Der Kuss des Schicksals

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England im Jahre 1277: Überall im ganzen Land herrschen Unruhen, lauern Gefahren für Reisende. Und so wird die schöne Lady Beatrice von einem großen Tross erfahrener Krieger auf ihrem Weg nach Glastonbury beschützt. Hier im Kloster will sie auf immer der Welt entsagen. Doch als ihr Blick auf den kühnen Ritter Remy St. Leger fällt, erwacht in ihr der Wunsch, ein einziges Mal in den Armen eines Mannes zu liegen, warme Lippen auf den ihren zu spüren. Brennende Sehnsucht weckt sein glutvoller Kuss in ihr und stellt sie vor eine schicksalhafte Entscheidung ...


  • Erscheinungstag 25.01.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733775360
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ashton Castle, 1277

Der Wind heulte, und der Regen schlug gleichmäßig prasselnd gegen die Fensterläden von Ashton Castle. In der großen Halle scharten sich die hochrangigsten Ritter dieser Burg um eine Feuerstelle, die so groß war, dass mannslange Baumstämme darauf verfeuert werden konnten.

Einige dieser Ritter vertrieben sich die Zeit beim Würfelspiel, andere unterhielten sich über vergangene Heldentaten auf dem Schlachtfeld, zwei spielten Schach, und ein weiterer versuchte sein Glück bei einer hübschen Leibeigenen, die sich seinen Annäherungsversuchen bislang aber widersetzte.

Im oberen Geschoss wurde die Tür zum Gemach des Burgherren zugeschlagen, und schon knarrten die hölzernen Treppenstufen unter schweren Schritten. Die Ritter sahen erwartungsvoll auf.

Lord Thurston strahlte eine ungeheure Energie aus, als er jetzt die Halle durchquerte, und das, obwohl er fast sechsundvierzig Jahre alt war. Erstes Grau zeigte sich an seinen Schläfen und in seinem dichten braunen Bart, aber sein kräftiger Körper war noch immer der eines Kriegers. In König Edwards Heer bekleidete er einen hohen Rang.

„Radley!“

„Mylord?“ Sir Giles Radley, der stellvertretende Befehlshaber, sprang auf und vergaß seine Schachpartie.

„Morgen werdet Ihr Lady Beatrice zum Kloster in Glastonbury begleiten. Nehmt vierzig bewaffnete Krieger mit und dazu …“ Aus schmalen Augen musterte er prüfend seine zwölf Ritter. „Grenville, Montgomery, Woodford, Fitzpons und … Baldslow. Ach ja, und den jungen St. Leger ebenfalls. Es wird höchste Zeit, dass sich der Junge sein Brot verdient. Und sputet Euch, denn Ende dieser Woche brechen wir nach Wales auf.“

Die Ritter beendeten ihren müßigen Zeitvertreib und um­ringten jetzt Lord Thurston, um ihn mit Fragen nach dem neuesten Stand der Dinge im Feldzug gegen die Waliser zu bestürmen.

„Also ist Edward fest entschlossen, Llewelyn ap Gruffydd zu bezwingen und ihn den Tag bereuen zu lassen, an dem er sich weigerte, dem König seine Ehrerbietung zu erweisen?“, wollte Sir Hugh Montgomery wissen.

„So ist es.“ Lord Thurston ergriff den Weinkelch, den man ihm anbot. „Der König hat ein Auge auf Gwynedd geworfen, und nichts kann ihn mehr von seinem Entschluss abbringen.“

Ihre Diskussion über die Vorzüge der Eroberung und die nötigen Mittel, die Waliser zur Unterwerfung zu zwingen, dauerte bis weit in die Nacht. Diejenigen, die am Morgen früh aufbrechen sollten, bezogen ihr Nachtlager an der wärmenden Feuerstelle. Ein Mann wich nicht von Lord Thurstons Seite – Cedric Baldslow. Er war im gleichen Alter wie der Lord, sein stämmiger Körper zeigte jedoch nicht den geringsten Bauchansatz. Das Gesicht war wettergegerbt und gebräunt, das ergrauende Haar kurz geschoren. Durch die dünnen Lippen und die schmalen Augen wirkte er sehr hart, und tatsächlich wurde er von Lord Thurston einzig als Ritter geschätzt, der eisern zu kämpfen verstand.

„Mylord“, meinte Sir Cedric leise. „Ist Lady Beatrice …“ Er zögerte, und Lord Thurston wandte schmerzerfüllt den Blick zur Seite, denn er wusste nur zu gut, was jetzt kommen würde. „Ist sie wirklich entschlossen, die heiligen Gelübde abzulegen?“

„Jawohl, so ist es. Das Mädchen will Nonne werden, und es gibt niemanden, der sie umstimmen könnte.“

Cedric packte den Lord am Ärmel, und seine Stimme nahm einen fast flehenden Klang an. „Das dürft Ihr nicht zulassen. Überredet sie, mich zum Manne zu nehmen, und ich werde ihr ein guter Gemahl sein.“

Thurston schnaubte und trank einen großen Schluck Wein, ehe er den Kelch in einer Art auf den Tisch knallte, die keine weiteren Einwände mehr zuließ. Er konnte Cedric nicht sagen, dass er ihn nicht mochte und ihm nicht traute und ihm daher gewiss nicht seine einzige Tochter zur Frau geben würde. Außerdem hatte Beatrice ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass sie weder Cedric noch irgendeinen anderen Mann mochte. „Sie ist neunundzwanzig“, teilte Thurston ihm mürrisch mit. „Es ist ihre eigene Entscheidung. Ich ziehe mich jetzt zurück. Gehabt Euch wohl, Cedric. Ich vertraue darauf, dass Ihr Beatrice wohlbehalten bei der Äbtissin von Glastonbury abliefert.“

Beatrice kniete in ihrem Gemach auf dem Boden und legte ihre ordentlich gefalteten Gewänder in eine mit Eisen beschlagene Reisetruhe aus Eichenholz. Zwischen die Stofflagen schob sie ihre ganz persönlichen Habseligkeiten – Bibel, Haarbürste, Nähzeug, eine Brosche, Schuhe, Seife, Papier, gespitzte Federn und Tinte.

Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie innehalten, und sie sah auf, als ihr Vater eintrat. Er verschränkte die Arme vor der Brust und ließ den Blick über den fast leeren Raum und die volle Truhe schweifen.

„Alles ist bereit“, sagte er unvermittelt. „Radley wird dich morgen früh nach Glastonbury begleiten.“

„Danke, Vater.“ Beatrice senkte den Blick und rang, um Worte verlegen, die Hände.

„Komm her, meine Tochter.“ Ihr Vater breitete die Arme aus, und sie warf sich hinein, barg das Gesicht an seiner breiten Brust und vergrub die schmalen Hände in seinem Gewand. Er streichelte ihr über das Haar, das genauso honigfarben war wie das ihrer Mutter. „Ich habe nichts gegen deine Entscheidung. Es stimmt mich nur traurig, dass du niemals erfahren wirst, wie beglückend es ist, Ehefrau und Mutter zu sein.“ Er hob die Hand, um ihren Widerspruch zu verhindern. „Aber da ich nun mit deinen Brüdern und dem Heer des Königs nach Wales ziehen werde, ist es nur gut, wenn du jetzt zu den Nonnen gehst. Gott allein weiß, ob ich zurückkehren werde, und ich würde keine Ruhe finden, wenn ich dich hier allein auf Ashton wüsste.“

„Vater, Ihr werdet wohlbehalten zurückkehren. Ich werde jeden Tag für Euch beten, und natürlich für Hal und Osmond und alle unsere Ritter, die nach Wales ziehen.“

Lächelnd strich er ihr wieder über den Kopf. „Du bist ein gutes Mädchen, Beatrice. Genau wie deine Mutter, Gott habe sie selig.“ Damit ließ er seine einzige Tochter wieder allein, damit sie fertig packen konnte.

Tief in Gedanken versunken, wandte Beatrice sich erneut der Reisetruhe zu. Natürlich war sie sehr traurig darüber, ihr Zuhause verlassen zu müssen, doch seit ihre Mutter vor zwei Monaten gestorben war, rief die Leere, die sie hinterlassen hatte, Beatrice nur noch stärker ins Bewusstsein, dass ihr Leben nur wenig Bedeutung und kein eigentliches Ziel hatte. Wie schwer es ihr gefallen war, jeden Morgen aufzustehen und sich durch den Tag mit all seinen langweiligen Pflichten zu schleppen! Sich mit belanglosen häuslichen Problemen und Streitereien zwischen den Leibeigenen abgeben zu müssen, wenn sie innerlich ihre grenzenlose Einsamkeit quälte … Im Kloster hatte sie wenigstens die Gesellschaft der anderen Nonnen, und sie konnte ein beschauliches Leben führen im Gebet und in der Hingabe an einen, den sie aufrichtiger liebte als jeden Mann.

Der Morgen dämmerte kalt herauf, milchig weiß vor Nebel, und leichter Regen tröpfelte von den Bäumen und Dächern. Beatrice nahm ein leichtes Mahl zu sich, nachdem sie zuvor die Messe in der Burgkapelle besucht hatte. Sie schluckte den letzten Bissen Brot herunter und rief nach ihrer Kammerfrau Elwyn, die auch sofort erschien und anfing, das Haar ihrer Herrin mit langen bedächtigen Strichen zu bürsten. Dabei weinte sie lautlos vor sich hin.

„Nun komm schon“, schalt Beatrice freundlich und nahm ihr die Bürste weg, um diese in ihre Truhe zu legen. „Das ist doch nicht das Ende der Welt.“

„Ach, Mylady“, schluchzte Elwyn. „Geht nicht fort. Es ist nicht richtig, wenn sich eine so junge hübsche Frau wie Ihr bei diesen alten Weibern verborgen hält.“

Beatrice schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Ich bin weder jung noch hübsch, und die Nonnen von St. Jude sind auch keine alten Weiber. Freu dich lieber für mich, Elwyn, denn es ist eine große Ehre, dort aufgenommen zu werden, und ich beginne ein neues ruhiges Leben, das ganz unserem Herrn geweiht ist.“ Lächelnd wischte sie mit dem Ärmel die Tränen von Elwyns Wangen. „Du hast für mich gesorgt, seit ich zwölf war, und du hast es hervorragend gemacht. Solltest du jetzt nicht froh darüber sein, dass du weniger Arbeit hast? Vielleicht solltest du heiraten. Weiß Gott, Big Al, der Hufschmied, hat dich oft genug darum gebeten.“

„Ach was, ich bin zu alt für solchen Unsinn.“ Elwyn schniefte noch einmal und machte sich tapfer daran, Beatrices Haar zu flechten. Dann befestigte sie die Verschlussspange am Umhang ihrer Herrin und band die Schnürriemen ihrer Schuhe zu, ehe sie sich ein letztes Mal von Beatrice umarmen ließ. Danach half sie ihr, die Truhe zu verschließen, und sobald das erledigt war, begleitete sie ihre Herrin nach unten in die Halle.

Die Leibeigenen hatten sich schon in einer Reihe aufgestellt. Beatrice drückte jedem Einzelnen die Hand und murmelte ein paar Dankesworte, bis sie schließlich bei ihrem Vater ankam. Er bot ihr den Arm und führte sie durch die große Haupttür zur Treppe. Beatrice widerstand der Versuchung, noch einmal zurückzublicken, und kämpfte dagegen an, in Tränen auszubrechen. Sie hätte nie gedacht, dass ihr der endgültige Abschied so zu Herzen gehen würde. Im Gegenteil, sie hatte eher mit Erleichterung gerechnet, dass sie nach all den einsamen Jahren endlich fortgehen durfte, doch im Augenblick verspürte sie nichts als grenzenlose Traurigkeit.

Im Außenhof stampften und schnaubten die Pferde, während die Sattelgurte festgezurrt wurden. Die Luft war erfüllt vom Klirren der Schwerter und Sporen und von den rauen Stimmen der Männer, die die letzten Vorbereitungen für ihre wichtige Aufgabe trafen – die Tochter ihres Herrn vor jeglichem Schaden zu bewahren.

Die Ritter hätten für die Reise nach Glastonbury kaum einen Tag gebraucht, aber Lady Beatrice zuliebe würden sie ein gemächlicheres Tempo anschlagen und die Nacht in einem Wirtshaus am Weg verbringen. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden, und die exzellenten Ritter nahmen ihre Verantwortung sehr ernst.

Ein Stallbursche brachte Beatrices Pferd, eine hübsche kastanienbraune Stute, die nicht mehr ganz jung, aber sehr verlässlich war. Beatrice streichelte Willows weiche rosige Nüstern und zögerte den Moment hinaus, in dem sie sich endgültig von ihrem Vater verabschieden musste. Er legte die Hand auf ihre Schulter, und sie sah mit einem schwachen Lächeln zu ihm auf.

„Ich kann mit dir kommen“, bot er ihr an.

Beatrice schüttelte den Kopf und schlang die Arme um ihn. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Nein, Vater, es ist besser, wenn ich allein reite. Sonst bringe ich vielleicht nie den Mut auf, Euch zu verlassen.“

„Was immer auch geschieht, du wirst stets bei mir sein“, flüsterte er. „Hier drinnen.“ Er klopfte mit der Faust an seine Brust.

Wieder umarmten sie sich, bis Lord Thurston sie von sich schob, sich ergriffen räusperte und Beatrice in den Sattel ihrer Stute hob. Sie griff nach seiner Hand.

„Lebt wohl, Vater. Möge Gott Euch beschützen.“

„Leb wohl, meine kleine Beatrice. Vergiss nicht, wenn du dich dort nicht wohlfühlst – eine Nachricht genügt, und wir holen dich nach Hause.“

Beatrice lächelte sanft. „Ich werde es nicht vergessen, Vater. Richtet Hal und Osmond meine Grüße aus, wenn Ihr sie seht.“

Vater und Tochter hoben die Hand zum Gruß, dann wendete Beatrice ihr Pferd und folgte den sieben Rittern, die vor ihr waren. Unter den Pferdehufen erbebte die hölzerne Zugbrücke. Vierzig Krieger auf ihren Rössern bildeten die Nachhut; sie waren schwer bewaffnet, mit Schwertern, Bogen, Lanzen und Schilden.

Der Tag hellte sich auf, und die Sonne kam hinter den Wolken hervor. Beatrices bedrückte Stimmung begann sich zu legen. Nie war ihr das Zwitschern der Lerchen und Amseln süßer erschienen, nie hatte sie die blühenden Holunder- und Weißdornbüsche reizvoller empfunden. Überall leuchteten gelber Steinbrech und Himmelschlüssel, dazwischen immer wieder Tupfer von blauen Leberblümchen und wilden weißrosa Hundsrosen. Die sich vor ihr ausbreitenden Hügel und Täler verzauberten sie mit ihrer Schönheit. Bei all dem Knarren von Leder, dem Klirren der Rüstungen und den vielen Männerstimmen um sich herum fand sie jedoch kaum die Ruhe, das alles richtig zu genießen, die herrliche Landschaft und ihren letzten Tag in Freiheit. Streng musste sie sich immer wieder ermahnen, ihren Eintritt in das Kloster nicht als Ende, sondern als wundervollen Neuanfang zu sehen.

Und doch …

Cedric Baldslow drängte sein Schlachtross neben Willow und versuchte hartnäckig, Beatrice in ein Gespräch zu verwickeln. Ihm schien gar nicht aufzufallen, dass das Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, wesentlich zurückhaltender war als das, das sie den anderen Männern schenkte. Er hielt sich offenbar für unwiderstehlich und war fest davon überzeugt, dass er dem Mädchen nur ein wenig gut zuzureden brauchte, dann würde es ihn schon erhören. Die Tatsache, dass Beatrice ihm bereits drei Mal einen Korb gegeben hatte, gab ihm anscheinend nicht zu denken.

Endlich wurde Sir Giles Radley auf ihre missliche Lage aufmerksam und schickte Baldslow ans Ende der Kolonne: Er solle dort nach dem Karren sehen, auf dem Beatrices Truhe befördert wurde. Sie lächelte Sir Giles dankbar an, und um den peinlichen Moment zu überbrücken, fragte sie ihn: „Wer ist der hochgewachsene junge Mann dort mit dem blonden Haar?“

„Das ist Remy St. Leger, Mylady, der Sohn eines alten Freundes Eures Vaters, der eine Gräfin aus Aquitanien geheiratet hat. Seine beiden Eltern sind vor Kurzem gestorben, sein älterer Bruder verwaltet den Familienbesitz. In Frankreich steht er in dem Ruf, einer der besten Schwertkämpfer zu sein, bei Turnieren hat er sehr große Erfolge erzielt.“

„Ich habe ihn auf Ashton noch nie gesehen.“

„Er war auf Hepple Hill, der Burg Eures Vaters in Wessex, wo er die neuen Krieger ausgebildet hat, die mit uns nach Wales ziehen werden. Erst vor zwei Tagen ist er auf Ashton eingetroffen. Abgesehen davon – so kurze Zeit nach dem Tod Eurer Mutter …“, sie bekreuzigten sich beide, „… hat Euer Vater sicher sehr genau darauf geachtet, einen jungen Heißsporn wie Remy St. Leger von seiner hübschen jungfr… tugendhaften Tochter fernzuhalten.“

Beatrice errötete, trotzdem lachte sie leise. „Ach, hört auf, Sir Giles. Ich bin eine alte Jungfer. Ein ‚junger Heißsporn‘ würde mich ganz sicher nicht beachten.“

Sir Giles sah sie stirnrunzelnd an. Einmal mehr wunderte er sich, dass sie ihren eigenen Wert so gar nicht kannte. „Mylady, Schönheit und Liebe kennen kein Alter.“ Einen Augenblick lang betrachtete er ihr herzförmiges Gesicht, die zierliche Stupsnase, die dunkelbraunen Augen mit den dichten langen Wimpern und den weichen rosigen Mund. „Das wird morgen ein Gewinn für die Kirche und ein großer Verlust für uns, Mylady.“

Beatrice erstarrte und wandte den Blick ab. Sie ertrug es nicht mehr, noch weitere Einwände gegen den von ihr eingeschlagenen Pfad zu hören, denn sie befürchtete, sie könnte sich viel zu leicht zur Rückkehr nach Hause überreden lassen. Rasch wechselte sie das Thema. „Sir Giles, warum hat mein Vater diesen Remy St. Leger bei uns aufgenommen?“

„Weil er ein tüchtiger Kämpfer ist, Mylady, ein Krieger. Wir brauchen solche Männer, wenn wir nach Wales ziehen.“

„Ich verstehe.“ Stirnrunzelnd betrachtete sie den breiten Rücken des jungen Mannes, über den sie gerade sprachen. „Er kann noch nicht sehr alt sein.“

„Er ist vierundzwanzig und wurde nach seiner ersten Schlacht mit sechzehn zum Ritter geschlagen. Von Weitem mag er sehr jung wirken, aber wenn Ihr ihm in die Augen blickt, werdet Ihr einen erwachsenen, weisen und erfahrenen Mann sehen. Es heißt, er hat schon über zweihundert Männer getötet.“

Beatrice erschauerte. „Ich finde es sehr traurig, Sir Giles, wenn junge Männer nur wegen des Krieges vor ihrer Zeit altern.“

„So ist es nun einmal im Leben, Mylady.“ Ehe ihr Interesse an dem Aquitanier zu lebhaft werden konnte, wechselte er lieber das Thema und sprach vom Wetter.

Später am Nachmittag wurden Woodford und ein Trupp von zehn Kriegern mit einem Beutel voller Silbermünzen vorausgeschickt, um dafür zu sorgen, dass Lady Beatrice ein Zimmer im Red Lion erhielt. Die Männer würden in Zelten auf einem nahe gelegenen Feld nächtigen, während die sieben Ritter – Radley, Grenville, Montgomery, Woodford, Fitzpons, Baldslow und St. Leger – im öffentlichen Schlafsaal übernachten und abwechselnd vor Lady Beatrices Tür stehen wollten. Nicht einen Augenblick lang sollte sie unbewacht sein.

Bei Einbruch der Dämmerung kam Sturm auf, und es begann heftig zu regnen. Als sie endlich das Red Lion erreichten, war Beatrice bis auf die Haut durchnässt. Der Wolkenbruch war so stark, dass sich der Innenhof des Gasthauses in einen Schlammpfuhl verwandelt hatte; knöcheltief versanken die Männer im Morast. Lautstark wiesen Radley, Baldslow und Montgomery die Krieger in ihre Behelfsunterkünfte auf dem Feld ein, während Grenville und Fitzpons mit der Reisetruhe ihrer Herrin verschwanden. Hilfe suchend sah sich Beatrice aufgrund der allgemeinen Geschäftigkeit um. Unvermittelt blickte sie in ein Paar stahlblauer Augen, hastig wandte sie den Kopf zur Seite. Doch Remy St. Leger war bereits von seinem Pferd gestiegen und stapfte durch den Morast auf Willows zu. Er streckte die Arme aus, legte die Hände um Beatrices Taille und hob sie aus dem Sattel, um sie über den Hof zum Gasthaus zu tragen. Einmal geriet er ins Rutschen, und mit einem leisen Aufschrei klammerte Beatrice sich fester an seine Schultern. Deutlich konnte sie seine Muskeln unter ihren Händen spüren. Mit einem belustigten Lächeln verlagerte er ihr Gewicht auf seinen Armen, um sie sicherer halten zu können. Erst im gepflasterten Eingang zum Gasthaus ließ er sie herunter, und Beatrice musste den Kopf weit zurück in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können, denn er war ungemein groß.

„Ich danke Euch“, murmelte sie, und da ihr die Unterhaltung mit Sir Giles wieder einfiel, wagte sie einen Blick in seine Augen. Und sah sofort in eine andere Richtung. Er war wirklich äußerst anziehend, aber vor Männern wie Remy St. Leger sollte sich eine Jungfer wohl besser fernhalten.

Trotz mehrerer Versuche des Wirts, sich bei Lady Beatrice einzuschmeicheln, erhaschte er kaum mehr als einen Blick auf sie, als sie von fünf riesig wirkenden und vor Waffen strotzenden Rittern eilends die Treppe hinauf zum besten Zimmer des Gasthauses geführt wurde.

Beatrice atmete erleichtert auf, als man ihr zeigte, wo sie die Nacht verbringen würde. Der Raum war klein, verglichen mit ihrem Gemach auf der Burg, aber für eine Nacht mehr als angemessen. Da waren ein mit dunkelblauem Damast behängtes Himmelbett, ein prasselndes Feuer, zwei Stühle vor der Feuerstelle und ein Tisch, auf dem bereits Teller mit verschiedenen Gerichten und ein Krug Wein standen. Die Läden vor den Lichtscharten schlossen gut, und Beatrice hängte ihren tropfnassen Umhang über die Lehne eines der Stühle. Sie wollte sich gerade die Schuhe ausziehen, als jemand an die Tür klopfte.

„Herein!“

Sir Giles trat mit einem großen Krug dampfenden Wassers ein, dicht gefolgt von Sir Hugh, der eine Waschschüssel trug. Sie stellten beides vor der Feuerstelle ab, überprüften die Vorräte an Brennholz, Essen und Wein und verneigten sich dann tief vor Beatrice. „Habt Ihr noch einen Wunsch, Mylady?“, erkundigte sich Sir Giles.

„Nein danke, ich habe alles, was ich brauche.“ Sie streckte ihren schmerzenden Rücken und fügte kläglich lächelnd hinzu: „Ich werde heute Nacht sicher sehr gut schlafen.“

„Man wird Euch nicht stören, Mylady.“

Die zwei Ritter verließen sie, und Beatrice wusste, es bestand keine Notwendigkeit, die Tür zu verriegeln, da die ganze Nacht über jemand davor Wache halten würde. Sie kehrte ans Feuer zurück, zog sich ganz aus und begann, sich zu waschen. Das Wasser war herrlich warm, aber der Raum war es nicht, und so beeilte Beatrice sich und wickelte sich hastig in eine Decke, während sie ihr Nachtgewand aus der Satteltasche zog. Sie hielt das langärmelige, am Halsausschnitt mit einem Seidenband zusammengehaltene Gewand vor das Feuer, und sobald es ihr warm genug erschien, schlüpfte sie rasch hinein. Anschließend setzte sie sich auf einen Stuhl, schlug die Beine unter, um sich die Füße zu wärmen, und entflocht ihr Haar bedächtig mit den Fingern. Als sie damit fertig war, aß sie von der herzhaften Mahlzeit, die man für sie vorbereitet hatte – Huhn und gebratener Kapaun, Käse aus Leicester, Kuchen und gewürzte Äpfel. Doch dann kam unweigerlich der Augenblick, als sie sich nicht mehr ablenken konnte. Müßig starrte sie ins Feuer, sie war nun ganz allein mit ihren Gedanken. Über alle Maßen allein. Plötzlich wurde ihr wieder mit aller Klarheit bewusst, was der morgige Tag für sie bringen würde, und eine Woge aus Furcht und Zweifeln schlug über ihr zusammen.

Immer wieder hallten die Worte ihres Vaters in ihr nach – „Du wirst niemals erfahren, wie beglückend es ist, Ehefrau und Mutter zu sein.“ Seufzend erhob Beatrice sich von ihrem Stuhl und ging barfuß über den Holzboden zum Bett. Als sie die Decken zurückschlug, betrachtete sie eine Weile nachdenklich die breite Liegestätte und die beiden Kopfkissen. Ein Bett für zwei. Gemahl und Gemahlin. Liebende.

Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie kletterte unter die Laken, legte sich auf die Seite und zog die Knie an, um sich selbst zu wärmen. Nach einer Weile drehte sie sich auf den Rücken und starrte hinauf zu dem mit Rüschen besetzten Baldachin.

Warum? fragte sie sich. Sie war neunundzwanzig Jahre alt und konnte einfach keinen Mann finden, der ihre Liebe, Treue und Achtung wert war. Bei jedem, der um ihre Hand angehalten hatte, war sie auf irgendeinen Makel gestoßen, und es hatte ihr an Anträgen wahrlich nicht gemangelt. Nun war sie natürlich zu alt. Abgesehen von dem widerwärtigen Baldslow blieben die Verehrer mittlerweile aus.

Mit sechzehn war sie mit einem jungen Mann verlobt worden, mit dem sie in jeder Hinsicht einverstanden war, aber William de Warenne, ein angesehener, gut aussehender und tapferer Ritter, hatte sein Leben auf dem Schlachtfeld verloren. Die Trauer um ihn schmerzte sie noch immer, und sie fragte sich, ob sie je wirklich über diesen Verlust hinweggekommen war. Ihre Mutter hatte sie davor gewarnt, an einer Liebe festzuhalten, die längst vergangen war, denn dadurch würde man irgendwann nicht mehr imstande sein, überhaupt noch einmal zu lieben.

Viele Jahre waren seit jener kummervollen Zeit vergangen, doch bisher war der Schmerz nicht vollständig gewichen. Er war nicht mehr so quälend, aber er war auch nicht gänzlich fort. Vielleicht sollte sie Baldslow doch noch einmal in Betracht ziehen. Er war zwar alt, aber Weisheit und Erfahrung waren nicht zu verachten. Andererseits jedoch graute Beatrice es bei dem Gedanken, dass seine rauen vernarbten Hände sie berühren würden, und genau da lag für sie das Problem. Sie konnte ihren Körper nicht einem Mann schenken, den sie nicht liebte. Die bloße Vorstellung verursachte ihr eine Gänsehaut.

Williams Tod hatte sie seinerzeit mit blindem Zorn erfüllt, und sie hatte nur einem Einzigen die Schuld daran gegeben – Gott. Nach einer Weile jedoch hatte sie sich dafür geschämt und ein schlechtes Gewissen bekommen, und zur Buße entwickelte sie eine fromme Hingabe zu Gott und der Kirche, die ihre Eltern missbilligten und infrage stellten. Beatrice aber hatte sich nie davon abbringen lassen.

Sie drehte sich auf die andere Seite, und die Gedanken drehten sich in ihrem Kopf. Mit einem resignierten Seufzer schlug sie die Bettdecke zurück und setzte sich auf. Wenn sie die Bibel doch nur in ihrem Handgepäck verstaut hätte, anstatt in der Reisetruhe! Dann hätte sie wenigstens lesen können, um sich abzulenken und irgendwann einschlafen zu können.

Sie stand auf, schenkte sich einen Kelch Wein ein und nahm sich ein Stück von dem Kuchen. Damit setzte sie sich ans Feuer und fragte sich, was ihr Vater wohl gerade tun mochte. Wahrscheinlich aß er etwas, genau wie sie, und packte seine Ausrüstung für den gefährlichen Marsch nach Wales zusammen. Und morgen, schon morgen würde sie im Kloster sein.

Das Feuer wärmte sie, und sie sah hinab auf ihre bloßen Füße, die unter dem Saum des langen Nachtgewands hervorlugten. William hatte gesagt, sie hätte hübsche Füße, damals am Fluss, als sie durch das Wasser gewatet war und er sie beinahe geküsst hätte. Beinahe. Wenige Tage später war er in den Krieg gezogen, und kurze Zeit danach war er tot gewesen.

Während sie genüsslich den süßen Kuchen kaute, grübelte sie darüber nach, wie es wohl sein müsste, von einem Mann geküsst zu werden. Ihre Mutter hatte sich immer beklagt, dass der Bart ihres Vaters kratzte, und Beatrice kam zu dem Schluss, dass sie wohl ein glatt rasiertes Gesicht bevorzugen würde. Die Erinnerung an ein attraktives Männergesicht stahl sich in ihre Gedanken, an strahlend blaue Augen und bis in den Nacken fallendes blondes Haar. Remy St. Leger. An die Form seines Mundes konnte sie sich nicht erinnern, aber sie war sich sicher, dass er keinen Bart trug.

Irgendwann legte Beatrice sich wieder ins Bett und schlief auch endlich ein. Allerdings nicht für lange Zeit. Als sie erwachte, war es dunkel und still. Die Holzscheite waren fast heruntergebrannt. Eine ganze Weile lag sie einfach nur da und lauschte dem Seufzen des Windes, der in den Baumkronen raschelte, dem Knarren des Dachgebälks und dem Rufen einer Eule. Beatrice wickelte die ohnehin nicht sehr dicke Decke fester um sich, um sich zu wärmen und kam zu dem Schluss, dass sie wohl lieber noch ein paar Holzscheite auflegen sollte, damit das Feuer bis zum Morgen weiterbrannte.

Sie stand wieder auf, zündete eine Kerze an und legte erst ein Holzscheit auf den Feuerrost, dann noch ein zweites darüber. Mit dem Schürhaken stocherte sie in der Glut und sprang mit einem Schreckenslaut zurück, als das obere Scheit herunterrollte und kleine glühende Kohlestücke aufstieben ließ. Eins davon fiel auf ihren Fuß, und sie schrie schmerzerfüllt auf.

Sofort flog die Tür auf. Ein Ritter stürzte mit gezücktem Schwert in das Zimmer und sah sich wachsam um.

„Seid unbesorgt, Sir“, rief sie, doch als sie sich umdrehte und Remy St. Leger vor sich stehen sah, stockte ihr der Atem, und ihre Stimme wurde zu einem unsicheren Flüstern. „Es ist niemand hier, der mir etwas antun will, ich war nur selbst etwas ungeschickt.“

Mit einem Blick nahm er das heruntergefallene Holzscheit und den Schürhaken in ihrer Hand wahr – aber auch die Umrisse ihrer schlanken Gestalt, die der Feuerschein durch das dünne weiße Leinen ihres Nachtgewands sichtbar werden ließ. Er sah ebenfalls, dass ihr das honigfarbene Haar offen und in schimmernden Wellen bis zu den Hüften reichte. Mit Schwung steckte er das Schwert zurück in die Scheide und kniete sich vor die Feuerstelle, um das Holz zurück auf den Rost zu legen. Er sah zu Beatrice auf und streckte wortlos die Hand aus, bis sie ihm den Schürhaken reichte.

Sie trat zur Seite und betrachtete seinen breiten Rücken und die muskulösen Oberschenkel, während er das Feuer schürte. Prompt spürte sie, wie sich eine brennende Röte auf ihren Wangen ausbreitete. Als er fertig war, nahm er ihren Ellbogen und bedeutete ihr, sich zu setzen.

Kein Mann großer Worte, dachte sie und rätselte, was er wohl vorhaben mochte. Sobald er ihren Fuß in die Hand nahm, zuckte sie leicht zusammen. Während er ihn gründlich untersuchte, rutschte ihr das Nachtgewand bis zum Knie hoch, und sie zog es hastig wieder herunter. Am kurzen Aufblitzen seiner Augen erkannte sie, dass er ihre Reaktion durchaus bemerkt hatte. Plötzlich begann er zu sprechen, in reinem, aber von seiner französischen Muttersprache leicht eingefärbtem Englisch, und seine wohltönende Stimme rührte irgendeine Saite tief in ihrem Innern an.

„Ich werde etwas Gänsefett und einen Verband holen.“

„Das ist nicht nötig.“ Beatrice sprang rasch vom Stuhl auf. Ein wenig zu rasch. Mit dem Knie traf sie ihn geräuschvoll am Kinn. „Ich bitte um Entschuldigung. Seid Ihr wohlauf?“

Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, hatte er sich am Stuhl festgehalten, sodass Beatrice nun zwischen seinen gespreizten Beinen und Armen stand. Mit angehaltenem Atem blickte sie auf sein aschblondes Haar hinunter. Noch nie war sie einem fremden Mann so nahe gewesen, und ihr wurde überdeutlich bewusst, dass sie nichts weiter trug als ihr Nachtgewand.

Er rieb sich das Kinn und erhob sich dann zu seiner vollen Größe. Beatrice reichte ihm nicht einmal bis zur Schulter. „Ich habe schon Schlimmeres einstecken müssen, als einen Stoß vom Knie einer Jungfer“, sagte er, die Hände in die Hüften gestemmt und mit einem fast unverschämten Lächeln.

So dicht vor ihm stehend und mit dem Stuhl unmittelbar hinter sich, war an ein Ausweichen nicht zu denken. Beatrice war klar, in welch unschicklicher Lage sie sich befanden, und sie wäre erst recht außer sich gewesen, hätte sie gewusst, dass er ihr dank seines beträchtlich höheren Wuchses geradewegs in den Ausschnitt ihres Gewandes blicken konnte.

Es fiel ihr schwer zu glauben, dass dieser Mann fünf Jahre jünger sein sollte als sie. Im Gegenteil, sie war diejenige, die sich unbeholfen und jung vorkam. Sie sah zu ihm auf und bemerkte im selben Moment, wohin er seinen Blick gerichtet hatte. Mit einem hastigen Schritt stieg sie über seinen Fuß und wandte ihm den Rücken zu. Sie musste sich an einem der kunstvoll geschnitzten Bettpfosten festhalten, da ihr plötzlich ein wenig schwindelig war. „Ihr könnt jetzt gehen“, teilte sie ihm mit unterkühlter Stimme mit.

Sie hörte seine schweren Schritte auf dem Holzfußboden und dann das Zuschnappen der Tür. Erst jetzt wirbelte sie herum, stieß den angehaltenen Atem aus und starrte die dunkle massive Eichenholztür an. Wie konnte er es wagen! Dieser unverschämte Mensch! Ihr Vater würde davon Kunde erhalten.

Erst dann fiel ihr ein, dass sie ihren Vater am kommenden Morgen gar nicht sehen würde, dass sie ihn womöglich viele Monate nicht mehr zu Gesicht bekommen würde – und dass sie sich entschieden hatte, schon sehr bald das Leben einer Nonne zu führen. Remy St. Leger war wohl der letzte Mann gewesen, der sie auf so eine Art und Weise angesehen hatte, so, wie ein Mann eben eine Frau ansah.

Hat ihm gefallen, was er gesehen hat? Sie presste die Hände an ihre glühenden Wangen und war entsetzt über ihre sündhaften Gedanken. Sein Mund war schön geformt gewesen und nicht zu breit, sein Kinn sorgfältig rasiert …

Nein, nein! Beatrice eilte zurück zu ihrem Bett und zog sich die Decken über den Kopf. Ihr Atem ging stockend. Ihr ganzer Körper fühlte sich plötzlich anders an, ihre Brüste schmerzten, ihre Beine zitterten. Noch immer hatte sie seinen männlichen Duft in der Nase, sie schien ganz von ihm durchdrungen zu sein. Einerseits schalt sie sich, nur ein schwaches menschliches Wesen zu sein, doch eine andere verführerische innere Stimme raunte ihr zu, dass sie schließlich auch nur das war, wozu Gott sie gemacht hatte – eine Frau.

Wie es wohl sein mochte, in seinen Armen zu liegen? Seinen festen muskulösen Körper an ihrem zu spüren? Glühende Hitze durchströmte sie, und in ihrem Kopf echote immer wieder nur ein einziges Wort – morgen, morgen, morgen.

Beatrice wusste genau, dass ihr nur diese eine Nacht blieb, Dinge zu erfahren, die ihr für den Rest ihres Lebens verwehrt bleiben würden. Schließlich war sie noch nie geküsst, geschweige denn geliebt worden. Was war schon dabei? Sie würde immer noch als keusche Jungfer ins Kloster eintreten – nur einen Kuss. Das war alles, was sie begehrte. Und Remy St. Leger sollte derjenige sein, der sie küssen würde, beschloss sie. Der „junge Heißsporn“ würde sich bestimmt nicht davor drücken, und wenn doch, dann wollte sie ihn schon daran erinnern, dass er einen Eid geschworen hatte, Lord Thurston und seiner Familie Gehorsam zu leisten.

Beatrice schlug die Decken zurück, stand auf und eilte zur Tür. Sie streckte die Hand nach dem Riegel aus, zog sie dann aber wieder zurück. Unschlüssig presste sie ihre Hände zusammen, lief ruhelos im Zimmer auf und ab und warf immer wieder Blicke zu der geschlossenen Tür.

Morgen, morgen, morgen … Entschlossen machte sie kehrt und riss die Tür auf, ehe sie es sich wieder anders überlegen konnte.

Er saß genau gegenüber auf einem dreibeinigen Schemel und lehnte sich mit dem breiten Rücken gegen die Wand. In der einen Hand hielt er einen Dolch, in der anderen einen Wetzstein. Er unterbrach seine Tätigkeit kurz, um sie erstaunt anzusehen, dann fuhr er fort, die gefährliche Waffe zu schleifen.

„Ich wünsche Euch zu sprechen.“

Er sah erneut auf. „Mylady?“

„Unter vier Augen. In meiner Kammer.“

Der Stein wetzte über das blinkende Metall. „Lieber nicht.“

„Sofort, Sir Remy!“ Beatrice widerstand der Versuchung, mit dem Fuß aufzustampfen. Sie wollte nicht noch kindischer wirken als es ohnehin schon der Fall sein musste.

„Nun gut. Es ist spät, und ich möchte nicht, dass Eure Stimme das ganze Gasthaus um den Schlaf bringt.“

Beatrice errötete angesichts dieses versteckten Tadels und wich einen Schritt zurück, als er sich erhob und ihre Kammer betrat. Sie schloss die Tür, schob sich an ihm vorbei und stellte sich, ihm den Rücken zuwendend, ans Feuer.

„Mylady?“, wiederholte er. Er stemmte die Hände in die Hüften und genoss ihren Anblick, obwohl ihm genau bewusst war, dass er hier eigentlich nicht mit ihr allein sein sollte.

„Wir Ihr wisst, bin ich auf dem Weg, mich den Nonnen von St. Jude anzuschließen.“

„Jawohl.“

„Ich werde mein Leben Gott weihen.“

Er verneigte sich in schweigender Hochachtung vor ihrem großen Opfer.

„Ich …“ Sie zögerte. „Natürlich bin ich …“ Wieder brachte sie die Worte nicht über die Lippen. „Ich bin … keusch. Unberührt.“

Remy St. Leger verlagerte unbehaglich das Gewicht von einem Bein aufs andere und fragte sich, wohin diese merkwürdige Unterhaltung wohl führen mochte. Er wich einen Schritt zurück, Richtung Tür.

„Ich bin neunundzwanzig Jahre alt, Sir Remy, und ich bin noch nie geküsst worden. Richtig. Von einem Mann. Nicht von einem Verwandten. Ihr versteht, was ich meine.“

Er warf ihr einen Seitenblick zu; langsam begriff er.

„Ich kann noch gut und gern zwanzig, vielleicht dreißig Jahre leben. Als Nonne. Allein. Ungeliebt. Ich würde gern wissen … das heißt … würdet Ihr mich küssen?“

Er starrte sie nur wortlos an.

„Damit ich weiß, wie das ist. Und damit ich diese Erinnerung mit mir nehmen kann.“

Er schüttelte den Kopf. „Diesen Dienst kann ich Euch nicht erweisen. Er würde mich den Preis meines Lebens kosten. Euer Vater …“

„Er wird es nie erfahren. Ich verspreche es, niemand wird je davon erfahren.“

„Nein.“ Er wandte sich zum Gehen.

„Wartet! Bitte. Ich werde Euch künftig jede Gunst erweisen und meinen Einfluss auf meinen Vater nutzen, damit auch er das tut, sollte es nötig werden. Bitte. Nur einen Kuss, das ist alles, worum ich bitte. Ich habe gehört, dass Männer sehr gern bereit sind, Mädchen zu küssen.“

Er schmunzelte, verbannte dieses Lächeln aber von seinen Zügen, ehe er sich zu ihr umdrehte. Von Kopf bis Fuß musterte er sie mit einem durchdringenden Blick, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Langsam ging er quer durch das Zimmer auf sie zu, bis er nur eine Armlänge von ihr entfernt stehen blieb. „Vielleicht ist Euch nicht bewusst, dass ein Kuss zu weiteren Dingen führen kann. Zu Dingen, von denen Ihr keine Ahnung habt.“

„Mir ist sehr wohl bewusst, wohin ein Kuss führen kann.“

Er ließ sich nichts von seiner Überraschung anmerken und sah ihr tief in die Augen. Natürlich, auch wenn sie so klein war und so jung aussah – sie war es nicht. Kein schüchternes Veilchen, diese Jungfer.

Beatrice senkte den Blick auf ihre vor der Brust gefalteten Hände. „Ich werde mich eben darauf verlassen, dass Eure Ritterehre Euch gebietet, es nicht so … weit kommen zu lassen.“

Jetzt musste er doch lachen, und er trat zu ihr. Kühn umfasste er ihre Taille. „Es besteht kein Grund, schüchtern zu sein. Wir wissen beide, was Ihr wollt. Ein letztes Schäferstündchen, bevor Ihr die Ordenstracht anlegt, nicht wahr?“

„Was!“ Seine Hände auf ihrem Körper waren eine ganz neue Erfahrung für sie, aber seine unverblümten Worte brachten sie noch mehr aus der Fassung.

„Ihr wollt mir doch nicht weismachen, dass eine Frau Eures Alters noch nie bei einem Mann gelegen hat?“

„Doch! Das habe ich noch niemals getan.“

Sein Blick forderte sie heraus, und sie schaute empört und unbeirrt direkt in seine Augen.

„Nun gut. Meine Herrin wünscht einen Kuss, also wird sie ihn auch bekommen.“

Beatrice stockte der Atem, als er mit den Händen behutsam über ihre Taille nach oben strich und die Wölbung ihrer Brüste nachzeichnete, ihre zarten Schultern streichelte und schließlich die Finger in ihr Haar gleiten ließ. Mit großen Augen sah Beatrice zu ihm empor, doch als er sich langsam zu ihr herabneigte, schloss sie sie erwartungsvoll. Sie spürte erst seinen warmen Atem, dann seine Lippen auf ihren. Halt suchend schmiegte sie sich an ihn. Eine ganze Weile hielt er sie nur zärtlich umfangen, während er sie gleichzeitig dazu zu bewegen versuchte, ihm ihre Lippen zu öffnen.

Als er sich schließlich mit der Zunge in ihren Mund vortastete, erstarrte sie vor Überraschung. Sein Kuss wurde fordernder, leidenschaftlicher, und plötzlich durchströmte sie eine nie gekannte Erregung. Mit einem leisen Wimmern schlang sie ihm die Arme um den Nacken. Er stöhnte auf und presste sie fest an sich. Wieder und wieder küssten sie sich, bis er sie schließlich, ohne ihren Mund freizugeben, hochhob und zum Bett trug, wo er sich neben ihr ausstreckte. Eine Zeit lang tat er nichts anderes, als sie mit verzehrender Glut weiterzuküssen.

Beatrice gab sich vollständig den köstlichsten Empfindungen hin, die sie je verspürt hatte. Sein Mund, sein Geschmack, sein männlicher Duft, die harten Muskeln seines Körpers – all das war etwas völlig Neues für sie. Erregend. Berauschend. Ihr Verlangen war mittlerweile so groß geworden, dass es nach Befriedigung strebte. Da sie sich nicht vorstellen konnte, wie sie diese herbeiführen sollte, stieß sie einen hilflosen, beinahe flehenden Laut aus.

Er erkannte diesen Laut, lächelte in sich hinein und wurde kühner. Er schob ein Bein zwischen ihre Knie, und mit der Hand wagte er sich zu der Knospe ihrer Brust vor. Beatrice schlug die Augen auf und starrte ihn an. Sie wusste, sie durfte nicht zulassen, dass er sie so berührte, aber es fühlte sich so himmlisch an, und so senkte sie wohlig seufzend erneut die Lider.

Plötzlich war seine Hand nicht mehr auf ihrer Brust, und sie empfand beinahe so etwas wie Enttäuschung. Im selben Moment merkte sie, wie er den Saum ihres Nachtgewandes bis zu den Schenkeln hochstreifte.

Ihren Schreckenslaut erstickte er mit einem Kuss. Sie wagte nicht, sich zu bewegen und blieb reglos liegen, aber als er eine Hand zwischen ihre Knie schob und verlangend die zarte Haut ihrer Beine streichelte, schüttelte sie heftig den Kopf. „Nein! Ihr müsst aufhören!“

„Warum?“, raunte er. „Niemand wird wissen, ob Ihr noch Jungfrau seid oder nicht.“

„Ich werde es wissen. Gott wird es wissen.“

Er strich sanft über die Außenseite ihres Oberschenkels und sah Beatrice mit träger Belustigung an. „Aber ich begehre Euch.“

„Nein! Das darf nicht sein.“

„Ihr könntet mich nicht daran hindern, wenn ich Euch jetzt nehmen wollte.“

„Bitte!“, flehte sie erstickt. „Bitte, entehrt mich nicht!“

Ganz unvermittelt ließ er sie los und die kalte Luft streifte sie, nachdem er aufgestanden war. Beatrice setzte sich auf, bedeckte mit dem Nachtgewand hastig ihre Blöße und erhob sich ebenfalls. Mit offener Hand, als wollte sie ihm ins Gesicht schlagen, stürzte sie auf ihn zu, doch er war zu groß und zu schnell und packte sie beim Handgelenk.

„Ihr habt Euren Ehreneid gebrochen“, flüsterte sie aufgebracht.

Er sah sie überrascht an. „Das habe ich nicht – ich habe Euch nur geküsst. Auf Eure eigene Bitte hin. Daran kann ich nichts Unehrenhaftes erkennen.“

Sie zitterte vor Anspannung. „Ihr hättet mich nicht … dort berühren dürfen.“

Jetzt musste er lachen. „Wenn ich Euch ‚dort‘ berührt hätte, und nicht nur Eure wunderschönen Schenkel, dann würdet Ihr jetzt nicht protestieren, sondern vor Lust schreien.“

Beatrice errötete heftig wegen dieser eindeutigen Worte. „Geht, denn ich habe mich gründlich geirrt, als ich Euch für einen edlen Ritter gehalten habe.“

Zorn flackerte in seinen Augen auf. Er zog sie an sich und küsste sie mit solcher Sanftheit und Zärtlichkeit, dass ihr ganz schwindelig wurde. Plötzlich gab er sie frei und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal zu ihr um und sah sie eine Weile nur an, ehe er eine letzte finstere Warnung an sie richtete: „Kätzchen sollten lieber nicht mit Löwen spielen.“

2. KAPITEL

Das Kloster St. Jude lag in der Northload Street und grenzte nach hinten an das Herrenhaus der Abtei von Glastonbury an. Die Nonnen hatten zehn Morgen Land von Abt John gepachtet, und diese gaben genug Nahrungsmittel her, um die Gemeinschaft mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen, sodass die Frauen nur selten etwas auf dem Markt dazukaufen mussten. Es gab drei Kühe für die Milch, ein halbes Dutzend Schafe, die Wolle und Fleisch lieferten, zwanzig Hühner, Fischteiche und einen Gemüsegarten, der Karotten, Steckrüben, Zwiebeln und Kräuter hervorbrachte. Auch Apfel- und Birnbäume waren vorhanden sowie zwei Morgen Land, auf denen Wein angebaut wurde. Die Klostergebäude selbst wiesen eine Halle auf, das Refektorium, in dem die Nonnen ihre Mahlzeiten einnahmen; ein Sprechzimmer, worin Schwester Huberta ihren Schreibtisch hatte, ihre Korrespondenz erledigte und von dem aus sie darauf achtete, dass im Kloster Zucht und Ordnung herrschten, und eine große Küche, die zum Gemüsegarten hinausführte und an die Vorratskammer angrenzte. Im Untergeschoss befand sich der Keller, im ersten Stock lagen acht Schlafzellen. In der Mitte des Komplexes erhob sich natürlich die Klosterkirche, zu der man zu jeder Tages- und Nachtzeit mühelos Zutritt hatte.

Um diesen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb in Schwung zu halten, wurde allen Frauen harte Arbeit abverlangt, und die Äbtissin, Schwester Huberta, sorgte dafür, dass sie jeder einzelnen Nonne auch noch die letzte Unze abrang. Insgesamt beherbergte das Kloster fünfundzwanzig Nonnen, die Äbtissin und die Novizinnen nicht mitgerechnet.

Es war Dienstag, Markttag, und eine so große Kavalkade wie die von Ashton zog natürlich die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, als sie nun von Süden in die Stadt hineinritt, die Chilkwell Street entlang und dann die High Street hinauf. Im Vorbeireiten warf Beatrice einen Blick auf die Marktstände und bemerkte eine Vielzahl interessanter Waren – Käse, Holzlöffel, Reisigbesen, Seide und bunte Bänder, köstlich duftende Pasteten, Lederstiefel und Kupferkessel.

Allzu rasch ließen sie den Markt hinter sich und bogen in die Northload Street ein. Kurz vor deren Ende erreichten sie eine hohe Backsteinmauer, die nach einer ganzen Weile an den massiven Pfosten eines breiten hölzernen Doppeltors endete. Es war von innen verriegelt, sodass Besucher an einer schmiedeeisernen Glocke läuten mussten, die hoch genug an der Mauer hing, um kleine Kinder davon abzuhalten, den Nonnen und der Nachbarschaft mit Bimmelstreichen auf die Nerven zu gehen.

Sir Giles beugte sich im Sattel vor und zog am Glockenstrang. Sie konnten die Glocke nicht läuten hören, aber es dauerte nicht lang, bis sich eine kleine Pforte im Tor auftat und eine Nonne herausspähte.

„Guten Morgen, Schwester“, grüßte Sir Giles höflich. „Lady Beatrice von Ashton ist eingetroffen.“

Die Pforte wurde zugeschlagen. Sie sahen sich gegenseitig an, und Beatrice lächelte achselzuckend. Einige Augenblicke später öffnete sich die schmale Pforte erneut, und eine andere Nonne musterte sie mit strengem Blick. Sie war älter als die erste Ordensfrau, und ihre harten Gesichtszüge erinnerten Beatrice an ein Frettchen. Sie sah Beatrice direkt an, und ihre Stimme passte zu ihrem Gesicht.

„Ich bin die Äbtissin hier, Schwester Huberta. Was denkt Ihr Euch dabei, all diese Männer an meine Pforte zu bringen? Seht nur, wie Ihr die Straße blockiert und damit unziemliches Aufsehen erregt!“

Beatrice zuckte bei diesen schroffen Worten erschrocken zusammen und sah sich nach den Kriegern um, die tatsächlich die Straße versperrten und eine kleine Schar Schaulustiger angelockt hatten. Sir Hugh versuchte soeben laut rufend sein Pferd durch die Menge zu treiben, im Bemühen, ihre Reisetruhe zur Klosterpforte zu bringen. Beatrice drehte sich wieder um und wollte sich entschuldigen, doch die Äbtissin kam ihr zuvor.

„Sie sollen verschwinden. Sofort. Ihr dürft absitzen, und ich werde Euch in St. Jude aufnehmen. Falls das noch immer Euer Wunsch ist.“ Schwester Huberta starrte sie durchdringend an.

„In der Tat“, erwiderte Beatrice langsam, und ihre von Haus aus sanfte Stimme war jetzt kaum noch zu hören bei dem Stampfen und Schnauben der Pferde, dem Klirren des Zaumzeugs und dem Geschrei der Männer auf der Straße. „Ich habe eine Reisetruhe dabei, wenn Ihr also so freundlich wärt, das Tor zu öffnen?“

„Ist Euch nicht bewusst, dass dies ein geschlossener Orden ist? Ich dachte, ich hätte mich in meinen Briefen ganz klar ausgedrückt. Wir haben das Tor seit dreißig Jahren nicht mehr geöffnet und werden das gewiss auch heute nicht tun. Wir nehmen Euch so auf, wie Ihr seid, Lady Beatrice.“ Sie betonte ihren Titel fast hämisch. „Außerdem kann ich keiner Nonne gestatten, mehr zu besitzen als die anderen. Man wird Euch mit dem versorgen, was Ihr braucht, auch wenn es vielleicht nicht das ist, was Ihr wollt.“

„Aber meine Bibel …“

„Wir haben eine für Euch.“

„Meine Haarbürste!“

„Die braucht Ihr nicht. Ihr werdet geschoren werden.“

Ein Raunen erhob sich unter den Rittern und Kriegern. Beatrice verzichtete darauf, auf ihrer Seife, dem Nähzeug und anderen Besitztümern zu bestehen. Sie drehte sich zu Sir Giles um und bat ihn ruhig: „Würdet Ihr mir bitte vom Pferd helfen?“

„Mylady.“ Sir Giles saß ab, genau wie alle anderen Ritter. Beatrice wand sich innerlich wegen des vielen Lärms, den sie dabei machten.

Nachdem Sir Giles sie vom Pferd gehoben hatte, streichelte sie zum Abschied Willows Nüstern, ließ die Zügel los und tat einen Schritt auf die Pforte von St. Jude zu. Dort drehte sie sich noch einmal um und ließ den Blick von einem Ritter zum nächsten schweifen.

„Gehabt Euch wohl“, flüsterte sie. „Meinen Dank, und möge Gott mit Euch sein.“

Die Männer traten geschlossen vor und knieten im Halbkreis vor ihr nieder. Jeden Einzelnen küsste sie auf die Wange. Die Männer schwiegen und hielten den Kopf gesenkt, obwohl jeder von ihnen am liebsten laut protestiert und auf dem schnellsten Weg mit ihr wieder nach Hause geritten wäre.

Als sie beim letzten Ritter, Remy St. Leger, angekommen war, hob er als Einziger den Kopf und sah ihr in die Augen. Dann nahm er ihre Hand und küsste sie. „Euer Vater hat mir aufgetragen, Euch daran zu erinnern, dass Ihr nur eine Nachricht zu senden braucht, wenn Ihr Euch hier nicht wohlfühlt.“ Er sprach so leise, dass die Äbtissin ihn nicht hören konnte.

„Ich weiß. Aber sagt meinem Vater, dass ich ihm keine Schande bereiten werde, nur weil es mir an Mut fehlt.“

Autor

Catherine March
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