Alles, wovon du träumst

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Ewig schon will Seth seine Traumfrau Jillian um ihre Hand bitten. Bevor er ihr aber die alles entscheidende Frage stellen kann, muss er ihr noch ein Geheimnis gestehen. Doch als er nach einer rauschenden Party damit herausrückt, scheint es ein Abschied für immer zu werden …


  • Erscheinungstag 20.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747084
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Die ersten schrillen Töne des Hochzeitsmarsches hallten durch die Kapelle in Las Vegas. Spencer Ashton gab sich keine Mühe, seinen Abscheu zu unterdrücken. Er schloss die Augen, um die Säulen aus unechtem Marmor und die kitschige Deckenmalerei nicht sehen zu müssen. Blauer Himmel mit weißen Wölkchen.

Das hatte er nicht verdient. Ihm stand eine pompöse Hochzeit in einer Kathedrale mit Orgelklängen und Chorgesang zu. Und wenn er sich umdrehte, sollte sein Blick auf vollbesetzte Bänke fallen. Koryphäen aus Politik und Wirtschaft und die High Society sollten zu den illustren Gästen gehören. Sie sollten ihm gratulieren und ihn in ihrem elitären Club der Mächtigen und Privilegierten willkommen heißen. Vor allem aber wollte er seine Braut am Arm ihres Vaters durch die Kirche schreiten sehen.

Wie sehr hätte er den Moment genossen. Das war alles, was Spencer an dieser Hochzeit interessierte. Denn mit seiner einzigen Tochter übergab ihm John Lattimer, der in den letzten fünf Jahren sein Boss und Mentor gewesen war, den Schlüssel zu seinem Investment-Banking-Imperium, und Spencer bekam Zugang zu dem gesamten Lattimer-Vermögen.

Ein selbstzufriedenes Lächeln breitete sich auf Spencers Gesicht aus. Caroline, die an seiner Seite stand, deutete dieses Lächeln völlig falsch. Verliebt lehnte sie sich an ihn und flüsterte: „Ich weiß. Ich empfinde dasselbe.“

Spencer bezweifelte das, aber warum sollte er ihr an diesem Tag nicht ein paar freundliche Worten gönnen? „Du bist eine wunderschöne Braut, Caroline.“ Er drückte ihre zitternde Hand und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Zwar bekam er nicht die Zeremonie, die er verdiente, doch das Ergebnis war dasselbe.

Nein, er hatte diese überstürzte Heirat nicht gewollt, doch eine Hochzeit im großen Stil mit Junggesellenabschied und allem, was dazugehörte, barg unnötig große Risiken. Einschließlich der Fragen nach seiner Familie, die doch eingeladen werden musste.

Er hatte keine Familie, die er von dieser Eheschließung in Kenntnis setzen wollte. Aber ab heute würde er einer der bedeutendsten Familien Kaliforniens angehören. Schon bald würde er als rechte Hand seines Schwiegervaters im Aufsichtsrat der Lattimer-Corporation sitzen. Und irgendwann wäre es die Ashton-Lattimer-Corporation.

Das klang so voll und prächtig wie die Kirchenglocken, die in seiner Fantasie zu der pompösen Hochzeit einluden, die er gern gefeiert hätte. Es war der reiche und prächtige Klang seiner Zukunft. Er musste nur so tun, als liebte er die graue Maus, die in wenigen Minuten seine Frau sein würde, über alles.

Der Pfarrer stürmte in die Kapelle, entschuldigte sich für seine Verspätung und begann ohne große Einleitung mit der Zeremonie. Offensichtlich stand er unter Zeitdruck. Spencer hörte nur mit halbem Ohr zu. Sein Blick fiel auf die Perlen an Carolines Hals.

John Lattimers Tochter passte vielleicht in Aussehen, Ehrgeiz und Charakter nicht zu ihm, aber sie war in anderer Hinsicht die ideale Frau: zurückhaltend und liebenswürdig, ruhig und großzügig, und vor allem eine reiche Erbin.

Er lächelte und blickte in ihre feuchten Augen, als er dasselbe bedeutungslose Ehegelübde ablegte wie bei seiner ersten Eheschließung. In Gedanken fügte er noch ein Gelübde hinzu. Er versprach, genug Zeit in Carolines Bett zu verbringen, um die Kinder zu zeugen, die sie sich wünschte. Kinder, die ihre Zeit beanspruchten, sodass sie ihn in Ruhe ließ. Enkelkinder, die die Namen Lattimer und Ashton vereinten und ihn noch sicherer an alles banden, was bald ihm gehören sollte.

Als der Pfarrer sie schließlich zu Mann und Frau erklärte, verspürte Spencer eine ungeheure Euphorie.

Spencer Ashtons Weg von der stinkenden Farm in Crawley, Nebraska, in die High Society von Kalifornien war weit gewesen. Doch jetzt hatte er sein Ziel erreicht. Seinen Erfolg verdankte er dem Umstand, dass er intelligent, gerissen und hartnäckig genug war, seine ehrgeizigen Pläne umzusetzen.

1. KAPITEL

Napa Valley, Kalifornien. Achtunddreißig Jahre später.

Naiv, dumm und blind vor Liebe und Leidenschaft hatte Jillian Ashton alles aufs Spiel gesetzt, als sie mit Jason Benedict nach Las Vegas durchbrannte. Und als die Ehe nachts in einem ausgebrannten Autowrack endete, verlor sie alles.

Ihren lügenden und betrügenden Ehemann, ihr Zuhause, ihre Ersparnisse, ihren Job und das letzte Bisschen ihres Selbstwertgefühls.

Mit einem Schlag – alles weg.

Jetzt, zwei Jahre später, hatte Jillian ein Zuhause und einen Job bei Louret Winery, dem Weingut ihrer Familie im Napa Valley. Und heute bekam sie die Chance, ihr verlorenes Selbstwertgefühl neu aufzubauen. Sie stand im Sitzungszimmer des Weinguts und starrte ihren Bruder an. Als Manager des Unternehmens kontrollierte Cole die Ausgaben, und er nahm diese Aufgabe sehr ernst.

Trotzdem …

„Alles?“, fragte Jillian argwöhnisch. Der 1. April war doch erst Freitag. „Du stimmst allen Veränderungen zu?“

„Nicht so schnell, Jellie. Ich habe gesagt, deine Ideen gefallen mir. Hol ein paar Angebote ein.“

„Aber du hast noch nicht …“

„… die ganze hübsche Präsentation gesehen?“ Cole lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wirkte eher amüsiert als beeindruckt. „Spar dir den Rest für das Meeting am nächsten Montag. Ich habe um zehn Uhr einen Termin, den ich unbedingt einhalten muss.“

Jillian holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. Sicher, dass er ihren Spitznamen aus Kindheitstagen benutzte und sich sarkastisch über ihre PowerPoint-Präsentation äußerte, nagte an ihr, doch sie sollte eigentlich an das herablassende Benehmen ihres Bruders – ihrer Brüder – gewöhnt sein.

Als die jüngste von vier Geschwistern hatte sie diese joviale Art ihr ganzes Leben ertragen müssen.

Im Nachhinein musste sie sich allerdings eingestehen, dass die Präsentation für ein Meeting innerhalb der Familie vielleicht etwas übertrieben gewesen war – zumal Cole und sein Hund als einzige Familienmitglieder erschienen waren – doch sie hatte Eindruck machen wollen. Monatelang hatte sie an ihrem Vorschlag gearbeitet, den Verkostungsraum des Weinguts zu vergrößern und zu verändern.

Sie brauchte die Herausforderung für ihre berufliche Kreativität und für ihr persönliches Wohlbefinden.

„Wie sieht dein Zeitplan für dieses Projekt aus, Jellie?“

Jillian straffte die Schultern. Sie wollte allen zeigen, dass sie nicht nur die kleine Schwester war. Ihre Ehe war vielleicht gescheitert, aber sie hatte einen Abschluss in Weinbau und Önologie und in den letzten achtzehn Monaten erfolgreich den Verkauf und die Verkostungen auf dem Weingut geleitet.

Und sie war schon über dreißig, verdammt noch mal!

Sie unterdrückte ihre Wut und packte ihre Sachen zusammen, bevor sie Coles Frage beantwortete. „Zehn bis vierzehn Tage. Das hängt auch vom Terminkalender des Bauunternehmers ab.“

„Hast du eine Liste mit Bauunternehmern?“

Jillian tippte auf ihre Mappe. „Ja. Wie viele Angebote möchtest du haben?“

„Das überlasse ich dir. Hauptsache, Seth Benedict ist dabei.“ Er sah sie durchdringend an. „Ist das ein Problem für dich?“

Ja. Sie schluckte den Kloß hinunter, den sie plötzlich im Hals hatte, und erwiderte Coles Blick. „Nein.“

Cole nickte. „Gut. Bei Seth weiß ich, dass es richtig gemacht wird.“

„Ich werde daran denken.“

Mit dem Laptop unterm Arm verließ sie den Tagungsraum und schloss die Tür hinter sich. Einen Moment lang lehnte sie sich zitternd dagegen.

Aber nur kurz. Dann machte sie sich gereizt auf den Weg in ihr Büro – dem kleinsten von insgesamt zwölf Büroräumen.

Bei Seth weiß ich, dass es richtig gemacht wird.

So viel zum Vertrauen ihres Bruders in ihre Fähigkeit, diese Aufgabe zu erledigen. Aber Seth Benedict hatte wirklich einen guten Ruf …

Sie ließ sich in den Schreibtischstuhl fallen. Als sie an Seth dachte, wurde sie unruhig. Er war ein unglaublich attraktiver Mann. Breite Schultern und schmale Hüften, dunkelhaarig. Er hatte einen beängstigend durchdringenden Blick und die beunruhigende Angewohnheit, das Kommando zu übernehmen.

Außerdem war er ihr Schwager und der einzige Mensch, der die demütigenden Details ihrer katastrophalen Ehe kannte. Er hatte seine Hilfe angeboten – auch wenn sie ihn nicht darum gebeten hatte – und das finanzielle Chaos entwirrt, das Jason hinterlassen hatte. Das bedeutete aber auch, dass er wusste, wie naiv und leichtgläubig sie gewesen war.

Die erfolgreiche Neugestaltung des Verkaufs- und Verkostungsraums war Jillians große Chance, sich von der dunklen Vergangenheit zu lösen. Und wenn sie diesen Erfolg nur mit Seth Benedict erzielen konnte, dann würde sie eben mit ihm zusammenarbeiten.

Seth Benedict liebte die harte körperliche Arbeit auf dem Bau und fand Befriedigung darin, einen schweren Hammer zu schwingen.

Mann, er betätigte sich viel zu selten auf diese Weise.

Die Kehrseite seines Erfolgs als Bauunternehmer war, dass er zu viel Büroarbeit hatte, zu viel Planung und Beratung, zu wenig praktische Arbeit. Für ihn gab es nichts Schöneres, als Wände einzuschlagen. Selbst an seinem neununddreißigsten Geburtstag!

Abgesehen von einer Sache.

Gerade heute Morgen war er aus einem erotischen Traum aufgewacht. Total erregt und den Kopf voller heißer Fantasien.

Doch das Telefon riss ihn aus seinen Träumen – Lou, sein Vorarbeiter meldete sich krank. Er hatte den Hörer gerade aufgelegt, da sprang seine Tochter schon in sein Bett und gratulierte ihm aufgeregt zum Geburtstag.

Dann klingelte wieder das Telefon, und schließlich erschien seine Haushälterin Rosa auf der Suche nach Rachel, und um Anweisungen für das Frühstück entgegenzunehmen. Die Fantasien waren verschwunden; die Realität hatte ihn eingeholt.

Ein florierendes Geschäft, ein Telefon, das niemals stillstand, und eine dreijährige Tochter, die er von Herzen liebte. Keine Zeit also für Träume.

„Chef?“

Seth drehte sich um.

„Sie haben … Besuch.“ Tony, einer der jüngeren Arbeiter, deutete mit dem Daumen über die Schulter. Seth musste sofort an frühere Geburtstage denken und befürchtete schon wieder irgendwelche frivolen Überraschungen wie beispielsweise eine nackte Frau, die aus einer riesigen Torte stieg.

Widerstrebend legte er das Werkzeug aus der Hand und entfernte Mundschutz und Schutzbrille. Dann setzte er ein freundliches Gesicht auf, um mit Humor die „nackte“ Überraschung entgegenzunehmen, die durch die Tür kommen würde.

Hauptsache, sie lässt die Hände von mir.

Doch als er aufblickte, setzte sein Verstand für einen Moment aus. Die heißesten Fantasien schossen ihm durch den Kopf.

Jillian Ashton-Benedict schritt über den Bauschutt. Lange Beine, hohe Schuhe, total overdressed … in dem Aufzug passte sie weder in seine Fantasien noch auf eine Baustelle. Sie trug ein Kleid, das die Farbe von Sandstein hatte, schmal geschnitten war und kurz über dem Knie endete.

Keine Frau strahlte so viel kühle Eleganz aus wie Jillian Ashton-Benedict.

Und niemand erregte Seth heftiger.

Sie strich über ihr welliges Haar, und er sah den schmalen goldenen Ring an ihrem Finger. Dann trafen sich ihre Blicke über die hundert Jahre alten Mauersteine und Balken hinweg, die zwischen ihnen lagen.

Trauriger Rest aus der Vergangenheit. Wie passend.

Es war immer dasselbe. Dieser erste gekünstelte Moment, geboren aus ihrer gemeinsamen Geschichte. Der Unfall, der ihre Ehepartner das Leben gekostet hatte. Jillians verletzter Stolz, weil Seth die Zeit danach miterlebt hatte, als sie ganz am Boden gewesen war. Seine erzwungene Zurückhaltung, damit sie nicht merkte, wie scharf er auf sie war.

„Bleib, wo du bist“, sagte er barscher als beabsichtigt. Sie trug immer noch den Ring seines verstorbenen Bruders. „Tony hätte dich ohne Schutzhelm gar nicht auf den Bau lassen dürfen.“

„Mach Tony keinen Vorwurf“, sagte sie schnell. „Ich habe gesagt, dass du mich erwartest.“

Was nun absolut nicht der Wahrheit entsprach. Seth hatte Jillian zuletzt kurz vor Weihnachten gesehen, und das auch nur zufällig. Sie hatte ein Geschenk für Rachel gebracht und nicht damit gerechnet, dass er zu Hause sein könnte.

„Wir sind uns seit drei Monaten nicht begegnet. Ich dachte schon, du gehst mir aus dem Weg.“

„Nein.“ Sie wich seinem Blick aus.

„Komisch, dass Tony dir geglaubt hat. Wo du doch so eine schlechte Lügnerin bist.“

„Was du nicht sagst.“ Sie seufzte. „Aber du hast recht. Tony hat mir sicher auch nicht geglaubt. Er hat gesagt, dass er mich nur zu dir lässt, weil du Geburtstag hast.“

„Dachte er, du hättest eine Geburtstagsüberraschung für mich?“ Seth malte sich eine erotische Geburtstagsüberraschung mit Jillian aus. Nackt und wie ein Geschenk verpackt.

„Entschuldige. Das habe ich ganz vergessen. Sonst hätte ich dir eine Karte mitgebracht. Vielleicht sogar einen Kuchen.“

„Mit Kerzen?“

„Wäre die Gefahr eines Feuers nicht zu groß gewesen?“

Nur in Seth’ Fantasie. Er stellte sich plötzlich vor, wie Jillian nur mit einem winzigen Slip und diesen sexy High Heels bekleidet aus einer kitschig-klebrigen Geburtstagstorte stieg. Hör auf damit, ermahnte er sich. Jillian war seine Schwägerin. Er hatte kein Recht, sie zu begehren.

„Ich habe in deinem Büro angerufen“, sagte sie. „Mel hat mir gesagt, dass du hier bist. Sie hat aber nicht gesagt, dass du die Villa Firenze zerstörst.“

Um auf die Szene der Verwüstung hinzuweisen, machte sie diese kleine Handbewegung, die so typisch für sie war. Jillian hatte schöne Hände, was ihm sofort aufgefallen war, als er sie damals als Jasons Braut kennenlernte.

Sie reizten ihn, wie so viele Dinge an ihr.

„Die Maldinis bauen die untere Etage zu einem Restaurant um.“

„Ahh.“ Sie drehte sich auf ihren hohen Schuhen und betrachtete die Baustelle. „Sieht nach einem großen Auftrag aus.“

„Ist es auch.“

„Ich hoffe, sie bieten toskanische Küche an.“

„Das werden sie.“

Jillian nickte zufrieden. Jetzt hatte sie den idealen Einstieg für ihr Anliegen. „Darüber möchte ich gern mit dir sprechen, Seth.“

Überrascht zog er eine Augenbraue hoch. „Willst du ein Restaurant eröffnen?“

„Nein. Natürlich nicht.“ Sie liebte gutes Essen, konnte selbst jedoch nicht kochen. „Aber ich möchte unseren Verkostungsraum erweitern und umbauen. Ich hätte gern ein Angebot von dir.“

Na also, das war doch gar nicht so schwer, dachte Jillian. Schade nur, dass sie nicht an seinen Geburtstag gedacht hatte. Eine Karte, ein Kuchen, eine Flasche Wein wären angebracht gewesen.

Nicht angebracht dagegen war, auf den kleinen Riss in seinem T-Shirt zu starren, auf die dunkle Haut, die darunter zum Vorschein kam und die noch dunkleren Haare. Ihr wurde heiß. „Oder komme ich ungelegen?“, fragte sie nervös.

„Jetzt bist du hier. Wir können uns unterhalten, aber lass uns rausgehen.“

Er trug einen Schutzhelm. Sie nicht. „Ich breche wahrscheinlich alle Sicherheitsvorschriften.“

„Ja.“ Ihre Blicke trafen sich, seine Augen waren so dunkel und tiefgründig und beunruhigend wie immer. „Das tust du.“

„Also, was ist das für ein Job?“

Seth lehnte lässig an dem knorrigen Stamm eines alten Olivenbaumes.

Sie deutete auf die Villa. „Nicht so umfassend wie dein jetziger Job. Es handelt sich um die Neugestaltung und Renovierung unseres Verkostungsraums.“

„Das Geschäft läuft also gut?“

„Besser denn je. Das Osterwochenende war absolut verrückt, und wir erwarten im Sommer noch mehr Betrieb, zumal wir gerade eine große Marketingkampagne gestartet haben.“

Er zog die Augenbrauen leicht hoch. „Ich dachte, bei Weingütern läuft alles über Mund-zu-Mund-Propaganda und Prämierungen.“

„Ja, aber wir bewerben unseren ersten Chardonnay. Außerdem besteht bei der derzeitigen angespannten Wirtschaftslage die Gefahr, dass weniger Premiumweine und mehr durchschnittliche Weine gekauft werden.“

„Ihr verliert Marktanteile?“

Mit einem Mann wie Cole am Steuer? Oh nein, ihr Bruder würde so etwas niemals zulassen! „Nein, unser Umsatz wächst, aber wir wollen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.“

„Wie sieht der Zeitplan für die Renovierung aus?“

„Sie muss schnell und ohne Probleme über die Bühne gehen. Auch während der Arbeiten sollen Verkostungen stattfinden, deshalb richte ich in der Kellerei einen provisorischen Verkostungsraum ein.“ Eli würde es nicht gefallen. „Was den Beginn der Arbeiten betrifft …“ Sie holte tief Luft und sah ihn direkt an. „Das hängt von dir ab.“

Seth blickte sie lange an. Der Blick aus seinen dunklen Augen war in dem Licht- und Schattenspiel unter den Bäumen noch schwerer zu ergründen als normalerweise. „Ich habe noch nicht zugesagt, Jillian.“

„Heißt das, du willst den Auftrag nicht annehmen?“

„Von nicht wollen kann nicht die Rede sein. Ich kann nicht. Jedenfalls nicht, wenn du ihn in den nächsten ein oder zwei Monaten erledigt haben willst.“

„Bist du so ausgelastet?“, fragte Jillian enttäuscht.

„Ich habe letzte Woche noch zwei Aufträge angenommen, und mehr schaffe ich beim besten Willen nicht.“

Verdammt!

Der Enttäuschung folgte unterschwellig das Gefühl der Erleichterung. Die ganze aufgestaute Anspannung fiel langsam von ihr ab. Sie hatte Seth gefragt, und er hatte Nein gesagt.

Jetzt konnte sie wie zuvor weitermachen. Sie musste ihm nicht unbedingt aus dem Weg gehen, aber sie brauchte auch nicht mit ihm zusammen zu sein. Der Mann machte ihr Angst. In seiner Gegenwart fühlte sie sich zu sehr als Frau. Und das verunsicherte sie.

Mit dem Daumen berührte sie ihren Ehering, den sie immer noch an der linken Hand trug. Nicht als Erinnerung, sondern als Mahnung, dass ihr der gleiche Fehler nicht noch einmal passieren durfte.

Eine Warnung, bei Männern vorsichtiger zu sein.

Doch dieser Mann hatte sie aus der Reserve gelockt. Seinetwegen war sie hier, und er hatte sie ermutigt, über ihre Pläne zu sprechen. „Wenn du nicht interessiert bist, warum hast du das dann nicht gleich gesagt?“

„Ich habe nicht behauptet, dass ich nicht interessiert bin.“ Sein Blick veränderte sich, dunkel und geheimnisvoll ruhte er auf ihr. Sie wurde nervös. „Ich habe gesagt, dass ich deinen Zeitrahmen nicht einhalten kann.“

Seth beobachtete, wie Jillian die Lippen zusammenkniff und sich aufrichtete. Sie bemühte sich um Fassung und Würde, nachdem sie sich eine Abfuhr eingehandelt hatte. Er wusste, dass sie seine Entscheidung hinnehmen und ihn nicht weiter bedrängen würde.

Verdammt, dieses eine Mal wünschte er, sie würde ihn um einen Gefallen bitten.

„Warte.“ Er würde seine Absage nicht zurücknehmen, was jedoch nicht bedeutete, dass er ihr nicht doch helfen konnte. „Ich habe gehört, dass Terry Mancini mit dem Ruhestand nicht besonders glücklich ist. Vielleicht hat er Interesse an dem Job. Ich kann mich auch einmal umhören und sehen, wer …“

„Das ist nicht nötig“, unterbrach sie ihn. „Ich finde schon allein jemanden.“

Aufrecht drehte sie sich um. Typisch Jillian. Kühl lehnte sie seine Unterstützung ab.

Nur einmal hatte sie seine Hilfe angenommen. Aber nicht freiwillig. Sie hatte nur keine andere Wahl gehabt. Oh, wie sehr hatte sie sich in ihrer Würde verletzt gefühlt, als die Wahrheit über Jason ans Licht gekommen war.

Seth spürte die Anspannung in seinen Schultern. „Ich bin überzeugt, dass du viele Leute finden wirst, die den Job gern annehmen. Aber sind sie auch gut?“

Sie hatte sich bereits ein paar Schritte entfernt, doch sie warf noch einen Blick zurück über die Schulter. „Das weiß ich nicht, Seth. Deshalb bin ich zuerst zu dir gekommen.“

„Tut mir leid, dass ich dir nicht helfen kann.“

„Mir auch.“ Sie blickte ihn direkt an. „Ich wollte den Besten.“

2. KAPITEL

Jillian stand noch vor Sonnenaufgang auf. Auf Zehenspitzen schlich sie von ihrem Schlafzimmer in der ersten Etage die geschwungene Treppe hinunter. Dies war ihr Elternhaus, hier hatte sie bis zu ihrer Ehe mit Jason gelebt, und hierher war sie nach seinem Tod zurückgekehrt.

Bei ihren Eltern zu wohnen war für sie kein Problem. Sie führte kein ausschweifendes Leben – geschweige denn ein Liebesleben. Mit Anfang zwanzig hatte sie dem sicheren und ruhigen Leben auf The Vines nicht schnell genug entfliehen können, doch jetzt war es genau das, was sie sich für die Zukunft wünschte.

Am Fuß der Treppe drehte sie in Richtung Küche … und stieß mit ihrer Mutter zusammen.

Caroline Sheppard erschrak, und Jillian stieß einen überraschten Schrei aus.

„Meine Güte, Mom, hast du mich erschreckt! Was machst du denn hier zu nachtschlafender Zeit?“

„Dasselbe könnte ich dich auch fragen.“

Jillian hielt ihre Reitstiefel hoch. „Ich habe heute Morgen Pflichten im Stall, und ich muss vor acht Uhr fertig sein.“

„Noch ein Bauunternehmer?“

„Ja.“ Leider.

„Setz dich nicht zu sehr unter Druck, Jillie. Die Sache ist nicht eilig.“

„Doch. Überleg mal, was für ein Betrieb über Ostern geherrscht hat. Wir müssen mit dem Umbau unbedingt bis zum Sommer fertig sein, Mom. Je eher, desto besser.“

Autor

Bronwyn Jameson
Es hat lange gedauert, bis Bronwyn Jameson wusste, welchen Beruf sie einmal ergreifen wollte. In ihrer Kindheit träumte sie davon, Tierärztin zu werden – leider kann sie kein Blut sehen, sodass daraus nichts wurde. Danach spielte sie mit dem Gedanken, sich dem Journalismus zuzuwenden, war allerdings zu schüchtern, um sich...
Mehr erfahren