Bitte jetzt nicht stören!

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Eine Hochzeit, ein zarter Moment ewiger Liebe? Von wegen! Seit Lizzie bei der Hochzeit ihrer Freunde Eric und Caroline ist, geht es drunter und drüber. Dass sie selbst bei diesen Festlichkeiten ihren Traummann trifft, hätte sie gedacht! Zu dumm, dass der umwerfende Joe glaubt, sie sei mit einem anderen verlobt …


  • Erscheinungstag 10.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755867
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Im Hochzeitsfieber

Auf dem Schreibtisch stapelten sich die Zettel mit Nachrichten und Mitteilungen, und seit morgens klingelte ununterbrochen das Telefon. Dazu stand eine schier endlose Liste von Terminen an.

Aber zum ersten Mal in ihrem Leben war Elizabeth Rose Muldoon entschlossen, sämtliche Hilferufe und anderweitigen Ansinnen zu ignorieren und sich ausschließlich auf ihre eigenen Probleme zu konzentrieren.

Und das schlimmste von allen war: Sie sollte bei einer Hochzeit als Brautjungfer fungieren, war aber leider in den beteiligten Bräutigam verliebt.

„Lizzie?“ Aus der Sprechanlage klang die gequälte Stimme ihrer Sekretärin Yvonne. „Dick ist auf Leitung eins. Er will dich unbedingt sprechen.“

„Nicht jetzt.“

Dick gehörte zu den Menschen, die niemand in seiner Firma haben wollte – außer Lizzie. Sie verstand das: Er war Buchhalter und wegen Unterschlagung mehrfach vorbestraft. Aber er hatte ihr hoch und heilig versprochen, ein neues Leben zu beginnen und nie mehr rückfällig zu werden. Vermutlich hatte er wieder Schwierigkeiten mit seinem Bewährungshelfer. Das wäre nicht das erste Mal.

„Lizzie?“ Aus Yvonnes Stimme klang inzwischen pure Panik. „Ich bin diesem ganzen Stress nicht mehr gewachsen! Du weißt doch, dass ich ein schwaches Herz habe. Außerdem bringe ich kaum noch ein Wort heraus.“

Das konnte Lizzie nicht ignorieren. Yvonne war zwar ohne jeden Zweifel ein Hypochonder und dazu eine katastrophale Sekretärin, aber sie gehörte zur „Familie“, und nur das zählte.

„Ist ja gut“, sagte sie beruhigend. „Schreib einfach nur alles auf, ich kümmere mich dann später darum. Aber ich stecke bis zu den Ohren in der Arbeit für den Weihnachtskatalog und habe jetzt wirklich keine Zeit“, log sie.

„Lizzie, bitte sprich mit Dick!“, flehte Yvonne mit halb ersterbender Stimme. „Außerdem hat Esmie angerufen. Sie braucht angeblich unbedingt noch eine Woche Ferien. Dabei war sie erst kürzlich einen ganzen Monat in Urlaub. Und Oliver ist wieder einmal im Dienst eingeschlafen. Die Müllmänner haben ihn heute Morgen im Tonnenraum gefunden.“

Lizzie hätte schreien mögen. Konnte sich denn niemand vorstellen, dass sie im Augenblick andere Probleme hatte, auch wenn „The Velvet Fig“ ihre Firma und sie die große Mama und Trösterin war? Sie bügelte Fehler aus, schlichtete Streitereien, richtete Niedergeschlagene wieder auf und genehmigte großzügig Gehaltserhöhungen und zusätzliche Urlaube. Sie zog verwundete Vögel, streunende Hunde und Menschen in Nöten geradezu magisch an. Das war einfach ihr Schicksal.

Aber heute hätte sie selbst jemanden gebraucht, an dessen Schulter sie sich ausweinen konnte.

„Wie soll ich das nur überstehen?“, seufzte sie.

„Was hast du gesagt?“, krächzte Yvonne. Ihre Stimme klang nahezu unverständlich. „Es sind so viele Nebengeräusche in der Leitung, ich verstehe dich kaum. Hoffentlich verliere ich jetzt nicht auch noch das Gehör!“

Yvonne war wieder einmal mit dem Finger auf den falschen Knopf der Sprechanlage gerutscht. „Du sollst einfach nur Nachrichten entgegennehmen“, brüllte Lizzie so laut in den Hörer, dass man sie auch ohne Telefon verstanden hätte. „Schreib alles auf, und ich kümmere mich dann darum, sobald ich kann.“

Sie runzelte die Stirn. Yvonne und Dick und alle anderen mussten ausnahmsweise einmal warten, bis sie sich darüber klar geworden war, was sie tun wollte. Seit Tagen drehten ihre Gedanken sich ausschließlich um ein Thema, und das war die bevorstehende Hochzeit.

„Ich fahre einfach nicht hin!“, verkündete sie laut in den Raum hinein und versuchte, Selbstsicherheit und Zuversicht in ihre Stimme zu legen. Vergebens. Es gab keinen Ausweg.

Sie wusste, dass sie an dieser Hochzeit teilnehmen würde, und dabei würde sie ein grässlich unvorteilhaftes Kleid tragen und mit eigenen Ohren mit anhören müssen, wenn Eric Bellamy – ihr Eric! – versprach, Caroline Knox für den Rest seines Lebens zu lieben und zu ehren.

„Lizzieee!“, rief eine fröhliche Stimme aus dem Vorzimmer, unmittelbar darauf kam ihre beste Freundin und Geschäftspartnerin Saffron ins Zimmer gestürmt. Auf ihrem Kopf schwebte ein überdimensionaler Samthut. Sie lächelte.

Wenn Saffron so lächelte, verhieß das nichts Gutes.

„Du kannst deine ganzen Probleme vergessen, Liz“, rief sie. „Ich habe die Lösung!“

Saffrons Lösungsvorschläge konnten alles von einer bizarren Werbekampagne für den Weihnachtskatalog bis hin zu einer gewagten neuen Frisur umfassen.

Sie setzte sich auf die Kante von Lizzies Schreibtisch. „Wir werden einen grandiosen Auftritt für dich inszenieren! Diesem dämlichen Bräutigam werden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn er dich sieht.“

„Soll ich mich vielleicht tätowieren oder piercen lassen? Hab Erbarmen.“

„Sei nicht albern.“ Saffron rümpfte die Nase. „Bin ich deine beste Freundin oder nicht?“

„Das nehme ich zumindest an.“ Lizzie wollte sich erst endgültig festlegen, wenn sie wusste, was Saffron im Schilde führte.

„Und weiß ich nicht immer, was am besten für dich ist?“

Lizzie wurde allmählich nervös. Die Anzeichen drohenden Unheils mehrten sich. „Also?“

Saffron zog die Augenbrauen besonders hoch, damit Lizzie auch merkte, dass dies ein historischer Moment war. Lizzie wurde allmählich ungeduldig.

Ihre beste Freundin beugte sich vor und senkte verschwörerisch die Stimme. „Zuerst einmal die Tatsachen: Es handelt sich hier um die sogenannte ‚Hochzeit des Jahrtausends‘, und du hast dich in einem schwachen Moment bereit erklärt, dabei in einem unvorstellbar abscheulichen Kleid aus pinkfarbenem, besticktem Taft als Brautjungfer aufzutreten.“

Saffron verdrehte die Augen. „Ich wage nicht, mir deinen Anblick vorzustellen. Wenigstens diese letzte Wohltat hätte Caroline uns noch erweisen und die Kleider bei uns bestellen können. Aber sie muss sich ja unbedingt einen Designer aussuchen, der noch nicht mitbekommen hat, dass Po-Schleifen mit Sandra Dee ausgestorben sind.“

Lizzie betrachtete geistesabwesend die blinkenden Lämpchen auf ihrer Telefonanlage. „Unsere Modelle sind für Caroline zu ausgefallen. Außerdem hätte ihre Mutter nie erlaubt, dass wir Samt oder Chenille verwenden – und unsere Schnitte schon gar nicht. Die sind viel zu auffallend, und das ist in ihren Kreisen schlicht und einfach undenkbar.“

„Wenn du mich fragst, täte diesen Kreisen ein bisschen Auffrischung ganz gut“, bemerkte Saffron spitz.

„Wahrscheinlich, aber es hilft nichts. Sprich mir nach: Wir lieben Genevieve.“

„Wir lieben Genevieve“, wiederholte Saffron gehorsam, aber es klang nicht sehr überzeugt.

„Jedenfalls so lange sie Geld in unserer Firma hat.“ Das war ein weiterer Grund, warum Lizzie ihre Zusage nicht mehr rückgängig machen konnte. War es vielleicht ihre Schuld, dass die einzigen reichen Leute, die Saffron und sie kannten – und dringend brauchten –, Carolines Mutter und Großmutter und die Eltern ihres Bräutigams waren? Und natürlich würden alle drei von ihr wissen wollen, wie ihre Geldanlage sich entwickelte. Dabei hatte Lizzie nur einen einzigen Wunsch: sich in eine Ecke zu setzen und um Eric, den Traum ihrer Jugend, der bald für immer verloren war, zu weinen. Aber daran wollte sie jetzt lieber nicht denken. Sie sah Saffron wieder an. „Also, was war das für eine umwerfende Idee?“

Saffron war sofort wieder beim Thema. „Auf der Hochzeit wird es von Klatschreportern, Fotografen und den oberen Zehntausend nur so wimmeln. Du hast also die ideale Kulisse für deinen Auftritt. Caroline wird in Ohnmacht fallen, und Eric bekommt den Schock seines Lebens, und er wird bitter bereuen, dass er dich immer übersehen hat.“

Lizzie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Das ist wirklich süß von dir, Saffron, aber ich wüsste nicht, wie …“

„Ich bin noch nicht fertig. Du musst dir das bildlich vorstellen: Caroline ein schwaches Abbild ihrer selbst, Eric zur Salzsäule erstarrt. Das Kinn fällt ihm hinunter …“ Saffron erhob sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter fünfzig. „Denn an deiner Seite schreitet der bestaussehende, hinreißendste …“

„Oh nein!“

Saffron verschränkte die Arme vor ihrem üppigen Busen. „Du wirst doch irgendwelche Männer kennen. Bist du nicht einmal mit diesem Marketingtypen von ‚Yellow Jackets‘ ausgegangen? Der sah doch eigentlich ganz gut aus, soweit ich mich erinnere. Das müsste jetzt drei oder vier Jahre her sein.“

„Sehr komisch. Saffron, das ist eine Schnapsidee. Ich brauche keinen Alibi-Mann.“ Lizzie versenkte sich angelegentlich in einen Stapel Bilder von ausgefallenen Schultertaschen, die sie in ihren Katalog aufnehmen wollte. „Das wäre zu viel der Erniedrigung.“

„Aber im Gegenteil. Die soll er dir doch gerade ersparen“, widersprach Saffron. „Stell dir vor, wie peinlich es ist, wenn du ohne Begleitung erscheinst.“

„Du bist meine Begleitung.“

„Ich zähle nicht. Komm schon, Lizzie. Du weißt genau, dass ich recht habe. Wenn du sonst niemanden hast, wie wäre es dann mit meinem Bruder?“

Lizzie fuhr hoch. „Bist du verrückt? Storm ist zweiundzwanzig! Ich bin doch keine Kindergärtnerin.“

„Wieso? Das sind gerade mal sieben Jahre Altersunterschied. Außerdem sieht er gut aus und hätte bestimmt nichts dagegen, als dein Freund aufzutreten.“

Lizzie schüttelte den Kopf. „Das kommt überhaupt nicht in Frage“, erklärte sie fest.

„Die Frauen werden dich um ihn beneiden.“

„Vergiss es, Saffron. Ich habe Nein gesagt, und dabei bleibt es.“

„Außerdem weiß Storm, wie man sich in der sogenannten besseren Gesellschaft bewegt.“ Saffrons Augen leuchteten. „Liz, stell dich nicht so an. Dein Traummann Eric gibt eine Zeitschrift heraus, und die Hälfte der Gäste kommt aus der Medienbranche. Storm könnte die wunderbarsten Kontakte knüpfen. Er möchte doch so gern Schauspieler werden, und es wäre eine wunderbare Übung für ihn! Er müsste nur so tun, als würde er dich am liebsten mit den Augen verschlingen.“

Lizzie hätte sich fast verschluckt. „Herzlichen Dank“, sagte sie sarkastisch. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich das mitmache? Der Unterhosencowboy, der mich mit den Augen verschlingt? Saffron!“

„Ich finde es nicht sehr freundlich von dir, dass du meinen Bruder als Unterhosencowboy bezeichnest“, gab Saffron gekränkt zurück. „Das ist diffamierend.“

„Das sagst du doch selbst immer. Ich gebe ja zu, dass er in Unterhosen sehr attraktiv aussieht, aber sein Bild hängt an jeder Bushaltestelle zwischen Chicago und Milwaukee. Was macht denn das für einen Eindruck?“

Saffron legte den Kopf zur Seite, und die langen kastanienroten Locken fielen ihr über die Schulter. „Du willst also nicht mit ihm gesehen werden, weil er sein Geld mit Unterwäsche verdient?“, sagte sie bitter. „Ich hätte nie gedacht, dass du so ein Snob bist.“

„Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Aber einen Mann stelle ich mir eben anders vor.“

„Hast du vielleicht etwas Besseres zu bieten?“ Saffron beugte sich blitzschnell vor und zog ein Foto von Eric Bellamy aus Lizzies Schreibtischschublade. „Den da vielleicht?“

„Gib das sofort wieder her!“

Saffron wedelte ungerührt mit dem verräterischen Bild. „An deiner Stelle würde ich die Gelegenheit nutzen, dem Kerl ein für alle Mal klarzumachen, was er verpasst hat, als er sich für unsere prüde Caroline entschieden hat.“

„Das wäre sicher sehr befriedigend, aber nichts für mich.“ Lizzie schüttelte abwehrend den Kopf. „Ich werde weder Storm noch sonst einen Mann mitnehmen, und damit basta.“

„Es ist mir wirklich ernst, Lizzie. Du brauchst einen Mann für diese Hochzeit, und zwar nicht nur einen flüchtigen Bekannten …“ Saffrons Augen leuchteten auf. „Du brauchst einen Verlobten!“

„Ich weiß selber, was ich brauche“, gab Lizzie zurück. „Wir werden uns auch ohne Mann großartig amüsieren. Ich wette, Carolines Kleid ist ein Albtraum. Es soll von blinden belgischen Nonnen handbestickt worden sein!“ Sie lächelte tapfer, um nicht daran zu denken, wie sehr der Anblick dieses Kleides sie schmerzen würde. „Also, kommst du mit?“

„Wo findet das große Ereignis überhaupt statt?“

„Im ‚Swan’s Folly‘ bei Lake Geneva.“

„In Daddys exklusivstem Hotel also.“

„Genau genommen ist es Mommys bestes Hotel. Es gehört Genevieve.“ Lizzie wurde plötzlich von Panik erfasst. „Was tue ich nur, wenn mein Foto in einer Klatschillustrierten erscheint? Als hässliches Entlein, das tränenden Auges den Bräutigam anschmachtet?“

„Dann schmachte nicht“, riet Saffron auf ihre praktische Art. „Außerdem werde ich dafür sorgen, dass du nicht wie ein hässliches Entlein aussiehst.“

„Der erste Empfang findet schon am Donnerstagnachmittag statt. Willst du mit mir im Auto mitfahren?“

Saffron lehnte entschieden ab. „Du bist zwar meine beste Freundin, aber in deine Blechbüchse bringen mich keine zehn Pferde.“

„Übertreib nicht.“ Lizzie setzte sich mit einem Stirnrunzeln auf und suchte auf ihrem Schreibtisch nach einem Zettel mit einer Telefonnummer. „Du hast mir doch diesen Porträtmaler besorgt, der das Bild von Eric und Caroline malen soll. Bis jetzt hat er noch nichts präsentiert, was auch nur entfernt einem Gemälde ähnelt. Allmählich wird die Zeit knapp. Schließlich soll es mein Hochzeitsgeschenk an die beiden werden.“

„Ich kümmere mich darum“, versprach Saffron. „Entweder bringe ich das Bild mit oder lasse es ins Hotel liefern. Mach dir keine Sorgen.“

Das war leichter gesagt als getan. Wie sollte man sich keine Sorgen machen, wenn man mit einem Hypochonder, einem gewohnheitsmäßigen Betrüger, einer Angestellten, die in Eigenregie ihren Urlaub verlängerte, und einem chronisch müden Nachtwächter geschlagen war und die eigene Freundin einen zum Schein mit einem Unterhosenmodell verkuppeln wollte? Vielleicht war es nicht die schlechteste Lösung, wenn sie sich für ein paar Tage von hier verdrückte, selbst wenn der Anlass Erics Hochzeit war.

„Danke, Saff“, sagte Lizzie, aber ihre Partnerin war schon halb durch die Tür verschwunden. Dort drehte sie sich noch einmal um und zwinkerte ihr zu, offenbar sehr mit sich zufrieden.

Ob Saffron etwas ausheckte, von dem sie nichts wusste?

Nein, entschied Lizzie und machte sich widerstrebend daran, die Probleme ihres Personals zu sortieren. Saffron hatte bestimmt keine Hintergedanken.

Donnerstag: Willkommen im Swan’s Folly!

Lizzie fühlte sich großartig. Ihr war zwar immer noch nicht eingefallen, wie sie das Problem mit Eric Bellamy lösen könnte – das im Wesentlichen darin bestand, dass sie einen glücklichen Eindruck erwecken musste –, aber bei diesem Wetter gelang es ihr beim besten Willen nicht, Trübsal zu blasen. Die Sonne schien, und kleine weiße Wölkchen zogen über den tiefblauen Himmel, als sie in ihrem alten VW Käfer, Baujahr 1969, durch das ländliche Wisconsin fuhr. Was konnte an einem solchen Tag schon schief gehen?

„Hoppla!“ Fast hätte sie das schicke rote Cabrio am Straßenrand übersehen. Ein Mann lehnte daran, und er machte keinen sehr fröhlichen Eindruck.

Lizzie trat auf die Bremse, lenkte ihren Käfer auf die Seite und legte den Rückwärtsgang ein. Während der Wagen zurückholperte, betrachtete sie den Besitzer des Cabrios ausführlich im Rückspiegel. Er hatte dunkle Haare, breite Schultern und trug eine Sonnenbrille. Er sah zweifellos sehr gut aus. Und sehr missgelaunt.

Gut aussehende Männer schlugen zwar nicht in ihr Fach, aber mit Autos kannte sie sich aus. Dazu kam natürlich, dass nichts für ihre Lebensgeister förderlicher war, als wenn sie einem Mitmenschen in Nöten helfen konnte. Vielleicht gelang es ihr, ihn zum Lächeln zu bringen – oder wenigstens dazu, die Sonnenbrille abzunehmen, damit sie sein Gesicht richtig sehen konnte.

„Schöner Wagen“, rief sie munter, als sie sich aus ihrem Käfer schraubte und bewundernd vor dem Porsche stehen blieb.

„Danke.“ Der Mann verzog schmerzhaft das Gesicht, als er auf sie zuging. Er zog sein Bein leicht nach.

„Sind Sie verletzt?“, fragte Lizzie besorgt und eilte zu ihm, um ihm ihren Arm als Stütze anzubieten. „Hatten Sie einen Unfall?“

„Nein“, knurrte er und schob ihren Arm fort. „Das stammt noch von einer alten Verletzung.“

„Aha.“ Lizzie steckte die Hände in die Taschen ihrer abgeschnittenen Jeans. Der Mann war groß, bestimmt fünfzehn Zentimeter größer als sie mit ihrem einen Meter fünfundsiebzig. Seine dunklen Haare waren kurz geschnitten, und er trug dunkelblaue Hosen und ein frisches weißes Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Er hatte klare, markante Züge und einen traumhaft schönen Mund, auch wenn die Lippen jetzt zusammengepresst waren.

Ein attraktiv aussehender Mann, gut angezogen, ein teurer Wagen, auch wenn er nicht mehr ganz neu war … Ganz offensichtlich hatte er Geld und sich seine Verletzung wahrscheinlich beim Tennis oder Golf oder vielleicht sogar beim Polo geholt. Lizzie hatte zwar nicht prinzipiell etwas gegen reiche Männer – schließlich hatte ihr angebeteter Eric mehr Geld, als er ausgeben konnte –, aber ihr Herz schlug eher für den einfachen Mann von der Straße, der für seinen Lebensunterhalt arbeiten musste und Ideale hatte, die nicht von Geld bestimmt waren.

Sie wusste selbst, dass sie eine Idealistin war. Aber sie konnte es nun einmal nicht ändern, dass sie immer auf der Suche nach verwandten Seelen war, die wie sie bestrebt waren, Gutes zu tun. Dafür hatten die Reichen meistens keine Zeit. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihr Geld zu zählen, vermutete sie.

„Ich würde gern einen Pannendienst anrufen. Haben Sie ein Autotelefon?“, erkundigte der Mann sich jetzt schroff.

Die Frage überraschte sie. Sie hätte angenommen, dass ein Mann wie er mindestens zwei Handys besaß, um ständig die Börsenkurse abfragen zu können.

„Wieso? Ist Ihres kaputt?“, wollte sie wissen.

„Ja.“ Sein Gesichtsausdruck wurde noch grimmiger. „Seit einer halben Stunde stehe ich hier, und in der ganzen Zeit ist nicht ein einziger Wagen vorbeigekommen. Dabei bin ich sehr in Druck, weil ich einen wichtigen Termin habe.“

Natürlich. Wie könnte es anders sein? „Vielleicht könnte ich mir den Motor einmal ansehen“, schlug sie vor. „Möglicherweise ist es ja nur eine Kleinigkeit, die mit ein paar Handgriffen zu beheben ist.“ Lizzie schenkte ihrem neuesten Opfer ein beruhigendes Lächeln. „Was ist denn passiert? Sind Ihnen irgendwelche komischen Geräusche oder ein ungewohnter Geruch aufgefallen? Oder sonst etwas, das Ihnen nicht ganz normal vorkam?“

Er stand einfach da, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah sie durch seine dunkle Brille an. Offenbar nahm er ihre Frage nicht ernst. Das war typisch. Männer konnten einfach nicht glauben, dass Frauen etwas von Motoren verstanden. „Ich kenne mich mit Autos aus“, versicherte sie ihm. „Meinen Käfer warte und repariere ich auch selbst.“ Ihr Lächeln wurde breiter. „Machen Sie die Motorhaube auf. Es tut bestimmt nicht weh.“

„Sie können ja doch nichts ausrichten.“

„Das wissen wir erst, wenn wir uns den Schaden näher angeschaut haben.“ Sie spürte genau, dass er ihr nicht vertraute. Aber noch gab sie nicht auf. „Wollen Sie es mich nicht wenigstens versuchen lassen? Vielleicht sind Sie dann schneller bei Ihrem Geschäftstermin, als Sie ahnen.“

„Es ist kein Geschäftstermin“, erwiderte er unfreundlich, klappte aber gehorsam die Motorhaube hoch. „Ich werde bei einem Hochzeitsempfang erwartet.“ Er sah auf die Uhr. „Er hat vor einer Stunde angefangen.“

„Sie meinen nicht zufällig die Hochzeit Knox-Bellamy?“, erkundigte Lizzie sich auf gut Glück.

Er sah sie zum ersten Mal ausführlich an. „Sind Sie vielleicht auch dahin unterwegs?“

„Ich bin sogar Brautjungfer.“ Sie streckte ihm die Hand hin. „Lizzie Muldoon.“

Als er sie berührte, war ihr, als durchführe sie ein elektrischer Strom. Und dann lächelte er, und Lizzie wurde von innen her ganz heiß. Was für ein Lächeln!

„Joe Bellamy“, stellte er sich vor.

„J-Joe B-Bellamy?“, stotterte sie. Aber trotz ihrer Verwirrung entging ihr nicht, dass er keinen Ehering trug.

Das ist er! dachte sie. Das ist der Mann, auf den ich gewartet habe.

„Ich bin einer der Trauzeugen. Vielleicht werden wir ja nebeneinander zum Altar gehen.“

Lizzie glaubte an Vorherbestimmung. Und deshalb wusste sie, dass ihr in diesem Augenblick das Schicksal begegnet war. Da grämte sie sich, weil sie zu dieser Hochzeit fahren musste, und dann lief ihr ein Mann über den Weg, der mit ihr zum Altar gehen wollte! Wenn das nichts zu bedeuten hatte!

Aber dann fiel ihr wieder ein, dass er ein Bellamy war, wie Eric, der Schwarm ihrer Jungmädchenjahre. Und wie Budge Bellamy, der sogenannte „Brezelkönig“. Jedes Mal, wenn in Amerika jemand in eine Brezel biss, klimperte das Geld in seiner Kasse. Joe Bellamy musste zur Familie gehören, und das hieß, dass er für sie außer Reichweite war.

Lizzie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. „Sind Sie vielleicht ein Cousin von Eric?“

„Ich bin sein Stiefbruder. Erics Vater war ein paar Jahre mit meiner Mutter verheiratet.“

„Oh.“ Budge Bellamy hatte mehr Ehen hinter sich als Zsa Zsa Gabor, und dieser neu aufgetauchte Bellamy war offenbar der Sohn einer dieser zahlreichen verflossenen Ehefrauen.

Lizzie schüttelte den Kopf und entzog ihrem neuen Bekannten endlich ihre Hand. „Ich glaube, ich sollte jetzt doch einen Blick in den Motor werfen“, sagte sie unvermittelt und tauchte unter die Motorhaube.

2. KAPITEL

Joe Bellamy stand hinter Lizzie und betrachtete interessiert ihren Po, als sie in seinen Vergaser spähte und im Luftfilter stocherte. Kein übler Anblick, befand er. Lange Beine, knappe Shorts, Rundungen an den richtigen Stellen. Wenn man schon mitten in der Einöde eine Autopanne hatte, konnte sie keinen besseren Verlauf nehmen.

„Reizend“, sagte er laut und legte den Kopf ein wenig auf die Seite, um einen besseren Ausblick zu haben.

„Was haben Sie gesagt?“ Lizzie richtete sich auf und drehte sich zu ihm um. Dabei verfehlte sie die Motorhaube mit dem Kopf nur um Bruchteile eines Zentimeters.

„Vorsicht! Das würde mir noch fehlen, wenn Sie mit klaffender Wunde neben meinem Auto zusammenbrechen.“

Sie schenkte ihm einen eisigen Blick. „Keine Angst. Ich würde es niemals wagen, Ihren kostbaren Porsche mit meinem Blut zu entweihen.“

Das war zwar nicht seine Sorge gewesen, aber ein Blick in ihr Gesicht ließ ihn vermuten, dass Widerspruch zwecklos war.

„Männer“, stieß sie hervor, schüttelte das dunkle lockige Haar und verschwand wieder unter der Motorhaube.

„Frauen“, gab Joe unfreundlich zurück, aber das hörte sie schon nicht mehr.

Was für ein Tag. Er hatte schon damit angefangen, dass er nicht die geringste Lust verspürte, auf diese alberne Schickimicki-Hochzeit zu fahren. Erics steife, zimperliche Braut lag ihm so wenig wie der Rest ihrer Familie, und er verspürte nicht die geringste Lust, sich ihretwegen das ganze Wochenende in Anzug und Krawatte zu zwängen. Hätte er diese dumme Verletzung nicht gehabt, er hätte es vielleicht geschafft, sich herauszuwinden.

Immerhin war er bei der Feuerwehr in Chicago und konnte nicht einfach freinehmen, nur weil irgendein Stiefbruder heiratete! Und hätte er an diesem Wochenende zufällig freigehabt, hätte er rechtzeitig mit jemandem tauschen können. Aber es hatte nicht sein sollen. Er war bei der Parade zum St.-Patricks-Day vom Feuerwehrwagen gefallen, als er gleichzeitig ein Eis essen und einem Kind hatte winken wollen. Dabei hatte er das Gleichgewicht verloren und sich verletzt und war krankgeschrieben worden. Das bedeutete, dass er leider keinen Vorwand hatte, dieser Hochzeit fernzubleiben.

Ein Wochenende mit den Reichen des Landes – allein die Vorstellung verursachte ihm Bauchgrimmen. Aber er war entschlossen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wenn er es schon nicht ändern konnte. Leider hatte er sich auf dem Weg verfahren, dann hatte auch noch der Wagen seinen Geist aufgegeben, und er war in einer offenbar völlig menschenleeren Gegend gestrandet. Kein Wunder, wenn er da ein bisschen gereizt war.

Allerdings war Lizzie Muldoons Kehrseite ein Lichtblick in all diesem Dunkel. Wenn sie sich noch ein bisschen weiter nach unten beugte, bestand akute Gefahr, dass ihre Shorts platzten. Das waren durchaus erfreuliche Aussichten.

„Hm.“ Sie wischte die Hände an ihrem Po ab und kehrte aus den Tiefen des Motorraums zu ihm zurück. „Ich fürchte, es ist die Benzinpumpe“, verkündete sie. „Da ist leider nichts zu machen.“

Er hatte den Anstand, sie nicht darauf hinzuweisen, dass er das gleich gesagt hatte.

„Sie werden den Wagen abschleppen lassen müssen.“ Seine Miene verdüsterte sich. „Vielleicht kann ich Sie mitnehmen?“, bot sie ihm dann an, und seine Stimmung hob sich beträchtlich.

„Ich möchte Ihnen aber nicht zur Last fallen“, behauptete er der Form halber, war aber schon unterwegs, um seine Tasche aus dem Kofferraum zu holen. Es gab Schlimmeres, als von einer gut gebauten Frau mit einem hinreißenden Lächeln durch die Gegend kutschiert zu werden.

„Sie fallen mir nicht zur Last. Schließlich haben wir dasselbe Ziel“, meinte sie. „Und außerdem sind wir fast da.“ Sie nahm ihm die unförmige Reisetasche aus der Hand. „Sie sollten nicht so schwer tragen, wenn Sie verletzt sind.“

Er nahm die Tasche wieder an sich. „Ich bin doch kein Invalide.“

Sie kräuselte ihre niedliche kleine Nase, und er befürchtete schon, dass sie Streit mit ihm anfangen wollte. Aber dann gab sie nach einem Blick in sein Gesicht unerwartet nach. „Wie ist das mit dem Knie passiert?“, fragte sie stattdessen und hielt stützend seinen Ellbogen, als sie ihn zu ihrem Wagen geleitete. „Beim Skilaufen oder Polo?“

Was für eine absurde Frage. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht Polo gespielt, und wenn es hoch kommt, war ich zweimal beim Skilaufen. Es war ein Arbeitsunfall“, antwortete er ein wenig unfreundlich, denn besonders stolz war er darauf nicht.

Lizzie öffnete den Kofferraum, aber der war bereits bis zum Rand mit Taschen und Paketen vollgestopft. Sie schloss den Deckel wieder und ging zur Beifahrertür. „Was arbeiten Sie denn?“, fragte sie ihn über die Schulter.

„Ich bin Feuerwehrmann.“

„Im Ernst?“ Sie betrachtete ihn mit einer Mischung aus Entzücken und Bewunderung. Genauso hatte ihn seine Lehrerin in der ersten Klasse immer angesehen, wenn er fehlerfrei gelesen hatte. „Da haben Sie sich bestimmt bei einem gefährlichen Einsatz verletzt. Das ist so … so …“ Sie nahm ihm seine Tasche wieder ab und drückte sie so entschlossen an sich, dass er jeden Widerstand von vornherein verwarf. „… so heldenhaft!“

Es war nicht richtig, ihr die Illusion zu lassen, er hätte sich seine Verletzung beim mannhaften Kampf gegen eine Feuersbrunst zugezogen. Aber noch schlimmer wäre die banale Wahrheit gewesen.

Während er noch darüber nachdachte, wie er sich verhalten sollte, klappte Lizzie die Lehne des Beifahrersitzes vor und schob seine Tasche auf den Rücksitz.

Joes Stimmung hatte sich in den letzten Minuten deutlich gehoben. Lizzie Muldoon war einfach süß. Und das lag nicht nur an ihren Beinen oder dem strahlenden Lächeln, auch nicht an ihrem energischen Auftreten oder ihrer Entschlossenheit, ihm zu helfen – er hatte den Verdacht, dass sie ihn notfalls zu ihrem Wagen getragen oder es zumindest versucht hätte. Vielleicht war es einfach die Art, wie sie ihn anschaute, als hätte sie ihm am liebsten einen Pullover gestrickt und mit einem heißen Kakao ins Bett gesteckt. Er musste zugeben, dass er nichts dagegen gehabt hätte, sich ein wenig von ihr verwöhnen zu lassen.

Lizzie lud ihn zum Einsteigen ein. Er betrachtete den Sitz mit leichtem Zweifel. Besonders geräumig schien der Innenraum nicht zu sein.

Autor

Julie Kistler
Julie Kistler kommt bei Komödien, alten Filmen, Musicals, Katzen und großen, dunkelhaarigen und gut aussehenden Männer wie ihrem eigenen Ehemann, mit dem sie seit 20 Jahren verheiratet ist, ins Schwärmen.
Früher war sie Rechtsanwältin, hat sich dann aber für eine Karriere als Romance-Autorin entschieden und sich durch ihre humorvollen Liebesromane...
Mehr erfahren