Auf der Insel der heimlichen Wünsche

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Sein warmer, zärtlicher Mund lockte, liebkoste und eröffnete ihr eine völlig neue Welt des Verlangens. Mit den hellblonden Locken, dem silbernen Bikinioberteil und dem engen Spitzenrock sieht sie aus wie eine sexy Meerjungfrau! Aber wer ist diese Schönheit, die gerade sein Hotel auf der Insel Talos betritt? Die Antwort verblüfft den griechischen Magnaten Loukas Christou: Die unkonventionelle Georgie Jones ist seine neue Chefsekretärin, die sein Bruder für ihn eingestellt hat. Am liebsten würde Loukas sie sofort verbannen. Aber für einen wichtigen Geschäftsdeal braucht er dringend eine Scheinehefrau. Was, wenn er diese aufregende Nixe heiratet?


  • Erscheinungstag 23.10.2018
  • Bandnummer 222018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710507
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die ortsansässigen Fischer luden den Tagesfang von ihren caïques ab, als Loukas Christou sein Motorboot in den alten Hafen der Hauptstadt von Talos steuerte. Als er festgemacht hatte, nickte er zerstreut als Antwort auf die „Kalí spera, Loukas!“-Rufe von den Besitzern der Restaurants und Boutiquen, deren Geschäfte die sonnenüberflutete Promenade säumten, bevor er die schmale weiß getünchte Gasse hinaufeilte. Fußgänger nahmen diese Abkürzung zum Eingangstor des Hotels Korinna.

Früher am Tag, als er geschäftlich unterwegs war, hatte er seinen Bruder Nikos auf ihrer Heimatinsel Talos telefonisch um den neuesten Stand der Renovierungsarbeiten am Hotel Korinna gebeten und fest mit einem weiteren Problem gerechnet. Stattdessen hatte Nikos mit einer guten Portion ungerechtfertigter Selbstgefälligkeit verkündet, dass die Renovierung offiziell abgeschlossen und das Hotel zur Neueröffnung bereit sei.

Weiterhin hatte Nikos versichert, dass es kein Scherz sei, dann hatte er in den Hörer gebrüllt, er würde nicht übertreiben und dürfte es als Leiter des Projektmanagements der Christou-Gruppe „verdammt noch mal wissen“.

Loukas hatte geknurrt, es wäre ja wohl auch Zeit. Und nicht zum ersten Mal hielt er Nikos vor, dass die Neueröffnung des Korinna vierzehn Tage hinter dem Zeitplan zurücklag.

An diesem Punkt hatte Nikos einfach aufgelegt. Was Loukas nicht überraschte.

Immerhin würde das Hotel Korinna rechtzeitig zu Pás-cha – dem Osterfest – öffnen. Die Ankunft der Gästeschar wurde zu Megali Pempti – Gründonnerstag – erwartet. Sie bestand aus treuen Kunden sowie eigens eingeladenen Reisejournalisten und Bloggern. Alle setzten himmelhohe Erwartungen in ihren Aufenthalt in dem Fünf-Sterne-Hotel.

Da nur noch knapp eine Woche blieb, um sämtliche Einrichtungen zu überprüfen und unvermeidliche Probleme auszubügeln, die derart umfangreiche Renovierungsarbeiten nach sich zogen, hatte Loukas beschlossen, seine Abstecher zu einigen anderen Hotels der Gruppe abzukürzen und früher als geplant nach Talos zurückzukommen.

Am Ende der Gasse, im Schatten der Prachtstraße des Ferienorts, die durch einen Pinienwald zu der Hotelanlage führte, legte er die Krawatte ab und öffnete seinen Hemdkragen. Bei der Neueröffnung des Korinna ging es um mehr als nur seinen ehrgeizigen Plan, alle Hotels der Gruppe zu renovieren und weitere kultige Anwesen in Europa zu erwerben, um sie dem Bestand ihrer Fünf-Sterne-Hotels einzuverleiben. Es ging auch darum, dass die Geschwister Christou ausnahmsweise einmal zusammenarbeiteten – und die Kluft überwanden, die Loukas sowohl in seiner Rolle als Familienoberhaupt wie auch als Hauptgeschäftsführer der Gruppe seit dem Tod ihrer Eltern vor acht Jahren nicht hatte überbrücken können.

Fast am Ende der Straße blieb er stehen und blickte zur Linken nach unten. Jenseits der blühenden Orangen-, Zitronen- und Pfirsichbäume im Obstgarten des Hotels erhob sich die Villa der Familie. Eine Felsnase trennte den Bau von Talos-Stadt ab. Ursprünglich hatte das Haus einem Kapitän zur See gehört und war auf einem mehr als acht Hektar großen Landstrich errichtet worden. Loukas’ Vater hatte das Potenzial erkannt, die Villa gekauft und auf dem zugehörigen Grundstück das Hotel Korinna erbaut.

Loukas hätte wirklich zur Villa hinuntergehen, sein Gepäck abstellen, duschen und etwas essen sollen. Doch er war geradezu versessen darauf, das fertiggestellte Hotel zu sehen, und lief einen steilen Abhang hinunter, bis der Pinienwald den Blick auf das Korinna selbst freigab.

Eine neue zweistöckige Erweiterung war zu einer Seite des Hotels angebaut worden, mit einem Empfangsbereich im Erdgeschoss und der Hauptgeschäftsstelle der Christou-Gruppe im oberen Stockwerk. Das Hotel-Restaurant und die Bars auf der Vorderseite des ursprünglichen Gebäudes wie die Gastzimmer in den sieben Stockwerken darüber boten einen ungehinderten Blick auf den Saronischen Golf.

Während Loukas die großartige Leistung der Architekten auf sich wirken ließ, spürte er, wie die konstante schwere Last auf seinem Herzen sich für einen kurzen Augenblick verflüchtigte. Vielleicht hatten sich die endlosen Probleme während der Bauarbeiten und die Auseinandersetzungen mit Nikos und seinen anderen Geschwistern ja gelohnt.

Doch dieser Augenblick erwies sich als überaus kurz. Er währte nur Nanosekunden.

Loukas kniff die Augen zusammen und näherte sich dem Empfangsbereich. Die Schiebetüren des Eingangs ließen sich nicht öffnen. Kein Wunder, sie waren abgeschlossen.

Und der Grund dafür war zweifellos darin zu suchen, dass der dahinter liegende Fußboden nur zur Hälfte gefliest, die Wände nicht gestrichen und die maßgefertigten italienischen Möbel nicht aufgestellt waren.

Er atmete tief durch.

Nikos hatte sich offenbar darauf verlassen, dass Loukas wie ursprünglich geplant erst zum Wochenende auf die Insel zurückkommen würde und er nicht würde eingestehen müssen, dass wieder einmal ein Fertigstellungstermin nicht eingehalten worden war.

Er würde Nikos den Hals umdrehen. Nein. Er würde ihn vielmehr in ein Kloster auf irgendeine abgelegene Insel verbannen, wo er keinen Zugang zu Frauen und Alkohol hatte.

Noch einmal spähte er durch die Glastüren in den Rezeptionsbereich.

Plötzlich schreckte ihn ohrenbetäubende Musik auf, und er stieß sich den Kopf an der Glasscheibe.

Bereit, jemanden umzubringen, fuhr er, eine Hand an die pochende Stirn gelegt, herum und wusste auf Anhieb, wo er seinen partylustigen Bruder finden würde.

Doch als er kaum zwei Schritte in die Richtung der Musik zurückgelegt hatte, blieb er unvermittelt stehen.

Allmächtiger!

Eine Frau auf einem Fahrrad raste mit wehendem langem blondem Haar, in nichts außer einem silbernen Bikinitop und einem blauen Stofffetzen, der jeden aufreizenden Zentimeter ihrer langen goldbraunen Beine freilegte, den steilen Abhang der Prachtstraße hinunter und direkt auf die Türen zu. Im Begriff, in eine Glasscheibe zu krachen, die ein Vermögen gekostet und dank der um Wochen verspäteten Lieferung zu den Renovierungsverzögerungen beigetragen hatte.

Nur Zentimeter vor den kostbaren Glasscheiben kam sie mit quietschenden Reifen zum Stehen. Völlig unbeschwert sprang sie vom Rad und schob es in den Fahrradständer neben einer der Türen. Fröhlich und ungezwungen wickelte sie den Stofffetzen von ihren Hüften. Die leichte Brise vom Meer griff in die erstaunlich lange Stoffbahn aus feinster Seidengaze und ließ sie hinter der Frau schweben wie die Schleppe einer Meeresgöttin. Darunter trug sie nichts als das silberne Bikinihöschen.

Er hätte den Blick abwenden sollen. Wie ein Gentleman. Doch er starrte sie an, als sie begann, den Stoff um ihre schmale Taille und ihre schön geschwungenen Hüften zu wickeln, dann um die Schenkel und weiter herab, bis sie ihre Knöchel quasi zusammengebunden hatte. So, von der Taille abwärts eingewickelt, richtete sie sich auf und strich den Stoff glatt, während sie ihr Spiegelbild in der Scheibe betrachtete und begeistert lächelte.

Warum ist sie als Meerjungfrau verkleidet?

Die Meerjungfrau, die nur winzig kleine Schritte machen konnte, trippelte auf die Säule zu, hinter der Loukas immer noch verborgen stand. Er wollte gerade vortreten und sich bemerkbar machen, da drehte die Frau sich bereits um und vergaß, den Mund zu schließen, als sie ihn entdeckte.

Doch unglaublich schnell hatte sie sich wieder gefangen und winkte lächelnd. Ihre Augen blitzten vor Freude. „Oh, hi! Ich bin so froh, dass du rechtzeitig zur Party hier sein konntest. Hat Nikos dich angerufen?“

Verwundert über ihre Frage erkundigte er sich: „Was für eine Party? Warum sollte Nikos mich angerufen haben?“

Sie zog die dunklen Brauen zusammen. „Nikos musste heute Nachmittag unerwartet abreisen, aber er hatte für heute Abend eine Party für die Angestellten organisiert, zur Feier der Neueröffnung des Hotels … Er hat mich gebeten, ihn als Gastgeber zu vertreten.“

Loukas deutete hinter sich auf den unvollendeten Rezeptionsbereich, stieß den Zeigefinger in die Luft und gab seiner Enttäuschung über Nikos und die Tatsache, dass er es trotz aller Bemühungen nicht schaffte, seine Geschwister unter Kontrolle zu halten, mit einer geknurrten Antwort Ausdruck.

„Eine Party? Das Hotel ist noch nicht einmal fertiggestellt. Jetzt ist ganz bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt für eine Party!“

Das Lächeln der Meerjungfrau verblasste. „Er war der Meinung, das Personal hätte Anspruch auf ein Dankeschön.“ Sie wies in die Richtung der Terrasse. „Ich gehe jetzt lieber und schaue nach, ob alles in Ordnung ist. Ich bin sowieso schon spät dran, und dem Lärm nach zu urteilen hat die Party bereits begonnen.“

Er trat näher an sie heran und gab sich Mühe, den Blick nicht über ihre hübschen Rundungen wandern zu lassen. Ihr Lächeln wurde noch schmaler, während sie sich mit Blicken duellierten. „Wer bist du?“

Sie zögerte einen Moment, als hätte seine Frage sie verwirrt, dann ging sie mit einem Lachen auf ihn zu.

„Oh, entschuldige bitte. Ich habe so viele Fotos von dir gesehen und von deinen Geschwistern so viel von dir gehört, da habe ich glatt vergessen, dass wir einander noch nie begegnet sind.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin Georgie Jones. Deine neue Chefsekretärin.“

Angesichts von Loukas’ bestürzter Miene konnte Georgie ihr Lächeln nur mit übermenschlicher Anstrengung beibehalten. Liebeskummer hin oder her, Nikos Christou würde etwas von ihr zu hören bekommen, wenn er zurück nach Talos kam.

„Meine was?“

Auf seinen entsetzten Tonfall hin ließ sie die Hand sinken.

Du liebe Zeit, Loukas war völlig anders als seine Geschwister. Mehr noch, als die Familienfotos ahnen ließen. Finster, verbittert, entschlossen … Und er war groß, mindestens einszweiundneunzig. Mit optimalem Körperbau.

Helle, goldbraune Augen, ein klassisch schönes Gesicht, dichtes dunkelbraunes Haar … Der einzige Schönheitsfehler in seiner sonstigen Perfektion war die ernsthaft genervte Anspannung, die er ausstrahlte – das und das mörderische Glimmen in seinen Augen.

Ihr Umzug nach Talos hatte nicht so enden sollen, pleite und einem griechischen Gott ausgeliefert, der aussah, als wäre er am Ende seiner Geduld angelangt.

Nach Talos zu ziehen, das war der Traum ihres Vaters gewesen. Nachdem sie mit ihrem rastlosen alten Herrn in immer wieder anderen Ländern gelebt hatte, nahm Georgie seine Erklärung, hier wolle er sich niederlassen, mit Skepsis auf. Im letzten Sommer, als sie endlich eingewilligt hatte, diese kleine Insel vor der Küste Athens im Argo-Saronischen Golf zu besuchen, war sie sicher gewesen, dass es sich nur um eine weitere vergebliche Suche nach dem Glück handeln würde.

Doch sobald sie Talos gesehen hatte, verstand sie, wieso ihr Vater sich in diese Insel inmitten des smaragdgrünen Wassers, mit den goldenen Stränden und dichten Pinienwäldern verliebt hatte. Sich verliebt hatte in die Ruhe, in die Art, wie die Zeit hier langsamer verging.

Und als ihr Vater seine Pläne zur Renovierung des heruntergekommenen Bauernhauses zeichnete, das er im Begriff war zu kaufen, hatte sie mit eigenen Augen gesehen, wie sehr die Insel ihn verwandelt hatte. Das Licht, die Hitze, der umwerfende Meerblick von dem Bauernhaus aus …

Doch ihr armer Vater hatte sich seinen Traum nicht mehr erfüllen können. Ein tödliches Aneurysma hatte allem einen Monat nach dem Kauf des Anwesens ein Ende gesetzt.

Georgie hatte das Bedürfnis, ihm seinen Traum zu erfüllen. Das sollte ihr letzter Abschiedsgruß an ihren weichherzigen Vater sein, der es nie überwunden hatte, dass ihre Mutter ihn und sie verlassen hatte. Sie würde das Haus behalten, als Pension führen. Im Sommer würde sie Badeurlaub anbieten, in den Wintermonaten die Insel verlassen und woanders arbeiten.

Vor drei Monaten – knapp vier Wochen nach dem Tod ihres Vaters – hatte sie ihre Arbeit in Spanien aufgegeben und war nach Talos gezogen, in der Überzeugung, dass ihre Ersparnisse ausreichten, um das Anwesen zu renovieren und ihr Geschäft zu etablieren.

Doch unvorhergesehene Bauverzögerungen hatten den Notgroschen aufgezehrt, den sie in ihr Budget eingerechnet hatte, und ihr ging zusehends das Geld aus.

Sie musste ein paar Wochen arbeiten, sonst wäre sie gezwungen, die Buchungen für den Sommer abzusagen und wieder umzuziehen, um erst einmal Geld zu verdienen.

Sie ballte die Hände zu Fäusten, spürte, wie die von wochenlanger Gartenarbeit und Heimwerkerei abgebrochenen Fingernägel sich in die schwielige Haut ihrer Handteller bohrten, und sah ihren neuen Chef an. Nun ja, sie hoffte, dass er ihr neuer Chef war.

„Hat Nikos denn nichts gesagt? Er hat mich in deiner Abwesenheit als Chefsekretärin für dich eingestellt. Es ist nur eine zeitweilige Lösung, um dir über die Runden zu helfen, bis eine permanente Nachfolgerin gefunden werden kann.“

Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln, darauf bedacht, Brücken zu ihrem neuen Chef und Nachbarn zu schlagen, doch daraufhin wurde seine Miene nur noch finsterer.

Sekundenlang glitt sein Blick über ihren Körper. Und dann wandte Loukas sich ab, als ärgerte er sich über sich selbst. Er nahm seinen abgenutzt aussehenden kleinen Koffer aus weichem hellbraunen Leder von der einen in die andere Hand.

„Wo sind meine anderen Geschwister?“

„Marios ist zum Tauchen verabredet, und Angeliki ist in Athen. Ich glaube, sie hat heute Abend ein Date.“

Mit seinen langen Fingern massierte er sich die Schläfe, als hätte ihre Antwort ihn tief getroffen. Georgie lächelte zaghaft und wünschte sich einen zündenden, hilfreichen Spruch, der die Furchen der Anspannung aus Loukas’ Augenwinkeln vertrieb.

„Nikos wird dich um Entschuldigung bitten müssen. Er war nicht berechtigt, dich einzustellen. Lass uns in meinem Büro weiterreden.“

Zwar verließ sie der Mut angesichts von Loukas’ Ton, der ihrer Hoffnung auf den Job ein Ende setzte, doch sie durfte die Party nicht vergessen und auch nicht die Angestellten, die sich so sehr darauf gefreut hatten.

„Ich soll auf der Party als Gastgeberin fungieren. Können wir nicht morgen reden?“ Sie unterbrach sich, konnte sich dann aber nicht bremsen und fügte hinzu: „Nikos’ Kostüm liegt im Büro. Das könntest du zur Party anziehen … Es ist ein Captain-Hook-Outfit. Ich glaube, es würde zu dir passen.“

Er sah sie fassungslos an, und dann, als ihm klar wurde, dass sie ihn aufzog, kniff er die Augen zusammen. Sein düsterer Gesichtsausdruck verriet Georgie, dass er im Gegensatz zu Nikos nicht für Schäkereien zu haben war. Er war wirklich ganz anders … Leider.

„Ich muss arbeiten. Ich muss diese Party beenden. Bevor wir öffnen, ist noch so viel fertigzustellen. Ich rede mit den Angestellten, und anschließend sprechen wir uns in meinem Büro“, sagte er, dann schlug er den Weg zwischen üppig blühendem Lavendel hindurch zur Hotelterrasse ein.

Sie wollte ihm nachlaufen, doch ihr Meerjungfrauenschwanz behinderte sie. Da sie ihn nicht einholen konnte, rief sie verzweifelt: „Loukas! Nein!

Er drehte sich sichtlich verärgert zu ihr um. Unter seinem wenig begeisterten Blick watschelte sie auf ihn zu und fühlte sich dabei nicht so sehr wie eine elegante Meerjungfrau, sondern eher wie eine verkaterte Ente.

„Die Party hat gerade erst angefangen. Es wäre eine so große Enttäuschung für die Leute. Sie haben so viel Aufwand mit dem Entwurf ihrer Kostüme getrieben.“

Loukas ließ den Blick über Georgies Kostüm wandern, dann sah er sie mit hochgezogenen Brauen an. Als wollte er fragen: Und was genau geht mich das an?

Doch dann glitt sein Blick wieder an ihr herab und verweilte dieses Mal auf ihren Brüsten, ihrer Taille. Seine Augen verdunkelten sich.

Ihre Haut begann zu kribbeln. Er war ihr Chef. Ihr Nachbar. Der Bruder ihres Freundes. Es war nicht recht, dass sie seine Körperlichkeit so stark wahrnahm.

Überwältigt von seiner Größe, von der Glut in ihrem Inneren trat sie zurück.

Daraufhin verwandelte sich die düstere Anerkennung in seinen Augen in Ärger. Er verzog missmutig den Mund. Sekundenlang musterte er sie schweigend. „Ich breche die Party nicht ab, aber du und ich, wir müssen trotzdem reden.“

Und dann bot er ihr zu ihrer Bestürzung den Arm.

„Lass dir helfen.“ Mit seinen braunen Augen sah er sie eindringlich an. „Anscheinend quälst du dich außerhalb deines natürlichen Elements.“

Er wollte ihr blöd kommen … Oder?

Sie ließ ihr frechstes Lächeln aufblitzen, umspannte mit einer Hand zielstrebig seinen braunen Unterarm und biss die Zähne zusammen, als die Nervenenden in ihren Fingern von der Wärme seiner Haut, der Kraft seines gebeugten Arms zu prickeln begannen.

„Meerjungfrauen gehören ins Meer, Miss Jones. Ich hoffe, du überlebst den Abend.“

Sie dreht den Kopf und musterte Loukas. Jetzt musste er aber scherzen … Vielleicht war er doch fähig zu Schäkereien wie seine Geschwister, sein Gesichtsausdruck gab allerdings wieder nichts preis.

Quälend langsam und schweigend setzten sie ihren Weg zur Sonnenterrasse des Hotels fort.

Dort tummelte sich die Belegschaft des Hotels. Alle waren gemäß dem Seefahrtmotiv der Party verkleidet.

Georgie und Loukas trennten sich, und sie machte einen Abstecher zu Jean-Louis, dem Chefkoch des Korinna, der als Poseidon verkleidet war, komplett mit Lockenperücke, Bart und goldenem Dreizack.

Während Georgie mit Jean-Louis über ihre jeweiligen Kostüme lachte und dann nachfragte, ob die Bewirtung nach Plan lief, ertappte sie sich dabei, dass sie Loukas’ Weg durch die Gästeschar verfolgte. Piraten, Haie und Surf-Schönheiten verwickelten ihn begeistert ins Gespräch. Dass seine Belegschaft ihn mochte und respektierte, war nicht zu übersehen. Warum war dann seine Beziehung zu seinen Geschwistern so anders? Alle drei hatten in der Vergangenheit verschiedentlich über ihn gemurrt, ihn als alles Mögliche geschildert, vom Kontrollfreak bis zu einem Albtraum ohne Sinn für Humor.

Loukas war der perfekte Gastgeber. Diejenigen, mit denen er redete, hatten seine ungeteilte, wenn auch ziemlich ernste Aufmerksamkeit. Doch als sie bedrängt wurde, sich mit einigen von den Personal Trainers des Hotels fotografieren zu lassen, ahnte Georgie in seinem Verhalten eine wachsende Spannung, ein gewisses Unbehagen.

Loukas sprach mit dem DJ, der den gerade laufenden Song auf der Stelle unterbrach. Loukas wartete, bis sich Schweigen in der Gästeschar ausbreitete, erst dann sprach er.

„Nächste Woche wird das Hotel Korinna seine Tore wieder öffnen. Ich danke euch allen für eure harte Arbeit und die bisherige Kooperation bei der Durchführung der Renovierungen. Jetzt müssen wir in den kommenden Tagen noch eine letzte Anstrengung unternehmen, um die Arbeiten zu beenden, damit wir den Fünf-Sterne-Service bieten können, den wir unseren geschätzten Gästen stets versprechen.“

Er trat bis an den Rand der Treppe vor, um den Gästen näher zu sein. Seine tiefe Stimme, die im Einklang stand mit seiner Statur und Georgie jedes Mal, wenn er sprach, wie ein leichter Stromschlag traf, senkte sich zu einem noch ernsteren Timbre.

„Wie ihr bereits wisst, haben wir eigens Influencer, Journalisten und Blogger zu einem ersten Besuch eingeladen, doch über das Pás-cha-Wochenende kommen auch einige von unseren Stammgästen mit ihren Familien zu uns. Wir müssen den Bedürfnissen beider Gruppen Rechnung tragen und jederzeit auf die Zufriedenstellung der Gäste fokussiert sein. Kein Anliegen ist unerfüllbar, und ich möchte, dass ihr alle Eigeninitiative zeigt und die Wünsche der Gäste im Voraus bedenkt. Noch nie war das Geschäftsmotto der Christou-Gruppe so zutreffend wie jetzt: ‚Wir bieten Perfektion‘.“

Er straffte die Schultern und ließ den Blick gemächlich über die Angestellten schweifen.

„Die Zukunft des Hotels Korinna hängt davon ab, dass wir von dem Moment an, wenn wir die Türen wieder öffnen, in jeder Hinsicht Herausragendes bieten. Und auch alle anderen Bewohner der Insel Talos sind auf unseren Erfolg angewiesen. Wir müssen auf dem Weg, Talos zu einem ganzjährigen Reiseziel zu entwickeln, Vorreiter sein, besonders während der Wintermonate, wenn so viele Unternehmen unserer Insel zu kämpfen haben.“

Loukas trat zurück und senkte den Blick für einen Moment auf den hellen Sandstein der Terrasse. Als er den Kopf wieder hob, zeigte sich eine gewisse Verletzlichkeit in der Art, wie seine Lippen leicht zuckten, wie er heftig blinzelte.

„Die letzten Jahre waren schwer für uns alle, doch jetzt wird es Zeit für das Hotel Korinna, wieder in vollem Glanz zu erstrahlen.“ Er hielt inne, seine Stimme klang belegt. „Wie viele von euch wissen, war es der Traum meines Vaters, zusätzlich zu unseren Hotels hier in Griechenland einige der führenden Fünf-Sterne-Hotels in ganz Europa zu besitzen. Ich hoffe, schon bald die Übernahme einiger solcher Immobilien verkünden zu können. Doch zunächst einmal wollen wir das Hotel Korinna glänzen lassen. Machen wir es zum Nonplusultra für den Standard, den wir in der Christou-Gruppe unseren Gästen versprechen, sowohl jetzt als auch in der Zukunft. Meine Eltern sollen stolz auf uns sein.“

Um Georgie herum scharrten Gäste mit den Füßen und räusperten sich. Betroffen von Loukas’ Emotionalität schluckte sie heftig. War dies der Mann, der noch vor knapp einer Viertelstunde ausgesehen hatte, als wäre er zu einem Mord bereit?

Loukas’ Blick schweifte erneut über die Versammelten und blieb an Georgie hängen. Seine ernste Miene ließ ihr Herz schneller schlagen.

„Niemand von uns darf zulassen, dass sich irgendetwas dem Erfolg des Hotels Korinna in den Weg stellt.“

Loukas betrat sein Büro und warf den Koffer aufs Sofa.

Er ließ die Schultern kreisen, um den Verspannungen in seinem Rücken entgegenzuwirken.

Warum bin ich während meiner Rede vor der Belegschaft nur so verdammt emotional geworden?

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Ein resignierter Seufzer entschlüpfte ihm, als er seinen Computer hochfuhr. Er scrollte durch die E-Mails und öffnete die Nachrichten von seinen Mitarbeiten in der Rechtsabteilung, las sie und seufzte erneut.

Sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht. Es gab wirklich keinen Ausweg aus der Klausel, die der geistliche Orden als Verkäufer des Convento San Francesco vor über hundert Jahren dem Vertrag hinzugefügt hatte.

Aus dem Kloster im Herzen von Florenz war inzwischen ein exklusives Fünf-Sterne-Luxushotel geworden, ein Hotel, auf das sein Vater versessen war, seit er und Loukas’ Mutter es während ihrer Flitterwochen besucht hatten. Damals hatten sie sich kaum einen Drink an der Bar leisten können. Beide hatten sich in seinen ummauerten Garten und die Kreuzgänge verliebt, und sein Vater hatte seiner Mutter – vielleicht dummerweise – gelobt, dass er es eines Tages zum Andenken an ihre Hochzeit und Flitterwochen kaufen würde.

Loukas wollte es haben. Um seiner Eltern willen. Es war das erste Mal seit mehr als einem Jahrhundert, dass es zum Verkauf stand. Diese Gelegenheit bot sich ihm vielleicht nie wieder. Er musste dieses Hotel für seinen Vater kaufen. Er durfte ihn nicht schon wieder enttäuschen.

Das allerdings stellte ihn vor ein Problem: Um es kaufen zu können, musste er verheiratet sein. Die Ordensgemeinschaft hatte aus Gründen, die mit der Zeit in Vergessenheit geraten waren, festgelegt, dass die Anlage nur an eine verheiratete Person verkauft werden durfte.

Loukas’ Rechtsabteilung hatte sich den gesamten vergangenen Monat um die Entfernung dieser Klausel bemüht. Doch die war hieb- und stichfest. Wie Loukas es erwartet hatte. Und in weiser Voraussicht hatte er sich an eine Partnervermittlung gewandt, die auf Führungskräfte spezialisiert war.

Die Liebe interessierte ihn nicht. Er hatte nie beabsichtigt zu heiraten. Seine gesamte Kindheit hatte er mit dem Kampf um die Liebe seiner Eltern – besonders seines Vaters – zugebracht und war immer wieder zurückgestoßen worden, wenn er die Erwartungen nicht erfüllte. Er hatte gelernt, dass die Liebe zu einem Menschen ihn verletzlich machte und ihn unablässig der Angst vor schmerzhafter Abweisung aussetzte. Liebe war ein anstrengendes emotionales Karussell, auf das er nicht aufspringen wollte.

Was er benötigte, war eine Ehe, die nur auf dem Papier bestand, und in den vergangenen paar Wochen war ihm klar geworden, dass er die Notwendigkeit, aus Vernunftgründen zu heiraten, in die Gelegenheit ummünzen konnte, eine zusätzliche Kraft in die Christou-Gruppe zu holen, eine Frau, die ihm helfen würde, das Geschäft voranzutreiben, aber auch tough genug war, um die laufenden Probleme mit seiner Familie in Angriff zu nehmen, nämlich Nikos’ mangelndes Verantwortungsgefühl, Marios’ Starrsinn und Angelikis Unselbstständigkeit.

Die Partnervermittlung hatte ihm einige vielversprechende Kandidatinnen vorgelegt, erfolgreiche, ehrgeizige Frauen. Mit einigen hatte er sich sogar verabredet. Doch bisher hatte keine seinen Ansprüchen genügt.

Er griff nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer seiner Kundenbetreuerin bei der Partnervermittlung, Zeta.

„Loukas … hi …“ Zeta wirkte immer nervöser, je öfter er anrief.

„Ich habe die drei Profile angerufen, die du mir heute geschickt hast. Die erste hatte dem Unternehmen nichts zu bieten.“ Zeta wollte ihm ins Wort fallen, doch er fuhr einfach fort. „Die zweite Kandidatin hat gelacht, als ich ihr erklärte, dass Talos zwei Stunden über Land und Wasser von Athen entfernt liegt …“

Er rollte mit seinem Sessel zum Fenster herum und blickte hinaus auf den Saronischen Golf, während er weiterredete.

„Und die dritte konnte meine Frage nicht beantworten, wie sie mit einem achtzehnjährigen Mädchen verfahren würde, wenn es um vier Uhr morgens aus einer Telefonzelle in Athen anriefe und nach dem Verbleib von Handtasche und Handy fragte.“

Am anderen Ende der Leitung seufzte Zeta resigniert. „Geeignete Kandidatinnen werden knapp.“

„Wirf deine Netze weiter aus. Innerhalb des kommenden Monats brauche ich eine Frau. Eine Frau, die die Gegebenheiten unserer Ehe akzeptiert, also hinnimmt, dass es sich lediglich um einen auf zwei Jahre befristeten Geschäftsvertrag handelt, allerdings zu großzügigen Bedingungen. Die Christou-Gruppe steht vor rasanten Expansionen. Im vergangenen Jahr haben wir bereits fünf Hotels erworben, und geplant sind noch viele mehr. Das wäre doch der ideale Zeitpunkt für eine ehrgeizige Person, unmittelbar an diesem Wachstum teilzuhaben. Ich brauche eine Frau, die engagiert, gerissen, bereits erfolgreich in ihrem Beruf und bereit ist, auf Talos zu leben und mich bei meinem Familienmanagement zu unterstützen. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt, oder?“

Zeta gab merkwürdige erstickte Laute von sich. Weil Loukas keine Lust hatte, sich ihren üblichen Einwand anzuhören, dass er flexibler sein müsste, beendete er das Gespräch, aber nicht, ohne Zeta wissen zu lassen, dass er ihr Honorar vervierfachen würde, wenn sie binnen eines Monats eine geeignete Frau für ihn fand.

„Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für unser Gespräch?“

Er fuhr herum. Da stand die Meerjungfrau an seiner Tür und wartete auf seine Antwort.

Hingerissen vom Anblick ihrer Hand, die abwesend mit dem schmalen silbernen Träger ihres Bikini-Tops spielte, während die andere auf der glatten straffen Haut ihrer Taille ruhte, wandte er den Blick ab und verfluchte Nikos im Stillen. Wieder einmal.

Georgie Jones, blond, mit strahlenden Augen und sonnigem Gemüt, war ganz und gar Nikos’ Typ. Er musste kein Detektiv sein, um sich denken zu können, dass sie entweder Nikos’ neueste Liebe war oder bald sein würde. Kein Wunder, dass Nikos sie als Chefsekretärin für ihn eingestellt hatte. Wie praktisch, sie immer in der Nähe zu haben.

„Komm bitte herein.“

Georgie schob sich ins Büro, und verzog ihre vollen, ziemlich verlockenden korallenrot geschminkten Lippen zu einem offenen Lächeln, das jedoch langsam erlosch, als sie vor seinem Schreibtisch stehen blieb.

Sie straffte die Schultern und sah Loukas fest an. „Es wäre mir eine große Ehre, für dich zu arbeiten, noch dazu in einem so renommierten Hotel wie dem Korinna. Ich will nicht lügen oder um den heißen Brei herumreden: Ich brauche den Job.“

Autor

Katrina Cudmore
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