Die Beaumont-Dynastie - Nur gewissenlose Playboys & knallharte Unternehmer? (8-teilige Serie)

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WIE FÜHRT MAN DEN BOSS IN VERSUCHUNG?
Chadwick Beaumont, Erbe eines mächtigen Imperiums, hat gelernt, Nein zu sagen. Sogar bei ungeheuer erotischen Versuchungen wie der schönen Serena Chase. Denn sie ist seine Assistentin. Da muss er als Boss die Distanz wahren. Oder?

WIE ZÄHMT MAN EINEN VERFÜHRER?
Versucht Phillip Beaumont etwa, mit ihr zu flirten? Finger weg, befiehlt sich Jo. Sie soll sich als Pferdetrainerin schließlich um den wertvollen Hengst Sun kümmern, und nicht um dessen umwerfend attraktiven Besitzer! Viel zu gefährlich ist Phillips Ruf als gewissenloser Playboy. Aber auf seinem Landsitz scheint er ein anderer Mann zu sein. Oder ist das alles nur raffinierte Tarnung, um Jo in sein Schlafzimmer zu bekommen?

WILD ERWACHT DIE BEGIERDE
Für seinen Bruder inszeniert Matthew Beaumont die High-Society-Hochzeit des Jahres. Alles muss perfekt werden! Doch dann trifft er die Trauzeugin und beste Freundin der Braut - die skandalumwitterte Whitney Wildz, einen ehemaligen Teeniestar auf Abwegen! Als sie buchstäblich in Matthews Arme stolpert, wird sein Begehren entfacht. Sorgt er nun selbst für den Skandal, den er unbedingt verhindern wollte?

EINE UNVERGESSLICHE AFFÄRE
Byron Beaumont ist zurück in Denver - Leona ist alarmiert! Denn einerseits lassen seine blauen Augen sie immer noch an ihre unglaublich erotischen Nächte denken … Aber anderseits muss Leona in seiner Nähe um jeden Preis kühl bleiben. Sie soll sein neues Restaurant ausstatten. Eine tolle Chance - solange sie ihm verschweigen kann, dass sie inzwischen einen kleinen Sohn hat, der ihm verhängnisvoll ähnlich sieht …

IM BETT MIT DEM RIVALEN
Ein Jahr lang soll sie die Frau an seiner Seite spielen, dafür wird Ethan Logan sie fürstlich entlohnen. Frances Beaumont ist entsetzt über den Vorschlag: Ethan ist der Mann, der ihrer Familie eiskalt das Unternehmen gestohlen hat! Ihre finanzielle Not zwingt sie, dem Arrangement zähneknirschend zuzustimmen. Gleichzeitig fragt sie sich, wie sie zwölf Monate den verlockenden Lippen ihres Feindes widerstehen soll …

WIE VERFÜHRE ICH DEN BOSS?
Niemand hat es bisher gewagt, Zeb Richards, den neuen Besitzer der Beaumont-Brauerei, zur Rede zu stellen. Bis auf diese verführerische Schönheit! Casey Johnson ist seine Braumeisterin, und seine neuen Vorschriften scheinen für sie eine einzige Provokation zu sein. Es könnte der Beginn einer äußerst angespannten Zusammenarbeit sein - oder eines äußerst prickelnden Spiels zwischen Macht, Liebe und Leidenschaft …

LIEB MICH UNTERM MISTELZWEIG
Ihre Karriere hängt von dieser Sensationsstory ab! In ihrer TV-Show will Natalie unbedingt beweisen, dass CJ Wesley der uneheliche Sohn des skandalumwitterten Hardwick Beaumont ist. Doch als sie bei CJ vorfährt, um ihn zu interviewen, kommt ein mächtiger Blizzard auf. CJ gewährt ihr Unterschlupf. Schon bald ist er nicht mehr der Mann, den Natalie bloßstellen will, sondern ein attraktiver Traummann, der sie am Kaminfeuer küsst und in den eiskalten Nächten wärmt.

DAS SINNLICHE VERSPRECHEN DES MILLIARDÄRS
Skrupel kennt Milliardär Daniel Lee nicht - bis er die Tränen in den Augen der jungen Christine Murray sieht. Warum hat er sie nur in eine fragwürdige Kampagne hineingezogen, um ihrem Vater zu schaden? Als sie zwei Jahre später wieder gegen ihren Willen im Rampenlicht steht, lädt Daniel sie auf sein Luxusanwesen ein. Hier will er seine Schuld wiedergutmachen ...


  • Erscheinungstag 21.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736132
  • Seitenanzahl 1152
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sarah M. Anderson

Die Beaumont-Dynastie - Nur gewissenlose Playboys & knallharte Unternehmer? (8-teilige Serie)

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2014 by Sarah M. Anderson
Originaltitel: „Not The Boss’s Baby“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1944 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Andrea Greul

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733723125

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

„Miss Chase, kommen Sie bitte in mein Büro?“

Serena zuckte zusammen, als sie die Stimme von Mr. Beaumont hörte, die durch die altmodische Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch drang. Blinzelnd schaute sie sich um. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie einen Moment brauchte, um zu registrieren, wo sie war.

Wie war sie eigentlich hierher ins Büro gekommen? Sie blickte an sich hinunter. Sie trug einen Hosenanzug, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, ihn angezogen zu haben. Vorsichtig berührte sie ihr Haar – es saß perfekt. Alles war also wie immer.

Mit der kleinen Ausnahme, dass sie schwanger war. Insofern war nichts wie immer.

Serena war sich ziemlich sicher, dass es ein Montag war. Die Uhr des Computers zeigte Punkt neun an – genau um diese Zeit traf sie sich für gewöhnlich zur Besprechung mit Chadwick Beaumont, dem Geschäftsführer und Präsidenten der Beaumont-Brauerei.

Seit sieben Jahren arbeitete sie als seine persönliche Assistentin. Davor hatte sie ein einjähriges Praktikum absolviert, dem ein Jahr in der Personalabteilung gefolgt war. Die wenigen Montage, an denen ihre Neun-Uhr-Besprechung ausgefallen war, konnte sie an einer Hand abzählen.

Es gab also keinen Grund, den Termin wegen einer Kleinigkeit wie einer zufälligen Schwangerschaft abzusagen.

An diesem Wochenende war ihr Leben völlig aus den Fugen geraten. Sie war nicht einfach nur ein bisschen müde oder ein bisschen gestresst. Sie hatte sich auch nicht einfach nur ein bisschen erkältet – sie hatte herausgefunden, dass sie seit drei Monaten und zwei Wochen schwanger war. Sicher sein konnte sie sich nicht zuletzt deswegen, weil sie genau wusste, dass sie zu jenem Zeitpunkt das letzte Mal mit Neil geschlafen hatte.

Neil. Sie musste es ihm sagen. Er hatte ein Recht, es zu erfahren. Großer Gott, sie wollte ihn eigentlich nie mehr wiedersehen. Denn sie wollte nicht noch einmal von ihm zurückgewiesen werden. Aber hier ging es nicht darum, was sie wollte.

Was für eine Katastrophe!

„Miss Chase? Gibt es ein Problem?“ Mr. Beaumonts Stimme klang bestimmt, aber freundlich.

Sie drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. „Nein, Mr. Beaumont. Einen Moment bitte, ich bin sofort bei Ihnen.“

Sie saß im Büro und hatte einen Job zu erledigen – den sie gerade jetzt nötiger brauchte denn je.

Serena schickte eine kurze Mail an Neil, um ihn darüber zu informieren, dass sie mit ihm reden müsse. Dann nahm sie ihren Tablet-PC und öffnete die Tür zu Mr. Beaumonts Büro.

Chadwick Beaumont leitete die Brauerei in dritter Generation, und das sah man diesem Büro auch an. Seit den Vierzigerjahren schien die Zeit hier stehengeblieben zu sein. Chadwicks Großvater John hatte das Unternehmen kurz nach dem Ende der Prohibition offiziell gegründet. Drei Wände waren mit auf Hochglanz poliertem Mahagoni getäfelt, und eine eingebaute Bar mit einem riesigen Spiegel nahm fast die gesamte Fläche der vierten Wand ein. Vor der langen Fensterfront waren schwere graue Samtvorhänge drapiert. Das i-Tüpfelchen waren aufwändig geschnitzte Holztafeln, auf denen die Geschichte der Beaumont-Brauerei abgebildet war.

Der riesige Konferenztisch war eine Spezialanfertigung, extra für diesen Raum geschreinert. Serena hatte irgendwann mal gehört, dass man ihn direkt im Büro hatte zusammenbauen müssen, weil er nicht durch die Tür gepasst hätte. Daneben gab es noch eine Sitzecke, bestehend aus zwei ledernen Clubsesseln und einem passenden kleinen Sofa, die um einen Couchtisch gruppiert waren. Angeblich war dieser Tisch aus den Rädern gemacht worden, die Teil des Pferdewagens waren, mit dem Phillipe Beaumont 1880 die Prärie durchquert hatte, um sich in Denver niederzulassen und Bier zu brauen.

Serena liebte dieses Büro – hier war sie von so viel Eleganz und Geschichte umgeben wie sonst nirgendwo. Die wenigen Indizien, die darauf hinwiesen, dass man bereits im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen war, waren ein Flachbildfernseher, das Telefon und der Computer auf dem Schreibtisch. Dahinter befand sich, versteckt zwischen der Bar und einem Bücherregal, eine Tür, durch die man in einen Privatraum gelangte. Dort hatte Chadwick eine Dusche einbauen, ein Laufband und diverse andere Trainingsgeräte aufstellen lassen. Serena wusste das jedoch nur, weil sie die Bestellungen dafür in Auftrag gegeben hatte. Ansonsten hatte sie Chadwicks privates Reich in den gesamten sieben Jahren noch kein einziges Mal betreten.

In diesem Büro hatte sie immer Trost gefunden – es bildete einen wohltuenden Kontrast zu ihrer Kindheit, die von Armut und Entbehrung geprägt gewesen war. Hier fand sie alles, wonach sie sich immer gesehnt hatte: Beständigkeit, Geborgenheit, Sicherheit. Dinge, nach denen es sich zu streben lohnte.

Auch sie konnte ein komfortables Leben führen, weil sie fleißig, engagiert und loyal war. Vielleicht konnte sie sich nicht den gleichen Luxus leisten wie Chadwick Beaumont. Aber sie hatte es heute weit besser als in den heruntergekommenen Wohnwagen, in denen sie aufgewachsen war.

Chadwick saß am Schreibtisch und blickte auf den Monitor seines Computers. Serena wusste sehr wohl, dass sie ihn im Geiste nicht Chadwick nennen sollte – es war viel zu vertraulich. Mr. Beaumont war immerhin ihr Chef. Einer, der nie aufdringlich wurde oder sie zu nächtlichen Überstunden oder dringenden Wochenendschichten nötigte.

Sie war eine gewissenhafte Mitarbeiterin, die durchaus Überstunden machte, wenn es notwendig war. Sie leistete harte Arbeit, und er honorierte das. Für ein Mädchen wie sie, das während der Schulzeit auf die Unterstützung von Wohltätigkeitsorganisationen angewiesen gewesen war, waren eine jährliche Gehaltserhöhung von acht Prozent und eine Eintausend-Dollar-Prämie für gute Leistungen ein Geschenk des Himmels.

Es war kein Geheimnis, dass Serena für ihren Boss durchs Feuer gegangen wäre. Dass sie ihn jedoch über seinen Erfolg und sein Engagement hinaus bewunderte, war eine andere Sache. Denn Chadwick Beaumont war auch ein verdammt gut aussehender Mann. Er war stolze ein Meter neunzig groß, hatte dunkelblondes gepflegtes Haar, und er war einer jener Männer, die wie ein guter Wein mit den Jahren immer attraktiver werden. An manchen Tagen ertappte Serena sich dabei, wie sie ihn verstohlen anhimmelte.

Diese heimliche Schwärmerei behielt sie selbstverständlich für sich. Sie hatte einen wunderbaren Job, den sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen würde, indem sie sich ganz unprofessionell in ihren Chef verliebte. Außerdem war sie fast zehn Jahre lang mit Neil zusammen gewesen, und Chadwick hatte eine Ehefrau. Zwischen ihnen bestand also lediglich eine rein geschäftliche Beziehung.

Sie hatte keinen blassen Schimmer, wie sich die Schwangerschaft auf ihren Job auswirken würde. Aber sie würde ihre Arbeit – und die Leistungen der Krankenkasse – mehr denn je brauchen.

Serena nahm wie immer auf einem der beiden Stühle vor dem Schreibtisch Platz und schaltete das Tablet ein. „Guten Morgen, Mr. Beaumont.“ Oh Gott, hatte sie heute Morgen vor lauter Panik vielleicht vergessen, Make-up aufzulegen? Hoffentlich hatte sie keine Ränder unter den Augen.

„Miss Chase“, begrüßte Chadwick sie und sah sie kurz an. Dann blickte er wieder auf den Monitor und hielt inne. Serena hatte kaum Zeit, Luft zu holen, da fragte Chadwick Beaumont sie auch schon: „Ist alles in Ordnung?“

Nein. In ihrem Leben war alles durcheinander. Nur die Tatsache, dass sie als Kind sehr viel schlimmere Situationen durchgestanden hatte, hielt sie aufrecht.

Sie hoffte, es würde ihr auch diesmal gelingen.

Serena nahm eine gerade Haltung ein und versuchte, so freundlich wie möglich zu lächeln. „Es ist Montag. Mir geht’s gut.“

Chadwick zog eine Braue hoch. „Sind Sie sicher?“

Sie log ihn nur ungern an. Sie log überhaupt nie gerne. Doch dank Neil hatte sie in letzter Zeit viel Übung darin bekommen. „Alles okay.“

Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich selbst zu glauben. Sie hatte sich dank harter Arbeit aus der größten Armut befreit, und ein Stolperstein – winzig wie ein Baby – würde sie nicht aus der Bahn werfen. Jedenfalls hoffte sie das.

Chadwick wandte den Blick seiner haselnussbraunen Augen von ihr ab und schien es dabei zu belassen. „Na gut. Was braut sich denn in dieser Woche zusammen?“

Wie immer, wenn er diesen Witz machte, lächelte sie. Natürlich brauten sie Bier.

Auf seinem Terminkalender standen außerdem eine Verabredung zum Lunch mit seinem Vizepräsidenten und noch ein paar andere Meetings. Er tat wirklich viel für die Firma – er war ein Chef, der mit anpackte. Es war Serenas Aufgabe, dafür zu sorgen, dass seine Termine nicht miteinander kollidierten.

„Sie haben am Dienstagmorgen um zehn Uhr einen Termin mit den Rechtsanwälten wegen der Schlichtung. Deshalb habe ich Ihr Treffen mit Matthew auf den Nachmittag verschoben.“

Mit dieser Formulierung umging sie auf diplomatische Weise die unangenehme Tatsache, dass es sich bei den Anwälten um seine Scheidungsanwälte und bei besagter Schlichtung um die Scheidung von seiner Frau Helen handelte. Das Ganze zog sich schon seit Monaten hin – dreizehn Monate, wenn sie sich nicht täuschte. Die Einzelheiten kannte sie natürlich nicht. Wer konnte schon sagen, was sich hinter den verschlossenen Türen einer Familie abspielte? Alles, was sie sagen konnte, war, dass Chadwick das Ganze ziemlich mitgenommen hatte und dass es ihn langsam zu zermürben schien.

Er seufzte. „Als ob dieses Treffen auf irgendetwas hinauslaufen würde. Die letzten fünf Male ist es auch ergebnislos geblieben. Egal. Was gibt es sonst noch?“, fügte er wieder energischer hinzu.

Serena räusperte sich. Damit waren die persönlichen Angelegenheiten, die sie miteinander teilten, abgehakt. „Am Mittwoch ist das Vorstandstreffen im Hotel Monaco.“ Sie räusperte sich abermals. „Es geht um das Angebot von AllBev. Das Nachmittagsmeeting mit den Produktionsleitern habe ich abgesagt, aber sie werden Ihnen einen Zwischenbericht schicken.“

Beim Thema AllBev wurde ihr plötzlich klar, dass sie gar nicht so sehr Angst davor hatte, ein Kind zu bekommen. Es war vielmehr die Befürchtung, deshalb ihren Job zu verlieren …

AllBev war ein internationaler Konzern, der sich auf die Übernahme von Brauereien spezialisiert hatte. Sie hatten bereits Firmen in England, Südafrika und Australien gekauft und nun die Beaumont-Brauerei im Visier. AllBev war bekannt dafür, die Führungsebene der Betriebe durch eigene Leute zu ersetzen. Die wenigen Mitarbeiter, die sie nicht entließen, mussten dann für mehr Profit als zuvor sorgen.

Chadwick stöhnte auf und ließ sich in seinen Sessel zurückfallen. „Das ist diese Woche?“

„Ja, Sir.“ Als sie Sir sagte, blickte er sie verwundert an. Serena korrigierte sich. „Ja, Mr. Beaumont. Wir haben das Treffen vorgezogen, weil Mr. Harper dabei sein wollte.“

Leon Harper besaß nicht nur eine der größten Banken Colorados, er war auch ein Vorstandsmitglied der Brauerei. Und er drängte darauf, der Übernahme durch AllBev zuzustimmen.

Was würde passieren, wenn Chadwick das Angebot akzeptierte oder wenn sich der Vorstand über seine Wünsche hinwegsetzte? Was, wenn die Beaumont-Brauerei verkauft werden würde? Dann wäre sie ihre Stelle los. Denn das Management von AllBev hatte ganz sicherlich keinen Bedarf an der Assistentin des ehemaligen Geschäftsführers. Man würde sie entlassen, und alles, was ihr von den neun Jahren in dieser Firma bliebe, wäre ein Karton, in dem sie ihre Habseligkeiten mit nach Hause nehmen konnte.

Natürlich wäre das nicht das Ende der Welt. Sie hatte immer äußerst bescheiden gelebt und die Hälfte ihrer Einkünfte angelegt. Sie müsste nicht wieder von der Sozialhilfe leben. Das wollte sie auch nicht.

Wäre sie nicht schwanger, wäre es vermutlich kein Problem, einen neuen Job zu bekommen. Denn sie hatte eine fundierte Ausbildung, und Chadwick würde ihr ein hervorragendes Empfehlungsschreiben mit auf den Weg geben. Selbst einen vorübergehenden Zeitvertrag würde sie annehmen.

Auch … ja, auch wenn sie auf die Zusatzleistungen verzichten müsste. Obwohl sie gerade jetzt dringend eine bezahlbare Krankenversicherung brauchte. Was das betraf, war die Beaumont-Brauerei einer der großzügigsten Arbeitgeber weit und breit.

Doch es ging ja nicht nur darum, die laufenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Sie konnte einfach nicht mehr in das Leben zurückkehren, das sie geführt hatte, bevor sie in der Brauerei angefangen hatte. Sie wollte nie wieder das Gefühl haben, ihr Leben nicht in den Griff zu bekommen. Oder von anderen Menschen wie ein ungebildeter Parasit behandelt zu werden, der auf Kosten der Gesellschaft lebte.

Würde ihr Kind gezwungen sein, so aufzuwachsen wie sie? Angewiesen auf die warmen Mahlzeiten der Suppenküchen und die paar Cents, die seine Mom als Kellnerin in einem Diner verdiente?

Serena erinnerte sich an die Sozialarbeiter, die ihren Eltern oft damit gedroht hatten, ihnen ihre Tochter wegzunehmen, bis sie in der Lage wären, besser für sie zu sorgen. Serena hatte immer geglaubt, weniger wert zu sein als andere Kinder, ohne eigentlich zu wissen, warum. Bis eines Tages Miss Gurgin in der vierten Klasse vor allen Mitschülern verkündet hatte, dass Serena Chase das zerschlissene T-Shirt trug, das sie in den Altkleidersack geworfen hatte. Die Lehrerin wollte es an einem Fleck im Stoff wiedererkannt haben.

Diese Erinnerung schnürte Serena die Kehle zu. Nein, dachte sie und zwang sich durchzuatmen. Das kam gar nicht infrage. Sie hatte genug Geld, um ein, zwei Jahre über die Runden zu kommen – vielleicht sogar noch länger, wenn sie sich eine günstigere Wohnung mieten und ein billigeres Auto kaufen würde. Außerdem würde Chadwick es nicht zulassen, dass das Familienunternehmen verkauft wurde. Er beschützte seine Firma. Er würde sie beschützen.

„Harper, der alte Gockel“, murmelte Chadwick und riss Serena aus ihren Gedanken. „Er ist immer noch auf einem Rachefeldzug gegen meinen Vater. Er kann die Vergangenheit einfach nicht ruhen lassen.“

Es war das erste Mal, dass Serena das hörte. „Will Mr. Harper Sie loswerden?“

Chadwick winkte ab. „Er will sich immer noch an meinem Vater Hardwick rächen, weil der mit seiner Frau im Bett war. Man munkelt, direkt nach Harpers Flitterwochen.“ Er sah sie wieder an. „Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht? Sie sehen blass aus.“

Wäre es doch nur ein bisschen Blässe, dann wäre alles gut. „Ich …“ Verzweifelt suchte sie nach einer Ausrede. „Das höre ich zum ersten Mal.“

„Hardwick Beaumont war ein intoleranter, frauenverachtender Betrüger und Lügner. An guten Tagen.“ Chadwick klang emotionslos, er schien einfach nur die Fakten festzuhalten. „Ich bin mir sicher, dass er es getan hat. Aber das ist Schnee von gestern und schon vierzig Jahre her. Mein alter Herr ist seit fast zehn Jahren tot.“

Chadwick seufzte und sah aus dem Fenster. In der Ferne glänzten die schneebedeckten Spitzen der Rocky Mountains in der Frühlingssonne. „Aber das scheint sich noch nicht bis zu Mr. Harper herumgesprochen zu haben. Es wäre schön, wenn Harper begreifen würde, dass ich nicht Hardwick bin.“

„Ich weiß, dass Sie nicht so sind wie er.“

Chadwick blickte sie an. Da war etwas in seinen Augen, das sie nicht deuten konnte.

„Ist das so? Sind Sie sich da sicher?“

Serena spürte plötzlich, dass sie sich auf dünnes Eis gewagt hatte.

Denn eigentlich war sie sich ganz und gar nicht sicher. Sie hatte keine Ahnung, warum Chadwick sich scheiden ließ oder ob er mit anderen Frauen im Bett gewesen war. Sie wusste nur, dass er niemals versucht hatte, mit ihr zu flirten. Er war ihr immer auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet.

„Ja“, versicherte sie ihm. „Ganz sicher.“

Er kleines Lächeln spielte um seine Lippen. „Das bewundere ich so an Ihnen, Serena. Sie sehen immer das Gute im Menschen. Sie sorgen dafür, dass es allen um Sie herum gut geht. Und Sie machen den Leuten nichts vor.“

Oh. Oh. Ihre Wangen fühlten sich plötzlich so warm an. Lag das an dem Kompliment, das er ihr gemacht hatte, oder daran, dass er sie mit ihrem Vornamen angesprochen hatte? Normalerweise nannte er sie Miss Chase.

Das Eis wurde immer dünner.

Sie sollte das Thema wechseln. Sofort. „Am Samstagabend um neun findet der Wohltätigkeitsball der Brauerei im Denver Art Museum statt.“

Immer noch lächelnd, zog er eine Augenbraue hoch. Auf einmal sah Chadwick Beaumont weder müde noch ausgepowert aus – er sah heiß aus. Eigentlich sah er immer heiß aus, aber in diesem Augenblick sah man ihm weder die Last der Verantwortung noch die Sorge um die Zukunft seiner Firma an.

Serenas Wangen waren immer noch warm. Wieso warf sie ein einziges Kompliment so aus der Bahn? Richtig – sie war ja schwanger. Wahrscheinlich spielten ihre Hormone verrückt.

„Wer wird dieses Jahr noch gleich ausgezeichnet? Eine Essenausgabe?“

„Ja, die Rocky-Mountain-Tafel wird Wohltätigkeitsorganisation des Jahres.“

Jedes Jahr veranstaltete die Beaumont-Brauerei einen aufsehenerregenden Spendenball für eine soziale Einrichtung aus der Region, die sie zwölf Monate lang finanziell unterstützte. Es gehörte zu Serenas Job, die Bewerbungen der Organisationen zu prüfen. Mit den Fördergeldern der Brauerei und den eingenommenen Spenden kamen meistens rund fünfunddreißig Millionen Dollar zusammen – damit konnte eine soziale Einrichtung ihr Budget für die nächsten fünf bis zehn Jahre bestreiten.

Serena fuhr fort. „Diesmal hat Ihr Bruder Matthew die Veranstaltung organisiert. Sie ist der Höhepunkt der ganzen Förderaktion. Es wäre wunderbar, wenn Sie die Zeit fänden.“

Es war eine äußerst diplomatische Formulierung, mit der Serena ihm andeutete, wie wünschenswert sein Erscheinen war. Selbstverständlich fehlte Chadwick bei solchen Veranstaltungen nie. Denn er wusste nur allzu gut, dass es bei diesen Abenden nicht nur um den guten Zweck ging, sondern auch um den Ruf der Beaumont-Brauerei.

Chadwick blickte sie prüfend an. „Sie haben die Tafel für die Förderung ausgewählt, nicht wahr?“

Serena schluckte. Fast schien es, als wüsste er, dass sie und ihre Eltern von solchen Organisationen abhängig gewesen waren. Dass sie ohne ihre wöchentliche Ration an Lebensmitteln und warmen Mahlzeiten hätten hungern müssen. „Ich leite ja auch mehr oder weniger das Auswahlverfahren. Das ist meine Aufgabe.“

„Sie machen das sehr gut.“ Bevor Serena dieses zweite Kompliment auf sich wirken lassen konnte, fuhr er fort. „Kommt Neil auch?“

„Ähm …“ Normalerweise begleitete Neil, der auf Du und Du mit einflussreichen Persönlichkeiten war, sie immer zu diesen Veranstaltungen. Sie selbst nahm aber am liebsten daran teil, um sich in Schale zu schmeißen und Champagner trinken zu können – das war etwas, von dem sie als junges Mädchen nur hatte träumen können.

Doch plötzlich war die Situation anders – ganz anders. Sie spürte, dass sie einen Kloß im Hals hatte. Was für ein Desaster!

„Nein. Er …“ Fang jetzt bloß nicht an zu heulen! Nicht heulen! „Wir haben vor ein paar Monaten im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen, unsere Beziehung zu beenden.“

Chadwick sah sie entgeistert an. „Vor ein paar Monaten? Warum haben Sie mir das nicht erzählt?“

Einatmen, ausatmen.

„Weil ich finde, Mr. Beaumont, dass persönliche Dinge nicht ins Büro gehören.“ Der Satz kam ihr erstaunlich leicht über die Lippen, nur bei dem Wort persönlich geriet ihre Stimme etwas ins Zittern. „Ich wollte Sie damit nicht belasten, und ich komme gut damit klar.“

Sie war eine professionelle, verlässliche und loyale Mitarbeiterin. Hätte sie Chadwick unter die Nase reiben sollen, Neil habe sie sitzengelassen? Und das, nachdem sie ihn in einer SMS aufgefordert hatte, Stellung zu beziehen und ihr mitzuteilen, wie ernst er es mit ihr meinte? Um ihm anzudeuten, dass er sie endlich heiraten und eine Familie mit ihr gründen sollte? Das wäre alles andere als professionell gewesen. Im Büro mochte sie alles im Griff haben, für ihr Liebesleben traf das leider nicht zu.

Chadwick sah sie plötzlich mit einem Blick an, den sie eigentlich nur von ihm kannte, wenn man ihm ein völlig inakzeptables Angebot vorlegte: Es war eine eindrucksvolle Mischung aus Geringschätzung und Entschiedenheit. Mit diesem imposanten Blick brachte er Verhandlungspartner normalerweise dazu, ihm ein neues Angebot zu machen. Eines, das für die Brauerei besonders profitabel war.

Sie hatte er auf diese Art noch nie angesehen. Es war beinahe unheimlich. Hatte er vor, sie zu feuern, weil sie ihm Details ihres Privatlebens vorenthalten hatte? Doch dann beugte er sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch. „Wenn das schon ein paar Monate her ist, was ist dann an diesem Wochenende passiert?“

„Wie bitte?“

„Dieses Wochenende. Irgendetwas hat Sie ganz offensichtlich sehr mitgenommen. Auch wenn Sie sich alle Mühe geben, es zu verbergen. Hat er …“

„Aber nein!“ Neil konnte zwar manchmal ein richtiger Idiot sein … Okay, er war ein Idiot und ein notorischer Fremdgeher, der panische Angst vor festen Beziehungen hatte. Aber Chadwick sollte nicht denken, Neil hätte sie geschlagen. Allerdings wollte sie auch nicht über Einzelheiten sprechen.

Ihr Hals war trocken, und Serena hatte das Gefühl, die ganze Zeit über zu blinzeln. Wenn sie hier auch nur eine Sekunde länger sitzen blieb, würde sie entweder in die Luft gehen oder in Tränen ausbrechen.

Also tat sie das einzig Vernünftige: Sie stand auf und versuchte, das Büro so souverän wie möglich zu verlassen. Gerade als sie ihre Hand an die Türklinke legte, sagte Chadwick: „Serena, warten Sie.“

Sie war nicht imstande, sich umzudrehen und ihn anzuschauen. Diesen Blick hätte sie kein zweites Mal ertragen. Serena schloss die Augen. Sie konnte zwar nicht sehen, wie Chadwick aufstand und um den Tisch herum auf sie zukam, aber sie hörte es: das Knarzen des Sessels, seine Schritte, die von dem dicken Orientteppich gedämpft wurden. Als er schließlich dicht hinter ihr stand, spürte sie die Wärme seines Körpers. So nah war er ihr noch nie gewesen.

Er fasste sie an den Schultern und drehte sie zu sich um. Sie versuchte, sich von ihm abzuwenden, doch das ließ er nicht zu. Er löste zwar seine Hände von ihren Schultern, doch als sie seinem Blick auswich, schob er einen Finger unter ihr Kinn und hob es an.

„Serena, sehen Sie mich an.“

Doch das wollte sie nicht. Ihre Wangen glühten unter seiner Berührung – ja tatsächlich, er berührte sie. Dann strich er ihr mit dem Daumen sanft übers Kinn. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gedacht, er streichle sie. Seit Monaten war sie nicht mehr so zart berührt worden. Oder war es noch länger her?

Serena öffnete die Augen. Chadwicks Gesicht war immer noch unbedenkliche dreißig Zentimeter von ihrem entfernt. Dennoch waren sie sich noch nie so nah gewesen. Er hätte sie küssen können, wenn er es gewollt hätte, und sie hätte ihn nicht davon abgehalten. Weil sie ihn nicht davon abhalten wollte.

Aber er küsste sie nicht. Sie sah ihn wie in einer Nahaufnahme vor sich; seine Augen waren eine Mischung aus Grün und Braun mit goldenen Sprenkeln. Sie spürte, wie ihre Panik langsam verflog, während sie ihn ansah. Nein, sie war nicht in ihren Chef verliebt. Punkt. Und sie war es auch nie gewesen. Und sie würde ihm auch jetzt nicht verfallen, ganz egal, welche Komplimente er ihr noch machen oder auf welche Art er sie noch berühren würde. Nein!

Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als er sie ansah. War er genauso nervös wie sie? Sie waren dabei, eine Grenze, die sie immer respektiert hatten, zu überschreiten.

Wollte er das? War er dabei, den ersten Schritt zu machen?

„Serena“, sagte er mit einer tiefen Stimme, die sie vorher noch nie von ihm gehört hatte.

Ein Kribbeln lief ihr den Rücken hinunter und ließ sie erzittern, was Chadwick sicher nicht entging.

Er sah sie ernst an. „Was auch immer das Problem sein mag, Sie können mir alles anvertrauen. Wenn Neil Sie belästigt, werde ich mich darum kümmern. Sollten Sie Hilfe brauchen …“ Als er weiterhin mit dem Finger über ihr Kinn fuhr, erschauerte sie wieder. „Was immer Sie brauchen, ich bin für Sie da.“

Sie musste irgendetwas sagen, etwas Geistreiches, Souveränes. Aber es gelang ihr nicht, den Blick von seinen Lippen abzuwenden. Wie er wohl schmeckte? Würde er ihr den ersten Schritt überlassen? Oder würde er sie gleich an sich ziehen, leidenschaftlich und …

„Wie meinen Sie das?“, fragte sie schnell. Sie wusste nicht mehr, was sie von ihm erwartete. Denn er klang nicht länger wie ein besorgter Chef, dem das Wohlergehen seiner loyalen Mitarbeiterin am Herzen lag. Dabei sollte er das. Wollte er sie etwa nach den ganzen Jahren doch verführen? Nur weil Neil ein Idiot und sie im Augenblick ziemlich wehrlos war? Oder ging es hier um etwas anderes?

Serena hatte das Gefühl, dass der Abstand zwischen ihnen geringer geworden war und Chadwick, ohne es zu bemerken, noch näher an sie herangetreten war. Oder sie war näher an ihn herangetreten.

Er wird mich küssen, schoss es ihr durch den Kopf.

Er wird mich küssen, und genau das soll er auch tun. Weil ich es mir schon immer gewünscht habe!

Doch Chadwick küsste sie nicht. Er fuhr ihr abermals mit dem Finger übers Kinn und die Wange, als wolle er sich die Konturen genau einprägen. Wie gerne hätte sie ihre Finger durch sein dunkelblondes Haar gleiten lassen und sich seinem Mund genähert. Sie wollte den Geschmack dieser Lippen probieren. Sie wollte mehr spüren als nur seine Berührung.

„Serena, Sie sind meine engste Mitarbeiterin. Sie sollen wissen, dass ich mich um Sie kümmern werde. Ganz egal, was bei der Vorstandssitzung herauskommt, ich werde dafür sorgen, dass man Sie nicht mit leeren Händen auf die Straße setzt. Ihre Loyalität wird belohnt werden.“

Serena ließ die Luft, die sie die ganze Zeit über angehalten hatte, mit einem sanften „Oh“ heraus.

Gott, wie gut es tat, das zu hören! Neil war nicht mehr für sie da, aber all die Jahre der harten Arbeit hatten sich letztlich doch ausgezahlt. Sie musste sich nicht länger den Kopf über die Sozialhilfe zerbrechen. Sie musste auch keine Privatinsolvenz anmelden oder sich wieder in einer Suppenküche anstellen.

Langsam klärten sich ihre Gedanken. „Danke, Mr. Beaumont.“

Sein Lächeln verwandelte sich plötzlich in ein freches Grinsen. „Das ist schon besser als Sir. Dennoch, nennen Sie mich einfach Chadwick. Bei Mr. Beaumont muss ich immer an meinen Vater denken.“ Als er das sagte, wirkten seine Augen plötzlich ein wenig müde. Schließlich trat er einen Schritt zurück und räusperte sich. „Fassen wir zusammen: die Anwälte am Dienstag, der Vorstand am Mittwoch und der Wohltätigkeitsball am Samstag?“

Irgendwie gelang es ihr, zu nicken. Nun bewegten sie sich wieder auf gewohntem Terrain. „Ja.“ Sie atmete noch einmal tief durch und wurde ruhiger.

„Ich hole Sie ab.“

Von wegen ruhiger. „Wie bitte?“

Wieder schien er sie herausfordernd anzulächeln. „Ich gehe zu der Gala, Sie gehen zu der Gala. Da wäre es doch Unsinn, zwei Wagen zu nehmen. Ich hole Sie um sieben Uhr ab.“

„Aber … der Ball fängt erst um neun an.“

„Dann sind wir jetzt wohl zum Dinner verabredet.“ Vermutlich sah sie ziemlich entgeistert aus, denn er trat noch einen weiteren Schritt zurück. „Nennen wir es … eine vorgezogene Feier. Anlässlich Ihres feinen Händchens, das Sie bei der diesjährigen Wahl der Wohltätigkeitsorganisation bewiesen haben.“

Mit anderen Worten: Es war kein Date. Selbst, wenn es danach klang.

„Einverstanden, Mr. Beau…“ Er warf ihr einen strengen Blick zu, und sie schluckte. „Einverstanden, Chadwick.“

Auf seinem Gesicht erschien ein herzliches Grinsen, das ihn sofort fünfzehn Jahre jünger aussehen ließ. „Na also. War doch gar nicht so schlimm, oder?“ Er drehte sich um und ging zurück an seinen Schreibtisch. Was auch immer gerade zwischen ihnen geschehen war, nun war es vorbei. „Bob Larsen wollte gegen zehn hier sein. Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn er da ist.“

„Selbstverständlich.“ Serena brachte es nicht fertig, noch einmal seinen Namen auszusprechen. Außerdem war sie viel zu beschäftigt damit, das Geschehen der letzten Minuten zu verarbeiten.

Sie trat gerade aus der Tür und wollte sie hinter sich zuziehen, als sie noch einmal seine Stimme hörte.

„Und Serena, wenn Sie etwas brauchen … Ich meine es ernst.“

„Danke … Chadwick.“

Dann schloss sie die Tür.

2. KAPITEL

Es war Zeit für Chadwicks allmorgendliches Meeting mit Bob Larsen, dem Chef der Marketingabteilung. Er war von Chadwick persönlich auf diesen Posten berufen worden und hatte der Firma sehr geholfen, noch bekannter zu werden.

Obwohl Bob schon auf die fünfzig zuging, machte ihm in Sachen Internet und Social Media niemand etwas vor. Dank seines Know-hows war die Firma erfolgreich im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen und bei Facebook und Twitter vertreten.

Bobs neuestes Baby war das SnappShot-Projekt. Chadwick wusste nur, dass man mittels SnappShot Bilder so bearbeiten konnte, dass sie grobkörnig und zerkratzt aussahen. Aber Bob war überzeugt, dass es das geeignete Marketinginstrument wäre, um der Öffentlichkeit ihr neuestes Bier, das „Percheron Seasonal Ale“, zu präsentieren.

„Damit erreichen wir all die Kochbegeisterten, die Fotos von ihren Mahlzeiten ins Netz stellen!“, hatte Bob wie ein aufgeregtes Kind vor dem Weihnachtsbaum verkündet.

Chadwick hätte sich jetzt ausschließlich auf dieses Gespräch konzentrieren sollen, auf nichts anderes. Normalerweise nahm er die Meetings mit seinen Abteilungsleitern auch sehr ernst. Normalerweise hatte er alles im Griff.

Doch er musste permanent an seine Assistentin denken. Warum nur?

Weil er ein Mann war? Ja, vermutlich war das der Grund.

Er dachte ständig daran, was Serenas ihm erzählt hatte. Und daran, wie sie ihm an diesem Morgen gegenübergetreten war. Sie hatte müde ausgesehen, als hätte sie das ganze Wochenende über geweint. Und sie war seiner Frage nach ihrem Exfreund ausgewichen. Wenn dieser Mistkerl bereits vor Monaten mit ihr Schluss gemacht hatte, was war dann an diesem Wochenende passiert? Und sie konnte noch so sehr betonen, dass es eine gemeinsame Entscheidung gewesen war, Chadwick war sich sicher, dass dieser Neil der Schuldige war.

Der bloße Gedanke, dass Neil Moore – dieser mittelmäßige Golfprofi mit der großen Klappe – Serena in irgendeiner Weise wehgetan haben könnte, machte Chadwick furchtbar wütend. Er hatte Neil noch nie gemocht. Der Typ war ein Blutsauger, der Serena nicht verdient hatte. Sie gehörte nicht in die Hände eines Mannes, der sie auf einer Party stehenließ, um sich an irgendwelche B-Promis heranzuschmeißen, wie es Neil mehrfach getan hatte.

Serena hatte wirklich einen anderen als diesen Schwachkopf verdient, das wusste Chadwick schon seit Jahren. Aber warum beschäftigte ihn das ausgerechnet an diesem Morgen?

Sie hatte … irgendwie anders ausgesehen. Nicht nur mitgenommen.

Serena hatte bisher eigentlich immer den Eindruck erweckt, als könne sie nichts erschüttern. Chadwick hatte sich ihr gegenüber nie unverschämt verhalten, doch er hatte es schon erlebt, dass einige Kerle dachten, Serena sei eine leichte Beute, weil sie als Frau in Hardwick Beaumonts altem Büro arbeitete. Für Chadwick war das ein Grund gewesen, die geschäftliche Verbindung zu diesen Männern augenblicklich abzubrechen. Auch wenn er deshalb finanzielle Einbußen in Kauf genommen und damit gegen die eisernen Prinzipien seines Vaters verstoßen hatte, die besagten, dass nur zählte, welchen Gewinn man erzielte.

Sein Vater war ein Lügner und notorischer Fremdgänger gewesen. Chadwick war jedoch ganz anders, und Serena wusste das auch. Sie hatte es selbst gesagt.

Vermutlich war das die Erklärung dafür, dass Chadwick etwas getan hatte, was er in den acht Jahren zuvor nie gewagt hatte: Er hatte Serenas Haut berührt. Natürlich hatte er schon vorher auf förmliche Art und Weise Körperkontakt mit ihr gehabt. Sie hatte wirklich einen verdammt kräftigen Händedruck, der weder Schwäche noch Furcht verriet und gelegentlich etwas zu selbstbewusst wirkte.

Aber nun hatte er ihr eine Hand auf die Schulter gelegt. Und er war ihr fast zärtlich über die Wange gefahren.

Verdammt!

Dabei hatte er lediglich etwas getan, was er schon seit Jahren hatte tun wollen.

Er war Serena nähergekommen, auf einer Ebene, die nichts mit Meetings und Terminabsprachen zu tun hatte. Er hatte einen Moment lang den Ausdruck genossen, der in ihren dunkelbraunen Augen lag. In ihrem Blick hatte er ein Verlangen erahnt, das sein eigenes widerspiegelte. Und wie ihr Körper auf seine Berührung reagiert hatte!

Es gab Tage, an denen Chadwick das Gefühl hatte, nie das zu bekommen, was er sich wünschte. Er war derjenige, der für alles und jeden die Verantwortung trug. Er war derjenige, der das Familienunternehmen leitete und die Suppe auslöffelte, die andere ihm eingebrockt hatten. Er bezahlte die Rechnungen, während andere Familienmitglieder sich mit Affären und One-Night-Stands vergnügten und das Geld mit vollen Händen ausgaben.

Sein Bruder Phillip zum Beispiel. Am Wochenende zuvor hatte Phillip sich ein Pferd gekauft, für die stolze Summe von einer Million Dollar. Und was tat sein kleiner Bruder, um sich diese Ausgabe leisten zu können? Er ging zu Partys, die von ihrem Unternehmen gegeben wurden, und betrank sich mit Beaumont-Bier. So viel zu Phillips Beitrag zum Erhalt der Firma. Er tat nur das, was er wollte, ohne auch nur im Geringsten darüber nachzudenken, welche Konsequenzen das für andere Menschen oder die Firma haben könnte.

Chadwick war das komplette Gegenteil. Er war der geborene Firmenchef, und zwar buchstäblich. Bei seiner Geburt hatte Hardwick Beaumont noch im Krankenhaus eine Pressekonferenz einberufen, auf der er den rotwangigen und schreienden Säugling in die Höhe gehalten und verkündet hatte, dieser Junge sei die Zukunft der Brauerei. Chadwick besaß noch die entsprechenden Zeitungsartikel.

Er hatte sogar so gute Arbeit geleistet, dass die Brauerei plötzlich Leuten auffiel, die sich eigentlich weder für Bier noch für die Familie Beaumont interessierten, sondern nur das Ziel hatten, Firmen zu schlucken und Gewinne einzufahren. Unternehmer, die lediglich an ihren Profit dachten, den sie durch die Übernahme der Firma Beaumont vergrößern wollten.

Doch heute hatte Chadwick ein einziges Mal das getan, was er wollte. Etwas, was weder mit den Erwartungen und Forderungen seines Vaters noch mit denen der Investoren oder der Wall Street zu tun hatte. Es war etwas gewesen, was er in jenem Moment einfach gewollt hatte.

Er hatte Serena trösten wollen. Und das war im Grunde nichts, wofür er ein schlechtes Gewissen haben musste.

Doch natürlich hatte er wieder an seinen Vater denken müssen. Wenn er jetzt so wie sein Vater seine Mitarbeiterin verführte, wäre er um keinen Deut besser als sein alter Herr, der sich oft an seinen Sekretärinnen vergriffen hatte. Genau deshalb hatte Chadwick sich immer zurückgehalten. Denn er war ein verantwortungsbewusster und engagierter Mann, der sich keinesfalls von seinen animalischen Instinkten leiten ließ. Er war anders als sein Vater.

Dazu kam, dass Treue für Chadwick während seiner Ehe immer eine Rolle gespielt hatte. Außerdem hatte Serena ja eine Beziehung gehabt mit …

Tja, was war Neil eigentlich gewesen? Ihr Lebensgefährte? Ihr Lebensabschnittspartner? Wie auch immer man es heutzutage nannte.

Außerdem war Serena seine Angestellte, rief sich Chadwick in Erinnerung. Das war ebenfalls ein Grund, warum er sich zurückgehalten hatte. Denn auch wenn der Apfel nicht weit vom Stamm fiel, wie man so schön sagte, wollte er seinem Vater in nichts nacheifern.

Doch all diese Gedanken, so richtig sie auch waren, erklärten nicht, warum sein Finger über dem Knopf der Gegensprechanlage schwebte und er versucht war, Serena in sein Büro zu bitten, um sie erneut zu fragen, was am Wochenende passiert war.

Es war ein zutiefst egoistischer Gedanke, aber er wünschte sich, dass sie sich weinend an seine Schulter lehnte, damit er sie in seinen Armen halten konnte.

Er zwang sich, sich wieder auf seine Arbeit und die neuesten Zahlen auf dem Monitor zu konzentrieren. Bob hatte ihm seine Analyse Sonntagabend per E-Mail geschickt.

Chadwick widerstrebte es, sich etwas erklären zu lassen, was er auch allein nachlesen konnte. Schließlich war er kein Idiot. Auch wenn es ihm schleierhaft war, dass manche Menschen ihre Mahlzeiten fotografierten und die ganze Welt im Internet daran teilhaben ließen, hieß das noch lange nicht, dass er nicht nachvollziehen konnte, dass sich sogenannte Nutzergewohnheiten änderten, wie Bob gesagt hatte.

Schon besser, dachte er, als er die Zahlen sah. Arbeit! Arbeit war gut. Arbeit hielt seine Gedanken zusammen. Als er Serena gesagt hatte, er würde sie abholen und mit ihr gemeinsam zur Gala fahren, hatte er ausschließlich geschäftlich reagiert. Es war nicht das erste Mal, dass sie gemeinsam zu solch einer Veranstaltung gingen. Was machte es schon für einen Unterschied, ob sie diesmal gemeinsam in einem Wagen fuhren? Keinen. Denn es war eine rein berufliche Angelegenheit. Keine persönliche.

Auch wenn er natürlich nicht leugnen konnte, dass es auch ein persönliches Interesse gab. Denn es war doch so: Er wollte sie mit seinem Auto abholen und mit ihr essen gehen. Beruflich? Ha! Selbst wenn sie über Berufliches reden sollten, wäre es nicht dasselbe, als wenn er sich mit Bob Larsen zum Essen treffen würde.

Meistens trug Serena bei solchen Anlässen ein schwarzes Kleid mit Flattersaum und herzförmigem Ausschnitt. Chadwick störte es nicht, dass es immer dasselbe war. Denn sie sah einfach umwerfend darin aus. Um ihre unbedeckten Schultern legte sie sich für gewöhnlich einen Pashminaschal, sie trug eine zierliche Perlenkette und steckte sich das Haar zu einer eleganten Frisur hoch.

Das würde kein geschäftliches Abendessen werden, auf gar keinen Fall.

Aber er würde sie zu nichts drängen. Er war nicht wie sein Vater, der an den beruflichen Aufstieg seiner Assistentinnen sexuelle Forderungen geknüpft hatte. Er würde von Serena nichts verlangen, was sie beide später bereuen würden. Er würde sie einfach zum Essen ausführen, dann mit ihr zur Gala gehen und ihre Gesellschaft genießen. Punkt. Seit Jahren war er ein Meister der Zurückhaltung.

Glücklicherweise ertönte das Summen der Gegensprechanlage. Serena teilte ihm mit, Bob sei nun da.

„Schicken Sie ihn bitte herein.“ Chadwick war froh, gedanklich abgelenkt zu werden.

Doch es fiel ihm schwer, sich auf die Sache zu konzentrieren. Er war sich vollkommen bewusst darüber, dass das Vorstandstreffen am Mittwoch eventuell nicht zu seinen Gunsten laufen würde. Dann würde er der Beaumont sein, der die Brauerei verlor. Der Beaumont, der gescheitert war. Denn der Erhalt der Beaumont-Brauerei war das, wofür er in die Welt gesetzt worden war.

Er durfte sich jetzt nicht von Serena Chase ablenken lassen.

Punkt.

Der Montag verstrich, ohne dass Neil sich meldete. Der Dienstag begann mit dem obligatorischen Meeting, bei dem, abgesehen davon, dass Chadwick erneut von ihr wissen wollte, wie es ihr ging, nichts Außergewöhnliches passierte. Keine intensiven Blicke, keine heißen Berührungen, keine Beinah-Küsse. Chadwick war wieder ganz der Alte, und Serena versuchte, sich ebenfalls so normal wie möglich zu verhalten.

Das Ganze war dennoch eine ziemliche Herausforderung. Hatte sie sich vielleicht alles nur eingebildet? Momentan konnte sie vieles den Hormonen in die Schuhe schieben. War Chadwick einen Augenblick lang tatsächlich aus seiner Rolle als ihr Chef gefallen? Oder hatte ihr Verstand ihr einen Streich gespielt? Vermutlich hatte sie sein Verhalten einfach nur falsch interpretiert.

Allerdings musste sie sich eingestehen, dass es sie beschäftigte, was geschehen war. Auch wenn sie es nicht darauf anlegte, dass Chadwick ein Auge auf sie warf. Amouröse Verbindungen unter Kollegen verstießen eindeutig gegen die Firmenpolitik. Sie hatte Chadwick ja sogar dabei geholfen, die entsprechenden Richtlinien zu verfassen. Ein Techtelmechtel zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern würde dem Ruf der Firma erheblich schaden, ganz zu schweigen von den Folgen, den ein Vorwurf der sexuellen Belästigung nach sich ziehen konnte. Deshalb waren Affären strikt untersagt.

Das erklärte aber noch lange nicht, warum sie sich in dem Moment, in dem seine Tür aufging und er sich auf den Weg zu dem Treffen mit den Scheidungsanwälten machte, spontan wünschte, die Scheidung wäre bald durch. Wahrscheinlich nur, weil sie befürchtete, die Sache könnte ihn zu sehr belasten.

Sie seufzte. Glaubte sie das wirklich? Wohl kaum.

Sie versuchte, sich auf die letzten Vorbereitungen für die Gala zu konzentrieren. Nach Chadwicks Rückkehr würde er seinen Bruder Matthew im Büro treffen, der, zumindest offiziell, für die Planung der Gala verantwortlich war. Aber auch sie hatte noch eine Menge zu tun. Schließlich trafen sich an diesem Abend die fünfhundert reichsten Leute Denvers.

Die lange To-do-Liste verlangte ihre volle Aufmerksamkeit. Sie musste Lieferanten anrufen, das Catering planen und die Gästeliste überprüfen.

Sie nahm das Mittagessen kurzerhand am Schreibtisch ein, während sie mit lokalen Pressevertretern telefonierte.

Sie hatte gerade ihren Joghurtbecher ausgekratzt, als Chadwick zurückkam. Er sah niedergeschlagen aus. Serena sah ihm, auch ohne nachzufragen, an, dass das Treffen nicht gut gelaufen war.

Als er vor ihrem Schreibtisch stehenblieb, war sie überrascht, wie deprimiert er wirkte. Es verschlug ihr den Atem.

Sie hätte ihn gerne in den Arm genommen und ihm gesagt, dass alles wieder gut werden würde. Das hatte ihre Mutter immer gemacht, wenn ihr Vater seinen Job verloren hatte oder wenn sie wegen Geldmangels wieder einmal hatten umziehen müssen.

Allerdings hatte sie schon als Kind nicht an diesen Satz geglaubt. Und als erwachsene Frau? Ihre langjährige Beziehung war gerade in die Brüche gegangen, und sie erwartete ein Baby.

Nein, auch heute glaubte sie nicht daran.

Gott, sein niedergeschlagener Blick traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wusste nicht, was sie tun oder sagen sollte. Vielleicht gar nichts? Der Versuch, ihn zu trösten, barg die Gefahr, jene Grenze zu überschreiten, die sie bereits am Montag überschritten hatten.

Chadwick nickte fast unmerklich, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Bitte keine Anrufe“, sagte er und zog sich in sein Büro zurück.

Er hatte gerade eine Niederlage einstecken müssen. Allerdings passierte das einem Chadwick Beaumont normalerweise nicht. Er bekam vielleicht nicht immer hundertprozentig das, was er wollte, aber er war noch nie aus einer Verhandlung oder einer Pressekonferenz als Verlierer hervorgegangen.

Serena blieb für einen Moment wie betäubt an ihrem Schreibtisch sitzen. Was war geschehen? Was in aller Welt hatte ihn so umgehauen?

Sie sprang auf und ging geradewegs und ohne anzuklopfen in sein Büro.

Chadwick saß an seinem Schreibtisch, den Kopf in die Hände gestützt, das Jackett ausgezogen.

Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann er von selbst zu reden, ohne aufzublicken. „Sie verlangt mehr Geld, andernfalls willigt sie nicht ein. Es geht nur noch um die Höhe der Unterhaltszahlungen.“

„Was verlangt sie denn?“ Es ging Serena zwar nichts an, aber sie fragte trotzdem.

„Zweihundertfünfzig.“ Er klang fast wie ein verwundeter Cowboy, dem gerade ein Pfeil aus dem Rücken gezogen wurde.

Serena kniff die Augen zusammen. „Zweihundertfünfzig?“ Zweihundertfünfzig Dollar waren natürlich Unsinn, das wusste sie.

„Tausend. Zweihundertfünfzigtausend Dollar.“

„Pro Jahr?“

„Pro Monat. Sie will drei Millionen pro Jahr. Bis ans Ende ihrer Tage. Sonst willigt sie nicht ein.“

„Aber … das ist doch absurd. Kein Mensch braucht so viel Geld.“ Es war einfach aus ihr herausgeplatzt. Doch es stimmte ja, wer brauchte drei Millionen Dollar im Jahr? Auf Lebenszeit?

Chadwick blickte auf und lächelte finster. „Es geht hier nicht ums Geld. Sie will mich ruinieren. Hätte ich noch mehr, würde sie ihre Forderung verdoppeln, nur um mir zu schaden.“

„Aber warum?“

„Ich weiß es nicht. Ich habe sie nie betrogen oder versucht, sie zu verletzen. Ich habe immer nur versucht …“ Er verstummte und stützte den Kopf erneut in die Hände.

„Können Sie ihr nicht ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann?“ Serena hatte schon einmal erlebt, wie er jemandem ein solches Angebot gemacht hatte.

Es war damals um eine kleine Brauerei gegangen, die der Beaumont-Brauerei in einem Segment durch niedrigere Preise Probleme bereitet hatte. Chadwick hatte die Verhandlungen immer wieder verzögert und hinausgeschoben, um seinen Konkurrenten zu zermürben. Dann bot er ihm plötzlich eine Summe an, die kein normaler Mensch ausgeschlagen hätte, selbst dann nicht, wenn ihm seine Unabhängigkeit noch so wichtig gewesen wäre. Letztlich hatte alles seinen Preis.

„Ich habe keine hundert Millionen in meinem Nachttisch liegen. Mein Geld ist an Investitionen gebunden, steckt in Immobilien … in Pferden.“ Er meinte die französischen Percheron-Kaltblutpferde, die auch auf dem Firmenwappen zu sehen waren.

„Haben Sie denn keinen Ehevertrag?“

„Selbstverständlich habe ich den“, erklärte er und lehnte sich zurück. „Ich habe erlebt, wie mein Vater vier Mal geheiratet hat und vier Mal geschieden wurde. Glauben Sie, ich wäre eine Ehe ohne Vertrag eingegangen?“

„Wie kann sie dann so viel Geld verlangen?“

„Weil …“ Er fuhr sich nervös durchs Haar. „Weil ich so dumm war zu glauben, dass ich sie liebe. Ich wollte ihr beweisen, dass sie mir vertrauen kann. Dass ich nicht so bin wie mein Vater. Sie bekommt die Hälfte von allem, was ich während unserer Ehe verdient habe. Das sind ungefähr achtundzwanzig Millionen. Der Familienbesitz oder die Immobilien sind für sie zwar tabu, aber …“

Serena war fassungslos. „Achtundzwanzig Millionen?“ Von so viel Geld konnte jemand wie sie nur träumen. „Aber?“

„Meine Anwälte hatten eigentlich eine Klausel in den Vertrag gesetzt, durch die die Unterhaltszahlungen auf fünfzigtausend Dollar für jeden Monat unserer Ehe begrenzt wurden. Aber ich wollte, dass sie die Klausel wieder entfernen. Ich empfand sie als unnötig. Das war dumm.“ Er sagte das in einem derart selbstanklagenden Ton, dass Serena das Gefühl bekam, er gäbe sich allein die Schuld.

Sie überschlug alles im Kopf: Chadwick hatte geheiratet, als sie gerade ein Jahr in der Beaumont-Brauerei beschäftigt gewesen war – als Praktikantin.

Das war vor knapp acht Jahren gewesen. Fünfzigtausend mal zwölf Monate und das mal acht Jahre … Das wären nur fast fünf Millionen, eine ebenfalls absurd hohe Summe. „Können Sie denn wirklich gar nichts tun?“

„Ich habe ihr hundertfünfzigtausend Dollar pro Monat angeboten. Sie hat mich ausgelacht. Ausgelacht!“

Serena konnte sich zwar nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie es sich anfühlen musste, ein solches Vermögen zu verlieren, dennoch hatte auch sie in ihrer Jugend viele scheinbar aussichtslose Situationen durchstehen müssen.

Damals war es allerdings darum gegangen, sich für die nächsten Tage ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit zu organisieren.

Wenn sie ihre Habseligkeiten wieder einmal in Plastiktüten verstauen und weiterziehen mussten, hatte ihre Mutter sie damit getröstet, dass die Welt am nächsten Tag schon wieder anders aussähe. Irgendwann hatten sie dann endlich wieder einen Wohnwagen gefunden. Auch wenn häufig kein Geld für Strom und Wasser da gewesen war.

Wie auch immer, es musste doch einen Weg geben, wie man Chadwicks Frau beschwichtigen konnte. Serena hatte allerdings keine Ahnung, wie. Solcherlei Feindseligkeiten waren ihr fremd. Auch wenn sie nun schon seit sieben Jahren für Chadwick Beaumont arbeitete, endlos viel Zeit in diesem Büro verbracht hatte und zu Bällen und Galaveranstaltungen gegangen war, war das hier nicht ihre Welt. Was sagte man jemandem, der nicht einmal bei so vielen Millionen Ruhe gab?

Sie hatte Mitgefühl mit Menschen, die ihre Rechnungen nicht zahlen konnten, obwohl ihre Mütter als Kellnerin in einem Imbiss arbeiteten oder ihre Väter als Hausmeister schufteten. Selbst als ihre Eltern die Privatinsolvenz angemeldet hatten, mussten sie den Forderungen ihrer Gläubiger nachkommen. Und so blieb einfach nie Geld übrig. Serena liebte ihre Eltern, und ihre Eltern liebten sie. Aber diese nie enden wollende Spirale der Hoffnungslosigkeit …

Dieses Leben hatte sie nie gewollt. Und sie wünschte es auch keinem anderen Menschen, erst recht nicht Chadwick.

Instinktiv ging sie um den großen Schreibtisch herum zu ihm, obwohl sie wusste, dass ihr nur Allgemeinplätze einfallen würden, um ihn zu trösten.

In den vergangenen Jahren war sie so oft in diesem Büro gewesen und hatte vor diesem Schreibtisch gesessen. Doch es war das erste Mal, dass sie sich auf die andere Seite des Tisches wagte.

Sie konnte sehen, wie sich eine leichte Anspannung in ihm breitmachte, als sie an ihn herantrat.

Als sie ihm eine Hand auf die Schulter legte, spürte sie durch den Stoff seines Hemds hindurch die Wärme seines Körpers. Mehr tat sie nicht. Sie ließ ihn einfach nur wissen, dass sie für ihn da war.

Er drehte sich leicht zur Seite und ergriff ihre Hand. Gestern hatte er die Kontrolle gehabt. Aber heute, dachte Serena, sind wir auf Augenhöhe.

Sie verschränkten nur ihre Finger. Anders als er ihr gegenüber konnte sie ihm keine Versprechungen machen. Wie sollte sie sich um ihn kümmern, wenn sie nicht einmal wusste, wie sie ihr Baby versorgen sollte? Doch sie konnte ihn wissen lassen, dass sie für ihn da sein würde, wenn er sie brauchte.

„Serena“, sagte Chadwick und schloss seine Finger enger um ihre.

Sie schluckte. Bevor sie etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür, und Matthew Beaumont trat ein. Er war der stellvertretende Leiter der PR-Abteilung und sah Chadwick ein wenig ähnlich – attraktiv, selbstsicher, und er besaß die für die Beaumonts typische markante Nase. Allerdings hatten Chadwick und Phillip eher blondes Haar, während Matthews mehr goldbraun wirkte.

Serena wollte ihre Hand zurückziehen, doch Chadwick hielt sie fest. Es war fast so, als wollte er, dass Matthew sah, wie sie Händchen hielten.

Aber es war eine Sache, die Grenzen des Geschäftlichen zu überschreiten, wenn man unter sich war. Doch das hier war eine ganz andere Situation, und Matthew war nicht dumm.

„Störe ich?“ Matthews Blick wanderte zwischen Serenas und Chadwicks Gesichtern und ihren Händen hin und her.

Serena war froh, dass es Matthew war und nicht Phillip Beaumont. Phillip, Chadwicks jüngerer Bruder, war ein waschechter Playboy, der seinen Reichtum offen zur Schau stellte und sich ständig auf Partys herumtrieb. Serena war sich sicher, dass er es in einer Situation wie der gestrigen nicht bei einer einfachen Berührung belassen hätte. Und angesichts seines attraktiven Äußeren hätten viele Frauen bestimmt nicht Nein gesagt.

Matthew war ganz anders als seine beiden Brüder. Der Grund dafür, vermutete Serena, war vielleicht der, dass er nicht dieselbe Mutter hatte. Matthews Mutter war erst Hardwicks Geliebte und dann seine zweite Frau gewesen. Matthew arbeitete immer sehr hart, als müsste er ständig beweisen, dass er auch dazugehörte und ein Teil der Brauerei war.

Chadwick drückte noch einmal ihre Hand und ließ sie dann los. „Nein“, sagte er. „Wir sind fertig.“

Auch wenn sie nicht wusste, warum, aus irgendeinem unerklärlichen Grund gaben diese Worte ihr einen Stich. Obwohl es natürlich überflüssig war, ihr Verhältnis zueinander in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Denn sie waren lediglich Chef und Angestellte.

Serena nickte kaum merklich und verließ das Büro.

Minuten vergingen. Chadwick wusste, dass Matthew ihm am Schreibtisch gegenübersaß. Doch er brauchte noch einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen.

Helen hatte es darauf abgesehen, ihn zu ruinieren. Hätte er gewusst, warum sie es tat, hätte er etwas dagegen unternehmen können. Aber war das nicht immer schon so in ihrer Ehe gewesen? Sie war beleidigt, ohne dass er wusste, warum. Trotzdem musste er sein Bestes geben, um es wiedergutzumachen. Weil er wusste, dass sie Schmuck liebte, hatte er versucht, sie mit Diamanten und Rubinen zu besänftigen. Er hatte gedacht, so würde alles besser werden.

Doch das war ein Irrtum gewesen, den er immer wieder verdrängt hatte.

Chadwick ging seine Unterhaltung mit Serena gedanklich noch einmal durch. Er hatte, außer mit seinen Brüdern, mit niemandem über seine Scheidung gesprochen. Aber warum hatte er Serena jetzt ins Vertrauen gezogen?

Wahrscheinlich, weil er mit jemandem hatte sprechen müssen, um sich etwas von der Last von der Seele zu reden.

Doch sie hatte ihn auf eine Weise berührt, wie sie ihn noch nie zuvor berührt hatte. Das war mehr als ein Händedruck gewesen, so viel war sicher.

Wie lange war das überhaupt her, dass er von einer Frau berührt worden war? Helen war schon vor zwei Jahren aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen. Seitdem war er mit keiner anderen Frau zusammen gewesen.

Als Matthew sich räusperte, sah Chadwick auf. „Ja?“

„Ich dachte, du bist anders als unser Vater“, neckte Matthew ihn. „Arbeitest du schon an deiner zweiten Ehe?“

Chadwick sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Sein Halbbruder war nur sechs Monate nach Phillip geboren worden. Ein paar Jahre später war die Ehe von Hardwick und Chadwicks Mutter Eliza endgültig in die Brüche gegangen. Als Eliza von Matthews Mutter Jeannie erfuhr, war ihre Trennung nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Danach hatte Hardwick dann Jeannie geheiratet.

Matthew war der lebende Beweis, dass Hardwick Beaumont schon lange, bevor er seine erste Frau verlassen hatte, an seiner zweiten Ehe gearbeitet hatte.

„Vorher muss ich noch meine erste Frau loswerden.“ Chadwick erschrak über seine Worte, die genauso gut sein Vater hätte sagen können. Dabei hasste er es wie nichts sonst auf der Welt, wie sein Vater zu klingen. Oder wie sein Vater zu sein.

„Das beweist nur, dass du nicht wie unser Vater bist.“ Matthew grinste unbekümmert dieses Grinsen, das alle Beaumonts von ihrem Vater geerbt hatten. „Hardwick wäre das egal gewesen. Ehegelübde bedeuteten ihm nichts.“

Chadwick nickte. Doch Matthews Bemerkung tröstete ihn nicht wirklich.

„Ich nehme an, Helen wird nicht einfach so verschwinden, oder?“ Matthew sah ihn abwartend an.

Manchmal hasste Chadwick seinen Halbbruder, obwohl das ungerecht war. Aber für ihn war Matthew der lebende Beweis für das schamlose Verhalten ihres Vaters.

Wäre er kein so großes PR-Ass, hätte Chadwick seinen Halbbruder womöglich längst auf die Straße gesetzt, um den Verfehlungen seines Vaters nicht jeden Tag ins Gesicht sehen zu müssen.

„Zahl sie aus“, sagte Matthew schlicht.

„Sie will kein Geld. Sie will mich verletzen.“ Was war denn los mit ihm? Seit wann wusch er seine dreckige Wäsche vor anderen Leuten – wie beispielsweise seiner Assistentin oder seinem Halbbruder?

Das war doch nicht normal. Denn seine persönlichen Angelegenheiten gingen niemanden etwas an.

Matthew wurde ernst. „Jeder ist käuflich, Chadwick.“ Und dann fügte er mit noch leiserer Stimme hinzu: „Auch du.“

Chadwick wusste, worum es hier ging. Jeder in der Firma war gereizt wegen des Übernahmeangebotes von AllBev. „Ich bin nicht derjenige, der unsere Firma morgen verkauft.“

Matthew hielt seinem Blick stand. „Weißt du, du bist nicht der Einzige, der käuflich ist. Ein Teil des Vorstands ist es ebenfalls, besitzt aber leider nicht deine Weitsicht.“ Matthew zögerte einen Moment und sah auf seinen Tablet-PC. „Alle anderen hätten den Deal schon längst durchgezogen. Ich habe nie verstanden, warum du so lange an dem Namen der Familie festhältst.“

„Weil ich nur den einen Namen habe. Im Gegensatz zu manchen anderen Leuten.“

Matthew schaute ihn so fassungslos an, dass Chadwick sich schlagartig wie der größte Mistkerl aller Zeiten fühlte.

Er erinnerte sich an die Scheidung seiner Eltern und daran, wie sein Vater kurz darauf Jeannie Billings geheiratet hatte. Und er erinnerte sich an den Tag, als Matthew, der praktisch genau so alt war wie Phillip, plötzlich bei ihnen einzog. Matthew Billings war fünf Jahre alt gewesen, als aus ihm plötzlich Matthew Beaumont wurde.

Chadwick hatte ihn erbarmungslos getriezt und ausgegrenzt. Er hatte Matthew die Schuld am Scheitern der Ehe seiner Eltern gegeben und auch dafür, dass seine Mutter ihre Kinder verlassen hatte. Und es war ganz sicherlich ebenso Matthews Schuld gewesen, dass Hardwick plötzlich keine Zeit mehr für ihn gehabt hatte und ihn darüber hinaus ständig für die kleinste Kleinigkeit angebrüllt hatte.

Chadwick wusste, dass waren nur die Ausflüchte eines Kindes gewesen. Letztlich war es ganz allein die Schuld seines Vaters gewesen, dass seine Mutter begonnen hatte, ihre Kinder zu hassen.

„Ich …“ Er stockte. Jetzt war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort für ein klärendes Gespräch. Fast sein ganzes Leben lang hatte er Matthew Vorwürfe gemacht. Deshalb fiel es ihm auch so schwer, sich bei ihm zu entschuldigen. Chadwick wechselte schnell das Thema. „Ist für die Gala alles in trockenen Tüchern?“

Matthew schaute ihn auf eine Art an, aus der er nicht ganz schlau wurde. Er hatte das Gefühl, als wollte sein Halbbruder ihn zu einem altmodischen Duell herausfordern, hier, in diesem Büro. Doch der Gedanke war schnell wieder verflogen.

„Es kann losgehen. Wie immer hat Miss Chase ganze Arbeit geleistet.“

Diese Bemerkung ging Chadwick von da an nicht mehr aus dem Kopf.

Jeder Mensch war käuflich, es war nur eine Frage des Preises.

Selbst Helen Beaumont. Und Serena Chase.

Er wusste nur noch nicht, wie hoch ihr Preis war.

3. KAPITEL

„Seit über einhundert Jahren steht die Beaumont-Brauerei unter der Führung eines Beaumont“, ereiferte sich Chadwick und schlug mit der Hand auf den Tisch, um seinen Standpunkt klarzumachen.

Serena zuckte zusammen. Chadwick reagierte während der Vorstandssitzungen normalerweise nie so emotional. Andererseits war er bereits die ganze Woche über sehr aufgewühlt gewesen.

„Der Name Beaumont hat einen höheren Wert als zweiundfünfzig Dollar pro Aktie.“ Chadwick war noch nicht fertig. „Sogar einen höheren als zweiundsechzig Dollar. Dies ist eine der letzten Brauereien Amerikas in Familienbesitz. Wir sind ein Teil der amerikanischen Geschichte!“

Serena, die alles fürs Protokoll notierte, war die Stille, die eintrat, unangenehm.

Sie sah sich von ihrem Platz aus im Konferenzsaal des Hotels um. Die Beaumonts besaßen einundfünfzig Prozent der Beaumont-Brauerei und hatten immer die Kontrolle über das Unternehmen gehabt. Sie hatten es verstanden, sowohl feindliche Übernahmeversuche als auch weniger feindliche Fusionsversuche mit Leichtigkeit abzuwehren – dank Chadwick. Seine Geschwister waren lediglich ganz normale Aktionäre, die nur ihre Dividenden in Empfang nahmen.

Serena fiel auf, dass einige Teilnehmer im Saal Chadwick aufmerksam zuhörten – sie nickten zustimmend oder diskutierten mit ihren Sitznachbarn. Es waren die, die bereits unter Hardwick dabei gewesen waren und von ihm höchstpersönlich als Aktionäre ausgesucht worden waren. Sie hatten, abgesehen von ihrem Stimmrecht, zwar keinen großen Einfluss, waren der Firma gegenüber aber außerordentlich loyal eingestellt.

Der alten Garde, die dort saß und nickte, lag viel daran, dass die Firma weiterhin existierte, weil sie befürchtete, dass sonst ein Stück amerikanische Geschichte verschwinden würde.

Es gab aber auch jüngere Vorstandsmitglieder aus der New Economy. Sie saßen im Vorstand, um ein gesundes Gegengewicht zu den Hardwick-Hardlinern zu bilden. Einige von ihnen hatte Chadwick selbst ausgesucht.

Und dann gab es noch eine dritte Gruppe, die sogenannten Trittbrettfahrer. Zu jener Gruppe gehörten der Bankier Leon Harper und seine Schützlinge. Sie hatten absolut kein Interesse an der Kunst des Bierbrauens und der Marke Beaumont, und sie versuchten auch gar nicht so zu tun als ob.

Harper unterbrach schließlich die Stille. „Ich wundere mich doch sehr, Mr. Beaumont. In meiner Version vom amerikanischen Traum wird harte Arbeit mit Geld belohnt. Würden Sie das Unternehmen verkaufen, wären Sie milliardenschwer. Das nenne ich amerikanische Geschichte.“

Serena schmerzte es zu sehen, wie Chadwick um Beherrschung rang. Normalerweise konnten ihm solche Diskussionen nichts anhaben. Aber nach dieser anstrengenden Woche konnte Serena es ihm nicht verübeln, dass er offenbar das Bedürfnis hatte, Harper den Hals umzudrehen. Allerdings besaß Harper zehn Prozent der Firmenanteile, und da wäre es vielleicht doch keine so gute Idee.

„Die Beaumont-Brauerei war mir immer wichtig“, sagte Chadwick mit fester Stimme. „Ich fühle mich verantwortlich für diese Firma und für meine Angestellten …“

Er blickte Serena an, als er das sagte. Sie war wie elektrisiert.

Meinte er sie?

„Es ist meine Pflicht sicherzustellen, dass diejenigen, die für die Beaumont-Brauerei arbeiten, ebenfalls vom amerikanischen Traum profitieren“, fuhr Chadwick fort. „Einige Mitglieder des Managements werden sich ihre Aktien auszahlen lassen. Aber was ist mit den anderen? Mit den Männern und Frauen, die diese Firma erst zu dem gemacht haben, was sie ist? Sie werden leer ausgehen. AllBev wird sie feuern und von unserem Traditionsunternehmen lediglich den Namen übriglassen. Nein, Mr. Harper, so stelle ich mir den amerikanischen Traum nicht vor. Ich lasse meine Mitarbeiter nicht einfach fallen, sobald es unbequem wird. Ich lasse mich nicht auf Kosten derer kaufen, die mir ihre Zeit und Kraft geopfert haben. Und exakt diese Haltung erwarte ich auch von diesem Vorstand.“

Er setzte sich mit erhobenem Kopf und geraden Schultern auf seinen Platz. So sah kein Verlierer aus, sondern jemand, der es mit allen aufnehmen würde. Chadwicks körperliche Ausstrahlung hatte Serena immer nur flüchtig wahrgenommen – bis jetzt. Chadwicks Präsenz und Charisma spiegelten sich in seinem Entschluss wider, bis zum Letzten für die Firma zu kämpfen.

Überall wurden Stimmen laut. Die Alten stritten mit den Jungen, sie wetterten aber gemeinsam gegen Harper und seine Leute. Nach ungefähr fünfzehn Minuten forderte Harper eine Abstimmung.

Danach dachte Serena einen Augenblick lang, dass Chadwick sich durchgesetzt hatte, denn nur vier Mitglieder hatten für den Vorschlag von AllBev gestimmt, zweiundfünfzig Dollar pro Aktie zu zahlen. Das war eine eindeutige Niederlage für die AllBev-Befürworter. Erleichtert atmete sie auf. Ihr Job war sicher – und damit auch ihre Zukunft.

Doch dann plädierte Harper für einen zweiten Abstimmungsgang.

„Wie hoch soll unser Gegenangebot für AllBev sein? Zweiundsechzig Dollar? Mr. Beaumont, sagten Sie nicht, das sei ein zu niedriger Preis? Dann schlage ich vor, dass wir über fünfundsechzig Dollar pro Aktie abstimmen.“

Chadwick rutschte angespannt auf seinem Sitz hin und her, doch es kam erneut zur Abstimmung.

Diesmal stimmten dreizehn Mitglieder für das Gegenangebot von fünfundsechzig Dollar pro Aktie. Chadwick sah aus, als hätte man ihm ein Messer zwischen die Rippen gestoßen. Es war unerträglich, ihn so machtlos zu sehen – und zu wissen, dass dies, neben der Auseinandersetzung mit Helen, der zweite Kampf war, den er verlieren könnte.

Aber vielleicht würde AllBev sich ja gar nicht auf das Angebot einlassen und sich ein billigeres Opfer suchen.

Serena dachte an das, wovon Chadwick gesprochen hatte – die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, die Pflicht, ihnen beizustehen und ein Stück vom amerikanischen Traum abzugeben. Dies war der Grund, warum sie für ihn arbeitete und die Möglichkeit hatte, ihr Kind in einer anderen Umgebung groß werden zu lassen als in jener, in der sie selbst aufgewachsen war.

Doch dieser Traum könnte nun zerplatzen. Nur weil Mr. Harper nicht bereit war, ein vierzig Jahre altes Kriegsbeil zu begraben.

Das war nicht fair. In der Beaumont-Brauerei war es wirklich immer überaus gerecht zugegangen. Arbeitete man hart und gewissenhaft, wurde man mit Beförderungen und Vergünstigungen belohnt, und von der Altersvorsorge konnten andere nur träumen.

Diese Sicherheit und Geborgenheit wurde nun für lächerliche fünfundsechzig Dollar pro Aktie aufs Spiel gesetzt.

Die Sitzung war beendet, die Teilnehmer verließen den Saal. Einige der Älteren gingen zu Chadwick, boten ihm Hilfe an oder sprachen ihr Bedauern aus. Was genau sie sagten, konnte Serena aus der Entfernung nicht hören.

Chadwick stand einen Augenblick einfach nur da und verließ dann den Saal. Rasch klaubte Serena ihre Sachen zusammen und folgte ihm, weil sie nicht wollte, dass er ohne sie ging.

Diese Sorge hätte sie sich sparen können, denn Chadwick war vor der Saaltür stehen geblieben und starrte ins Leere.

Sie musste ihn irgendwie aus dem Hotel, aus dieser Lobby lotsen.

Sie fasste ihn am Arm. „Ich lasse den Wagen vorfahren.“

„Ja“, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. Dann blickte er sie an. Sein Blick war furchtbar traurig. „Ich habe es versucht, Serena. Für Sie.“

Was? Sie dachte, er wollte seine Firma retten – das Familienunternehmen. Was bedeuteten seine Worte?

„Ich weiß.“ Mehr konnte sie nicht erwidern, weil sie Angst davor hatte, etwas Falsches zu sagen. „Ich gebe dem Fahrer Bescheid. Bleiben Sie hier.“

Es dauerte einige Minuten. Während dieser Zeit verließen immer wieder Vorstandsmitglieder den Saal. Einige von ihnen machten sich auf den Weg zum Lunch, um vermutlich ihre ach so brillante Strategie zu feiern, wie sie ihren bereits vorhandenen Reichtum noch einmal vergrößern könnten. Andere schüttelten Chadwick die Hand. Niemand schien zu bemerken, wie schockiert er war. Niemand außer Serena.

Nach einer gefühlten Ewigkeit fuhr endlich der Wagen vor. Der Cadillac war eine Spezialanfertigung, eine beeindruckende Limousine, die jedoch nicht protzig wirkte. So wie auch Chadwick nicht protzig wirkte.

Der Türsteher hielt ihnen die Wagentür auf. Geistesabwesend fischte Chadwick einen Geldschein aus seiner Börse und steckte ihn dem Mann zu. Dann stiegen sie ein.

Im Wageninneren war es totenstill.

Wie tröstete man einen Multimillionär, der gerade auf dem besten Weg war, gegen seinen Willen Milliardär zu werden? Die Frage überforderte Serena, also schwieg sie und blickte starr auf die Skyline von Denver, an der sie förmlich vorbeiflogen.

Wenn sie wieder im Büro wären, würde sie unverzüglich ihren Lebenslauf überarbeiten. Denn sie hatte keine Lust, so lange zu warten, bis das neue Management sie feuerte, sollte es zu einer Firmenübernahme kommen. Sie brauchte ihre Krankenversicherung. Chadwick würde das sicherlich verstehen.

„Was erwarten Sie?“

Serena zuckte zusammen, als sie Chadwicks Stimme hörte. „Wie bitte?“

„Vom Leben.“ Er starrte zum Fenster hinaus. „Ist Ihr Leben so, wie Sie es sich vorgestellt haben?“

„Ja.“ Größtenteils jedenfalls. Eigentlich hätten sie und Neil schon lange verheiratet sein und Kinder haben können. Alleinstehend und schwanger zu sein, entsprach nicht gerade ihrer Idealvorstellung.

Und ihr Job? Doch, der war genau so, wie sie ihn immer gewollt hatte. Auch wenn ihre Aufstiegsmöglichkeiten begrenzt waren, doch das spielte für sie keine Rolle. Sie war in der Lage, für sich selbst zu sorgen, und das war das Allerwichtigste.

„Wirklich?“, fragte Chadwick.

„Die Arbeit für Sie gibt mir … Sicherheit, die ich in meiner Kindheit nie hatte.“

„Haben sich Ihre Eltern scheiden lassen?“

Sie schluckte. „Nein, und sie lieben sich auch heute noch. Aber Liebe allein macht nicht satt und nützt nicht viel, wenn die Miete oder Arztrechnungen fällig sind.“

Erstaunt drehte er den Kopf zu ihr. „Das wusste ich ja gar nicht.“

„Ich spreche auch nicht gerne darüber.“

Neil wusste es natürlich. Er hatte sie schon gekannt, als sie sich noch von Nudeln ernährt und neben ihrem Studium zwei Teilzeitjobs gehabt hatte. Dass sie damals bei ihm einziehen konnte, war wirklich ein Segen gewesen. Er hatte im ersten Jahr die Miete übernommen, während sie ihr Praktikum bei Beaumont machte. Aber als sie schließlich ihren Anteil zahlen konnte, wollte sie es auch unbedingt. Es war ihr immer wichtig gewesen, allein über die Runden zu kommen. Vor dem gemeinsamen Nestbau hatte sie auf eigenen Füßen stehen wollen.

Vielleicht hatte sie sich ja verrannt. Vielleicht war sie so versessen auf ihre finanzielle Unabhängigkeit gewesen, dass sie darüber vergessen hatte, dass es in einer Beziehung um mehr als nur um Geld ging.

Allerdings war es bei ihren Eltern genau umgekehrt gewesen. Sie liebten sich zwar über alles, waren wirtschaftlich aber immer in Schwierigkeiten gewesen.

Sie hatte Neil zwar geliebt, aber irgendwann war es nur noch um Geld gegangen. Als ob man Liebe in Dollar und Cent messen könnte.

Chadwick blickte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal. Doch es war ihr unangenehm. Sie wollte kein Mitleid von ihm.

Deshalb wechselte sie das Thema. „Wie ist es mit Ihnen?“

„Mit mir?“ Die Frage schien ihn zu überraschen.

„Wollten Sie immer schon Chef einer Brauerei sein?“

Die Frage lenkte Chadwick Gott sei Dank von ihrer traurigen Vergangenheit ab.

„Ich hatte gar keine andere Wahl.“

Die Art, wie er das sagte, klang so … kalt. Fast gleichgültig.

„Nie?“

„Nein“, sagte er knapp und blickte wieder aus dem Fenster.

Aha. Also war sie hier nicht die Einzige, die nicht über gewisse Dinge sprechen wollte.

„Was würden Sie denn am liebsten tun, wenn Sie eine Wahl hätten?“ Gut möglich, dass er sich nach der nächsten Vorstandssitzung über solche Dinge Gedanken machen musste.

Er blickte sie an. Der Ausdruck in seinen Augen glich einem fiebernden Leuchten, das sie am letzten Montag zum ersten Mal gesehen hatte – als er ihr einen Finger ans Kinn gelegt hatte. Doch an jenem Tag war sein Blick weniger … erregt gewesen. Sie fühlte, wie sich Hitze über ihren Nacken ausbreitete.

Würde er sich wieder zu ihr beugen und sie berühren? Würde er ihr nah genug kommen, um sie zu küssen? Würde er vielleicht sogar noch weiter gehen?

Würde sie ihn gewähren lassen?

„Ich will …“ Er verstummte.

Wie die Stoppeln seines Dreitagebarts sich wohl an ihrer Wange anfühlen würden? Es lag etwas Drängendes in seiner Stimme. Offenbar wollte er ihr unbedingt etwas mitteilen, und das berührte sie.

„Ich will etwas nur für mich tun. Nicht für die Familie, nicht für die Firma – für mich allein.“

Serena schluckte. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wovon er sprach.

Dass er ihr Boss, zudem immer noch verheiratet, und sie seine Assistentin war, schien in diesem Augenblick keine Rolle zu spielen. Sie waren allein und geschützt im hinteren Teil des Wagens, der Fahrer konnte sie durch die Trennscheibe nicht sehen, und niemand konnte unvorhergesehen hereinplatzen.

Ich bin schwanger. Das hätte sie am liebsten gesagt. Doch natürlich wäre das das abrupte Ende ihres kleinen Rücksitzflirts gewesen. Sie erwartete ein Kind von einem anderen Mann. Sie stand unter einem Hormonschock, nahm an den unmöglichsten Stellen zu und war momentan alles andere als begehrenswert.

Serena schwieg. Chadwick machte gerade schon genug durch. Außerdem, wie würde er auf die Nachricht ihrer Schwangerschaft reagieren? Wäre sein Versprechen, sich um sie zu kümmern, dann nicht nur eine weitere Last für ihn?

Sie hatte hart gearbeitet, um auf eigenen Beinen zu stehen, nun erwartete sie Nachwuchs, und ihr Job stand auf dem Spiel! Da würde sie sich doch nicht ihrem Chef in die Arme werfen, damit er ihr Leben in Ordnung brachte. Sie wusste aus Erfahrung, dass man nicht auf einen Retter hoffen sollte, wenn es im Leben nicht lief.

Sie hatte sich diese Suppe selbst eingebrockt, also würde sie sie auch selbst auslöffeln.

Sie räusperte sich und versuchte, so gefasst wie möglich zu klingen. „Vielleicht können Sie ja etwas ganz anderes machen. Etwas, was nichts mit dem Brauereigeschäft zu tun hat.“

Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an und nickte nur kurz. „Ich mag die Kunst des Bierbrauens“, sagte er dann und schaute wieder aus dem Fenster. „Als ich neunzehn Jahre alt war, habe ich den Braumeistern über die Schulter geguckt. Sie haben mir gezeigt, wie man Bier braut, und nicht ununterbrochen über Verkaufszahlen gesprochen. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Für diese Kerle ist Bier Kunst und Wissenschaft zugleich.“ Seine Stimme klang etwas entspannter, sogar ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Das war eine tolle Zeit. Ich war richtig traurig, als sie vorbei war.“

„Was ist passiert?“

„Seit ich sechzehn war, ließ mich mein Vater in jeder Abteilung der Firma ein Praktikum machen, das nach einem Jahr vorbei war. Neben der Schule musste ich mindestens zwanzig Stunden pro Woche in der Brauerei arbeiten.“

„Für einen Teenager ist das ganz schön viel.“ Sie hatte als Teenager ebenfalls gearbeitet und in einem nahegelegenen Supermarkt die Lebensmittel eingetütet. Ihre Familie war auf ihr Gehalt dringend angewiesen gewesen. Darüber hinaus hatte sie Waren mit nach Hause nehmen dürfen, die beim Transport beschädigt worden waren. Sie hatte dafür gesorgt, dass sie ein Dach über dem Kopf und Lebensmittel gehabt hatten. Es erfüllte sie immer noch mit Stolz und Zufriedenheit, das geschafft zu haben.

Chadwicks entspanntes Lächeln schien sich plötzlich in ein zynisches Grinsen zu verwandeln. „Ich habe gelernt, wie man die Firma leitet. Er wollte das so.“ Sie musste ihn irgendwie fragend angesehen haben, denn er fügte hinzu: „Wie gesagt, ich hatte keine Wahl.“

Sein Vater hatte es gewollt. Chadwick nicht.

Der Wagen wurde langsamer und bog ab. Sie blickte aus dem Fenster. Sie waren fast bei der Brauerei angelangt. Serena hatte das Gefühl, dass ihr die Zeit davonlief. „Aber wenn Sie die Wahl hätten, was würden Sie tun?“

Vielleicht war es etwas kühn, ihm diese Frage ein weiteres Mal aufzudrängen. Vor allem, weil es nicht ihre Art war, nachzubohren.

Aber ihre Beziehung hatte sich verändert und war nicht mehr nur rein geschäftlicher Natur. Es existierte zwar immer noch eine unsichtbare Grenze zwischen ihnen, aber die Art und Weise, wie sie sich am Montag und gestern berührt hatten …

Irgendetwas war anders.

Er blickte sie eindringlich an. Und dieser Blick war weder müde noch verwirrt. Nein, er befeuerte sogar ihren Wunsch, seine Lippen auf ihrem Mund zu spüren.

Er lächelte leicht. „Was werden Sie Samstag anziehen?“

„Wie bitte?“

„Die Gala. Was ziehen Sie an? Das schwarze Kleid?“

Serena blinzelte ihn an. Wollte er jetzt wirklich mit ihr über ihre Garderobe diskutieren? „Äh, nein …“ Es war etwas zu eng geworden. Sie hatte es am Montagabend anprobiert, um sich abzulenken und nicht ständig zu überprüfen, ob Neil ihr eine Mail geschickt hatte.

Der Reißverschluss ließ sich nicht mehr hochziehen, was ein Zeichen dafür war, dass ihr Körper sich bereits veränderte. „Ich werde etwas Passendes finden.“

Der Wagen hielt vor dem Bürogebäude, und der Fahrer öffnete ihnen die Tür. Serena wollte gerade aussteigen, als Chadwick ihr andeutete, sitzen zu bleiben.

„Nehmen Sie sich den Nachmittag frei. Gehen Sie zu Neiman’s. Ich habe dort einen persönlichen Kundenbetreuer, Mario. Er wird dafür sorgen, dass Sie etwas Hübsches finden.“ Er klang fast herablassend.

„Entschuldigung, aber haben Sie etwas gegen mein schwarzes Kleid einzuwenden?“

Sie hatte es in einem Secondhandladen entdeckt. Als sie für das gute Stück, das im Neuzustand fünfhundert Dollar gekostet hätte, siebzig Dollar auf den Tisch legte, hatte sich der Kauf wie eine riesige Investition angefühlt. Andererseits trug sie es schon seit Langem, und es war von einer so zeitlosen Eleganz, dass die Ausgabe sich bereits mehr als gelohnt hatte. Vielleicht würde es ihr ja nach der Geburt des Babys wieder passen.

„Es wird schwierig sein, ein Kleid zu finden, das Ihnen genauso gut steht. Und darum sollten Sie sich von Mario helfen lassen. Wenn irgendjemand etwas für Sie findet, dann er.“

Chadwicks Stimme nahm sie dermaßen ein, dass sie den Fahrer, der keinen Meter entfernt hinter der Wagentür stand, beinahe vergessen hätte.

Serena schluckte. Heute hielt er zwar körperlich Abstand, dennoch fühlte sich seine Nähe so gut an wie am Montagmorgen. Doch sie war weit davon entfernt, schwach zu werden und sich von ihren Gefühlen überwältigen zu lassen. Diese verfluchten Hormone!

Sie versuchte, so souverän wie möglich zu lächeln. „Ich fürchte, ich muss passen. Neiman’s entspricht nicht ganz meiner Preisklasse.“ Das war nicht gelogen. Unternahm sie ausnahmsweise mal eine Shoppingtour, ging sie in Secondhandläden oder wartete auf den nächsten Ausverkauf. Eine Edelboutique wie Neiman’s kam für sie absolut nicht infrage.

Chadwick beugte sich vor und kam ihr dabei so nahe, dass die Luft zu flirren begann. „Da es sich um eine offizielle Veranstaltung handelt, wird die passende Garderobe als Betriebsausgabe abgerechnet. Lassen Sie das Kleid auf meine Rechnung setzen.“ Sie wollte gerade protestieren, als er ihr mit einer Handbewegung Einhalt gebot. „Ende der Diskussion!“

Daraufhin stieg er mit schwungvoller Eleganz aus dem Wagen und ließ den Fahrer die Tür schließen. „Bringen Sie sie zu Neiman’s“, hörte sie ihn sagen.

Nein, nein, nein! Das wäre nicht richtig, und das gleich in vielerlei Hinsicht. Chadwick hatte ihr bereits Aktienanteile geschenkt, nachdem sie einmal besonders gute Arbeit geleistet hatte, aber er konnte ihr doch nicht so etwas Persönliches wie ein Kleid kaufen! Wenn überhaupt, kaufte sie es sich selbst. Von ihrem eigenen Geld!

Sie stieß die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Chadwick war schon einige Meter gegangen. „Sir“, rief sie und versuchte, der Anrede so viel Gewicht wie möglich zu geben. Er blieb mit einem Fuß auf der Treppe stehen. Jetzt konnte sie sich seiner Aufmerksamkeit sicher sein. „Bei allem Respekt, ich muss Ihr Angebot ablehnen. Ich kümmere mich selbst um meine Kleidung.“

Schwungvolle Eleganz? Hatte sie nicht gerade eben noch gedacht, sein Gang sei von schwungvoller Eleganz? Als Chadwick sich umdrehte und aufgebracht auf sie zukam, war nicht mehr viel von dieser Eleganz übrig. Sein Gang war zwar immer noch geschmeidig, glich jetzt aber dem einer Raubkatze.

Entschlossen kam er auf sie zu. Er trat so dicht an sie heran, dass er ihr einen Finger unters Kinn legen und sie am helllichten Tag hätte küssen können, vor den Augen des Fahrers.

„Sie hatten mich gefragt, Miss Chase!“ Er knurrte sie förmlich an. „Oder etwa nicht?“

„Ich habe keine kostenlose Garderobe verlangt.“

Sein Lächeln bekam plötzlich etwas Unheimliches. „Aber Sie haben mich gefragt, was ich will. Ich sage es Ihnen: Ich will Sie zum Essen ausführen, und ich will, dass Sie mich zu dieser Veranstaltung begleiten. Ich will, dass Sie sich schön fühlen.“

Die kühle Luft schien plötzlich vor Hitze zu flirren.

„Es handelt sich um eine rein geschäftliche Ausgabe für einen rein geschäftlichen Anlass. Punkt.“

„Aber ich …“

Plötzlich berührte er sie doch. Allerdings nicht ganz so zart, wie er es am Montag getan hatte, und nicht ganz so zurückhaltend wie tags zuvor, als sie die Finger verschränkt hatten.

Er ergriff ihren Oberarm und zog sie ein Stück zurück, öffnete die Tür und setzte sie kurzerhand in den Wagen. Und bevor sie begriff, was geschah, saß Chadwick auch schon neben ihr.

„Fahren Sie zu Neiman’s“, forderte er den Fahrer auf.

Dann ließ er die Tür ins Schloss fallen.

4. KAPITEL

Was war nur mit dieser Frau los?

Die Frage nagte an Chadwick während der Fahrt zur Nobelboutique Neiman’s.

In seiner Welt liebten Frauen Geschenke über alles, Hauptsache, sie waren kostspielig. Helen hatte er ständig mit neuen Kleidern und Schmuck überhäuft. Sie hatte es genossen, ihren Freundinnen eine Halskette oder ein neues Kleid vorzuführen.

Doch diese Zeiten waren vorbei. Heute drohte sie ihm mit diversen Klagen. Insofern waren Geschenke vielleicht doch nicht alles.

Dennoch, welche Frau konnte schon Nein dazu sagen?

Die Antwort lautete: Serena Chase. Doch letztlich war es nur ein weiterer Beweis dafür, dass sie anders war als andere Frauen.

„Das ist doch lächerlich“, murrte sie.

Sie saßen nebeneinander auf dem Rücksitz der Limousine. Serena war zwar weit nach außen gerutscht, doch Chadwick hätte sie trotzdem jederzeit berühren können.

Wollte er das?

Was für eine dumme Frage. Natürlich!

„Was ist lächerlich?“

„Das hier ist lächerlich. Sie sind es. Herrje, es ist mitten am Tag an einem Mittwoch, und wir haben noch Arbeit vor uns.“

Er blickte auf seine Uhr. „Es ist bereits Viertel nach vier am Nachmittag. Kurz vor Arbeitsschluss, würde ich sagen.“ Er hatte sie noch nie so wütend gesehen.

„Aber Sie haben heute Nachmittag einen Termin mit Sue Colman von der Personalabteilung. Und ich muss Matthew bei den Vorbereitungen für die Gala helfen.“

Chadwick nahm sein Smartphone und tippte eine Nummer ein. „Hallo, Sue? Hier ist Chadwick. Wir müssen unser heutiges Meeting leider verschieben.“

Serena schaute ihn mit einem Blick an, der ihm wahrscheinlich Angst einjagen sollte, dabei amüsierte er ihn. Er sagte einfach so, aus Spaß, ein Meeting ab – beinahe fühlte es sich so an, als könnte er Gefallen daran finden.

Er legte auf und tippte noch einmal eine Nummer ein. „Matthew?“

„Ist alles in Ordnung?“, ertönte es auf dem anderen Ende der Leitung.

„Ja, aber Serena und ich sind aufgehalten worden. Kommst du heute Nachmittag ohne sie klar?“

Es wurde still – beängstigend still.

„Ich denke schon. Aber wie steht’s mit dir?“, erwiderte Matthew sarkastisch.

„Wir reden morgen weiter.“ Er legte einfach auf, bevor Matthew eine weitere spitze Bemerkung nachschießen konnte. „Schön“, sagte er und ließ das Telefon in die Tasche zurückgleiten. „Die Termine sind verschoben, der restliche Nachmittag gehört uns. Jedenfalls die ganzen letzten fünfundvierzig Minuten.“

Serena starrte ihn schweigend an.

Es dauerte nicht mehr lange, bis sie die Boutique erreichten. Mario erwartete sie bereits. Der Wagen hatte kaum gehalten, da öffnete er ihnen auch schon die Tür.

„Mr. Beaumont! Was für eine Freude, Sie wiederzusehen. Erst kürzlich habe ich Ihrem Bruder Phillip gesagt, wie schade ich es finde, dass es schon so lange her ist.“

„Mario!“ Chadwick lächelte. Es gab Menschen, die hielten Mario für extravagant. Das mochte an seinen ausgefallenen Anzügen, seiner modischen Frisur oder seinem Lidstrich – ja, Lidstrich – liegen. Aber für Chadwick zählte nur, dass Mario, anders als er selbst, einen untrüglichen Blick für Mode besaß. Es war einfach bequemer, sich von ihm die Outfits zusammenstellen zu lassen.

Genau das würde Mario jetzt für Serena tun. Chadwick streckte ihr seine Hand entgegen. Als sie zögerte, blickte er sie mit einer herausfordernd gehobenen Augenbraue an.

Es schien zu funktionieren, denn sie streckte ihm, wenn auch widerwillig, die Hand entgegen.

„Mario, darf ich Ihnen Miss Serena Chase vorstellen?“

„Was für eine Freude!“, säuselte Mario und machte eine bühnenreife Verbeugung. Im Prinzip war alles an diesem Mann bühnenreif. „Miss Chase, bitte treten Sie ein.“

Mario hielt ihnen die Tür auf. Als sie über die Türschwelle traten, ergriff Serena wieder seine Hand. Chadwick sah sie an und war überrascht. War das etwa Entsetzen in ihrem Gesicht? „Ist alles in Ordnung?“

„Ja, ja“, sagte sie ein wenig zu schnell.

„Aber?“

„Es ist …“ Mit großen Augen blickte sie sich um. „Dieses Geschäft ist ganz anders als die Läden, in die ich normalerweise gehe.“

„Verstehe“, sagte er, weil er nicht wusste, was er sonst hätte sagen sollen. Vielleicht war ihr Stolz ja gar nicht der eigentliche Grund, warum sie sich geweigert hatte, herzufahren?

Mario klatschte entzückt in die Hände. „Sagen Sie mir bitte, wie ich Ihnen heute behilflich sein kann.“ Sein Blick huschte dabei fast unmerklich über ihre Hände, da sie sich immer noch festhielten.

Chadwick wandte sich Serena zu. „Wir besuchen Samstag eine Gala, für die Miss Chase gerne etwas Passendes hätte.“

Mario nickte. „Aber natürlich, die Wohltätigkeitsveranstaltung im Kunstmuseum. Etwas mit Aussagekraft oder lieber etwas Elegantes? Mit ihrer Figur könnte sie alles tragen.“

Serena ließ Chadwicks Hand vorsichtig los. Möglich, dass Marios Kenntnisse über die anstehenden Society-Highlights sie überraschten. Aber vielleicht wunderte sie sich auch darüber, dass zwei Menschen, die direkt vor ihr standen, in der dritten Person über sie redeten.

„Elegant“, antwortete sie.

„Eine gute Entscheidung“, flötete Mario. „Hier entlang, bitte.“

Er fuhr mit ihnen im Aufzug in die obere Etage, plauderte über die neuesten Modetrends und informierte Chadwick darüber, dass er erst kürzlich einen Anzug gesehen habe, der wie gemacht für ihn wäre.

„Ein andermal“, sagte Chadwick. „Heute geht es uns nur um das Kleid.“

„Aber sicher doch auch um ein paar Accessoires“, ergänzte Mario.

„Aber sicher doch“, wiederholte Chadwick. Serena warf ihm daraufhin einen erstaunten Blick zu.

„Wenn Sie mir bitte folgen wollen.“ Mario führte sie in den hinteren Bereich zu einem geräumigen Raum, der neben einer Umkleidekabine auch mit einer Sitzecke und einem von Spiegeln umgebenen Podest ausgestattet war. „Champagner?“, bot Mario an.

„Gerne.“

„Nein.“ Serenas Antwort kam plötzlich und entschieden. Chadwick war überrascht und sah, wie sie errötete und den Blick senkte. Sie hatte sich eine Hand auf den Bauch gelegt und schien sogar zu zittern.

„Ah.“ Mario trat einen Schritt zurück und ließ abermals seinen aufmerksamen Blick über sie wandern. „Ich muss mich entschuldigen, Miss Chase. Ich hatte nicht gleich erkannt, dass Sie in anderen Umständen sind. Ich werde Ihnen selbstverständlich etwas ohne Alkohol servieren lassen.“ Er drehte sich zu Chadwick um. „Gratuliere, Mr. Beaumont!“

Moment mal! Wie bitte?

Chadwick war fassungslos. Er wollte etwas sagen, aber er brachte kein Wort heraus.

Hatte Mario gerade von anderen Umständen gesprochen?

Chadwick schaute Serena an, die aussah, als wolle sie gleich in Ohnmacht fallen. Sie hatte Mario nicht widersprochen. Sie murmelte nur ein gequältes „Danke“ und setzte sich dann auf das kleine Sofa.

„Mein Assistent bringt Ihnen gleich die Getränke. Ich werde in der Zwischenzeit etwas Passendes für Miss Chase heraussuchen“, sagte Mario. Falls er bemerkt haben sollte, dass die Stimmung im Raum plötzlich gekippt war, ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen schloss er mit einer Verbeugung die Tür hinter sich.

Chadwick und Serena waren allein.

„Hat er gerade gesagt …“

„Ja.“ Serena atmete schneller.

„Und Sie sind …“

„Ja.“ Sie beugte sich nach vorn und schloss die Arme um die Knie, als wollte sie sich kleiner machen. Als wollte sie sich in Luft auflösen.

„Und Sie … Sie haben es letztes Wochenende erfahren. Deshalb waren Sie am Montag so durcheinander, oder?“

„Ja.“ Offenbar war es das einzige Wort, das sie herausbekam.

„Und Sie haben es mir nicht gesagt?“ Die Worte platzten aus ihm heraus. Sie zuckte zusammen, doch er wollte eine Antwort. „Warum haben Sie es mir verschwiegen?“

„Mr. Beaumont, wir reden im Büro normalerweise nicht über persönliche Dinge.“ Wenigstens sprach sie nun wieder in ganzen Sätzen, auch wenn dieser fast etwas auswendig gelernt klang.

„Oh. Dann hätten wir also auch nicht darüber gesprochen, wenn es nicht mehr zu übersehen gewesen wäre? Oder wenn Sie Mutterschaftsurlaub beantragt hätten?“ Als sie schwieg, wurde er noch wütender. Woher kam diese Wut? „Weiß Neil Bescheid?“ Ihm graute vor ihrer Antwort. Vielleicht war Neil gar nicht der Vater, und sie hatte sich auf einen anderen eingelassen.

Er wusste nicht, warum ihn das so beschäftigte. Er wusste nur, dass es ihn beschäftigte.

„Ich …“ Sie holte Luft. „Ich habe Neil eine Mail geschrieben, auf die er sich aber noch nicht gemeldet hat. Aber das spielt auch keine Rolle, weil ich ihn nicht brauche. Ich kann selbst für das Kind sorgen. Ich werde auch Ihnen oder der Firma nicht zur Last fallen. Ich brauche keine Hilfe.“

„Machen Sie sich nichts vor, Serena. Können Sie sich überhaupt vorstellen, was passiert, wenn ich die Brauerei verliere?“

Er sah, wie sie die Augen zusammenkniff. Natürlich konnte sie sich das vorstellen. Wie dumm von ihm, zu glauben, dass Serena nicht darüber nachdachte, was im schlimmsten Fall passieren könnte, denn sie war viel zu intelligent und schlau.

„Ich werde meinen Job verlieren. Aber dann bekomme ich einen anderen, wenn Sie mir ein gutes Zeugnis ausstellen.“

„Selbstverständlich würde ich das tun. Aber darum geht’s doch gar nicht. Wissen Sie, wie schwer es für eine schwangere Frau ist, einen Job zu finden? Selbst wenn ich Jubelarien über Sie schreiben würde!“

Sie wurde plötzlich ganz blass.

Herrgott! Er führte sich hier auf wie ein Trottel. Sie war schwanger, aber er schrie sie an.

So, wie sein Vater es vermutlich getan hätte. Verdammt!

„Atmen nicht vergessen.“ Er zwang sich, ruhig auf sie einzureden. „Serena, atmen Sie.“

Das Letzte, was sie beide brauchten, war, dass seine schwangere Assistentin in einer Luxusboutique ohnmächtig wurde. Mario würde den Krankenwagen rufen, die Presse würde Wind davon bekommen, und Helen – die Frau, mit der er genau genommen noch verheiratet war – würde ihn dafür bluten lassen.

Er rutschte neben Serena auf das kleine Sofa und begann, ihr den Rücken zu massieren. „Atmen Sie doch, bitte! Es tut mir leid. Ich bin nicht wütend auf Sie.“

Sie beugte sich zu ihm herüber. Nicht ganz, aber nah genug, um ihren Kopf an seine Schulter zu lehnen. Hatte er nicht genau das vor ein paar Tagen gewollt? Hatte er sie nicht halten wollen?

Aber doch nicht so. Zum einen hatte er seine Beherrschung verloren, und zum anderen war sie …

Schwanger.

Chadwick hatte keine Ahnung, was einen guten Vater ausmachte. Aber er wusste, was einen miesen Vater ausmachte. Helen hatte keine Kinder gewollt, und deshalb hatten sie auch keine.

Aber Serena? Sie war sanft und einfühlsam, während Helen, und letztlich auch seine Mutter, hart und eisig waren. Serena war gewissenhaft und scheute sich nicht davor, etwas Neues anzupacken. Sie hatte auch keine Probleme damit, sich die Hände schmutzig zu machen.

Serena wäre eine gute Mutter. Eine großartige Mutter.

Wenn sie nicht gerade vor seinen Augen ersticken würde, hätte er bei diesem Gedanken gelächelt.

„Atmen Sie!“, forderte er sie erneut auf. Dann, endlich, atmete sie ruhiger. „Gut. Und jetzt weiter so.“

So saßen sie einige Minuten lang da, bis Marios Assistent an die Tür klopfte und die Getränke brachte. Beide blieben sie, wo sie waren – er saß neben Serena und rieb ihr beruhigend den Rücken, während sie sich an ihn anlehnte.

Der Assistent verschwand, und sie waren wieder allein. „Was ich am Montag gesagt habe, war ernst gemeint, Serena. Daran wird sich auch nichts ändern.“

„Alles wird sich verändern.“ Noch nie hatte sie so niedergeschlagen geklungen. „Ich wollte nicht, dass sich etwas verändert. Aber das tut es nun.“

„Aber ich werde Sie nicht im Stich lassen“, sagte er. Jemanden im Stich zu lassen oder zu versagen, war etwas, was ihm nie im Leben eingefallen wäre. Was mit Sicherheit auch daran lag, dass Hardwick Beaumont ihm schon als Kind alles abverlangt hatte, damit er ihn nicht enttäuschte. Und Chadwick hatte seine Lektion gelernt.

Nein, Serena würde er schon gar nicht im Stich lassen.

Sie lehnte sich zurück. Langsam trat wieder Farbe in ihr Gesicht, Gott sei Dank. Ihr Haar war etwas durcheinander, und sie sah ihn mit großen Augen an, als wäre sie gerade aus einem langen Alptraum erwacht und würde sich nach einem Kuss von ihm sehnen. Danach, dass alles wieder gut werden würde.

Er strich ihr ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann legte er ihr automatisch einen Finger ans Kinn.

„Ich werde Sie nicht im Stich lassen“, sagte er.

„Das weiß ich“, flüsterte sie mit leicht zitternder Stimme.

Sie hob die Hand. Wollte sie ihn berühren, so wie er sie berühren wollte? Wollte sie, dass er noch näher kam, dass er sie küsste? Denn das wollte er in diesem Moment mehr als alles andere.

„Klopf, klopf!“, rief Mario auf der anderen Seite der Tür. „Machen Sie da drin auch nichts Verbotenes?“

„Verdammt.“

Doch Serena lächelte. Es war ein schwaches, angespanntes Lächeln, aber ein Lächeln. Und er wusste, dass er sie nicht im Stich gelassen hatte.

Jetzt wusste er, was er zu tun hatte.

5. KAPITEL

„Und einatmen“, sagte Mario, nachdem er Serena in das erste Kleid geholfen hatte.

Serena gehorchte. Ihre Atmung war das Einzige, das sie wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte.

Beinahe hätte sie Chadwick geküsst! Beinahe hätte sie sich tatsächlich hinreißen lassen, ihn zu küssen. Es war schon schlimm genug, dass sie vor seinen Augen eine Panikattacke bekommen hatte und sich von ihm hatte trösten lassen. Aber ein Kuss?

Doch warum fühlte es sich noch schlimmer an, nicht von ihm geküsst zu werden? Schlimmer und besser zugleich?

„Und jetzt ausatmen, Miss Chase. Gut so!“ Der Reißverschluss glitt die letzten Zentimeter hoch, der Verschluss schnappte zu. „Wunderbar!“, sagte Mario.

Serena schaute an dem schwarzen Samt herunter, der sich an jede ihrer vertrauten, aber offenbar auch neuen Rundungen schmiegte.

Mario stellte ein paar schwarze High Heels vor sie hin und half ihr dabei, hineinzuschlüpfen. „Ich habe das Gefühl, ich tue so, als wäre ich eine andere.“

„Aber genau darum geht es doch bei der Mode, Darling“, sagte Mario und trat einen Schritt zurück, um sie zu begutachten. „Wenn man will, kann man jeden Morgen ein anderer sein.“ Zu guter Letzt legte er ihr eine Kette um den Hals. „Wenn Mario mit seiner Arbeit fertig ist, sind Sie eine Königin.“

Er hielt ihr seinen Arm hin, wofür sie ihm sehr dankbar war, denn die Absätze dieser Pumps waren mindestens fünf Zentimeter höher als die ihrer Schuhe. Dann öffnete er die Tür, und sie gingen hinaus zu Chadwick.

Der hatte es sich mit einem Glas Champagner auf dem kleinen Sofa bequem gemacht und seine Krawatte gelöst, was ihm etwas sehr Lässiges gab.

Als er sie sah, riss er die Augen auf. Fast hätte er seinen Champagner verschüttet. „Serena … wow.“

„Und das ist erst der Anfang!“ Mario führte Serena zu dem Podest mit den Spiegeln und half ihr hinauf.

Sie betrachtete sich von allen Seiten. Mario hatte ihr nur das Haar ein wenig geglättet, und sie war immer noch zu blass. Trotzdem konnte sie kaum glauben, dass sie es war.

Königlich, in der Tat. Dieses Kleid war ein Geschenk.

Als sie sich vor dem Spiegel drehte und begutachtete, bemerkte sie, wie Chadwick sie ansah. Er schien völlig fasziniert zu sein. Mittlerweile war er aufgestanden und sah aus, als wolle er zu ihr auf das Podest steigen und sie in die Arme nehmen.

„Nun“, sagte Mario. „Dieses Kleid wäre für den Samstagabend eigentlich perfekt. Allerdings wird mindestens die Hälfte aller Gäste in Schwarz erscheinen, und wir wollen doch nicht, dass Miss Chase in der Menge untergeht, nicht wahr?“

„Nein“, stimmte Chadwick ihm zu. Er sah sie an, als sähe er sie zum allerersten Mal und bekäme einfach nicht genug von ihrem Anblick. „Nein, das wollen wir nicht.“

„Zudem gibt es Kleider, die noch schmeichelhafter sind. Ich denke, wir sollten noch etwas anprobieren, das mehr fließende Linien und Anmut hat. Mehr …“

„Eleganz“, ergänzte Chadwick. Er setzte sich wieder auf das Sofa, schlug die Beine übereinander und schien abermals ihre Figur zu begutachten. „Zeigen Sie mir, was Sie sonst noch haben, Mario.“

„Mit Vergnügen!“

Das nächste Kleid war in einem blassen Pfirsichton gehalten mit einem riesigen Rock und einer Schleife auf dem Rücken. „Das ist etwas Klassisches“, verkündete Mario.

„Zu wuchtig“, sagte Chadwick und winkte ab. Um sie nicht zu kränken, lächelte er sie an und sagte: „Trotzdem sehr hübsch.“

Es folgte ein kornblumenblaues Kleid im Empire-Stil aus einem fließenden Stoff mit einem einzigen Schulterträger, der mit glitzernden Steinchen bestickt war. „Keine Halskette“, sagte Mario streng, als er ihr lange Ohrringe reichte, die aussahen, als wären sie mit echten Saphiren überzogen. „Die wäre nur eine Konkurrenz für das Kleid.“

„Sie sehen … umwerfend aus“, sagte Chadwick.

Da war er wieder, dieser hungrige Blick – als wollte er sie am liebsten mit Haut und Haar verspeisen.

Serena errötete, denn sie war es nicht gewohnt, umwerfend auszusehen. Außerdem war sie sich nicht sicher, ob es überhaupt möglich war, schwanger und umwerfend zugleich zu sein. Aber das schien Chadwick nicht zu stören.

„Die Taille dieses Kleides sitzt etwas höher, und sie kann es noch ein paar Monate länger tragen“, sagte Mario zu Chadwick, doch Serena hatte das Gefühl, er richtete sich eigentlich an sie. Denn natürlich wäre es vorteilhaft, wenn sie das Kleid auch in den kommenden Monaten noch anziehen konnte.

Sie vermied es allerdings, aufs Preisschild zu schauen. „Ich wüsste nicht, wann ich es sonst noch tragen sollte“, sagte sie stattdessen.

Chadwick schwieg. Doch die Art und Weise, wie er sie dabei ansah, jagte ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken.

Das nächste Kleid aus Satin gefiel ihr sehr. Es schillerte förmlich und schmeichelte mit seinen Spitzenapplikationen ihren neuen Rundungen. Es folgte eine schulterfreie Robe in dunklem Rosa, dann ein weiteres schulterfreies Kleid, dessen Farben sie aber etwas zu kitschig fand.

„Blau ist Ihre Farbe“, sagte Mario, und damit hatte er recht.

Auch wenn sie es nie gedacht hätte, es machte ihr tatsächlich Spaß, ein erlesenes Kleid nach dem anderen anzuprobieren. Es war etwas völlig Neues für sie, und sie fühlte sich schön. Sie drehte sich für Chadwick auf dem Podest und genoss die Komplimente, mit denen er sie überhäufte.

Die Zeit verflog in einem Wirbel aus Chiffonroben und Satinkleidern, und plötzlich war es sieben Uhr. Serena fühlte sich etwas müde und hatte Hunger, Chadwick wirkte leicht erschöpft, und selbst Marios grenzenlose Energie schien allmählich nachzulassen.

„Meinen Sie, wir könnten uns jetzt entscheiden?“, fragte Serena.

„Ja“, sagte Chadwick. „Wir nehmen das blaue Kleid, das violette, das blau-weiße und … Noch einen anderen Wunsch, Serena?“

Sie starrte ihn ungläubig an. Drei Kleider? „Wie oft soll ich mich denn an dem Abend umziehen? Ich möchte nur das blaue Empirekleid.“

Mario schaute Chadwick an. „Wir nehmen die drei“, wiederholte Chadwick. „Lassen Sie alles zu Serenas Adresse bringen.“

„Selbstverständlich, Mr. Beaumont.“ Mario nahm die drei Roben und eilte aus dem Raum.

Serena, die immer noch ein schweres grünes Kleid trug, kickte die hochhackigen Schuhe von den Füßen und ging empört auf Chadwick zu. Sie stemmte die Hände in die Hüfte und versuchte, ihn so streng wie möglich anzusehen. „Eins, keine drei Kleider!“

Chadwick musterte sie doch tatsächlich mit diesem überlegenen Lächeln, mit dem er normalerweise seinen Geschäftspartnern zu verstehen gab, dass das letzte Wort gesprochen war. Plötzlich fiel ihr auf, dass sie allein waren und sie ein teures Kleid trug, das nicht ihres war.

„Die meisten Frauen würden sofort zugreifen, Serena“, sagte Chadwick leise.

„Ich bin aber nicht so wie die meisten Frauen“, fuhr sie ihn an.

„Ich weiß.“ Er trat wie in Zeitlupe auf sie zu, den Blick auf ihre Lippen fixiert.

Sie sollte etwas … tun. Einen Schritt zurückweichen. Die Arme verschränken und wegschauen oder sich in der Umkleidekabine verschanzen und warten, bis Mario zurückkam.

Irgendetwas davon sollte sie tun.

Aber sie wollte, dass er sie küsste.

Mit einer Hand umfasste er ihre Taille, mit der anderen hob er sanft ihr Kinn an. „Ich kenne keine Frau, die nur annähernd so ist wie Sie, Serena. Das wusste ich schon, als ich Sie zum ersten Mal gesehen habe.“

„Daran erinnern Sie sich noch?“ Ihre Stimme hatte sich in ein sinnliches Flüstern verwandelt.

Sein Lächeln wurde breiter. „Sie waren damals in der Personalabteilung und kamen mit ein paar Plänen zur Gesundheitsvorsorge in mein Büro.“ Während er das sagte, zog er sie so nah zu sich heran, dass sie seine muskulöse Brust durch den Stoff des Kleides spüren konnte. „Als ich Sie nach Ihrer Meinung dazu gefragt habe, erklärten Sie mir, Sie würden den neuen Plan befürworten, da die Angestellten davon profitieren würden. Dann sind Sie plötzlich ganz nervös – sogar rot – geworden, und …“

„Sie haben den Plan abgenickt.“ Serena konnte gar nicht glauben, dass er sich noch daran erinnerte, doch das tat er.

Sie schlang die Arme um ihn und legte ihm die Hände auf den Rücken. Weil sie es wollte. Sie wollte es seit jenem Tag, an dem sie sich zum ersten Mal gesehen hatten. Als sie an seine Tür geklopft und er sie mit seinen haselnussbraunen Augen angesehen hatte. Anstatt ihr das Gefühl zu geben, ihn zu stören, hatte er sie nach ihrer Einschätzung gefragt – obwohl sie nur eine unbedeutende Praktikantin gewesen war. Der mächtige Firmenchef hatte ihr das Gefühl gegeben, die wichtigste Arbeitskraft des Unternehmens zu sein.

Er hatte sie auf dieselbe Art angesehen, wie er sie jetzt ansah … als wäre sie die wichtigste Person in der ganzen Firma. Nein, jetzt schaute er sie eher an, als wäre sie die wichtigste Frau auf der ganzen Welt.

„Sie waren ehrlich zu mir“, sagte er jetzt. „Und darüber hinaus hatten Sie recht. Es ist schwierig, Loyalität zu erwarten, wenn man den Leuten nichts gibt, für das es sich lohnt, loyal zu sein.“

Seit jenem Moment konnte er sich ihrer Loyalität sicher sein. Als er im Jahr darauf zum neuen Geschäftsführer ernannt wurde, hatte sie sich noch am selben Tag bei ihm auf die Stelle als Assistentin beworben. Obwohl sie nicht die besten Qualifikationen mitbrachte, hatte er ihr diese Chance gegeben.

Und dafür war sie ihm dankbar.

Langsam beugte er sich vor. Er fuhr mit den Lippen über ihre – es war kein besitzergreifender Kuss, sondern fühlte sich eher wie eine Bitte an, den nächsten Schritt tun zu dürfen.

Serena seufzte auf. Chadwicks warmer Duft nach Sandelholz umhüllte und betörte sie. Automatisch schmiegte sie sich näher an ihn, dann fuhr sie ihm mit der Zunge über die Lippen.

Chadwick stöhnte leise und genüsslich auf und ließ sich auf das Spiel ihrer Zungen ein, das zu einem heißen Kuss wurde.

Serenas Knie drohten nachzugeben angesichts der süßen Hitze, die ihr durch die Glieder fuhr. Doch Chadwick hielt sie fest und sicher in seinen Armen. Ein Schwindel schien sie zu erfassen, sinnlich und lustvoll. Vom ersten Tag an, seit sie Chadwick Beaumont gesehen hatte, hatte sie sich nach diesem Kuss gesehnt. Warum, um alles in der Welt, hatte sie sieben Jahre verstreichen lassen, um diesen Moment zu erleben?

Sie spürte durch den Stoff des Kleides hindurch, dass Chadwick sehr erregt war. Auch zwischen ihren Schenkeln spürte sie ein heftiges Verlangen. Wie viele Monate war es her, dass sie eine derartige Leidenschaft empfunden hatte? Es lag viel länger zurück als die Trennung von Neil.

Chadwick wollte sie. Und, oh, sie wollte ihn.

In Chadwicks Armen zu liegen, seine Wärme, seine Lippen zu spüren, fühlte sich richtig an. So absolut richtig. Nichts auf der Welt hatte plötzlich mehr Bedeutung als dieser Augenblick, gar nichts.

Sie wollte ihn berühren und herausfinden, ob sich der Rest seines Körpers ebenso kraftvoll anfühlte wie seine Arme. Doch bevor sie sich auf eine aufregende Entdeckungstour begeben konnte, löste er seine Lippen von ihrem Mund und zog sie noch enger an sich.

Als er ihr die Lippen auf den Nacken drückte, war es, als würde er einen Abdruck seines Lächelns auf ihrer Haut hinterlassen. Serena kostete das Gefühl genussvoll aus.

„Du bist ein so besonderer Mensch, Serena. Ich will, dass dir die drei Kleider gehören. Denn ich will, dass du mich am Samstag überraschst. Oder möchtet du das nicht?“

Die Hitze zwischen ihnen verflog. Die Kleider – sie hatte sie völlig vergessen, so wie den vermutlich sündhaft hohen Preis. Einen verrückten Augenblick lang hatte sie alles um sich herum vergessen. Wer sie war. Wer er war.

Sie sollte die Kleider definitiv nicht annehmen. Sie sollte auch das Dinner ablehnen. Und sie sollte Chadwicks Blicke, mit denen er sie an diesem Nachmittag verschlungen hatte, und die Art und Weise, wie er sie gerade an seine starke Brust drückte, vergessen. Sie hatte hier nichts zu suchen und durfte nicht zulassen, dass ihr Urteilsvermögen durch Chadwicks Zuneigung getrübt wurde. Sie war schwanger, und ihr Job stand auf dem Spiel. Und zu keinem Zeitpunkt ihres Lebens – ob nun in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft – hatte sie Verwendung für drei Roben, deren Preis höher war als ihr komplettes Jahresgehalt.

Doch dann lehnte sich dieser Mann zurück und umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht. „Ich habe schon seit … Ich weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte. Es tat gut, aus dem Büro herauszukommen.“ Sein Lächeln ließ alle Sorge und Kummer aus seinem Gesicht verschwinden.

Sie wollte ihm gerade sagen, dass ihm vermutlich nur der Champagner zu Kopf gestiegen war, als er hinzufügte: „Ich bin froh, diesen Nachmittag mit dir verbracht zu haben. Danke, Serena.“

Was konnte sie jetzt noch sagen? Plötzlich hatte sie nicht mehr die Kraft, darauf zu bestehen, dass Mario ihr nur ein Kleid bringen ließ. Sie sah auch keine Notwendigkeit mehr darin, das Argument anzuführen, sie könne sich um sich selbst kümmern.

Denn er hatte Spaß. Mit ihr!

„Die Kleider sind wundervoll, Chadwick. Danke.“

Er beugte sich vor und strich mit seinen Lippen zart über ihre Wange. „Gern geschehen.“ Dann trat er einen Schritt zurück und hielt ihr galant einen Arm hin, so wie Mario es zuvor getan hatte. „Darf ich dich zum Abendessen ausführen?“

„Ich …“ Sie schaute an dem grünen Kleid herunter, das jetzt an einigen entscheidenden Stellen Knitterfalten aufwies. „Ich muss wieder an die Arbeit und die Assistentin eines leitenden Angestellten sein, die ich seit sieben Jahren bin.“ Wie merkwürdig das plötzlich klang.

Ein einziger Nachmittag mit Luxusroben reichte offenbar schon aus, um ihr zu Kopf zu steigen. Sie hatte wohl vergessen, wer sie war. In der wirklichen Welt war sie Serena Chase, eine bescheidene Angestellte. Sie war nicht die Art Frau, die zuließ, dass reiche Männer sie mit maßlos übertriebenen Geschenken überhäuften. Und sie war nicht Chadwicks Geliebte.

Oh Gott, sie hatten sich gerade leidenschaftlich geküsst! Was hatte sie nur getan?

Chadwicks Gesichtsausdruck wurde distanzierter. Auch er schien zu begreifen, dass sie eine Grenze überschritten hatten. „Natürlich. Ich habe auch noch zu tun.“

„Natürlich.“ Auch wenn sie sich eine kleine Auszeit genommen hatten, so drehte die Welt sich doch weiter. Nach der unglücklichen Vorstandssitzung schrien alle, Investoren, Analysten und Journalisten gleichermaßen, nach einer Stellungnahme von Chadwick Beaumont.

Aber darüber hinaus brauchte sie jetzt auch körperlich Abstand von ihm. Die Nähe, die sie eben geteilt hatten, half ihr in ihrer Situation nicht weiter.

Sie musste dringend wieder einen klaren Kopf bekommen und aufhören, von ihrem Boss zu träumen. Obwohl diese Träume sich im Augenblick sehr real anfühlten – sie spürte immer noch seine Lippen auf ihrem Mund und seinen Körper an ihrem. Vermutlich würden Fantasien von Chadwick sie heute Nacht in ihre Träume begleiten.

Serena war bereit, die Kleider anzunehmen. Aber ein Abendessen mit ihm? Sie musste eine Grenze ziehen.

Doch die hatte sie längst überschritten.

Wie weit würde sie noch gehen?

6. KAPITEL

Chadwick hatte unruhig geschlafen.

Er versuchte sich einzureden, es läge an der desaströsen Vorstandssitzung und nicht an seiner Begegnung mit Serena Chase. Doch warum lügen? Es lag an Serena.

Er hätte sie nicht küssen dürfen. Es war unvernünftig gewesen. Er hatte schon männliche Führungskräfte gefeuert, weil sie in der Hinsicht zu weit gegangen waren. Die Beaumont-Brauerei war viel zu lange eine Firma gewesen, in der Männer Frauen schamlos ausnutzten.

Ihm ging es um Fairness, Loyalität und Augenhöhe.

Denn er war nicht Hardwick Beaumont, und er würde nicht seine Assistentin verführen.

Doch für solche Vorsätze war es offenbar zu spät. Er hatte Serena versprochen, sie zum Ball zu begleiten, und er hatte ihr für Zehntausende Dollar Kleider, Schmuck und Handtaschen gekauft.

Und er hatte sie geküsst. Und noch viel mehr gewollt. Er hatte gewollt, dass ihr Kleid auf dem Fußboden landete. Er hatte sich auf dem Sofa zurücklehnen wollen – und dass sich Serena rittlings auf ihn setzte. Er hatte ihre Brüste in seinen Händen spüren wollen. Und er hatte in ihr sein wollen.

Er wünschte, er hätte seinen niederen Instinkten freien Lauf gelassen und sie in dem Umkleideraum verführt, verflucht noch mal.

Hardwick hätte es so gemacht.

Doch zum Glück hatte sich auch Serena zusammengerissen.

Die Kleider hatte sie für nichts in der Welt annehmen wollen.

Aber den Kuss?

Den hatte sie sogar erwidert. Sie hatte mit der Zunge seine Lippen liebkost und sich ebenso eng an ihn gepresst, wie er sich an sie.

Jetzt war es gerade einmal halb sechs am Morgen, während er in seinem Privatraum in der Firma in einem Wahnsinnstempo auf dem Laufrad rannte und versuchte, die internationalen Börsenberichte auf dem Monitor zu verfolgen. Doch er war nicht in der Lage, sich auch nur ein bisschen darauf zu konzentrieren.

Stattdessen fragte er sich, was er mit Serena anstellen sollte.

Sie war schwanger. Sie war schon immer schön gewesen, aber gestern hatte sie ihm den Atem geraubt.

Serena Chase hatte seine Welt völlig auf den Kopf gestellt. Die Frauen, die er bisher gekannt hatte, lehnten weder Kleider noch Schmuck ab. Sie verbrachten ihre Tage damit herauszufinden, wie sie noch mehr Kleider und noch mehr Schmuck für ihre mageren Körper bekommen konnten – sie bettelten, flehten und verführten.

So hatte es seine Mutter immer gemacht. Chadwick bezweifelte, dass Eliza und Hardwick sich geliebt hatten. Sie wollte sein Geld, und er wollte das Ansehen ihrer Familie. Wann auch immer seine Mutter ihren Mann in flagranti erwischt hatte, und das war nicht selten gewesen, hatte sie ihm eine Szene gemacht und ihm gedroht, bis er ihr schließlich ein Bündel Geldscheine vor die Füße warf, damit sie sich einen neuen Diamanten kaufen konnte. Und als ein Diamant nicht mehr ausreichte, kaufte er sie gleich im Dutzend.

Helen war genauso. Sie hatte oft so lange geschmollt, bis sie bekam, was sie wollte – Kleider, Autos, Schönheitsoperationen. Geschlafen hatte sie nur mit ihm, wenn er ihr das gegeben hatte, was sie wollte. Ein besonders lustvolles Erlebnis war es allerdings nie gewesen.

Irgendwie hatte er sich eingeredet, das wäre okay für ihn. Dass er auf das Gefühl der Leidenschaft verzichten konnte, da Leidenschaft einen Mann schwächte.

Doch Serena? Sie heulte nicht, sie zeterte nicht, sie schmollte nicht. Sie gab ihm nicht das Gefühl, nur eine Schachfigur zu sein, die auf eine bestimmte Art bewegt werden musste, damit man bekam, was man wollte.

Er schaltete die Geschwindigkeit des Laufbandes eine Stufe höher und rannte, bis ihm die Lungen brannten.

Es würde seiner Assistentin nicht nachstellen. Punkt.

Der Grund für seine merkwürdige Gefühlslage war sicherlich der, dass der letzte Sex mit Helen schon eine Ewigkeit zurücklag. Seit zwei Jahren hatte er keine Frau mehr in den Armen gehalten, die ihm ein Lächeln schenkte und sich auf ihn freute.

Zwei Jahre waren eine verdammt lange Zeit.

Letztlich ging es doch nur darum, dass er sexuell frustriert war und mithilfe seiner Assistentin versuchte, seine Frustration zu überwinden. Dabei hatte er selbst während seines quälenden Scheidungsprozesses das Treueversprechen gegenüber Helen nicht gebrochen. Zum einen, weil er sich dann schäbig vorkommen würde, zum anderen, weil Helen niemals die Papiere unterschreiben würde, wenn sie es herausfände.

Schließlich wurde er langsamer und gab auf. Normalerweise half ihm das Laufen, einen klaren Kopf zu bekommen, doch trotz des harten Trainings wusste er noch immer nicht, was er tun sollte, wenn Serena gleich ins Büro kam.

Allerdings wusste er, was er am liebsten tun würde. Am liebsten würde er sie auf seinen Schreibtisch legen und ihren Kurven die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdienten. Er wollte, dass sie sich rittlings auf ihn setzte. Er wollte ihr einen unglaublichen Höhepunkt bescheren, ihr sinnliches Zittern erleben und ihren wollüstigen Schreien lauschen, bis sie glücklich und erschöpft in seinen Armen einschlief.

Er wollte nicht nur einfach Sex.

Er wollte Serena.

Verdammt.

Das eiskalte Wasser der Dusche half ihm kaum, einen klaren Kopf zu bekommen, ließ seine Erregung aber wenigstens ein wenig abklingen.

Es ging nicht um sexuelle Begierde, redete er sich ein. Es ging bestimmt nur darum, dass er sich um sie kümmern wollte. Wieso sonst hatte er ihr die Kleider geschenkt? Er belohnte lediglich ihre Loyalität und wollte sie nicht im Stich lassen.

Sie hatte gesagt, ihr Ex habe nicht auf ihre Mail reagiert. Na bitte – das war doch eine Sache, bei der er sie unterstützen konnte.

Er könnte diesen Idioten zumindest dazu bringen zuzugeben, dass er Serena in einer schwierigen Situation allein gelassen hatte.

Ja, diese Idee gefiel ihm: Neil Moore zur Räson zu bringen, wäre der richtige Weg, seiner Assistentin zu helfen. Dafür musste er sie nicht einmal küssen. Er bezweifelte zwar, dass Serena Neil zur Verantwortung ziehen wollte, aber er selbst würde keine Probleme damit haben, dem Mann die Hölle heißzumachen.

Er stellte das Wasser ab und griff nach dem Handtuch. Er war sich ziemlich sicher, dass er Neils Daten in seinem Telefon gespeichert hatte. Aber wo hatte er es hingelegt?

Er suchte in seinen Hosentaschen, ehe er sich daran erinnerte, dass er es auf seinen Schreibtisch gelegt hatte, kurz nachdem er in die Firma gekommen war.

Er öffnete die Tür, ging in sein Büro – und blickte Serena ins Gesicht.

„Chadwick!“, sagte sie und keuchte erschrocken auf. „Was machst du, ich meine Sie …“

„Serena!“ Dann fiel ihm wieder ein, dass er ja lediglich mit einem Handtuch bekleidet war. Er hatte es nicht einmal geschafft, sich abzutrocknen. Doch im nächsten Moment vergaß er alles andere.

Ihr Mund war so verführerisch.

Verlangen pochte in seinen Adern. Wenn er jetzt das Handtuch fallen ließ, könnte er ihr klarmachen, was sie gerade mit ihm anstellte. Verdammt, sie war nicht blind, dafür musste er nicht einmal das Handtuch fallen lassen.

„Es … tut mir leid“, stammelte sie. „Ich wusste nicht …“

„Ich suche mein Handy.“ Ich habe nur an dich gedacht. Er schaute auf die Uhr. Sie war mindestens eine Stunde zu früh da. „Du, ähm, Sie sind früh dran.“

„Ich wollte … Ich meine, wegen gestern Nachmittag …“ Auch wenn sie dagegen anzukämpfen schien, ihr Blick driftete immer wieder nach unten. „Wegen des Kusses …“ Sie wurde rot, was sie unschuldig und unanständig zugleich aussehen ließ.

Chadwick trat einen Schritt vor, und mit einem Mal waren seine guten Absichten vergessen. Sie hatte denselben Blick, mit dem sie ihn gestern Nachmittag angesehen hatte, als sie sich küssten. Sie wollte ihn.

Gott, er fühlte sich gut bei dem Gedanken!

Schließlich wandte sie ihren Blick von seinem Körper ab und schaute zu Boden. „Es hätte nicht passieren dürfen. Ich hätte Sie nicht küssen dürfen. Das war unprofessionell, und ich entschuldige mich.“ Sie sagte das, ohne Atem zu holen, und klang dabei, als hätte sie die halbe Nacht damit verbracht, diese kleine Ansprache einzuüben. „Es wird nicht wieder vorkommen.“

Moment … Wollte sie die ganze Schuld übernehmen? Das kam gar nicht infrage. Es war ja nicht so, dass sie ihn gegen die Wand gedrückt und sich über ihn hergemacht hätte. Er hatte sie in seine Arme gezogen. Er hatte sie berührt. „Berichtigen Sie mich bitte, wenn ich etwas Falsches sage, aber ich dachte, ich hätte Sie geküsst.“

„Ja, ähm …“, stammelte sie. „Aber es war trotzdem unprofessionell und hätte nicht während der Arbeitszeit passieren dürfen.“

Chadwick wusste, dass er gegen die Regeln verstoßen hatte. Sie meinte es ernst, und er konnte von Glück sagen, wenn sie ihn nicht verklagte.

Aber dann hob sie den Kopf und blickte auf seinen nackten Oberkörper. Dabei biss sie sich auf die Unterlippe. In ihren Augen waren keine Anzeichen von Unsicherheit zu erkennen. Er sah darin nur das Verlangen, das auch durch seine Adern schoss.

Dann wurde ihm klar, was sie gesagt hatte.

Während der Arbeitszeit.

Würde der Samstagabend auch ein Arbeitstag für sie sein?

„Selbstverständlich“, stimmte er trotzdem zu. Denn obwohl sie ihn mit diesem Blick ansah und er mit nichts anderem als einem Handtuch bekleidet war, war er ein Mann, der durchaus vernünftig sein konnte und Herr über seine erotischen Wünsche war.

Mehr oder weniger.

„Um welche Uhrzeit soll ich Sie am Samstag zum Dinner abholen?“

Sie kaute immer noch auf der Lippe. Gott, wie würde es sich nur anfühlen, wenn sie auf diese Art an seinen Lippen knabbern würde? Er glaubte ein Lächeln in ihrem Gesicht zu erkennen, wenn auch nur ein kleines.

„Die Gala beginnt um neun“, sagte sie. „Wir sollten allerdings nicht zu spät erscheinen.“

Er würde sie ins Palace Arms ausführen. Es war wie geschaffen für Serena in Abendrobe. „Miss Chase“, sagte er nun wieder in einem geschäftsmäßigen Ton. Das war, wenn man nur ein Handtuch trug, allerdings viel schwieriger als gedacht. „Bitte reservieren Sie einen Tisch für zwei Personen im Palace Arms für sieben Uhr. Ich hole Sie um halb sieben ab.“

Und dann konnte er einfach nicht anders und ließ das Handtuch etwas hinunterrutschen. Gerade genug, um nicht vollkommen entblößt vor ihr zu stehen, aber ausreichend, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

Und sie reagierte. Nein, sie mochte es zwar nicht, wenn er seinen Reichtum offen zur Schau stellte – aber seinen Körper? Bei seinem Körper schien das anders zu sein.

Sie sah ihn mit offenem Mund an, machte leise „oh“ und fuhr sich – Gott sei ihm gnädig – mit der Zunge über die Lippen. Beinahe hätte er aufgestöhnt.

„Ich … ich kümmere mich um die Reservierung, Mr. Beaumont“, stotterte sie dann.

Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Bitte tun Sie das.“

Oh ja, er würde sie zum Essen ausführen, und sie würde eins dieser Kleider tragen, und er würde …

Er würde einen netten Abend mit ihr verbringen, mehr nicht. Er erwartete auch keine Gegenleistungen. Er hatte ihr die exklusiven Kleider nicht geschenkt, damit sie sich verpflichtet fühlte, mit ihm ins Bett zu steigen.

Doch dann hielt sie einen Umschlag in die Höhe. „Ein kleines Dankeschön. Für die Kleider.“

Fast hätte er laut losgelacht. War das ein Dankeskärtchen? Doch er war viel zu sehr damit beschäftigt, Serena zu beobachten. Sie kam zwei Schritte auf ihn zu und legte den Umschlag auf den Schreibtisch. Sie war ihm nun so nahe, dass er nach ihr greifen und sie in seine Arme hätte ziehen können.

Nur hätte er dann das Handtuch loslassen müssen.

Die Spannung, die in der Luft lag, war fast greifbar.

„Danke, Miss Chase.“

„Larry wird gleich für das morgendliche Meeting hier sein.“ Er sah, wie sie ihn von der Seite anblickte. „Soll ich den Termin verschieben, oder schaffen Sie es, sich rechtzeitig anzukleiden?“

Diesmal lachte er herzlich. „Ich denke, das schaffe ich. Schicken Sie ihn rein, wenn er hier ist.“

Sie nickte kurz und warf einen letzten kurzen Blick auf seine entblößte Brust, drehte sich um und wollte gehen.

Er konnte nicht anders. „Serena?“

„Ja?“

„Ich …“ Er verriet ihr nicht, wie sehr er sie begehrte. Obwohl das der Wahrheit entsprach. „Ich freue mich auf Samstag.“

Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu und lächelte ihn an – sanft und aufgeregt zugleich. „Ich auch.“

Dann ließ sie ihn allein in seinem Büro.

Samstag schien noch so weit weg zu sein.

Er hoffte, er konnte bis dahin durchhalten.

Serena achtete darauf, von nun an laut genug anzuklopfen.

Nicht, weil sie Chadwicks nackten Oberkörper nicht gerne noch einmal gesehen hätte …

Und ganz sicher auch nicht, weil sie nicht davon träumte, wie Chadwick zu ihr unter die Dusche stieg, sie mit dem Rücken gegen die Fliesen drückte und ihren Körper mit Küssen bedeckte, bis sie, außer sich vor Lust, seine Zärtlichkeiten erwiderte …

Nein! Sie klopfte laut an seine Tür, weil es höflich war.

Am Donnerstag war viel zu tun. Das Vorstandstreffen erforderte eine intensive Nachbereitung, und die letzten Handgriffe für die Gala standen ebenfalls noch an.

Am Freitag war es nicht anders. Sie waren fast bis sieben Uhr abends im Büro und versuchten, die Nerven aufgeregter Angestellter und besorgter Investoren zu beruhigen.

Von Neil hatte sie immer noch nichts gehört. Wenn er sich bis zu ihrem nächsten Arzttermin in zwei Wochen nicht meldete, würde sie ihn anrufen müssen.

Aber daran wollte sie eigentlich nicht denken. Stattdessen dachte sie an Samstagabend.

Sie würde nicht mit Chadwick ins Bett gehen. Abgesehen von der Tatsache, dass er immer noch, auch in absehbarer Zukunft, ihr Chef war, würden sich daraus zu viele Probleme ergeben. Zunächst einmal war sie schwanger. Sie versuchte gerade, über das Ende einer neunjährigen Partnerschaft mit Neil hinwegzukommen – und Chadwick war noch nicht einmal geschieden.

Was auch immer zwischen ihr und Chadwick sein sollte, sie wollte nicht, dass es den Geschmack einer neuen Beziehung oder Affäre bekam.

So viel also dazu. Gäbe es eine Zukunft, in der sie nicht schwanger und Chadwick erfolgreich geschieden wäre und sie zudem nicht mehr für ihn arbeiten würde, dann würde sie sich eventuell mit ihm treffen. Dann würde sie ihn verführen, unter der Dusche vielleicht. Aber auf jeden Fall in der Nähe eines Bettes.

Doch bis dahin würde nichts dergleichen passieren.

Der Samstag war für sie ein geschäftlicher Termin. Extravagant und außergewöhnlich, aber geschäftlich. Nichts hatte sich verändert.

Abgesehen von diesem Kuss.

Und diesen Fantasien.

Verdammt, sie saß in der Klemme.

7. KAPITEL

Serena stand mit elegant hochgestecktem Haar im Morgenmantel in ihrem Schlafzimmer. Sie starrte auf die drei Kleider, die an der Tür des Kleiderschranks hingen und fast etwas Bedrohliches ausstrahlten.

Diese Roben hatten ein Vermögen gekostet. Ganz zu schweigen von den „unverzichtbaren Accessoires“, wie Mario sie genannt hatte.

Die Kombination, für die sie sich entschieden hatte, war das kornblumenblaue Kleid im Empire-Stil mit den langen Ohrringen. Beides zusammen war etwa so viel wert wie ein Kleinwagen. Der Schmuck? Echte Saphire, was denn sonst?

Ich kann das nicht.

Serena kam zu dem Schluss, dass diese Kleider in eine Welt gehörten, die nicht ihre war.

Sie würde sie zurückbringen und wieder die bescheidene Serena Chase sein.

Ihr Smartphone summte. Einen entsetzlich langen Augenblick befürchtete sie, es könnte Neil sein, der zur Besinnung gekommen war und mit ihr reden wollte. Der die bescheidene Serena wiederhaben wollte.

Sie sah nach. Es war eine SMS von Chadwick.

Bin unterwegs. Freue mich sehr auf Sie.

Ihr Herz raste. Würde er einen Anzug tragen? Würde er steif und förmlich aussehen … oder locker? Würde er sie mit diesem Leuchten in den Augen ansehen? Dieser Blick, der sie an heiße, verbotene Küsse unter der Dusche denken ließ?

Sie musste die Kleider zurückbringen. Alle drei.

Serena nahm das blaue Kleid vom Bügel und ließ ihre Finger über den Stoff gleiten. Andererseits … was bedeutete schon ein Abend? Hatte sie nicht immer davon geträumt, ihre Wünsche auszuleben? War sie nicht genau aus diesem Grund gerne zu den Bällen gegangen? Sie repräsentierten eine Welt, nach der sie sich sehnte – eine Welt, in der niemand Hunger leiden, weggeworfene Kleidung tragen oder mitten in der Nacht die Unterkunft wechseln musste.

Schenkte Chadwick ihr nicht genau das, wonach sie sich sehnte?

Warum sollte sie es nicht genießen? Es wäre ja nur für einen Abend.

Na schön, sagte sie sich. Es war nur ein Abend. Ein einziger Abend, an dem sie nicht Serena Chase sein würde, die gewissenhafte Mitarbeiterin auf der Flucht vor einem Leben in Armut. Einen herrlichen Abend lang würde sie Serena Chase, die Königin, sein. In Begleitung eines Mannes, der seine Augen nicht von ihr lassen konnte, der ihr das Gefühl gab, schön zu sein.

Vorsichtig zog sie das Kleid an, damit sie den Saum dieser Luxusrobe nicht zerriss. Da sie beschlossen hatte, ein kräftigeres Augen-Make-up als sonst aufzulegen, verbrachte sie auch mehr Zeit damit, Eyeliner und Mascara aufzutragen.

Sie verstaute gerade den dezenten Lippenstift in der goldgelben, zum Kleid passenden Handtasche, als es an der Tür klopfte. „Sekunde!“, rief sie, als sie in die gelben High Heels schlüpfte, die ebenfalls zum Kleid gehörten.

Dann atmete sie kurz tief durch. Sie sah gut aus, sie fühlte sich gut, und sie hatte sich vorgenommen, den heutigen Abend zu genießen. Ab morgen konnte sie dann wieder bescheiden, schwanger und normal sein oder was auch immer sie sonst war.

Doch der heutige Abend gehörte ihr und Chadwick. Als sie die Tür öffnete, verschlug es ihr die Sprache.

Da stand er. In einem eleganten Smoking. Mit einem Dutzend roter Rosen in der Hand.

„Oh“, brachte sie hervor. Der Smoking passte ihm wie angegossen, wahrscheinlich war er maßgeschneidert.

Chadwick blickte sie über die Rosen hinweg an. „Ich hatte gehofft, Sie würden sich für dieses Kleid entscheiden. Die sind für Sie.“ Als er ihr die Blumen entgegenhielt, fiel ihr auf, dass ihm eine passende Ansteckblume im Revers steckte.

Während sie die Blumen nahm, beugte er sich vor. „Sie sehen bezaubernd aus“, flüsterte er ihr ins Ohr. Dann gab er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und ließ eine Hand über ihren Rücken gleiten und knapp über ihrer Hüfte ruhen. „Einfach bezaubernd“, wiederholte er.

Serena spürte, wie die Wärme seines Körpers auf sie überging und sich in ihr ausbreitete.

Sie hätte ihn einfach hereinziehen und den Rest des Abends mit ihm in ihrem Apartment verbringen können.

Sie wollte ihn.

Nein. Nein! Das kam überhaupt nicht infrage. Das hier war eine geschäftliche Verabredung, Arbeitszeit.

Doch dann küsste er sie noch einmal, genau hinter dem Ohrläppchen, wo der Ohrring baumelte. Jetzt hatte sie ein Problem. Sie musste etwas unternehmen. Irgendetwas.

„Ich bin schwanger“, platzte es aus ihr heraus. Sie wurde knallrot. Serena fühlte sich unwohl, als sie das sagte, aber sie musste einfach die Notbremse ziehen. Außerdem wusste sie, schwangere Frauen waren nicht aufregend.

Gott sei Dank beugte sich Chadwick etwas zurück, aber er hielt sie weiter fest, lehnte seine Stirn gegen ihre und sagte: „In all den Jahren, Serena, habe ich dich nie so strahlend sehen. Du bist eine wunderhübsche Frau, doch jetzt … Ob schwanger oder nicht, du bist die schönste Frau der Welt.“

Sie wollte ihm widersprechen. Sie war ganz sicher nicht die schönste Frau der Welt, sie würde es ja nicht einmal unter die ersten hundert in Denver schaffen. Sie war bescheiden, kurvig und trug am liebsten Hosenanzüge. Was war daran außergewöhnlich schön?

Doch er ließ sich nicht davon abhalten, seine Hand von ihrer Hüfte hinab zu ihrem Bauch gleiten zu lassen, den er sanft und kreisend streichelte, nur einen Hauch entfernt vom Rand ihres Slips.

„Das …“, sagte er mit tiefer Stimme, „… macht dich nur begehrenswerter. Es fällt mir immer schwerer, mich in deiner Nähe zu beherrschen. Ich will es auch gar nicht mehr.“ Als er das sagte, ließ er seine Hand weiter hinabgleiten. Er fuhr weiter mit den Fingern über ihr Kleid; er musste das Bündchen ihres Slips spüren.

Die Wärme seiner Berührung ließ Hitze in ihrem Bauch und ihrem Schoß aufsteigen. Zwischen ihren Schenkeln breitete sich ein starkes Verlangen aus – pulsierend, intensiv.

Er sollte nicht aufhören. Serena wollte, dass er weitermachte, bis er die Körperstelle erreichte, an der die Lust am deutlichsten zu spüren war. Sie sehnte sich danach, unter seinen Berührungen zu zerschmelzen. Sie wollte, dass er mit Haut und Haaren Besitz von ihr ergriff.

Wäre Chadwick ein Fremder gewesen, hätte sie vermutlich gedacht, dass dieser Mann ihr etwas vorspielte. Aber Chadwick machte sich nicht über andere Menschen lustig. Er sagte den Leuten auch nicht nur das, was sie hören wollten. Er sagte ihnen die Wahrheit.

Er sagte ihr die Wahrheit.

Es blieb also nur noch eine Frage übrig.

Jetzt, da sie die Wahrheit kannte, was würde sie damit anfangen?

Der letzte Ort, an dem Chadwick sein wollte, war dieses Restaurant. Sie waren nur wegen der Gala hier, auf die er eigentlich auch keine Lust hatte. Am liebsten wäre er mit Serena bei ihr zu Hause geblieben. Am liebsten hätte er ihr das Kleid abgestreift, sich mit ihr auf den Boden oder ein Bett sinken lassen und ihr gezeigt, wie schwer es ihm fiel, sich in ihrer Nähe zu beherrschen.

Stattdessen saß er Serena in einem der besten Restaurants Denvers gegenüber. Seit sie ihr Apartment verlassen hatten, hatte sie kaum etwas gesagt. Chadwick fragte sich, welches Thema er anschneiden sollte. Auch wenn es sich hier genau genommen um ein Geschäftsessen handelte, wollte er mit ihr nicht über Berufliches sprechen.

Angesichts ihrer Reaktion, als er ihren Bauch gestreichelt hatte, der sich sanft unter dem fließenden Stoff des Kleides rundete, war ihre Schwangerschaft vermutlich auch nicht das beste Thema. Vor allem, weil sie dann bestimmt über Neil sprechen würden. Doch Chadwick wollte jetzt nicht über diesen Schwachkopf nachdenken. Nicht an diesem Abend.

Über seine Scheidung zu plaudern, kam ebenfalls nicht infrage. Denn die Verflossene, besser gesagt, zukünftige Verflossene, war ein denkbar ungeeignetes Thema für ein elegantes Dinner.

Aber nach dem, was er vorhin gewagt hatte, wäre es auch unangebracht, Small Talk über Belanglosigkeiten zu machen.

Die Lage war verzwickt. Es war eine der seltenen Situationen, in denen er sich wünschte, sein Bruder Phillip wäre da. Doch dann würde Phillip sich vermutlich schamlos an Serena heranmachen. Ganz einfach, weil sie eine attraktive Frau war. Nein, er wollte Phillip lieber doch nicht in Serenas Nähe sehen.

Chadwick schaute Serena an. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt und betrachtete mit großen Augen die Umgebung. Dieser Luxus war für ihn nichts Neues, ihn aber aus ihrer Perspektive zu betrachten, war interessant.

Er war gerne mit ihr zusammen, denn dann dachte er nicht unentwegt an die Arbeit – und angesichts der firmeninternen Entwicklungen war er ihr allein schon deshalb dankbar. Doch es war weitaus mehr als nur Dankbarkeit, was er ihr gegenüber empfand.

Zum ersten Mal in seinem Leben als Erwachsener – vielleicht sogar überhaupt – war er jemandem begegnet, der ihm mehr bedeutete als die Brauerei.

Diese Erkenntnis erschreckte ihn. Denn er war immer nur Chadwick Beaumont, der Chef der Familienbrauerei in dritter Generation, gewesen. Er war dazu erzogen worden, diese Person zu sein und nichts sonst. Für ihn stand die Brauerei an erster Stelle, ganz wie sein Vater es von ihm verlangt hatte.

Aber plötzlich … änderte sich alles. Er wusste nicht, wie lange er noch der Chef der Brauerei sein würde. Selbst wenn er die Übernahme jetzt abwenden konnte, würde das Unternehmen möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden.

Doch auch wenn es merkwürdig klang: Er fühlte sich nach dieser Woche mit Serena stärker denn je.

Dennoch musste er irgendetwas sagen. Schließlich hatte er sie nicht zum Abendessen eingeladen, um sie anzustarren. „Geht es dir gut?“

„Bestens“, antwortete sie. Sie sah wirklich gut aus. Ihre Augen leuchteten, und ihr leichtes Lächeln verriet ihm, wie überwältigt sie war. „Es ist sehr exklusiv hier. Ich befürchte, ich werde das falsche Besteck nehmen.“

Langsam wich die Spannung aus ihm. Auch wenn sie unter den Millionären ringsherum nicht auffiel, war sie doch immer noch dieselbe Serena.

Seine Serena.

Unsinn. Er schob den Gedanken weit von sich. Sie gehörte ihm nicht, sie war nur seine Assistentin. „Waren deine Eltern nie in einem schicken Restaurant mit dir?“

„Ähm, nein.“ Ihre Wangen wurden ganz rot.

„Nicht einmal zu besonderen Anlässen?“

Als sie ihn ansah, glaubte er plötzlich, eine Spur Trotz in ihren Augen zu erkennen. Genau derselbe Trotz, mit dem sie die Kleider abgelehnt hatte.

„Haben deine Eltern dir nie zerschlissene Kleidung von der Straße geschenkt und dich, nur so zum Spaß, in eine Suppenküche ausgeführt?“

„Was?“

„Das war der Ort, an den meine Eltern mich mitgenommen haben. Die Suppenküche.“ Der Trotz in ihrem Gesicht verschwand wieder. Vielmehr schien ihr ihre Bemerkung jetzt peinlich zu sein. „Es tut mir leid. Normalerweise erzähle ich das niemandem. Vergiss es einfach.“

Chadwick starrte sie sprachlos an. Hatte sie gerade wirklich von einer Suppenküche gesprochen? Sie hatte irgendwann flüchtig erwähnt, dass ihre Familie ab und zu finanzielle Engpässe gehabt hatte, aber …

„Du hast dieses Jahr eine Tafel als Wohltätigkeitsorganisation des Jahres ausgewählt.“

„Ja.“ Sie starrte auf die Anordnung ihres Bestecks.

Das war zwar nicht die Art Plauderei, die er sich vorgestellt hatte. Aber das Thema kam ihm umso wichtiger vor. „Erzähl mir davon.“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen.“ Sie senkte den Blick. „Ein Leben in Armut ist kein Zuckerschlecken.“

„Wie sind deine Eltern da hineingeraten?“ Nicht dass seine Eltern ihn besonders geliebt hätten. Aber es hatte ihm wenigstens nie an etwas gefehlt. Und ihm war es immer unbegreiflich gewesen, dass Eltern ihre Kinder einer solchen Situation aussetzten.

„Es ist einfach passiert. Joe und Shelia Chase haben es einfach immer übertrieben. Sie tun es noch. Sie sind übertrieben loyal, übertrieben tolerant – übertrieben großzügig. Brauchst du zwanzig Dollar, geben sie dir ihren letzten Zwanziger. Auch wenn sie sich dann keine Lebensmittel mehr kaufen oder mit dem Bus nach Hause fahren können. Mein Vater ist Hausmeister.“

Sie errötete, offenbar vor Scham. Doch sie sprach weiter. „Er würde dir sein letztes Hemd geben. Er ist einer von denen, die sofort anhalten, wenn sie sehen, dass du eine Reifenpanne hast. Leider lässt er sich auch ausnutzen und fällt auf jede Masche rein. Mom ist da nicht anders. Sie arbeitet schon ewig als Kellnerin im gleichen Diner und hat sich nie bemüht, einen besseren Job zu finden, weil sie diesem Laden eben treu ist. Immer wenn Dad gefeuert wurde, lebten wir von ihren Trinkgeldern. Aber für eine dreiköpfige Familie reicht das leider nicht.“

Ihre Stimme war so voller Schmerz, dass Chadwick plötzlich Wut auf ihre Eltern empfand. „Sie hatten Arbeit, aber ihr wart trotzdem auf die Verpflegung der Tafeln angewiesen?“

„Versteh mich nicht falsch. Sie lieben mich, sie lieben sich … Aber irgendwie scheint Geld für sie eine unbekannte Macht zu sein, auf die sie keinen Einfluss haben. Für sie ist es etwas, was uns im Leben zufließt und uns wieder verlässt, egal was wir tun. Das denken sie heute noch.“

Er selbst hatte sich über Geld noch nie Gedanken machen müssen. Trotzdem arbeitete er sehr hart für seinen Wohlstand.

„Liebe ist alles, was zählt, hat Mom immer gesagt. Wer braucht schon Autos, eine Krankenversicherung oder eine ungezieferfreie Wohnung? Sie nicht.“ Serena sah ihn an, ihre dunkelbraunen Augen funkelten. „Aber ich will mehr als das.“

Er saß einfach nur da und war einen Moment lang sprachlos. „Ich hatte ja keine Ahnung“, brachte er schließlich hervor.

Sie hielt seinem Blick stand, obwohl sie zitterte. „Niemand weiß davon. Ich spreche nicht darüber. Ich möchte nicht, dass die Leute mich als Sozialfall betrachten, sondern die Frau in mir sehen, die ich bin.“

„Wusste Neil davon?“ Obwohl er ja eigentlich nicht über Neil sprechen wollte, stellte er ihr diese Frage.

„Ja. Ein Grund, warum ich zu ihm gezogen bin, war sein Angebot, meinen Mietanteil zu übernehmen, bis ich genügend Geld haben würde. Ich denke … er konnte nie wirklich vergessen, woher ich kam. Aber er brachte Stabilität in mein Leben. Deshalb bin ich bei ihm geblieben.“ Sie sah plötzlich müde aus. „Ich weiß die Kleider und das Dinner wirklich zu schätzen, Chadwick. Aber es gab Jahre, in denen wir nur einen Bruchteil von dem hatten, was das alles kostet, um zu überleben. Diese kostspieligen Kleider …“

Und plötzlich verstand Chadwick. Plötzlich verstand er Serena besser, als er je einen Menschen verstanden hatte. Sie war liebenswert und loyal – aber nie bis zur Selbstaufgabe. Das hatte er schon immer an ihr bewundert. „Warum hast du dich damals für die Brauerei entschieden?“

Ohne seinem Blick auszuweichen, beugte sie sich ein wenig vor.

„Ich hatte einige Angebote für ein Praktikum. Aber die sozialen Leistungen und die Zufriedenheit der Mitarbeiter waren für mich am wichtigsten. In der Brauerei arbeiteten damals viele Menschen, die schon seit dreißig, vierzig Jahren dabei waren. Sie hatten ihr ganzes Arbeitsleben in den Dienst eines Familienunternehmens gestellt. Für mich war das ein Zeichen für ein stabiles Arbeitsumfeld. Und das war genau das, was ich wollte.“

Und all das stand nun auf dem Spiel. Auch wenn er nicht glücklich darüber war, dass die Familie die Firma verlieren könnte, besaß er immerhin ein beträchtliches Privatvermögen, das ihn materiell absicherte. Allein in dieser Hinsicht spielte Reichtum eine große Rolle. Selbstverständlich war ihm das Wohl seiner Angestellten wichtig, aber Serena hatte ihm in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, was für sie auf dem Spiel stand.

Sie blickte ihn durch ihre langen dunklen Wimpern an. „Zumindest dachte ich, dass es das war, was ich wollte.“

In diesem Augenblick begehrte er sie mehr denn je. Serena, anders als Helen und seine Mutter, interessierte sich nicht für Kleider und Juwelen.

Sie interessierte sich für ihn.

Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie diese zauberhafte und kultivierte Frau, die ihm gegenübersaß, in einer Schlange vor einer Essenausgabe wartete. „Ich habe versprochen, dich nicht im Stich zu lassen, Serena. Und ich halte meine Versprechen.“ Selbst wenn er die Firma verlieren sollte, würde er es nicht zulassen, dass Serena auf staatliche Unterstützung zurückgreifen musste.

Sie senkte den Blick, als wollte sie am liebsten alles zurücknehmen. „Ich weiß. Aber du bist nicht für mich verantwortlich. Ich bin nur deine Angestellte.“

„Zum Teufel damit!“ Er wusste, wie harsch er klang, aber es war nicht der richtige Moment für höfliche Zurückhaltung. Ihre Geschichte hatte ihn tief berührt, und außerdem war sie so viel mehr als nur seine Angestellte.

Ihre Wangen nahmen wieder dieses blasse Rosa an, das sie nur noch schöner aussehen ließ. Sie öffnete den Mund, als wollte sie mit ihm streiten. Doch genau in dem Moment kam der Kellner. Als er die Bestellung aufgenommen hatte – Filet Mignon für ihn, Hummer für sie – und wieder gegangen war, sah Chadwick sie an.

„Erzähl mir mehr von dir.“

Sie sah ihn misstrauisch an.

Er hob abwehrend die Hände. „Ich schwöre, ich werde dich danach nicht anders behandeln. Ich werde es nicht bereuen, dir die Kleider gekauft zu haben, und ich will immer noch gerne zu dieser Gala gehen, mit dir an meiner Seite.“ Weil du dort hingehörst, dachte er insgeheim.

An seine Seite, in sein Bett – in sein Leben.

Sie antwortete nicht sofort, deshalb beugte er sich leicht vor und senkte die Stimme. „Vertraust du mir, wenn ich dir versichere, es niemals gegen dich zu verwenden?“

Sie biss sich auf die Unterlippe. Wenn das doch nur nicht so verdammt sexy aussehen würde. Doch das tat es, wie alles andere auch.

„Beweise es.“

Aha, sie wollte ihn also auf die Probe stellen.

Er zögerte nicht eine Sekunde. „Ich bin von meinem Vater geschlagen worden. Einmal sogar mit einem Gürtel.“ Er sprach leise, damit es niemand hören konnte, doch die Worte kamen wie von selbst aus seinem Innersten und wollten offenbar gehört werden.

Erschrocken schlug sie die Hand vor den Mund und sah ihn schockiert an. Sie so mitfühlend zu sehen, war kaum auszuhalten. Er schloss die Augen.

Doch nun sah er seinen Vater mit dem ledernen, italienischen Gürtel in der Hand vor sich, wie er ihn anbrüllte, eine Drei in Mathematik sei absolut inakzeptabel. Chadwick hörte den Gürtel durch die Luft surren und spürte die schwere Silberschnalle auf seinem Rücken. Er erinnerte sich wieder, wie ihm etwas Blut den Rücken heruntergelaufen war. Alles nur wegen einer mittelmäßigen Note, die sich ein zukünftiger Unternehmer und Firmenchef laut Hardwick Beaumont nicht leisten durfte.

Er war damals elf Jahre alt gewesen. Die Narben, die der Wutausbruch seines Vaters hinterlassen hatte, waren immer noch zu sehen.

Das alles war schon so lange her. Trotzdem waren die schmerzhaften Erinnerungen daran immer noch lebendig. Er hatte sein ganzes Leben damit verbracht, den Weg zu gehen, den sein Vater für ihn geplant hatte. Aber was hatte er davon? Eine gescheiterte Ehe und eine Firma, die man ihm mir nichts, dir nichts wegkaufen konnte.

Chadwick öffnete die Augen und blickte Serena an. Sie war ganz blass geworden und wirkte entsetzt. Aber ihr Blick war nicht so, wie er befürchtet hatte – als würde sie von nun an nur noch den blutenden Jungen in ihm sehen.

Aber er sah ja auch die Frau in ihr, der er völlig vertraute, und nicht das kleine Mädchen, das in einer Schlange auf Lebensmittel wartete.

Er fuhr fort. „Soweit ich weiß, hat er keines seiner anderen Kinder geschlagen. Nur mich. Er hat mein Spielzeug zertrümmert, meine Freunde weggeschickt, mich in meinem Zimmer eingeschlossen. Alles, damit ich diese Firma führe.“

„Wie … wie konnte er so etwas nur tun?“

„Ich war nie sein Sohn. Ich war sein Angestellter.“ Die Worte klangen bitter, doch es war die Wahrheit. „Ich habe noch nie jemandem davon erzählt. Nicht einmal Helen. Denn ich will kein Mitleid.“

Aber ihr hatte er es erzählt. Weil er wusste, dass sie es nicht gegen ihn verwenden würde, so wie Helen es getan hätte. Helen hätte seine Vergangenheit benutzt, um ihn zu manipulieren und zu schwächen.

Serena würde nicht versuchen, ihn auf diese Weise zu manipulieren. So wie er sie nicht manipulieren würde.

„Also“, sagte er und lehnte sich zurück. „Erzähl mir von dir.“

Sie nickte. Sie war immer noch blass, aber sie verstand jetzt, um was er sie bat. Sie verstand ihn.

„Was soll ich dir erzählen?“

„Alles.“

Und das tat sie.

8. KAPITEL

Serena hatte sich bei Chadwick eingehakt, als sie mit ihm an den Paparazzi vorbei über den roten Teppich hoch zum Denver Art Museum ging. Vielleicht hielt sie seinen Arm ein bisschen fester als nötig. Aber das lag hauptsächlich an ihren hohen Absätzen.

Doch sie fühlte sich auch etwas unsicher, weil sie ihm von ihrer Kindheit erzählt hatte. Davon, wie sie einmal im Winter mit ihrer Mutter in einer Unterkunft für Frauen übernachtet hatte, weil ihr Vater nicht wollte, dass sie auf der Straße schliefen. Oder von den heimlichen nächtlichen Umzügen, um die fällige Miete nicht zahlen zu müssen.

Nicht einmal Neil wusste davon.

Im Gegenzug hatte ihr Chadwick von seinem Vater erzählt, der ihm das Leben zur Hölle gemacht hatte. Obwohl er bemüht gewesen war, ihr alles so nüchtern wie möglich zu schildern, hatte sie den Schmerz des hilflosen, missbrauchten Kindes unter der Oberfläche wahrgenommen.

Sie legte sich eine Hand auf den Bauch. Sie würde nicht zulassen, dass jemand ihr Kind so behandelte. Und es sollte sich nie fragen müssen, wo die nächste Mahlzeit herkam.

Als sie das Kunstmuseum betraten, versuchte Serena, ihre Gedanken zu beruhigen und den Horror, von dem Chadwick ihr erzählt hatte, zu vergessen.

Auf diesem Parkett kannte sie sich aus. Sie nahm bereits im siebten Jahr an der großen Gala im Denver Art Museum teil. Sie wusste, wie alles ablief und wie man ein Champagnerglas hielt.

Halt, Champagner würde es für sie heute Abend nicht geben.

Doch es bestand absolut kein Grund zur Panik. Schließlich trug sie ja bloß ein sündhaft teures Kleid, schwindelerregend hohe Absätze und wertvollen Schmuck. Unnötig zu erwähnen, dass sie außerdem schwanger war und ein Date mit ihrem Chef hatte …

Ein Glas Champagner wäre jetzt genau das Richtige.

Chadwick beugte sich zu ihr. „Atmen nicht vergessen!“, flüsterte er ihr zu.

Sie beherzigte seinen Rat. „Ja.“ Sie lächelte, und sofort fiel ihr das Atmen schon wesentlich leichter.

Er drückte ihre Hand, was ebenfalls eine beruhigende Wirkung auf sie hatte. „Gut so!“

Es war fast zehn Uhr. Nachdem sie während des Dinners begonnen hatten, sich Geschichten aus ihrer Kindheit zu erzählen, hätten sie darüber beinahe die Zeit vergessen. Einerseits machte es Serena verlegen, dass sie so viel preisgegeben hatte, andererseits erleichterte es sie, die verschütteten Erinnerungen, die sie immer noch quälten, nun teilen zu können.

Allerdings waren sie jetzt etwas spät dran, als sie das große Foyer betraten. Das entging auch einigen der anderen Gäste nicht. Serena sah, wie manche tuschelnd die Köpfe zusammensteckten oder die Hälse nach ihnen reckten.

Das war nicht gut.

Sie liebte ihr schwarzes Kleid, denn es stand ihr hervorragend, aber damit war sie in der Menge nie aufgefallen. Deshalb hatte Mario Schwarz strikt abgelehnt. Doch jetzt, wo sie hier in einer gewagten blauen Robe inmitten vieler Menschen stand, wünschte sie sich das klassische Schwarze zurück, denn die Leute starrten sie an.

Als sie in der Mitte des Foyers standen, trat plötzlich eine Frau in einem roten Kleid, das perfekt zu ihren feuerroten Haaren passte, aus der Menge auf sie zu. Serena hätte sich am liebsten entschuldigt, doch Königinnen flüchteten nicht einfach in den Waschraum.

„Da bist du ja“, sagte die Frau und küsste Chadwick auf die Wange. „Ich dachte schon, du würdest vielleicht nicht kommen und Matthew und ich müssten uns allein mit Phillip herumschlagen.“

Serena atmete erleichtert auf. Sie hätte Frances Beaumont eigentlich erkennen müssen. Sie war Chadwicks Halbschwester und innerhalb der Firma sehr beliebt. Manche Mitarbeiter nannten sie sogar „unsere Frannie“.

Frances war ein Mensch, den manche Leute als „drollig“ bezeichneten. Sie hatte einen messerscharfen Verstand, aber auch ein ausgeglichenes Wesen und ein herzliches Lachen.

Doch im Gegensatz zu allen anderen in der Firma schien Chadwick sich in Gegenwart seiner Halbschwester nie wirklich wohlzufühlen. Er reagierte sehr förmlich. „Wir wurden aufgehalten. Wie geht es Byron?“

Frances winkte ab, und Serena fragte sich, wer wohl Byron war.

„Er ist in Europa und leckt immer noch seine Wunden. Ich glaube, er ist in Spanien.“ Frances seufzte bekümmert, führte das Thema aber nicht weiter aus.

Chadwick nickte und beließ es dabei. „Frannie, du erinnerst dich sicher an meine Assistentin, Serena Chase?“

Frances musterte sie von oben bis unten. „Natürlich erinnere ich mich an Serena, Chadwick.“ Sie beugte sich vor und umarmte Serena. „Fantastisches Kleid. Wo haben Sie es her?“

„Neiman’s.“ Einatmen, ausatmen.

Frances lächelte sie warmherzig an. „Mario, nicht wahr?“

„Sie haben ein gutes Auge.“

„Selbstverständlich, meine Liebe. Ich handele mit Antiquitäten, da muss ich mich auf mein Auge verlassen können.“

Chadwick räusperte sich. Serena drehte sich zu ihm um und sah, dass er sie anlächelte. Dann wandte er sich wieder seiner Schwester zu. „Wolltest du gerade andeuten, dass Phillip schon betrunken ist?“

Frances machte eine wegwerfende Handbewegung, und Serena fielen ihre perfekt manikürten und farblich zum Kleid passenden Fingernägel auf. „Noch nicht. Aber ich bin mir sicher, er wird sich im Laufe des Abends noch etliche Drinks zu Gemüte führen.“ Sie beugte sich vor und flüsterte verschwörerisch: „Bei seinem Charme darf er das natürlich!“

Chadwick verdrehte die Augen. „Ich kann’s mir vorstellen.“

Serena lachte leise. Gott sei Dank behandelte Frances sie nicht wie eine Aussätzige.

Dann sagte sie plötzlich wieder lauter: „Oh, wenn man vom Teufel spricht … Da ist Phillip ja.“

Bevor Serena sich umdrehen konnte, spürte sie, wie ihr jemand eine Hand auf den Arm legte und dann langsam seine Finger über ihre Haut hinuntergleiten ließ. Dann tauchte Phillip Beaumont vor ihr auf. Er war wirklich ein echter Sonnyboy. Er war nur etwas kleiner als Chadwick und trug einen Smoking, aber keine Fliege, was ihm etwas Verruchtes verlieh.

Phillip nahm Serenas Hand und beugte sich vor. „Mademoiselle“, sagte er und presste ihren Handrücken an seinen Mund.

Unwillkürlich erschauerte sie. Sie mochte Phillip zwar nicht besonders, denn er war für Chadwick ein ewiger Quell des Kummers. Aber Frances hatte recht, er konnte sehr charmant sein.

Als Phillip sie anschaute, konnte man seinem Grinsen ansehen, dass er sich seiner Wirkung auf sie durchaus bewusst war. „Wo kommt denn dieses bezaubernde Wesen her? Aber noch wichtiger: Warum sind Sie an seiner Seite?“

Bezauberndes Wesen? Das hatte sie noch nie gehört. Phillip kam ab und zu in Chadwicks Büro, um mit ihm und Matthew zu reden. Sie hatte schon oft persönlich mit ihm gesprochen.

Chadwick räusperte sich hörbar. „Phillip, du erinnerst dich doch sicher an Serena Chase, meine Assistentin.“

Falls es Phillip peinlich war, sie nicht erkannt zu haben, dann ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen sah er sie mit einem schmeichelhaften Blick an, mit dem er die meisten Frauen ohne Umweg in sein Bett bekommen hätte.

„Wie könnte ich Miss Chase vergessen?“ Er beugte sich etwas vor und berührte wieder ihren Arm. „Sie kann man gar nicht vergessen.“

Als Serena hilfesuchend zu Frances blickte, zuckte die nur mit den Achseln.

„Das reicht.“ Chadwicks Tonfall war unmissverständlich.

Jeder andere wäre bei dieser Ansage sofort in Deckung gegangen, aber nicht Phillip. Offenbar brachte ihn nichts aus der Ruhe. Mit einem charmanten Augenzwinkern führte er sich ihre Hand erneut an die Lippen. Serena spürte, wie Chadwick sich anspannte, und befürchtete schon, die beiden könnten aufeinander losgehen.

Aber dann ließ Phillip von ihr ab und wandte sich seinem Bruder zu. Erleichtert atmete Serena auf.

„Ich habe Neuigkeiten“, verkündete er begeistert. „Ich habe mir ein Pferd gekauft.“

„Noch eins?“, entfuhr es Frances und Chadwick gleichzeitig. Es schien also häufiger vorzukommen.

„Soll das ein Scherz sein?“ Chadwick sah aus, als würde er seinem Bruder, gleich hier im Museum, an die Gurgel springen wollen. „Ich gehe davon aus, es war kein Schnäppchen.“

„Chad, lass mich ausreden.“

Chadwick zuckte zusammen. Serena hatte noch nie gehört, dass ihn jemand Chad nannte.

„Es ist ein Achal-Tekkiner.“

„Ein was? Wie teuer?“

„Diese Rasse ist sehr selten“, fuhr Phillip fort. „Sie stammt aus Turkmenistan.“

Serena wandte den Kopf zwischen den beiden hin und her wie bei einem Tennismatch. „Das ist doch in Asien, neben Afghanistan.“

Phillip lächelte sie glühend an. „Schön und klug. Chadwick, du bist ein Glückspilz.“

„Ich schwöre bei Gott …“, knurrte Chadwick.

„Die Leute starren uns an …“, flötete Frances und unterbrach die beiden. Dann sah sie Serena an und lachte laut auf, als hätte jemand von ihnen einen Witz erzählt.

Serena lachte ebenfalls. Sie hatte die beiden immer nur hinter Chadwicks geschlossener Bürotür streiten gehört, aber noch nie eine Auseinandersetzung persönlich miterlebt.

Ausnahmsweise schien Phillip den Ernst der Lage zu erkennen. Er wich einen Schritt zurück und hob beschwichtigend die Hände. „Wie ich schon sagte, es ist ein seltener Achal-Tekkiner.“

Chadwick fuhr sich über die Nase. „Wie viel?“

„Nur sieben“, sagte Phillip mit einem gewissen Stolz.

Chadwick sah ihn skeptisch an. „Tausend oder hunderttausend?“

Serena versuchte, sich ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Siebentausend Dollar waren wohl nicht viel für ein Pferd. Aber siebenhunderttausend?

Phillip schwieg. Er trat vorsichtig zurück und versuchte, tapfer zu lächeln.

Chadwick machte einen Schritt auf ihn zu. „Sieben was?“

„Weißt du, dass 1986 ein Achal-Tekkiner für fünfzig Millionen Dollar den Besitzer gewechselt hat? Dieses Pferd …“

Weiter kam er nicht. Chadwick war außer sich. „Du gibst sieben Millionen für ein Pferd aus, während ich alles tue, damit sich die Wölfe nicht über unsere Firma hermachen?“, brüllte er.

Plötzlich schien alles um sie herum zum Erliegen zu kommen – die Musik, die Unterhaltungen, die Bewegungen der Kellner.

Jemand eilte auf sie zu. Matthew Beaumont.

„Gentlemen“, zischte er. „Dies ist eine Charity-Veranstaltung!“

Serena legte eine Hand auf Chadwicks Arm und drückte sanft zu. „Ein guter Witz, Phillip“, sagte sie etwas lauter als notwendig. Frances warf ihr einen dankbaren Blick zu. „Weißt du, Chadwick, ich würde dir jetzt gerne die Direktorin der Tafel, Miriam Young, vorstellen.“ Serena wusste nicht genau, wo Mrs. Young sich gerade aufhielt, aber sie war sich sicher, dass diese Chadwick sehr gerne kennenlernen würde.

„Phillip, habe ich dir schon meine Freundin Candy vorgestellt?“ Frances nahm ihren Bruder beim Arm und zog ihn in die entgegengesetzte Richtung. „Sie will dich unbedingt treffen.“

Einen Augenblick lang blitzten sich die Brüder an. Chadwicks Blick war bedrohlich, Phillips herausfordernd – als könne er es kaum erwarten, dass sein Bruder ihm vor der versammelten feinen Gesellschaft Denvers an den Kragen ging.

Dann wurden die beiden endlich getrennt. Matthew blieb an Chadwicks Seite, um sich mit ihm auf die Suche nach der Direktorin der Tafel zu machen. Wobei Serena eher den Eindruck bekam, Matthew würde verhindern wollen, dass Chadwick doch noch auf Phillip losging.

„Serena“, sagte Matthew kurz und bündig zu ihr. „Gut gemacht. Bis jetzt …“, fügte er in strengerem Ton hinzu, „… war der Abend ein Erfolg. Es wäre wünschenswert, wenn wir bis zum Ende durchkämen, ohne dass es zu Handgreiflichkeiten kommt.“

„Mir geht’s gut“, unterbrach Chadwick ihn wütend, was aber alles andere als gut klang.

„Na ja “, murmelte Matthew, der sie beide zu einer Seitengalerie lotste. „Ich besorg dir einen Drink. Wartet hier!“ Er blieb bei einer Statue des amerikanischen Western-Malers und Bildhauers Frederic Remington stehen. „Ihr rührt euch nicht von der Stelle!“ Er schaute Serena an. „Okay?“

Sie nickte. „Ich habe alles im Griff.“

Das hoffte sie jedenfalls.

9. KAPITEL

Chadwick hätte nie gedacht, dass ein Mensch vor lauter Wut tatsächlich rotsehen konnte. Doch offenbar war er bis jetzt nur noch nie wütend genug gewesen, denn die Welt war plötzlich in ein zorniges Blutrot getaucht.

„Wie konnte er nur?“, hörte er sich selbst murmeln. „Wie konnte er ein Pferd zu diesem Preis kaufen, ohne auch nur eine Sekunde über die Konsequenzen nachzudenken?“

„Weil …“, hörte er eine sanfte weibliche Stimme neben sich, „… Phillip eben nicht so ist wie du.“

Die Stimme beruhigte ihn, und das Rot verschwand allmählich. Er sah, dass Serena neben ihm in dem leeren Seitenflügel des Museums stand.

Sie hatte recht. Sein Vater hatte Phillip nie etwas abverlangt. Er hatte nicht einmal Notiz von ihm genommen, es sei denn, er hatte etwas Haarsträubendes angestellt.

Wie zum Beispiel der Kauf eines Pferdes für sieben Millionen Dollar, dessen Rasse kein Mensch kannte.

„Erinnere mich bitte beizeiten daran, dass ich mich nur deshalb zu Tode schufte, damit er das Familienvermögen für Pferde und Weiber verjubeln kann. Bin ich eigentlich derjenige, der alle bis in alle Ewigkeit durchfüttern muss?“

Er spürte ihre zarten Finger, die sich um seine Hand legten. „Vielleicht …“, sagte Serena mit sanfter Stimme, „… musst du dich ja gar nicht zu Tode schuften.“

Er drehte sich zu ihr um, doch sie starrte konzentriert die Skulptur an.

Phillip hatte, seit er ein kleines Kind war, immer nur das getan, wonach ihm gerade war. Seine Schulnoten hatten keine Rolle gespielt, und er hatte viele Freunde haben und Sportwagen zu Schrott fahren dürfen. Ihrem Vater war das gleichgültig gewesen, denn er musste sich ja um seinen älteren Sohn kümmern.

„Ich …“ Chadwick schluckte. „Ich wüsste gar nicht, wie ich die Firma anders führen sollte.“ Dieses Eingeständnis fiel ihm fast noch schwerer als all das, was er schon während des Essens von sich preisgegeben hatte. „Ich bin so erzogen worden.“

Serena neigte den Kopf und schaute sich die Statue genau an. „Dein Vater starb während der Arbeit, oder?“

„Ja.“ Hardwick war während einer Vorstandssitzung zusammengebrochen. Als der Krankenwagen schließlich eintraf, war es zu spät gewesen.

Serena neigte den Kopf zur anderen Seite, blickte ihn aber immer noch nicht an. Sie hielt einfach nur seine Hand. „Mir bist du lebendig lieber.“

„Wirklich?“

„Ja.“ Sie begann, mit dem Daumen über seine Handfläche zu streicheln. „Wirklich.“

Der letzte Rest Zorn verflog. Chadwick wurde sich wieder bewusst, wo er war – und mit wem er hier war.

„Du hast mir vor einigen Tagen gesagt …“, begann sie leise, „… dass du etwas für dich tun willst. Nicht für die Familie, nicht für die Firma. Und dann hast du Unmengen für das, was ich hier trage, ausgegeben.“ Er sah, wie ein raffiniertes Grinsen ihre Mundwinkel umspielte. „Machen ein paar Nullen denn so einen großen Unterschied?“

„Ich muss kein Geld ausgeben, um glücklich zu sein, so wie Phillip.“

„Warum habe ich dann ein Vermögen am Leib?“

„Weil …“ Er hatte es nicht für sich getan. Er hatte es getan, um sie glücklich zu machen. Und das machte ihn glücklich.

Sie sah ihn mit einem Blick an, in dem weniger Ärger als Verständnis lag – als hätte sie genau diese Antwort von ihm erwartet. „Du kannst ein ziemlicher Dickschädel sein, Chadwick Beaumont.“

„Ist notiert.“

„Was willst du?“

Dich.

Er wollte sie schon seit Jahren. Aber da er nicht Hardwick Beaumont war, hatte er kein einziges Mal versucht, sich in irgendeiner Art an sie heranzumachen.

Doch jetzt tat er es. Er bewegte sich auf einem schmalen Grat zwischen erlaubtem und moralisch verwerflichem Verhalten.

Doch er wollte diesen Grat überqueren – mehr als alles andere.

Serena sah ihn durch ihre langen Wimpern an und wartete auf eine Antwort. Als er ihr keine gab, seufzte sie. „Weißt du, die Beaumonts sind ziemlich intelligent. Sie werden lernen, zu überleben. Du musst sie nicht beschützen. Kümmere dich nicht um sie. Sie werden es nie zu schätzen wissen, weil sie es sich nie selbst verdienen mussten. Kümmere dich um dich selbst.“ Sie streckte die Hand aus und berührte seine Wange. „Mach, was dich glücklich macht. Mach, was du willst.“

Wusste sie eigentlich, was sie da sagte? Vermutlich – sie hatte ihre Finger mit seinen verschränkt und ihm die andere Hand an die Wange gelegt. In ihren dunkelbraunen Augen lag ein Frieden, den er noch nie verspürt hatte.

Am liebsten hätte er diese Veranstaltung verlassen, Serena nach Hause gefahren und sie die ganze Nacht geliebt. Sie musste doch wissen, wie sehr er sich danach sehnte.

Würde sie es ihm erlauben? Niemals würde er sie in eine sexuelle Falle locken.

Er wollte, brauchte, ihre Erlaubnis.

„Serena …“

„Ah, da sind sie ja.“ Matthew trat auf sie zu. Er hatte Miriam Young, die Direktorin der Rocky-Mountain-Tafel, und einen Kellner mit einem Tablett voller Champagnergläser im Schlepptau. Er schaute Serena an. „Ist alles in Ordnung?“

Sie nahm die Hand von Chadwicks Wange. „Alles in Ordnung“, sagte sie mit einem zauberhaften Lächeln.

Als Matthew alle einander vorstellte, war Chadwick nicht ganz bei der Sache. Serenas Worte gingen ihm noch im Kopf herum.

Kümmere dich nicht um sie. Kümmere dich um dich selbst. Mach, was dich glücklich macht.

Sie hatte recht. Es war höchste Zeit, dass er machte, was er wollte.

Es war an der Zeit, seine Assistentin zu verführen.

Zwei Stunden in hochhackigen Schuhen herumzulaufen, stellte sich als schwieriger heraus, als Serena gedacht hatte. Sie musste ihr Gewicht ständig von einem Bein auf das andere verlagern, während sie und Chadwick mit neureichen Milliardären, Gouverneuren, Senatoren und Leitern verschiedener Stiftungen plauderten.

Chadwick hatte sich von dem Zwischenfall mit Phillip erholt. Serena wünschte sich insgeheim, dass ihre Unterhaltung, die sie in der Seitengalerie geführt hatten, dazu beigetragen hatte. Nachdem sie ihm geraten hatte, das zu tun, was er wollte, hatte er sie auf eine Art angeschaut, als ob sie alles war, was er wollte.

Doch es gab eine ganze Reihe von Gründen, warum sie ihn nicht begehren sollte. Aber mittlerweile war sie es leid, darüber nachzudenken, also ließ sie es bleiben und konzentrierte sich darauf, wie sehr diese schönen Schuhe schmerzten. So blieb sie im Hier und Jetzt.

Einmal abgesehen von den Schuhen, war es ein reizender Abend. Chadwick hatte sie zwar allen als seine Assistentin vorgestellt, aber dabei stets seine Hand auf ihrem Rücken ruhen lassen.

Langsam klang dieser wunderbare Abend aus, die Leute machten sich auf den Weg. Serena wusste nicht, ob Phillip schon gegangen war, doch er war nirgendwo zu sehen. Frances hatte sich schon vor einer Stunde verabschiedet. Und so war Matthew, der noch mit den Catering-Leuten redete, neben Chadwick der einzige Beaumont, der noch anwesend war.

Chadwick hatte sich gerade von dem Leiter der Centura-Klinik verabschiedet und drehte sich zu ihr um. „Deine Füße müssen furchtbar wehtun.“

Sie wollte wegen der Schuhe nicht undankbar erscheinen, aber sie war sich nicht sicher, ob sich ihre Zehen jemals wieder erholen würden. „Vielleicht ein bisschen.“

Es lag etwas Prickelndes in seinem Lächeln, das den ganzen Abend nur einer Frau gegolten hatte.

Ihr.

Er legte ihr eine Hand um die Taille und führte sie langsam zum Ausgang. „Ich fahre dich jetzt nach Hause.“

Sie lächelte. „Keine Angst. Ich werde schon keinen anderen bitten, mich zu fahren.“

„Gut!“

Einer der Angestellten brachte Chadwicks Porsche, doch Chadwick bestand darauf, ihr die Tür aufzuhalten. Schließlich saß auch er im Wagen, und dann rasten sie den Highway entlang, als könnte er es gar nicht erwarten, bei ihr zu Hause anzukommen.

Während der Fahrt sprachen sie beide kein Wort.

Was würde als Nächstes passieren? Und was noch wichtiger war: Was wollte sie, das als Nächstes passierte? Und – das war das Allerwichtigste – was würde sie geschehen lassen?

Sie wollte einen perfekten Abschluss für einen perfekten Abend. Sie wollte die Nacht mit ihm verbringen und seinen nackten Körper berühren, den sie schon einmal kurz gesehen hatte. Sie wollte in seinen Armen liegen und sich schön und begehrenswert fühlen und nicht über Schwangerschaften, Exfreunde und Jobs nachdenken.

Es war Samstagabend, und sie hatte wahrscheinlich noch nie so glamourös ausgesehen wie jetzt in dem neuen Kleid. Am Montag würde sie dann in ihr normales Leben zurückkehren. Sie würde ihren Hosenanzug anziehen, die Regeln befolgen und versuchen, nicht mehr an Chadwicks Berührungen zu denken. Und an das, was diese Berührungen bei ihr ausgelöst hatten, von dem sie geglaubt hatte, sie würde es nicht brauchen.

Nach einer kurzen Fahrt bog er in ihre Straße ein. Auf dem Parkplatz vor ihrem Apartment stach sein Porsche zwischen all den Kleinwagen und Minivans deutlich heraus. Serena wollte gerade die Beifahrertür öffnen, als er ihr die Hand auf den Arm legte. „Ich mach das.“

Dann sprang er aus dem Wagen, öffnete ihr die Tür und hielt ihr die Hand hin. Sie ließ sich von ihm aus dem tief liegenden Sitz des Wagens helfen.

Da standen sie nun.

Seine starke Hand hielt ihre ganz fest, als er sie an sich zog. Sie blickte zu ihm auf und fühlte sich auch ohne Champagner etwas schwindelig.

Den ganzen Abend lang waren sie von Menschen umgeben gewesen. Nun standen sie allein in der Dunkelheit.

Er fuhr ihr mit den Fingerspitzen übers Kinn und über die Wange. Serena schloss kurz die Augen.

„Ich bringe dich zur Tür.“ Seine Stimme klang leicht angespannt.

Das war der entscheidende Augenblick. Es war allein ihre Entscheidung. Sie wollte nicht, dass Sex mit Chadwick zu den Dingen gehörte, die einfach so passierten, wie beispielsweise ihre Schwangerschaft. Sie hatte die Kontrolle über ihr Leben. Sie traf die Entscheidungen.

Sie könnte ihm jetzt für den großartigen Abend danken und sich bis Montag von ihm verabschieden. Sie könnte in ihr Apartment gehen, die Tür schließen und …

Vielleicht gab es jedoch kein zweites Mal. Keine zweite Chance mit Chadwick.

Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Sie würde es nicht bereuen.

Sie öffnete die Augen. Chadwicks Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt, doch er drängte sie zu nichts. Er wartete auf sie.

Sie wollte ihn nicht länger warten lassen. „Willst du noch mit reinkommen?“

Er spannte sich merklich an. „Nur wenn ich auch bleiben darf.“

Dann küsste sie ihn. Sie stellte sich in ihren exklusiven unbequemen Schuhen auf die Zehenspitzen und legte ihm die Lippen auf den Mund. Sie wartete nicht, dass er den ersten Schritt machte. Und sie erwiderte auch nicht seinen Kuss, nein, sie küsste ihn.

Es passierte, weil sie es wollte. Weil sie es schon seit Jahren wollte und das Warten, verdammt noch mal, leid war.

„Es wäre schön, wenn du bleibst“, sagte sie, und im nächsten Moment hob Chadwick sie auf seine Arme und trug sie zu ihrem Apartment.

Er sah ihren fragenden Blick und grinste. „Ich weiß doch, wie sehr deine Füße schmerzen.“

„Das tun sie.“

Sie schlang ihm die Arme um den Nacken und hielt sich an ihm fest, während er die Treppe hochstieg und sie trug, als sei sie eins dieser mageren Dinger und keine Frau, deren Körper jeden Tag etwas mehr Gewicht zulegte. Allerdings hatte sie sich ja vor einigen Tagen ein Bild von seinen Muskeln machen können und wusste daher, dass es kein Problem für ihn war. Sie spürte seine starke warme Brust an ihrem Körper.

Ihre Aufregung wuchs. Ihre Brustwarzen zogen sich zusammen, und dieses intensive Verlangen, das sich zwischen ihren Schenkeln ausbreitete, machte ihr die Nähe von Chadwicks Körper nur noch stärker bewusst. Oh ja, sie wollte ihn. Und dieses Verlangen war anders als alles, was sie je für Neil empfunden hatte.

Es war gerade drei Monate her, dass sie mit Neil geschlafen hatte. Aber dass sie das letzte Mal ein solches Begehren gespürt hatte, lag schon viel länger zurück. Vielleicht lag es einzig und allein an ihren Hormonen, die verrücktspielten. Aber vielleicht lag es auch an Chadwick. Und sie hatte so lange versucht, sich nicht in ihren Boss zu verlieben!

Chadwick setzte sie vor der Tür ab, damit sie die Schlüssel aus der Handtasche nehmen konnte, doch er ließ sie nicht los. Er stand hinter ihr, legte ihr die Hände auf die Hüften und zog sie an sich. Er sagte nichts, doch sie spürte deutlich, wie erregt er war.

Serena öffnete die Tür. Nachdem sie die exklusiven Schuhe von den Füßen gekickt hatte, überragte Chadwick sie noch mehr. Seine Hände ruhten auf ihren Hüften, doch der sanfte Griff wurde allmählich fordernder. Er gab ihr das Gefühl schön zu sein, als bekäme er nicht genug von ihr – als würde er sich nicht länger zurückhalten können.

Genau das brauchte sie. Dass er sie so sehr wollte, dass er sich nicht länger zügeln konnte.

Er beugte sich zu ihr und brachte die Lippen an ihr Ohr. „Seit Jahren warte ich auf diesen Moment.“ Seine Stimme klang rau. Er zog sie wieder enger an sich, und sie merkte erneute, wie unglaublich erregt er war.

„Mir geht es genauso“, hauchte sie.

Sie berührte ihn, ließ die Hand zu der verräterischen Ausbuchtung an seiner Hose gleiten. „Ist das für mich?“

„Ja“, keuchte er. Sie spürte seinen heißen Atem auf der Haut, und er ließ eine Hand von ihrer Hüfte hinauf zu ihrer Brust wandern. Durch den Stoff des Kleides reizte er ihre Brustwarzen. „Du verdienst, dass man dich langsam und sinnlich liebt, aber ich brauche dich sofort.“

Wie um seine Worte zu unterstreichen, biss er ihr zärtlich in den Nacken. Es war nur ein leichter, spielerischer Biss, aber er weckte die Sehnsucht in ihr, die Lust, von ihm verzehrt zu werden. Ihre Beine begannen zu zittern.

„Widmen wir uns der langsamen Variante später“, stimmte sie zu und schmiegte sich so eng an ihn, dass sie wieder überdeutlich spürte, wie sehr er sie wollte.

Stöhnend trat Chadwick etwas zurück. Fast wäre sie gestolpert, aber dann spürte sie, wie er ihr den Reißverschluss des Kleides aufzog und es ihr abstreifte. Leise raschelnd landete es auf dem Boden.

Sie dankte Mario im Stillen dafür, ihr einen Tanga aus Spitze mit passendem BH mitgeliefert zu haben. So musste sie sich um den Anblick, den sie Chadwick bot, keine Sorgen machen.

Vorsichtig trat sie aus dem Kleid heraus und einen Schritt auf Chadwick zu.

„Serena“, raunte er. Er fuhr ihr mit den Händen über den Po. „Du bist … umwerfend.“ Er streichelte und massierte ihren Po und presste ihr die Lippen an die Stelle zwischen Hals und Schulter.

Sie löste sich von ihm, bevor ihre Beine schwach werden würden. Doch gleichzeitig fühlte sie sich schön und stark.

„Hier entlang“, sagte sie, schaute kokett über die Schulter und ging vor ihm her Richtung Schlafzimmer, wobei sie verführerisch die Hüften wiegte. Sie hörte, wie er leise aufstöhnte, und nahm das als Kompliment.

Sie steuerte aufs Bett zu, doch er kam ihr zuvor und griff nach ihr.

„Du bist wunderbar“, murmelte er, als er seine Hände unter den Spitzenrand ihres Tangas gleiten ließ. Er zog ihr den Slip herunter und streichelte dabei ihre Beine. „Davon habe ich schon immer geträumt.“

„Wovon?“

Geschickt öffnete er ihren BH und warf ihn auf den Boden. Jetzt war sie nackt. Er nicht.

Er dirigierte sie vorwärts, aber nicht aufs Bett zu. Stattdessen manövrierte er sie zu ihrer Kommode hin. Die Kommode, über der ein großer Spiegel hing.

Serena keuchte auf, als sie ihr Spiegelbild sah. Sie war nackt, er stand hinter ihr in seinem Smoking.

„Davon! Genau davon!“ Er beugte den Kopf hinunter, bis seine Lippen die Stelle genau hinter ihrem Ohrläppchen berührten. „Gefällt dir das?“, raunte er ihr leise ins Ohr, ohne seine Lippen von ihrer Haut zu nehmen.

„Ja.“ Sie konnte den Blick nicht von ihrem Spiegelbild lösen. Der Kontrast zwischen ihrer blassen nackten Haut und ihm, wie er sie in seinem dunklen Smoking überragte, erregte sie. Und es machte sie noch heißer zu sehen, wie er ihr die Arme um den Körper schlang und ihre Brüste umfasste. Der Anblick seines Mundes, als er ihren Nacken mit Küssen bedeckte.

Das Verlangen pochte zwischen ihren Schenkeln. „Ja!“, sagte sie erneut und griff nach hinten, um ihm mit den Fingern durchs Haar zu fahren. „Genau so!“

„Das ist gut. Das ist so gut, Serena.“

Sie stöhnte auf, als sie spürte, wie er mit den Fingerspitzen ihre empfindlichen, harten Brustwarzen reizte, und ließ den Kopf nach hinten an seine Schulter fallen. „Genau so ist es richtig“, flüsterte sie.

Mit der anderen Hand fuhr er an ihrem Körper hinunter, über ihre Hüften, ihren Bauch. Und tiefer. Als er das Zentrum ihrer Lust erreicht hatte, hielt er inne, dann spürte sie seine Berührung an ihrer empfindlichsten Stelle.

„Oh, Chadwick.“ Sie schnappte nach Luft, als er sie gekonnt mit den Fingern liebkoste. Mit der anderen Hand verwöhnte er ihre Brustspitzen, mit dem Mund ihr Ohrläppchen, während er sich an sie presste und sie seine Erektion fühlen ließ.

Sie bewegte sich rhythmisch über seine Hand, vor und zurück, während er sich gleichzeitig mit der anderen Hand weiter ihren Brustwarzen widmete.

„Leg die Hände auf die Kommode.“ Seine Stimme klang rau, als er es ihr befahl. Sie lächelte ebenso wissend wie verführerisch. Gut möglich, dass er sie in den Abgrund trieb, aber sie würde ihn mit sich ziehen. „Lass deine Augen geöffnet!“

„Das werde ich.“ Sie beugte sich vor und stützte sich auf der Kommode ab. „Ich will sehen, was du mit mir machst.“

„Ja“, stöhnte er.

Auf seinem Gesicht lag der Ausdruck purer Leidenschaft, als sich ihre Blicke im Spiegel trafen. Er drang mit einem Finger in sie ein, nur einen kleinen Zentimeter, doch es genügte ihr nicht. Sie brauchte mehr, viel mehr.

„Ich werde dich nicht mehr lange warten lassen“, raunte er verführerisch. Serena spürte, wie er sich zurücklehnte und dabei war, den Reißverschluss seiner Hose zu öffnen.

„Das nächste Mal mache ich das für dich.“

„Aber gerne. Moment noch.“ Er löste sich kurz von ihr.

Sie sah, wie er ein Kondom aus seiner Jackentasche holte. Sie konnte zwar nicht noch schwangerer werden, dennoch schätzte sie die Selbstverständlichkeit, mit der an einen Schutz dachte.

Nachdem er sich rasch das Kondom übergestreift hatte, lehnte er sich wieder an sie. Die Berührung ließ sie erzittern. Er beugte sich vor und küsste sie zwischen den Schulterblättern. Dann drang er mit einem einzigen Stoß in sie ein.

Serena keuchte auf und hielt einen Moment lang den Atem an. Er füllte sie aus, ganz und gar. Im Spiegel sah sie, wie er sie ansah, während er sie nahm, wie er immer wieder in sie eindrang. „Oh, Chadwick“, keuchte sie. „Oh … Ja … Ja!“

Ihr Höhepunkt kam so überraschend, dass sie das Gefühl hatte zu fallen, doch Chadwick hielt sie fest.

„Du bist so schön Serena. So schön“, stöhnte er.

Sein Griff um ihre Hüften wurde fester, seine Bewegungen schneller. „Alles in Ordnung?“, raunte er.

„Mehr als in Ordnung“, brachte sie keuchend hervor. Was sie da tat, hätte sie sich gar nicht zugetraut. Hatte sie gerade wirklich Sex mit Chadwick Beaumont, im Stehen – vor einem Spiegel?

Ja, verdammt, das hatte sie! Und es war das Heißeste, was sie jemals ausprobiert hatte.

„Böses Mädchen“, sagte er und grinste.

Im Spiegel sah sie nicht, wo sich ihre Körper trafen. Aber sie sah, wie er ihre Brüste reizte und seine Finger dann in Richtung ihrer Schenkel hinabgleiten ließ. Und sie sah das grenzenlose Verlangen in seinem Gesicht, wenn er sich nach vorne beugte, um an ihrem Hals oder ihrer Schulter zu knabbern.

Sie umklammerte den Rand der Kommode fester, als Chadwicks Stöße stärker wurden.

„Ich brauche dich so sehr.“ Er packte sie und zog sie rhythmisch an sich, immer wieder. „Ich habe dich immer schon gebraucht.“

„Ja …“ Sie keuchte, sie bäumte sich auf, sie kam ihm entgegen. Seine Worte schürten ihre Lust, und sie konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so begehrenswert gefühlt zu haben. „Ich … Ich …“ Ihr zweiter Höhepunkt brachte sie um den Verstand und raubte ihr die Worte.

Sie sah sich selbst im Spiegel, mit geöffnetem Mund und entrücktem Blick. Sich und ihm bei ihrem Liebesspiel zuzuschauen, war unglaublich erregend.

Chadwick stöhnte auf. Er war kurz davor zu kommen. Ein letztes Mal drang er in sie ein und hielt dann inne, das Gesicht lustverzerrt. Überwältigt sank er nach vorn, keuchend und erschöpft.

„Meine Serena“, sagte er, völlig außer Atem.

„Mein Chadwick“, flüsterte sie und wusste, dass es die Wahrheit war.

Sie gehörte ihm. Und er ihr.

Obwohl es nicht richtig war, denn er durfte ihr nicht gehören. Er war noch verheiratet, und er war immer noch ihr Boss. Und daran würde auch ihre explosive Begegnung nichts ändern.

Aber heute Nacht gehörte er ihr.

Doch was morgen sein würde, stand in den Sternen.

10. KAPITEL

Chadwick lag in Serenas Bett und fühlte sich hellwach, sein Körper war angenehm entspannt.

Serena. Wie lange hatte ihn diese Fantasie verfolgt, sie von hinten zu lieben? Seit Jahren. Aber vor einem Spiegel? Sie dabei zu beobachten, wie sie ihn beobachtete?

Wahnsinn!

Sie kam zurück und schloss die Tür hinter sich. Ihr Haar fiel ihr wellig über die Schultern. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie jemals mit offenem Haar gesehen zu haben. Er schaute ihren nackten Körper im Schein des schwachen Lichts an, das durch die Spalten der geschlossenen Vorhänge drang. Ihr Köper machte etwas mit ihm – Chadwick fühlte plötzlich etwas, von dem er gedacht hatte, es nicht mehr fühlen zu können. Es war so lange her …

Sie sah ihn an. „Möchtest du irgendetwas?“

„Dich.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. „Komm her.“

Sie schlüpfte ins Bett und schmiegte sich an seine Brust.

„Das war … wow.“ Lächelnd zog er sie enger an sich und gab ihr einen sehr, sehr langen Kuss. Er konnte einfach nicht genug von ihr bekommen. Von diesem herrlichen Gefühl, wenn er ihren Körper berührte – sie fühlte sich so weiblich an.

Er löste sich etwas von ihr.

„Chadwick“, murmelte sie.

„Ja?“

Sie zögerte einen Augenblick und malte einen kleinen Kreis auf seine Brust. „Ich bin schwanger.“

„Das weiß ich doch.“

„Aber stört es dich nicht? Ich meine, alles an mir verändert sich und fühlt sich seltsam an. Und bald werde ich aussehen wie ein Walfisch. Es ist … Ich fühle mich gerade nicht sehr attraktiv.“

Er fuhr ihr mit der Hand über den Rücken und den wunderbaren Po. „Du bist atemberaubend schön.“

Einen Moment lang schwieg sie. Dann fragte sie: „Warum haben du und Helen eigentlich keine Kinder?“

Er seufzte. Er wollte nicht über Helen sprechen. Nicht jetzt und nicht hier. Dennoch hatte Serena ein Recht darauf, es zu erfahren. „Du hast sie mal kennengelernt, oder?“

„Auf den Galas. Sie ist nie ins Büro gekommen.“

„Das Brauereigeschäft interessiert sie nicht, mein Job interessiert sie nicht. Aber das Geld, das ich nach Hause bringe, das interessiert sie.“ Teilweise war es auch seine Schuld. Wäre der Job ihm nicht immer über alles gegangen, wäre es vielleicht ganz anders gekommen. Aber vielleicht auch nicht.

„Sie ist sehr hübsch. Sehr …“

„Künstlich. Liegt an dem ganzen Plastik.“ Helen war einmal hübsch gewesen, aber sie hatte sich mit jedem Eingriff verändert. „Sie hat alles getan: Fettabsaugung, Brustvergrößerung, Botox. Sie wollte kein Kind, weil sie nicht schwanger sein wollte. Und mich wollte sie eigentlich auch nicht.“

Das war die bittere Wahrheit. Er hatte sich eingeredet, sie würde ihn lieben und dass er den Rest seines Lebens mit ihr verbringen wollte. Genau aus dem Grund hatte er ja die Unterhaltsklausel aus dem Ehevertrag streichen lassen.

„Vor circa zwei Jahren ist sie aus unserem Schlafzimmer ausgezogen. Und vor ungefähr vierzehn Monaten hat sie dann die Scheidung eingereicht.“

„Das ist eine ziemlich lange Zeit.“ Serena klang so schockiert, dass Chadwick sie noch fester in die Arme schloss. „Wolltest du denn keine Kinder? Ich verstehe ja, warum sie keine wollte, aber …“

Hatte er je Kinder gewollt? Er wusste es eigentlich nicht. Er hatte sich nicht ausdrücklich gegen Kinder entschieden, sondern war vielmehr den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. „Meine Mutter kennst du nicht, oder?“

„Nein.“

Er lachte. „Du würdest sie auch nicht kennen wollen. Entweder hat sie mich nur angeschwiegen, oder sie hat mich angeschrien. Und da ich Hardwicks Liebling war, hat sie mich genauso mies behandelt wie ihn. Ich war der, der ihre Figur ruiniert und sie stets daran erinnert hat, dass sie einen Mann geheiratet hatte, den sie hasste.“

„Hat Helen dich auch angeschrien?“

„Nein, nein … Aber mich angeschwiegen? Das schon. Es wurde mit der Zeit immer schlimmer. Ich hätte nie gewollt, dass ein Kind so aufwachsen muss, wie ich aufgewachsen bin. Ich wollte … Ich will nicht so sein wie mein Vater.“

Er konnte nicht anders, er nahm ihre Hand und legte sie auf eine Stelle an seinem Rücken – dorthin, wo die Narbe war.

Serena tastete behutsam mit den Fingerspitzen über die Verdickung der Haut. Chadwick hatte sich immer eingeredet, dass es letztlich bloß ein Kratzer war, ein kleines Stück vernarbte Haut.

„Oh, Chadwick!“ Serena klang, als würde sie gegen Tränen ankämpfen.

Er wollte ihr nicht leidtun und sprach einfach weiter, als sie tröstend über die Narbe fuhr. „Weißt du, wie viele Halbschwestern und Halbbrüder ich habe?“

„Frances und Matthew, oder?“

„Frances hat noch einen Zwillingsbruder, Byron. Das sind die Kinder, die Hardwick mit Jeannie hat. Dann hatte mein Vater noch eine dritte Frau, mit der er zwei weitere Kinder hat, Lucy und David. Und wir wissen noch von mindestens zwei anderen Kindern. Eins vom Kindermädchen und eins …“ Er schluckte.

„Von seiner Assistentin?“

Chadwick zuckte zusammen. „Ja. Aber wahrscheinlich gibt es sogar noch mehr. Deshalb habe ich ja auch so lange dagegen angekämpft, dass das hier passiert.“ Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich wollte nicht so sein wie er. Und als Helen sagte, sie wolle mit der Familienplanung warten … habe ich gesagt, okay. Um sie nicht unter Druck zu setzen und um mich anders zu verhalten als Hardwick.“

Serena begann wieder, kleine Kreise auf seine Brust zu malen. „Das sind alles nachvollziehbare Gründe“, sagte sie. „Ich war viel egoistischer. Ich habe Neil darum nicht geheiratet, weil meine Eltern verheiratet waren und ein Stück Papier für mich keine Sicherheit bedeutet. Ich bin immer davon ausgegangen, wir würden eines Tages Kinder haben, aber ich wollte warten, bis ich finanziell auf eigenen Beinen stehe. Ich habe jedes Extra gespart, um mir ein Polster anzulegen. Trotzdem habe ich alles falsch gemacht.“ Sie atmete tief durch. „Und jetzt liege ich hier.“

Er dachte über ihren letzten Satz nach. „Hier mit mir?“

„Ja. Unverheiratet und schwanger. Und ich habe mit meinem Boss geschlafen und damit klar gegen die Unternehmenspolitik verstoßen.“ Sie seufzte. „Seit ich erwachsen bin, habe ich versucht, Stabilität in mein Leben zu bringen. Ich bin mit einem Mann zusammengeblieben, den ich nicht wirklich leidenschaftlich geliebt habe, weil ich auf Nummer sicher gehen wollte. Ich lebe sogar immer noch in dem Apartment, in das wir vor neun Jahren zusammen eingezogen sind, weil die Miete nicht erhöht werden kann. Und jetzt? Es … es macht mir irgendwie Angst, neben dir zu liegen und hier bei dir zu sein.“

Sie hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, vor ihrer vermurksten Kindheit wegzulaufen. Er selbst tat im Prinzip nichts anderes, indem er versuchte, die Sünden seines Vaters nicht zu wiederholen.

Und dennoch lag er hier und hatte mit seiner Assistentin geschlafen. Und auch sie lag hier, eine Frau, die gewusst hatte, dass sie damit ihren Job aufs Spiel setzte.

Nein! Deshalb würde sich die Vergangenheit nicht wiederholen. Er würde Serena nicht fallen lassen, so wie sein Vater seine Assistentinnen fallengelassen hatte.

„Ich will mit dir zusammen sein, Serena“, sagte er. „Selbst wenn dadurch alles komplizierter wird. Durch dich fühle ich etwas, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich es noch fühlen kann. Weißt du, ich wurde nie als Sohn oder Ehemann wahrgenommen. Nur als Angestellter und Geldgeber. Doch wenn ich mit dir zusammen bin, fühle ich mich wie der Mann, der ich immer hätte sein sollen. Der ich aber nie war, weil mir keiner eine Chance gegeben hat.“

Serena schmiegte sich noch enger an ihn. „Und du hast mich nie wie eine Außenseiterin behandelt, sondern mir immer das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein.“

Er streichelte ihr mit der Hand übers Gesicht, strich ihr das Haar aus der Stirn und blickte sie an. „Ich werde dich nicht im Stich lassen, Serena. Ich habe dir ein Versprechen gegeben und werde es halten.“

Sie schloss die Augen. „Ich weiß, Chadwick. Und das bedeutet mir viel.“ Dann küsste sie ihn. Es war ein zarter Kuss, der süßer war als alles, was er je empfunden hatte. „Ich werde dich auch nicht im Stich lassen.“

Der zweite Kuss war nicht mehr ganz so zart. „Serena“, raunte er, als sie sich rittlings auf ihn schob und er spürte, dass sie bereit für ihn war. „Ich brauche dich.“

„Ich brauche dich auch“, flüsterte sie, drehte sich auf den Rücken und zog ihn mit. „Aber diesmal will ich dich nicht im Spiegel sehen, Chadwick. Ich will dich ganz nah vor mir sehen.“

Er nahm ein Kondom vom Nachttisch und streifte es rasch über. Dann zog er sie in seine Arme, küsste sie leidenschaftlich und drang mit einem einzigen Stoß in sie ein.

Sie stöhnte auf, als er sich auf einen Ellbogen aufstützte und ihre Brust umfasste.

Er ließ seinen Daumen mit schnellen Bewegungen über ihre harte Brustspitze gleiten. Ihre Brust fühlte sich warm, voll und echt an. Alles an ihr war echt – ihr Körper, ihre Gefühle, ihre Aufrichtigkeit.

Serena drückte ihm die Fingernägel in die Haut und strich ihm über den Rücken. Als sie ihm tief in die Augen sah, befeuerte das seine Lust umso mehr. Wieder und wieder drang er in sie ein, und eine Woge der Erregung riss ihn mit.

Dabei fühlte er sich gleichzeitig so gut und geerdet, so zufrieden hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Diese Art von Zufriedenheit kannte er nur aus der Zeit, als er gelernt hatte, wie man Bier braute. Die Braumeister hatten ihn immer respektvoll und wie ihresgleichen behandelt, anders als die meisten Kollegen, die sich nur bei ihm einschmeicheln wollten.

Serena hatte ihn nie so behandelt, als wollte sie ihn bloß ausnutzen, um ihre Karriere voranzutreiben.

Sie blickte ihm tief in die Augen, und er sah, wie die sinnlichen Empfindungen sie wie Wellen mit sich rissen. Er fachte ihre Lust immer weiter an, bis sie aufstöhnte, und, an ihn geklammert, den Gipfel erreichte. Dann ließ sie sich ins Kissen zurücksinken.

Im nächsten Moment erlebte er einen unglaublichen Höhepunkt, der ihn alles um sich herum vergessen ließ. Außer Serena. Er sah nur noch ihre Augen, ihr Gesicht, ihren Körper.

Er war erfüllt von ihr.

„Serena …“ Er wollte ihr sagen, dass er sie liebte, aber was hieß das eigentlich? Liebte er sie wirklich? Was er für sie empfand, war stärker als alles, was er je für irgendeine Frau empfunden hatte. Aber hieß das, dass er sie liebte?

Also schwieg er und nahm sie fest in die Arme.

„Bleib bei mir“, flüsterte sie. „Heute Nacht. In meinem Bett.“

„Ja.“ Denn das war alles, was er in diesem Moment brauchte. Er brauchte sie in seinen Armen.

Was, wenn es wirklich Liebe war? Mit Serena an seine Brust gekuschelt, driftete Chadwick auf diesem warmen und wundervollen Gedanken in den Schlaf. Er und Serena. Ein Liebespaar.

Doch dann riss ihn eine schreckliche Vorstellung abrupt aus dem Dämmerschlaf. Was, wenn es keine Liebe war? Was, wenn es nicht mehr war als eine vorübergehende Schwärmerei, die sich im grellen Licht der Wirklichkeit in Luft auflösen würde? Einer Wirklichkeit, der sie heute Abend zwar aus dem Weg gegangen waren, der sie sich am Montagmorgen aber wieder stellen mussten.

Er hatte mit seiner Assistentin geschlafen. Obwohl er noch nicht geschieden war.

Er hatte genau das getan, was sein Vater getan hatte.

11. KAPITEL

Chadwick wurde vom Duft nach knusprigem Speck wach.

Er drehte sich um und sah, dass die Uhr auf dem Nachttisch halb sieben anzeigte. Seit Jahren hatte er nicht mehr so lange geschlafen.

Als er sich aufsetzte, war das Erste, was er sah, der Spiegel, in den er geblickt hatte, als er Sex mit seiner Assistentin gehabt hatte.

Serena.

Hatte er es tatsächlich gewagt, die Grenze zu überschreiten?

Sein ganzer Körper verzehrte sich nach ihr. Die Antwort schien also ganz eindeutig Ja zu lauten.

Er rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Was hatte er nur getan? Dann hörte er, wie Serena leise und zufrieden vor sich hin summte.

Chadwick stand auf und zog seine Hose an. Nach einem Frühstück würde er sicherlich klarer sehen, deshalb machte er sich auf den Weg in die Küche.

Serenas Wohnung war sehr klein. Es gab ein Schlafzimmer, ein Badezimmer und dazwischen noch ein kleines Zimmer, das leer war. Im Wohnzimmer stand eine abgenutzte Couch an einer Wand. Auch die Stühle der Essgruppe hatten schon bessere Zeiten erlebt. Doch auf dem Tisch, auf dem eine saubere blaue Tischdecke lag, stand eine Vase mit den Rosen, die er ihr mitgebracht hatte.

Sein Weinkeller war größer als dieses Apartment, doch es gefiel ihm. Es sah so aus, wie er sich immer ein richtiges Zuhause vorgestellt hatte. Ein Heim, in dem Babys Wände bemalten und Saft auf dem Teppich verschütteten. Ein Zuhause voller Wärme und Freude, das ein Stück Heimat war, nicht nur eine Immobilie.

Serena stand in einem dünnen blauen Morgenmantel am Herd, ihr langes Haar fiel ihr über den Rücken. Ob sie nackt war unter dem Morgenmantel? Sie summte immer noch vor sich hin, als sie die Speckscheiben umdrehte. Es roch wunderbar.

Er lehnte sich an den Türrahmen und sah Serena dabei zu, wie sie für ihn kochte.

Es hatte etwas zutiefst Beruhigendes für ihn, dass sie sich um ihn kümmerte. Abgesehen von irgendwelchen Angestellten, hatte ihm noch nie jemand das Frühstück zubereitet.

War es das, was normale Menschen taten? An einem Sonntagmorgen aufstehen und zusammen frühstücken?

Er trat von hinten an Serena heran, legte ihr die Arme um die Taille und genoss den Duft ihres Haars – es roch nach Vanille. Dann drückte er ihr einen Kuss auf den Nacken. „Guten Morgen.“

Sie erschrak, lehnte sich dann aber in seine Umarmung. Er spürte ihren runden Po. „Hi.“ Sie blickte ihn über die Schulter an.

Er küsste sie erneut. „Frühstück?“

„Normalerweise stehe ich vor sechs Uhr auf“, sagte sie ein wenig verlegen.

„Das ist ziemlich früh.“ Obwohl er die gleiche Angewohnheit hatte.

„Ich habe einen Boss …“, sagte sie neckisch, während sie eine Scheibe Speck umdrehte, „… der an diesen unmenschlichen Arbeitszeiten festhält. Du weißt ja, wie das ist.“

Er lachte. „Ein ziemlicher Idiot, hm?“

Sie lehnte sich wieder zurück. „Nein, eigentlich ist er fantastisch.“

Er küsste sie noch einmal und ließ seine Hände über ihren Körper gleiten, woraufhin er einen spielerischen Klaps erhielt.

„Du willst doch nicht, dass das Frühstück anbrennt“, sagte sie mit einem Lachen. „Außerdem ist der Kaffee fertig.“

Vor der Kaffeemaschine standen bereits zwei Tassen.

Auch diese Maschine sah schon sehr alt aus. Serena hatte es also ernst gemeint, als sie ihm erklärte, jeden Cent zu sparen.

Seinesgleichen gab Geld aus, ohne darüber nachzudenken, denn es war ja genug vorhanden. Phillip war das beste Beispiel. Er sah ein Pferd und kaufte es, unabhängig davon, wie viel es kostete oder wie viele Pferde er schon besaß.

Verdammt, im Prinzip war er selbst nicht besser. Er hatte mehr Autos, als er fahren konnte, und sein Haus war viel zu riesig.

Und Serena? Brauchte keine neue Kaffeemaschine, nur weil ihre alt war. Alles, was funktionierte, war gut genug.

Er goss Kaffee in beide Tassen, setzte sich und betrachtete Serena. „Machst du oft Frühstück?“

Sie schob Brot in den Toaster. „Mittlerweile bin ich eine ziemlich gute Köchin. Es ist …“

„Etwas Reales?“

„Beruhigend“, antwortete sie lächelnd. „Ich verdiene meine Brötchen und schmiere sie mir auch selbst.“ Sie stellte zwei Teller mit Ei und Speck auf den Tisch und holte noch die Toasts und etwas Erdbeermarmelade. „Es ist viel günstiger, selbst zu kochen. Ich glaube, gestern Abend war ich zum ersten Mal seit drei Monaten wieder in einem Restaurant.“ Ihr Gesicht verfinsterte sich.

Chadwick erinnerte sich wieder. Vor drei Monaten hatten sie und Neil ihre Beziehung in beiderseitigem Einvernehmen beendet.

„Jedenfalls danke für das Frühstück. Für mich hat noch nie jemand Frühstück gemacht. Also niemand, den ich nicht dafür bezahlt habe.“

Sie wurde rot. „Danke dir für das Abendessen. Und die Kleider. Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich, dass noch nie jemand so viel Geld für mich ausgegeben hat.“

„Du hast dich toll verhalten. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“

Sie lächelte ihn an. Das Lächeln war gleichermaßen sanft und aufregend. „Es hat Spaß gemacht. Aber das nächste Mal ziehe ich mir andere Schuhe an.“

Das nächste Mal. Das war das Beste, was er seit Langem gehört hatte.

„Wann musst du los?“, fragte Serena.

Er wäre gerne geblieben, musste aber noch arbeiten, obwohl es Sonntag war. Um zwei Uhr hatte er einen Interviewtermin mit einer japanischen Zeitschrift. Den konnte er wohl kaum hier, in Serenas gemütlichem Zuhause, wahrnehmen. Es waren wirklich zwei unterschiedliche Welten, in denen sie lebten.

Der Gedanke nagte plötzlich an ihm. War es überhaupt möglich, diese Welten unter einen Hut zu bringen? Wie sollte das gehen? Die Firma löste sich in Wohlgefallen auf, die Scheidung kostete ihn ein Vermögen – außerdem war Serena schwanger. Und seine Assistentin.

Er hatte so lange auf sie gewartet. Und sie hatte sich beim Abendessen und auf der Gala auch wirklich tapfer geschlagen, aber würde sie sich deshalb in seiner Welt wohlfühlen?

Immerhin blieb ihnen noch dieser Morgen. Nach dem Frühstück half er ihr, die Geschirrspülmaschine einzuräumen, was ihm allerdings nur halbwegs gelang. Serena musste lachen, als sie alles neu einsortierte.

„Noch nie einen Geschirrspüler eingeräumt, was?“

„Da hab ich echt was verpasst“, sagte er, aber er war nicht beleidigt.

Serena klappte den Geschirrspüler zu, drehte sich zu ihm um und umarmte ihn. „Keine Sorge. Dafür kannst du andere Dinge besser.“

Er strich ihr den Bademantel von den Schultern und ließ ihn auf den Boden fallen. Ja, darunter war sie nackt. Im Licht der Morgensonne, das durch die transparenten Vorhänge in die Küche schien, sah er, was er gestern Nacht nur schemenhaft wahrgenommen hatte.

Sie hatte große und feste Brüste. Er legte ihr die Hände auf die Hüften, zog sie an sich und beugte sich hinunter, um die zarten Brustwarzen mit der Zunge zu umspielen. Serena keuchte auf und fuhr ihm mit beiden Händen durchs Haar. Sie reagierte auf jede seiner Berührungen. Es war perfekt.

„Ins Bett“, sagte sie in einem Ton, der ebenso schüchtern wie gebieterisch klang.

„Zu Befehl“, erwiderte er, trat salutierend einen Schritt vor und hob sie schwungvoll in seine Arme.

„Chadwick!“ Serena lachte auf, als er sie den kleinen Flur entlang zurück ins Schlafzimmer trug.

Er legte sie aufs Bett und zog sich in Windeseile aus. Dann nahm er sie in seine Arme, umfasste ihre Brüste, streichelte ihre Hüften, ihren Bauch, ihre Schenkel. Mit einem rauen Stöhnen drang er schließlich in sie ein und zog sie dabei fest an sich. Sie kam jeder seiner Bewegungen entgegen, und er liebte ihre Leidenschaft.

Das war es, was er wollte! Er pfiff auf die Firma, auf Helen, auf die Galas, ja, auch auf seine Brüder und Schwestern, die immer nur nahmen, aber nie etwas gaben.

Er wollte Serena und ein Leben, in dem er ihr beim Kochen oder Abwaschen half, in dem er mit ihr frühstücken und anschließend ins Bett gehen konnte, ohne zu irgendeinem Interview oder Meeting hetzen zu müssen.

Er wünschte sich ein Leben jenseits der Beaumont-Brauerei, in dem auch Serena ihren Platz hatte.

Allerdings hatte er nicht die geringste Ahnung, wie er das anstellen sollte.

Serena stöhnte erregt auf, und er veränderte das Tempo.

Ja, so sollte es sein. Es gab nur noch sie für ihn und die ungeahnten, aber wunderbaren Gefühle, die sie in ihm auslöste.

Das war es, was er wollte.

Es musste möglich sein.

Nachdem er eine weitere Stunde in ihren Armen verbracht hatte, schaffte er es schließlich, aufzustehen. Er zog sich an und ging, nach vielen langen Abschiedsküssen. Serena sah großartig aus, wie sie im Bademantel in der Tür stand und ihm zum Abschied nachwinkte.

Es musste doch eine Lösung für sie beide geben. Auf dem Weg nach Hause spielte er verschiedene Möglichkeiten im Kopf durch. Er war dabei, die Firma zu verlieren. Serena arbeitete für ihn. Eine Beziehung war gegen die strenge Firmenpolitik. Aber wenn er die Firma verlor …

Wenn er die Firma verlieren würde, wäre er nicht mehr ihr Chef. Sie könnte zwar auch ihren Job verlieren, aber wenigstens würden sie dann gegen keinerlei Firmenpolitik mehr verstoßen, und niemand im Unternehmen hätte Grund, sich das Maul über sie zu zerreißen.

Und dann? Was kam danach? Was wollte er tun? Serena hat ihn bereits gefragt und ihm nahegelegt, das zu tun, was er tun wollte.

Aber was könnte das sein?

Er wollte Bier brauen! Plötzlich wusste er es. Die beste Zeit seines Lebens hatte er damals in der Halle verbracht, in der das Bier gebraut wurde – es war das Jahr gewesen, in dem er mit den Braumeistern zusammengearbeitet hatte. Er wusste eine Menge über Bier und hatte bei der Auswahl der saisonalen Sorten entscheidend mitgewirkt. Was wenn …

Was wäre, wenn er die Brauerei verkaufen, aber das hauseigene Percheron-Bier behalten und damit ein kleines Unternehmen gründen würde? Beaumont wäre Vergangenheit, aber die Familientradition würde in der Marke Percheron weiterleben. Es wäre nicht mehr die Firma seines Vaters, sondern seine.

Er könnte Serena einstellen und gemeinsam mit ihr eine neue Firmenpolitik verfolgen.

Und sollten sie tatsächlich fünfundsechzig Dollar pro Aktie bekommen, wäre er in der Lage, Helen ein Angebot zu machen, das sie nicht ablehnen könnte.

Wenn er ein paar unwichtige Dinge zu Bargeld machte – Autos, den Jet, Immobilien, Pferde –, wäre er in der Lage, Helen einhundert Millionen Dollar anzubieten, damit sie endlich die Papiere unterschrieb. Selbst sie dürfte bei dieser Summe schwach werden. Danach hätte er immer noch genug für eine Neugründung mit dem Percheron-Bier übrig.

Je mehr er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm der Gedanke. Er wäre fertig mit der Beaumont-Brauerei – und könnte sich endlich von den Ideen seines Vaters verabschieden. Er dürfte endlich alles so machen, wie er es wollte, und das Bier brauen, das er brauen wollte. Sicher, es wäre nur eine kleine Firma, und er müsste sich finanziell einschränken, aber wäre das wirklich so tragisch? Serena hatte immer mit Einschränkungen klarkommen müssen und trotzdem ihr Leben gemeistert.

Er wollte ihr alles geben, was in seiner Macht stand. Wenn er ihr einen Job in der neuen Firma anbieten könnte, bei guter Bezahlung und mit allen Zusatzleistungen, die sie brauchte …

Dann wäre es so, als würde er ihr die ganze Welt zu Füßen legen. Denn dann hätte sie die Sicherheit, die sie sich wünschte.

Das könnte funktionieren. Sobald er zu Hause war, würde er mit seinen Anwälten sprechen.

Es musste funktionieren. Denn er wollte es.

Nachdem Serena Chadwicks exklusivem Sportwagen hinterher geblickt hatte, versuchte sie, nicht darüber nachzudenken, was die Nachbarn wohl denken mochten.

Das hieß aber nicht, dass sie sich keine Sorgen machte. Was hatte sie nur getan? Einmal abgesehen von der Tatsache, dass sie wahrscheinlich eine der romantischsten Nächte ihres Lebens erlebt hatte. Ein schickes Abendessen, eine glamouröse Gala, erstklassigen Sex? Es war wie in einem Märchen, in dem das arme Mädchen sich in die strahlende Prinzessin verwandelt.

Wann hatte sie zum letzten Mal so guten Sex gehabt? Mit Neil war es irgendwann nur noch Routine gewesen, nicht mehr annähernd so wie in ihren ersten Zeiten.

Aber Sex mit Chadwick? Ein Traum! Es war sogar noch besser gewesen, als sie es sich erträumt hatte. Chadwick hatte sich Zeit genommen und darauf geachtet, dass sie auf ihre Kosten kam – und das nicht nur einmal.

Wie wäre es wohl, mit einem Mann zusammen zu sein, der im Bett immer diese Rücksichtnahme an den Tag legte? Mit dem es immer so aufregend sein würde? Von dem sie nicht die Finger lassen konnte – jemand, der sie sexy fand, obwohl ihr Körper immer runder wurde?

Das wäre wunderbar.

Aber wie konnte sie diese Fantasie – denn es war nichts anderes als eine Fantasie – wahr werden lassen? Sie passte nicht in Chadwicks exklusive und kostspielige Welt. Und so unwiderstehlich er auch in seiner Smokinghose in ihrer Küche ausgesehen hatte, sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er in ihrem kleinen Apartment glücklich wäre.

Gott, wie sehr sie ihn begehrte. Seit Jahren hatte sie auf die Erfüllung dieses Traums gewartet. Aber sie hatte keine Idee, wie sie die Unterschiede zwischen ihnen überbrücken könnte.

In einem Anflug plötzlicher Gereiztheit fing sie an aufzuräumen, obwohl es bei ihr eigentlich sehr ordentlich war. Aber so war sie wenigstens beschäftigt – und musste nicht ständig an Chadwick denken.

Sie zog sich eine alte Jogginghose und ein T-Shirt an. Verdammt, morgen war Montag, und die Arbeitswoche ging los. Es würde ihr ganz schön schwerfallen, die Finger von Chadwick zu lassen. Vermutlich würde sie den ganzen Tag über nur an die verbotenen Dinge denken, die gegen die Firmenrichtlinien verstießen. Und das war einfach nicht mit ihren Moralvorstellungen vereinbar, zumal sie die Richtlinien selbst verfasst hatte.

Wie sollte das funktionieren, in Chadwick verliebt zu sein und für ihn zu arbeiten?

Das konnte nicht funktionieren. Es könnte nur klappen, wenn …

Wenn sie nicht mehr für ihn arbeitete.

Aber einfach kündigen? Selbst wenn die Firma verkauft werden würde, könnte sie nicht aussteigen und auf ihr Gehalt und die Zusatzleistungen verzichten. Eine Übernahme erstreckte sich für gewöhnlich über Monate – und genau diese Monate würden den Mutterschutz abdecken. Darüber hinaus könnte sie die Zeit nutzen, um zu überlegen, wie es weitergehen sollte.

Also, was unternahm sie jetzt wegen Chadwick? Sie hatte nicht vor, monatelang darauf zu warten, ihn endlich wieder küssen zu dürfen. Sie war es leid, so zu tun, als würde sie nichts für ihn empfinden.

Sie nahm die Laken aus der Waschmaschine und stopfte sie in den Trockner, als sie ein Geräusch an der Tür hörte. Ihr erster Gedanke war Chadwick. Vielleicht hatte er es sich anders überlegt und wollte den Tag mit ihr verbringen.

Aber als sie in den Flur eilte, sprang die Tür auf. Chadwick hat keinen Schlüssel, schoss es ihr durch den Kopf.

Und dann spazierte Neil Moore, semiprofessioneller Golfspieler und ihr Ex, herein.

„Hey, Baby.“

„Neil?“ Als sie sah, mit welcher Selbstverständlichkeit er ihre Wohnung betrat, wurde ihr ganz übel. „Was machst du hier?“

„Hab deine Mail bekommen“, sagte er und hängte seinen Schlüssel, den er immer noch besaß, an den Haken neben der Tür. Er musterte sie von oben bis unten. „Du siehst … ganz gut aus. Hast du zugenommen?“

Diese unverschämte Beleidigung brachte sie augenblicklich auf den Boden der Tatsachen zurück. „Um das klarzustellen, Neil. Ich habe dir eine Mail geschickt, dich aber nicht eingeladen, hier unangemeldet hereinzuschneien.“

Ihr wurde schwindelig. Was, wenn Neil vor zwei Stunden aufgetaucht wäre – als sie noch in Chadwicks Armen gelegen hatte? Oh Gott.

„Du wohnst hier nicht mehr. Du bist ausgezogen. Weißt du noch?“

„Ich vermisse dich.“

Nichts an ihm deutete darauf hin, dass das stimmte. Er schlenderte zur Couch – ihrer Couch – und fläzte sich hinein, als wäre nichts geschehen.

„Ist das so? In den letzten drei Monaten hast du dich nicht einmal gemeldet. Ich habe nicht den Eindruck, dass du mich vermisst.“

„Das tue ich aber“, sagte er beleidigt. „Also, worüber wolltest du mit mir reden?“

Sie starrte ihn böse an. Wenn Blicke töten könnten …

Aber Neil nahm ihren Blick gar nicht wahr. „Du hast ja immer noch keinen neuen Fernseher. Gott, Serena. Ich hätte nicht gedacht, dass es dich so umhaut, von mir verlassen zu werden.“

„Ich brauche keinen Fernseher.“ Nach neun Jahren des Zusammenlebens hätte er das eigentlich wissen können. „Bist du hier, um an mir herumzumeckern? Ich hab Besseres zu tun.“

Neil verdrehte die Augen und setzte sich gerade hin. „Weißt du, ich habe nachgedacht. Wir hatten neun schöne Jahre. Ich frage mich, warum alles aus dem Ruder gelaufen ist.“

Sie traute ihren Ohren nicht. „Vielleicht liege ich ja falsch. Aber die Dinge sind aus dem Ruder gelaufen, als du mit diesem Mädchen aus dem Country-Club ins Bett gehen musstest.“

Autor

Sarah M. Anderson
Sarah M. Anderson sagt, sie sei 2007 bei einer Autofahrt mit ihrem damals zweijährigen Sohn und ihrer 92-jährigen Großmutter plötzlich von der Muse geküsst worden. Die Geschichte, die ihr damals einfiel, wurde ihr erstes Buch! Inzwischen konnte sie umsetzen, wovon viele Autoren träumen: Das Schreiben ist ihr einziger Job, deshalb...
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