Hot Summer

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Sex zu dritt? Anne und James führen eine glückliche Ehe. Doch dann kommt plötzlich ein Jugendfreund zu Besuch. Und plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war. Denn Alex sieht nicht nur gut aus, er ist auch klug, sexy und einfach unwiderstehlich. Mehr und mehr fühlt Anne sich zu ihm hingezogen, es knistert ganz gewaltig. Bis sie nach einer heißen Nacht in einem angesagten Club endgültig seiner Faszination erliegt. Trotzdem darf ihr Ehemann natürlich nicht fehlen. Und so kommt Anne unverhofft in den Genuss, von zwei Männern gleichzeitig verwöhnt zu werden. Die leidenschaftliche Ménage à trois nimmt ihren erregenden Verlauf. Bis Anne beginnt, sich zu verlieben, und Alex ihr ein Geheimnis ihres Mannes verrät ...


  • Erscheinungstag 01.07.2009
  • ISBN / Artikelnummer 9783862780181
  • Seitenanzahl 460
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Licht und Schatten spielten auf ihm. Auf leisen Sohlen schlich ich, leicht wie Nebel, zu unserem Bett. Behutsam zog ich die Laken zurück und enthüllte seinen Körper.

Ich liebte es, ihn schlafen zu sehen, obwohl ich mich manchmal kneifen musste, um sicher zu sein, dass ich nicht träumte. Dass dieser Mann mein Ehemann war. Dies mein Haus, mein Leben war. Unser perfektes Leben. Dass es gute Dinge gab, die zu besitzen es sich lohnte. Und ich besaß diese Dinge.

James bewegte sich im Schlaf, ohne aufzuwachen. Ich schlich näher und stand nun über ihm. Der Anblick seiner langen, muskulösen Glieder und der weichen, von der Sonne gebräunten Haut ließen meine Finger zucken, weil ich bereits ahnte, wie es sich anfühlte, ihn zu berühren. Ich hielt inne, weil ich ihn nicht wecken wollte. Ich wollte ihn einfach nur eine Zeit lang ansehen.

Wach war James selten bewegungslos. Nur wenn er schlief, wurde er weicher, sanfter, schmelzender. Wenn er schlief, war es schwieriger zu glauben, dass er zu mir gehörte, aber es war auch einfacher, mich daran zu erinnern, wie sehr ich ihn liebte.

Oh, ich war gut darin, in uns zu vertrauen, aber es fühlte sich manchmal wie ein Spiel an. Ich trug den Ring und hörte auf den Namen Mrs. James Kinney. Ich hatte sogar einen Führerschein und Kreditkarten, die bewiesen, dass ich das Recht hatte, diesen Namen zu tragen. Die meiste Zeit über war unsere Ehe so sachlich, dass ich gar nicht an der Tatsache hätte zweifeln können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Jedenfalls nicht, wenn es an der Zeit war, die Wäsche zu waschen und einzukaufen, das Klo zu putzen oder sein Lunchpaket zu machen. Oder wenn ich seine Socken zusammenfaltete, bevor ich sie in den Schrank legte. Dann war unsere Ehe beständig und echt. Wie in Granit gemeißelt. Aber manchmal, wie in diesem Augenblick, da ich ihn im Schlaf beobachtete, wurde aus dem soliden Felsen bröckelnder Kalkstein, der sich unter dem steten Tropfen meiner Zweifel langsam auflöste.

Das Sonnenlicht wurde durch das Laub des Baums vor unserem Schlafzimmerfenster gefiltert und tupfte ihm ein Leuchten auf all jene Stellen, die ich küssen wollte. Die beiden dunklen Kreise seiner Brustwarzen, die Linie seiner Rippen, die sich unter der Haut schärfer abzeichneten, als er einen Arm hinter den Kopf warf, und das sanfte Haar, das seinen Bauch bedeckte und weiter unten mit dem dichten, krausen Haar zwischen seinen Beinen verschmolz. Alles an ihm war groß und mager. Versteckte Kraft. James sah dünn aus, manchmal sogar zerbrechlich, aber darunter bestand er nur aus Muskeln. Er hatte große, schwielige Hände, die es gewohnt waren, zu arbeiten, die aber auch spielen konnten. Und im Moment war ich mehr daran interessiert, zu spielen.

Ich beugte mich über ihn und blies leise gegen seine Lippen. Überraschend schnell griff er nach mir. Er konnte meine beiden Hände mit einer Hand festhalten, und das tat er jetzt, drückte mich auf das Bett und rollte sich auf mich. James ließ sich zwischen meinen Schenkeln nieder. Das Einzige, was uns nun noch trennte, war der dünne Stoff meines sommerlich leichten Nachthemds.

Er wurde bereits hart.

„Was hast du gemacht?“

„Ich hab dich beim Schlafen beobachtet.“

James schob meine Hände über meinen Kopf. Es tat ein wenig weh, aber das machte die Leidenschaft umso süßer. Seine freie Hand schob den Saum meines Nachthemds nach oben und strich über meinen nackten Oberschenkel.

Seine Fingerspitzen teilten das lockige Haar zwischen meinen Beinen, während er weiterfragte: „Warum hast du mich im Schlaf beobachtet?“

„Weil ich es mag, dich anzusehen, wenn du schläfst“, gestand ich. Seine suchenden Finger ließen mich scharf einatmen.

„Will ich wirklich wissen, warum du es magst, mich im Schlaf zu beobachten?“ Sein Grinsen berührte die Mundwinkel. Er wirkte selbstzufrieden. Seine Fingerspitze drückte sich gegen mich, aber er bewegte den Finger nicht. „Anne?“

Ich lachte. „Nein. Vermutlich nicht.“

„Ich denke schon.“

Sein Mund senkte sich auf meinen, aber er küsste mich nicht. Ich reckte meinen Hals, meine Lippen suchten seine, er ließ es jedoch nicht zu, dass unsere Lippen einander berührten. Sein Finger begann jenes langsame Kreisen, von dem er allzu gut wusste, wie sehr es mich erregte. Ich fühlte eine Härte und Hitze an meiner Hüfte, aber da er meine Hände noch immer festhielt, konnte ich mich nur protestierend unter ihm winden.

„Sag mir, was du willst. Was soll ich mit dir tun?“

„Küss mich.“

James’ Augen waren vom Blau eines Sommerhimmels, das von einem dunkleren Marineblau umzingelt wurde. Der Kontrast war im ersten Moment überraschend. Der dunkle Bogen seiner Wimpern senkte sich halb über die Augen, als er auf mich hinabblickte. Er leckte sich die Lippen.

„Wo?“

„Überall …“ Meine Antwort verlor sich in einem Seufzen und einem überraschten Keuchen, als er mich erneut streichelte.

„Hier?“

„Ja.“

„Sag es.“

Das würde ich nicht tun, jedenfalls nicht sofort. Obwohl ich wusste, dass er mich früher oder später dazu bringen würde, das zu tun, was er wollte. Das schaffte er immer. Es half, dass ich meistens das wollte, von dem er wollte, dass ich es wollte. In der Beziehung passten wir gut zusammen.

James biss mich in die sensible Stelle, wo der Hals in die Schulter überging. „Sag es.“

Stattdessen krümmte ich mich unter seiner Berührung. Sein Finger schob sich in mich, kreiste dort behutsam, wo ich von ihm härter angefasst werden wollte. Er quälte mich.

„Anne“, sagte James ernst. „Sag es mir. Sag mir, dass du von mir die Fotze geleckt haben willst.“

Ich hatte dieses Wort immer gehasst, bis ich seine Macht kennenlernte. Männer nannten Frauen so, die sie übertrafen. Wir Frauen nannten einander so, wenn wir die andere verletzen wollten. „Hure“ war beinahe zu einer Auszeichnung geworden, aber „Fotze“ klang noch immer schmutzig und hart. Und so würde es immer klingen.

Außer wir nehmen es zurück.

Ich sagte, was er von mir hören wollte. Meine Stimme war heiser, aber nicht schwach. Ich blickte in die Augen meines Ehemanns, die vor Begierde dunkel waren. „Ich will, dass du dein Gesicht zwischen meine Beine legst und mich kommen lässt.“

Einen Moment lang rührte er sich nicht. Seine Hitze und Härte bewegte sich an meiner Hüfte und wurde größer. Dann blinzelte er langsam, und das selbstgefällige Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ich liebe es, wenn du das sagst.“

„Ich liebe es, wenn du es mir so besorgst“, flüsterte ich.

Dann redeten wir nicht mehr, denn er schob sich hinunter und hob mein Nachthemd an. Sein Mund fand genau die Stelle, wo ich ihn haben wollte. Er leckte mich lange und ausdauernd, bis ich zitterte und aufschrie, und dann rutschte er zu mir herauf. Er füllte mich ganz aus, als er in mich glitt, und er fickte mich, bis wir beide mit lauten Schreien kamen, die sich wie Gebete anhörten.

Das Schrillen des Telefons unterbrach die postkoitale Trägheit, der wir erlegen waren. Die Sonntagsausgabe des Sandusky Register war auf unserem Bett ausgebreitet. Als James sich über mich lehnte, knisterte und raschelte die Zeitung. Er nahm den Telefonhörer von der Gabel. Ich nutzte die Gelegenheit und leckte über seine Haut, hielt ihn fest und knabberte leicht an ihm, sodass er sich mir lachend entwand, als er das Gespräch annahm.

„Das hier ist hoffentlich wichtig“, sagte er zu seinem Gesprächspartner statt einer Begrüßung.

Pause. Ich schaute ihn neugierig über die Lifestyle-Beilage an. Er grinste.

„Du verdammter Hurensohn!“ James richtete sich auf und lehnte sich an das Kopfteil unseres Betts. Die nackten Knie ragten aus den Decken. „Was machst du so? Wo zur Hölle treibst du dich herum?“

Ich versuchte, seinen Blick aufzufangen, aber die Unterhaltung nahm ihn völlig in Anspruch. James ist ein Schmetterling, er flattert von einem Mittelpunkt seines Interesses zum nächsten und schenkt jedem seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Es ist schmeichelhaft, wenn er sich auf dich konzentriert. Nicht so schön, wenn er seine Aufmerksamkeit auf andere richtet.

„Du glücklicher Hurensohn.“ James klang beinahe neidisch, und meine Neugier wurde nur noch mehr angestachelt. Normalerweise war James derjenige, den seine Kumpel beneideten, weil er immer die neusten technischen Spielereien hatte. „Ich dachte, du bist in Singapur.“

Da wusste ich, wer unsere sonntagnachmittägliche Müdigkeit gestört hatte. Es musste Alex Kennedy sein. Ich schaute wieder in die Zeitung und lauschte, während James redete. In der Zeitung stand nichts Interessantes. Ich machte mir nichts aus der neuen Sommermode oder aus den schönsten Cabrios des Jahres. Noch weniger interessierten mich politische Nachrichten oder Berichte über Einbruchserien. Ich überflog die einzelnen Artikel und entdeckte, dass ich meiner Zeit weit voraus gewesen war, als ich letztes Jahr unser Schlafzimmer in einem blassen Melonenton anstrich. Anscheinend war die Farbe in diesem Jahr angesagt.

Wenn man nur die eine Seite eines Gesprächs belauscht, dann ist das, als versuchte man, ein Puzzle zusammenzusetzen, ohne auf die Verpackung zu gucken. Ich hörte, wie James mit seinem besten Freund aus Highschool-Zeiten redete, ohne auch nur das Geringste zu verstehen. Es gab keinen Bezugsrahmen, an dem ich die einzelnen Gesprächsfetzen ausrichten konnte. Ich kannte meinen Mann so gut und wusste so viel über ihn, wie eine Person nur über die andere wissen konnte. Aber über Alex wusste ich nichts.

„Ja, ja. Klar hast du das. Hast du immer.“

Die heftige Bewunderung war wieder da, zusammen mit einem Eifer, der neu war für mich. Ich blickte zu James herüber. Sein Gesicht strahlte Fröhlichkeit aus. Und noch etwas. Etwas, das beinahe melancholisch wirkte. Auch wenn James sich stets auf seine eigenen Angelegenheiten konzentrierte und selten einen Blick über den Tellerrand warf, konnte er sich doch für das Glück eines anderen freuen. Er war allerdings selten beeindruckt. Oder eingeschüchtert. Jetzt sah ich bei ihm von beidem ein bisschen, und ich vergaß die Einfallslosigkeit einer melonenfarbenen Schlafzimmerwand, weil ich ihm so konzentriert zuhörte.

„Ach, komm schon, Mann, du könntest die verdammte Welt regieren, wenn du wolltest.“

Ich blinzelte. Der aufrichtige, beinahe bewundernde Tonfall war ebenso neu für mich wie der Ausdruck auf seinem Gesicht. Das war überraschend. Ein bisschen auch beunruhigend. So redete ein Mann mit einer Frau, der er seine Liebe gesteht, auch wenn er weiß, dass sie ihn danach keines Blickes mehr würdigen wird.

„Ja, hier auch.“ Lachen. Leise und irgendwie geheimnisvoll. Das war nicht sein übliches, schallendes Gelächter. „Verdammt noch eins, das ist großartig. Freut mich, das zu hören.“

Eine weitere Pause, während er lauschte. Ich beobachtete, wie seine Finger über die geschwungene, weiße Narbe rieben, die sich direkt über seinem Herzen befand. Abwesend zeichnete er die Linie nach, wieder und wieder. Ich hatte schon oft beobachtet, wie er das tat. Er rieb diese Narbe wie einen Glücksbringer, wenn er müde war oder ihn etwas aufregte oder ärgerte. Manchmal war es nur eine kurze, gedankenlose Bewegung, als wenn er einen Krümel von seinem Hemd schnippte. Dann gab es diese Momente wie diesen, da das Streicheln seiner Finger beinahe hypnotisch wurde. Es faszinierte mich, ihm dabei zuzusehen, wie seine Finger über die Narbe strichen, die manchmal wie ein Halbmond aussah, oder wie ein Biss oder ein Regenbogen.

James hob die Brauen. „Nein. Wirklich? Was haben die sich dabei gedacht? Das ist echt Scheiße, Alex. Richtige, verdammte Scheiße. Verdammt, das tut mir leid.“

Von Begeisterung zu Bedauern in einer halben Sekunde. Das war ebenfalls ungewöhnlich für meinen Ehemann, der sich zwar mühelos von einem Mittelpunkt zum nächsten bewegte, es jedoch immer schaffte, seine Gefühle stabil zu halten. Seine Sprache veränderte sich, während er redete. Ich bin weiß Gott nicht prüde, aber er sagte ziemlich oft „verdammt“.

Im nächsten Moment erhellte sich sein Gesicht. Er setzte sich auf, streckte die Knie durch. Das Strahlen seines Lächelns brach hinter den stürmischen Wolken hervor, die sein Gesicht zuvor so finster hatten wirken lassen.

„Ja? Richtig so! Verdammt noch mal! Du hast es geschafft, Mann, das ist verdammtnocheins fantastisch!“

Bei diesem Ausbruch konnte ich meine Überraschung nicht länger zurückhalten, aber James sah es nicht. Er hüpfte ein wenig auf dem Bett, sodass die Zeitung raschelte und die wenig beachteten Teile zu Boden rauschten.

„Wann? Großartig! Das ist … ja, ja! Natürlich! Das ist in Ordnung. Das wird klasse! Natürlich bin ich mir sicher!“ Sein Blick glitt zu mir, aber ich war sicher, dass er mich nicht wirklich sah. Seine Gedanken waren zu sehr mit dem beschäftigt, was drüben in Singapur passierte. „Ich kann’s kaum erwarten! Lass mich wissen, wann. Mach’s gut, wir sehen uns!“

Mit diesen Worten legte er auf und warf sich mit einem so breiten und lebhaften Grinsen gegen das Kopfteil, dass er fast ein bisschen wahnsinnig aussah. Ich wartete, dass er anfing zu reden, um die großen Neuigkeiten mit mir zu teilen, die ihn so sehr in Erregung versetzten. Ich wartete etwas länger, als ich erwartet hätte.

Gerade als ich kurz davor war, ihn zu fragen, drehte James sich zu mir um. Er küsste mich heftig, vergrub eine Hand in meinem Haar. Sein Mund drückte sich hart gegen meinen, und ich wimmerte.

„Rate mal!“ Er antwortete, bevor ich Zeit hatte, zu einer Erwiderung anzusetzen. „Alex’ Unternehmen wurde von einem größeren Konzern aufgekauft. Er ist jetzt wohl so ein verdammter Millionär.“

Was ich über Alex Kennedy wusste, passte auf ein Blatt Papier. Ich wusste, dass er in Übersee arbeitete, genauer in Asien, und dort schon gewesen war, bevor ich James kennenlernte. Er hatte nicht zu unserer Hochzeit kommen können, aber uns ein schönes Geschenk geschickt, das unglaublich teuer gewesen sein musste. Ich wusste, dass er seit der achten Klasse James’ bester Freund gewesen war und dass sie sich verkracht hatten, als beide einundzwanzig waren. Ich hatte immer das Gefühl, die Kluft zwischen ihnen sei danach nicht wieder vollständig überwunden worden, aber dann erinnerte ich mich, wie anders die Beziehungen zwischen Männern sind. Wenn James kaum mit seinem Freund sprach, hieß das nicht, dass sie einander nicht vergeben hatten, was auch immer sie damals auseinandergetrieben hatte.

„Wow, wirklich? Ein Millionär?“

James zuckte mit den Schultern. Seine Finger schlossen sich in meinem Haar zur Faust, ehe er mich losließ und sich wieder an das Kopfteil lehnte. „Der Typ ist ein verdammtes Genie, Anne. Das kannst du dir nicht vorstellen.“

Nein, ich konnte es mir nicht vorstellen. „Das sind ja dann gute Neuigkeiten. Für ihn.“

Sein Blick verfinsterte sich. Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar, das bereits von ersten blonden Strähnen durchzogen war, obwohl der Sommer kaum begonnen hatte. „Ja, aber die Bastarde, die ihn aufgekauft haben, haben entschieden, dass er in dem Unternehmen nicht länger gebraucht wird. Er ist seinen Job los.“

„Braucht ein Millionär Arbeit?“

James’ Blick schien zu fragen, ob ich denn überhaupt nichts verstünde. „Nur weil man nicht arbeiten muss, heißt das nicht, dass man nicht arbeiten will. Wie auch immer, Alex hat die Nase voll von Singapur. Er kommt nach Hause.“

Seine Stimme wurde bei den letzten Worten immer leiser. Er klang beinahe schwermütig, aber der kurze Moment verflog. Dann sah er mich wieder grinsend an. „Ich habe ihn eingeladen, uns zu besuchen. Er hat gesagt, er wird für ein paar Wochen bleiben, während er sein nächstes Geschäft aufzieht.“

„Ein paar Wochen? Hier bei uns?“ Ich wollte nicht abweisend klingen, aber …

„Ja.“ James’ Lächeln war klein und geheimnisvoll, als gelte es nur ihm und nicht mir. „Das wird großartig. Du wirst Alex lieben, Süße, glaub mir.“

Er schaute mich an. Einen Moment lang war er ein Mann, den ich nicht kannte. Er streckte die Hand nach mir aus, verschlang unsere Finger miteinander, ehe er meine Hand an seine Lippen hob und meinen Handrücken küsste. Sein Mund liebkoste meine Haut, und er blickte zu mir auf. Seine Augen waren dunkel vor Aufregung.

Aber nicht meinetwegen.

Ich war Evelyn und Frank Kinneys einzige Schwiegertochter. Obwohl ich von der Familie anfänglich kühl empfangen wurde, als James und ich begannen, miteinander auszugehen, und auch noch, als wir uns verlobten, wurde ich wie eine Kinney behandelt, seit ich eine Kinney war. Evelyn und Frank hatten mich an ihre Brust gedrückt, und damit gehörte ich zum Kinney-Clan. Und wie man im Treibsand versinkt, war ich bald schon so integriert, dass ich kaum entkommen konnte.

Wir kamen alle gut miteinander aus, jedenfalls meistens. James’ Schwestern Margaret und Molly waren ein paar Jahre älter als wir. Sie waren beide verheiratet und hatten Kinder. Ich hatte mit ihnen außer unserem Geschlecht wenig gemeinsam, und obwohl sie sorgsam darauf bedacht waren, mich zu jedem Mädchenabend einzuladen, den sie mit ihrer Mutter machten, standen wir einander nicht sehr nahe. Was aber anscheinend keinen störte.

Natürlich merkte James nicht, wie oberflächlich meine Beziehung zu seiner Mutter und seinen Schwestern war. Für mich war das in Ordnung. Die ganze Fassade war für mich in Ordnung. Die schimmernde Oberfläche, die verhinderte, dass irgendjemand sah, was darunter verborgen lag. Die Untiefen und Wirbel der Wahrheit. Ich war einfach daran gewöhnt.

Und das wäre auch alles nicht so schlimm gewesen, wenn Mrs. Kinney nicht gewisse … Erwartungen hätte.

Wo wir hingingen. Was wir dort machten. Wie wir es machten und wie viel es kostete. Sie wollte alles wissen, aber sie war nicht damit zufrieden, sie wollte immer mehr.

Es brauchte ein paar Monate kühler Telefonate mit ihr, bevor ich begriff, dass, wenn James ihr die Einzelheiten nicht verriet, ich es tun musste. Da sie diejenige war, die ihn aufgezogen und ihm eingeredet hatte, dass die Welt sich nur um ihn drehte, dachte ich, es sei ihr eigener Fehler, wenn er nicht mitbekam, dass die Welt sich eigentlich um sie drehen sollte. Es machte James nichts aus, seine Mutter vor den Kopf zu stoßen. Aber mich störte es. James schüttelte die gelegentlichen Anfälle von Märtyrertum seiner Mutter ab, doch ich konnte dem aufgezwungenen Schweigen oder den schmallippig vorgebrachten Kommentaren über Respekt nichts entgegensetzen. Oder den Vergleichen mit Molly und Margaret, die nicht niesen konnten, ohne danach ihr Taschentuch Mrs. Kinney hinzuhalten, damit sie die Farbe des Schnodders beurteilte. James kümmerte es nicht. Mich dagegen belastete es. Mrs. Kinneys Erwartungen zu begegnen wurde zu einer weiteren Front, an der es meine Aufgabe war, für Frieden zu sorgen.

„Ich wünschte, deine Mutter würde aufhören, mich zu fragen, wann wir der Rasselbande einen neuen Spielkameraden verschaffen.“ Ich sagte das mit ruhiger Stimme, die Glas hätte zerbrechen können.

James blickte zu mir herüber, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtete, die ein später Frühlingsregen in eine Rutschbahn verwandelt hatte. „Wann hat sie das gesagt?“

Natürlich hatte er das nicht mitbekommen. James hatte schon vor langer Zeit die Kunst perfektioniert, seine Mutter auszublenden. Sie redete, er nickte. Sie war zufrieden. Er war vergesslich.

„Wann sagt sie das nicht?“ Ich kreuzte meine Arme vor der Brust und starrte durch die Schlieren aus Wasser, die vom Fahrtwind auf der Windschutzscheibe zu abstrakten Mustern verzerrt wurden.

Er war schweigsam, während wir heimfuhren. Ein bewundernswertes Talent. Er wusste, wann es besser war, still zu sein. Es war etwas, das auch seine Mutter ihm beigebracht haben könnte, dachte ich trotzig. Tränen kitzelten in meinem Hals, doch ich schluckte sie herunter.

„Sie meint das nicht so“, sagte er schließlich, als wir in unsere Einfahrt bogen. Der Wind wurde stärker, als wir uns dem See näherten, und die Kiefern in unserem Garten schlugen wütend mit ihren Ästen.

„Sie meint nie irgendwas so, wie sie’s sagt, das ist das Problem. Sie weiß genau, was sie sagt, und sie sagt es immer mit diesem kleinen, albernen Lachen, als ob sie einen Witz macht. Aber sie macht keine Witze.“

„Anne …“ James seufzte und drehte sich zu mir, nachdem er den Motor abgestellt hatte. Die Scheinwerfer verloschen und ich blinzelte, um mich an die Dunkelheit vor uns zu gewöhnen. Das Klopfen der Regentropfen auf das Autodach schien jetzt viel lauter, wo die hereinbrechende Nacht uns umfing. „Reg dich nicht so auf.“

Ich drehte mich im Sitz zu ihm um. „Sie fragt immer, James. Jedes Mal, wenn wir zusammen sind. Es wird nur langsam etwas langweilig, das ist alles.“

Seine Hand streichelte meine Schulter und glitt an meinem geflochtenen Zopf hinab. „Sie wünscht sich für uns eben Kinder – was ist daran falsch?“

Ich sagte nichts. James zog seine Hand zurück. Ich konnte ihn jetzt sehen, eine undeutliche Silhouette, die Augen blitzten in dem schwachen Licht auf, das von der anderen Seite des Wassers herüberschien. Der Cedar-Point-Vergnügungspark leuchtete noch immer, obwohl es regnete und die Autos in einer langen Reihe über die Chaussee davonbrausten.

„Beruhige dich, Anne. Mach doch nicht so eine große Sache daraus …“

Ich schnitt ihm das Wort ab und öffnete die Beifahrertür. Der kalte Regen fühlte sich auf meinen erhitzten Wangen gut an. Ich hielt mein Gesicht dem Regen entgegen, schloss meine Augen und stellte mir vor, die Nässe auf meinen Wangen sei nur der Regen. James stieg aus dem Wagen. Seine Hitze umarmte mich, ehe er seinen Arm um meine Schulter legte.

„Komm mit rein. Du wirst noch völlig durchnässt.“

Ich ließ mich von ihm ins Haus führen, aber ich redete nicht mit ihm, sondern ging direkt in unser Badezimmer und drehte das heiße Wasser in der Dusche auf. Ich hinterließ einen Kleiderhaufen auf dem Badezimmerboden, und als der Raum sich mit heißem Wasserdampf gefüllt hatte, stellte ich mich unter das Wasser, das den Regen ersetzte.

Dort fand er mich, den Kopf gesenkt, damit das heiße Wasser über meinen Nacken und meinen Rücken fließen und die Verspannungen lösen konnte. Ich hatte meinen Zopf gelöst, und mein Haar hing in nassen Strähnen über meine Brüste.

Meine Augen waren geschlossen, aber der kalte Luftzug, als er die Glastür öffnete, sagte mir, dass er da war. Sekunden später fühlte ich seine Arme um meinen Körper. James hielt mich an seine Brust gedrückt. Es dauerte nur Augenblicke, bis seine Haut sich vom Wasser aufheizte. Ich drückte mein Gesicht an seine Brust, die heiß und nass war, und ließ mich von ihm halten.

Eine Zeit lang sagten wir nichts, während das Wasser uns liebkoste. Seine Finger zeichneten mein Rückgrat nach, rauf und runter, so wie er manchmal seine Narbe entlangfuhr. Wasser lief zwischen meine Wange und seine Brust und drang brennend in mein Auge ein. Ich musste mich abwenden, um das Wasser abzuschütteln.

„Hey.“ James wartete, bis ich zu ihm aufblickte. „Reg dich deswegen doch nicht auf. Ich mag es nicht, wenn du dich aufregst.“

Ich wollte ihm erklären, dass es ja keine große Sache war, wenn ich mich einmal aufregte, aber ich blieb stumm. Ich erklärte ihm nicht, dass ein Lächeln schmerzhafter sein konnte als ein Schrei. „Sie macht mich nur so wütend.“

„Ich weiß.“

Seine Hand streichelte mein Haar. Nein, er wusste nichts. Ich bin mir nicht sicher, ob ein Mann überhaupt verstehen kann, wie die komplizierten Beziehungen zwischen Frauen funktionieren. Er wollte es auch nicht verstehen. Auch James bevorzugte die glatte Fassade.

„Dich fragt sie nie.“ Ich neigte den Kopf und blickte ihn an. Wasser spritzte und drang mir ins Auge. Ich blinzelte.

„Das könnte daran liegen, dass sie von mir keine Antwort erwartet.“ Er folgte mit einer Fingerspitze meiner Augenbraue. „Sie weiß, dass du diejenige bist, die die Verantwortung trägt.“

„Warum bin ich es, die Verantwortung trägt?“, wollte ich wissen, aber ich kannte die Antwort bereits.

Es war einfach für ihn, unschuldig zu tun. „Weil du darin so gut bist.“

Ich runzelte die Stirn und zog mich von ihm zurück, um nach dem Shampoo zu greifen. „Ich wünschte mir einfach, sie würde damit aufhören.“

„Dann sag ihr das.“

Ich seufzte und drehte mich zu ihm um. „Ja, natürlich. Das funktioniert ja auch so gut bei deiner Mutter, James. Sie ist so offen für Ratschläge jeder Art.“

Er zuckte mit den Schultern und streckte mir die Hand hin, damit ich ihm Shampoo auf die Handfläche gab. „Na ja, dann ist sie halt ein bisschen angefressen.“

Was ich wollte, war, dass er seiner Mutter sagte, sie solle sich zurückhalten. Doch ich wusste, das würde nicht passieren. Er war der Sohn, der nichts falsch machen konnte, und ihn kümmerte es nicht, ob er seine Eltern wütend machte. Es ging ihn nichts an. Also schluckte ich meinen Ärger herunter und konzentrierte mich darauf, meine Haare zu waschen. Ich wusste nur zu gut, dass ich unfähig war, es ihr zu sagen. Und das war allein meine Schuld. „Uns geht das heiße Wasser aus.“

Das Wasser wurde bereits lauwarm. Wir wuschen uns schnell, teilten das Duschgel und den Schwamm, während unsere Finger sich immer wieder berührten und mehr taten, als den anderen zu säubern. James drehte das Wasser ab und ich griff zwei dicke, flauschige Handtücher von dem Stapel, der im Wandschrank neben der Dusche lag. Das eine Handtuch gab ich ihm, aber bevor ich mich in mein Handtuch wickeln konnte, griff er nach meinem Handgelenk und zog mich an sich.

„Komm schon, Liebes. Sei nicht so verärgert.“

Es war schwer, ihm länger böse zu sein. James mochte sich vollkommen im Recht fühlen und sicher sein, nichts Falsches zu tun, aber gerade das machte es ihm möglich, mit seiner Zuneigung großzügig zu sein. Er trocknete mich behutsam ab, quetschte die Nässe aus dem langen Haar, streichelte mit dem Handtuch meinen Rücken, meine Schenkel, meine Kniekehlen. Zwischen meinen Beinen. Er kniete vor mir und hob meine Füße nacheinander hoch, um sie abzutrocknen. Als er das Handtuch beiseitelegte, hatte sich mein Herzschlag bereits beschleunigt. Ich erwartete fast, dass meine von der Hitze des Wassers gerötete Haut leise dampfte. James legte seine Hände auf meine Hüften und zog mich sanft näher.

Als er das kleine Dreieck krausen Haars zwischen meinen Beinen küsste, entrang sich mir ein Seufzen. Er hielt mich dicht an sich gedrückt, seine Hände glitten zu meinen Hinterbacken und hielten mich fest, während seine Zunge hervorschnellte und meine Klitoris leckte. Ein, zwei kleine Zungenbewegungen und ich biss mir auf die Lippen, um ein Stöhnen zu unterdrücken.

Ich blickte hinunter auf seinen knienden Körper. Unter der Haut seiner Oberschenkel, auf denen sich das dunkle Haar kräuselte, zeichneten sich die Muskeln ab. Die dicken Locken seines Schamhaars, die seinen erigierten Penis umgaben, bildeten einen starken Kontrast zu den weichen Linien seines nahezu haarlosen Hinterns und seiner Brust. Nur auf dem Bauch kräuselten sich ein paar dunklere Haare. Seine Zunge streichelte mich, seine Lippen liebkosten mich. Sein Atem reizte mich.

Jede Frau, die nicht die Macht spürt, die sie ausübt, wenn ein Mann vor ihr kniet, um ihre Muschi anzubeten, muss sich selbst belügen. Ich legte meine Hand auf James’ Hinterkopf. Mit eifriger Gewandtheit bearbeitete sein Mund mein Fleisch und brachte mich dazu, ihm meine Hüften entgegenzuheben. Seine Hände massierten meinen Hintern, malten Kreise auf die Haut, die ich mit dem Kreisen meines Beckens beantwortete.

Als meine Knie weich wurden, benutzte er seine Hände, um mich halb umzudrehen, damit ich mich auf den Rand der auf Klauenfüßen stehenden Badewanne stützen konnte. Fast hätte ich erwartet, dass das kalte Metall zischte, als meine Haut es berührte. Der Badewannenrand grub sich unbequem in meinen Hintern, aber als James noch immer kniend meine Beine weiter spreizte und mit seinem Mund in meine Muschi tauchte, kümmerte ich mich um nichts anderes als unsere Lust.

Er seufzte unter seinem schnellen Atem, als er einen Finger in mich hineinschob. Ich stöhnte, als sich ein zweiter Finger zum ersten gesellte. James war ein Liebhaber mit einer langsamen Hand. Er berührte mich ganz ruhig.

Ich hatte nicht immer gewusst, wie ich auf ihn eingehen sollte. Seine langsamen und lässigen Liebkosungen schlugen anfangs bei mir fehl. Ich hatte nichts anderes erwartet. Ich ging mit James ins Bett, weil wir seit ein paar Monaten ausgingen und weil er es erwartete. Und weil ich ihn nicht enttäuschen wollte. Ich ging nicht mit ihm ins Bett, weil ich dachte, er könnte mich dazu bringen, zu kommen.

Nun leckte er mich langsam, während er sich in mir bewegte. Die Finger waren leicht gekrümmt, um die kleine, raue Erhebung meines G-Punkts zu streicheln. Ich griff nach der Badewanne, drückte den Rücken durch und spreizte die Schenkel so weit es ging. Es tat weh, aber das kümmerte mich nicht. Später würden meine Finger steif sein und wehtun, weil ich mich an den Wannenrand klammerte, und mein Po wäre durch einen roten Abdruck zweigeteilt, wo ich auf dem Metallrand der Wanne saß. Aber jetzt, mit James zwischen meinen Beinen, übernahm die Leidenschaft alles andere.

Als wir das erste Mal ins Bett gingen, fragte er mich nicht, ob ich gekommen wäre. Auch beim zweiten oder dritten Mal nicht. Zwei Monate später, diesmal im Bett eines Hotelzimmers, das wir fürs Wochenende gemietet hatten, ohne irgendwem zu erzählen, wo wir waren, machte er eine Pause beim Küssen und legte die Hand auf meine Mitte.

„Was möchtest du, dass ich mit dir tue?“ Er sprach die Frage leise, aber bestimmt aus, ohne Prahlerei.

Ich war mit Jungs zusammen gewesen, die glaubten, es würde reichen, mich einen Moment zu befingern, um mich zur Ekstase zu bringen. Mit ihnen ins Bett zu gehen hatte mir nichts bedeutet. Sie hatten mich nicht berührt. Lust vorzutäuschen wurde für mich zu der schillernden Fassade meines Sexlebens. Es wurde dadurch für mich einfacher, die Beziehung mit ihnen zu beenden und ihnen dennoch das Gefühl zu geben, die Trennung sei ihre Idee gewesen.

James meinte die Frage ernst. Er hatte verstanden, dass das, was er bisher mit mir gemacht hatte, für mich nicht funktionierte, obwohl ich es ihm nie sagte. Er streichelte sanft meine Vagina und die Klitoris, kitzelte mich. Er blickte hinab in meine Augen.

„Was muss ich tun, um dich kommen zu lassen?“

Ich hätte lächeln und gurren können, hätte ihm erzählen können, dass er perfekt im Bett war. Der beste Liebhaber, den ich je hatte. Ich hätte ihn anlügen können und einen Monat später hätte ich einen Grund gefunden, ihn glauben zu lassen, dass er mich nicht länger sehen wollte. Ich war mir später nie sicher, warum ich es in dem Moment nicht tat, warum ich in James’ markante Augen blickte und stattdessen sagte: „Ich weiß es nicht.“

Auch das war eine Lüge, aber eine ehrlichere Unehrlichkeit, als wenn ich ihm erzählt hätte, dass er alles richtig machte. Ich öffnete meinen Mund für seinen Kuss, aber James küsste mich nicht. Er sah mich nachdenklich an, während seine Hand in langsamen Kreisen meine Schenkel und meinen Bauch liebkoste und immer wieder hinab zu meiner Klitoris glitt, um sie zu streicheln.

„Ich liebe dich, Anne“, sagte er dann. Es war das erste Mal, dass er es sagte, auch wenn er nicht der erste Junge war, der es mir sagte. „Ich will dich glücklich machen. Lass es zu, dass ich dich glücklich mache.“

Ich war nicht überzeugt, ob ich das zulassen konnte, aber ich lächelte. Und er lächelte. Beugte sich über mich, küsste mich. Seine Lippen so flüsterweich auf meinen. Seine Hand blieb in Bewegung, leicht und langsam.

James verbrachte eine Stunde damit, mich zu lecken, zu küssen und zu streicheln. Ich leistete keinen Widerstand, ich protestierte nicht, sondern war zufrieden, ihn das tun zu lassen, was er wollte. Bis mein Körper schließlich nicht länger widerstehen konnte und die Leidenschaft mich überraschend doch noch überrollte.

Ich weinte beim ersten Mal. Nicht aus Kummer. Sondern völlig befreit. Erleichtert. James hatte mir einen Orgasmus geschenkt, aber ich hatte mich nicht in ihm verloren. Ich wusste noch immer, wer ich war. Ich konnte sagen, dass ich ihn liebte, und meinte es so. Es zehrte mich nicht auf. Ich musste keine Angst haben, mich in ihm zu verlieren.

Jetzt schob James mich vor sich zurecht, ohne dass sein Mund nur einen Augenblick von meinem Fleisch ließ. Die Atempause brachte mich zum Stöhnen, denn die Lust war noch intensiver, als seine Zunge wieder gegen mich schnellte. Seine Finger bewegten sich in mir. Ich wollte mehr. Seine andere Hand schloss sich um seinen Schwanz und bewegte sich auf und ab.

„Ich kann spüren, wie nah du bist.“ Seine Stimme war heiser und ein bisschen gedämpft, weil er den Mund an mich drückte. „Ich will dich kommen spüren.“

Ich hätte in diesem Moment kommen können, wenn er mich weitergeleckt hätte. Aber ich war gierig. „Ich will dich in mir spüren.“

„Steh auf. Dreh dich um.“

Ich gehorchte. Es hatte eine Zeit lang gedauert, bis ich lernte, wie ich auf James eingehen sollte, aber seit damals hatte er auch vieles über mich gelernt. Grob griffen seine Hände nach meinen Hüften und ich klammerte mich an die Badewanne und beugte mich vor. Ich bot mich ihm an.

James glitt mit einer fließenden Bewegung ganz in mich hinein. Ein Schrei blieb mir im Halse stecken. Er bewegte sich, stieß mit langsamer und konzentrierter Präzision in mich. Meine Vagina fühlte sich geschwollen an und umschloss seine Erektion, hielt ihn ganz umfasst. Von meiner Klitoris aus breitete sich ein lustvolles Kribbeln aus und raste über meinen Bauch und meine Beine bis in die Zehen, die sich auf der Badematte krümmten.

Mein Orgasmus schwebte in der Luft und wartete auf den richtigen Moment, über mir zusammenzubrechen. Ich hielt den Atem an. Dann schob ich mich gegen ihn, und das nasse Klatschen meines Hinterns an seinem Bauch ließ mich stöhnen. Mein Haar hing an beiden Seiten meines Gesichts herab. Ich schloss die Augen vor dem ablenkenden Bild der Spinne, die auf dem Boden der Wanne Harakiri begangen hatte.

James’ Hände umfassten meine Hüften härter. Seine Fingerspitzen stießen auf die Härte meiner Hüftknochen, die Daumen sanken in das weiche Fleisch. Sein Schwanz füllte mich ganz aus. Ich schob eine Hand hinunter, um einen Finger an meiner geschwollenen Klitoris zu reiben und konnte das leise Stöhnen nicht unterdrücken, das unkontrolliert über meine Lippen drang.

Das Telefon klingelte.

Ich riss die Augen auf. Augenblicklich verloren wir unseren Rhythmus. Sein Schwanz stieß schmerzhaft gegen meinen Gebärmutterhals. Ein stechender Schmerz ließ mich nach Luft schnappen, ehe wir wieder zueinanderfanden. Erneut klingelte das Telefon, eine schrille Ablenkung, die meine Konzentration störte und mich aus dem Takt brachte.

„Bin gleich da, Liebes“, murmelte James und nahm den Rhythmus wieder auf.

Ein erneutes Klingeln. Ich spannte mich an, aber James brachte mich zu ihm zurück, indem er die Hand auf meine Schulter legte. Seine Finger zerrten an mir, griffen an meinen Hals und pressten sich auf meinen Pulsschlag. Seine andere Hand glitt nach vorne und ersetzte meine. Gnadenlos rieb er meine Klit. Brachte mich näher.

Der Anrufbeantworter sprang an. Ich wollte nicht zuhören, schwebte auf dem schmalen Grat und schloss die Augen. Senkte den Kopf. Umfasste den Badewannenrand und stieß meinen Hintern gegen ihn, öffnete mich ihm ganz.

„Jamie“, sagte eine Stimme, die klang wie süß tropfendes Karamell. „Sorry, dass ich so spät anrufe, alter Junge, aber ich hab wohl meine Uhr verloren. Keine Ahnung, wie spät es ist.“

Ich ließ den Atem langsam aus, den ich angehalten hatte. James grunzte und stieß härter. Ich holte erneut Luft und kämpfte gegen die Benommenheit an. Meine Klit pulsierte unter seiner Fingerspitze.

„Wie auch immer, wollte bloß durchrufen und dich wissen lassen, wann ich komme und euch aufmische.“ Lachen, das ein Geheimnis barg, perlte aus dem Lautsprecher. Der Besitzer dieses Lachens klang betrunken oder high, vielleicht auch einfach erschöpft. Seine Stimme war tief und voll und ein wenig gelangweilt. Er hörte sich nach Sex an. „Ich mach mich jetzt auf den Weg, alter Junge, werde noch ein paar Abstecher machen, ehe ich meine Zelte abbreche. Ruf mich an, Bruder, die Nummer kennst du.“

Hinter mir stöhnte James leise. Seine Finger krallten sich in meinen Po und schickten mich im freien Fall über den Höhepunkt hinweg, der so heftig war, dass helle Farben hinter meinen geschlossenen Lidern explodierten.

„Und, Jamie“, sagte die Stimme, senkte sich und flüsterte, als teilte sie uns ein Geheimnis mit. „Es wird großartig, dich wiederzusehen. Lieb dich, Bruder. Bis dann.“

James schrie. Ich zitterte. Wir kamen gleichzeitig, sagten nichts, sondern lauschten Alex Kennedy, der auf der anderen Seite der Welt mit uns sprach.

2. KAPITEL

„Sie kommt zu spät.“ Meine Schwester Patricia rümpfte die Nase, während sie die Speisekarte las. „Lasst uns nicht auf sie warten.“

Meine andere Schwester Mary blickte von der Textnachricht auf, die sie auf ihrem Handy beantwortete. „Pats, sie ist noch nicht zu spät. Entspann dich.“

Patricia und ich wechselten einen Blick. Wir stehen uns im Alter am nächsten. Manchmal fühlt es sich so an, als gäbe es in unserer Familie zwei Sätze Töchter, die ein ganzes Jahrzehnt trennt und nicht die vier Jahre, die zwischen Patricia und Mary liegen. Zwei weitere Jahre liegen zwischen Mary und unserer jüngsten Schwester Claire. Ich bin nicht alt genug, um Claires Mutter zu sein, aber es gibt wirklich Zeiten, da fühle ich mich so.

„Gib ihr noch ein paar Minuten“, riet ich Patricia. „Kann schon sein, dass sie zu spät kommt, aber wir können doch noch ein paar Minuten warten, oder?“

Patricia blickte mich versteinert an und konzentrierte sich wieder auf die Speisekarte. Ich machte mir nicht mehr aus Claires Unpünktlichkeit als meine Schwester, aber Patricias Verhalten überraschte mich. Sie konnte starrsinnig und herrisch sein, aber sie war normalerweise nicht böse.

Mit einem Klicken schloss Mary ihr Telefon und griff nach dem Krug mit Orangensaft. „Wessen Idee war es denn, sich zum Frühstücken zu treffen? Ich meine, Leute … ihr wisst, dass sie nicht vor Mittag aufsteht, wenn es sich vermeiden lässt.“

„Ja, meinetwegen“, sagte Patricia und knallte die Speisekarte zu. „Die Welt dreht sich nicht nur um Claire, oder? Ich habe heute eine Menge zu tun und kann es mir nicht leisten, den ganzen Tag herumzuhängen, nur weil sie bis spät in die Nacht Party gemacht hat.“

Diesmal wechselten Mary und ich einen Blick. Schwesternschaft ist ein kompliziertes Geschäft. Mary hob eine Augenbraue und schob damit mir die Aufgabe zu, Patricia zu beruhigen.

„Ich bin sicher, sie wird in ein paar Minuten hier sein“, sagte ich. „Und wenn sie nicht kommt, werden wir einfach schon bestellen, okay?“

Patricia wirkte nicht beruhigt. Sie klappte erneut ihre Speisekarte auf und versteckte sich dahinter. Mary formte stumm die Worte „Was ist mit ihr los?“, worauf ich nur mit einem Schulterzucken antworten konnte.

Claire kam tatsächlich zu spät, aber nur ein paar Minuten, und das hieß für ihre Verhältnisse, dass sie pünktlich war. Sie wirbelte in das Restaurant, als beherrsche sie die Welt. Ihr schwarzes Haar stand wirr zu allen Seiten ab wie die Strahlen der Sonne. Dicker, schwarzer Eyeliner umrahmte ihre Augen und ließ sie gegen ihre blasse Haut und die knallroten Lippen hervorstechen. Sie glitt auf die Bank neben Mary und griff nach dem Saftglas, das Mary sich eingegossen hatte. Ihre zahlreichen Armreifen klirrten, als sie das Glas an den Mund hob, ohne auf Marys Proteste zu achten.

„Mhh, lecker“, sagte sie, nachdem sie das Glas abgestellt hatte. Sie grinste und blickte uns nacheinander an. „Ihr habt alle gedacht, ich komme zu spät.“

„Du bist zu spät“, funkelte Patricia sie an.

Claire störte sich nicht an dieser Bemerkung. „Nicht wirklich. Ihr habt ja noch nicht mal bestellt.“

Wie von Zauberhand tauchte der Kellner auf. Claires heißblütiger Blick schien ihn zu verwirren, aber er schaffte es, unsere Bestellungen aufzunehmen und danach den Tisch wieder hinter sich zu lassen. Nur einmal drehte er sich um und schaute über die Schulter zurück. Claire zwinkerte ihm zu. Patricia seufzte angewidert.

„Was ist?“, fragte Claire. „Er ist süß.“

„Was auch immer.“ Patricia goss sich Saft ein und trank.

Hühner haben eine Hackordnung; auch Schwestern haben so etwas. Die Erfahrungen, die wir bisher gemacht hatten, haben meine Schwestern dazu gebracht zu glauben, auf mich könne man zählen, wenn es darum geht, Streit zu schlichten und zu vermitteln. Sie verlassen sich auf mich, wenn es darum geht, das Äußere unserer Schwesternschaft sauber und glänzend zu erhalten. Ebenso vertrauen wir darauf, dass Claire uns wachrüttelt und Patricia alles in Ordnung bringt. Mary schafft es, dass wir uns besser fühlen. Normalerweise haben wir alle unseren Platz. Aber heute schien irgendwas anders zu sein.

„Ich habe ihnen gesagt, es sei lächerlich zu erwarten, dass du vor Mittag hier auftauchst.“ Mary griff nach dem Brötchenkorb und nahm sich ein warmes Croissant. „Wann bist du gestern Abend schlafen gegangen?“

Claire lachte und nahm sich ebenfalls ein Croissant. Sie verzichtete auf die Butter, knibbelte die knusprige Hülle mit ihren schwarz lackierten Nägeln ab und stopfte sich den Teig in den Mund. „Bin ich nicht.“

„Du bist letzte Nacht nicht ins Bett gegangen?“ Patricia verzog den Mund.

„Ich bin nicht schlafen gegangen“, verbesserte Claire sie. Sie spülte das Croissant mit Saft herunter. „Ich bin aber ins Bett gegangen, das stimmt.“

Mary lachte, Patricia verzog das Gesicht. Ich tat nichts. Stattdessen musterte ich prüfend meine jüngste Schwester und machte einen verräterischen Knutschfleck an ihrem Hals aus. Sie hatte keinen Freund, zumindest hatte sie sich nie die Mühe gemacht, ihn mitzubringen, damit er die Familie kennenlernte. In Anbetracht unserer Familie überraschte mich das nicht.

„Können wir nicht einfach anfangen? Ich habe heute noch eine Menge vor“, sagte Patricia.

„Von mir aus gerne“, gab Claire lässig zurück. „Lasst uns anfangen.“

Sie hätte Patricia mit ihrer gleichgültigen Antwort kaum mehr überraschen können. Weil niemand ihren Ärger beachtete, wurde Patricia noch kratzbürstiger. Obwohl sie und Claire in der Vergangenheit oft genug aneinandergeraten waren, war es diesmal übertrieben. Ich versuchte, die Eskalation zu umschiffen, indem ich mein Notizbuch und den Stift auf den Tisch legte.

„Okay. Als Erstes müssen wir überlegen, wo wir es machen.“ Ich tippte mit dem Stift auf das Papier. Der Hochzeitstag meiner Eltern war im August. Dreißig Jahre. Patricia war auf die Idee gekommen, eine Party zu veranstalten. „Bei ihnen zu Hause? Bei mir oder bei Patricia? Vielleicht in einem Restaurant.“

„Wie wär’s mit dem Verein für Veteranen?“ Claire grinste. „Oder auf einer Bowlingbahn?“

„Bei dir zu Hause, Anne. Wir können einen großen Grill aufstellen oder so was, direkt am Strand.“ Marys Handy klingelte erneut, aber sie ignorierte es.

„Ja, das können wir.“ Ich konnte meine mangelnde Begeisterung für diese Idee nicht verhehlen.

„Na ja, wir können es nicht bei mir machen“, sagte Patricia mit fester Stimme. „Ich habe nicht genug Platz.“

„Und wir haben genug Platz?“ Mein Haus war hübsch und direkt am Wasser gelegen, das stimmte. Aber es war weit davon entfernt, geräumig zu sein.

Claire hatte ihr Croissant verputzt und winkte nach dem Kellner, der sofort zu ihr herüberkam. „Wie viele Leute werden kommen, was denkt ihr? Hey, Süßer, bring mir einen Sekt mit Orangensaft, bist du so lieb?“

„Meine Güte, Claire“, sagte Patricia. „Muss das sein?“

Eine Sekunde lang verschwand Claires Sorglosigkeit. Doch dann sagte sie: „Ja, Pats. Es muss sein.“

„Wir können es bei Caesar’s Chrystal Palace ausrichten“, warf ich schnell ein, um einen Streit abzuwenden. „Sie haben alles für einen ordentlichen Empfang, und das Essen ist gut.“

„Ach, komm schon“, sagte Mary. „Das Essen dort ist superteuer und im Ernst, Leute, ich habe nicht das Geld, um es in diese Party zu stecken, wie ihr es habt.“

Sie warf mir einen bedeutsamen Blick zu, dann schaute sie Patricia an. Claire lachte. Mary blickte auch sie an und ließ ihre Augenbrauen tanzen.

„Ja genau, Mary und ich sind arm.“ Claire blickte zu dem Kellner auf, der ihren Drink brachte. „Danke, Süßer.“

Er errötete, als sie ihm zuzwinkerte. Ich schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. Claire war ein kleines, schamloses Ding.

„Ich denke auch, es ist eine gute Idee, wenn wir die Kosten niedrig halten.“ Patricia sagte das steif und blickte auf ihren Teller, auf dem unberührt das Croissant lag. „Lasst uns die Party bei Anne machen. Wir können Plastikgeschirr und Besteck im Großhandel kaufen und ein paar Schüsseln Nachtisch machen. Die Grillstation wird das Teuerste sein, aber dann haben wir auch gleich die Maiskolben und die Brötchen dabei.“

„Und vergiss den Schnaps nicht“, sagte Claire.

Plötzlich war es still am Tisch. Marys Handy piepte und sie klappte es auf. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Auch Patricia sagte nichts, und ich schwieg ebenfalls. Claire blickte uns der Reihe nach an.

„Ihr könnt doch nicht ernsthaft darüber nachdenken, ganz ohne Alkohol zu feiern“, sagte Claire. „Zumindest sollten wir Bier haben.“

„Das ist Annes Sache“, sagte Patricia nach einer Weile. „Es ist ihr Haus.“

Ich schaute sie an, aber sie wich meinem Blick aus. Ich sah Mary an, die mich ebenfalls ignorierte. Wenigstens Claire erwiderte meinen Blick mit erhobenem Kopf.

„Wir können haben, was wir wollen“, sagte ich schließlich.

„Es ist der Hochzeitstag von Mom und Dad“, sagte Claire. „Jetzt erzähl mir nicht, du willst ihnen eine Party schmeißen und es gibt keinen Alkohol.“

Wir wurden vom Kellner, der unser Essen brachte, vor einer unangenehmen Stille bewahrt. Es brauchte ein paar Minuten, bis wir alles am richtigen Platz hatten und begannen zu essen, aber die kurze Zeit genügte. Mary seufzte und spießte eine Kartoffelspalte auf.

„Wir können Bier haben.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ein kleines Fass zum Beispiel.“

„Ein paar Flaschen Wein“, sagte Patricia widerwillig. „Und wir müssen Champagner haben, denke ich. Zum Anstoßen. Sie sind seit dreißig Jahren verheiratet. Ich meine, sie verdienen es, dass wir anstoßen, oder nicht?“

Sie blickten alle mich an, damit ich es entschied. Meine Gabel schwebte über dem Omelette, das mein Magen schon gar nicht mehr wollte. Sie erwarteten von mir eine Entscheidung, dass ich Ja oder Nein zu ihren Vorschlägen sagte, und das wollte ich nicht. Die Verantwortung wollte ich nicht übernehmen.

„Anne“, sagte Claire schließlich. „Anne, wir werden alle dort sein. Es wird alles gut gehen.“

Ich nickte einmal heftig. Die Bewegung ließ meinen Hals schmerzen. „Also gut, klar. Natürlich. Bier, Wein und Champagner. James kann eine kleine Cocktailbar draußen aufbauen und Drinks mixen. Er macht das gerne.“

Wir sagten eine Weile nichts. Ich glaubte, die Erleichterung meiner Schwestern zu spüren, die nicht diejenigen waren, die diese Entscheidung trafen. Aber vielleicht war das auch nur Einbildung.

„Nun, wie sieht es mit der Gästeliste aus?“, sagte ich. Meine Stimme war fest, als ich die Führung übernahm.

Die Fassade aufrechterhalten …

Ich wollte, dass James es ablehnte, die Party bei uns zu Hause auszurichten, aber natürlich fand er die Idee großartig. Er stand am Grill und hielt ein Bier in der einen und die Grillzange in der anderen Hand, als ich das Gespräch auf dieses Thema lenkte. Auf seiner Schürze war eine kopflose Frau im Bikini abgebildet. Ihre Brüste bewegten sich jedes Mal, wenn James die Arme hob.

„Klingt doch super. Wir können ein Zelt mieten, falls das Wetter schlecht ist. Und bei gutem Wetter spendet es Schatten.“

Der Geruch nach brutzelnden Steaks hätte mir unter normalen Umständen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Doch mein Magen zog sich bei diesem Thema schmerzhaft zusammen. „Es wird eine Menge Arbeit.“

„Wir engagieren ein paar Helfer. Mach dir darum keine Sorgen.“ James wendete gekonnt die Steaks und hob den Deckel vom Topf an, in dem die Maiskolben schmorten.

Während ich ihn, den Grillmeister, vor seinem supertollen, hochmodernen Grill beobachtete, lächelte ich. James brauchte Schritt-für-Schritt-Anleitungen, wenn er in der Mikrowelle Haferbrei zubereitete, aber er hielt sich selbst für den Boss, wenn es ums Kochen über offenem Feuer ging.

„Trotzdem wird es viel Arbeit sein.“

Schließlich blickte er mich an und verstand, worum es mir ging. „Anne, wenn du die Party nicht hier haben willst, warum hast du das deinen Schwestern nicht gesagt?“

„Sie haben mich überstimmt. Sie wollen ein Barbecue mit großer Grillstation, und hier ist der einzige Ort, wo wir den Platz dafür haben. Im Übrigen“, räumte ich ein, „selbst wenn wir ein Zelt mieten und Leute anheuern, die uns helfen und nach der Party aufräumen, wird es immer noch billiger sein als eine Feier im Restaurant. Und … wir haben ein schönes Haus.“

Ich schaute mich um. Unser Haus und das Grundstück waren mehr als schön. Das Haus stand auf einem Seegrundstück mit einem eigenen Sandstrand. Es war hier ruhig und ungestört, rundherum von Kiefern umgeben. Unser Haus war als eines der ersten an dieser Küstenstraße gebaut worden und hatte James’ Großeltern gehört. Andere Häuser an dieser Straße wurden für fast eine Million Dollar gehandelt, aber wir hatten nichts bezahlt. Seine Großeltern hatten es James in ihrem Testament hinterlassen. Es war klein und alt, aber wir hielten es sauber und es war hell und, was am wichtigsten war, es gehörte uns. Mein Mann baute zwar Villen für andere Leute, aber ich bevorzugte unser kleines, einstöckiges Haus, das einen persönlichen Touch hatte.

James legte die Steaks auf einen Teller und trug diesen zum Tisch. „Aber nur wenn du willst, Kleines. Mir ist es egal, wie ihr’s macht.“

Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn es ihm nicht egal wäre, wenn er ein Machtwort sprechen würde und verlangte, dass wir die Party für meine Eltern woanders ausrichteten. Wenn er mir die Entscheidung abgenommen hätte, dann könnte ich ihm die Schuld dafür in die Schuhe schieben, dass wir es so machten, wie ich es wollte.

„Nein.“ Ich seufzte, als er ein riesiges Stück Fleisch auf meinen Teller legte. „Wir werden es hier bei uns machen.“

Das Steak war gut, der Mais knackig und süß. Ich hatte einen Salat mit Erdbeeren und Vinaigrette gemacht, und dazu gab es knuspriges französisches Baguette. Wir aßen wie die Könige, und James erzählte mir beim Essen von der neuen Baustelle und den Problemen, die er mit einigen seiner Leute hatte. Und von den Plänen, die seine Eltern für einen Familienurlaub schmiedeten.

„Wann denken sie wird dieser Familienurlaub stattfinden?“ Ich verharrte mitten in der Bewegung.

James zuckte mit den Schultern und goss sich ein zweites Glas Rotwein ein. Er fragte mich nicht, ob ich Wein wollte; er hatte schon vor langer Zeit aufgehört zu fragen. „Ich weiß es nicht. Irgendwann diesen Sommer, vermute ich.“

„Du vermutest es? Nun, haben sie daran gedacht, uns zu fragen, wann wir gerne Urlaub machen würden? Oder ob wir überhaupt mitkommen wollen?“

Erneutes Schulterzucken. Er hatte darüber wohl noch nicht nachgedacht. „Ich weiß es nicht, Anne. Es ist nur etwas, das meine Mutter angesprochen hat. Vielleicht irgendwann um den vierten Juli herum.“

„Also gut“, sagte ich und griff mir ein Stück Baguette, das ich mit Butter bestrich, um meine Hände beschäftigt zu halten. Am liebsten hätte ich sie zu Fäusten geballt. „Wir können aber diesen Sommer nicht mit ihnen wegfahren, und das weißt du. Ich wünschte nur, du hättest ihr das sofort gesagt.“

James seufzte. „Anne …“

Ich blickte auf. „Du hast ihr doch nicht gesagt, dass wir mitfahren, oder?“

„Ich habe ihr nicht gesagt, dass wir mitfahren.“

„Aber du hast ihr ebenso wenig gesagt, dass wir nicht mitfahren.“ Ich runzelte die Stirn. Es war typisch für James und überraschte mich nicht. Für einen Moment irritierte es mich nur.

James kaute still vor sich hin und spülte den Bissen mit Wein herunter. Er schnitt ein Stück vom Steak ab und tunkte es in die Steaksauce.

Auch ich sagte nichts. Es war für mich nicht so leicht wie für ihn, aber inzwischen hatte ich Übung in diesem Spiel des Wartens.

„Was willst du also? Was soll ich ihr sagen?“, fragte er schließlich.

„Sag ihr die Wahrheit, James. Sag ihr das, was du mir gesagt hast. Dass wir diesen Sommer keinen Urlaub nehmen können, weil du dieses neue Bauprojekt angenommen hast und auf der Baustelle sein musst. Dass wir stattdessen geplant haben, unseren Urlaub im Winter zu machen und zum Skilaufen zu fahren. Dass wir nicht mit ihnen wegfahren können. Dass wir nicht wegfahren wollen!“

„Das sage ich nicht.“ Er wischte sich den Mund ab und warf die zerknüllte Serviette auf seinen Teller, wo sie sich mit der Steaksauce vollsaugte wie mit Blut.

„Du erzählst ihr besser irgendwas“, sagte ich sauer. „Am besten, bevor sie den Urlaub bucht.“

Er seufzte erneut und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Mit einer Hand fuhr er über seinen Kopf. „Ja, ich weiß.“

Ich wollte mich mit ihm nicht wegen dieser Sache streiten. Zumal ich nicht wegen seiner Mutter angespannt war, sondern weil wir die Party zum Hochzeitstag meiner Eltern ausrichten sollten. Es drehte sich alles im Kreis, wie eine Schlange, die sich in ihrem eigenen Schwanz verbiss. Ich wollte das hier nicht für Leute tun, denen ich eh keinen Gefallen tun wollte.

James streckte über den Tisch hinweg seine Hand nach meiner aus. Sein Daumen strich über meinen Handrücken. „Ich werde es ihr sagen.“

Fünf Worte und diese sanfte Berührung reichten, dass ein Teil des Gewichts, das auf meinen Schultern lastete, von mir genommen wurde. Ich drückte seine Hand und wir lächelten uns an. Sanft streichelte er mich, zog mich zu sich heran, und wir küssten uns über den Resten unseres Abendessens.

„Hmmm, Steaksauce.“ Er leckte sich die Lippen. „Ich frage mich, wo die sonst noch gut schmecken würde.“

„Denk nicht mal daran“, warnte ich ihn.

James lachte und küsste mich erneut. Er hielt mich fest, obwohl diese Position unbequem war. „Ich müsste es ganz und gar auflecken …“

„Das klingt nach einer einfachen Methode, sich eine Infektion einzufangen“, sagte ich steif, und er ließ mich los.

Gemeinsam räumten wir das Geschirr vom Tisch und warfen die Reste weg. James schaffte es immer wieder, sich an mich zu schmiegen und gegen mich zu stoßen, stets begleitet von einem gespielt unschuldigen „Entschuldige, Pardon“, das mich zum Lachen brachte, und ich knuffte ihn. Schließlich drängte er mich gegen das Spülbecken und hielt mich fest. Seine Hände schlossen sich um meine Handgelenke, und er drückte meine Arme herunter. Sein Becken presste sich an meines.

„Hi“, sagte er.

„Hallo.“

„Was für eine Überraschung, dich hier zu sehen.“ Er stupste mich mit seiner Erektion an.

„Wir müssen aufhören, uns so zu treffen. Das ist unanständig.“

Er drückte sich enger an mich, weil er wusste, dass ich nicht wegkonnte. Sein Atem roch stark nach Zwiebeln und Knoblauch, aber auf köstliche und nicht abstoßende Art. Er neigte den Kopf, damit unsere Münder einander nahe waren, doch er küsste mich nicht.

„Bist du schockiert?“

Ich schüttelte leicht den Kopf. „Noch nicht.“

„Gut.“

Manchmal war es so mit uns. Schnell und heiß und hart, ein rasender, schneller Fick, bei dem man nicht mehr machte, außer das Höschen beiseitezuschieben und den Hosenschlitz zu öffnen. Er war innerhalb eines Herzschlags in mir, und ich hieß ihn nass willkommen. Mein Körper leistete keinen Widerstand, als er in mich eindrang, und wir schrien beide auf.

Ich schlang meine Arme um seinen Hals, er schob eine Hand unter meinen Oberschenkel, um den Winkel zu verändern. Das Geschirr im Schrank klapperte. Ich war mir nicht sicher, ob ich so kommen würde, aber etwas an der Art, wie sein Körper an meinen Bauch stieß, wieder und wieder, brachte mich zu einem kleinen heftigen Höhepunkt. James folgte mir in dem Moment, als mein Körper sich um ihn anspannte. Er legte sein Gesicht an meine Schulter, und wir atmeten beide heftig. Schon bald wurde diese Haltung schmerzhaft und wir lösten uns voneinander. Er legte die Arme um mich und wir standen beisammen, während unser Atem sich langsam beruhigte und der Schweiß auf unseren Gesichtern sich in der abendlichen Brise, die durchs Fenster hereinwehte, abkühlte.

„Wann hast du den nächsten Termin bei deiner Ärztin?“ James’ Frage ließ mich blinzeln.

„Ich habe noch keinen Termin gemacht.“

Ich schob ihn fort, um meine Kleidung wieder in Ordnung zu bringen und die Grillutensilien abzuwaschen. Das Spülmittel machte meine Finger glitschig und die Grillzange rutschte mir aus den Händen und klapperte laut in der Edelstahlspüle. Es klang wie ein Vorwurf. James machte mir aber keine Vorwürfe.

„Wirst du einen Termin vereinbaren?“

Ich blickte ihn an. „Ich war in letzter Zeit sehr beschäftigt.“

Er hätte jetzt anmerken können, dass ich alles andere als beschäftigt war, seit die örtliche Beratungsstelle, für die ich gearbeitet hatte, ihre Zuschüsse verloren hatte und schließen musste. Aber er sagte nichts. Stattdessen zuckte er mit den Schultern und akzeptierte meine Antwort, als würde sie Sinn machen. Auch wenn dem nicht so war.

„Warum?“, fragte ich. „Hast du es eilig?“

James lächelte. „Ich dachte, du willst irgendwann anfangen. Hey, wer weiß, vielleicht haben wir gerade eben ein Baby gemacht.“

Das war mehr als unwahrscheinlich. „Wie viel Glück müssten wir da haben?“

Er streckte erneut die Hände nach mir aus. „Ziemlich viel Glück?“

Ich schnaubte. „Unser Kind an der Küchentheke zu zeugen?“

„Vielleicht wird sie eine gute Köchin.“

„Oder er. Jungen können auch gute Köche sein.“ Ich warf eine Handvoll Schaum in seine Richtung.

James polierte seine Fingernägel am T-Shirt. „Ja, genau wie sein alter Herr.“

Ich verdrehte die Augen. „Oh, klar!“

Bevor wir uns in einer scherzhaften Diskussion über James’ mangelndes Talent in der Küche vertiefen konnten, klingelte das Telefon. Ich streckte automatisch die Hand danach aus. James nutzte die Gelegenheit und kitzelte mich, da ich unaufmerksam war.

Ich lachte atemlos, als ich ans Telefon ging. „Hallo?“

Nur statisches Knistern und Stille waren zu hören. Dann: „Anne?“

Ich wehrte die wandernden Hände meines Mannes ab. „Ja?“

„Hallo, Anne.“ Die Stimme war tief, leise und voll. Obwohl sie mir unbekannt vorkam, ließ mich etwas denken, ich würde sie kennen.

„Ja?“, fragte ich unsicher und schaute auf die Uhr. Es schien mir zu spät für den Anruf eines Telefonverkäufers.

„Hier ist Alex. Wie geht es dir?“

„Oh, Alex. Hallo.“ Mein Lachen klang diesmal erleichtert. James hob eine Augenbraue. Bisher hatte ich nie mit Alex gesprochen. „Du wirst mit James reden wollen.“

„Nein“, sagte Alex. „Ich würde gerne mit dir reden.“

Ich hatte bereits das Telefon an James weitergeben wollen, aber jetzt hielt ich inne. „Mit mir?“

James, der schon die Hand nach dem Telefon ausgestreckt hatte, ließ sie wieder sinken. Er hob diesmal die andere Braue, sodass die beiden aussahen wie die Flügel eines Vogels. Ich zuckte mit den Schultern und hob meinerseits ebenfalls eine Braue. Es war das wortlose Gespräch, das wir im Laufe unserer Ehe als unsere private Kommunikation etabliert hatten.

„Ja.“ Alex’ Lachen war weich und süß wie Sirup. „Wie geht es dir?“

„Mir geht es gut.“

James trat zurück und grinste mit erhobenen Handflächen. Ich klemmte mir den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter und machte mich wieder an die dreckigen Teller im Spülbecken, doch James schob mich beiseite und übernahm die Arbeit. Er winkte ein bisschen, als wollte er mich verscheuchen.

„Das ist gut. Wie geht’s dem Bastard, den du geheiratet hast?“

„Ihm geht’s auch gut.“ Ich ging ins Wohnzimmer. Am Telefon bin ich keine allzu gute Gesellschaft. Außerdem brauche ich immer etwas zu tun, während ich rede, doch diesmal hatte ich keine Wäsche zum Zusammenlegen und keinen Boden, der gewischt werden musste. Es gab nicht einmal Geschirr, das ich abwaschen konnte. Stattdessen lief ich auf und ab.

„Er macht dir doch keine Schwierigkeiten, oder?“

Ich war mir nicht sicher, was ich auf diese Frage antworten sollte, also entschied ich, dass Alex mich neckte. „Nichts, das sich nicht mit Peitschen und Eisenketten regeln lässt.“

Sein leises Kichern kitzelte mein Trommelfell. „Das stimmt. Du bringst ihn schon dazu, nicht aus der Reihe zu tanzen.“

„Also … James hat erzählt, du kommst uns besuchen?“

Das statische Rauschen ließ mich einen Moment denken, wir hätten die Verbindung verloren, doch dann war er wieder da. „Ja, so war es jedenfalls geplant. Es sei denn, du hast was dagegen?“

„Natürlich nicht. Wir freuen uns.“ Eine kleine Lüge. Ich war mir sicher, dass James sich darauf freute. Da ich Alex noch nie begegnet war, war ich mir nicht so sicher, wie es sein würde, ihn als Hausgast bei uns zu haben. Es war ein intimes Angebot, und ich war nicht sonderlich gut darin, innerhalb kurzer Zeit schon so vertraut miteinander zu tun.

„Lügnerin.“

„Wie bitte?“, fragte ich überrascht.

Alex lachte. „Du bist eine Lügnerin, Anne.“

Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich darauf erwidern sollte. „Ich …“

Er lachte erneut. „Mir ginge es genauso. Irgendein Bengel ruft aus heiterem Himmel an und will für ein paar Wochen aufgenommen werden? Ich wäre ein bisschen beunruhigt. Vor allem, wenn auch nur die Hälfte der Sachen, die dir James bestimmt über mich erzählt hat, wahr sind. Er hat dir ein paar Geschichten erzählt, stimmt’s?“

„Ein paar, ja.“

„Und du lässt mich trotzdem zu Besuch kommen? Du bist eine sehr, sehr mutige Frau.“

Ich hatte einige Geschichten über Alex Kennedy gehört, aber ich war zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den meisten um Übertreibungen handelte. Die Mythologie einer Jugendfreundschaft, da wurde die Vergangenheit im Laufe der Zeit glorifiziert. „Okay, wenn nur die Hälfte von dem, was er mir erzählt hat, stimmt: Was ist mit dem Rest?“

„Einiges davon ist vielleicht auch wahr“, sagte Alex. „Sag mir eins, Anne. Willst du mich wirklich in deinem Haus haben?“

„Bist du wirklich ein Frechdachs?“

„Ein ziemlich abgerissener. Mich zieht es immer wieder an den Abgrund.“

Er brachte mich überraschend zum Lachen. Ich war mir eines gewissen Untertons bewusst, ein leises Flirten, das er mir anbot und auf das ich einging. Ich schaute in die Küche, wo James das Geschirr abtrocknete. Er schenkte mir überhaupt keine Aufmerksamkeit und kümmerte sich nicht um mein Gespräch mit seinem Freund. An seiner Stelle hätte ich gelauscht.

„Das ist so mit den Freunden von James.“

„Wirklich? Aber ich wette, James hat keine Freunde, die so sind wie ich.“

„Frechdachse? Nein, das stimmt wohl. Es gibt ein paar Schurken und den einen oder anderen Idioten. Aber keine anderen Frechdachse.“

Ich liebte sein Lachen. Es war warm, einfach und gefühlsduselig. Erneut knisterte und knackte es in der Leitung. Ich hörte ein paar Fetzen Musik und das Murmeln von Stimmen, aber ich konnte nicht sagen, ob es in Alex’ Hintergrund war oder zwischen unser Gespräch funkte.

„Wo bist du, Alex?“

„In Deutschland. Ich besuche ein paar Freunde, bleibe noch einen Tag und fahre dann weiter nach Amsterdam. Danach London. Von dort werde ich dann in die Staaten fliegen.“

„Sehr kosmopolitisch“, sagte ich ein bisschen neidisch. Ich war bisher nicht über die Grenzen von Nordamerika hinausgekommen.

Alex’ Lachen klang rau. „Ich lebe aus dem Koffer und habe einen so heftigen Jetlag, dass ich mich betrunken fühle. Ich würde für ein Sandwich mit Mortadella und Mayonnaise töten.“

„Willst du mein Mitgefühl wecken?“

„Schamlos von mir, nicht wahr?“

„Ich werde mich darum kümmern, dass wir genug Weißbrot und Mortadella haben, wenn du kommst“, sagte ich. Die Aussicht auf Alex’ Aufenthalt in unserem Haus schien mir plötzlich nicht mehr so erschreckend wie zuvor.

„Anne“, sagte Alex nach kurzem Zögern, „du bist wahrhaftig eine Göttin unter den Frauen.“

„Ja, das sagt man über mich.“

„Im Ernst. Sag mal, kann ich dir irgendwas aus Europa mitbringen?“

Der Gang unseres Gesprächs überraschte mich. „Ich will nichts!“

„Schokolade? Weißwürste? Rübensaft? Was du nur willst. Allerdings werde ich eventuelle Probleme bekommen, wenn ich versuche, Heroin, Marihuana oder Prostituierte aus Amsterdam einzuschmuggeln, also wünsch dir lieber etwas Legales.“

„Wirklich, Alex, du musst mir nichts mitbringen.“

„Natürlich muss ich nicht, aber ich möchte es gerne. Wenn du mir nicht sagst, was du willst, werde ich James fragen.“

„Ich würde sagen, Rübensaft“, erklärte ich. „Ich bin mir aber nicht sicher, was das ist … Kommt es aus einer Mosterei?“

Er kicherte. „Es ist Sirup und man kauft es in Gläsern.“

„Dann bring mir das mit.“

„Oh, eine Frau, die gerne gefährlich lebt. Kein Wunder, dass Jamie dich geheiratet hat.“

„Dafür gibt es mehr als einen Grund“, sagte ich.

Mir fiel auf, dass ich stehen geblieben war, während ich mit Alex plauderte. Er hatte mich so für sich eingenommen, dass ich nicht das Bedürfnis hatte, noch etwas anderes zu machen. Erneut schaute ich in Richtung Küche, aber James war inzwischen verschwunden. Ich hörte das Murmeln des Fernsehers, der im Wohnzimmer stand.

„Es tut mir leid, dass ich es nicht zu eurer Hochzeit geschafft habe. Ich habe gehört, es war ein Wahnsinnsspaß.“

„Hast du? Von James?“

Eine dumme Frage. Von wem hätte er sonst davon hören sollen? Komisch nur, dass James mir gegenüber nie erwähnte, dass er mit Alex Kontakt hatte. Er sprach zwar regelmäßig über seinen besten Freund aus Schulzeiten, doch über den Grund für ihr Auseinandergehen hatte er nur vage Andeutungen gemacht. Er hatte andere Freunde … aber wir standen kurz davor, zu heirateten, und ich habe die Angewohnheit, immer alles in Ordnung bringen zu wollen. Ich war es, die Alex’ Namen auf die Gästeliste schrieb, obwohl ich nicht einmal wusste, ob die Adresse, die ich in James altem Adressbuch fand, die richtige war. Ich rechnete damit, dass was immer zwischen ihnen vorgefallen war, mit einem ersten Schritt aus der Welt geschafft werden konnte. Als er eine Absage schickte, war ich nicht überrascht, aber zumindest hatten wir es versucht. Und offensichtlich hatte es besser funktioniert, als ich bisher wusste.

„Ja.“

„Es war eine schöne Hochzeitsfeier“, sagte ich. „Zu schade, dass du nicht dabei warst. Aber stattdessen kommst du ja jetzt für eine längere Zeit vorbei.“

„Er hat mir Fotos geschickt. Ihr seht beide sehr glücklich aus.“

„Er hat dir … Fotos geschickt? Von unserer Hochzeit?“

Ich schaute zum Kamin hinüber, wo nach sechs Jahren noch immer ein gerahmtes Hochzeitsfoto stand. Ich fragte mich immer, wie lange es akzeptabel war, die Hochzeitsfotos auf dem Kaminsims stehen zu haben. Vermutlich wenigstens so lange, bis die ersten Babyfotos sie ersetzten.

„Ja.“

Auch das überraschte mich. Ich hatte einigen Freundinnen Fotos geschickt, weil diese nicht zur Hochzeit hatten kommen können, aber … nun ja, wir waren Frauen. Mädchen machten so was, hingen kichernd über Fotos und schickten einander ellenlange E-Mails, in denen nichts Wichtiges stand.

„Also gut …“ Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. „Wann wirst du kommen?“

„Ich habe noch ein paar Dinge mit der Fluggesellschaft zu klären. Ich werde Jamie Bescheid sagen, wenn ich Genaueres weiß.“

„Klar. Soll ich ihn ans Telefon holen?“

„Ich schick ihm eine E-Mail.“

„Okay, das sag ich ihm.“

„Gut, Anne, es ist hier fast zwei Uhr morgens. Ich werde jetzt ins Bett gehen. Wir haben bald genug Zeit zu reden.“

„Tschüss, Alex …“ Er hatte bereits aufgelegt. Ich starrte etwas verblüfft auf das Telefon.

Es war nichts Seltsames daran, wenn er in Kontakt mit James stand. Männerfreundschaften waren anders als die Freundschaften von Frauen. Mein Mann hatte mir zwar nie erzählt, dass er wieder mit Alex gesprochen hatte, aber das hieß nicht, dass er es vor mir geheim halten wollte. Es bedeutete nur, dass es ihm nicht wichtig genug war, um es mit mir zu teilen. Eigentlich konnte ich doch froh sein, dass die beiden ihre Differenzen ausgeräumt hatten. Es würde bestimmt nett, James’ liebsten Freund Alex kennenzulernen. Alex, der Frechdachs. Der Mann, der mir Leckereien aus dem Schlaraffenland versprach. Der Mann, der meinen Mann Jamie nannte und nicht James.

Der Mann, von dem James bisher immer nur in der Vergangenheit gesprochen hatte.

Zum vierten Mal innerhalb einer halben Stunde piepte Marys Handy, aber diesmal warf sie nur einen kurzen Blick darauf, ehe sie es wieder in ihre Handtasche steckte. „Also, wie lange wird er bleiben?“

„Ich weiß es nicht.“ Ich hob einen Glasbilderrahmen hoch, der mit anderen auf einem Regal stand. „Wie wäre es mit diesem?“

Meine Schwester verzog das Gesicht. „Nein.“

Ich stellte den Rahmen zurück und schaute mich in dem Geschäft um. „Die sind aber alle so wie dieser hier. Wir werden nichts finden.“

„Wessen großartige Idee war es denn, einen extravaganten Bilderrahmen zu kaufen? Ach ja, richtig“, sagte Mary sarkastisch. „Es war Patricias Idee. Und warum sind wir alle drauf reingefallen und müssen diesen Rahmen jetzt suchen?“

„Weil Patricia mit den Kindern nicht in Läden wie diesen gehen kann.“ Ich überblickte die Regale, aber alle Bilderrahmen waren einander ähnlich. Überteuert und hässlich glitzernd.

„Richtig. Und ich vermute, Sean kann nicht mal einen Abend auf die Rasselbande aufpassen?“

Ich zuckte mit den Schultern, aber etwas an Marys Tonfall ließ mich aufblicken. „Ich weiß es nicht. Warum? Hat sie irgendwas in der Richtung gesagt?“

Schwestern besaßen meist eine wortlose Sprache, und Marys Haltung und ihr Gesichtsausdruck sprachen Bände. Aber für den Fall, dass ich nicht verstand, was sie mir damit sagen wollte, sprach sie es aus: „Er ist ein Idiot.“

„Ach, komm schon, Mary.“

„Hast du nicht mitbekommen, dass sie kaum noch über ihn spricht? Und früher war er ihr Ein und Alles, es hieß immer Sean dies, Sean das, Sean sagt, Sean denkt. Sag mir nicht, es wäre dir nicht aufgefallen, dass uns die Lobpreisungen für Sean erspart geblieben sind. Und in letzter Zeit ist sie eine größere Zicke als sonst. Irgendwas geht da vor.“

„Wie zum Beispiel was?“ Wir verließen den Kitschladen und traten in die helle Junisonne.

„Na ja, keine Ahnung.“ Mary verdrehte die Augen.

„Vielleicht solltest du sie einfach fragen.“

Meine Schwester warf mir einen knappen Blick zu. „Du kannst sie doch fragen.“

Der Anblick eines vertrauten, schwarzen Haarschopfs und einer Kleiderauswahl, die gefährlich nah daran war, als kleidsames Ensemble zu versagen, ließ uns beide verstummen.

„Ach du meine Güte“, wisperte Mary. „Ein Grufti hat über sie gekotzt.“

Ich lachte. „Sagt man das dazu?“

„Ich denke, früher hat man es Punk genannt, aber heute nennt es sich Gothic. Heilige Scheiße. Sie wird nie damit aufhören. Ich dachte, sie trifft sich mit dem Verkäufer aus dem Plattenladen.“ Mary klang beeindruckt. „Aber wer ist der Typ neben ihr?“

Claire grinste und flirtete mit einem sehr großen, sehr schlaksigen jungen Mann, der genug Metall im Gesicht trug, um einen Metalldetektor am Flughafen zum Piepen zu bringen. Sie trug eine schwarzweiß geringelte Strumpfhose, einen schwarzen Spitzenrock mit zerrissenem Saum und ein T-Shirt, auf dem der Name einer Punkrockband stand, die schon vor Claires Geburt in den Abwärtsstrudel aus Drogen und Alkohol geraten war.

„Sie marschiert halt zu den Trommelschlägen ihres eigenen Lebens“, sagte ich.

„Ja, und dazu noch der Rhythmus einer E-Gitarre, zwei Waldhörnern und einem Synthesizer.“

Claire blickte auf und winkte uns über den Parkplatz hinweg zu, dann verabschiedete sie sich von ihrem neuen Begleiter und lief zu uns herüber. „Guten Morgen, die Damen.“

„Es ist Nachmittag“, erwiderte Mary.

„Kommt drauf an, um welche Zeit man aufsteht“, konterte Claire mit einem schamlosen Grinsen. „Also, was geht, Leute?“

„Anne kann sich nicht für einen Bilderrahmen entscheiden.“

„Hey!“, protestierte ich. Ohne Patricia an meiner Seite, die für das Gleichgewicht sorgte, konnte ich von meinen beiden jüngeren Schwestern schnell überstimmt werden. „Es ist nicht nur meinetwegen. Wir sollten gemeinsam entscheiden.“

Claire winkte mit einer Hand, die in einem fingerlosen Spitzenhandschuh steckte, ab. „Wie auch immer. Nehmt einfach irgendeinen. Es ist ja nicht so, dass sie sich wirklich etwas draus machen.“

„Hey, Madonna“, sagte ich verärgert. „Das Jahr 1983 hat angerufen und will seine Klamotten zurückhaben.“

Mary schnaubte, und Claire verzog das Gesicht. Einen kurzen Moment spürte ich das kleine, unnütze Gefühl eines Triumphs.

„Ich verhungere“, verkündete Claire. „Können wir nicht irgendwo hingehen und was mampfen?“

„Nicht jeder von uns mampft“, warf Mary ein.

„Und nicht jeder von uns muss auf sein Gewicht achten“, gab Claire liebenswürdig zurück.

„Mädels, bitte“, schaltete ich mich ein. „Wir sind nicht mehr in der Schule. Können wir uns bitte etwas erwachsener verhalten?“

Claire legte einen Arm um Marys Schulter und warf mir einen gespielt unschuldigen Blick zu. „Was denn? Seit wann bist du denn so verspannt, Schwesterchen?“

Ich liebte sie, alle beide, und ich hätte mir ein Leben ohne meine Schwestern nicht vorstellen können. Mary grinste und schob Claires Arm von ihrer Schulter. Claire zuckte mit den Schultern und schielte zu mir herüber.

„Komm schon, Prinzessin“, gurrte sie. „Gib deinen kleinen, armen Schwesterchen einen Burger mit Pommes aus.“

„Wirst du dafür bei mir vorbeikommen und mein Haus putzen?“, fragte ich. „So viel sollte dir ein Lunch schon wert sein, oder?“

„Ach, richtig, James’ Freund kommt ja zu Besuch. Das hab ich fast vergessen.“ Sie streckte mir die Zunge heraus. „Du willst bestimmt nicht, dass er dein überall herumliegendes Sexspielzeug findet.“

„Du hast bisher nicht erzählt, wann er kommt“, sagte Mary.

Wir drei gingen zu dem Restaurant hinüber, das auf der anderen Seite des Parkplatzes lag. Das Essen dort war anständig und das Restaurant wurde normalerweise nicht von den Touristen bevorzugt, die im Sommer Sandusky und Cedar Point überschwemmten. Noch besser war, dass es in der Nähe war, denn mein Magen knurrte schon vernehmlich.

„Ich weiß nicht, wann er kommt.“

„Wie heißt er? Alex?“ Die Frage kam von Claire, die Mary und mir die Tür aufhielt.

„Ja.“

Die Kellnerin brachte uns zu einer gemütlichen Ecke im hinteren Teil des Restaurants und reichte uns die Speisekarten. Doch wir wussten schon, was wir wollten. Wir kamen schon seit Ewigkeiten hierher. „Alex Kennedy.“

„Und er ist nicht zu deiner Hochzeit gekommen?“ Mary gab Zucker in ihren Eistee und quetschte das Zitronenachtel aus. Sie reichte mir wortlos ein paar Zuckertütchen, ohne dass ich danach fragen musste.

„Nein, er war in Übersee. Aber sein Unternehmen wurde aufgekauft, und jetzt kommt er zurück in die Staaten. Ich weiß nicht allzu viel darüber.“

„Was wirst du mit ihm machen, ich meine, James muss ja den ganzen Tag arbeiten?“ Diese praktische Frage kam überraschenderweise von Claire, die Wasser durch einen Strohhalm trank.

„Er ist erwachsen, Claire. Ich vermute, er wird sich schon irgendwie zu beschäftigen wissen.“

Mary schnaubte. „Ja schon, aber er ist ein Mann.“

„Guter Punkt“, sagte Claire. „Du solltest jedenfalls einen Vorrat an Nachos und Reservesocken anlegen.“

Ich verdrehte die Augen. Meine Schwestern kamen auf merkwürdige Ideen! „Er ist James’ Freund und nicht meiner. Ich werde jedenfalls nicht anfangen, seine Wäsche zu waschen.“

Claire machte ein spöttisches Geräusch. „Wir werden ja sehen.“

„Ach, hör dich doch mal an!“ Mary lachte. „Wann hast du denn zum letzten Mal irgendjemandes Wäsche gemacht, dich eingeschlossen?“

„Du bist verrückt“, gab Claire unbekümmert zurück. „Natürlich mache ich meine Wäsche in der Schule.“

Mary runzelte die Stirn. „Das solltest du auch zu Hause tun.“

„Warum? Es macht Mom so viel Spaß, für mich zu waschen“, sagte Claire. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie das sogar ernst meinte.

„Ich mache mir keine Gedanken um die Schmutzwäsche“, erklärte ich den beiden. „Oder darüber, dass ich ihn unterhalten muss. Ich bin sicher, er wird sich gut selbst beschäftigen können.“

„Ha, er war in Hongkong, stimmt’s?“ Claire legte die Hände zusammen und grinste blöd. „Er wird eine Geisha erwarten, du wirst schon sehen.“

„Geishas kommen aus Japan, du dummes Huhn.“ Mary schüttelte den Kopf.

„Wie auch immer.“ Claire blies sich die Haare ihres Ponys aus den Augen.

Ihnen zuzuhören, wie sie sich Katastrophen ausmalten, ließ mich Alex’ Besuch tatsächlich ruhiger entgegenschauen. „Er kommt aus Singapur. Und es wird bestimmt nett werden.“

„Du kannst nicht mehr im Shorty durchs Haus laufen“, sagte Claire und seufzte traurig. Als wäre das die schlimmste Einschränkung von allen. „Wie wirst du das nur aushalten?“

„Ach, tue ich das denn immer?“

„Alter, das ist das Geilste daran, alleine zu leben!“, behauptete meine jüngste Schwester.

Autor

Megan Hart

Seit ihrer Kindheit zählt das Schreiben zu den Hobbys der US-amerikanischen Autorin Megan Hart. Ihr erstes Buch wurde 2002 veröffentlicht, seitdem hat sie zahlreiche Romane in den Genres Fantasie, Horror, Science-Fiction, Romance sowie Erotik geschrieben.

Im dritten Schuljahr entdeckte Megan Hart ihre Liebe zum Schreiben. Ein Buch aus...

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