Am Tag, als die Liebe kam

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Sex ohne Liebe! Nur zum Schein hat Louise den attraktiven Banker Alex geheiratet - und sich dann dummerweise ganz unvertragsgemäß in ihren Mann verliebt. Tapfer hält sie ihre Gefühle unter Verschluss. Bis sie zufällig sieht, wo Alex offenbar seine vielen "Überstunden" macht …


  • Erscheinungstag 08.02.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729745
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

War Alex Fabian ungehalten, ließ er es seine Umwelt deutlich spüren, und jeder, der ihn kannte, ging ihm wohlweislich aus dem Weg.

Als Alex am frühen Abend die Villa seiner Großmutter am Rande des Hydeparks betrat, war er in eben jener gereizten Stimmung. Dennoch schenkte er dem treuen Butler Barnes, den er seit seiner Kindheit kannte, ein freundliches Lächeln, als dieser ihm die Tür öffnete.

„Wie geht es Ihnen und Ihrer Frau, Barnes?“

„Ausgezeichnet, Mr. Alex, danke der Nachfrage.“ Barnes verneigte sich kurz. „Ihre Ladyschaft ist noch nicht unten, Mr. Fabian wartet aber schon im Salon.“

„Mein Vater?“ Alex runzelte die Stirn. „Ich dachte, die beiden sprechen nicht mehr miteinander!“

„Letzte Woche ist es zu einer Annäherung gekommen“, verkündete der Butler feierlich.

„Aha.“ Alex reichte Barnes seinen Mantel und warf einen kritischen Blick in den antiken Garderobenspiegel mit dem vergoldeten Rahmen.

Ich hätte noch zum Friseur gehen sollen, dachte er und strich sich das goldbraune und leicht gelockte Haar zurück, das bis auf seinen Hemdkragen fiel. Mochte seine Frisur auch eher lässig und unkonventionell wirken, an seiner Garderobe hätte selbst der konservativste Kritiker nichts auszusetzen gehabt. Der dunkelgraue Anzug mit der silbergrauen Satinweste, das blütenweiße Seidenhemd und die dezent gestreifte Krawatte entsprachen genau dem, was die Etikette für einen offiziellen Besuch bei seiner Großmutter vorschrieb.

Und um einen offiziellen Besuch handelte es sich, denn Lady Selina Perrin hatte ihn, Alex, zu sich zitiert, ohne Zeit mit Höflichkeiten zu verschwenden.

Er ahnte jedoch schon, was hinter dieser Einladung steckte, und als er durch die riesige Halle ging, blickte er grimmig drein.

George Fabian hatte es sich bereits im Salon bequem gemacht. Mit einem Whisky und seiner Zeitung in Händen saß er auf dem Sofa neben dem Kamin. Ohne aufzublicken, begrüßte er seinen Sohn. „Guten Abend, Alex. Wir sind angewiesen worden, uns unseren Drink selbst einzuschenken.“

„Danke, aber für Alkohol ist es mir noch zu früh.“ Alex blickte demonstrativ auf seine Uhr. „Sind wir eigentlich zum Abendessen oder zum Nachmittagstee eingeladen?“

„Das musst du deine Großmutter fragen und nicht mich.“ George zuckte die Schultern. „Dieses gemütliche kleine Familientreffen war allein ihre Idee.“

„Und was soll das Ganze?“ Alex ging zum Kamin und schob mit dem Fuß ein brennendes Scheit weiter in die Flammen.

„Wenn ich richtig informiert bin, möchte sie mit uns die Einzelheiten ihrer Geburtstagsfeier besprechen.“ George machte eine bedeutungsvolle Pause. „Unter anderem.“

„So?“ Alex lächelte spöttisch. „Und was steht sonst noch auf der Tagesordnung?“

Sein Vater blickte ihn an. „Wie ich die Sache sehe, wird sie mit dir über deine Position als zukünftiger Präsident der Perrin Bank sprechen wollen.“

Alex war pikiert. „Zweifelt sie etwa an meiner Qualifikation?“

„Durchaus nicht.“ George Fabian faltete die Zeitung zusammen und legte sie neben sich aufs Sofa. „Nicht deine beruflichen Fähigkeiten stehen zur Debatte, sondern deine Kapriolen im Privatleben. Zu viele Bilder und Berichte in der Regenbogenpresse – zu viele Frauen.“

„Muss man denn im Zölibat leben, um beim Bankhaus Perrin arbeiten zu dürfen?“ Alex gab sich gelassen, war jedoch verärgert. Genau diese Vorwürfe hatte er erwartet!

„Sei doch realistisch, Alex!“ George wurde ungeduldig. „Perrin ist eine Bank alten Stils, wo konservative Wertvorstellungen gepflegt werden. Die Kunden, die uns ihr Vertrauen schenken, erwarten einen ernsthaften und verantwortungsbewussten Menschen an der Spitze, keinen Playboy. Der Medienrummel, der um dich gemacht wird, passt einfach nicht in dieses Bild.“ Er machte eine Pause. „Du blickst auf eine steile Karriere zurück, und kannst tief fallen, Alex.“

„Danke für deine Belehrungen.“ Alex verbeugte sich ironisch. „Hat man dich gebeten, mir diese Weisheiten zu verkünden, oder sind sie deinen eigenen Überlegungen entsprungen?“

George Fabian seufzte. „Sei doch nicht so empfindlich, Alex! Als dein Vater habe ich nicht nur das Recht, sondern bin ich dazu verpflichtet, dir die Augen zu öffnen. Es ist doch nur natürlich, dass ich an deinem Leben Anteil nehme, und ich möchte dich davor bewahren, dein Talent zu vergeuden.“

„Sollte es hart auf hart kommen, gibt es außer Perrin auch noch andere Banken.“ Alex ließ sich nicht einschüchtern.

„Natürlich.“ George nickte zustimmend, betrachtete ihn dann allerdings lange und nachdenklich. „Es sei denn, dein Ruf ist so angekratzt, dass niemand mehr etwas mit dir zu tun haben will und man dich wie eine heiße Kartoffel fallen lässt.“

„Ich glaube, ich brauche jetzt doch einen Drink“, sagte Alex, nachdem er eine ganze Weile schweigend vor sich hingesehen hatte, und ging zur Hausbar, um sich einen Whisky einzuschenken. Das Glas in der Hand, drehte er sich wieder zu seinem Vater um. „Nun sag schon, welche Gerüchte sind dir zu Ohren gekommen?“

George zögerte. „Bei der nächsten Umbesetzung des Parlaments ist Peter Crosby als Abgeordneter im Gespräch“, begann er schließlich zusammenhangslos.

Alex verzog keine Miene. „Und das bedeutet?“

„Das bedeutet, dass sich die Medien sehr für ihn interessieren werden.“ Auch George griff jetzt zu seinem Glas. „Eine bestimmte Illustrierte hat gleich mehrere Reporter auf seine Frau angesetzt.“

Alex schwieg diesmal noch länger. „Ich verstehe“, meinte er dann ausdruckslos.

„Außerdem soll Crosby einen Rechtsanwalt eingeschaltet haben, der ihm geraten hat, seine Frau von einem Privatdetektiv beschatten zu lassen. Wie du weißt, ist die Ehe kinderlos, und es sieht ganz so aus, als wollte Peter der schönen Lucinda den Laufpass geben, bevor sie auf seinem Weg zu Ruhm und Macht durch weitere Indiskretionen zu einem Stolperstein wird. Du bist nämlich nicht ihr erster Liebhaber.“

„Ich weiß.“

„Peter ist nicht gerade zimperlich. Wenn er sich einen Vorteil davon verspricht, wird er auch nicht davor zurückschrecken, Namen zu nennen und seine schmutzige Wäsche in aller Öffentlichkeit zu waschen.“

„Woher hast du nur all diese detaillierten Informationen? Anscheinend haben viele unserer lieben Mitmenschen nichts Besseres zu tun, als ihre Nase in die Angelegenheiten fremder Leute zu stecken.“ Alex leerte sein Glas in einem Zug.

„Dafür solltest du ihnen dankbar sein, denn schließlich bist du jetzt gewarnt“, erwiderte sein Vater nüchtern. „Nie im Leben würde der Vorstand des Bankhauses Perrin einen Mann zum Vorsitzenden machen, der Hauptakteur in einem Scheidungsskandal gewesen ist.“

„Mich beherrschen ganz andere Gefühle als ausgerechnet Dankbarkeit.“

George blickte ihn betroffen an. „Willst du mir etwa erzählen, Lucinda Crosby wäre deine große Liebe?“

„Du meine Güte, nein!“ Alex lachte. „Außerdem glaube ich nicht an die große Liebe.“

Er hatte die Affäre mit Lucinda, die nicht nur schön, sondern auch sehr leidenschaftlich war, in vollen Zügen genossen. Doch der erste Reiz war verflogen, und er hatte schon mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt, die Beziehung zu beenden. Ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau war auf Dauer einfach nicht sein Fall.

Alex sah seinem Vater offen ins Gesicht. „Lucinda ist wirklich kein Problem für mich. Bist du jetzt beruhigt?“

„Nein, denn das ist noch nicht alles.“ George runzelte die Stirn. „Hat deine Großmutter dir gegenüber schon einmal Archie Maidstone erwähnt, ihren Cousin, der kurz vor dem Krieg nach Südafrika ausgewandert ist?“

Alex nickte. „Ja. Ich hatte den Eindruck, dass sie ihn einmal sehr gemocht hat, er aber in Schwierigkeiten geraten ist und von seiner Familie ins Ausland verbannt wurde.“

„Genau der ist es. Er hat damals bei Perrin gearbeitet und Gelder veruntreut. Seine Familie hat sich daraufhin zusammengetan und alles zurückgezahlt. Archie wurde allerdings nach Afrika abgeschoben und durfte sich in England nie wieder blicken lassen.“

Alex pfiff leise. „Er muss doch schon uralt sein.“

„Er ist längst tot“, klärte sein Vater ihn auf. „Sein Enkel hingegen ist quicklebendig und bereist gerade das Land seiner Vorfahren – er ist sozusagen auf Versöhnungstour. Deine Großmutter war sehr beeindruckt von ihm, und er hat sogar ein Wochenende in Rosshampton verbracht.“

„Und was gibt es sonst noch von ihm zu berichten?“ Alex runzelte die Stirn.

„Er ist verheiratet. Deine Großmutter hat ihn und seine Frau zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen, damit auch sie Rosshampton kennenlernen kann. Dein Erbe ist also keinesfalls so sicher, wie du es dir einbildest, Alex. Du hast ganz offensichtlich einen Konkurrenten.“

„Ich bin ihr einziger Enkel. Dieser Maidstone kann nicht mehr als ein Cousin zweiten oder dritten Grades sein. Sie hat immer davon gesprochen, Rosshampton an mich zu übergeben. Zweifelst du daran?“

„Allerdings“, gab George zu. „Sie hat einen Narren an ihm gefressen, was verständlich ist, denn er ist verheiratet und pflegt seine gesellschaftliche Stellung. Er führt ein Leben, wie sie es mag. Du dagegen bereitest ihr Kummer.“

Alex presste die Lippen zusammen und betrachtete das Aquarell, das er seiner Großmutter zu ihrem achtzigsten Geburtstag hatte malen lassen: ein elegantes Landhaus aus grauem Sandstein in der Nähe eines Sees, umgeben von alten Bäumen und Wiesen, an einem strahlenden Herbsttag.

Die glücklichsten Stunden seiner Kindheit hatte er dort verbracht, und auch heute noch zog es ihn stets dorthin. Rosshampton war der Ruhepol in seinem hektischen Leben, und schon als Junge hatte er sich ganz selbstverständlich als der zukünftige Besitzer des Anwesens gefühlt.

Seine Großmutter hatte ihn darin bestärkt und seine Liebe zu dem Landsitz gefördert. Die Worte seines Vaters hatten jedoch bewirkt, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben nicht mehr so ganz sicher war. Die Vorstellung, Rosshampton zu verlieren, beunruhigte ihn mehr als all die anderen Hiobsbotschaften, die sein Vater ihm gerade überbracht hatte.

Alex verstärkte seinen Griff um das leere Whiskyglas. Dieser unbekannte Enkel eines Mannes, für den Selina Perrin einst eine Schwäche gehabt hatte, wollte ihm Rosshampton streitig machen? Das wird ihm nicht gelingen, selbst wenn ich Himmel und Hölle dafür in Bewegung setzen muss, schwor sich Alex.

Die Tür öffnete sich, und Lady Perrin betrat den Salon. Sie trug ein elegantes, langes schwarzes Kleid, und ihr weißes Haar war hochgesteckt. Sie stützte sich schwer auf ihren Gehstock mit dem silbernen Griff, für den sie normalerweise nur ein verächtliches Lächeln übrig hatte. Sein Ärger über seine Großmutter war sofort verflogen und wich aufrichtigem Mitgefühl, denn ihre Arthritis schien ihr sehr zu schaffen machen. Alex war jedoch klug genug, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen.

Selina begrüßte kurz ihren Sohn und drehte sich dann zu Alex um. Mit wachen Augen musterte sie ihn von Kopf bis Fuß. „Lange nicht mehr gesehen, Alex.“

Er beugte sich vor und küsste ihre sorgfältig gepuderte Wange. „In Gedanken bin ich oft bei dir.“

„Was du nicht sagst!“ Sie setzte sich mühsam auf das andere Sofa und nahm dankbar den Sherry an, den er ihr reichte. Mit der freien Hand klopfte sie auf den Platz neben sich. „Komm, setz dich, und erzähl mir, was du so machst – außer den Dingen, die man in den Illustrierten über dich lesen kann, denn die finde ich geschmacklos.“

Alex zuckte nur die Schultern. „Man sollte nicht alles glauben, was in den Zeitungen steht, Gran. Davon abgesehen, meine ich, dass man sich auch amüsieren darf, wenn man hart arbeitet.“

„Dagegen habe ich auch nichts einzuwenden. Nur dein Umgang gefällt mir nicht. Und jetzt sieh deinen Vater nicht so vorwurfsvoll an. Der hat nämlich nichts von Lucinda Crosby verlauten lassen. Ich weiß es aus einer anderen Quelle.“ Selina schwieg einen Moment. „Meinst du nicht, dass es Zeit für dich wird, die Frauen anderer Männer in Ruhe zu lassen und dich nach einem anständigen und vernünftigen Mädchen umzusehen, es zu heiraten und eine Familie zu gründen?“

Ihre Taktik überraschte ihn. Er hatte mit einigen Andeutungen während des Essens gerechnet, aber nicht mit diesem Frontalangriff. Doch er hatte sich schnell wieder in der Gewalt.

„Wie nüchtern und langweilig das klingt, Gran! Außerdem wäre ich der letzte Mann, den ein Mädchen, wie du es beschrieben hast, heiraten würde.“

„Das ist ausgemachter Unsinn, wie du selbst am besten weißt.“ Seine Großmutter lächelte kühl. „Dein Lebensstil wirft kein gutes Licht auf die Familie, und das muss ein Ende haben. Ich werde nicht dulden, dass das Ansehen unseres Bankhauses durch deine Eskapaden Schaden nimmt. Wie alt bist du eigentlich? Dreiunddreißig?“

„Zweiunddreißig“, antwortete er automatisch und ärgerte sich darüber, dass er überhaupt auf ihre Frage eingegangen war.

„Genau“, erwiderte sie ungerührt. „Du solltest dir die Hörner eigentlich längst abgestoßen haben.“

Alex kochte vor Wut. „Möchtest du nicht gleich eine geeignete Kandidatin vorschlagen?“

„Eine? Ich könnte dir Dutzende nennen, werde mich aber hüten, es zu tun, um ihnen nicht die Chancen zu verderben.“

Ob er wollte oder nicht, er musste lächeln. „Du bist unmöglich, Gran!“

Sie ließ sich nicht beirren. „Es ist mir Ernst, Alex. Ich habe in drei Monaten Geburtstag und erwarte, dass du mir auf der Feier deine Frau vorstellst.“

Alex glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen, und blickte zu seinem Vater. Dieser sah seine Mutter ungläubig an.

„Das ist unmöglich, Gran“, antwortete Alex leise. „Du musst doch einsehen, dass ich innerhalb so kurzer Zeit keine Braut finden und sie obendrein überreden kann, mich auf der Stelle zu heiraten.“

„Du bist reich, attraktiv und hast mehr Charme, als dir gut tut.“ Selina Perrin ließ sich nicht erweichen. „Ich verlange nichts Unmögliches von dir und kann dir nur raten, mich nicht zu enttäuschen.“

Er verstand die versteckte Warnung sofort. „Gran …“, begann er verzweifelt.

Sie ging nicht darauf ein. „Rosshampton ist ein Haus für eine Familie. Nie würde ich dulden, dass es zu einer Junggesellenbude verkommt. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

Alex wurde blass, und das Blut rauschte ihm in den Ohren. „Ja“, antwortete er heiser und beobachtete mit ohnmächtiger Wut, wie Lady Selina Perrin zufrieden lächelte.

Resolut griff sie zu ihrem Stock. „Und jetzt lasst uns ins Speisezimmer gehen. Ich hoffe, ihr habt beide ordentlich Hunger mitgebracht.“

Der Appetit war Alex jedoch gründlich vergangen. Mit Kritik und Vorwürfen seitens seiner Großmutter hatte er gerechnet. An ein derartiges Ultimatum hätte er allerdings selbst im Traum nicht gedacht.

Doch er würde um Rosshampton kämpfen! Außerdem liebte er seine Großmutter und würde ihr jeden Wunsch erfüllen, auch wenn sie ihn manchmal noch so wütend machte.

Wenn alles davon abhing, während der nächsten drei Monate zu heiraten, dann würde er es eben tun.

Aber, liebe Gran, dachte er, als er sich zu Tisch setzte, noch steht nicht fest, wer von uns beiden zuletzt lacht. Er war nämlich fest entschlossen, sich seine Frau zu seinen Bedingungen suchen.

1. KAPITEL

„Louise? Bist du es? Was machst du da?“

Louise Trentham, die auf dem Speicher zwischen alten Koffern kniete, hörte durch die Bodenluke die vorwurfsvolle Stimme ihrer Stiefmutter und schnitt ein Gesicht.

„Ich suche nach Abendkleidern aus den 30er-Jahren“, rief sie zurück. „Die brauche ich für unsere Laienspielgruppe.“

„Komm bitte sofort runter!“, befahl Marian Trentham. „So kann ich mich nicht mit dir unterhalten!“

Louise seufzte, wischte sich die Hände an ihrer Jeans ab und kletterte die Leiter hinunter.

„Habe ich etwas vergessen?“, fragte sie dabei. „Im Haus blitzt alles vor Sauberkeit, die Blumen sind deinen Wünschen entsprechend arrangiert, und ich habe eingekauft, was Mrs. Gladwin zum Kochen braucht.“

„Sie hat mich im Stich gelassen!“, erklärte Marian ärgerlich. „Sie hat gerade angerufen, um sich für heute Abend zu entschuldigen, weil ihr Ältester einmal wieder einen Anfall hatte. Dabei weiß sie ganz genau, was von dem Essen heute Abend abhängt!“

Louise musste ein Lächeln unterdrücken. Es gab wohl niemanden in Marian Trenthams Bekanntenkreis, der nicht wusste, dass und weshalb Alex Fabian dieses Wochenende zu Besuch kam.

„Was kann Mrs. Gladwin dafür, dass Tim Asthma hat?“ Louise blieb sachlich. „Sie hätte bestimmt lieber ein gesundes Kind. Warum geht ihr nicht einfach in dem neuen Hotel essen? Das wäre doch der richtige Rahmen für eure Feier.“

„Weil wir es aus verständlichen Gründen nicht in der Öffentlichkeit tun möchten“, sagte Marian entschieden. „In diesem Fall kommt nur ein ungezwungenes Essen im engsten Familienkreis infrage.“

„Um Alex Fabian einen Vorgeschmack auf das traute Glück daheim zu geben?“ Jetzt musste Louise doch lächeln. „Nach allem, was ich von ihm gehört habe, steht er viel lieber im Rampenlicht und genießt die Bewunderung der Frauen.“

Marian verzog ärgerlich den Mund. „Bitte, Louise, hüte deine Zunge! Die richtige Atmosphäre ist wirklich sehr wichtig.“

„Kommt es bei einer derart überstürzten Hochzeit nicht viel eher darauf an, dass die Partner sich verstehen?“

„Darüber möchte ich jetzt nicht diskutieren. Ich wollte dir lediglich mitteilen, dass du Mrs. Gladwin vertreten und kochen musst.“

Das hatte sie schon erwartet. Dennoch hatte sie gehofft, das Wort Bitte zu hören. Um sich für diese Unterlassung zu rächen, fragte Louise mit Unschuldsmiene: „Warum ich und nicht Lily? Immerhin könnte ihr Zukünftiger sich dann von ihren hausfraulichen Fähigkeiten überzeugen.“

Mit einem bei ihr eher seltenen Anflug von Humor musste Marian lächeln. „Wahrscheinlich würde Alex Fabian dann schreiend aus dem Haus rennen. Wir alle wissen, dass Lily sogar das Wasser anbrennen lässt.“ Doch schnell nahm ihr Gesicht wieder den gewohnt arroganten Ausdruck an. „Wenn sie erst einmal verheiratet ist, spielt es keine Rolle mehr. Sie wird keinen Finger mehr rühren müssen, so viel Personal wird sie haben.“

„Natürlich, wie dumm von mir!“, entschuldigte sich Louise ironisch. Personal gab es auch hier genug, und sie gehörte offensichtlich dazu.

„Abgemacht. Du bist also heute Abend fürs Essen verantwortlich.“ Marian schien auch den letzten Zweifel ausräumen zu wollen. „Wie wäre es mit deiner leckeren Pilzsuppe? Und Orangensoße zur Ente?“

„In Ordnung.“ Louise nickte. „Und wenn ich mit dem Kochen fertig bin, darf ich mich dann dieser ungezwungenen Feier im engsten Familienkreis anschließen?“

Marian zögerte den Bruchteil einer Sekunde zu lange. „Aber selbstverständlich! Natürlich nur, wenn du auch möchtest.“

Louise hatte allerdings Erbarmen mit ihrer Stiefmutter und lehnte deren Angebot ab. „Nein, ich möchte nicht das fünfte Rad am Wagen sein. Außerdem haben wir heute eine wichtige Bühnenprobe im Gemeindesaal, bei der die Kostümfrage geklärt werden soll.“

Marian blickte über Louises Schulter ins Leere. Mit dem gesellschaftlichen Leben im Dorf wollte sie nichts zu tun haben, weil sie sich als Londonerin darüber erhaben fühlte. Ein Wochenendhaus auf dem Land fand sie schick, weil es sie interessant machte und sie Freunde einladen konnte. Mit der ansässigen Bevölkerung wollte sie jedoch nichts zu tun haben und ließ sich auf Veranstaltungen der Gemeinde niemals blicken.

Daher überging sie Louises Bemerkung und lachte nur gekünstelt. „Wie du willst, Liebes. Aber bitte lass dir etwas einfallen, um Lily zu beschäftigen. Das dumme Ding ist schrecklich nervös und braucht Ablenkung.“

Wieder allein, verstaute Louise die Leiter und schloss die Luke. Sie hatte nichts dagegen, das Haus, das sie liebte und in dem sie geboren worden war, für die gelegentlichen Besuche ihrer Familie in Ordnung zu halten. Manchmal ärgerte sie sich allerdings darüber, dass ihre Arbeit als selbstverständlich hingenommen wurde.

Das ist glücklicherweise bald vorbei, tröstete sie sich. Denn dann würde sie David Sanders heiraten und zu ihm in sein schönes altes Haus am Marktplatz ziehen. In der Vergangenheit hatte er ihr schon oft vorgeworfen, dass sie sich von ihrer Familie ausnutzen ließ.

Obwohl seine Fürsorge ihr gut tat, teilte Louise seine Ansicht nicht ganz. „Es macht mir nichts aus“, hatte sie geantwortet. „Denn so habe ich während deiner häufigen Abwesenheit etwas zu tun.“

David arbeitete für einen angesehenen Antiquitätenhändler und war viel unterwegs. Entweder war er auf Reisen, um alte Möbel und Kunstgegenstände aufzukaufen, oder er bildete sich in London fort. Daher war sie öfter allein, als ihr lieb war.

Sie arbeitete als Rechtsanwaltsgehilfin in der nahe gelegenen Kreisstadt und wollte so lange berufstätig bleiben, bis sich Nachwuchs anmeldete. Sie freute sich auf eine Zukunft mit David, denn sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. David und sie hatten miteinander in der Sandkiste gespielt, sich gestritten und wieder vertragen, waren in der gleichen Jugendgruppe gewesen und hatten ihre Zuneigung zueinander entdeckt, als er nach der Ausbildung nach Hause zurückgekehrt war.

Seit einem Jahr waren sie verlobt, allerdings nicht offiziell. Davids Vater war plötzlich verstorben, und die untröstliche Witwe hielt eine Verlobungsfeier für pietätlos.

„Aber zu unserer Hochzeit kommt sie doch, oder?“, hatte Louise bei Gelegenheit einmal gefragt.

David war ihre Ironie entgangen. „Natürlich“, hatte er ernst geantwortet. „Sie braucht nur noch etwas Zeit. Bitte, hab Geduld mit ihr.“

Genau das fiel ihr jedoch schwer. Sie hegte nämlich den Verdacht, dass Mrs. Sanders absichtlich die Leidende spielte, um nicht das Haus räumen und zu ihrer Schwester nach Bournemouth ziehen zu müssen, wie es schon seit Jahren abgesprochen war. Sie vertraute darauf, dass David seine Mutter demnächst dazu bewegen würde, denn sie hatte es von Anfang an abgelehnt, mit ihrer Schwiegermutter unter einem Dach zu wohnen.

Zurzeit fühlte sie sich im Virginia Cottage daher gut aufgehoben, denn sie bewohnte es praktisch allein. Niemand störte sie, und die Ruhe erinnerte sie an ihre Mädchenzeit, die sie mit ihrer Mutter hier verbracht hatte. Ihren Vater hatte sie damals nur an den Wochenenden gesehen, weil er einen Verlag in London besessen hatte und in der Woche nicht nach Hause gekommen war.

Der plötzliche Tod ihrer Mutter, die nach nur zwei Tagen Krankenlager an einer Lungenentzündung gestorben war, änderte Louises Leben grundlegend. Sie wurde aufs Internat geschickt und verbrachte die Ferien bei der einzigen Schwester ihrer Mutter, Tante Barbara. Diese war nach ihrer Heirat nach Somerset gezogen, wo sie mit ihrem Mann und ihren Kindern auf einer Farm lebte und ein turbulentes und glückliches Familienleben führte.

Doch kaum hatte sich Louise an diese neue Lebenssituation gewöhnt, wurde sie schon wieder mit Veränderungen konfrontiert. Ihr Vater eröffnete ihr, er wolle wieder heiraten und sie würde eine neue Mutter und eine Schwester bekommen. Lily, ihre Stiefschwester, wurde auf dasselbe Internat geschickt, und die schulfreie Zeit verbrachten sie alle vier entweder in der Londoner Wohnung oder im Virginia Cottage.

Im Rückblick war Louise klar, dass ihr Vater schon vor dem Tod ihrer Mutter ein Verhältnis mit Marian gehabt haben musste. Lily konnte also durchaus ihre Halbschwester sein. Aber das berührte sie nicht weiter. Marian konnte, wenn sie sich Mühe gab, sehr nett sein, und Lily war das, was David als „süßes kleines Ding“ bezeichnete.

Wie ihre Mutter hatte sie glattes blondes Haar, jedoch nicht deren üppige Figur, sondern war klein und zierlich. Sie hatte weiche Züge und blaue Augen. Damit war sie so ziemlich das genaue Gegenteil von Louise, die größer und sportlicher war und deren dunkle Locken sich nie so richtig bändigen ließen. Louises Teint war hell und zart, und ihre grauen Augen waren von langen, dichten Wimpern gesäumt.

Ihre Augen gefielen Louise, ansonsten empfand sie ihr Aussehen als eher nichtssagend und gewöhnte sich daher eine ruhige, zurückhaltende Art an, was ihr bei ihrem ausgeglichenen Wesen nicht weiter schwerfiel.

Auf dem Internat hatte sie schnell die Rolle als Lilys Beschützerin übernommen, woran sich auch nach der Schulzeit nichts geändert hatte. Seit Lily jedoch bei Trentham Osborne, dem Verlag ihres Vaters, als Assistentin arbeitete, sah Louise sie nicht mehr allzu oft.

Und jetzt war plötzlich dieser Alex Fabian aufgetaucht, der sie in Zukunft auf Rosen betten wollte.

Die beiden kannten sich gerade zwei Wochen. „Wir sind uns im Verlag begegnet“, hatte Lily ihr anvertraut. „Alex hat mit einer Bank zu tun und wollte mit Daddy geschäftliche Dinge besprechen.“ Sie hatte die Stirn gerunzelt. „Ich hatte den Eindruck, dass er mich überhaupt nicht bemerkt hat, aber am nächsten Tag rief er an, um mich ins Theater einzuladen.“

„Wie romantisch!“ Louise interessierte etwas anderes. „Muss Daddy einen Kredit aufnehmen?“, fragte sie nachdenklich.

„Keine Ahnung.“ Lily zuckte die Schultern. „Aber wir wollen einige Bildbände über Kunst und Architektur herausbringen, für die die Marktsituation im Moment nicht sehr günstig ist.“

„Das ist sie nie“, bemerkte Louise nüchtern.

Durch Lilys arglose Schilderungen gewann Louise recht schnell ein genaueres Bild von diesem Alex Fabian. Es gab keinen vornehmen Club, in dem er nicht Mitglied war, und kein Luxusrestaurant, in dem er nicht sofort einen Tisch bekommen konnte. Er war mit Models, Schauspielerinnen und anderen Prominenten befreundet und stand auf jeder Party im Mittelpunkt.

„Stell dir vor“, erzählte Lily, „neulich, auf einem Galaabend, kam eine rothaarige Frau mit einer fantastischen Figur auf uns zu. Sie heißt Lucinda, und Alex wirkte nicht sehr erbaut, als sie uns ansprach. Lucinda jedenfalls fragte ihn, ob ich das Opferlamm wäre. Findest du das nicht komisch? Alex meinte, Lucinda wäre bekannt für ihren etwas sonderbaren Humor.“

„Ich finde das mehr als nur komisch“, hatte Louise geantwortet.

An dieses Gespräch musste sie jetzt denken, als sie die Treppe hinunterging, um ihre Stiefschwester zu suchen. Was wollte ein Mann wie Alex Fabian mit einer Frau wie Lily, die fast kindlich naiv war, große gesellschaftliche Anlässe verabscheute und sich nicht behaupten konnte? Die immer noch bei ihren Eltern wohnte und alles tat, was ihre Mutter von ihr verlangte?

Und was fand Lily an Alex? Sie hatte von Restaurants, Oper, Ballett und Kunstausstellungen gesprochen, nicht aber von dem Mann, der sie dazu eingeladen hatte. Louise rätselte, was diesen Mann an Lily faszinierte.

Vielleicht legte er bei seiner zukünftigen Ehefrau Wert auf ein unverdorbenes Wesen und Schüchternheit, obwohl sie, Louise, es bei einem Mann mit derart vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen für unwahrscheinlich hielt. Vielleicht war es auch ein typischer Fall von Gegensätzen, die sich anzogen.

Egal, aus welchen Gründen, an diesem Wochenende würden sich die beiden wohl offiziell verloben, nachdem Alex Fabian bereits in aller Form um Lilys Hand angehalten hatte, wie Marian angedeutet hatte.

Wie steif und altmodisch von ihm! Louise krauste die Nase, denn sie hatte ein ungutes Gefühl.

Sie fand Lily im Wohnzimmer, wo sie in der Sofaecke saß und mit offenen Augen zu träumen schien. Aufgeregt, wie Marian sie beschrieben hatte, wirkte sie nicht, sondern vielmehr ernst.

Autor

Sara Craven

Sara Craven war bis zu ihrem Tod im November 2017 als Autorin für Harlequin / Mills & Boon tätig. In über 40 Jahren hat sie knapp hundert Romane verfasst. Mit mehr als 30 Millionen verkauften Büchern rund um den Globus hinterlässt sie ein fantastisches Vermächtnis.

In ihren Romanen entführt sie...

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