Heißgeliebter Lügner

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"Auf die zukünftige Herzogin von Alzacar!" Atemlos verfolgt Lena, wie Alejandro im Ballsaal ihre Verlobung verkündet. Allerdings weiß sie auch, warum er sich zu diesem Schritt entschieden hat: Ihre berauschende, unendlich sinnliche Nacht vor über einem Jahr ist nicht ohne Folgen geblieben, und der spanische Adlige will seinen kleinen Sohn! Nur deshalb besteht er auf der Heirat! Dabei sind sie längst kein Paar mehr: Kaltherzig hat Alejandro sie damals betrogen. Wenn der arrogante Herzog von Alzacar jetzt von einer Ehe spricht, denkt er doch nicht etwa an - Leidenschaft?


  • Erscheinungstag 18.08.2015
  • Bandnummer 2193
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701963
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Er hatte mich einfach verführt. Meine Schutzwälle waren eingerissen, als wären sie aus Papier. Ich bin sicher, niemand hätte ihm widerstehen können.

Nach all den Jahren, die ich wie ein unsichtbarer, ungeliebter Schatten in meinem eigenen Haus gelebt hatte, hätte ein einziger Blick von ihm gereicht – ein Wort seiner rauen Stimme, und ich wäre ihm um den Hals gefallen.

Doch Alejandro hatte mir so viel mehr gegeben. Er sah mich an, als wäre ich die schönste Frau der Welt, hörte mir zu, als wäre jedes meiner Worte Poesie. In seinen Armen stand mein Körper in Flammen, und unter seinen Küssen vergaß ich meine Trauer. Nach so vielen kalten grauen Jahren schillerte die Welt plötzlich in tausend Farben. Nur durch ihn.

Dabei gab es keinen Grund für den Herzog von Alzacar, sich für mich zu interessieren. Obwohl er zu den wohlhabendsten und mächtigsten Männern Spaniens gehörte, entschied er sich für mich, ein mittelloses einfaches Mädchen. Mir erschien es wie ein Wunder, dass er nicht meine bildhübsche reiche Cousine wählte.

Erst viel später wurde mir der wahre Grund für seine Aufmerksamkeit klar. Nicht aus Liebe oder auch nur Verlangen hatte er mich verführt. Es dauerte viele Monate bis ich die selbstsüchtigen Motive erkannte, aus denen er mich mit seinem Charme verzaubert und dazu gebracht hatte, ihn zu lieben.

Doch da war es bereits zu spät.

1. KAPITEL

Der graue Himmel hing tief über der mexikanischen Kolonialstadt San Miguel de Allende, als ich die Worte hörte, vor denen ich mich im letzten Jahr am meisten gefürchtet hatte. Nacht für Nacht verfolgten sie mich in meinen Albträumen.

„Ein Mann war hier und hat nach dir gesucht, Lena.“

Ich stolperte einen Schritt zurück und drückte meinen kleinen Sohn fester an mich.

„Was meinst du?“

Meine Nachbarin Dolores lächelte und streckte eine Hand aus, um die rosigen Wangen meines Babys zu streicheln. „Ich danke dir, dass du mir Miguelito für eine Stunde anvertraut hast. Er ist so ein süßes Kerlchen …“

„Aber der Mann …?“ Ich wagte es kaum, die Worte auszusprechen. „Wie sah er aus?“

„Muy guapo“, seufzte sie. „Unglaublich attraktiv. Dunkelhaarig und groß.“

Das könnte auf tausend Männer in San Miguel zutreffen, redete ich mir verzweifelt ein. Das weltbekannte Instituto, eine Hochschule für Kunst und Spanisch, machte die Stadt zu einem beliebten Ziel für amerikanische Auswanderer. Vor allem alleinstehende Frauen kamen hierher, um als Künstlerin oder Goldschmiedin eine neue Existenz zu gründen.

Genau wie ich. Hochschwanger und mit gebrochenem Herzen war ich vor einem Jahr hier angekommen und hatte es dennoch geschafft, meinem Sohn und mir ein wundervolles neues Leben aufzubauen.

Vielleicht wollte der dunkelhaarige Fremde nur ein Porträt seiner Liebsten von mir malen lassen. Doch ich glaubte nicht daran. Lähmende Angst floss durch meine Glieder. „Hat er seinen Namen hinterlassen?“

Meine Nachbarin schüttelte den Kopf. „Aber er war sehr teuer gekleidet und fuhr einen Rolls-Royce. Mit Chauffeur und sogar Bodyguards.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. „Hast du einen reichen neuen Liebhaber, Lena?“

„Nein“, flüsterte ich.

Es konnte sich nur um einen Mann handeln. Alejandro Guillermo Valentín Navaro y Albra, den mächtigen Herzog von Alzacar. Den Mann, den ich einmal von ganzem Herzen geliebt hatte. Den Mann, der mich verführt und dann verraten hatte.

„Er ist also nicht dein Geliebter?“ Meine Nachbarin klang enttäuscht. „Schade. So ein gutaussehender Mann. Warum hat er dann nach dir gesucht? Kennst du ihn?“

Meine Gedanken rasten. „Wann genau war er hier?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Vor einer halben Stunde vielleicht.“

„Hast du irgendetwas davon gesagt, dass … dass Miguel mein Sohn ist?“

Dolores schüttelte den Kopf. „Dazu hat er mir gar keine Gelegenheit gegeben. Er hat nur gefragt, ob du in dieser Straße wohnst. Ich habe Ja gesagt. Dann hat er mich gebeten, seinen Besuch nicht zu erwähnen, weil er dich überraschen will.“ Mit einem verschmitzten Lächeln zog sie einige Geldscheine aus ihrer Schürze. „Für mein Schweigen hat er mir tausend Pesos gezahlt. Kannst du dir das vorstellen?“

Ja. Ich konnte es mir vorstellen. Für einen Moment schloss ich die Augen. „Aber du hast es mir dennoch erzählt“, wisperte ich. „Ich danke dir.“

Sie schnaubte. „Männer wünschen sich immer einen großen Auftritt mit Pauken und Trompeten. Aber ich dachte, es ist besser, wenn du Zeit hast, dich vorzubereiten.“

Sie seufzte und betrachtete mein formloses weißes Sommerkleid, das zu einem schmucklosen Pferdeschwanz gebundene Haar und mein ungeschminktes Gesicht. „Du hast eine gute Figur, aber in dem Kleid siehst du aus wie ein Marshmallow. Du machst nicht das Beste aus dir. Man könnte fast glauben, du willst nicht bemerkt werden!“ Sie hob warnend den Finger. „Aber heute Abend musst du unwiderstehlich aussehen, so sexy wie möglich, ? Du willst, dass er dich begehrt.“

Nein. Das wollte ich wirklich nicht. Nicht, dass die Möglichkeit überhaupt bestand. Nachdem sein bösartiger Plan gelungen war, gab es für ihn keinen Grund mehr, mir Interesse vorzuspielen. „Er ist nicht mein Liebhaber.“

„Du bist zu wählerisch.“ Dolores schnalzte mit der Zunge. „Diesen Milliardär willst du nicht, und jenen Milliardär auch nicht – ich sage dir eins, wohlhabende Männer sind nicht so dicht gesät, wie du anscheinend glaubst.“

Ich hätte es besser wissen müssen. Ich hatte angefangen, mich sicher zu fühlen, hatte wieder ganze Nächte durchgeschlafen und Freundschaften geschlossen. Mir hätte klar sein müssen, dass er mich eines Tages finden würde.

„Lena?“ Dolores runzelte die Stirn. „Stimmt etwas nicht?“

„Hast du ihm gesagt, wann ich zurück sein würde?“

„Ich war mir nicht sicher, wie lange du brauchst. Damit du ein bisschen Zeit hast, habe ich vier Uhr gesagt.“

Jetzt war es drei. Mir blieb noch genau eine Stunde.

Miguel gähnte, sodass sich bezaubernde kleine Grübchen in seinen runden Wangen bildeten. Seine dunklen Augen blickten mich schläfrig an. Diese Augen, genau wie die seines Vaters.

„Ich danke dir.“ Ich umarmte Dolores innig. Sie war gut zu uns gewesen, doch ich würde sie niemals wiedersehen. „Gracias, Dolores.“

Sie tätschelte meinen Rücken. „Ich weiß, du hast ein hartes Jahr hinter dir. Aber das ist jetzt vorbei. Dein Leben wird sich bald zum Besseren wenden. So etwas fühle ich.“

Besser? Fast hätte ich gelacht. Bevor sie meinen Gesichtsausdruck sehen konnte, drehte ich mich um.

„Er wird dein Geliebter werden, warte es ab!“, rief sie mir fröhlich hinterher. „Und eines Tages dein Ehemann!“

Mein Ehemann. Ein bitterer Gedanke. Nicht ich war die Frau, die Alejandro hatte heiraten wollen, sondern meine reiche, wunderschöne Cousine Claudie. Nur deshalb hatte er mich verführt, die arme Verwandte, die in den Schatten von Claudies Londoner Villa lebte.

Nach Alejandros und Claudies Hochzeit würden sie alles besitzen: ein Herzogtum, halb Andalusien, politische Beziehungen in der ganzen Welt und Milliarden auf der Bank. Ihre Macht würde fast grenzenlos sein.

Es gab nur eines, das sie niemals haben konnten. Ich streichelte das weiche dunkle Haar meines Sohns und drückte ihn ein wenig fester an mich. Er seufzte leise, war fast eingeschlafen. „Es tut mir so leid, mein Schatz“, wisperte ich. Es tut mir leid, dass ich keinen besseren Vater für dich ausgesucht habe.

Während ich die Straße zu meinem Haus hinuntereilte, warf ich einen Blick zum Himmel. Die Regenzeit hatte begonnen, und ein heftiger Wolkenbruch stand bevor. Hastig tippte ich die Zahlenkombination in das Sicherheitsschloss und drückte die schwere Eichentür auf.

Niemals hätte ich die Miete für dieses wunderschöne alte Kolonialhaus mit seinen hohen Decken und alten Terrakottafliesen bezahlen können. Doch ein guter Freund erlaubte uns, hier mietfrei zu wohnen.

Zumindest sah ich Edward St. Cyr nur als einen guten Freund. Bis vor einer Woche, als er – nein! Daran durfte ich jetzt nicht denken. Auch nicht daran, wie betrogen ich mich gefühlt hatte, als sich herausgestellt hatte, worauf unsere Freundschaft wirklich beruhte.

Ich bin es leid, darauf zu warten, dass du diesen spanischen Mistkerl vergisst. Es ist an der Zeit, dass du mir gehörst.

Bei der Erinnerung lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Nach meiner Antwort war Edward mit finsterem Gesicht aus dem Haus gestürmt und mit seinem Privatjet zurück nach London geflogen.

Auf keinen Fall konnte ich weiterhin in seinem Haus wohnen. Deshalb hatte ich die letzte Woche damit verbracht, mich nach einer neuen Wohnung umzusehen. Doch sogar in San Miguel de Allende war es schwierig, etwas zu finden, das sich eine unbekannte junge Künstlerin leisten konnte.

Ich atmete tief ein und versuchte, meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. „Ich schaffe das“, sagte ich laut in die Stille des Hauses. Schließlich war ich inzwischen Expertin darin, Reisepässe, Geld und Kleidung in eine Tasche zu werfen und innerhalb von fünf Minuten zu verschwinden. Das hatte ich mehr als einmal getan – in Tokio, Berlin, Istanbul, São Paulo und Mumbai.

Allerdings hatte Edward mir immer dabei geholfen. Jetzt hatte ich niemanden.

Denk nicht darüber nach, ermahnte ich mich selbst und fuhr mit der Hand über meine feuchten Augen.

In diesem Moment ging das Licht an.

Alejandro saß in einem Sessel am Ende der Halle und starrte mich an. Seine Augen loderten.

Ich unterdrückte einen Aufschrei.

„Lena Carlisle.“ Seine Stimme war gefährlich ruhig. „Endlich.“

„Alejandro“, brachte ich heraus.

Meine Beine zitterten, als wollten sie unter mir nachgeben. Instinktiv schloss ich die Arme fester um mein Baby.

„Was machst du – Wie hast du …“

„Wie ich dich gefunden habe?“ Er erhob sich. Bei dem Anblick seiner hochgewachsenen Gestalt und der muskulösen breiten Schultern stockte mir der Atem.

„Oder wie ich in dein Haus gekommen bin?“ Der spanische Akzent seiner Worte war fast unmerklich. Schließlich hatte er nach seiner Kindheit in Spanien jahrelang einen milliardenschweren Großkonzern in New York und London geleitet. „Glaubst du wirklich, irgendein Sicherheitssystem auf der Welt könnte mich davon abhalten, genau dort zu sein, wo ich sein möchte?“

Er war sogar noch attraktiver als in meiner Erinnerung. Ein Jahr lang war ich von sinnlichen Träumen gequält worden. Ihn direkt vor mir zu sehen, war mehr, als ich ertragen konnte. Doch ich dachte an Miguel auf meinem Arm und zwang mich, nicht das Bewusstsein zu verlieren.

Alejandro ließ mich nicht aus den Augen, während er langsam auf mich zukam. Er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, vom maßgeschneiderten Anzug bis zu den auf Hochglanz polierten italienischen Schuhen.

„Was willst du von mir?“, brachte ich erstickt heraus.

Er nickte zu meinem schlafenden Sohn. „Ist es wahr? Ist das mein Baby?“

Sein Baby. In blinder Panik stolperte ich zurück.

„Meine Männer warten vor der Tür. Du kommst nicht einmal bis zur Straße“

Ich achtete nicht auf ihn. So schnell ich konnte, lief ich zur Tür und zog an dem eisernen Knauf. Doch als das schwere Holz zur Seite schwang, hielt ich mitten in der Bewegung inne. Sechs hünenhafte Bodyguards standen in einem Halbkreis vor einem teuren Sportwagen und einem schwarzen Geländewagen.

„Dachtest du“, erklang Alejandros sanfte Stimme in meinem Rücken, „dass ich irgendetwas dem Zufall überlasse, wenn ich dich endlich gefunden habe?“

Er stand so dicht hinter mir, dass der Duft seines Rasierwassers in meine Nase stieg. So dicht, dass ich die Hitze spüren konnte, die von seinem männlichen Körper ausging. Dieser Mann hatte mich einmal ganz besessen, meinen Körper und meine Seele.

Von dem Moment an, als er zum ersten Mal das Haus meiner Cousine betreten hatte, war ich hoffnungslos verliebt gewesen. Mit einem Lächeln auf den Lippen hatte ich meiner Cousine jeden Wunsch erfüllt, ihnen Tee gebracht und Dinnerpartys für sie organisiert. Wenn Claudie damit prahlte, dass sie ihn um den kleinen Finger wickeln konnte, ignorierte ich den scharfen Schmerz in meinem Herzen.

„Er frisst mir aus der Hand“, hatte sie triumphiert. „Noch vor dem nächsten Silvesterabend darfst du mich Herzogin nennen, warte ab!“

Doch dann hatte er alle zutiefst schockiert und meine Cousine zurückgewiesen. Meinetwegen.

Noch nie zuvor hatte ein Mann mich als Frau wahrgenommen. Wie ein Stein im tiefen Wasser war ich in seinem gefährlichen Charme versunken. Sechs wundervolle unbekümmerte Wochen lang hatte Alejandro mich in den Armen gehalten. Es fühlte sich an, als gehörte mir die ganze Welt.

Bei dem Gedanken an meine naiven Hoffnungen, an das unerfahrene Mädchen, das ich gewesen war, stieg mir die Schamesröte ins Gesicht.

Jetzt war Alejandros Gesichtsausdruck unbewegt, doch ich erinnerte mich noch genau an sein ungezwungenes Lachen und seineen hungrigen Blick. An den Klang seiner heiseren Stimme, wenn er mir nachts süße Worte ins Ohr flüsterte. Ich erinnerte mich an unsere leidenschaftlichen Küsse und unsere nackten, ineinander verschlungenen Körper.

Doch als ich an jenem heißen Sommertag endlich den Mut zusammengenommen und ihm meine Liebe gestanden hatte, war das Lächeln aus seinem Gesicht gewichen.

„Liebe? Du kennst mich nicht einmal.“ Zwei Minuten später hatte er die Tür hinter sich ins Schloss gezogen und mich am Boden zerstört und unendlich verwirrt allein zurückgelassen. Dabei ahnte ich nicht einmal, was mich noch erwartete.

Alejandros Hand auf meinem Arm riss mich aus den Erinnerungen. Er zog mich zurück ins Haus. „Komm wieder herein, Lena. Wir müssen einiges besprechen.“ Seine Finger auf meiner Haut schienen einen Stromstoß durch meinen Körper zu jagen. Er besaß die Art von männlicher Schönheit, die das Herz einer Frau in tausend Stücke brach.

Ich merkte kaum, wie er mich ins Wohnzimmer führte. In dem gemütlichen Raum, den ich mit selbst gebastelten Papierblumen und Bildern von meinem Sohn dekoriert hatte, kam Alejandros Ausstrahlung von Macht und Reichtum umso stärker zur Geltung.

„Sagt Claudie die Wahrheit? Ist das Baby in deinem Arm mein Sohn?“

Ich zitterte am ganzen Körper. Um Zeit zu gewinnen, fragte ich: „Erwartest du wirklich, dass ich dir darauf antworte?“

„Die Frage ist einfach genug. Es gibt nur zwei Antworten.“ Er streckte die Hand aus und strich sanft über meine Wange, doch in seinen Augen lag keine Zärtlichkeit. „Ja oder nein.“

„Du wärst ein schrecklicher Vater! Ich lasse nicht zu, dass mein wundervoller Sohn genau so ein herzloser Bastard wie …“

„Wie ich wird?“ Seine Stimme war gefährlich ruhig. „Denkst du wirklich so über mich, nach allem, was wir einmal miteinander geteilt haben?“

Ich konnte den Blick nicht von seinen dunklen Augen lösen. Damals hatte ich mir eingeredet, dass Alejandro trotz seines Reichtums und seiner Macht ein guter Mensch war. Wie Generationen von Frauen vor mir, hatte ich nur gesehen, was ich sehen wollte. Ich war blind gewesen, bis die Wahrheit mich erbarmungslos eingeholt hatte. „Ja. Genau das denke ich von dir.“

Er lächelte mich an, doch seine Augen waren kalt. „Du hast natürlich recht. Nichts und niemand ist mir wichtig. Am wenigstens du. Ganz besonders, nachdem du und deine Cousine mich mit diesem Kind erpresst habt.“

„Erpresst?“ Ich schnappte nach Luft. „Du bist derjenige, der mich schamlos verführt und geschwängert hat – nur um mein Baby zu stehlen und es mit Claudie großzuziehen!“

Für einen Moment war Alejandro sprachlos. Echte Verwirrung lag in seinem Gesicht. „Wovon sprichst du?“

„Denkst du, dass ich immer noch nicht Bescheid weiß?“, rief ich aufgebracht. „Du bist einfach nach Spanien zurückgekehrt und hast keinen meiner Anrufe entgegengenommen. In der naiven Hoffnung, dass dir wenigstens dein Kind etwas bedeuten würde, habe ich sogar Claudie angefleht, mir Geld für ein Flugticket nach Madrid zu leihen.“

Ärgerlich blinzelte ich die Tränen weg, die in meine Augen stiegen. „Doch als ich ihr gesagt habe, wofür ich das Geld brauche, hat sie etwas getan, womit ich nie gerechnet hätte.“

Alejandro sah mich ausdrucklos an. „Was?“

Ich atmete tief ein. „Sie hat gelacht. Dann habe ich selbst gehört, wie sie dich angerufen und dir zu deinem brillanten Plan gratuliert hat.“ Bei der Erinnerung zog sich alles in mir zusammen. „Sie hat sich bei dir bedankt, weil du so schlau gewesen warst, mich, ihre belanglose Cousine, zu verführen. Dann hat sie dir gesagt, ihr hättet jetzt den Erben, den sie dir nie schenken kann, und ihr könnt endlich heiraten.“ Ich schloss für einen Moment die Augen. „Danach hat ihr Anwalt mich gezwungen, Papiere zu unterschreiben, mit denen ich das Sorgerecht für mein ungeborenes Kind aufgab.“ Meine Stimme brach, und ich wandte den Kopf ab.

„Ja, Claudie hat mich angerufen. Aber …“

„Darum bin ich davongelaufen! Bevor ihr mir mein Kind stehlen konntet!“

Für einen Moment schwieg Alejandro. „Noch am selben Tag, nein, in derselben Stunde von Claudies Anruf, habe ich versucht, dich zu finden“, fuhr er schließlich fort. „Es stimmt, Claudie hatte die verrückte Theorie, ich würde sie nicht heiraten wollen, weil sie unfruchtbar ist. Aber das war nicht der Grund.“ Er kam einen Schritt auf mich zu. „Als ich von dem Baby gehört habe, bin ich sofort nach London geflogen, aber du warst schon verschwunden. Und seitdem hast du es immer wieder geschafft, dich in Luft aufzulösen, sobald ich dir nahe gekommen bin.“ Seine Stimme wurde plötzlich kalt. „Diese Art des Verschwindens, querida, kostet Geld. Genau wie das hier.“ Er zeigte mit einer ausladenden Geste durch das Zimmer. „Dieses Haus gehört einer Strohfirma, die auf den Kaimaninseln angemeldet ist. Wieso gibst du nicht einfach zu, dass dir jemand hilft? Wer ist es? Sag die Wahrheit.“

Irgendetwas hielt mich davon ab, Edward St. Cyrs Namen zu erwähnen. „Und was ist deiner Meinung nach die Wahrheit?“

„Als du von der Schwangerschaft erfahren hast, war dir bereits klar, dass ich dich niemals heiraten würde. Also bist du einen Deal eingegangen … mit deiner Cousine.“

Was auch immer ich erwartet hatte, damit hatte ich nicht gerechnet. Fassungslos starrte ich ihn an. „Was meinst du damit? Wieso sollte Claudie mir helfen? Sie will dich heiraten.“

„Ich weiß. Darum hilft sie dir ja. Sie hat mir erzählt, sie wüsste genau, wo du bist. Aber mein Kind würde ich erst sehen, wenn ich bereit wäre, ihm ein sicheres Zuhause zu garantieren. Und zwar, indem ich sie heirate.“

Für einen Moment fehlten mir die Worte. „Aber ich habe seit über einem Jahr nicht mehr mit Claudie gesprochen. Sie hat nicht die geringste Idee, wo ich bin.“ Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Hat sie wirklich versucht, dich zur Heirat zu zwingen?“

„Alle Frauen wollen mich heiraten. Stehlen oder Lügen ist für sie nur ein Mittel zum Zweck.“

Ich schnaubte. „Dein Ego ist unglaublich.“

„Das hat nichts mit meinem Ego zu tun. Jede Frau will einen milliardenschweren Herzog zum Ehemann haben. Das ist nichts Persönliches.“

Natürlich ist es das, schoss mir durch den Kopf. Wie könnte irgendeine Frau sich nicht in Alejandro verlieben?

„Aber was ich wirklich von dir wissen will …“ Seine Stimme klang gefährlich sanft. „Ist das Baby von mir? Oder ist es nur ein Teil des ausgefeilten Plans?“

Ich funkelte ihn wütend an. „Willst du damit sagen, mein Sohn ist nur ein Lockvogel?“

„Du wärest überrascht, wie weit Menschen gehen, um ihr Ziel zu erreichen. Wenn du nicht mit Claudie zusammenarbeitest, dann geht es dir vielleicht um etwas anderes.“

„Was soll das heißen?“

„Vielleicht hast du ja gehofft, dass ich dich suche, wenn du spurlos verschwindest. Dass es in mir den Wunsch weckt, dich zu heiraten.“ Er hob eine Augenbraue. „Keine schlechte Idee.“

„Nie im Leben will ich deine Frau werden!“, fauchte ich ihn an.

„Natürlich nicht.“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.

Ich wollte ihm an den Kopf schleudern, dass er vollkommen unrecht hatte. Doch eine leise Stimme erinnerte mich an den letzten Sommer, an die Träume, die ich damals gehabt hatte.

„Vielleicht habe ich mir das irgendwann einmal gewünscht“, gab ich leise zu. „Aber das liegt in der Vergangenheit. Bevor ich wusste, dass du mich skrupellos verführt hast, um mein Baby zu stehlen und Claudie zu heiraten.“

„Du musst wissen, dass das nicht die Wahrheit ist. Ich habe niemals vorgehabt zu heiraten. Weder Claudie, noch irgendeine andere Frau.“

„Wie soll ich dir glauben? Schließlich hast du auch behauptet, dass du niemals Vater werden willst. Und dennoch bist du jetzt hier und verlangst die Wahrheit über Miguel!“

Alejandro atmete scharf ein. „Du hast das Baby Miguel genannt?“ In seinen Augen lag ein seltsames Funkeln. „Warum?“

„Nach der wundervollen Stadt, die mich willkommen geheißen hat – San Miguel ist unser Zuhause geworden.“

Sein angespannter Gesichtsausdruck wurde weicher. „Ah.“

Verwirrt blickte ich ihn an. Hatte ich es mir eingebildet oder war seine Reaktion auf den Namen unseres Babys seltsam heftig gewesen?

In diesem Moment wimmerte mein Sohn leise. Beruhigend streichelte ich seinen Kopf. Sein kleiner warmer Körper und der süße Duft seiner Haut waren der einzige Halt für meine aufgewühlte Seele.

„Wenn du mich nicht absichtlich geschwängert hast, wenn es wirklich nur ein Unfall war und du kein Vater sein willst … dann lass uns gehen! Für dich ist Miguel nur eine Möglichkeit, deinen Titel weiterzugeben. Für mich ist er die ganze Welt. Ich habe ihn neun Monate lang in mir getragen, seine Tritte gespürt, seinen ersten Schrei gehört.“ Tränen liefen meine Wangen hinunter, und auch Miguel begann zu weinen. Schluchzend versuchte ich ihn zu beruhigen.

Alejandro verzog keine Miene. „Wenn er mein Sohn ist, werde ich euch beide mit in mein Schloss nach Spanien nehmen. Euch wird nie es wieder an etwas fehlen.“

„Ich werde dich niemals heiraten, um keinen Preis der Welt!“, stieß ich hervor.

„Heirat? Wer hat irgendetwas von Heiraten gesagt?“ Er zog spöttisch einen Mundwinkel hoch. „Auch wenn wir beide wissen, dass du keine Sekunde zögern würdest.“

Seine Worte bohrten sich wie ein Stachel in mein Herz. „Was könntest du mir jemals bieten, Alejandro? Geld? Ein Schloss? Einen Titel? Diese Dinge sind mir nicht wichtig.“

Er trat einen Schritt auf mich zu. „Du hast Sex vergessen“, erinnerte er mich mit rauer Stimme. „Wilden, leidenschaftlichen, unglaublichen Sex.“ Über den Kopf unseres Babys sah er mir tief in die Augen. Gegen meinen Willen spürte ich, wie mein Körper auf ihn reagierte.

Ich hob mein Kinn und erwiderte seinen Blick. „Ja“, wisperte ich. „Aber was bedeutet all das letztendlich, Alejandro? Ohne Liebe ist alles wertlos.“ Ich schüttelte den Kopf. „Das müsstest du am besten wissen. Denn das Geld, die Paläste, der Titel – und ja, sogar der Sex … hat dich jemals etwas davon glücklich gemacht?“

Er sah mich schweigend an. Es war so still, dass nur mein eigener Herzschlag in meinen Ohren dröhnte. Doch dann war der Moment vorbei. Er trat einen Schritt zurück und warf mir einen kalten Blick zu. „Es wird umgehend ein Vaterschaftstest durchgeführt.“

Er musste einen Knopf gedrückt haben oder etwas in der Art, denn plötzlich kamen zwei Bodyguards zur Tür herein. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, gingen sie direkt an uns vorbei zum Schlafzimmer.

Ich wirbelte zu Alejandro herum. „Was haben sie vor?“

„Packen“, erwiderte er trocken.

Bevor ich etwas dagegen tun konnte, nahm ein dritter Bodyguard Miguel aus meinen Armen.

„Nein!“, schrie ich auf. Ich warf mich nach vorn und streckte die Hände nach meinem Baby aus, doch Alejandro hielt mich mit eisernem Griff.

„Wenn der Test zeigt, dass Miguel nicht mein Sohn ist“, erklärte er ruhig, „werde ich dein Baby gesund und munter zu dir zurückbringen, und ihr seht mich nie wieder.“

„Lass mich los!“ Ich wehrte mich mit aller Kraft, doch es war zwecklos. Er war zu stark. „Du Mistkerl! Du kannst mir nicht meinen Sohn wegnehmen! Miguel!“

„Bist du denn so sicher, dass ich der Vater bin?“

„Natürlich! Du weißt, dass du mein einziger Liebhaber warst!“

„Ich weiß nur, dass ich dein erster war.“

„Mein einziger! Jemals!“ Etwas flackerte in Alejandros Augen auf, doch ich wandte den Blick ab und sah dem Bodyguard hinterher, der mit meinem schreienden Baby durch die Tür verschwand.

„Lass mich los!“ Ich wand mich unter Alejandros festem Griff. Wenn ich bloß seine Kraft besäße, ein eigenes Vermögen, einen Privatjet, meine eigene Armee aus Bodyguards … Ich sog scharf die Luft ein. Edward.

Würde er mir helfen? Nach allem, was passiert war? Nein, das war die falsche Frage. War ich bereit, den Preis zu zahlen? Ja. Für meinen Sohn würde ich jeden Preis zahlen.

„Ich will dir doch gar nicht das Baby wegnehmen!“, erklärte Alejandro in diesem Moment. „Alles, was ich will, ist ein DNA-Test!“

Ich hörte auf, gegen Alejandro anzukämpfen, und nickte. „Ich komme mit. Aber ich habe eine Bitte. Können wir einen Zwischenstopp in London einlegen?“

Er schaute mich fragend an.

Ich betete inständig, dass er mir den verzweifelten Hoffnungsschimmer nicht ansah. „Ich habe etwas in Claudies Haus zurückgelassen. Etwas sehr Wichtiges. Das Erbe meines Babys.“ Mir kam ein Gedanke. „Außerdem … wenn wir gemeinsam mit Claudie reden und sie zugibt, dass sie uns beide gegeneinander ausgespielt hat, können wir einander vielleicht sogar wieder vertrauen.“

Alejandro nickte. „Das wäre das Beste. Und ich will selbst einige Dinge mit deiner Cousine besprechen.“ Seine Stimme war düster.

Autor

Jennie Lucas

Jennie Lucas wuchs umringt von Büchern auf! Ihre Eltern betrieben einen kleinen Buchladen und so war es nicht weiter verwunderlich, dass auch Jennie bald deren Leidenschaft zum Lesen teilte. Am liebsten studierte sie Reiseführer und träumte davon, ferne Länder zu erkunden: Mit 17 buchte sie ihre erste Europarundreise, beendete die...

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