Dem Ritter ausgeliefert

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

England, 1214: Gebannt verfolgt die schöne Lady Thomasina das Turnier: Wie mutig und gewandt Rheged kämpft! Heftig schlägt ihr Herz beim Gedanken an den Kuss, den ihr der Ritter aus Wales im Schatten der Zinnen geraubt hat. Dabei ist sie dem verhassten, ältlichen Sir Algar versprochen … Aber in der Nacht nach dem Turnier wird Thomasina von Rheged entführt! Der Turnierpreis, eine goldene Schatulle, ist gefälscht, dafür soll sie nun büßen. Ein schreckliches Los - oder die Erfüllung sinnlicher Träume? Denn eine unbändige Leidenschaft entbrennt zwischen dem wilden Ritter und Thomasina, denen die Feinde bereits nachjagen …


  • Erscheinungstag 10.01.2017
  • Bandnummer 329
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768065
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

England, 1214

Das flackernde Licht von Fackeln und Wachskerzen erhellte die große Halle von Burg DeLac und schickte Schatten über die großen Wandbehänge, auf denen Jagd- und Kampfszenen abgebildet waren. Im großen Kaminherd in der Mitte des Raumes prasselte ein Feuer und wärmte gegen die Kälte des Septemberabends. Auf beiden Seiten des Herdes tafelten Ritter und ihre Damen an gedeckten Tischen. Von allen Eingeladenen waren sie am nächsten an der erhöhten Plattform platziert, auf der Lord DeLac, seine Tochter und die wichtigsten Gäste das opulente Festmahl einnahmen. Hunde liefen zwischen den Tischen umher und schnappten nach den Essensresten, die auf den mit Binsen bedeckten Boden aus Steinplatten fielen. Ein Minnesänger trug eine Ballade von einem Ritter vor, der auszog, um seine verlorene Liebe zu finden und vor Gefahr zu retten.

Sir Rheged von Cwm Bron machte sich nichts aus dem Fest, der Ballade oder den anderen Gästen. Sollten sich die Edelleute doch den Rest des Abends mit Wortgeplänkel und Getränken, Tanz und Musik amüsieren. Er selbst wollte lieber gut ausgeruht sein für das Turnier am nächsten Morgen.

Er stand von seinem Platz auf, strich seine schwarze Tunika glatt und lenkte seine Schritte in Richtung Tür. Dabei ließ er seinen Blick abschätzend über die Ritter schweifen, die morgen im Melée gegen ihn antreten würden, einem Gruppenkampf, der eher einem echten Kampf glich als einem Turnier, in dem es Mann gegen Mann hieß. Einige der Anwesenden stellten für Sir Rheged keine echte Konkurrenz dar, etwa der aufgeregte, in leuchtend grünen Samt gekleidete junge Kerl dort drüben oder der in die Jahre gekommene Ritter, der bereits über seinem Wein eingedöst war. Sie waren entweder zu jung, um viel Erfahrung zu haben, oder zu alt, um schnell genug zu sein. Anderen ging es offenbar mehr um das Festmahl und die Unterhaltung als darum, den Turnierpreis zu gewinnen.

Sir Rhegeds Blick wanderte zum hohen Tisch, auf dem der Preis stand: ein goldenes, mit Juwelen besetztes Kästchen. Deswegen war er hier und natürlich wegen der Auslösesummen für die Waffen und Pferde derjenigen, die er im Turnier besiegen würde. Da er bereits in vielen echten Schlachten gekämpft hatte, war ihm ein Gruppenkampf vertrauter als ein Einzelkampf. In einem Gruppenkampf stellte sich auch schneller heraus, wer wahre Kampfkunst beherrschte und nicht einfach nur drauflosschlug.

Während er an der Seite der Halle entlangschritt, folgte ihm das Geflüster der anderen Ritter und Edelleute wie das Kielwasser einem Schiff auf dem Meer.

„Ist das nicht der Walisische Wolf?“, lallte ein betrunkener normannischer Edelmann.

„Bei Gott, das ist er!“, murmelte ein anderer.

Die Stimme einer Frau erhob sich über die Musik des Minnesängers. „Wieso lässt er sich nicht die Haare schneiden? Er sieht aus wie ein Wilder.“

„Meine Liebe, er kommt aus Wales“, gab ein anderer Edelmann verachtungsvoll zur Antwort. „Diese Waliser sind alle Wilde.“

Es hatte eine Zeit gegeben, in der dieses Flüstern und die Beleidigungen Sir Rheged in große Wut versetzt hatten. Mittlerweile war ihm egal, was die Leute von ihm dachten, solange er nur auf dem Schlachtfeld triumphierte. Und wenn sein langes Haar sie annehmen ließ, er werde mit der erbitterten Entschlossenheit eines Wilden kämpfen – umso besser.

Er betrat den Hof und atmete tief die frische Luft ein. Dann blickte er hoch in den wolkenlosen Himmel, von dem aus das Licht des Vollmondes den Hof erhellte. Aber Sir Rheged wusste, dass der Schein trügerisch war. Der Wind ließ auf Regen schließen. Es würde ein leichter Regen sein, jedenfalls nicht so stark, dass man das Turnier würde verschieben müssen.

Links von ihm befand sich ein langes, niedriges Gebäude, das an die große Halle grenzte. Eine Tür öffnete sich, und gelbliches Licht schien auf die Kieselsteine, die den Boden im Hof bedeckten. Der Lärm klappernder Holzschüsseln, Schneidegeräusche und die schnell aufeinander folgenden Anordnungen eines gereizt klingenden Koches sagten ihm, dass sich dort die Küche befinden musste.

Raschen Schrittes trat eine schlanke Frau mit einem großen Korb über dem Arm aus der Küche in den Hof. Ihre wohlgeformte Figur steckte in einem dunklen Kleid, mit einer hellen Tunika darüber. Als sie die Tür mit einer Bewegung ihrer Hüfte wieder zudrückte, erkannte er Lady Thomasina, die Nichte seines Gastgebers. Sie war fast nonnenhaft schlicht gekleidet, und der lange dunkle Zopf auf ihrem Rücken schwang bei jeder Bewegung mit. Sir Rheged erinnerte sich daran, wie er ihr bei seiner Ankunft vorgestellt worden war. Er war beeindruckt gewesen von der großen Intelligenz, die aus ihren braunen Augen sprach. Später bemerkte er, dass sie es war, die den gut organisierten Haushalt der Burg führte, nicht Lord DeLacs schöne Tochter Mavis, obwohl das eigentlich ihre Aufgabe gewesen wäre.

Sir Rheged beobachtete, wie Lady Thomasina den Hof überquerte und zu einer kleinen Tür im großen Doppeltor hinüberlief, die für Fußgänger vorgesehen war. Trotz ihres schlichten Kleides strahlte Lady Thomasina große Anmut und eine Würde aus, die keine noch so kostbaren und schönen Kleider hätten steigern können.

Sie sprach ein paar leise Worte mit den Wächtern, die daraufhin die Tür öffneten. Dann hörte er Stimmen, die ihn unvermittelt in seine Kindheit zurückversetzten: Es waren die dankbaren Worte der Armen und Hungrigen, die die Reste des Festessens erhalten sollten.

„Danke, Mylady!“

„Gott segne Euch, Mylady!“

„Gott schütze Euch, Mylady.“

„Es ist genug für alle da“, antwortete sie. „Komm näher, Bob, und nimm auch etwas für deine Mutter mit.“

Hier würde es heute Abend keine Blutergüsse oder blauen Augen als Resultate eines Kampfes um die Reste geben. Es würde auch niemand hungrig bleiben.

Es hatte eine Zeit gegeben, als auch Sir Rheged zu den Bettlern gehörte, die mit Hunger im Bauch und verzweifelt hoffend vor dem Tor eines Burgherrn warteten, begierig, auch nur das kleinste Stückchen Brot oder Fleisch abzubekommen. Er erinnerte sich, dass die Reste damals immer von einer Bediensteten verteilt wurden, niemals von einer Lady. Sie hatte das Essen meist wie Abfall auf den Boden geworfen und die sehnlich darauf Wartenden betrachtet, als wären sie sogar noch weniger wert als dieser.

Er lehnte sich an die Wand, schloss die Augen und versuchte die Erinnerungen an diese Zeit des Hungers und der Not, der Einsamkeit und Verzweiflung wieder zu vertreiben. Diese Zeiten waren lange vorbei. Heute war er ein Ritter mit einem eigenen Gut. Es war kein reiches Gut, aber mit der Zeit, mit dem richtigen Einsatz …

„Sir Rheged?“

Er öffnete die Augen, und Lady Thomasina stand vor ihm, den leeren Korb über dem Arm. Ihre braunen Augen blickten besorgt: „Seid Ihr krank?“

Er richtete sich auf. „Nein, ich bin nie krank. Ich brauchte nur ein wenig frische Luft.“

Sie zog die Augenbrauen zusammen, das Lächeln auf ihren vollen Lippen verschwand. „Ihr fandet die Halle zu verraucht oder stickig?“

„Nicht anders als die meisten anderen Hallen.“

„Dennoch werde ich dafür sorgen, dass mehr Fensterläden geöffnet werden.“ Sie wandte sich um, als wollte sie sich sofort darum kümmern, und zwar eigenhändig.

„Macht Euch nicht die Mühe. Es fängt bald an zu regnen“, seine Worte ließen sie innehalten und sich wieder zu ihm umdrehen. „Regen? Der Himmel ist wolkenlos.“

„Der leichte Wind sagt es mir. Es wird jedoch kein starker Regen sein“, beeilte er sich hinzuzufügen, um sie zu beruhigen. „Wahrscheinlich nur ein Schauer in der Nacht, nichts, weswegen das Turnier verschoben werden müsste.“

„Hoffentlich nicht.“

„Ich bin ziemlich sicher.“ Er lächelte sie entwaffnend an. „Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der es die meiste Zeit regnet, Lady Thomasina.“

„Tamsin“, korrigierte sie ihn freundlich. „Das spricht sich einfacher als Thomasina.“

„Lady Tamsin“, wiederholte er leise.

Sie stellte den Korb vor sich auf den Boden. „Man nennt Euch auch den Walisischen Wolf.“ Sie sprach ihn auf den Namen an, dem man ihm nach seinen ersten Turniererfolgen gegeben hatte. „Seid Ihr denn so wild wie ein Wolf?“

„Nicht so wild wie in meinen jungen Jahren.“

„Ihr seid aber doch nicht alt!“

„Älter als mancher hier.“

„Dafür sind Erfahrung und der Ruf eines Siegers Euer Vorteil.“

„Erfahrung habe ich und ein guter Ruf erfüllt tatsächlich einen Zweck. Aber ich kämpfe nicht wegen des Ruhms. Im Gegensatz zu Eurem Onkel bin ich kein reicher Mann.“

Im gleichen Moment, als er seine finanzielle Lage erwähnte, bereute er es bereits. Sie musste davon nicht wissen und er wollte auch nicht, dass sie deswegen weniger von ihm hielt.

„Ihr kämpft wegen des Geldes.“ Zu seiner Erleichterung schien sie das nicht zu erschrecken oder abzustoßen. Sie klang … sachlich, verstehend. Sie nahm die Tatsachen, wie sie waren.

„Ich kämpfe, weil ich das Geld brauche, um meinen Besitz zu erhalten.“

Sie nickte langsam, nachdenklich. „Das Leben gibt uns allen Kämpfe auf, und wir alle versuchen, zu gewinnen. Ich wünschte, ich könnte einige meiner Kämpfe mit dem Schwert oder dem Streitkolben bestreiten.“

„Ihr wärt zweifellos eine ebenbürtige Gegnerin. Die Klugen sind immer am schwersten zu schlagen.“

„Ihr schmeichelt mir, Mylord“, antwortete sie, aber nicht auf die kokette Weise schüchterner jungen Damen.

Sie sagte es misstrauisch, so als zweifelte sie daran, dass er seine Worte ernst gemeint hatte, oder vielleicht, als wäre sie es nicht gewohnt, Komplimente zu erhalten.

Da er das Gefühl hatte, Letzteres könne der Fall sein, machte er eine Handbewegung, die den ganzen inneren Hof umfasste. „Es braucht Klugheit, einen Haushalt zu führen, der so groß ist wie der von Lord DeLac, und ich hege keinen Zweifel daran, dass das Euer Verdienst ist. Ihr macht Eure Aufgabe sehr gut, Mylady. Ich habe noch nie eine so angenehme Unterbringung und so gutes Essen erlebt.“

„Mein Onkel ist bekannt für die Vorzüglichkeit seiner Feste.“

„Die Euch zu verdanken ist, da bin ich sicher.“

Er sah den Anflug eines schüchternen Lächelns. Fasziniert und ermutigt fügte er hinzu: „Ihr seid nicht nur klug, auch Eure Anmut und Schönheit sind groß. Das ist eine seltene Kombination, Mylady.“ Er ging auf sie zu. „Ihr seid eine außergewöhnliche Frau.“

Sie wich zurück und blickte wieder misstrauisch. „Versucht Ihr, mich mit leeren Lobesworten zu verführen?“

„Ich meine genau, was ich gesagt habe. Und Ihr leistet etwas, das eigentlich die Aufgabe einer anderen wäre.“

„Wollt Ihr mir jetzt auch noch erzählen, dass Mavis im Vergleich zu mir schlecht abschneidet?“

„Sie ist sehr schön, das gebe ich zu“, antwortete Sir Rheged, „aber Schönheit ist nicht alles. Ich finde, verglichen mit Euch fehlt ihr tatsächlich etwas. Ich bezweifele, dass sie sich mit viel mehr beschäftigt als damit, welches Kleid sie anziehen oder mit wem sie auf dem nächsten Fest tanzen wird.“

Lady Tamsin reagierte empört. „So oberflächlich ist Mavis nicht. Und Ihr macht Euch keineswegs bei mir beliebt, wenn Ihr schlecht von ihr sprecht.“

Offensichtlich liebte Lady Tamsin ihre Cousine sehr, und er beeilte sich, seinen Fehler wiedergutzumachen. „Ich gebe zu, ich weiß nur wenig über sie, und sie ist sicher eine wunderbare junge Frau, aber aus Euren Augen leuchten Tatkraft und Leidenschaft, Mylady. Und Ihr könnt nicht abstreiten, dass Ihr die Verantwortung für die Führung des Haushalts auf DeLac tragt.“

„Haben Sie Dank für Ihre Komplimente, werter Ritter“, mit diesen Worten wandte sie sich wieder in Richtung Küche. „Wenn Sie mich entschuldigen, ich habe einiges, um das ich mich kümmern muss. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.“

„Schlafen Sie wohl, Mylady“, hörte sie ihn mit leiser, tiefer Stimme sagen, als sie davoneilte. Er bedauerte, dass sie offenbar nicht bereit gewesen war, ihre Unterhaltung fortzusetzen.

Sie musste sich zurückhalten, um nicht vor Aufregung zu rennen, als sie den unerwartet dankbaren und charmanten Walisischen Wolf verließ.

Dass ein solcher Mann solche Dinge zu ihr sagte – zu ihr, der zurückhaltenden, pflichtbewussten, verantwortungsvollen Tamsin! Er war bei Weitem der faszinierendste Mann, den sie je getroffen hatte, und das nicht nur wegen seines guten Aussehens. Dabei war er ein Mann, der eine Frau zweimal hinschauen ließ, trotz seines ernsten Gesichtsausdrucks. Seine Augenbrauen saßen wie schwarze Linien über aufmerksamen Augen, hohen Wangenknochen und einem markanten Kinn. Er war schlicht in Schwarz gekleidet und trug weder Edelsteine noch andere Zierden.

Er brauchte keinen Schmuck, um die Aufmerksamkeit auf seinen kraftvollen kampferprobten Körper zu ziehen. Und was diese intensiven dunklen Augen anging, sah er mit ihnen offensichtlich Dinge, die andere nicht sahen. Kein anderer Gast hatte je die Arbeit angesprochen, die sie leistete.

Aber sie war kein Dummkopf, genauso wie sie keine Schönheit war, was immer Sir Rheged auch sagte. Und es wäre sicher ein Fehler gewesen, ihn wissen zu lassen, wie stark die Wirkung seiner Worte auf sie war.

Tamsin betrat die Küche, um ihren leeren Korb zurückzubringen. Armond, der stämmige Koch, dessen Schürze über dem Bauch spannte, hatte einen hochroten Kopf von der Anstrengung, die Zubereitung des Festmahls zu überwachen, und sah aus, als stünde er kurz vor einem Zusammenbruch. Die Rücken der müden Küchenhilfen waren gebeugt vom Schrubben der vielen Töpfe, Bratpfannen und Gabeln. Vila, eine Frau mittleren Alters, die schon seit ihrer Jugend auf Burg DeLac arbeitete, wischte den langen Tisch in der Mitte des Raumes, der vom Mehl wie verschneit aussah. Baldur, der Mundschenk, trieb zwei der jüngeren Dienstmägde zur Eile an: Meg und Peggy hasteten zur Tür, um den Gästen mehr Wein zu bringen.

Tamsin folgte den jungen Frauen zurück in die Halle, in der es noch lauter war als in der Küche. Sie ließ schnell einen prüfenden Blick durch den Raum schweifen, dann weiter zum hohen Tisch, an dem ihr Onkel entspannt mit einem Weinbecher in der Hand saß. Mavis war – wie es sich für die Tochter eines reichen Lords ziemte – in ein scharlachrotes Kleid mit grazilen blauen und gelben Blumen-Stickereien gekleidet. Sie saß mit gesenktem Blick neben ihrem Onkel, ganz das Bild einer sittsamen Jungfrau. Später, wenn sie allein waren, würde sie aber viel über die Gäste zu sagen haben. Sie hatte eine gute Beobachtungsgabe und war auf ihre Art sehr gescheit, auch wenn Sir Rheged und die meisten anderen Männer das nicht erkannten. Die anderen Edelleute am hohen Tisch – wichtige Lords aus London und dem Süden des Landes – schienen gut mit Essen und Trinken versorgt zu sein. Der alte Lord Russford am Ende des Tisches war bereits auf seinem Stuhl eingenickt.

Unterhalb der erhöhten Plattform sah Tamsin einige der jüngeren Ritter durch die Halle gehen, wo sie sich mit Freunden unterhielten oder anderen Gästen vorgestellt wurden. Einige Mütter mit Töchtern im heiratsfähigen Alter wirkten wie fliegende Händler, die ihre Ware auf jedem Jahrmarkt im Land feilboten.

Sir Jocelyn war derzeit Mavis’ Favorit. Er war ein gut aussehender junger Mann aus einer Familie von Rang und höchst kostbar in smaragdgrünen und leuchtend blauen Samt gekleidet. Er erinnerte Tamsin eher an einen Pfau als an einen Kämpfer, und er war einer der langweiligsten jungen Männer, denen sie je begegnet war. Sie war sicher, dass Mavis seiner bald müde werden würde.

Sir Robert von Tammerly war sogar noch jünger und sah lange nicht so gut aus, aber Tamsin zweifelte nicht daran, dass er ein Ritter werden würde, mit dem zu rechnen war. Er wirkte hellwach und aufmerksam und aß und trank – wie Sir Rheged – nur wenig. Was seine Frisur anging, unterschied er sich aber sehr von dem Rittter aus Wales. Wie alle anderen trug Sir Robert sein Haar um seinen Kopf herum in Form geschnitten, was die Rundheit seines Gesichts noch betonte.

Sir Rheged dagegen war zwar im Gesicht glatt rasiert, trug aber sein dunkles Haar – das kräftig und wellig genug war, um eine Frau vor Neid erblassen zu lassen – bis hinab zu den Schultern.

Tamsin rief sich zur Ordnung und verbot sich, an den einzigen Mann zu denken, der das Fest bereits verlassen hatte, egal wie geschmeichelt sie sich von seinen Komplimenten fühlte.

Sie entdeckte Denly, einen der kräftigeren Diener, und wies ihn an, mit dem Abbau der Tische zu beginnen, um Platz zum Tanzen zu schaffen. Dann ging sie, um kurz mit dem Minnesänger über die Tanzmusik zu sprechen. Sie selbst tanzte nie, aber Mavis liebte es.

Doch jetzt musste sie erst einmal mit Sally reden, einer jungen, besonders sinnlich wirkenden und allzu offenherzigen Dienstmagd, die sie am Tisch der jungen Schildknappen stehen sah.

Bis heute Abend hatte Tamsin nie verstanden, wie eine Frau den kostbaren Besitz ihrer Jungfräulichkeit außerhalb der Ehe für einen Mann aufgeben konnte. Es stand viel zu viel auf dem Spiel, selbst für ein armes Mädchen.

Aber wenn sie jetzt daran dachte, welche Gefühle Sir Rhegeds dunkle Augen und seine Stimme in ihr ausgelöst hatten! Sie begann zu begreifen, wie eine Frau sich dem Verlangen hingeben konnte, ohne an die Konsequenzen zu denken. Seine Komplimente hatten so ernst gemeint geklungen, dass sie überzeugt war, sie waren nicht nur bedeutungslose Schmeicheleien.

Dennoch: Welches Vergnügen solche Hingabe an die Lust auch bringen mochte, es wurde von den Risiken weit überwogen, insbesondere für eine Dame von hohem Stand. Ein uneheliches Kind sagte aller Welt, dass man zu schwach gewesen war, seinen niederen Bedürfnissen zu widerstehen. Man war für immer von der Schande gezeichnet.

Früher oder später würde Sally wahrscheinlich schwanger und in Tränen aufgelöst zu ihr kommen und fragen, was sie denn nun tun solle. Tamsin würde dafür sorgen, dass sie eine Mitgift bekam und vielleicht sogar einen Ehemann, wenn ein anderer Bediensteter bereit sein sollte, sie zu heiraten.

Aber mit diesem Thema würde sie sich beschäftigen, wenn es so weit war. In der Zwischenzeit sollte sie das Dienstmädchen mit dem kräftigen kastanienbraunen Haar und der kecken kleinen Nase lieber anderweitig beschäftigen: „Sally!“

Das Dienstmädchen erkannte rasch, dass es besser war, Tamsin nicht warten zu lassen, und kam auf sie zu. „Ja, Mylady?“

„Bitte öffne die Fensterläden in der Nähe der Türen. Es wird zu stickig in der Halle.“

„Sofort, Mylady“, Sally tat, was ihr aufgetragen worden war, und ignorierte vernünftigerweise die offensichtliche Enttäuschung der jungen Schildknappen.

Tamsin konnte sich nicht denken, dass Sir Rheged jemals so gewesen war wie diese jungen Kerle. Außer Kontrolle vor Freude über das Turnier taten sie alles, um möglichst männlich zu wirken und eine Frau dazu zu bringen, mit ihnen ins Bett zu steigen.

Entschlossen, ja sogar rücksichtslos konnte sie sich Sir Rheged vorstellen, aber niemals unüberlegt. Was seine männliche Wirkung anbetraf, war sie sicher, dass er schon immer diese Ausstrahlung von Unabhängigkeit und kontrollierter Kraft gehabt hatte. Und wenn es darum ging, eine Frau davon zu überzeugen, sein Bett zu teilen, würde sie sich nicht wundern, wenn Frauen einiges für dieses Privileg getan hätten.

„Vorsichtig, Mylady!“, rief Denly, als sie beinahe den Bediensteten in die Quere geraten wäre, die eine Tischplatte wegtrugen.

„Das werde ich sein“, murmelte sie. Innerlich fügte sie hinzu: und zwar nicht nur, wenn gerade Tische weggeräumt werden. Sie würde Sir Rheged von Cwm Bron für den Rest seines Besuches hier aus dem Weg gehen. Das war bestimmt besser so – und sicherer.

Spät am nächsten Vormittag hatte der leichte Regen bereits wieder aufgehört, ganz wie Sir Rheged es vorausgesagt hatte, und das Turnier hatte auf dem etwas entfernt gelegenen Kampfspielfeld begonnen. Tamsin war auf dem Weg zur Küche, um den Stand der Vorbereitungen für das Festmahl zu überprüfen, das den Abschluss des Turniers bildete. Als sie sich dem Eingang näherte, hörte sie das unmissverständliche Geräusch einer Ohrfeige gefolgt von Armonds lauter und ärgerlicher Stimme. „Steh auf, du fauler Nichtsnutz!“

Tamsin eilte in die Küche und sah, wie Ben, der kleine Spießjunge, dessen Aufgabe es war, den Bratenspieß mit einer Kurbel zu drehen, sich die Wange hielt. Armond hatte sich vor ihm aufgebaut, die Hände in die fleischigen Hüften gestützt. „Armond!“, rief Tamsin ungehalten. „Ihr wisst, dass ich es nicht zulasse, dass ein Bediensteter einen anderen schlägt!“

Armond blickte sie finster an. „Er hat geschlafen, anstatt seine Arbeit zu machen.“

„Ihr kennt meine Regeln“, antwortete sie. „Wenn Ihr sie nicht einhalten wollt, könnt Ihr gerne die Burg verlassen.“

„Euer Onkel …“

„Hat keinerlei Interesse daran, sich mit Haushaltsangelegenheiten zu beschäftigen. Das wird Euch jeder bestätigen. Das Hofgesinde gehört in meinen Verantwortungsbereich, und ich sorge für Frieden, nicht mein Onkel. Wenn Ihr meine Regeln nicht befolgen möchtet, gibt es viele andere Köche, die sehr gerne Euren Platz einnehmen würden. Wenn Ihr Ben oder einen anderen Bediensteten noch einmal schlagt, dann …“

In diesem Moment kam Mavis aufgeregt in die Küche gelaufen. „Sie kommen zurück! Der Kampf ist schon vorbei!“ Sie blieb verwundert stehen. „Oh, störe ich?“

Lady Tamsin drehte dem Koch den Rücken zu. „Bist du sicher?“

„Charlie sagt, einer der Wachen hat auf der Straße ihre Rüstungen im Sonnenlicht glänzen sehen. Sie kommen also zurück. Lass uns hoch auf den Mauergang gehen. Vielleicht können wir erkennen, wer gewonnen hat“, schlug Mavis aufgeregt vor.

Auch Tamsin war sehr gespannt – aber das Ergebnis zu erfahren, konnte warten. Die zurückkehrenden Ritter würden heißes Wasser und frische Leintücher erwarten, um sich vor dem Festmahl zu waschen. Und ihre Damen ebenfalls.

„Ich kann nicht“, antwortete Tamsin, bevor sie sich an einige der jüngeren Dienstmägde wandte. „Sally, Meg und Betty, fangt an, heißes Wasser in die Gästewohnräume zu bringen.“

Die jungen Frauen seufzten, denn die Eimer voll mit heißem Wasser zu tragen, war keine leichte Aufgabe.

„Ach bitte, komm mit, Tamsin!“, bat Mavis sie. „Es bleibt genug Zeit, und du musst ja nicht am Rand des Mauergangs stehen. Sie haben das äußere Tor noch nicht erreicht.“

„Charlie könnte sich also irren. Meg, Sally, Becky, wartet mit dem Wasser, bis wir sicher sind, dass sie kommen. Es könnte sonst schon wieder zu kalt sein, wenn sie zurück sind.“

„Ja, wir sollten sicher sein“, stimmte Mavis ihr zu. „Also lass uns selbst nachschauen gehen.“

„In Ordnung, aber ich habe nur wenig Zeit“, erklärte Tamsin. Immerhin würde sie dann wissen, ob das Turnier wirklich beendet war, und sie konnte ja mit dem Rücken am Turm stehen bleiben, von wo aus sie nicht über die Kante nach unten blicken musste. Sie hatte immer schon Höhenangst gehabt, schon als kleines Kind, noch bevor ihre Eltern am Fieber gestorben waren. Sie konnte keinen Grund dafür nennen, außer einer lebhaften Vorstellung davon, was ein Fall aus so hoher Höhe bedeuten würde.

Gemeinsam gingen die jungen Frauen durch den Flur, der die Küche mit der großen Halle verband.

Mavis’ fein gewebtes grünes Kleid mit einer Tunika in hellerem Grün darüber passte gut zu ihrem blonden Haar, das wie geschmolzenes Gold glänzte. Tamsin trug ein einfacheres Kleid aus rehbrauner Wolle. Die hochgekrempelten Ärmel gaben schlanke Arme und Hände frei, die wirkten, als könnten sie zupacken; das kastanienfarbene Haar hing ihr wie immer in einem geflochtenen Zopf den Rücken hinab.

Geschickt wichen die beiden jungen Frauen den aufgeregten, überall herumstreunenden Hunden aus, als sie schnell durch die Halle liefen, in der die Bediensteten geschäftig letzte Vorbereitungen trafen. Weiße Leinendecken wurden über die Tische gebreitet und frischer Rosmarin und Flohkraut auf dem mit Binsen bedeckten Boden verstreut. Denly war dabei, die Wandleuchter mit neuen Fackeln zu bestücken. Trotz ihrer Eile achtete Tamsin darauf, dass alles war, wie es sein sollte, als sie an den Bediensteten vorbeikam und jedem einzelnen lächelnd zunickte.

„Sicher ist Sir Jocelyn der Tagessieger.“ Mavis stieg vor Tamsin die Treppe zum Mauergang in der Nähe des Haupttores der inneren Ringmauer hinauf. „Er war der Schildknappe von Sir William von Kent.“

„Er sieht auch sehr gut aus.“

„Ja, aber das ist nicht der Grund, warum ich glaube, dass er gewonnen hat.“ Mavis warf den Kopf zurück. „Er hat eine sehr gute Ausbildung.“

Das mag sein, aber er ist kein Sir Rheged, dachte Tamsin und schalt sich sofort selbst dafür, dass sie überhaupt an den Ritter aus Wales dachte.

Als die beiden Cousinen hinaus auf den Mauergang traten, trat Mavis sofort zur Mauerkante, während sich Tamsin fest mit dem Rücken an den soliden Turm lehnte. Ihre Cousine deutete auf eine Gruppe Männer, die zwischen dem äußeren und dem inneren Ringwall zu sehen waren. Einige von ihnen waren zu Pferd, einige zu Fuß, und hinter ihnen kamen die Schildknappen, die die Schilde und Schwerter trugen. „Da sind sie. Aber ich kann nicht erkennen, wer gewonnen hat. Du?“

Tamsin betrachtete die Gruppe genau. Keiner der Männer wirkte offenkundig triumphierend. Keiner ritt voran oder zeigte die Pose des stolzen Siegers.

Da entdeckte sie Sir Jocelyn, mit hängenden Schultern. Er war eindeutig nicht der Gewinner. Ihr Blick wanderte weiter, bis sie Sir Rheged ausmachte. Er kam als einer der Letzten. Er war zu Fuß und führte sein großes schwarzes Kriegspferd an der Hand, während ein anderer Mann sich auf ihn stützte.

Sie hätte nicht so enttäuscht sein dürfen … aber sie war es.

„Da ist der Walisische Wolf“, Mavis schien ihre Gedanken lesen zu können, „und der junge Mann, der neben ihm herhumpelt, ist Sir Robert von Tammerly.“

„Sir Robert kann nicht schwer verletzt sein, sonst wäre er noch im Zelt oder mit einem Wagen zurückgebracht worden“, beruhigte Tamsin sie. Tamsin hatte dafür gesorgt, dass ein Arzt am Ort des Spielfeldes zur Verfügung stand für den Fall, dass es beim Kampf Verletzte geben sollte.

„Sir Rheged sieht gar nicht mehr so grimmig aus, oder?“

„Nein“, stimmte Tamsin ihr zu.

„Jetzt, da er verloren hat, wird er vielleicht sein Haar schneiden. Er ist offensichtlich nicht unbesiegbar wie Samson aus der Bibel, solange er seine Haare ungeschoren lässt.“

„Ich würde ihm das lieber nicht vorschlagen.“

„Und ich würde lieber gar nicht mit ihm reden, wenn ich es vermeiden könnte.“ Mavis verzog das Gesicht. „Ich habe nie einen finsteren Kerl getroffen. Ich glaube, er hat seit seiner Ankunft nicht mehr als drei Worte gesprochen.“

Zur mir hat er mehr als drei Worte gesprochen, dachte Tamsin, korrigierte aber ihre Cousine nicht. Sie wollte Mavis nicht von der Begegnung auf dem Burghof erzählen oder davon, was er gesagt oder wie er sie angesehen hatte. Und auch nicht, was sie in seiner Gegenwart empfunden hatte. Ganz sicher würde sie Mavis nicht von dem Traum erzählen, den sie gehabt hatte.

„Und er besitzt so wenig, dass er überhaupt keinen Einfluss bei Hof hat. Er hat das kleine Gut sowieso nur, weil Sir Algar es ihm geschenkt hat“, fuhr Mavis fort.

„Wer ist denn Sir Algar? Der Name sagt mir nichts.“

„Ein wenig bedeutender Edelmann, der früher ein Freund meines Vaters war. Er ist aber schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen. Der arme alte Herr leidet an Altersschwäche, sagt mein Vater. Ich glaube, das Gut, das er Sir Rheged überlassen hat, ist gerade groß genug, um einen Haushalt zu führen, und die Festung ist eine Ruine. Sir Rheged kann nicht mehr als ein paar Soldaten und Diener beschäftigen. Er hat dem Anwesen einen walisischen Namen gegeben, man spricht es Kuhm Bronn, was immer das auch heißt.“

„Lady Thomasina!“

Mavis und Tamsin drehten sich um, als der Botenjunge Charlie die Stufen hinaufgerannt kam. Er war klein für sein Alter, sehr lebhaft und neugierig und wurde häufig geschickt, wenn innerhalb der Burg eine Nachricht überbracht werden musste. Wie immer fiel ihm eine braune Haarsträhne in die Stirn, und auf seiner breiten Nase drängelten sich Sommersprossen. „Lord DeLac wünscht Euch zu sehen, Mylady.“ Keuchend wandte er sich an Tamsin. „Und zwar sofort, hat er gesagt.“

2. KAPITEL

Tamsin und Mavis tauschten vielsagende Blicke. Eine solche Aufforderung an einem Tag wie diesem verhieß nichts Gutes.

„Weißt du, wer gewonnen hat, Charlie?“, erkundigte sich Mavis, während Tamsin die ausgetretenen Stufen hinunterlief und überlegte, was sie vergessen oder nicht bedacht haben könnte.

„Ja, Mylady. Der Ritter aus Wales. Der, dem die Haare bis auf die Schultern fallen.“

Tamsin blieb abrupt stehen und blickte zurück zu dem Jungen: „Sir Rheged?“

„Bist du ganz sicher?“, vergewisserte sich Mavis.

„Ja, Mylady. Ich habe es von Wilf, der Wache am Tor. Und der hat es von dem Boten, der vom Feld zurückgekommen ist. Der Waliser hat sieben Ritter geschlagen und sollte einiges an Geld im Austausch für ihre Waffen und Pferde bekommen. Und natürlich den Preis.“

Tamsin setzte ihren Weg fort. Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, während sie so schnell wie möglich zu den privaten Gemächern des Hausherrn eilte. Sie wurde wieder ernst, als sie vor der schweren Eichentür angekommen war. Sie klopfte und trat auf das schroffe „Herein“ ihres Onkels hin ein.

Ein kurzer Blick sagte ihr, dass im Raum nichts fehlte. Im wohl gefüllten Kohlebecken glühten hell die Kohlen, die Wandbehänge waren sauber und ohne jeden Staub und die Binsen auf dem Boden frisch gestreut. Die Kerzen, die tagsüber nicht angezündet waren, hatte jemand ordentlich gekürzt und die Stoffvorhänge über dem Bogenfenster waren gerade so weit geöffnet, dass frische Luft hereinkam, ohne dass ein unangenehmer Zug enstand.

Ihr Onkel saß hinter dem großen, mit Bienenwachs polierten Tisch und strich sich über den Bart, der trotz seines mittleren Alters bereits ebenso grau war wie sein Haar. Wie immer trug er eine teure Tunika aus fein gewebter brauner Wolle, die von einem breiten Gürtel um seinen runden Buch gehalten wurde, und eine lange Kette aus schweren silbernen Kettengliedern. Mehrere Ringe zierten seine dicken Finger. Die kleine goldene, mit Juwelen verzierte Schatulle, die bei dem Festmahl am Abend dem Turniersieger überreicht werden würde, stand vor ihm.

Onkel Simon klopfte mit seinem wurstigen Zeigefinger auf das Pergament, das offen ausgerollt vor ihm auf dem Tisch lag. Tamsin hätte erleichtert sein sollen, dass er sie nicht sofort mit einer Litanei an Vorwürfen empfangen hatte. Aber der Ausdruck in seinen grauen kleinen Augen trug nichts dazu bei, dass sich ihre Beunruhigung legte.

„Thomasina, ich muss mit dir reden. Es ist der Zeitpunkt gekommen, da du mir zurückzahlen kannst, was ich für dich in den vergangenen Jahren getan habe.“

Tamsins Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie war eine Dame, die Tochter eines Edelmanns, und konnte ihren Onkel nicht mit Geld bezahlen. Es gab nur einen Weg, das zu tun, und seine nächsten Worte bestätigten ihre Befürchtung.

„Ich brauche einen Verbündeten im Norden. Daher wirst du Sir Blane von Dunborough heiraten. Er kommt für die Hochzeit hierher, und zwar in vierzehn Tagen.“

Es war nichts anderes, als sie erwartet hatte, aber dennoch – schon in zwei Wochen! Das war nicht einmal ein Monat. Und wer war Sir Blane von Dunborough?

Als ihr einfiel, wer er war, traf es sie wie ein schwerer Schlag. Nur zu gut erinnerte sie sich an den hageren alten Mann, der im Frühjahr zu Besuch auf Burg DeLac gewesen war. Sie hatte sofort bemerkt, wie er Mavis lüstern wie ein alter Satyr anstarrte. Schnell hatte sie erklärt, ihre Cousine fühle sich leider nicht wohl. Ein Blick auf Sir Blane genügte Mavis, um Tamsins Behauptung zu bestätigen und bis zum Ende seines Besuchs im Bett zu bleiben. Tamsin hielt auch die jüngeren Dienstmädchen von ihm fern. Aber selbst die älteren, die Erfahrung mit der Abwehr unerbetener Annäherungsversuche hatten, beschwerten sich, er sei der Schlimmste, der ihnen je untergekommen sei.

Alle Frauen auf DeLac atmeten erleichtert auf, als er abgereist war. Und Tamsin selbst war froh gewesen, dass es ihr gelungen war, ihm nicht zu nahe gekommen zu sein, wenn sie sich hatte mit ihm in einem Raum aufhalten müssen.

Und jetzt sollte sie ihn heiraten!

Die Augenbrauen ihres Onkels zogen sich zusammen, als er die Stirn runzelte.

„Nun? Wo bleibt deine Dankbarkeit?“

Sie würde lieber ihre Tage im kältesten, kargsten, ungemütlichsten Kloster in Schottland verbringen als Blane von Dunborough zu heiraten, aber Tamsin wusste, dass es nicht klug war, das zu sagen. „Ihr habt mich überrascht, Onkel. Ich dachte nicht, dass ich je heiraten würde.“

„Du hast erwartet, du könntest für immer von meiner Großzügigkeit leben?“

Diese Großzügigkeit hatte ihn nicht davon abgehalten, ihr fast täglich jede Münze vorzuhalten, die er für sie ausgegeben hatte und ihre Abhängigkeit von ihm zu betonen, und das seit ihrer Ankunft, nachdem ihre Eltern gestorben waren, als sie zehn Jahre alt gewesen war. „Ich hatte gehofft, dass ich auf Burg DeLac bleiben könnte.“

„Und mir für immer auf der Tasche liegen?“

Tamsins wurde klar, dass sie darauf nicht hoffen konnte. „Oder ich könnte in ein Kloster …?“

„Guter Gott! Es kostet auch Geld, wenn die Schwestern dich aufnehmen. Soll ich das etwa bezahlen?“

„Sir Blane wird doch sicher auch eine Mitgift haben wollen?“

Wut sprach aus dem Gesicht ihres Onkels, als er sich erhob.

„Wie kannst du es wagen, mir so unverschämte Fragen zu stellen? Wo bleibt deine Dankbarkeit für alles, was ich für dich getan habe? Wo ist dein Dank dafür, dass ich einen reichen Mann gefunden habe, der dich ehelichen will?“

Einen Mann? Sir Blane kam Tamsin eher vor wie ein Teufel in menschlichem Gewand. „Ich bin Euch sehr dankbar für das, was Ihr für mich getan habt, Onkel …“

„Du klingst nicht dankbar. Du klingst genau wie deine elende Mutter!“

Die Worte trafen sie wie eine Ohrfeige. Dennoch musste sie widersprechen. Wenn sie jetzt nichts sagte, würde sie es vielleicht ein Leben lang bereuen. „Sir Blane …“

„Ist bereit, mir die Verantwortung für dich abzunehmen und damit Schluss.“ Lord DeLac ließ sich zurück in seinen Stuhl fallen. „Erzähle niemandem davon, bis ich es morgen verkünde. Heute stehen das Festmahl und der Sieger des Turniers im Mittelpunkt, auch wenn er ein ungebildeter, ungehobelter Waliser ist. Du kannst jetzt gehen.“

Tamsin rührte sich nicht vom Fleck. „Onkel, ich weiß, dass ich mit wenig zu Euch kam und Ihr gezwungen wart, Euch um mich zu kümmern. Aber mich mit einem Mann wie Sir Blane zu verheiraten! Könnt Ihr wirklich so hart und grausam sein? Zu Eurem eigen Fleisch und Blut?“

Der Gesichtsausdruck ihres Onkels war hart und kalt wie Eisen. „Wenn du ihn zurückweist, muss eine andere ihn an deiner Stelle heiraten. Also entweder du heiratest ihn oder Mavis muss es tun. Der Vertrag ist unterzeichnet und das Bündnis geschmiedet. Aber wenn Mavis seine Frau wird, werde ich dich an den erstbesten Mann verheiraten, der bereit ist, dich für nichts außer einer Allianz mit mir zu nehmen.“

Sie hatte also keine Wahl. Wenn sie zuließe, dass die lebensfrohe, sanfte, liebevolle Mavis in eine Ehe mit Sir Blane gezwungen wurde, konnte sie sie auch gleich umbringen. „Dann muss ich mich fügen, Onkel. Ich werde Sir Blane heiraten.“

„Auf dein Ehrenwort?“

Tamsin wollte schreien. Sie wollte sich weigern. Sie wollte ihm auf den Kopf zusagen, was sie von ihm hielt. Aber sie sagte: „Auf mein Ehrenwort“, auch wenn ihr jedes Wort vorkam wie ein Nagel in ihrem Sarg.

„Willst du mir nicht danken?“

Tamsin blickte den Mann, der sie trotz aller ihrer Bemühungen nie in sein Herz geschlossen hatte, fest an, bis er den fordernden Blick abwandte.

Dann drehte sie sich um und ging.

Breitbeinig, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt, stand Sir Rheged auf der erhöhten Plattform in der großen Halle von Burg DeLac und wartete darauf, dass er seinen Preis überreicht bekam. Er ließ den Blick über die zum abschließenden Festmahl Versammelten schweifen. Die Fackeln und teuren Kerzen, die die Tische schmückten, brannten hell. Sie erleuchteten nicht nur den Preis und die kostbaren Kleider der Gäste, sondern auch ihre nicht sehr erfreuten Mienen, wenn sie zu ihm, dem Turniersieger, hinübersahen.

Seine Arme schmerzten, und er würde am nächsten Morgen ein paar blaue Flecken haben. Doch das und die ärgerlichen und neidischen Blicke seiner erfolglosen Konkurrenten waren ohne Bedeutung angesichts des wertvollen Preises.

Dennoch galt seine größte Aufmerksamkeit gerade nicht der Schatulle. Er hatte Tamsin am Rand der Halle neben einer Steinsäule entdeckt. Selbst aus der Distanz konnte er erkennen, dass etwas nicht stimmte. Sie wirkte traurig und verstört. Der lebendige Glanz in ihren Augen und ihre stolze Haltung waren verschwunden. Die Kraft, die ihre schlanke Gestalt ausgestrahlt hatte, schien verloren zu sein. Dabei hatte sie vorher den Eindruck gemacht, als gäbe es nichts auf der Burg, was sie nicht im Griff hätte, notfalls sogar das Kommando zur Verteidigung bei einem Überfall.

In diesem Moment kam Lord DeLac mit dem Turnierpreis in der Hand auf ihn zu.

Ob Lady Tamsin krank war? Aber dann wäre sie sicher gar nicht in der Halle gewesen.

„Gute Leistung, Sir Rheged“, Lord DeLacs Lächeln war nicht viel mehr als ein Grinsen.

Vielleicht war sie auch einfach erschöpft. Es musste ermüdend sein, einen so großen Haushalt zu führen; dazu kamen häufig viele Gäste zu Besuch. Feste mussten organisiert werden. Allein die Speisen waren eine Herausforderung: Fisch und Geflügel wie Schwan und Gans, gebratenes Rinder-, Schweine- und Lammfleisch, Gemüsesuppen aus Erbsen und Lauch, Gemüse und frisches Brot.

„Ich gratuliere Euch zu Eurem Sieg“, fuhr der Burgherr fort. „Nicht unerwartet angesichts Eures Rufes, aber verdient.“

„Danke, Eure Lordschaft.“ Ohne sich ein falsches Lächeln abzuringen, nahm Rheged die kostbar verzierte Schatulle entgegen, die Lord DeLac ihm überreichte. Sie war schwer, und die Juwelen, die sie schmückten, leuchteten im Licht der Fackeln. Rheged hatte erreicht, was er auf Burg DeLac gewollt hatte. Er brauchte den Turnierpreis, um die notwendigen Reparaturen an seiner Burg in Auftrag zu geben, ein weiterer Schritt auf seinem Weg hin zu Macht und Wohlstand.

Er war jedenfalls nicht hierhergekommen, um sich mit den Angelegenheiten von Lord DeLacs Nichte zu beschäftigen.

Ein älterer Priester trat aus der Ecke der Halle in der Nähe des Podestes hervor, um das Mahl zu segnen. Kaum war er fertig, fingen – wie auf ein Zeichen – alle im Saal an zu reden und ihre Plätze einzunehmen. Rheged hatte man den Ehrenplatz zur Rechten von Lord DeLac zugewiesen. Lady Mavis saß zur Linken ihres Vaters, neben ihr Lord Rossford. Die alte, stocktaube Lady Rossford war zu Rhegeds Rechter platziert. Selbst wenn er es gewollt hätte, hätte er sich nicht mit ihr unterhalten können, und ihre zusammengekniffenen Lippen machten deutlich, dass sie ebensowenig den Wunsch verspürte, mit ihm zu sprechen.

Die anderen Edelleute unter den Gästen hatten unterhalb des erhöhten Podestes ihre Plätze und tranken exquisiten Wein, während sie plauderten und lachten, flüsterten und lästerten. Unterdessen sorgte eine Armee von Dienern für ihr Wohl, mit Argusaugen überwacht von Tamsin, die selbst ihr Mahl kaum anrührte. Wie ein besiegter Heerführer saß sie an ihrem Platz, der so weit vom Ehrentisch entfernt war, dass es einer Beleidigung gleichkam.

Etwas wirklich Ernstes musste geschehen sein, da sie überaus niedergeschlagen wirkte.

„Nun, Sir Rheged. Stimmt Ihr dem nicht zu?“, fragte Lord DeLac in leicht ungeduldigem Ton, als der letzte Gang bestehend aus gebackenen Früchten und Gebäck serviert worden war.

„Wie bitte, Mylord? Die Pracht Ihres Festmahls hat meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen“, antwortete Rheged. Er hatte das Gefühl, sein Gastgeber würde es nicht gutheißen, sollte er seiner Besorgnis über dessen Nichte Ausdruck verleihen, jetzt oder wann auch immer.

Lord Delac wischte seine fettigen Finger an einer makellosen Leinenserviette sauber. „Ich sagte gerade, dass Ihr durch den von mir ausgesetzten Preis und die Auslösesumme für die Pferde und Waffen, die Ihr im Melée gewonnen habt, heute ein gutes Stück reicher geworden seid.“

„Der Preis ist äußerst prachtvoll und großzügig, Mylord, und Eure Gastfreundschaft ohne jeden Vergleich.“

Lord DeLac lehnte sich in seinem Stuhl zurück und griff nach dem Silberkelch vor ihm auf dem Tisch, wobei die Juwelen an seinen Ringen genau wie die dicke Kette um seinen Hals funkelten. „Wie ich höre, seid Ihr unverheiratet. Denkt Ihr nicht daran, bald eine Frau zu finden?“

„Daran denken, vielleicht.“ Rheged war sich sicher, dass Seine Lordschaft ihm nicht die Hand seiner Tochter oder seiner Nichte anbieten wollte. Ein Mann wie DeLac würde ohne Zweifel reiche, einflussreiche Ehemänner für die Frauen seiner Familie aussuchen, keinen Waliser, der als Sohn von Bauern geboren worden war und sich den Weg in die Ritterschaft und zu seinem Gut hart erkämpft hatte.

Um seinem Gastgeber und dessen Tochter gegenüber höflich zu bleiben, lächelte er Lady Mavis dennoch an. Ja, die meisten Leute würden sie schön nennen mit ihrem hellen Haar und ihrer milchweißen Haut, den feinen Gesichtszügen und langem Schwanenhals. Aber es war nicht sie gewesen, an die Rheged vergangene Nacht vor dem Einschlafen gedacht hatte oder während er darauf gewartet hatte, dass das Turnier begann. Und er war sich sicher, dass er auch heute Nacht nicht an sie denken würde.

Und sie nicht an ihn. Denn obwohl Lady Mavis errötete, erwiderte sie sein Lächeln nicht.

Das überraschte ihn allerdings nicht sehr. Normalerweise gab es zwei Arten, wie Frauen auf ihn reagierten: Entweder sie waren verschreckt oder eingeschüchtert und vermieden seinen Blick wie Lady Mavis; oder sie zeigten offenes Interesse und hielten nicht damit hinter dem Berg, dass sie nur allzu gern bereit waren, das Bett mit ihm zu teilen.

Lady Tamsin dagegen war die erste Frau, bei der er das Gefühl gehabt hatte, dass ihr sein Wohlergehen am Herzen lag.

Er blickte sich suchend in der Halle um, rechtzeitig, um sie aufstehen und ihren Platz verlassen zu sehen. Er folgte ihr mit dem Blick, als sie durch die Halle zum Flur ging, der in die Küche führte, zweifellos, um auch heute Nacht das übrig gebliebene Essen an die Armen zu verteilen.

Zu seinen Pflichten als Ritter gehörte es, Frauen zu beschützen. Lady Tamsin war offensichtlich wegen irgendetwas besorgt oder traurig, und er verspürte das starke Bedürfnis, ihr zu helfen, wenn er konnte.

„Wenn Ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt, Mylord.“ Rheged schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich muss mich ausruhen. Ich habe morgen eine lange Reise vor mir, und der Kampf heute hat mir doch zugesetzt. Ich bin zu müde, um zu bleiben und die ohne Zweifel exzellente Unterhaltung zu genießen.“

„Ach kommt! So müde könnt Ihr doch nicht sein!“, protestierte Lord DeLac. „Ein außergewöhnlicher junger Mann wie Ihr! Als ich jung war, konnte ich den ganzen Tag lang kämpfen und die ganze Nacht trinken, ohne dass ich es am Morgen gemerkt hätte.“

„Dann bin ich wohl doch nicht so außergewöhnlich, Mylord, denn ich muss mich erholen. Ich wünsche Euch eine gute Nacht und Ihnen auch, Mylady.“ Er verbeugte sich galant in Lady Mavis’ Richtung.

Die junge Frau nickte ihm zu, sagte aber nichts.

„Wenn Ihr denn müsst, Sir Rheged.“ Lord DeLac klang ungnädig.

Rheged nahm seinen Preis an sich. Wieder ignorierte er die leisen Kommentare und das verächtliche Flüstern der normannischen Adligen und trug die Schatulle in die Schlafkammer, die ihm zugewiesen worden war. Sie befand sich im zweiten Stock eines langen Gebäudes in der Nähe der Halle und besaß ein kleines Fenster mit Holzläden.

Er sah sich in der Kammer um, in der ein Bett, ein Waschtisch und ein Schemel standen. Seine Rüstung hing auf einem Ständer, daneben lagen die beiden Lederbeutel, die er benutzte, um seine Sachen zu transportieren. Es gab keinen Ort, an dem er seinen kostbaren Schatz hätte verstecken können. Aber da er gehofft hatte zu gewinnen, hatte er sich über die Lösung dieses Problems bereits Gedanken gemacht. Schnell verstaute er die Schatulle in dem kleineren Lederbeutel, zog die Zuziehschnur aus dem größeren Beutel und knotete sie an den Verschluss des kleineren Beutels. Er kletterte auf den Schemel und befestigte die Schnur an der Eisenhalterung des Fensterladens. Dann ließ er den Beutel draußen an der Mauer hinab, bis er zwei Handbreit unterhalb des Fensters hing. Er rückte den Schemel vom Fenster weg und trat zurück.

Von dort, wo er stand, waren weder der Knoten noch das Seil zu erkennen. Und selbst wenn jemand trotz der Dunkelheit den Beutel von außen bemerkte, hing er zu hoch, um ihn einfach zu greifen.

Zufrieden verließ er die Kammer und ging zurück in den Hof. In einem der vielen Lagerhäuser befand sich ein etwas zurückgesetzter Türeingang, von dem aus er den Eingang zur Küche beobachten konnte, ohne vom Mauergang aus oder von einem der Wächter gesehen zu werden. Auch die Bediensteten, die zwischen Küche, Halle oder den Ställen hin- und hereilten, konnten ihn dort nicht entdecken.

Die Nacht war kühl. Der Luft war der bevorstehende Herbst deutlich anzumerken. Rheged verschränkte die Arme, um sich zu wärmen. Nicht dass ihm die Kälte so viel ausgemacht hätte wie wohl den meisten der in der Halle feiernden reichen verwöhnten Edelleute in einer ähnlichen Lage. Er hatte mehr Nächte unter freiem Himmel oder zusammengekauert in einem Hauseingang verbracht, als dass er sich an ihre Anzahl hätte erinnern können. Häufig hatte er nicht einmal eine Decke oder einen Mantel gehabt, um sich zuzudecken.

Dennoch war er froh, dass er nicht lange warten musste, bis Tamsin die laute Küche mit einem Korb in der Hand verließ. Wieder beobachtete er, wie sie den Hof überquerte und das übriggebliebene Essen den vor der Tür wartenden Armen brachte. Er hörte, wie die Hungerleidenen sich bei Tamsin von Herzen bedankten, und bewunderte ihre sanfte Stimme, als sie versicherte, jeder dürfe sich nehmen, was er tragen könne.

Aber als sie langsam zurück in Richtung Küche ging, hielt sie den Kopf gesenkt wie nach einer Niederlage und ihre gesamte Haltung drückte Verzweiflung aus.

Als sie an seinem Versteck vorbeikam, rief er leise ihren Namen.

Erschrocken wich sie einen Schritt zurück und hob den nun leeren Korb wie einen Schild. „Was tut Ihr hier, Sir Rheged? Was wollt Ihr?“

Er breitete beruhigend die Hände aus und sprach mit ruhiger, sanfter Stimme, so als besänftigte er ein verängstigtes Pferd.

„Ich wollte mich nur erkundigen, ob alles in Ordnung ist.“

„Mir geht es sehr gut, Mylord.“

„Ihr lügt.“

„Wie könnt Ihr es wagen, Sir!“, fragte sie empört. „Wie könnt Ihr es wagen, mich der Lüge zu bezichtigen?“

Zumindest hatte er das lebendige Funkeln in ihre Augen zurückgebracht. „Weil etwas passiert ist, das Euch verstört. Während des gesamten Festmahls saßt Ihr da wie vom Donner gerührt.“

Er bemerkte, wie ihr Blick ins Wanken geriet, aber nur für einen kurzen Augenblick.

„Mir war nicht bewusst, dass ich so genau beobachtet werde.“

Autor

Margaret Moore
Margaret Moore ist ein echtes Multitalent. Sie versuchte sich u.a. als Synchronschwimmerin, als Bogenschützin und lernte fechten und tanzen, bevor sie schließlich zum Schreiben kam. Seitdem hat sie zahlreiche Auszeichnungen für ihre gefühlvollen historischen Romane erhalten, die überwiegend im Mittelalter spielen und in viele Sprachen übersetzt wurden. Sie lebt mit...
Mehr erfahren