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Als Ginny auf ihrer Verlobungsparty von Alina erfährt, dass Oliver sie nur heiraten will, um einen Erben zu zeugen, ist sie entsetzt. Liebt er in Wahrheit Alina, die keine Kinder bekommen kann? In ihrer Not flirtet sie heiß mit Mark, der seine Chance übel ausnutzt. Halb entkleidet wird Ginny in seinen Armen entdeckt. Der Skandal ist perfekt ...


  • Erscheinungstag 24.12.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521147
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ginny Hamiltons schöne grüne Augen blitzten ihn schelmisch an. „Als Graf Dracula, Oliver? Eigentlich ist das hier ein Kostümfest und keine Erkenne-dich-selbst- Veranstaltung.“

Oliver Marsden lächelte kalt zurück. Er hatte seine pechschwarzen Haare zurückgekämmt und sah mit dem langen, schwarzen Umhang tatsächlich wie der sagenhafte Herr der Vampire aus. Und genauso bedrohlich.

„Das könnte ich auch zu dir sagen. Lass mich raten, was du darstellst! Scarlet O’Hara, die gerade Atlanta im Sturm erobert? Und jederzeit für einen Skandal gut ist?“

Ginny lachte und vollführte einen übertriebenen Hofknicks, der den weit schwingenden Rock ihres eng anliegenden Kleids zum Wogen brachte. „Ich muss immerhin meinem Ruf gerecht werden.“

„Das wird dir bestimmt nicht schwer fallen.“ Er blickte anerkennend auf ihre zarten Brüste, die der tiefe Ausschnitt des Kleides zur Geltung brachte.

Sie musste wieder lachen. Ein tiefes, fast heiseres Lachen. „Willst du mir nicht erzählen, dass es dich schockiert, mich heute Abend hier zu treffen? Mein Vater ist gerade vor einer Woche beerdigt worden, und ich amüsiere mich auf einer Party.“

„Sollte ich denn schockiert sein?“

„Hast du denn erwartet, mich hier zu treffen? Mein Gott, ich hasse es, wenn ich so leicht zu durchschauen bin.“ Sie schmollte spaßhaft.

„Da musst du keine Angst haben. Aber es tut mir leid, dass ich nicht zur Beerdigung kommen konnte. Ich war in Tokio.“

„Schade! Es war eine ausgezeichnete Beerdigung.“ Sie lächelte traurig. „Es würde Daddy gefallen haben. Genau die richtige Mischung aus Schwulst und Prunk. Und die Grabrede wurde sogar von einem Bischof gehalten! Irgend so ein Verwandter dritten Grades. Einer dieser alten Knaben, die man nur zu Hochzeiten und Begräbnissen zu Gesicht bekommt. Aber ich fürchte, dass ich für die anderen wieder mal der Schandfleck der Familie war.“

„Hat es dich denn jemals interessiert, was die anderen von dir denken?“

„Nicht im Geringsten!“ Sie versuchte, sich so unbeteiligt wie möglich zu benehmen. Nie im Leben hätte sie zugegeben, wie sehr ihr das Gerede hinter ihrem Rücken und die schiefen Blicke zugesetzt hatten. Das Verhältnis zu ihrem Vater war nicht immer einfach gewesen, aber sie hatte ihn vergöttert, so altmodisch und engstirnig er auch gewesen sein mochte.

Oliver gehörte zu den wenigen Menschen, die das nachvollziehen konnten. Sein Vater war mit ihrem Vater seit ihrer gemeinsamen Schulzeit befreundet gewesen. Dummerweise war Oliver Marsden aber auch der letzte Mensch, mit dem sie sich über ihre Gefühle unterhalten mochte. Es war jetzt sechs Jahre her, dass er um ihre Hand angehalten hatte, und sie hatte Ja gesagt. Aber dann war alles gründlich schief gegangen.

Glücklicherweise hatte sie ihn in den folgenden sechs Jahren nur selten getroffen. Er lebte in New York und arbeitete für eine Großbank an der Wall Street. Vor zwei Monaten hatte sein Vater seinen Rücktritt als Vorsitzender von Marsden Lambert angekündigt, einem der letzten unabhängigen, kleinen Bankinstitute im Familienbesitz in London. Und Oliver sollte sein Nachfolger werden.

Dadurch würden sie sich zwangsläufig wieder häufiger über den Weg laufen. Ginny wusste nicht, was sie davon halten sollte. In der Zwischenzeit hatten sie sich ab und zu getroffen und dabei höflich unterhalten, doch konnte sie sich einer gewissen dunklen Ahnung nicht erwehren. Immerhin hatte sie vor sechs Jahren ihre Verlobung ausgerechnet auf der Verlobungsfeier platzen lassen. Und Oliver Marsden hatte ein gutes Gedächtnis.

Ihr Gesicht verriet jedoch nichts von ihren Gedanken, als sie ihn mit leuchtenden Augen ansah. Sie hatte sich für diese Partys einen bestimmten Augenaufschlag angewöhnt, der von ihren langen Wimpern betont wurde. „Na ja, vielleicht haben sie ja recht. Ich befürchte, dass ich tatsächlich hoffnungslos verdorben und selbstsüchtig bin! Du solltest froh sein, mich nicht geheiratet zu haben.“

„Hättest du mich geheiratet, wärst du nicht verdorben worden.“

Seine Bemerkung versetzte Ginny einen Stich. Etwas in seiner Stimme warnte sie, dass es nur zum Teil scherzhaft gemeint war. Sie nahm sich zusammen und versuchte zu lachen. „Na ja, dann bin jedenfalls ich froh, dich nicht geheiratet zu haben. Ich bin lieber verdorben.“

Bevor Oliver auf ihre Beleidigung antworten konnte, ließ sich eine ruhige, klare Stimme vernehmen, die sie nur allzu gut kannte. „Ginny, meine Liebe, dich hätte ich hier nicht erwartet!“ Eine elfenhafte Schneekönigin erschien plötzlich neben Oliver. Sie war groß und gertenschlank, ihr langes, weißblondes Haar voll silbernem Glitter fiel um ihr schön geschnittenes Gesicht. Mit einem selbstsicheren, kühlen Lächeln hakte sie sich bei Oliver ein.

Seine Stiefschwester, so blond, wie er dunkel war, und genauso schön wie hinterhältig.

„Hallo, Alina!“ Ginny war die Freundlichkeit in Person. „Ich konnte mir diese Party doch unmöglich entgehen lassen.“

„Ich war sehr betrübt, als ich das von deinem Vater hörte.“ Alinas Stimme triefte vor falscher Freundlichkeit. „Das war bestimmt ein großer Schock für dich.“

„Nicht wirklich. Er war ja schon eine ganze Weile sehr krank.“

„Aber natürlich. Und er war auch schon ganz schön alt. Aber dein Kleid ist ja wirklich fantastisch! Ganz schön mutig, diese Farbe zu tragen!“

„Danke!“ Ginny hatte nicht die geringste Lust, auf die versteckte Beleidigung einzugehen. „Es war schön, wieder mal mit euch zu plaudern. Wir sehen uns dann später. Bye!“

Mit einem strahlenden Lächeln mischte sie sich unter die restlichen Partygäste, scherzte mit einigen und flirtete mit jedem männlichen Wesen von achtzehn bis achtzig. Ginny Hamilton, das Partygirl. Und obwohl heute Abend auch prominente Künstler und die Creme des Adels anwesend war, zog sie die meisten Blicke auf sich.

Dabei war sie eigentlich nicht im klassischen Sinne schön. Das Wort, das die meisten benutzen, um sie zu beschreiben, war eindrucksvoll. Sie war groß und geschmeidig, ihr langes Haar glänzte wie poliertes Ebenholz und bildete einen interessanten Kontrast zu ihrer hellen Haut. Aber ihre Nase war einen Tick zu scharf geschnitten und ihr Mund ein kleines bisschen zu breit.

Nur wenige Menschen hatten sie genau genug betrachtet, um die Intelligenz in ihren grünen Augen erkennen zu können, ihre Entschlossenheit und die Verletzlichkeit, die hinter ihrem strahlenden Lächeln verborgen war. Die meisten sahen, was sie sie sehen lassen wollte, das Partygirl, das verzogene, kleine Mädchen, oberflächlich und frivol. Sie spielte ihre Rolle trotz des üblen Klatsches, und dies erfüllte sie mit einem merkwürdigen Stolz. Sie hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass dies eine wirksame Tarnung war.

Von denen, die sie jetzt beobachteten, wussten nur die wenigsten, dass sie die treibende Kraft hinter dem Festkomitee war. Und nur aus diesem Grund war sie heute Abend hier und spielte ihre Rolle, obwohl ihr, weiß Gott, nicht danach zu Mute war.

Denn hierin lag ihre Stärke. Sie besaß ein fast unglaubliches Talent, den Leuten ihr Geld für wohltätige Zwecke aus der Tasche zu ziehen. Und sie hatte die Fähigkeit, die Feste so zu gestalten, dass sich alle Anwesenden wohlfühlten. Und wer sich wohlfühlte, war umso großzügiger.

Am heutigen Abend ging es um die Unterstützung einer Organisation, die sich um Obdachlose kümmerte, von denen viele Alkoholiker oder Drogenabhängige waren. Normalerweise hätten die meisten der Anwesenden von diesen Leuten noch nicht einmal Notiz genommen, wenn sie auf dem Weg zur Oper über sie hinwegsteigen mussten.

Aber Ginny war in Hochform. Charmant plauderte sie noch mit den hochnäsigsten alten Ladys über die Probleme, einen angemessenen Friseur zu finden, oder über ihre Enkelkinder und deren Kinderkrankheiten. Nur ihre engsten Freunde wussten, welche Kraft es sie kostete, diese glitzernde Fassade aufrechtzuerhalten.

Sie hatte diese Art der Verstellung schon in ihrer Kindheit lernen müssen. Sie war gerade neun Jahre alt gewesen, als ihre Mutter starb, und sie hatte bald gemerkt, daß ihr Vater ihre Tränen nicht ertragen konnte. Also hatte sie ihre Trauer hinter einem heiteren Lächeln verborgen, und dies war ihr im Laufe der Zeit zur zweiten Natur geworden.

Es hatte ihr auch vor sechs Jahren geholfen, als Alina ihre romantischen Träumereien zerstört hatte. Alina und ihr eigener kindlicher Stolz, wie sie zugeben musste, hatten dazu geführt, dass sie die Verlobung mit Oliver gelöst hatte.

Der Abend schien ein voller Erfolg zu werden. An die zweihundert Menschen tanzten unter prächtigen Kronleuchtern, widergespiegelt von den goldfarbenen gerahmten Spiegeln, die die ganze Wand bedeckten. Sie genossen es offensichtlich, auf einem Maskenball zu sein und für ein paar Stunden ihrem alltäglichen Leben entfliehen zu können.

Während sie sich umsah, spürte Ginny eine tiefe Zufriedenheit. Ihre Arbeit hatte sich bezahlt gemacht. Wochenlang hatte sie an der Planung gearbeitet, hartherzige Geschäftsleute überredet, in dem Programmheft zu inserieren, und alle in ihrem großen Bekanntenkreis überzeugt, sich eine Eintrittskarte zu kaufen.

Sie gönnte sich eine kleine Verschnaufpause. Sie stellte sich neben die schweren Brokatvorhänge am Ende des Ballsaals, und als sie sich unbeobachtet fühlte, verschwand sie durch die Verandatür.

Draußen lag der kleine Innenhof des Hotels. Tagsüber konnte man hier Kaffee trinken oder ein Eis essen, aber jetzt lag er verlassen da. Von drinnen drangen die Musik und das Lachen der Gäste an ihr Ohr, aber die geschlossenen Vorhänge vermittelten ihr ein Gefühl der Geborgenheit.

Obwohl es erst Mai war, war die Luft nicht kühl. Mit einem leichten Seufzer ließ sie sich an einem der Tische nieder und begann, ihre Schläfen zu massieren. Diese aufgesetzte Freundlichkeit war auf die Dauer sehr anstrengend.

Vielleicht machte sie einfach nur aus falschem Stolz allen vor, dass sie keine Probleme hätte, aber dieser Stolz war auch alles, was ihr geblieben war. Die feine Gesellschaft würde es bald herausfinden. Gerade diejenigen, die sich besonders gern das Maul über sie zerrissen, würden sagen, dass sie nur das bekam, was sie verdiente.

Aber sie konnte sich noch nicht einmal darüber beschweren! Es war ihre eigene Schuld. Sie war der Mittelpunkt des Skandals auf ihrer Verlobungsfeier gewesen und hatte seitdem nichts unternommen, sich wieder ins rechte Licht zu stellen. Es hätte ihr wohl auch niemand geglaubt. Warum auch! Sie hatte ihren Schmerz sehr gut hinter all diesen Lügen verbergen können, einen Schmerz, den sie auch jetzt noch tief in ihrem Inneren spürte.

Vielleicht hätte ich Oliver nicht mit der alten Geschichte reizen sollen, dachte sie und lächelte ironisch. Das Glitzern in seinen dunklen Augen war eine Warnung gewesen, dass die Zeit nicht alle Wunden heilte.

Schon als Neunzehnjährige war ihr aufgefallen, dass sich hinter der Oberfläche des ruhigen, kultivierten Großstädters jemand völlig anderes verbarg. Selbst heute hatte sie unter seinem Smokingjackett den durchtrainierten, muskulösen Körper wahrnehmen können, der eher zu einem Athleten oder Bauarbeiter passte als zu dem Vorsitzenden eines der ältesten Investmentinstitute der Stadt.

Marsden Lambert galt als die traditionellste und konservativste Bank in der ganzen Stadt. Es war fraglich, ob sie das mit Oliver an der Spitze auch bleiben würde. In New York hatte er an der Börse gearbeitet, und nach allem, was sie wusste, war das fast wie ein Glücksspiel. Aber der Erfolg hatte nicht lange auf sich warten lassen.

Wahrscheinlich war es besser so, dass sie damals nicht geheiratet hatten. Was sie für Liebe gehalten hatte, war wohl eher eine jugendliche Schwärmerei gewesen. Außerdem hätte er bald genug von seiner kleinen, naiven Frau gehabt.

Sie fragte sich insgeheim, ob er nicht doch Rachegedanken hegte. Solange ihr Vater lebte, hatte sie sich sicher gefühlt. Oliver hätte nie etwas getan, was den besten Freund seines Vaters verärgern würde. Aber nun …?

„Hi! Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich hier finde.“

Ginny drehte sich um und begrüßte ihre beste Freundin Sara mit einem spröden Lächeln. „Ich musste mich mal erholen. Alle Welt starrt mich an und hält mich für ein herzloses Miststück, nur weil ich heute hier bin.“

„Nur die, die dich nicht kennen.“

„Mein Ruf ist jetzt wahrscheinlich völlig zerstört.“

„Sei nicht albern! Das ist doch alles nur leeres Gerede.“

„Kein Rauch ohne Feuer!“

Sara war jetzt wütend geworden. „Du bist selbst daran schuld. Du hast es ja förmlich darauf angelegt.“

„Sicherlich. Jede wäre lieber eine verdorbene Schlampe als das nette Mädchen von nebenan!“

Sie mussten beide lachen, aber Sara ließ nicht locker. „Du hättest heute Abend nicht kommen müssen. Wir hätten deine Arbeit übernehmen können.“

Ginny schüttelte den Kopf und war plötzlich sehr ernst. „Nein, das muss ich schon selber machen. Zu Hause rumzusitzen und Trübsal zu blasen, macht ihn auch nicht wieder lebendig.“ Sie zögerte einen Moment, bevor sie mit einem zerknautschten Lächeln fortfuhr: „Außerdem ist dies wahrscheinlich die letzte High Society Party, auf die ich gehen werde.“

Sara sah sie verdutzt an. „Was soll denn das bedeuten?“

Ginny legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den Nachthimmel. Als ihre Mutter gestorben war, hatte sie sich vorgestellt, dass sie nun ein Stern am Himmel sei und über sie wache. Ob ihr Vater nun auch dort oben war? „Erinnerst du dich an die letzte große Pleite im Versicherungsgeschäft? Eine ganze Menge Leute haben ihr Vermögen verloren, und mein Vater war einer von ihnen.“

„Oh … mein Gott!“

„Du sagst es.“ Diesmal konnte Ginny die Bitterkeit in ihrer Stimme nicht verbergen. „Ironie des Schicksals. Er war immer so vorsichtig und altmodisch. Und investiert ausgerechnet in eine Firma, die so Pleite gegangen ist, dass sie noch nicht einmal jetzt wissen, wie hoch der Verlust überhaupt ist.“

„Das ist ja furchtbar. Hast du noch irgendwas davon retten können?“

„Nichts. Ich hätte mir nur gewünscht, dass er mir etwas davon gesagt hätte. Es hätte wohl nichts geändert, aber ich fühle mich so schuldig, wenn ich daran denke, wie viel Geld ich für Schmuck und Kleider ausgegeben habe, während er ums geschäftliche Überleben gekämpft hat. Trotzdem hat er alle meine Rechnungen bezahlt, als ob nichts geschehen wäre.“

Sara schüttelte den Kopf. „Er wollte dich damit wohl nicht belasten.“

„Ich kann ihn jetzt noch sagen hören: Zerbrich du dir mal nicht dein hübsches Köpfchen darüber! Unglücklicherweise kann ich jetzt nichts anderes mehr machen. Ich werde wohl das Haus verkaufen müssen.“

„O nein!“ Sara sah ihre Freundin voller Mitgefühl an. „Das ist ja schrecklich. Wo willst du denn wohnen?“

„Ich werde schon was finden.“

„Du könntest zu uns ziehen. Wir haben genug Platz.“

Ginny musste plötzlich lachen. „Ich befürchte, für Peter und mich wäre selbst der Buckingham-Palast zu klein. Warum hast du auch ausgerechnet meinen tumben Vetter geheiratet? Ich habe mir immer Vorwürfe gemacht, euch miteinander bekannt gemacht zu haben.“

Sara kicherte. „Er ist gar nicht tumb, nur etwas vorsichtig. Aber jetzt mal ernsthaft. Was hast du vor?“

„Ich sollte mich wohl nach einem Job umsehen. Dummerweise habe ich überhaupt keine Ausbildung. Armer alter Daddy! Was Frauen und Arbeit anging, hatte er sehr altmodische Vorstellungen. Und ich habe nichts dagegen gemacht. Und nun stehe ich ohne Ausbildung da, wenn man mal von meinen Erfahrungen in französischer Kochkunst absieht. Meine einzige Begabung besteht darin, Feste zu organisieren.“ Sie deutete auf den Ballsaal.

„Aber darin bist du spitze! Vielleicht solltest du einen Beruf daraus machen. Es gibt viele Wohltätigkeitsvereine, bei denen du erfolgreich arbeiten könntest.“

Ginny schüttelte den Kopf. „Das klappt nur, weil ich mich in den entsprechenden Kreisen bewege. Und wenn ich kein Geld mehr habe, werde ich mir das nicht mehr leisten können.“

„Na ja, du könntest immer noch einen Millionär heiraten. Heute Abend sind eine ganze Menge da. Ich glaube kaum, dass es dir schwer fallen würde, einen zu finden.“

Ginny schnippte mit den Fingern. „Das ist es! Sara, du bist toll.“

Ihre Freundin sah sie entgeistert an. „Das war ein Witz.“

„Nein, nein! Das ist die Lösung. Ich könnte nicht nur das Haus behalten, es würde auch niemand wissen, dass mein Vater verarmt gestorben ist. Er war immer ein so stolzer Mann. Sein Geheimnis zu hüten ist das Mindeste, was ich tun kann.“ Sie stieß ihre Freundin an. „Los, denk nach! Wen kennen wir? Wie wäre es mit Jeremy? Er sieht ganz gut aus und ist auch nett.“

„O nein, er ist zu nett! Er hätte keine Chance gegen dich.“

„Hm … stimmt vielleicht!“ Ginny hielt kurz inne. „Ralph?“

„Er riecht nach Pferdestall.“

„Ich mag Pferde. Na gut, vielleicht nicht so sehr! Alastair?“

„Du fandest seine Ohren immer zu groß.“

„Das bedeutet ja nicht, dass er nicht ein guter Ehemann sein könnte.“

„Zu schade, dass das mit Oliver nicht geklappt hat!“, sagte Sara abwesend. „Er ist sehr reich und sieht unverschämt gut aus.“

„Oliver?“ Ginny lachte freudlos auf. „Nein, viel zu arrogant. Den würde ich noch nicht einmal heiraten, wenn ich völlig verzweifelt wäre.“

„Ich dachte, du bist völlig verzweifelt?“

„Bin ich auch. Aber ich würde ihn trotzdem nicht heiraten. Ah, es klingt so, als würden sie das Essen auftragen! Lass uns hineingehen!“

Ginny hatte sich früher am Abend überzeugt, dass der Oberkellner alles im Griff hatte. Die Tische waren wunderschön gedeckt, und das Licht der Kronleuchter brach sich in den wertvollen Kristallgläsern.

Während sie Sara an ihren Tisch folgte, ärgerte Ginny sich über sich selbst. Sie hatte nicht daran gedacht, dass Oliver sich zu ihnen setzen würde, da er und Peter sich von der Universität her kannten.

Sie setzte ihr professionelles Lächeln auf und begrüßte ihn erneut. „Du leistest uns beim Essen Gesellschaft?“

„Wenn es keine Einwände gibt?“

„Nicht von mir“, sagte sie übertrieben. Er nahm den Stuhl und rückte ihn ihr zurecht. Jeremy, der eigentlich als ihr Tischherr vorgesehen war, blieb nichts weiter übrig, als sich still neben sie zu setzen. Zum Ausgleich schenkte Ginny ihm ein strahlendes Lächeln, das ihn etwas verlegen machte. Sara hatte wohl recht. Es wäre keine gute Idee, ihn zu heiraten. Er war ein zu leichtes Opfer. Außerdem würde seine linkische Art sie binnen einer Woche wahnsinnig machen.

Ein weiteres befreundetes Paar setzte sich zu ihnen an den Tisch. Lucy, im Kostüm einer Flamencotänzerin, setzte sich sofort neben Oliver. „Du böser Junge, warum hast du dich so selten in London sehen lassen? Du weißt doch, dass wir nicht genug gut aussehende Männer hier haben.“

Oliver lächelte verschmitzt zurück. „Tut mir leid. Es war mir nicht bewusst, dass man meine Abwesenheit überhaupt bemerken würde.“

Lucy überschlug sich vor Lachen. „Wie war es in New York? Es ist so aufregend. Ich liebe es. Um einzukaufen, ist Macy’s nicht zu schlagen. Ich kaufe dort seit Jahren meine Weihnachtsgeschenke.“ Sie grinste Ginny unbedarft an. „Waren Sie jemals da?“

„Einmal“, antwortete sie knapp und versuchte, nicht zu Oliver zu schauen.

„Aber ja!“ Alina mischte sich mit zuckersüßer Stimme ein. „Zu schade, dass es ein so kurzer Besuch war! In ein paar wenigen Tagen kann man New York gar nicht richtig kennenlernen.“

Ginny hatte nicht vergessen, dass Alina einige Zeit in New York verbracht hatte. Und auch der kurze Blick ihrer eisblauen Augen in Olivers Richtung war ihr nicht entgangen. Glücklicherweise lenkte Lucys Ehemann das Gespräch auf die internationale Finanzwirtschaft, und Ginny konnte sich zurücklehnen.

Oliver schien sich in den letzten sechs Jahren kaum verändert zu haben. Er sah höchstens noch besser aus. Er wirkte erwachsener. Seine Wangenknochen schienen noch härter geschnitten, genauso wie sein Mund, der sie immer so angezogen hatte. Sie konnte sich noch immer an ihren ersten Kuss erinnern …

Oliver merkte, dass sie ihn beobachtete, und vergaß für einen Augenblick die anderen Gäste. Unverhohlen ließ er seinen Blick über ihren Hals und ihre festen Brüste gleiten und lächelte ihr anerkennend zu.

Ein heißer Schauer lief ihr über den Rücken. Vor sechs Jahren war sie noch ein magerer Teenager ohne nennenswerte Kurven gewesen. Niemals hätte sie ein solches Kleid wie heute tragen können. Errötend erwiderte sie sein Lächeln.

Jeremy schenkte ihr ein Glas Wein ein. Ginny nahm ihre Gabel und wandte sich ihrem Teller zu. Obwohl das Essen fantastisch zubereitet war, hatte sie plötzlich keinen Appetit mehr. Als schließlich abgeräumt wurde, fiel ihr auf, dass sie kaum etwas gegessen hatte.

Unwillkürlich sah sie zu Alina hinüber, die sich zu Oliver neigte und ihm etwas ins Ohr flüsterte, was wohl zu privat war, als dass es die anderen am Tisch hören sollten.

Da überkamen sie wieder diese verdammten Gefühle, diese Mischung aus Wut und Eifersucht, die sie für längst überwunden gehalten hatte. Mit neunzehn war sie keine Rivalin für die ältere Frau gewesen, aber nun war auch sie älter geworden und ihr durchaus gewachsen.

Der Abend näherte sich nun seinem Höhepunkt, und das Publikum sah voller Erwartung in die ausliegenden Programme. „Darling, das ist eine wundervolle Idee!“ Eine ältere Dame stand neben Ginnys Tisch und puderte sich die Nase. „Ich bin so aufgeregt, ich weiß gar nicht, für wen ich bieten soll.“

Ginny lächelte sie an. „Dann bieten Sie doch für alle, Lady Lulworth! Je mehr Leute mitbieten, desto höher wird der Preis.“

„Oh, natürlich! Und es ist ja auch für einen guten Zweck.“

Ginny rollte mit den Augen, als sie sich wieder ihren Bekannten zuwandte. „Sie weiß überhaupt nicht, wofür wir heute sammeln.“

Die anderen lachten, nur Peter zog die Stirn in Falten. „Ich weiß nicht, ob die Idee so gut ist. Besonders da du einer der Preise bist.“

„Sei nicht so spießig! Das ist doch nur Spaß.“

„Seid ruhig!“, sagte Sara. „Die Versteigerung fängt an.“

Dieser Teil des Festes war Ginnys Trumpfkarte. Sie hatte ihre Freunde und Verwandten nicht nur dazu überredet, ihr Geld zu spenden, sondern auch ihre Zeit. Das Spiel hieß Sklave für einen Tag, und jeder verpflichtete sich, seine besonderen Fähigkeiten dem Meistbietenden für einen Tag zur Verfügung zu stellen.

Der erste Sklave war eine ihrer ältesten Freundinnen, die für ihre Blumenarrangements berühmt war. Die gebotenen Beträge wurden immer höher, und Ginny kreuzte die Finger als Glücksbringer. Jeder einzelne Penny würde der Wohlfahrt zugute kommen.

Autor

Susanne Mccarthy
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