Gedanken beiseite und fragte eifrig: „Soll ich dir erzählen, wie sehr du mir gefehlt hast?“

„Nur zu, mein Kätzchen, vorausgesetzt, ich darf mich gleichzeitig deinen perfekten Brüsten widmen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich in den vergangenen Wochen davon geträumt habe, sie zu kosten.“

„Doch, das kann ich mir sehr gut vorstellen.“ Catrin stöhnte unterdrückt, als er begann, die harten Nippel mit der Zunge zu bearbeiten. „Ich habe mir das nämlich auch erträumt.“

„Gefällt dir das?“ Lustvoll blickte er kurz auf. „Macht dich das an? Wird dir überall heiß vor Lust?“

„Ja“, stieß sie heiser hervor. „Oh, das fühlt sich so gut an.“

„Schön. Sag mir einfach, was dir gefällt. Dies vielleicht?“ Aufreizend langsam strich er mit der Hand über ihren flachen Bauch, zog kurz die Kontur des Nabels nach und glitt dann weiter nach unten. „Wie kann ich dich so richtig in Fahrt bringen?“

„Kannst du dir das nicht denken?“, wisperte sie.

„Ich habe da so eine Idee. Du möchtest bestimmt, dass ich dir dieses doch sehr reizlose Höschen abstreife, oder?“

„Gefällt es dir nicht?“

„Lass es mich mal so ausdrücken: Mir war bisher nicht klar, dass so ein weißes Höschen einen ganz besonderen Charme haben kann. Jetzt aber herunter mit dem Ding!“

Im nächsten Moment griff er nach dem Bund, um den Slip hinunterzuziehen, hielt dann aber inne. Erstaunt sah Catrin auf und bemerkte Murats traurigen Gesichtsausdruck. Verwirrt runzelte sie die Stirn.

„Was ist los, Murat? Geht es dir nicht gut?“, wisperte sie besorgt.

Murat hatte seine Gefühle schnell wieder im Griff und lächelte sexy. „Doch, mir ist es noch nie besser gegangen.“ Der Slip landete auf dem Boden, und Murat beugte sich vor, um Catrin wild und leidenschaftlich zu küssen.

Catrin entspannte sich und genoss das erotische Spiel, das Murat ihr beigebracht hatte. Von ihm wusste sie alles, was es über Sex zu wissen gab. Murat hatte sie gelehrt, auf ihren Körper zu hören und ihn zu lieben. „Sex ist das höchste Vergnügen, das es gibt“, sagte er immer. Und dass sie es mit allen Sinnen genießen sollte.

Nach über einem Monat Enthaltsamkeit konnte sie es nun kaum erwarten, ihn endlich wieder in sich zu spüren. Ihre Körper waren wie füreinander gemacht. Catrin stieß einen kleinen Lustschrei aus, als Murat in sie glitt.

Er hielt kurz still, damit sie ihn perfekt aufnehmen konnte.

„Das fühlt sich fantastisch an.“

„Ja, das finde ich auch“, bestätigte Murat heiser.

Hingerissen umfasste er ihren Po, drang tiefer in sie ein, bewegte sich schneller. Wie samtig sich das anfühlte. Er wollte es möglichst lange auskosten. Am liebsten wäre er die ganze Nacht über in dieser Position geblieben und hätte Cat immer wieder geküsst. Diese weichen süßen Lippen waren ein Traum. Doch leider ging jeder Traum einmal zu Ende. Diese Erkenntnis verbitterte ihn. Frustriert drang er noch tiefer ein.

Schon bald bog Catrin sich ihm entgegen, als sie von den Wellen des Orgasmus überwältigt wurde. Murat hielt sich zurück, bis ein rosiger Schimmer sich auf ihre Brüste legte, dann gab auch er sich dem heftigen Höhepunkt hin und schrie seine Lust hinaus.

Als die Wogen schließlich verebbt waren, schob er eine Hand durch Catrins zerzaustes Haar. Er hätte jetzt gern geschlafen, doch Catrin schien noch etwas auf dem Herzen zu haben.

„Wieso konntest du eigentlich schon jetzt hier sein?“, fragte sie argwöhnisch und beugte sich über ihn, sodass ihr langes Haar seine Brust kitzelte.

„Ich habe meinen Zeitplan umgestellt.“ Murat gähnte herzhaft. „Ich habe nachher noch einen Termin. Du begleitest mich zum Abendessen.“

„Aber …“ Unwillig verzog sie das Gesicht. „Ich habe unser Abendessen schon vorbereitet: Gazpacho und Zitronensoufflé.“

Murat lachte amüsiert. „Jetzt klingst du wie eine richtige kleine Hausfrau.“

„Ich dachte, das gefällt dir“, antwortete sie ungehalten.

„Manchmal, aber nicht immer.“

„Bisher war unser erster Abend immer für uns beide reserviert“, murrte sie.

„Ich weiß.“ Wieder musste er gähnen. „Aber dieses Mal geht es leider nicht anders. Der Termin lässt sich nicht aufschieben.“

„Also gut.“

Murat betrachtete sie aufmerksam. Sie konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen, auch wenn sie sich noch so bemühte. Ob Catrin gar nicht bewusst war, dass er viel mehr Zeit mit ihr verbrachte als mit ihren zahlreichen Vorgängerinnen? Offensichtlich nicht. Vielleicht sollte er sie mal aufklären. Doch als er ihre verletzte Miene bemerkte, überlegte er es sich sofort anders. Beschwichtigend streichelte er sie.

„Niccolo ist ein netter Kerl“, erzählte er. „Er fliegt morgen früh nach New York. Ich wollte ihn unbedingt vorher noch sprechen. Deshalb bin ich eher als geplant losgeflogen.“

Catrin musterte ihn erstaunt. „Du sprichst aber nicht von Niccolo Da Conti, oder? Bisher hast du ja sorgfältig dafür gesorgt, dass ich ihn nicht kennenlerne. Er ist doch einer von euch drei Musketieren, oder?“

„Stimmt genau. Aber ich habe nicht absichtlich verhindert, dass ihr euch kennenlernt, Catrin. Wir treffen uns eigentlich eher in Qurhah als in London.“

„Aha. Aber nach Qurhah darf ich ja nicht.“

„Nein, leider nicht.“ Murat zog sie an sich. Sofort entflammte neue Lust in ihm. „Darüber will ich jetzt aber nicht reden. Eigentlich möchte ich gar nicht mehr reden. Wir haben uns seit mehr als einem Monat nicht gesehen und haben viel nachzuholen. Küss mich, Cat!“

Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Er war Murat der Großartige. Welche Frau konnte ihm schon widerstehen?

Auf der blütenweißen Bettwäsche wirkte sein Teint wie Bronze. Er ist mein Bronzegott, dachte Catrin und senkte ihre Lippen auf seine.

Doch plötzlich drängten sich die gemeinen Worte ihrer Mutter wieder in den Vordergrund.

„Hör auf, die Stirn zu runzeln“, murmelte Murat und zog ihre Hand nach unten. „Na, wie fühlt sich das an?“, fragte er mit einem unverschämten Grinsen, als sie seine Erektion umschloss. Wildes Verlangen pulsierte sofort durch Catrins Körper und lenkte sie ab von ihrer schmerzlichen Erinnerung. Ihr Kuss wurde leidenschaftlicher.

So war es immer zwischen ihnen. Murat brauchte sie nur zu berühren, schon vergaß sie alles um sich her. Vom ersten Moment an war es so gewesen.

Damals, als ein unschuldiges Mädchen aus Wales die Aufmerksamkeit des mächtigen, unermesslich reichen Sultans erregte …

2. KAPITEL

Es war an einem Frühjahrsmorgen in Wales geschehen. Hier ließ der Frühling länger auf sich warten als im restlichen Großbritannien. Doch schließlich hatte er Einzug gehalten. Die blühenden Bäume verströmten einen betörenden Duft, Vogelgezwitscher erklang aus allen Richtungen. Niemand hätte ahnen können, dass ein Sultan aus dem Morgenland mit seiner Entourage aus bewaffneten Leibwächtern und anderen Bediensteten diese friedliche Stimmung in der Kleinstadt mit einem Schlag verändern würde.

Bestens gelaunt hatte Catrin ihre Freiheit genossen. Endlich war es ihr gelungen, der vergifteten Atmosphäre ihres freudlosen Zuhauses zu entkommen. Ein Job in einem kleinen Hotel am anderen Ende von Wales hatte sie gerettet. Pflichtbewusst besuchte sie ihre Mutter aber auch von hier aus regelmäßig. Das Verhältnis zu Ursula Thomas war schon immer schwierig gewesen. Hätte Catrin sich nicht verpflichtet gefühlt, sich um ihre jüngere Schwester Rachel zu kümmern, wäre sie schon viel eher ausgezogen. Aber sie hatte es nicht übers Herz gebracht, das junge Mädchen allein in der zweifelhaften Obhut ihrer alkoholkranken Mutter zu lassen. Catrin hatte irgendwann aufgehört, die Wodkaflaschen zu zählen, die sie ins Spülbecken geleert hatte. Es hatte sowieso nichts genützt. Irgendwo trieb ihre Mutter immer eine neue Flasche auf.

Manchmal kam es Catrin so vor, als hätte sie ihr ganzes bisheriges Leben damit verbracht, ihre jüngere Schwester vor den täglichen Dramen zu Hause zu beschützen. Erst nachdem Rachel selbst ausgezogen war, um zu studieren, hatte Catrin die Gelegenheit ergriffen, nun endlich ihr eigenes Leben zu genießen.

Die ungewohnte Freiheit stieg ihr ein wenig zu Kopf. Es war eine riesengroße Erleichterung, nach Hause zu kommen und nicht gleich im Flur mit der Alkoholsucht ihrer Mutter konfrontiert zu werden. Sie brauchte niemanden mehr auf der Polizeiwache in Empfang zu nehmen. Und sie musste auch nicht mehr so tun, als wäre alles in bester Ordnung, wenn das Gegenteil der Fall war. Sie konnte kommen und gehen, wann sie wollte, ohne jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. Nicht dass sich viele Gelegenheiten zum Feiern ergeben hätten. Die nächste größere Stadt lag einige Meilen entfernt, und die Busse fuhren eher unregelmäßig. Doch die Vorstellung, ausgehen zu können, wann sie wollte, war schon aufregend genug.

Catrin hatte keine abgeschlossene Ausbildung, besaß aber eine schnelle Auffassungsgabe, war anpassungsfähig und bereit, hart zu arbeiten. Dadurch war sie bei den Kollegen im Hotel sehr beliebt. Schon als Kind hatte sie jedes Buch verschlungen, das ihr in die Hände geraten war, und das angelesene Wissen machte ihre fehlende Schulbildung wett. Catrin konnte sich über alle möglichen Themen unterhalten, was die Hotelgäste sehr zu schätzen wussten.

Nach einem Jahr Arbeit im Hindmarsh Hotel konnte sie sich jetzt durchaus eine Zukunft in der Gastronomie vorstellen.

An diesem ganz besonderen Tag war Catrin im Hotel gerade für die Bardame eingesprungen, die sich krankgemeldet hatte, als – Murat Al Maisan hereinspazierte. Sämtliche Gespräche verstummten. Erstaunt sah Catrin auf und blickte über den Tresen hinweg direkt in schwarz glänzende Augen. Obwohl der Fremde sie eindringlich ansah, konnte Catrin kaum glauben, dass sein Interesse wirklich ihr galt.

Jetzt ließ er seinen Blick forschend über sie gleiten. Bei jedem anderen Mann wäre ihr diese offensichtliche Musterung unangenehm gewesen. Doch in diesem Fall fühlte es sich … natürlich an. Fast so, als hätte sie ihr ganzes bisheriges Leben auf genau diesen Blick gewartet. Auf diesen Blick, der ein ihr bisher völlig unbekanntes Verlangen entfesselte. Die heftige Reaktion verwirrte sie im ersten Moment. Gleichzeitig fand Catrin das Gefühl sehr erregend. Etwas heiser fragte sie mit ihrem weichen walisischen Akzent: „Kann ich Ihnen helfen, Sir?“

Ohne den durchdringenden Blick von ihr abzuwenden, sagte der Gast mit tiefer Stimme, die in Catrins Ohren wie eine Liebkosung klang: „Ich schätze, Sie können mir in einer Weise helfen, die Ihnen bisher nicht einmal im Traum eingefallen ist.“

Lag es an dem fremdländischen Akzent, dass sie sich offensichtlich verhört hatte? Sicherheitshalber fragte Catrin nach. „Wie bitte?“

Der Fremde schüttelte langsam den Kopf, als hätte er gerade eine verblüffende Entdeckung gemacht. „Ein Kaffee wäre gut, glaube ich.“

Catrin zog die Augenbrauen hoch und musterte den seltsamen Gast streng. „Das Zauberwort, auf das ich sofort reagiere, heißt bitte.“

Murat lächelte charmant und musterte sie aus herausfordernd glitzernden Augen. „Bitte.“

Später erfuhr Catrin, dass er aus einem plötzlichen Impuls heraus in dem altmodischen Hotel aufgetaucht war. Seine Bodyguards hatten unterdessen draußen Däumchen gedreht. Murat deutete die Begegnung mit ihr später als Wink des Schicksals. Für ihn war es eine Fügung, dass er und Catrin sich kennenlernen sollten. Catrin Thomas – das schönste Mädchen, dem er je begegnet war.

Davon ahnte sie natürlich nichts, als er sich auf einen Barhocker setzte, Kaffee trank und Catrin nach ihrem Namen fragte. Normalerweise beachtete sie das ungeschriebene Gesetz, sich nicht mit Gästen anzufreunden. Doch sie war so fasziniert von ihrem Gegenüber, dass sie das völlig vergessen hatte. Er erzählte so interessant von Windparks, die ihn in diese Gegend geführt hatten. Zu diesem Zeitpunkt wusste Catrin noch nicht, dass sie einen leibhaftigen Sultan vor sich hatte, der über einen erdölreichen Wüstenstaat herrschte und unermesslich reich war.

Seine tiefe Samtstimme mit dem fremdländischen Akzent klang verführerisch. Sein selbstsicheres Auftreten wirkte unwiderstehlich auf sie. Und er flirtete in einer Art und Weise mit ihr, die ihr gefährlich werden konnte. Trotzdem ließ sie sich darauf ein. Keine Frau der Welt hätte diesem Charmeur widerstanden!

„Wahrscheinlich hören Sie jeden Tag Komplimente über Ihre wunderschönen Augen“, sagte er und ließ Schmetterlinge in ihrem Bauch flattern, als er lasziv an einem mit Kaffee getränkten Stück Würfelzucker leckte. „Grün wie ein Kaktus.“

„Wie ein Kaktus?“ Verdutzt schaute sie ihn an und zog einen Schmollmund. „Hässlich und stachelig?“

„So wird die Pflanze landläufig beschrieben. Insofern gebe ich Ihnen recht. Damit tut man den Kakteen aber unrecht, denn sie können nicht nur Wasser speichern und so in den kargsten Landschaften überleben, sondern sie liefern auch Nährstoffe und Substanzen, die als Heilmittel dienen.“ Wieder blitzte sein sexy Lächeln auf. „Zudem sind ihre Blüten von atemberaubender Schönheit.“

Wie gebannt hatte Catrin ihm zugehört. Hatte je zuvor jemand einen Kaktus so eindringlich beschrieben? Sie wollte mehr hören, einfach um dieser verführerischen Stimme zu lauschen, die sie verzauberte.

Leider musste sie sich jetzt doch losreißen, weil sie am anderen Ende der Bar ein Bier zapfen musste. Sie nutzte die Gelegenheit, sich zur Ordnung zu rufen. Catrin hatte damals bereits herausgefunden, dass es zwei Männertypen gab. Dieser Mann hier gehörte definitiv zur falschen Kategorie.

„Warum sind Sie plötzlich verlegen?“, fragte er leise, als sie zurückkehrte.

Catrin sah ihn an und verlor sich in den Tiefen seiner schwarzen Augen. Die mahnenden Worte ihrer Mutter, sich von gewissen Männern fernzuhalten, waren vergessen. Warum hätte sie auf ihre Mutter hören sollen? Verträumt schaute sie ihm in die Augen und überlegte, wie es wohl wäre, ihn zu küssen. „Ich habe noch nie einen blühenden Kaktus gesehen“, sagte sie leise.

Der sexy Fremde lächelte. „Wirklich nicht?“, fragte er dann.

Am nächsten Tag hielt ein Lieferwagen vor dem Hotel. Der Fahrer fragte nach Catrin und überreichte ihr einen Karton in Klarsichtfolie und einer großen Schleife drum herum. Auf den ersten Blick eine ganz normale Blumenlieferung. Erst als Catrin den Karton behutsam öffnete, stellte sie verblüfft fest, dass es sich bei dem Inhalt um einen Kaktus handelte. Genauer gesagt, um einen blühenden Kaktus mit saftig grünen Blättern und winzigen kirsch- und rosafarbenen Blüten, die sie an kleine Sonnen erinnerten.

Zum ersten Mal in ihrem Leben erhielt sie ein Blumenpräsent – und dann ausgerechnet einen Kaktus! Diese originelle und völlig unerwartete Geste versetzte sie in einen Freudentaumel.

Nun war es wohl unvermeidlich, die Einladung zum Abendessen anzunehmen, die sich ebenfalls in dem Karton befunden hatte.

Wie hätte sie denn vorhersehen sollen, dass es nicht beim Essen bleiben würde? Sehr zu ihrer und wohl auch zu Murats Überraschung landeten sie noch am selben Abend in seinem Himmelbett mit Blick auf den Bala See.

Eine wilde, entfesselte Nacht folgte. Catrin war überwältigt, wie fantastisch sich das alles anfühlte. Murat küsste sie ausgiebig, während sie verlangend die Hände über seinen nackten Körper gleiten ließ und sich sehnsüchtig an ihn drängte. Ihre heiße Leidenschaft schien Murat zu überraschen. Doch sein lustvolles Stöhnen, als er sich tief in ihr verlor, löste ein überwältigendes Machtgefühl in Catrin aus. Gleichzeitig kam die Ernüchterung, denn der stechende Schmerz raubte ihr den Atem. Und Murat reagierte wütend, weil sie ihm ihre Unberührtheit verheimlicht hatte.

„Wieso ausgerechnet ich?“, fragte er hinterher. Als wäre es eine Last und kein Geschenk, dass sie ihm ihre Unschuld geopfert hatte.

„Weil … weil ich auf einen Mann mit Erfahrung gewartet habe, der weiß, was er tut“, erklärte sie stockend. „Ich wollte, dass es sich fantastisch anfühlt. Und für mich war es fantastisch. Warum fragst du?“ Sie schob sich auf ihn und hielt seinen Blick fest. „Spielt es denn eine Rolle?“

„Allerdings! Ich verführe normalerweise keine Jungfrauen. Ihre romantischen Vorstellungen sollen intakt bleiben.“

„Zu spät.“ Catrin lächelte frech und verteilte kleine heiße Küsse auf seiner behaarten Brust.

Und Murat gab seinen Widerstand schnell auf. Immer wieder machte er Liebe mit Catrin. Bis sie schließlich erschöpft in seinen Armen lag. Selbstvergessen küsste sie ihn auf den Hals, während Murat ihr zärtlich übers Haar strich. „Das war unglaublich“, wisperte sie schließlich schläfrig.

„Ich weiß.“ Zärtlich liebkoste er ein Ohr. „Angeblich erfordert es einige Übung, bevor eine Frau zum Höhepunkt kommt.“

„Dann ist es für mich wohl wichtig, weiterzuüben“, sagte sie feierlich.

Murat lachte vergnügt. „Du bist ja eine ganz seltene Mischung – naiv und erfahren zugleich.“

„Ist das nun gut oder schlecht?“

„Schwer zu sagen. Ich weiß nur, dass ich dich bezaubernd finde und dich nicht gehen lassen möchte.“

Zufrieden schmiegte sie sich an ihn. „Dann halt mich ganz fest, so wie jetzt“, wisperte sie.

Sie hatten damals nicht dasselbe gemeint. Catrin, die gelernt hatte, nicht zu weit in die Zukunft zu planen, sprach von dem Augenblick, von der magischen Nähe zu Murat, die sie noch ein wenig auskosten wollte. Murat dagegen dachte über die Zukunft nach. In seiner Position musste er weit vorausplanen.

Als Catrin sich schließlich von ihm verabschiedete, rechnete sie mit einem Abschied für immer und staunte nicht schlecht, als Murat eine Woche später wieder auftauchte, gerade als sie zwei Tage Urlaub hatte.

„Ich habe dir ja gesagt, dass ich nicht die Finger von dir lassen kann“, witzelte er beim Wiedersehen.

Überglücklich lief sie in seine ausgestreckten Arme und schmiegte sich an ihn. Sie schwebte im siebten Himmel und dankte dem Schicksal, sie ans andere Ende von Wales befördert zu haben, wo sie ihre Liebesaffäre ungestört genießen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Mutter auftauchen und eine Szene machen könnte.

Glücklicherweise interessierte Murat sich nicht für ihre Familie und wollte auch nicht wissen, wo und unter welchen Umständen Catrin aufgewachsen war. Warum auch? Von Anfang an war ja klar gewesen, dass die Beziehung nur von kurzer Dauer sein würde. So blieb Catrin erspart, die unerfreulichen Lebensumstände in ihrem Elternhaus beschreiben zu müssen.

Murat hatte dasselbe Zimmer gebucht wie eine Woche zuvor. Doch Catrin hatte kaum Gelegenheit, den Ausblick auf den Bala See zu genießen, denn die meiste Zeit verbrachte sie mit Murat im Bett. Langsam begann sie sich zu fragen, wie sie je wieder ohne ihn auskommen sollte. Denn er musste ja bald in sein Sultanat zurückkehren. Dort war für sie kein Platz.

Ganz hatte sie noch nicht verinnerlicht, dass ihr feuriger Liebhaber über einen Wüstenstaat herrschte und auf einem schwarzen Hengst durch die Wüste galoppierte. Verträumt ließ sie die Finger durch Murats blauschwarzes Haar gleiten und versuchte, nicht an die einsame Zukunft ohne ihn zu denken.

Natürlich ahnte der Sultan, was in ihr vorging. Deshalb machte er ihr an ihrem letzten gemeinsamen Nachmittag einen außergewöhnlichen Vorschlag, bevor er nach London aufbrach, wo er zum Abendessen verabredet war.

„Begleite mich!“, schlug er vor, als er das Jackett seines eleganten italienischen Maßanzugs anzog.

Catrin blinzelte erstaunt. „Wohin?“

„Nach London. Du könntest in meinem Apartment wohnen.“

„Mit dir?“

„Manchmal.“ Er lächelte geheimnisvoll.

Sie war ja so naiv gewesen. Sonst wäre sie niemals auf diesen Vorschlag eingegangen. Doch Catrin hatte sich Hoffnungen auf einen Trauschein gemacht. Irgendwann. Damals war ihr noch nicht bewusst gewesen, dass ein Sultan wohl kaum ein einfaches Mädchen aus Wales heiraten würde. Murat mit seinem Palast und seinen vielen Verpflichtungen in Qurhah. Dort spielte sich sein Leben ab. In Großbritannien hatte er nur gelegentlich geschäftlich zu tun.

Catrin hatte ja keine Erfahrung mit Beziehungen und wollte sich auch gar nicht emotional binden. Was Emotionen anrichten konnten, hatte sie in ihrem Elternhaus zur Genüge erlebt. Zuerst wollte sie Murats Vorschlag ablehnen. Doch dann fragte sich Catrin, warum sie das tun sollte. Im Prinzip hatte sie gar keine andere Wahl, als nach London zu gehen! Denn bei dem Gedanken, Murat nie wiederzusehen, fühlte sie sich, als würde ihr bei lebendigem Leibe das Herz herausgerissen!

Und so war sie also die „Hure eines reichen Kerls“ geworden, wie ihre Mutter es dann später so abfällig ausgedrückt hatte. Catrin lebte in Murats Londoner Luxuswohnung und verlor langsam, aber sicher ihre Unabhängigkeit. Zunächst hatte sie noch in einem großen Londoner Hotel gearbeitet, doch die Arbeitszeiten ließen sich nicht mit Murats Besuchen vereinbaren. Eins hatte Catrin schnell gelernt: Als Geliebte musste sie stets verfügbar sein.

Murat hatte erzählt, dass er in seinem Leben viel Druck aushalten musste. Nur bei ihr könne er sich davon erholen und richtig entspannen. Deshalb bestand er darauf, dass sie jederzeit auf ihn wartete, wenn er mal wieder zu einem Kurzbesuch nach London jettete. Für ihn war Catrins Schichtdienst im Hotel ein Ding der Unmöglichkeit. Catrins Argument, sie müsste für ihren Lebensunterhalt sorgen, wischte er ungeduldig vom Tisch und überreichte ihr stattdessen eine Kreditkarte, die sie nach Herzenslust benutzen sollte. Natürlich zierte Catrin sich zuerst, doch gegen Murats Argumentation, er habe mehr Geld, als er jemals ausgeben könnte, und sie sei ja praktisch seine Haushälterin, die natürlich entlohnt werden musste, kam sie nicht an.

Also hatte sie die Plastikkarte widerstrebend in ihre brandneue Designerbrieftasche gesteckt. Inzwischen ließ sie sich auch edle Seiden- und Satinoutfits von Murat schenken und besuchte regelmäßig einen der exklusivsten Friseursalons in London.

Gedanken über die mögliche Dauer dieser Affäre machte sie sich nicht. Sie genoss jeden Tag, so wie er kam. Schon bald konnte sie sich allerdings ein Leben ohne Murat nicht mehr vorstellen und versuchte, alles so perfekt wie möglich für ihn zu machen.

Catrin gewöhnte sich an den Luxus, Kleidung aus edlen Stoffen zu tragen, die sich so viel besser anfühlten als die billigen Klamotten, die sie bisher getragen hatte. Sie liebte die Besuche im Wellness-Center, wo sie sich von Kopf bis Fuß behandeln ließ, um perfekt für Murat zu sein. Er liebte ihre seidige Haut.

Zwischen seinen Besuchen vertrieb sie sich die Zeit mit Fortbildungskursen aller Art. Inzwischen kannte sie sich mit Ikebana aus, hatte einen Kochkurs besucht, und ihre Weinkenntnisse konnten es mit jedem Sommelier aufnehmen. Sie hatte auch ihre Liebe zur Kunstgeschichte entdeckt und verbrachte jede freie Minute damit, sich weiterzubilden.

Nach und nach stellte Murat ihr seine Kollegen vor. Die brachten manchmal ihre Ehefrauen, dann wieder ihre Geliebten mit zum gemeinsamen Dinner.

Catrin konnte sich mit allen gewandt und charmant unterhalten. Sie hatte es sich auch zur Aufgabe gemacht, sich über Murats Gäste zu informieren, bevor sie mit ihnen zusammentraf. Die waren sehr erfreut, sich mit jemandem zu unterhalten, der so viel über Windparks, Fracking und all die anderen Themen wusste, die Murat gerade beschäftigten.

Im Grunde genommen bereitete sie sich für ein Leben an der Seite eines einflussreichen Mannes vor, obwohl sie wusste, dass Murat sich eines Tages von ihr verabschieden würde. Der Sultan von Qurhah musste eine Aristokratin heiraten, eine Wüstenprinzessin aus einem der Nachbarstaaten. Murat hatte ihr von Beginn an reinen Wein eingeschenkt, was seine Zukunft betraf.

Am Anfang ihrer Beziehung hatte Catrin das auch akzeptiert. Doch seit ihr bewusst geworden war, dass sie Murat von ganzem Herzen liebte, hatte sie damit ein Problem. Sie wollte mehr, als sie je bekommen konnte …

„Cat?“

Murats tiefe Stimme riss Catrin jäh aus ihren Erinnerungen. Sie schlug die Augen auf und begegnete Murats fragendem Blick.

„Was beschäftigt dich, meine Schöne?!“ Besitzergreifend umfasste er eine nackte Brust. „Du bist so abwesend.“

Natürlich musste sie für sich behalten, was ihr durch den Kopf gegangen war. „Ach, nichts weiter.“ Hingebungsvoll drängte sie sich an seinen nackten erregten Körper. „Ich bin ganz für dich da“, wisperte sie.

Doch wie lange konnte es noch so weitergehen?

3. KAPITEL

„Okay. Wie wär’s denn hiermit?“ Catrin stöckelte auf gefährlich hohen Absätzen durchs Zimmer und verstellte den Blick auf das Fußballspiel, das Murat gerade im Fernsehen verfolgte. „Findest du dieses Outfit angemessen für unser Dinner mit Niccolo Da Conti?“

Entweder langweilte ihn das Spiel, oder sie hatte genau die richtige Wahl getroffen. Jedenfalls verfolgte Murat nicht mehr den Ball auf dem Spielfeld, sondern ließ bewundernd den Blick über Catrin gleiten.

Sein Haar glänzte noch feucht von der Dusche, unter die er sich direkt nach dem intensiven Liebesspiel gestellt hatte. Um die Hüften hatte er nur ein Handtuch drapiert.

Catrin stand noch ganz unter dem Eindruck der heftigen Höhepunkte, die Murat ihr beschert hatte. Das Wiedersehen nach gut vier Wochen Trennung war unglaublich gewesen. Und jetzt entdeckte sie bei Murat schon wieder dieses lustvolle Glitzern in den Augen.

„Dreh dich um!“, stieß er leise hervor.

Catrin gehorchte sofort und spürte dabei einen Luftzug auf ihren nackten Schenkeln. Unter dem dünnen fliederfarbenen Kleidchen trug sie halterlose Strümpfe, ganz wie Murat es liebte.

Normalerweise liebte sie dieses erregende Spiel, wenn er seine voyeuristischen Neigungen auslebte. Sie lüpfte dann blitzschnell den Kleidersaum, damit Murat einen kurzen Blick auf die nackten Schenkel erhaschen konnte. Dabei fühlte sie sich wie eine Cancan-Tänzerin und spürte ein erotisches Prickeln. Es machte ihr Spaß, Murats sexuellen Vorlieben entgegenzukommen. Insbesondere seit er irgendwann mal erwähnt hatte, dass kein Mann fremdgehen müsste, wenn er eine fantasievolle Frau zu Hause hätte.

Doch heute Abend konnte sie die Zweifel nicht verscheuchen, die sie schon den ganzen Tag lang geplagt hatten. Sie spürte, dass in ihrem Leben eine gravierende Veränderung bevorstand, hatte aber keine Ahnung, was da auf sie zukommen könnte. Jetzt fiel ihr Murats merkwürdiger Blick vorhin beim Liebesspiel ein.

Hatte er langsam genug von ihr?

Dabei war es doch gerade so schön mit ihm. Catrin wollte nicht, dass sich irgendetwas änderte. Zugegeben, die langen Pausen zwischen Murats Besuchen störten sie schon. Auf der anderen Seite war es aber auch von Vorteil, dass Murat keine emotionale Bindung wollte. Dadurch ließ sich so mancher Streit vermeiden. Eigentlich hatte sie es wirklich ganz gut getroffen. Sie musste nur versuchen, ihre inzwischen erblühte Liebe zu dem Wüstenkönig zu ignorieren.

Und was sollte sie tun, wenn Murat wirklich genug von ihr hatte?

Ihr früherer Traum, einmal ein Café in Wales zu eröffnen, wo sie hungrigen Wanderern Tee und selbst gebackenen Kuchen servieren wollte, erschien ihr inzwischen gar nicht mehr so attraktiv.

Durch das – gelegentliche – Zusammenleben mit Murat hatten sich ihre Träume grundlegend geändert. Ein Leben ohne ihn erschien ihr unvorstellbar. Sie gehörten zusammen. Okay, Murat bestimmte, was geschehen sollte, aber ihr war das ganz recht. Also drehte sie sich jetzt auch um, weil Murat es wünschte. Graziös wirbelte Catrin um ihre eigene Achse, sodass sich das Kleid im Luftzug aufbauschte und den Blick auf die nackten Schenkel freigab.

„Ist es so recht?“, erkundigte sie sich mit einem frechen Lächeln.

„Perfekt.“

Sein Blick hatte etwas Animalisches.

„Findest du das Kleid nicht zu lang? Oder ist es dir zu kurz?“

„Ich könnte mir Beschreibungen für dein Outfit ausdenken, die dich schockieren würden, meine Schöne.“ Das Fußballspiel war offensichtlich endgültig vergessen. Murat lehnte sich auf dem Sofa lässig zurück. „Es ist perfekt. Du bist perfekt. Ich brauche dich nur anzusehen, schon will ich dich.“

„Schon wieder?“

„Immer. Bei dir bin ich unersättlich.“ Er schob das Handtuch weg und zeigte auf die mächtige Erektion. „Das ist für dich, ­Catrin.“

Ein lustvolles Prickeln überlief sie bei der Vorstellung, ihn mit dem Mund zu befriedigen. Normalerweise hätte sie es auch getan, doch in diesem Fall hätte es bedeutet, sich wieder umzuziehen und das Make-up zu erneuern. Außerdem hatte sie noch immer die gemeinen Worte ihrer Mutter im Ohr. Daher schüttelte Catrin den Kopf, drehte sich um und ging zum Fenster hinüber. „Später, Murat. Wenn es dir nichts ausmacht“, sagte sie leise.

„Und wenn es mir was ausmacht?“

Sie lächelte, blieb aber hart. „Ich würde lieber etwas mehr über Niccolo hören, bevor wir ihn nachher treffen. Wo habt ihr euch kennengelernt?“

Murat überlegte, wie viel er ihr verraten sollte. „Im Grunde ist Da Conti ein Playboy. Wir sind uns vor einigen Jahren mal beim Skilaufen begegnet. Seither sind wir uns immer wieder über den Weg gelaufen. Außerdem gehört er zu meiner Rennclique, so wie auch der ehemalige Formel-1-Pilot Luis Martinez.“ Murat lachte trocken. „Damals waren wir noch sehr jung … und sehr wild und ungestüm.“

Catrin versuchte, gelassen zu bleiben. Einige Dinge, die Murat ihr aus seiner Vergangenheit erzählt hatte, hätte sie lieber nicht gehört. Jetzt musste sie aber nachfragen. „Was willst du damit sagen? Habt ihr es mit denselben Frauen getrieben?“

„Lass es mich mal so ausdrücken: Nicht absichtlich und niemals gleichzeitig.“ Er zuckte die Schultern.

Sollte das entschuldigend wirken? Catrin interpretierte es als irgendwie angeberisch. Wollte Murat sie daran erinnern, dass er ständig von Frauen bedrängt wurde, die ihn in ihr Bett locken wollten?

„Sehr lobenswert“, bemerkte sie spitz.

„Wohl kaum. Du kennst mich doch inzwischen, Catrin. Da solltest du eigentlich wissen, dass ich nicht teile. Und sich mit seinen Freunden die Frauen zu teilen führt unweigerlich zum Desaster.“ Murat rang sich ein Lächeln ab. „Niccolo droht seit Jahren, im Ölgeschäft mitzumischen. Jetzt hat er tatsächlich eine Ölquelle in Zaminzar erworben.“

„Zaminzar? Das grenzt doch im Osten an Qurhah, oder?“

Misstrauisch zog Murat die Augenbrauen zusammen. „Woher weißt du das?“

Sein scharfer Tonfall brachte sie aus der Fassung. Plötzlich brach Catrin die Regeln, die sie für das Zusammensein mit Murat aufgestellt hatte. Statt ihn zu besänftigen, ihn den Stress vergessen zu lassen, den seine Position mit sich brachte, funkelte sie ihn angriffslustig an. „Du hast es mir selbst erzählt. Schon vergessen? Manchmal verrätst du mir etwas aus deinem anderen Leben, Murat. Von deinem Wüstenleben.“

Murat musterte sie nachdenklich. „Ist das etwa ein Vorwurf?“

„Nein. Es ist, wie es ist – ich halte mich einfach an die Fakten. Und du bist doch derjenige, der mir geraten hat, sich immer an die Fakten zu halten!“

„Das soll ich gesagt haben?“ Der Sultan stand auf. Die zusammengepressten Lippen verrieten seinen Unmut. Der Abend entwickelte sich wohl anders, als er es sich gewünscht hätte.

Auch Catrin hatte sich den Abend anders vorgestellt. Harmonisch, und nicht so feindselig wie in diesem Moment. Sie wollte die wenige Zeit, die sie mit Murat hatte, nicht durch eine unbedachte Äußerung trüben.

Schuldbewusst neigte sie den Kopf. Dann rang sie sich ein Lächeln ab und fragte freundlich: „Wo essen wir heute eigentlich mit Niccolo zu Abend?“

Als Murat die Angst in ihren Augen las, bedauerte er seinen scharfen Tonfall sofort. Immer wieder hatten einige von Catrins Vorgängerinnen ihn der Grausamkeit bezichtigt. Dabei lag ihm nichts ferner, als grausam zu sein. Schon gar nicht zu Catrin, die es schon sehr viel länger mit ihm aushielt als seine anderen Geliebten vor ihr. Aber er kannte eben seine Grenzen. So einfach war das.

Gefühle konnte er sich nicht leisten. Sein Leben war von Pflicht bestimmt. Er hatte auch gar keine Lust, sich damit zu langweilen, seine Gefühle zu analysieren. Als Sultan und Herrscher über Qurhah hatte er wirklich Wichtigeres zu tun. Sein Vater hatte ihm unmissverständlich eingeschärft, was von ihm als Wüstenkönig erwartet wurde. Seine Zukunft war klar vorgezeichnet, und Murat akzeptierte die schwere Last, die seine Position ihm auferlegte. Er hatte gedacht, auch Catrin hätte sich damit abgefunden. Gleich nachdem sie sich kennengelernt hatten, hatte er mit ihr besprochen, dass eine Beziehung nur unter bestimmten Bedingungen möglich wäre. Inzwischen war er mit Catrin länger zusammen, als er je für möglich gehalten hätte. In Qurhah wurden bereits Fragen nach der britischen Geliebten des Sultans gestellt, und es wurde gerätselt, welchen Platz sie im Leben des Sultans einnahm.

Murat hatte seine Berater beschieden, sein Privatleben gehe niemanden etwas an. Er verbat sich jedwede Einmischung. Selbstverständlich hatten sie sofort gekuscht. Doch Murat hatte selbst begonnen, über sein Doppelleben nachzudenken. Seine Schwester war nun verheiratet und erwartete ein Baby. Er war froh, die Verantwortung für sie in die Hände ihres Ehemannes gegeben zu haben. Allerdings stand er nun allein im Fokus seiner Untertanen. Das Volk spekulierte, wann sein Sultan endlich selbst heiraten und einen Erben zeugen würde. Nur deshalb hatte er sich darauf eingelassen, potenzielle Heiratskandidatinnen kennenzulernen, obwohl er im tiefsten Innern spürte, dass dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt war.

Der Sultan blickte auf Catrins zitternde Lippen und wusste, dass er ihr von seinen Heiratsplänen erzählen musste. Aber jetzt? Nein, das brachte er einfach nicht übers Herz.

Doch irgendwann musste er es ihr sagen.

Wie hatte sein Privatlehrer sich mal ausgedrückt? Ach ja: Dieses Jahr? Nächstes Jahr? Irgendwann? Niemals?

Er könnte es nicht ertragen, seine bezaubernde Geliebte zu verletzen. Schon jetzt hatte sich ein Schatten über ihre sonst so strahlend grünen Augen gelegt.

Murat durchquerte das Zimmer, beugte sich zu der auf der Fensterbank sitzenden Catrin hinunter und küsste sie leicht auf die bebenden Lippen. „Du weißt doch, dass ich den Abend viel lieber mit dir allein verbringen würde“, sagte er mit einschmeichelnder Stimme. „Leider kann ich das Treffen mit Niccolo nicht absagen. Es ist einfach zu wichtig. Außerdem kann ich mich endlich mal wieder über Fußball unterhalten. Auf dem Gebiet sind die Italiener wahre Experten.“

„So eine Gelegenheit darfst du dir natürlich nicht entgehen lassen. Das verstehe ich“, antwortete sie neckend. „Wenn ich doch nur die Abseitsregel verstehen würde. Dann könnte ich mich auch über Fußball unterhalten.“

Erleichtert stellte Murat fest, dass Catrins Miene sich wieder aufgehellt hatte. Spielerisch wickelte er sich eine Haarsträhne um den Finger. „Da Contis Miene wäre unbezahlbar, wenn du plötzlich anfangen würdest, über die Abseitsregel zu philosophieren.“ Murat lachte vergnügt. „Und da dich mein nackter Anblick leider kaltgelassen hat, werde ich mich wohl anziehen müssen.“

Catrin blickte nachdenklich vor sich hin, während ihr Geliebter sich für das Abendessen ankleidete. Murat tauchte gerade wieder auf, als es an der Tür klingelte. Draußen warteten zwei Leibwächter, die sie im Fahrstuhl nach unten begleiteten und sich dann mit in die gepanzerte Limousine setzten, die vor der Haustür bereitstand. Ein zweiter Wagen folgte ihnen auf dem Weg zum Restaurant.

Inzwischen hatte Catrin sich an das Prozedere gewöhnt. Bei ihrem Lover handelte es sich nun mal um einen der reichsten Männer der Welt. Murat konnte sich nicht einfach unters Volk mischen, er musste ständig von Bodyguards begleitet werden. Natürlich erregte das erst recht Aufmerksamkeit.

Nur in der Wohnung hatten Murat und sie ihre Ruhe und waren ungestört. Er hatte mal erzählt, wie sehr Nobelrestaurants ihn langweilten. Viel lieber wäre er mit ihr allein. Natürlich hatte ihr das geschmeichelt. Jetzt überlegte sie allerdings, ob sie darauf hätte dringen sollen, mehr Zeit miteinander zu verbringen, statt sich mit dem zufriedenzugeben, was Murat ihr zeitlich bot. Hatte sie wirklich gehofft, dass er es sich eines Tages anders überlegen und sie doch heiraten würde?

„Da sind wir schon.“ Murat riss sie aus ihren Gedanken, als die Limousine vor einem versteckt liegenden Restaurant anhielt.

Drinnen tummelten sich die VIPs. Normalerweise waren sie mit sich selbst beschäftigt, doch als Murat mit seiner Entourage auftauchte, riskierten sie doch einen neugierigen Blick auf den Sultan von Qurhah. Sein unbändiger Sex-Appeal und sein herrschaftliches Auftreten waren einfach zu beeindruckend.

Nervös folgte Catrin ihm durch das Restaurant zu einem Tisch im hinteren Bereich, wo Niccolo Da Conti sie bereits erwartete. Sein dunkles Haar wirkte charmant zerzaust. Mit einem lässigen Lächeln lehnte er sich zurück und ließ sich ein Glas Champagner einschenken. Neben ihm saß eine langbeinige Blondine im silberfarbenen kurzen Maschenkleid. Besitzergreifend hatte sie eine Hand mit in elegantem Silber lackierten Fingernägeln auf Niccolos Oberschenkel platziert.

Catrin setzte ein Lächeln auf, als sie und Murat sich dem Tisch näherten, und hoffte, ihre Nervosität erfolgreich zu verbergen. Eigentlich war doch alles wie immer. Sie hatte keine Ahnung, warum sie plötzlich so verunsichert war.

„Murat!“ Erfreut stand Niccolo Da Conti auf, wobei er sich abrupt von den Krallen der Blondine befreite, und streckte seinem Freund beide Hände entgegen. „Wie geht es meinem Lieblingssultan? Muss ich mich tief verneigen?“

„Untersteh dich!“ Murat lachte amüsiert. „Zwei meiner Personenschützer sitzen da vorn. Ihnen wäre es am liebsten, wenn ich unerkannt bliebe.“

„Unerkannt? Du? Das ist unmöglich. Sowie du das Restaurant betreten hast, waren hier alle Blicke auf dich gerichtet. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals anders gewesen wäre.“ Niccolo wandte sich Catrin zu. „Du bist also Catrin. Unglaublich, dass wir uns jetzt erst kennenlernen. Bisher hat Murat ja dafür gesorgt, dass niemand in deine Nähe kommt. Ich kann ihn gut verstehen. Umso mehr freut es mich, jetzt endlich deine Bekanntschaft zu machen.“

„Hör auf, mit meiner Freundin zu flirten, Nic! Stell uns lieber deiner Begleiterin vor.“

Lise war Norwegerin, sah aus wie ein Supermodel, entpuppte sich jedoch als erfolgreiche Geschäftsfrau, die ihre erste Million im zarten Alter von fünfundzwanzig Jahren gemacht hatte. Catrin war beeindruckt. Verglichen mit dieser strahlenden, hochintelligenten Schönheit kam sie sich fast minderbemittelt vor. Nervös setzte sie sich zu ihr.

„Und was machst du beruflich, Catrin?“, erkundigte Lise sich freundlich, nachdem alle ein volles Glas vor sich stehen hatten und die Männer sofort in ein Gespräch über Windparks vertieft waren.

Diesen Teil der Unterhaltung hätte Catrin am liebsten übersprungen. Doch Lise konnte sie wohl nichts vormachen. Also atmete sie tief durch und antwortete: „Ich war in der Gastronomie tätig. Zurzeit arbeite ich aber nicht.“

„Du Glückliche. Ich beneide dich. Was würde ich dafür geben, nicht jeden Morgen zu unchristlicher Stunde aufstehen und zur Arbeit gehen zu müssen.“

Sie gaben ihre Bestellung auf, orderten Wein zum Essen. Nur Catrin blieb bei Wasser, denn sie trank keinen Alkohol. Die Tischgespräche drehten sich zuerst allgemein um Politik und dann um die Amerikaner, die einen Narren an den britischen Royals gefressen hatten. Schließlich diskutierten die Männer den Ölpreis.

Lise schnitt eine Grimasse und wandte sich wieder Catrin zu. „Jetzt sollten wir uns wohl ausklinken und über die drei Ks reden, oder?“

Catrin lachte. Ganz wohl war ihr allerdings nicht.

Zunächst unterhielten sie sich über den Friseursalon, den Catrin besuchte. Lise wollte alles wissen. Bereitwillig erzählte Catrin, was sie über den Haarstylisten und seine erlauchte Kundschaft wusste. Dann bewunderte Lise das hübsche Lapislazulimedaillon, das Catrin an diesem Abend trug. Instinktiv strich Catrin über den dunkelblauen Stein. „Murat hat es mir zum Geburtstag geschenkt.“

„Wirklich? Ich muss sagen, er hat einen ausgezeichneten Geschmack“, lobte Lise.

„Ja, das stimmt.“ Erneut berührte sie den Stein mit den Fingerspitzen. Sie erinnerte sich noch genau, wie Murat ihr die hübsche Kette um den Hals gelegt hatte.

„Seid ihr schon lange zusammen?“, fragte Lise neugierig.

„Etwas mehr als …“ Catrin räusperte sich und griff nach dem Wasserglas. Manchmal wünschte sie sich, den Mut aufzubringen, ein Glas Wein zu trinken. Vielleicht hätte sie dann weniger Hemmungen, sich mit Fremden zu unterhalten. Doch bestand nicht auch die Gefahr, so hemmungslos zu werden wie ihre Mutter? Ruckartig stellte sie das Glas zurück auf den Tisch und beantwortete Lises Frage. „Etwas mehr als ein Jahr.“

„Länger als ich dachte.“ Lise musterte sie forschend. „Du musst ziemlich pragmatisch sein, Catrin.“

Wie kam eine ihr völlig unbekannte Frau zu dieser Einschätzung? Sehr seltsam. Hilfesuchend sah sie Murat an. Doch der war gerade so in eine Diskussion über Fußball vertieft, dass er offensichtlich alles um sich her vergessen hatte.

„Sag mal, Lise, wie bist du denn zu dieser Einschätzung gelangt?“, fragte sie schließlich widerstrebend.

„Na ja, du hast es bestimmt nicht leicht.“

„Wie meinst du das?“

„Ich spreche davon, dass der Druck auf Murat, eine standesgemäße Braut zu finden, ständig zunimmt.“

Catrin lächelte tapfer weiter, auch wenn es ihr immer schwerer fiel. Eine standesgemäße Braut war sie ja nun nicht gerade. „Spielst du auf Prinzessin Sara an? Die Geschichte habe ich gehört. Ich weiß, dass Sara dem Sultan versprochen war. Aber die Hochzeit fand nicht statt, weil Sara einen anderen Mann geheiratet hat. Murat war direkt erleichtert darüber.“

„Aber ich dachte …“ Lise verstummte verlegen und widmete sich ihrer Vorspeise. Die Scheibe Räucherlachs wurde regelrecht mit der Gabel attackiert, als würde der Fisch noch leben.

Was hat sie denn plötzlich? Catrin wunderte sich. Ein seltsames Gefühl beschlich sie plötzlich. Wider besseres Wissen fragte sie nach, obwohl ihr bewusst war, dass die Antwort ihr wahrscheinlich wehtun würde. „Was dachtest du, Lise?“

Lise schüttelte den Kopf. „Ach, nicht so wichtig.“

„Ich würde es trotzdem gern wissen.“ Aufmunternd lächelte Catrin ihr zu.

Sicherheitshalber vergewisserte Lise sich schnell, ob die Männer auch tatsächlich nicht zuhörten. Dann beugte sie sich vor und wisperte: „Seit Niccolo sein neuestes Spielzeug erworben hat, kenne ich mich ziemlich gut aus in den Wüstenstaaten.“

„Was für ein Spielzeug ist das denn?“ Catrins Neugier war geweckt.

„Eine Ölquelle.“ Lise verdrehte die Augen himmelwärts. „Ist wohl mal was anderes als ein Privatjet oder ein Fußballclub. Jedenfalls verbringt Niccolo jetzt jede freie Minute in Zaminzar. Die ersten Male habe ich ihn noch begleitet, aber mir ist das da einfach zu heiß.“ Unwillig verzog sie das Gesicht. „Zumal du dich als Frau vollkommen verschleiern musst.“

Das erklärt aber noch lange nicht, warum sie mich als pragmatisch bezeichnet hat, dachte Catrin. In ihren Ohren hatte das wie eine Beleidigung geklungen. „Was genau hast du dort denn über Murat aufgeschnappt?“, fragte sie deshalb nach.

Lise legte die Gabel zurück auf den Teller. „Sein Volk erwartet einen Erben von ihm. Solange er keinen legitimen Thronfolger zeugt, ist die Dynastie nicht gesichert.“

„Das ist ja nichts Neues.“

„Mag sein, aber Murat hat die vergangenen Wochen in Zaminzar verbracht, um dort die Tochter des Königs näher kennenzulernen. Er wollte herausfinden, ob eine Ehe mit ihr möglich ist. Das wusstest du aber schon, oder? Die Prinzessin soll sehr schön sein.“

Catrin wurde es schwarz vor Augen. In ihren Ohren rauschte es. Doch sie riss sich zusammen und lächelte tapfer weiter. Dieses dumme, nichtssagende Lächeln.

„Ja, ich weiß Bescheid“, behauptete sie, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.

„Wirklich?“ Lise musterte sie erstaunt. „Und es macht dir nichts aus?“

Einen Moment lang spielte Catrin mit dem Gedanken, ihr die Wahrheit zu sagen. Natürlich hatte sie keine Ahnung von Murats Aufenthalt in Zaminzar gehabt. Ganz zu schweigen von dem Grund seines Aufenthalts. Natürlich machte es ihr etwas aus, wenn der Mann, den sie über alles liebte, einer anderen Frau den Hof machte – um es mal so altmodisch auszudrücken. Und natürlich verletzte es sie, dass er kein Wort darüber verloren hatte.

Doch das konnte sie Lise wohl kaum anvertrauen. Nicht hier und nicht jetzt. Denn unweigerlich wäre sie in Tränen ausgebrochen und hätte die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich gelenkt. Und natürlich auch auf Murat. Die Blöße wollte sie sich nicht geben.

Im tiefsten Innern fühlte sie sich hintergangen. Langsam wurde sie auch wütend auf sich selbst. Wie kam sie eigentlich dazu, sich immer nur mit dem zufriedenzugeben, was ihr freiwillig geboten wurde? Wurde es nicht langsam Zeit, selbst Ansprüche zu stellen?

Doch das würde sie später mit sich und Murat ausmachen. Mit Lise hatte das alles ja nichts zu tun. Es wäre unfair, ihren Schmerz, ihre Wut an ihr auszulassen. Catrin trank einen Schluck Wasser, um sich zu sammeln und um Zeit zu gewinnen.

„Nein, es macht mir nichts aus“, behauptete sie. „Murat hat mich von Anfang an ins Bild gesetzt. Ich habe immer gewusst, dass unsere Beziehung nicht von Dauer sein kann.“

Lise musterte sie fassungslos. „Ich glaube nicht, dass ich an deiner Stelle auch so cool bleiben könnte.“

Catrin lächelte nur und dachte sich ihren Teil. „Murat und ich haben von vornherein vereinbart, einander alle Freiheiten zu lassen“, erklärte sie schließlich.

Das klang sehr überzeugend. Fast hätte Catrin selbst daran geglaubt.

„Ich muss sagen, du imponierst mir“, sagte Lise, fast ehrfurchtsvoll, hob das Glas und trank Catrin zu. „Auf dich.“ Sie stellte das Glas zurück auf den Tisch. „Niccolo denkt auch nicht daran, sich zu binden“, klagte sie dann.

Jetzt tut sie so, als säßen wir im selben Boot, dachte Catrin. War es wirklich schon so weit mit ihr gekommen? Teilten sie und Lise tatsächlich das gleiche Schicksal? Zwei Frauen, deren Lover sich nicht binden wollten?

Catrin versuchte, ihre Situation objektiv aus dem Blickwinkel eines Außenstehenden zu betrachten. Eine arbeitslose Frau im sündhaft teuren Kleid. Eine Frau, die ihr Leben damit verschwendete, auf einen Mann zu warten, der sich in immer größeren Zeitabständen bei ihr blicken ließ. Besonders beeindruckend war das nicht, sondern eher beschämend. Wie lange wollte sie das noch mitmachen? Bis Murat sie fallen ließ, weil er eine standesgemäße Braut gefunden hatte?

Der Appetit war Catrin endgültig vergangen. Lustlos schob sie das Essen auf dem Teller herum, ließ sich aber ansonsten nicht anmerken, dass gerade ihr Lebenstraum von einer Ehe mit Murat geplatzt war. Charmant unterhielt sie sich mit Murat, Niccolo und Lise und gratulierte sich zu ihrer schier übermenschlichen Selbstbeherrschung.

Einmal lachte sie so laut über einen von Niccolos Scherzen, dass Murat ihr einen missbilligenden Blick zuwarf. Am liebsten hätte sie noch lauter gelacht.

Erst auf dem Heimweg stellte Murat sie ärgerlich zur Rede. „Was ist denn beim Abendessen in dich gefahren? Wieso hast du so hysterisch gelacht?“

Die Frage traf Catrin unvorbereitet. Sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich in Ruhe zu überlegen, was sie zu Murat sagen sollte. Am liebsten wäre sie achtlos darüber hinweggegangen und hätte das Thema gewechselt. Warum ignorierte sie nicht, was sie von Lise erfahren hatte? Sie konnte doch so tun, als wäre alles wie immer.

Aber leider hatte sich alles geändert. Und zwar bereits bevor Lise die Katze aus dem Sack gelassen hatte. Es hatte angefangen, als sie sich eingestehen musste, Murat zu lieben.

Liebe änderte alles. Liebe tat weh. Liebe entfesselte Sehnsüchte und Träume, die niemals in Erfüllung gehen konnten. Catrin brachte es nicht übers Herz, sich an Murat zu schmiegen und die schöne Prinzessin zu ignorieren, die er wohl bald heiraten würde. Sie musste realistisch sein und sich an die Fakten halten. Darüber hatten sie ja bereits gesprochen, bevor sie zum gemeinsamen Dinner mit Niccolo und Lise aufgebrochen waren.

Seltsam, sie hatte Lises Behauptungen nicht einmal infrage gestellt. Vermutlich, weil sie die Wahrheit schon längst geahnt hatte. Murats Verhalten hatte sich in der letzten Zeit verändert, aber sie war zu feige gewesen, nach dem Grund zu fragen. Dabei hatte es ihr natürlich zu denken gegeben, dass die Abstände zwischen seinen Besuchen immer größer wurden und Murat oft geistesabwesend zu sein schien.

Es wäre ratsam gewesen, Murat nicht hier auf dem Rücksitz der Limousine mit Lises Behauptungen zu konfrontieren, sondern zu warten, bis sie wieder zu Hause waren, wo kein Chauffeur und kein Personenschützer Zeuge der Auseinandersetzung werden konnte. Doch plötzlich brachen die aufgestauten Gefühle sich Bahn, und Catrin stieß frustriert hervor: „Du willst wissen, was mit mir los war? Das kann ich dir genau sagen: Lise hat mir erzählt, dass du während der vergangenen vier Wochen in Zaminzar warst, um dich mit einer schönen Prinzessin anzufreunden, die du vielleicht heiraten willst.“

Murat funkelte sie warnend an. „Wir sprechen zu Hause darüber, Cat.“

„Ich will aber jetzt mit dir darüber reden. Kein Wunder, dass du vorhin so seltsam reagiert hast, als ich Zaminzar erwähnt habe. Mich würde brennend interessieren, wie weit du bei der schönen Prinzessin gegangen bist, um herauszufinden, ob ihr zueinander passt. Hattest du Sex mit ihr, bevor du hier in London mit mir ins Bett gegangen bist, Murat?“

4. KAPITEL

Aufgebracht starrte Murat in Catrins wütendes Gesicht. Er war es einfach nicht gewohnt, so angegangen zu werden. Schon gar nicht von Catrin. Und erst recht nicht in der Gegenwart von Bediensteten!

Insgeheim fragte der Sultan sich allerdings schon, wie lange er seine Mission in Zaminzar noch hätte geheim halten können. In der Wüstenregion brodelte schon seit Wochen die Gerüchteküche. Würde einer der begehrtesten Junggesellen bald unter die Haube kommen? Nur Murat wusste die Antwort darauf. Zunächst standen jedoch weitere Treffen bevor. Jedenfalls fühlte er sich jetzt fast erleichtert, dass sein Geheimnis nun keins mehr war.

„Nun sag schon!“ Ungeduldig funkelte Catrin ihn an. „Hast du vor deinem Besuch bei mir mit ihr geschlafen?“

Murat bemerkte schuldbewusst, wie ihre Lippen bebten. Die arme Catrin war den Tränen nahe. Es tat ihm unendlich leid, sie zu verletzen. Doch er war nicht bereit, in Gegenwart von Chauffeur und Bodyguard über sein Sexleben zu diskutieren. Natürlich waren die Männer zur Diskretion verpflichtet, aber trotzdem … „Wir reden, wenn wir zu Hause sind, Catrin“, wiederholte er daher eindringlich.

„Ich will es aber jetzt wissen.“

„Bist du taub? Was fällt dir überhaupt ein, mich anzugehen wie ein ordinäres Fischweib? Ich denke nicht daran, mich auf diesem Level zu unterhalten, schon gar nicht, wenn wir Zuhörer haben. Du musst dir deine Fragen also aufheben, bis wir unter uns sind, Catrin. Vorher werde ich sie ganz sicher nicht beantworten.“

Entschlossen wandte er sich ab und blickte aus dem Fenster. Wie konnte Catrin sich nur so vergessen? Und dann dieser vorwurfsvolle Blick. Murat mochte sich gar nicht ausmalen, wohin das bevorstehende Gespräch führen würde. Er befürchtete das Schlimmste. Doch was sollte er tun? Ihm waren die Hände gebunden. Das Wohl seines Landes war wichtiger als sein Privatleben. Vom Nachfahren einer der ältesten, angesehensten und mächtigsten Familien der Wüstenregion wurde erwartet, standesgemäß zu heiraten und Nachkommen zu zeugen.

Sein Volk hatte es nicht immer leicht gehabt. Kriege und Zerstörung hatten den Menschen immer wieder zugesetzt. Murat presste die Lippen zusammen. Er musste seine Pflicht tun. Das war ihm seit seiner Kindheit immer wieder eingebläut worden. Ihm blieb nichts anderes übrig, als eine Frau aus dem Hochadel zu heiraten und einen männlichen Erben zu zeugen – wie sein Vater und dessen Vorväter es vor ihm getan hatten. Es ging um den Fortbestand der Al Maisan-Dynastie.

Theoretisch hätte das kein Problem sein dürfen. Er war sechsunddreißig Jahre alt und bereit, väterliche Pflichten zu übernehmen. Die Prinzessin von Zaminzar – sie hörte auf den Namen Aleya – war bildhübsch und kultiviert. Sie beherrschte vier Sprachen fließend und machte durchaus den Eindruck, als könnte sie ihm Söhne gebären. Es wäre eine fast perfekte Verbindung gewesen – aber eben nur fast.

Also musste er sich erneut auf die Suche begeben. Und Schuldgefühle wollte er sich von Catrin nicht einreden lassen. Schließlich hatte sie von Anfang an gewusst, was unweigerlich geschehen würde. Er war nun mal der Sultan von Qurhah und musste sich in sein Schicksal fügen. Und Vorwürfe von seiner Geliebten würde er sich nicht anhören!

Das Schweigen in der Limousine wurde immer unerträglicher. Murat atmete erleichtert auf, als Cat und er schließlich vor dem Haus ausstiegen. Doch während der Fahrt im Lift wurde die Atmosphäre noch angespannter. Sowie die Tür der Penthousewohnung sich hinter ihnen geschlossen hatte, kickte Catrin wütend ihre High Heels in die Ecke und baute sich vor Murat auf. „Vielleicht hast du die Güte, mir jetzt die Wahrheit zu sagen, Murat“, fauchte sie.

Zum ersten Mal seit er sie kennengelernt hatte, war Murat verunsichert. Er wusste nicht, wie er mit ihr umgehen sollte, denn so außer sich vor Wut hatte er seine sonst so anschmiegsame, willige Cat noch nie erlebt.

Mit zärtlichen Küssen und einschmeichelnden Worten würde sie sich wohl nicht besänftigen lassen.

Jetzt packte ihn allerdings selbst die Wut, weil er sich so machtlos fühlte. Murat marschierte zur Fensterfront und blickte hinauf in den Sternenhimmel.

„Murat?“ Catrin war ihm gefolgt. „Hast du mir nichts zu sagen?“

Er wirbelte herum, bevor sie Zeit hatte, sich wieder zu fangen, und entdeckte den Hoffnungsschimmer in ihren wunderschönen Augen. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Jeder Mensch klammerte sich an die Hoffnung, so aussichtslos die Lage auch sein mochte. Durfte er Catrins Hoffnung zerstören?

Sie wollte von ihm hören, dass die geschwätzige Freundin von Niccolo Da Conti sich geirrt hatte. Sie wollte hören, dass ein Missverständnis vorlag und dass er keineswegs nach einer anderen Frau suchte, weil er mit ihr allein glücklich war.

Doch das ging nicht. Er konnte und wollte Catrin nicht belügen.

Er hatte ihr immer die Wahrheit gesagt.

Murat atmete tief durch und fragte leise: „Was genau möchtest du denn wissen?“

Sie schien zu zögern. Gut, dachte er. Frag einfach nicht weiter! Wir gehen jetzt ins Bett und vergessen diesen Abend. Lass uns genießen, was wir haben. Doch natürlich wurde sein Stoßgebet nicht erhört.

„Hast du dich mit einer Frau getroffen, die du heiraten willst?“

Murat machte eine ungeduldige Handbewegung. „Ich treffe mich schon seit Jahren mit Frauen, die als Heiratskandidatinnen infrage kommen. Das weißt du doch. Ich habe es dir gleich am Anfang unserer Beziehung erklärt. Ich habe dir von Prinzessin Sara erzählt, und von all den anderen, die ich für ungeeignet erachtet habe.“

„Du weichst mir aus, Murat. Ich frage dich noch einmal: Hast du um eine andere Frau geworben? Ein einfaches Ja oder Nein würde mir genügen.“

Nach kurzem Schweigen rang Murat sich zu einer Antwort durch. „Ja, ich habe mich mit der Tochter des Königs von Zaminzar getroffen. Ja, es ging um eine mögliche Heirat.“

„Hast du … hast du mit ihr geschlafen?“

Catrin hatte so leise gesprochen, dass Murat die Frage zuerst gar nicht verstanden hatte. Doch dann wurde ihm klar, was sie wissen wollte. Wütend funkelte er sie an. Was fiel ihr ein, ihn wie einen Verbrecher zu verhören? Langsam riss ihm der Geduldsfaden. Doch irgendetwas in ihrem Blick hielt ihn davon ab, Catrin seine Meinung zu sagen. Nachdenklich sah er vor sich hin und schüttelte schließlich den Kopf.

„Nein, ich habe nicht mit ihr geschlafen. Ehrlich gesagt, schockiert mich deine Frage. Du weißt ganz genau, dass ich immer nur mit einer Frau zurzeit ins Bett gehe. Ich bin doch kein Betrüger!“

Du bist schockiert, Murat? Das ist wirklich ungeheuerlich.“

Erneut kochte die Wut in Murat hoch. Das Adrenalin pumpte durch seine Adern wie kurz vor einer Schlacht. Er unternahm keinen Versuch, seine Wut im Keim zu ersticken, denn Wut war immer noch besser als Schuldgefühle.

„Ich gehöre dir nicht, Cat. Du hast kein Exklusivrecht auf mich. Nur zu deiner Information: Selbst wenn ich mit der Prinzessin hätte schlafen wollen, hätte ich es nicht getan. Die Frau, die ich einmal heiraten werde, gehört nicht zu der Sorte, die sich jedem Mann an den Hals wirft.“

Catrin musterte ihn empört. „Im Gegensatz zu mir, meinst du?“

Verlegen zuckte er die Schultern. „Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen.“

„Vielleicht doch. Wahrscheinlich ist es ganz gut für mich zu erfahren, dass du Frauen in zwei Gruppen einteilst. Der eine Typ eignet sich zur Ehefrau, der andere zur Geliebten.“

„Ich habe dir nie die Ehe versprochen, Cat. Von Anfang an habe ich dir reinen Wein eingeschenkt und zu bedenken gegeben, dass unsere Beziehung keine Zukunft hat. Das ist doch bei dir angekommen, oder?“

Sie nickte langsam. Murat hatte ihr damals ganz klar gesagt, dass sie zwar seine Geliebte werden konnte, aber niemals seine Ehefrau. Darüber hatte nie ein Zweifel bestanden. Und Catrin war einverstanden gewesen. Sie hatte versucht, sich selbst als moderne Frau zu sehen, die sich nicht um Konventionen scherte. Sie hatte sich eingeredet, dass sie mit ihrer zerrütteten Kindheit gar nicht tauglich war für eine normale Beziehung.

Doch irgendwann war etwas Unerwartetes geschehen: Catrin hatte immer tiefere Gefühle für Murat entwickelt! Das hatte nicht auf dem Plan gestanden. Sie war so sehr darauf bedacht gewesen, Murat zu halten, dass sie sich immer mehr in die Frau verwandelte, die er sich wünschte. Eine Art sexy Geisha, die stets seine Bedürfnisse über ihre eigenen stellte. Mit einem Lächeln auf den Lippen hatte sie alles ohne Murren akzeptiert, was von ihr verlangt wurde. Sie konnte sich jetzt wohl kaum über sein Verhalten beschweren, denn Murat hatte ihr nie etwas vorgemacht.

Ihr Sultan hatte sich nach einer Braut umgesehen.

Natürlich hatte er das!

Wie hatte sie nur so dumm sein können! Niemals würde der stolze Sultan sein Erbe verleugnen und sich mit einem unehelichen Mädchen aus der Arbeiterklasse einlassen, deren Mutter noch dazu eine hoffnungslose Trinkerin war!

Catrin sah auf und begegnete seinem forschenden Blick. Verzweifelt versuchte sie, zu ihrer alten Gelassenheit zurückzufinden, und atmete tief durch. „Ja, du hast kein Geheimnis daraus gemacht, dass du nach einer standesgemäßen Frau suchst. Ich hätte mich längst an den Gedanken gewöhnen müssen, eines Tages wieder allein zu sein, wenn deine Suche erfolgreich war. Keine Ahnung, warum ich vorhin so heftig reagiert habe.“

Natürlich wusste sie es insgeheim ganz genau: Sie liebte Murat. Deshalb hatte sie die Nerven verloren.

„Ich hätte dir sagen sollen, warum ich in Zaminzar war.“

„Aber du hast es für dich behalten, weil es womöglich das Ende unserer Beziehung bedeutet hätte.“

„Ja.“

Cat schaute ihn unverwandt an. Diesen Gesichtsausdruck kannte sie noch nicht bei Murat. Wilde Entschlusskraft spiegelte sich in seinem Blick. War das die Miene eines Mannes, dem noch nie ein Wunsch versagt worden war?

„Es muss aber nicht das Ende sein, Cat“, sagte er leise.

Sie hatte sich verhört, oder? Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Verwirrt sah sie ihn an und versuchte in seiner Miene zu lesen. Sicherheitshalber fragte sie dann doch nach. „Wie bitte?“

„Wir machen so weiter wie bisher. In Qurhah führe ich das Leben, das von mir erwartet wird. Hier lebe ich mit dir zusammen. Das müsste eigentlich gut funktionieren.“

„Du meinst, du behältst mich als deine Geliebte?“

„Warum nicht?“ Seine Stimme klang einschmeichelnd. „Für Männer in meiner Position ist das ganz normal. Außerdem hast du immer behauptet, nicht an einer konventionellen Beziehung interessiert zu sein.“

Catrin wurde übel. Das hatte sie tatsächlich mal behauptet.

Auf unsicheren Beinen ging sie zum Fenster und öffnete es. Sie brauchte dringend frische Luft. Doch die warme Brise, die he­reinwehte, hatte leider keinen kühlenden Effekt. Catrin hatte das Gefühl, jemand drücke ihr die Luft ab.

Das hatte sie nun also davon, dass sie niemals Forderungen an Murat gestellt hatte. Er behandelte sie wie einen Gegenstand, den er behalten wollte. Sollte sie es ihm wirklich so leicht machen? War er sich eigentlich bewusst, wie sehr er sie verletzte? Bestimmt nicht. Der egoistische Sultan hatte nur sein eigenes Wohl im Auge. Er wollte seine Geleibte behalten und dachte gar nicht daran, sie aufzugeben.

Andererseits brachte sie fast so etwas wie Verständnis für seinen Vorschlag auf. Offensichtlich hatte sie es Murat einfach zu leicht gemacht. Sie hatte sich während der vergangenen Monate immer weiter von dem naiven Mädchen aus Wales fortentwickelt. Alles hatte sie getan, um Murat ein kuscheliges Heim zu bieten, wo er sich von den Strapazen seines anstrengenden Lebens in Qurhah erholen konnte. Sowie er über die Schwelle des Penthouse trat, wurde er nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Alles drehte sich um ihn. Catrin stellte ihre Bedürfnisse immer zurück.

Unangenehme Fragen hatte sie sich stets verkniffen, um dem mächtigen Sultan nicht die gute Laune zu verderben. Ansprüche hatte sie auch noch nie gestellt. Seine zahlreichen Geschenke nahm sie nur an, um ihm eine Freude zu machen. Eigentlich machte sie sich nichts aus Diamanten und Designerklamotten. Sie wollte einfach nur friedlich mit Murat zusammenleben, wenn er da war.

All das machte Catrin sich zum ersten Mal bewusst. Sie war entsetzt. Was war nur aus ihr geworden? Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie noch mit allen Mitteln dagegen angekämpft, dass ihre kleine Schwester in einer Pflegefamilie untergebracht wurde, weil ihre Mutter ständig betrunken war. Catrin hatte nach der Schule eingekauft und für eine warme Mahlzeit gesorgt, wenn Rachel nach Hause kam. Sie hatte dafür gesorgt, dass ihre Schwester ihre Hausaufgaben machte, und war immer für sie da gewesen. Und ihre Mühe hatte sich ausgezahlt, denn Rachel besuchte inzwischen die Universität.

Jetzt war für Catrin der Zeitpunkt gekommen, sich an ihre eigene Charakterstärke, ihre Energie, ihr Durchsetzungsvermögen zu erinnern. Murat würde gleich merken, dass sie keine Schachfigur war, die er beliebig übers Spielfeld schieben konnte.

Mit neuer Gelassenheit wandte sie sich ihm zu. „Vermutlich ist es für einen Sultan alltäglich, sich auch nach der Heirat mit einer Geliebten zu vergnügen. Du kommst eben aus einem anderen Kulturkreis. Aber du wirst verstehen, dass ich dein verführerisches Angebot ablehnen muss.“

Murat kniff die Augen zusammen. „Wirst du jetzt sarkastisch?“

„Was erwartest du denn von mir? Freudensprünge, weil du mir einen winzigen Platz in deinem Leben einräumst, nachdem du eine andere Frau zum Altar geführt hast? Vergiss es!“ Sie lächelte sarkastisch. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest. Ich muss packen.“

Verblüfft musterte er sie. „Du musst packen?“

„Ja, ich packe jetzt meine Sachen. Du solltest dir mal zuhören, Murat. Wie ein Sultan klingst du nicht. Eher wie ein verwöhnter Junge, dem man sein Spielzeug weggenommen hat. Auch ein Sultan kann eben nicht alles haben. Du glaubst doch nicht im Ernst, ich würde dich mit einer anderen Frau teilen, oder? Falls doch, solltest du mal einen Psychologen konsultieren.“

Catrin wandte sich um und marschierte hinaus. Auf dem Weg ins Schlafzimmer knipste sie überall Licht an. Murat war ihr gefolgt. Irritiert sah Catrin sich nach dem Koffer um, mit dem sie vor gut einem Jahr aus Wales angereist war. Sie hatte vergessen, wo sie ihn verstaut hatte.

„Ich will nicht, dass du gehst.“

„Das glaube ich dir aufs Wort, Murat.“

„Du hast da etwas missverstanden, Cat. Ich bin nicht verlobt und beabsichtige auch nicht, in naher Zukunft zu heiraten.“

Sie drehte sich zu ihm um und bemerkte erstaunt seine Anspannung. „Irgendwann wird dir nichts anderes übrig bleiben.“

„Irgendwann, ja. Aber nicht dieses Wochenende.“

„Was willst du damit sagen?“

„Dass sich nichts geändert hat. Dieses Gerede ist rein hypothetisch. Vielleicht heirate ich überhaupt nicht. Ich will, dass du bei mir bleibst, Cat. Du kannst mich jetzt nicht verlassen. Schon gar nicht im Zorn. Wo willst du denn mitten in der Nacht hin? Du kannst doch nicht einfach alles hinwerfen. Uns verbindet doch so viel.“

„Ich sehe keine andere Möglichkeit.“

„Dann verabschiede dich wenigstens mit der Leidenschaft, die uns von Anfang an verbunden hat.“ Murat räusperte sich. „Die größte Leidenschaft, die ich je erlebt habe.“

„Nein.“ Auch wenn er sie voller Verlangen ansah und ihr Körper sehnsüchtig reagierte. „Definitiv nicht.“

„Warum nicht?“

Die Antwort fiel ihr schwer. Sollte Murat wirklich erfahren, dass sie ihn liebte? Dass sie sich insgeheim Hoffnungen auf eine Heirat gemacht hatte, obwohl er von Anfang an klargestellt hatte, er könnte nur eine standesgemäße Frau zu seiner Sultana machen? Nein!

„Warum nicht?“, fragte er noch einmal. „Warum können wir nicht ein letztes Wochenende voller Leidenschaft verbringen? Noch zwei Tage ganz für uns, bevor wir Abschied voneinander nehmen. Das sind wir uns doch schuldig, Cat. Komm schon! Gib dir einen Ruck!“

Autor

Caroline Anderson

Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills & Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.

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