Sizilianische Liebesträume

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Das Meer: Zum Greifen nah! Der Pool: türkisblau! Ihre Bleibe: ein Schloss! Eigentlich sollte Sprachtherapeutin Darcey von ihrem neuen Job begeistert sein, zumal sie die kleine taube Rosa sofort ins Herz geschlossen hat … wäre da nicht Salvatore Castellano, ihr gefühlskalter Auftraggeber. Der Sizilianer mit den dunklen Augen lässt sie selbst bei sommerlicher Hitze frösteln! Erst als er sie in seine Arme zieht und feurig küsst, spürt sie, hinter seiner Fassade aus Eis brodelt ein Vulkan! Aber kann sie einen Mann, der seiner Tochter so kühl gegenübersteht, je lieben?


  • Erscheinungstag 26.05.2015
  • Bandnummer 2180
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701680
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Da ist jemand, der Sie sprechen möchte. Ein Mann …“

Überrascht sah Darcey von ihrem Schreibtisch auf. Ihre sonst so unerschütterliche Sekretärin wirkte sichtlich nervös.

„Er heißt Salvatore Castellano“, fuhr Sue fort, „… und sagt, James Forbes habe ihn an dich überwiesen. Er möchte eine Sprachtherapie für seine Tochter.“

„Aber James weiß doch, dass unsere Abteilung geschlossen wird“, entgegnete Darcey irritiert. James Forbes leitete das Programm für Hörimplantate im Krankenhaus und hatte in den letzten Monaten immer wieder lautstark gegen die kostenbedingte Schließung der Abteilung für Sprachtherapie protestiert.

Sue hob die Schultern. „Das habe ich Mr Castellano auch gesagt, aber er besteht darauf, mit Ihnen zu sprechen.“ Verschwörerisch sah sie Darcey an. „Ich glaube, er ist es nicht gewohnt, dass man ihn abweist. Typischer Südländer eben. Sie wissen ja, wie die sind. Dunkel und heißblütig … Ich darf das gar nicht sagen“, stammelte sie, errötete und kicherte verlegen. „Schließlich bin ich seit zwanzig Jahren mit Brian verheiratet. Aber der Mann da draußen ist verdammt attraktiv!“

Er besteht darauf, mich zu sprechen? Darcey war schon jetzt von dem Mann beeindruckt. Immerhin hatte er es geschafft, Sue aus der Fassung zu bringen. Allerdings hegte sie keinerlei Befürchtungen, dass er auf sie eine ähnliche Wirkung haben könnte. Sie hatte schon lange kein Interesse mehr an Männern, bei denen jede Frau schwach wurde, sondern würde sich ab jetzt mit lauwarm und sicher zufriedengeben. Auch wenn das langweilig war. Nur nie wieder einen Frauenheld! So wie ihr treuloser Exmann.

Sie warf einen Blick aus dem Fenster und sah eine elegante schwarze Limousine neben ihrem Mini parken. Ihr Vertrag mit der Gesundheitsbehörde war bereits gekündigt. Sie musste Salvatore Castellano also nicht treffen, wenn sie nicht wollte. Aber verdammt, warum eigentlich nicht? Zuhause warteten lediglich ein leeres Haus und ein einsames Abendessen auf sie. Wenn überhaupt. Sie war heute viel zu müde zum Kochen.

„Dann lassen Sie ihn mal herein.“

Während Sue in den Flur zurücktrat, fuhr Darcey fort, die Schubladen in ihrem Schreibtisch auszuräumen. Die Aktenschränke waren bereits leer. Sie musste nur noch die Zeugnisse über ihre zahlreichen Qualifikationen und Fortbildungen an der Wand abhängen.

Es war ein Jammer, dass ihre akademischen Abschlüsse, die sie zu einer absoluten Expertin in ihrem Bereich machten, nicht ausreichten, um ihren Job zu sichern. Das Budget der Londoner Gesundheitsbehörde war drastisch gekürzt worden, und die Einsparungen hatten sie die Stelle gekostet. Nun war sie gezwungen, sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen und die Vergangenheit endlich zu akzeptieren. Die Entscheidung, sich im Sommer für ein paar Monate eine Auszeit zu nehmen, fühlte sich richtig an. So hatte sie genug Zeit, um Pläne für ihre Privatpraxis zu schmieden. Darcey träumte schon lange davon, eine eigene Praxis zu eröffnen. Noch wichtiger war allerdings, endlich über ihren Exmann hinwegzukommen, der sie so schamlos betrogen hatte.

Ihr Blick fiel auf das Namensschild auf ihrem Schreibtisch. Seit ihrer Hochzeit mit Marcus hieß sie Rivers. Sie hatte den Namen nach der Scheidung behalten. Es war angenehm, wenn nicht jeder gleich wusste, dass sie zu der berühmten Schauspielerfamilie Hart gehörte – so wie Marcus damals. Er hatte sie nur geheiratet, weil er sich davon Vorteile für seine eigene Schauspielerkarriere erhoffte. Es hatte unglaublich wehgetan, als ihr das klar geworden war. Leider war sie so verliebt gewesen, so verzaubert von Marcus’ Witz und Charme und seinem guten Aussehen, dass sie seinen Heiratsantrag sofort angenommen hatte. Nach nur vier Monaten Beziehung! Eine derart impulsive Entscheidung war absolut untypisch für sie.

Gedankenversunken ging Darcey zum Fenster und griff nach der Topfpflanze auf der Fensterbank. Den buschigen Farn hatte sie vor zwei Jahren geerbt, als sie den Posten als Sprachtherapeutin für Kinder angenommen hatte. Die Pflanze war fast vertrocknet gewesen, und Sue wollte sie entsorgen. Doch Darcey liebte Herausforderungen. Mittlerweile war der Farn zu einer prächtigen Pflanze herangewachsen.

„Keine Sorge, du kommst mit“, murmelte sie. Irgendwo hatte sie gelesen, dass Pflanzen darauf reagierten, wenn man mit ihnen sprach. Und es schien tatsächlich, als hätten ihre aufmunternden Worte über all die Monate hinweg ihre Wirkung nicht verfehlt. Selbstverständlich behielt sie dieses kleine Geheimnis für sich. Wenn jemand herausbekäme, dass sie – die angesehene Akademikerin, die sich immer so professionell und sachlich gab – mit ihrer Grünpflanze sprach. Nicht auszudenken!

Nach kurzem Klopfen öffnete sich die Bürotür erneut. Als sie sich umdrehte, sah sie, wie Sue einem dunkelhaarigen Mann bedeutete einzutreten. Das Sonnenlicht fiel durch die großen Fenster und tanzte über seine markanten Gesichtszüge. Darceys erster Gedanke war, dass er rein gar nichts mit Marcus gemeinsam hatte. Aber er wirkte auch nicht wie ein Langweiler. Und er war auf keinen Fall jemand, mit dem sie sich sicher fühlen würde. Sie begriff, warum Sue so fasziniert von ihm war. Er war heiß. Sogar verdammt heiß!

Fast könnte man denken, dass er aus einem anderen Jahrhundert stammt, dachte sie. Aus einer Zeit, als Ritter noch blutige Gefechte ausgetragen hatten, um hilflose Jungfrauen aus der Gefahr zu retten. Verblüfft über ihre lebhafte Fantasie zwang Darcey sich, den Mann ein wenig objektiver zu betrachten. Doch das Bild eines mittelalterlichen Ritters hatte sich in ihr Gehirn gebrannt. Vielleicht lag es an der gefährlich erotischen Mischung aus schwarzer Kleidung und lässiger Lederjacke, die seine breiten Schultern betonte. Auch seine Größe war beeindruckend. Er stieß beinahe mit dem Kopf gegen den Türrahmen. Darcey schätzte, dass er mindestens einen Meter neunzig groß sein musste.

Ihr Herz machte einen Satz, als ihr Blick über sein Gesicht glitt. Er war nicht so hübsch wie Marcus. Nicht so jungenhaft. Nein, er war ein Mann, wie man ihn sich vorstellte: markante Gesichtszüge, große Nase und dunkle, stechende Augen unter dichten schwarzen Augenbrauen. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Die Lippen, fest aufeinandergepresst, sahen aus, als würde er nur selten lächeln. Sein dunkelbraunes gestuftes Haar fiel ihm fast bis auf die Schultern und ließ ihn verwegen aussehen. Darcey hatte das Gefühl, dass er sich nur wenig aus seinem Äußeren machte.

Während sie ihn ansah, registrierte sie etwas verwundert ein Kribbeln in ihrem Bauch. Ein längst vergessenes Gefühl. Seit sie herausgefunden hatte, dass Marcus mit diesem Glamour-Model mit den gigantischen Brüsten schlief, hatte sie keinerlei sexuelles Verlangen mehr verspürt. Die plötzliche Erregung in ihr kam so unerwartet, dass sie nach Luft ringen musste. Dieser Mann strotzte nur so vor Kraft und Männlichkeit. Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie sich des fundamentalen Unterschieds zwischen Mann und Frau bewusst.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie noch immer die Luft anhielt. Verlegen räusperte sie sich und bemühte sich, Salvatore Castellano anzulächeln.

„Mr Castellano? Was führt Sie zu mir?“

Sein Blick fiel auf das Namensschild auf ihrem Schreibtisch, und er runzelte die Stirn.

„Sind Sie Darcey Rivers?“

Er sprach mit starkem Akzent. Italienisch, vermutete Darcey. Unwillkürlich richtete sie sich auf. Er hatte etwas Arrogantes an sich, das ihr nicht gefiel.

„Ja, das bin ich“, entgegnete sie kühl.

„Ich hatte jemand Älteres erwartet.“

James Forbes hatte Salvatore erzählt, Darcey Rivers sei eine erfahrene und renommierte Sprachtherapeutin. Er hatte sofort ein Bild von einer grauhaarigen, seriös wirkenden älteren Dame mit Brille und Tweed-Anzug vor Augen gehabt. Stattdessen stand er einer jungen Frau mit herzförmigem Gesicht und modischer Bobfrisur gegenüber, die auch als Studentin durchgehen könnte. Ihr kupferfarbenes Haar glänzte im hellen Sonnenlicht wie Seide. Abschätzig ließ er den Blick über ihre zierliche Figur und das perfekt sitzende Kostüm gleiten. Es erinnerte an den Stil aus den 40er-Jahren. Als er die Stilettos bemerkte, die sie dazu trug, musste er ein Lächeln unterdrücken. Mit den hohen Absätzen hoffte sie wohl, größer zu wirken. Sie war hübsch, wenngleich keine klassische Schönheit. Ihr Mund war zu breit und ihre grünen Augen zu groß für ihren zarten Körperbau, der sie fast elfenhaft wirken ließ. Die Bluse war bis oben hin zugeknöpft, und er fragte sich, ob sie tatsächlich so prüde war, wie ihre Erscheinung vermuten ließ.

Unter den prüfenden Blicken des Fremden errötete Darcey. „Es tut mir leid, wenn ich Sie enttäuscht haben sollte“, entgegnete sie mit ironischem Unterton.

„Ich bin nicht enttäuscht, Miss Rivers.“

Seine Stimme war tief und ein wenig rau. Darcey spürte, wie sich ihre Nackenhaare leicht aufstellten.

„Ich bin nur etwas erstaunt“, fuhr er fort. „Sie scheinen für eine so gute Qualifikation fast zu jung zu sein.“

Darcey wusste, dass sie mindestens fünf Jahre jünger aussah, als sie tatsächlich war. Irgendwann, vielleicht mit fünfzig, würde sie vielleicht froh darüber sein, ständig jünger geschätzt zu werden. Doch im Job machte ihr das nur Probleme. Sie wurde einfach nicht ernst genommen. Dazu kam noch ihr Name. Sobald die Leute herausfanden, dass sie ein Kind der berühmten Schauspielerfamilie Hart war, musste Darcey sich dafür rechtfertigen, ihren Eltern nicht auf die Bühne gefolgt zu sein. Wenigstens schien Salvatore Castellano nichts von ihren Wurzeln zu wissen.

„Ich bin achtundzwanzig“, erklärte sie knapp. „Und Rivers ist der Name meines Ehemanns.“

Sein Gesichtsausdruck verriet nichts. „Verzeihen Sie, Mrs Rivers.“

Warum zum Teufel habe ich das gesagt? fragte Darcey sich. Offensichtlich war es eine unbewusste Reaktion auf seinen Kommentar, sie sähe jung aus. „Eigentlich bevorzuge ich Ms Rivers.“

Er zuckte nicht mit der Wimper. Doch Darcey hatte das unangenehme Gefühl, dass seine dunklen Augen direkt in ihre Seele blickten.

Mit einer schnellen Bewegung stieß er die Bürotür hinter sich zu und kam langsam in ihr Büro. „Gut, dass wir das geklärt haben“, murmelte er trocken. „Vielleicht könnten wir uns jetzt setzen, und ich erkläre den Grund für meinen Besuch?“

Seine Arroganz machte sie wütend. Rote Flecken breiteten sich auf ihren Wangen aus. Am liebsten hätte sie ihn hinausgeworfen. Doch dann hielt sie inne, da ihr erst jetzt auffiel, dass er humpelte.

„Ein Oberschenkelbruch“, erklärte er etwas unwirsch, als er ihren Blick bemerkte. „Es ist bei einem Autounfall vor einigen Jahren passiert.“

Dass ihm aufgefallen war, wie sie ihn anstarrte, war ihr peinlich. Irgendwie fühlte sie sich in seiner Anwesenheit, als wäre sie wieder sechzehn. Unreif und furchtbar unsicher – das völlige Gegenteil ihrer restlichen Familienmitglieder, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzten.

„Sei doch nicht immer so ein schüchternes Mäuschen“, hatte ihr Vater ständig gepredigt. „Zeig dich deinem Publikum, und glaub an dich selbst. Wenn du es nicht tust, wie sollen die anderen dann an dich glauben?“

Ihr Vater hatte leicht reden. Joshua Hart lag die Schauspielerei im Blut. Er galt seit dreißig Jahren als einer der besten Shakespeare-Darsteller. Charismatisch, aufregend und impulsiv – und als Vater oft distanziert, wenn er sich gerade wieder einmal auf eine Rolle vorbereitete. Wenn es eins gab, worüber Joshua Hart sich keine Gedanken machen musste, dann war es mangelndes Selbstbewusstsein.

„Die Schauspielerei steckt dir im Blut“, hatte er oft versucht, Darcey zu ermuntern.

Auch ihre Mutter Claudia war eine talentierte Schauspielerin, genau wie Darceys Bruder und ihre zwei Schwestern. Sie alle waren in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten und standen nun auf der Bühne. Nur Darcey hatte einen anderen Weg gewählt – und ihren Vater damit tief enttäuscht. Es war noch nie einfach gewesen, mit ihm auszukommen, doch während der letzten Jahre hatte sich eine spürbare Distanz zwischen ihnen entwickelt, und Darcey sehnte sich danach, sie zu überbrücken.

„Ms Rivers?“

Salvatore Castellanos scharfer Tonfall holte sie zurück in die Realität. Ohne ihre Einladung abzuwarten, hatte er sich hingesetzt, das verletzte Bein steif vor sich ausgestreckt. Darcey war entschlossen, wieder die Kontrolle über die Situation zu erlangen.

„Ich fürchte, ich kann Ihnen nur ein paar Minuten widmen, Mr Castellano“, erklärte sie kühl. „Ich habe heute viele Termine.“

Erstaunt blickte er auf.

„Tatsächlich? James Forbes meinte, Sie hätten Ihre Tätigkeit hier bereits eingestellt, weil die Station geschlossen wird.“

Jetzt hatte er sie erwischt. In Wahrheit hatte sie für den restlichen Nachmittag überhaupt nichts geplant. Seufzend setzte sie sich in ihren Schreibtischstuhl und trommelte mit den Fingern nervös auf der Armlehne.

„Das ist richtig“, entgegnete sie. „Ich bin heute nur hier, um mein Büro zu räumen. Aber danach habe ich … einige private Dinge zu erledigen.“

Was mag sie vorhaben? fragte Salvatore sich. Fährt sie nach Hause zu ihrem Mann? Will sie vielleicht einen faulen Sommernachmittag mit ihm im Bett verbringen? Ein schneller Blick auf ihre linke Hand, und er stellte überrascht fest, dass sie keinen Ehering trug. Dann runzelte er die Stirn, als er sich seiner eigenen Gedanken bewusst wurde. Darcey Rivers’ Privatleben geht mich überhaupt nichts an.

„Ich bin hier, weil ich eine Sprachtherapeutin für meine hörbeeinträchtigte Tochter brauche“, erklärte er. „Rosa ist fünf und trägt seit zwei Monaten Cochlea-Implantate. Sie kommuniziert per Zeichensprache, aber sie kann nicht sprechen.“

Der leichte Sandelholz-Duft seines Aftershaves stieg Darcey in die Nase. Es fiel ihr schwer, sich auf seine Worte zu konzentrieren. Denn alles, woran sie in diesem Augenblick denken konnte, war, dass Salvatore Castellano aus der Nähe noch attraktiver wirkte. Um nicht zu sagen unheimlich sexy.

Verdammt noch mal! Angestrengt versuchte sie, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Hat Ihre Tochter ihre Implantate in England anpassen lassen?“

„Ja, James Forbes ist ihr Audiologe. Er hat mir gesagt, Sie planen, eine Privatpraxis zu eröffnen?“

„Das ist richtig, und ich hoffe sehr, dass es klappt“, bestätigte Darcey und nickte. „Zunächst werde ich mir allerdings eine kleine Auszeit nehmen und den Sommer in Südfrankreich verbringen. Es tut mir leid, Ihnen nicht helfen zu können, Mr Castellano. Aber ich kann Ihnen gern die Adressen einiger Sprachtherapeuten hier in London geben, bei denen Ihre Tochter in den besten Händen ist.“

Nichts an Salvatore Castellanos Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass ihre Antwort ihn enttäuschte. Es waren seine eiskalte Stimme und sein eindringlicher Blick, die ihr einen Schauer über den Rücken jagten.

„James hat mir gesagt, Sie seien die beste Therapeutin weit und breit. Und ich möchte nur das Beste für meine Tochter und bin bereit, einen guten Preis dafür zu zahlen.“

Darcey runzelte die Stirn. „Es geht mir nicht um Geld …“

„Ms Rivers, seien wir doch ehrlich. Denn eines habe ich in meinem Leben gelernt: Es geht immer um Geld.“

Seine verbitterte Antwort machte sie wütend. Glaubt er etwa, ich will nur eine eigene Praxis haben, damit ich mehr Geld verdiene? Alles, was Darcey sich davon erhoffte, war mehr Freiheit, um ihre eigenen Ideen umzusetzen und damit die Chancen für hörgeschädigte Kinder zu verbessern. Das lag ihr sehr am Herzen. Aber sie hatte das Gefühl, dass Salvatore Castellano es nicht verstehen würde, selbst wenn sie versuchte, es zu erklären. Also probierte sie es anders.

„Ich verstehe, dass Sie und Rosas Mutter gern möchten, dass die Therapie sobald wie nur möglich beginnt. Schließlich ist erwiesen, dass Kinder mit CI die besten Chancen auf gute Kommunikations- und Sprachfähigkeiten haben, wenn sie so schnell wie möglich nach dem Einsatz des Implantats ihre Therapie erhalten.“ Sie zögerte und überlegte, warum Rosas Mutter nicht hier war. Sind die Eltern sich etwa nicht einig, was das Beste für ihr Kind ist? Während ihrer Laufbahn als Therapeutin war sie oft genug Zeugin derartiger Auseinandersetzungen gewesen.

„Darf ich davon ausgehen, dass die Mutter Ihrer Tochter mit Ihrer Entscheidung, einen Sprachtherapeuten zu engagieren, einverstanden ist?“, erkundigte sie sich vorsichtig.

„Meine Frau ist gestorben, als Rosa noch ein Baby war.“

Erschrocken sah Darcey ihn an. Sie wusste nicht, was sie mehr entsetzte: die Tatsache, dass das kleine taube Mädchen keine Mutter mehr hatte oder die völlige Emotionslosigkeit seiner Stimme.

„Das tut mir leid“, murmelte sie und starrte ins Leere. Rosa war bereits fast ihr ganzes Leben in ihre stille Welt eingesperrt. Dank der Implantate konnte sie nun hören, aber die vielen ungewohnten Geräusche verunsicherten und ängstigten sie womöglich. Und dann musste sie auch noch ohne Mutter aufwachsen – und mit einem Vater, der so viel Gefühl wie ein Brocken Granit hatte.

Gedanken an ihre eigene Mutter kamen ihr in den Sinn. Vor sechs Monaten war bei Claudia ein bösartiges Melanom entdeckt worden. Glücklicherweise hatte sie gut auf die Behandlung angesprochen. Doch Darcey erinnerte sich genau an ihre Verzweiflung darüber, ihre Mutter womöglich zu verlieren. Ihr Mitgefühl für Salvatore Castellanos kleine Tochter war unbeschreiblich.

Erst jetzt bemerkte sie, dass er sie beobachtete. Aus der Ferne hatten seine Augen schwarz gewirkt. Jetzt sah sie, dass sie dunkelbraun waren, umrahmt von langen schwarzen Wimpern. Ob er freundlicher aussieht, wenn er lächelt? Lächelt er überhaupt jemals? Ihr Blick fiel auf den verkniffenen Zug um seinen Mund. Würden seine Lippen weicher, wenn er sie küsste?

Als sie sich bei ihren eigenen Gedanken ertappte, sog sie scharf die Luft ein und zwang sich, sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. „Ich würde Ihrer Tochter wirklich gern helfen, Mr Castellano, aber wie ich bereits erwähnte, werde ich die nächsten Monate nicht im Land sein.“

„Sie sagten, Sie fahren an die französische Riviera?“

„Ja. Meiner Familie gehört eine Villa in Le Lavandou, wo ich mich die meiste Zeit aufhalten werde. Vielleicht fahre ich auch eine Zeit an der Küste entlang, womöglich sogar bis nach Italien.“

Seine Gesichtsmuskeln zuckten. „Das klingt, als würden Sie allein unterwegs sein. Begleitet Ihr Mann Sie nicht?“

Fast hätte sie ihm gesagt, dass ihn das gar nichts angehe. Doch der seltsame Ausdruck in seinen Augen hielt sie davon ab. „Ich bin geschieden“, gab sie steif zurück.

„Und es gibt keinen anderen Mann in Ihrem Leben? Keinen Partner, der Sie nach Frankreich begleitet?“

„Hören Sie, ich weiß wirklich nicht …“

„Wenn das nämlich so ist …“, unterbrach er sie, „… dann sehe ich keinen Grund, warum Sie nicht den Sommer auf Sizilien verbringen und meiner Tochter die Hilfe geben könnten, die sie so dringend benötigt. Sie erwähnten ja bereits, dass Sie Italien besuchen möchten, und Sizilien ist der schönste Teil von Italien. Wobei ich natürlich ein wenig voreingenommen bin. Schließlich ist Sizilien meine Heimat.“

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich ein wenig. Es war nicht unbedingt ein Lächeln. Aber der leichte Hauch von Humor in seinen Augen brachte Darcey von ihren feindseligen Gedanken ab. Offensichtlich war der Mann nicht komplett aus Eis.

„Sie sind Sizilianer?“

„Mit Leib und Seele.“

Mit einem Mal war sein Akzent viel stärker. Und zum ersten Mal seit er ihr Büro betreten hatte, hörte Darcey Emotionen in seiner Stimme. Er schien unheimlich stolz auf seine Herkunft zu sein.

„Ich wohne in einem Schloss, das einer meiner Vorfahren im dreizehnten Jahrhundert erbaut hat. Torre d’Aquila ist später renoviert worden und verfügt nun über sämtliche Annehmlichkeiten, die man sich nur vorstellen kann“, versicherte er ihr. Scheinbar hatte er ihren zweifelnden Gesichtsausdruck falsch interpretiert. „Sie würden es sehr bequem haben. Es gibt einen Pool, und zum Strand ist es auch nicht weit.“

Darcey schüttelte den Kopf. „Mr Castellano, ich bin mir sicher, dass Ihr Schloss wunderschön ist. Aber ich habe gar nicht zugestimmt, nach Sizilien zu kommen. Erstens spreche ich kein Italienisch und bin gar nicht in der Lage, Rosa ihre Muttersprache beizubringen ….“

„Ich habe aus mehreren Gründen beschlossen, dass es für Rosa besser ist, wenn sie Englisch lernt“, unterbrach er sie. „Meine Frau war halbe Engländerin. Ich möchte, dass Rosa die Sprache ihrer Mutter lernt. Und James Forbes glaubt, dass sie nun, wo sie mit den Implantaten hören kann, ganz automatisch Italienisch lernen wird.“

„Gut möglich, ich kenne selbst Kinder mit CI, die zweisprachig aufwachsen. Aber ich finde, man sollte sich erst einmal darauf konzentrieren, Rosa eine Sprache beizubringen. James hat Ihnen sicher erklärt, dass das Erlernen von Sprache ein sehr langsamer Prozess ist, auch wenn Ihre Tochter nun hören kann. Sie wird viel Unterstützung und Geduld von ihrer Familie benötigen – und natürlich eine intensive Sprachtherapie.“

„Sie kann sich in britischer Zeichensprache verständigen. James sagte mir, dass auch Sie diese Sprache beherrschen.“ Salvatore lehnte sich über den Schreibtisch und fixierte Darcey. „James hat sich wirklich sehr lobend über Ihre Fähigkeiten geäußert. Aber was viel wichtiger ist, er sagt, Sie hätten ein besonderes Einfühlungsvermögen im Umgang mit diesen Kindern.“

„Meine Schwester hat als Kind nach einer Gehirnhautentzündung den Großteil ihres Hörvermögens verloren“, erklärte Darcey. „Als ich mitbekommen habe, wie sehr Mina am Anfang unter ihrer Taubheit gelitten hat, stand mein Berufswunsch fest. Ich wollte diesen Kindern helfen, damit sie ein besseres Leben führen können.“

Salvatore hörte die Emotionen in Darceys Stimme und spürte, dass sie weich wurde. Entschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen, zog er ein Foto seiner Tochter aus seiner Jacketttasche und reichte es ihr.

„Rosa ist sehr schüchtern. Sie ist viel allein, weil sie durch ihre Behinderung sehr unsicher im Umgang mit anderen Kindern ist. Ich hoffe, dass sie glücklicher und selbstbewusster wird, wenn sie sprechen kann. Und ich bin überzeugt, dass Sie ihr dabei helfen können, Darcey. James Forbes hat mir versichert, es gäbe niemand Besseren als Sie.“

Oh, mein Gott! Die Art, wie er ihren Namen aussprach, ließ ihr einen wohligen Schauer über den Rücken laufen. Seine dunklen Augen hatten etwas Hypnotisierendes, und seine Worte berührten sie. Außerdem hatte er recht. Sprechen zu können, war ein Geschenk. Zu viele Menschen nahmen es als selbstverständlich hin. Darcey dachte daran, wie Mina ihr anvertraut hatte, dass sie sich furchtbar einsam und ausgeschlossen fühlte, seit sie nicht mehr hörte.

Nachdenklich betrachtete sie das Bild des hübschen kleinen Mädchens mit den wilden dunklen Locken. Sie sah wie ein ganz normales fünfjähriges Kind aus. Erst als Darcey genauer hinsah, bemerkte sie den Anflug von Schmerz in ihren Augen, und ihr Herz wurde schwer.

Es konnte ja nicht schaden, sich die Kleine wenigstens einmal anzusehen und kurz zu untersuchen. Danach könnte sie sie an einen ihrer Kollegen überweisen, dessen Stelle ebenfalls gekürzt worden war. Er wäre sicher interessiert daran, mit Rosa zu arbeiten.

Es war Darcey nicht bewusst, dass Salvatore sie die ganze Zeit beobachtete. Sie hat wunderschöne Augen, stellte er fest. Sie waren von einem ungewöhnlichen Grün. Unwillkürlich musste er an einen funkelnden Smaragd denken. Es verblüffte ihn, dass sie ein gewisses Interesse bei ihm hervorrief. Es war lange her, seit ihn eine Frau das letzte Mal beeindruckt hatte. Der zarte Duft ihres Parfüms – eine sinnliche Mischung aus Jasmin und Rosen – berauschte seine Sinne. Sein Blick blieb an den goldenen Sommersprossen auf ihrer Nase und ihren Wangen hängen.

Ein wenig betroffen kniff er die Lippen fest zusammen, als er sich wieder an den Grund für seinen Besuch erinnerte. Seine Tochter brauchte einen Sprachtherapeuten. Und Ms Rivers hatte die besten Qualifikationen. Dass sie obendrein auch noch attraktiv war, spielte keine Rolle. Mit Frauen hatte er schon lange nichts mehr am Hut. Seine einsame Kindheit hatte ihn gelehrt, seine Gefühle zu kontrollieren. Und der Verlust seiner Erinnerung vor vier Jahren hatte diese emotionale Distanz zu Frauen noch verstärkt.

„Alles, worum ich Sie bitte, ist, mich zu meinem Haus hier in London zu begleiten, um Rosa kennenzulernen“, sagte er. „Und dann sehen wir weiter.“

Autor

Chantelle Shaw
Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs.

Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills & Boon,...
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