Die falsche Braut des Highlanders

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Das Blut gefriert der schönen Riona in den Adern: Ein Mann ist in ihre Schlafkammer eingedrungen! Seine Hand auf ihrem Mund erstickt ihren Schrei, dann packt der wilde Barbar sie unbarmherzig - und entführt sie in die Highlands! Doch bald verwandelt ihre Angst vor dem verwegenen schottischen Entführer sich in Zorn. Denn egal, wie oft sie dem breitschultrigen, attraktiven Highlander beteuert, dass er die falsche Catriona Duff in seiner Gewalt hat: Hugh McCallum schwört, dass sie einander versprochen sind. Er will sie heiraten! Und er setzt auf heiße Verführung, um seine widerspenstige Braut von den Freuden einer Highland-Hochzeit zu überzeugen …


  • Erscheinungstag 01.03.2016
  • Bandnummer 298
  • ISBN / Artikelnummer 9783733763398
  • Seitenanzahl 320
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

WIDMUNG

Ich möchte dieses Buch den Haustieren widmen, die unser Leben bereichern und uns so viel Freude bereiten. Für meinen lieben Hund Apollo, weil du mir immer diesen flehenden, seelenvollen Blick zuwirfst, wenn ich zu müde zum Spazierengehen bin. Weil du deine fünfundsiebzig Pfund an kalten Winterabenden an meine Seite drückst. Weil wir wunderbare Streifzüge durch den Wald machen, wo du überglücklich umherrennst. Dich anzuschauen, wenn du mit in die Luft gestreckten Pfoten schläfst, bringt mich jedes Mal zum Lachen.

1. KAPITEL

Großbritannien, 1727

Riona Duff schreckte benommen und mit einem unguten Gefühl aus ihrem tiefen Schlaf auf. Eine Kerze brannte in ihrem Leuchter auf dem Nachttisch und warf ein flackerndes Licht auf das Himmelbett und die Tür.

Das war nicht ihr Zimmer. Wo war sie?

Und dann erinnerte sie sich – sie war nicht mehr in London, wo sie den größten Teil ihres Lebens verbracht hatte. Sie war im Norden, in York, bei der Familie ihres Onkels, während ihre Eltern mit ihrer kränkelnden Schwester nach Südfrankreich gereist waren, damit diese sich erholte.

Es knarrte und Riona erstarrte, denn es klang, als ob eine Tür geöffnet wurde. Die neben ihr war geschlossen, was bedeutete …

Die große Hand eines Mannes bedeckte ihren Mund.

Riona riss die Augen auf und schrie, aber der Laut wurde durch die Hand erstickt. Sie roch Pferde und Schweiß und ihre eigene Angst. Sie versuchte, sich zu befreien, um zu flüchten, doch ihre Bettdecke hinderte sie daran, und dann legte der Mann seinen anderen Arm um sie und drückte sie nieder. In ihrer Brust klopfte das Herz, als wolle es zerspringen.

„Ich werde Euch nicht wehtun“, sagte er leise, aber schroff.

Er sprach mit dem gleichen schottischen Akzent, den auch ihr Vater nach all den Jahren in England nicht verloren hatte.

„Tut einfach, was ich sage“, fuhr er fort, „und ich werde die Hand von Eurem Mund nehmen, wenn Ihr mir versprecht, nicht zu schreien.“

Sie sah sich panisch um, aber die Kerze stand hinter ihm, sodass sein Gesicht im Schatten lag und sie nur die Silhouette seines Kopfes mit dem wilden Haar sehen konnte. Er ragte über ihr auf wie ein Berg; ein Fremder, der es gewagt hatte, vom Balkon aus in ihr Zimmer einzusteigen. Er könnte – alles wollen.

Er schüttelte sie ein wenig, und sie keuchte auf vor Angst.

„Habe ich Euer Wort, Mädchen?“

Da sie keine andere Wahl hatte, nickte sie. Die Hand glitt von ihrem Mund, aber mit dem Arm umfasste er sie weiterhin. Sie fühlte sich zerbrechlich unter dem bedrohlichen Gewicht.

„Was wollt Ihr?“, brachte sie zitternd mit erstickter Stimme hervor. „Ich besitze nichts von Wert. Man wird Euch fassen, wenn Ihr …“

„Ruhe!“ Obwohl er leise sprach, klang seine Stimme tief und drohend. „Ihr kommt mit mir.“

Er packte sie am Arm und zog sie hoch. In seiner riesigen Faust wirkte ihr Arm wie ein Zweig.

„Aber … wohin bringt Ihr mich?“, fragte sie entsetzt.

Er zog sie enger an sich und schüttelte sie erneut. „Ich werde all Eure Fragen später beantworten. Aber kein Wort mehr, bis wir fort sind.“

Er zog sie an den Armen hoch, als wäre sie eine Puppe. Und das ließ sie erkennen, wie groß er wirklich war. Er ragte hoch über ihr empor. Sein breiter Körper war von undurchdringlicher Schwärze. Sie zitterte so sehr, dass sie schwankte. Ihre einzige Hoffnung war, dass jemand kam, um sie zu retten, aber ihr Angreifer hatte keinen Lärm gemacht, und sie wusste, dass niemand nach ihr sehen würde. Sie war nur eine Nichte, die aus Pflichtgefühl der Familie gegenüber geduldet wurde, nicht mehr. Ihre Cousine Cat hätte sich um sie gesorgt, aber sie war mit Freunden auf dem Land.

„Ich habe Euch Kleider mitgebracht“, meinte der Fremde und drückte ihr ein Bündel gegen den Bauch. „Zieht sie an.“

Vor Entsetzen öffnete sie den Mund, schloss ihn aber gleich wieder und versuchte, tapferer zu klingen, als sie sich fühlte. „Ich werde mich vor Euch nicht ausziehen.“

„Oh, das verlange ich gar nicht von Euch. Behaltet Euer Nachthemd an und tragt das Kleid darüber. Ich habe Euch sogar einen Unterrock mitgebracht, da ich weiß, dass Damen so etwas brauchen.“

„Meine eigenen Sachen …“

„Sind zu gut und werden Aufmerksamkeit erregen. Beeilt Euch, wenn Ihr nicht wollt, dass ich Euch helfe.“

Für einen Moment hielt sie die Luft an, dann atmete sie aus, als er sie losließ. Sie nahm ihm das Bündel ab, drehte sich um und ließ es aufs Bett fallen. Es gab kein Korsett, was sie zu einem lockeren Frauenzimmer machen würde, aber sie wagte nicht, danach zu fragen. Sie zog den groben Leinenunterrock an und band ihn über ihren Hüften fest. Es gab keine Reifen, die darin festgenäht waren wie in ihren eigenen Unterröcken. Ihr Gesicht glühte, weil sie wusste, dass dieser Mann, dieser Fremde, hinter ihr stand und sie bei dieser intimen Handlung beobachtete. Ihre Zofe hätte die Kleidung vorsichtig über ihren Kopf gestreift. Riona war es nicht gewohnt, sich alleine anzuziehen.

Sie musste sich beeilen oder er würde seine Drohung, ihr zu helfen, wahr machen.

Sie fühlte, dass das Kleid aus einfacher Wolle gesponnen war und einen eckigen Ausschnitt hatte. Keine Öffnung vorne und kein Mieder, das man befestigen musste. Er hatte sich für ein praktisches Kleid entschieden. Nachdem sie es über ihren Unterrock gezogen hatte, war sie überrascht, seine Hände an der Schnürung in ihrem Rücken zu spüren. Zähneknirschend ertrug sie seine Vertraulichkeit.

Als er fertig war, legte er ihr beide Hände auf die Schultern und schob sie in Richtung Glastür, die auf den Balkon hinausführte. Sie machte zwei Schritte, dann stiegen Bilder vor ihrem inneren Auge auf, wie man sie entführte und ihr Gewalt antat – und ihr Leichnam niemals gefunden wurde. Vielleicht würde man ein Lösegeld von ihrem Onkel verlangen, doch dem war sie gleichgültig, und ihre Eltern waren zu weit entfernt, um zu reagieren. Besaß dieser Mann eine Waffe? Sie hatte keine gesehen, und dieses Wissen machte sie plötzlich kühn.

Riona ließ sich zur Seite fallen und überraschte ihn so, dass er sie losließ. Sie trat auf den Saum ihres Kleides, als sie versuchte, aufzustehen und zur Tür zu laufen, doch er umfasste mit einem Arm ihre Taille, hob Riona einfach hoch und drückte sie an seine Brust. Sie trat nach ihm, als er ihr wieder die Hand auf den Mund legte.

„Das reicht!“, zischte er ihr unfreundlich ins Ohr.

Er trug sie zur Glastür. Mehr als nach ihm zu treten konnte sie nicht tun, aber das schien ihn wenig zu berühren. Sie griff nach hinten, um mit ihrer freien Hand an seinen Haaren zu ziehen. Er fluchte und trug sie unaufhaltsam auf den Balkon hinaus in die kühle Sommerluft. Sie war den Lärm Londons gewohnt, wo Kutschen zu jeder Tages- und Nachtzeit fuhren und die Rufe der Straßenverkäufer schon vor Sonnenaufgang ertönten. Aber wenn man sich nicht mitten in der Stadt befand, war York so still wie eine Moorlandschaft; sie schienen hier die einzigen Menschen zu sein, die es auf der Welt noch gab. Schmerzlich wurde ihr bewusst, wie alleine sie war.

Als ihr Entführer zur Brüstung ging und sich darüberlehnte, schnappte sie nach Luft; der Halbmond beleuchtete den abschüssigen Garten. Ihr wurde so schwindelig, dass sich alles um sie herum drehte. Er konnte sie doch unmöglich gezwungen haben, sich anzuziehen, um sie dann in den Tod zu stoßen!

Plötzlich sah sie unten eine Laterne aufblitzen, die rasch wieder verdunkelt wurde, während sich in der Dunkelheit eine Kutsche in Bewegung setzte und von zwei schwarzen Pferden ins Mondlicht gezogen wurde und dort zum Stehen kam. Die gut abgerichteten Tiere verhielten sich vollkommen ruhig.

„Ich werde Euch zum Kutscher hinunterlassen“, flüsterte der Fremde ihr ins Ohr. „Wenn Ihr Euch wehrt, könntet Ihr fallen, und das wollen wir nicht. Verstanden?“

Sie nickte, aber als er die Hand von ihrem Mund nahm, sagte sie rasch mit heiserer Stimme: „Warum tut Ihr das? Ich bin für Euch nichts wert. Ein Lösegeld …“

„Ich will kein Lösegeld. Ruhig.“

Die ersten Tränen begannen, ihr die Wangen hinunterzulaufen, als er ein Seil emporzog, das an der steinernen Brüstung befestigt war. War er daran heraufgeklettert? Das konnte sie ihm unmöglich nachmachen!

„Unten am Seil befindet sich eine Schlaufe. Ihr stellt Euren Fuß dort hinein, und ich lasse Euch hinunter. Und jetzt los!“

Sie schnappte nach Luft, als er seine großen Hände um ihre Taille legte. Er hob sie hoch, sodass sie gezwungen war, sich auf die schmale Brüstung zu stellen, weil sie sonst riskierte zu fallen und sich das Genick zu brechen. Stöhnend schloss sie die Augen, schwankte und war tatsächlich dankbar, dass der Fremde sie an den Hüften festhielt.

„Schluss damit!“, befahl er streng. Dann seufzte er. „So geht es nicht, das sehe ich jetzt auch.“

„Dann lasst mich gehen, und ich werde niemandem verraten, was hier geschehen ist!“

Sie öffnete die Augen und taumelte, als der dunkle Garten sich unendlich auszudehnen schien und der Wind auffrischte. Vor Schreck war sie ganz benommen, sie konnte nicht glauben, was hier gerade passierte.

„Ich lasse Euch nicht gehen. Ihr seid meine Zukunft, Mädchen.“

Seine Zukunft? Aber sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, was er damit meinte, denn plötzlich schwang er sich zu ihr auf die Brüstung. Obwohl er so riesig war, bewegte er sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze.

„Dann werde ich Euch eben tragen müssen. Also haltet still, oder Ihr bringt uns beide um.“

Entsetzt begann sie: „Mich tragen …“

Doch er warf sie sich wie einen Sack voll Korn über die Schulter. Sie hing mit dem Kopf nach unten, die Welt drehte sich um sie, und sie spürte die grobe Wolle seines Umhangs an ihrem Mund und seine Arme an der Rückseite ihrer Schenkel, als er sich bückte, um das Seil zu ergreifen.

„Haltet Euch fest, Mädchen, oder es wird böse für Euch enden.“

Seine Stimme klang drohend, so als wolle er nicht, dass ihre Eskapaden sie beide in einen schrecklichen Tod stürzen ließen. Sie spürte seine Brustmuskeln und seinen vor Anstrengung angespannten Rücken, als er begann, sich von der Balkonbrüstung hinunterzulassen, und dann nur noch seine Arme, während das Seil in der Luft hin und her baumelte.

Zu entsetzt, um etwas anderes zu tun als zu beten, schloss sie die Augen und umklammerte seinen Umhang mit beiden Händen. Und dann war es vorbei, und sie dankte dem Herrn dafür, dass sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, wobei erwähnt werden muss, dass sie kaum Zeit dafür hatte, denn sie wurde sogleich in das Innere der Kutsche gestoßen, wo sie unsanft auf einer ledernen Sitzbank landete. Als sie versuchte, sich aufzurappeln, um sich aufrecht hinzusetzen, steckte ihr Entführer den Kopf durch die Tür. Seine breiten Schultern verbargen das fahle Mondlicht.

„Seid ein braves Mädchen und haltet Euch ruhig, wenn Ihr heute Nacht keine Gesellschaft haben wollt“, warnte er sie mit harter Stimme.

Dann warf er die Tür zu. Keine der Laternen brannte und beide Fenster waren durch Vorhänge verdunkelt. Um sie herum herrschte schwärzeste Finsternis. Sie tastete umher und fand den Türgriff, aber er war von außen blockiert. Enttäuscht rüttelte sie daran, dann sank sie in den Sitz zurück und schlang die Arme um ihren Leib. Die Kutsche fuhr mit einem Rucken an, und die Räder glitten leichtgängig über die gepflasterte Straße vor dem Haus ihres Onkels.

Sie war zu benommen und zu fassungslos, um zu weinen. Sie war die Gefangene zweier Männer und wusste nicht, was sie ihr antun würden. Und falls niemand gesehen hatte, was geschehen war – und es gab keine Geräusche, die darauf hindeuteten, dass sie verfolgt wurden –, war sie mit diesen Fremden mutterseelenallein. Sie konnte hier sitzen und sich ängstigen – oder sie konnte nach einer Möglichkeit suchen, sich zu befreien.

Zuerst probierte sie es erneut mit der Tür, aber es gab kein Entrinnen. Tastend orientierte sie sich, fand Decken, Kissen und Kerzen in den Stauräumen unter den Bänken und sogar einige Kleidungsstücke, aber weder eine Waffe noch Schießpulver. Die wollen wohl nicht, dass ich die Kutsche anzünde, dachte sie grimmig.

Sie fand eine verkorkte Flasche Cidre, ein wenig Käse und so etwas Ähnliches wie Brot, an dem sie zu knabbern begann. Schmeckte es nach … Hafer? Sie erinnerte sich plötzlich, wie ihr Vater über jenes Nahrungsmittel gesprochen hatte, das einen Großteil der Ernährung eines Clanmitglieds ausmachte: Haferkekse.

Warum um alles in der Welt hatte ein Schotte sie entführt? Wütend wollte sie zuerst die Kekse wegwerfen, aber ihr wurde bewusst, dass sie essen musste, um bei Kräften zu bleiben. Ihr brannten die Augen vor Wut und Hilflosigkeit. Nur um es versucht zu haben, warf sie sich gegen die Tür, so wie sie es bei einem Dienstboten gesehen hatte, als eine Tür geklemmt hatte, aber alles, was sie erreichte, war eine schmerzende Schulter. Und sie hätte mit dem Kopf voran auf die Straße fallen können …

Eine Weile blieb sie wachsam, um in dem Augenblick, in dem die Tür sich öffnen würde, hinauszuspringen. Sie stampfte mit den Füßen, rieb sich die Arme, schüttelte den Kopf, als ihre Lider schwer wurden. Aber die Kutsche setzte ihre Fahrt fort und die Straßen wurden holpriger. Schließlich sank ihr der Kopf auf die Brust und sie schloss die Augen. Dann fiel sie in einen unruhigen Schlaf.

Sie schreckte hoch, als die Kutsche anhielt, und drückte sich an die Tür, bereit, hinauszuspringen und loszurennen. Das schwache Morgenlicht fiel durch einen Spalt zwischen Vorhang und Fenster herein. Das fruchtbare Yorkshire-Tal würde voller Gehöfte sein, eines würde sie sicher erreichen können. Sie schloss fest die Augen und versuchte, sich auf den Moment zu konzentrieren, nicht auf die schreckliche Angst, die ihr Herz so pochen ließ und ihren Atem beschleunigte.

Die Tür öffnete sich, sie stürzte hinaus und prallte gegen eine harte männliche Brust. Er hielt sie an den Armen fest, bevor sie zu Boden fallen konnte.

„Wow!“, rief ihr Entführer und klang eher überrascht als verärgert. „Ihr seid eine Teufelin! So mag ich meine Frauen.“

„Ich bin keine Eurer Frauen!“, rief sie aus und versuchte sich zu befreien. „Hilfe!“, schrie sie.

Ihre Stimme verhallte in der weiten Landschaft. Die Sonne ging gerade am Horizont auf und beleuchtete lauter von niedrigen Mauern umgebene Hügel, die, so weit man sehen konnte, wie ein Karomuster wirkten. Hin und wieder konnte man einen steinernen Schuppen entdecken, der einsam mitten auf einer grünen Wiese stand, aber die einzigen lebendigen Geschöpfe waren auf ihren Weiden eingezäunte Schafe und Rinder. Grünes Getreide wogte in der Morgenbrise und reifte vor der Ernte im Herbst vor sich hin.

Sie sackte bestürzt in den Armen ihres Entführers zusammen, und er schüttelte sie wieder ein wenig auf jene Art, die ihr bereits jetzt schon lästig war. Sie kämpfte gegen ihn an, aber er ließ sie nicht los und sie spürte jeden einzelnen seiner Finger, wie er sich in ihr Fleisch grub.

„Ich lasse Euch los, wenn ihr mir versprecht, hierzubleiben. Aber wenn ich Euch noch vor dem Frühstück hinterherjagen muss …“ Er verstummte.

Stumm blickte sie zu ihm auf – und sah den Mann, der sie gefangen hielt, zum ersten Mal wirklich. Sein Haar war so schwarz wie das Innere der Kutsche. Es war dicht und gewellt und wäre ihm bis auf die Schultern gefallen, wenn er es nicht zurückgebunden hätte. Sein Gesicht war faszinierend, nicht schön, wie das mancher Männer in London mit ihren gepuderten Antlitzen und ihren Schönheitsflecken, sondern markant und männlich. Dichte Brauen saßen über grauen Augen, die im Morgenlicht fast silbrig wirkten. Seine Wangenknochen hätten aus Stein gemeißelt sein können, und sein Mund war ein dünner Strich und wirkte, als ob er nicht lächeln konnte.

Blinzelnd erstarrte sie und fragte sich, warum es sie interessieren sollte, ob er ab und zu auch lächelte. Sie konzentrierte sich auf die Narbe, die sein Kinn spaltete. Sie war ein Beweis dafür, dass er ein Schurke war, ebenso wie die Pistole im Bund seiner Breeches und der Schwertgurt, der um eine Schulter und seine Brust geschlungen war.

Er musterte sie ebenso aufmerksam.

Hinter ihm sagte ein weiterer Mann höflich: „Du willst, dass sie stillhält? Du bittest das Mädchen um ein Versprechen, das es nicht geben will.“

Um beide Männer besser sehen zu können, trat Riona einen Schritt zurück, wobei sie gegen die Kutsche stieß. Der zweite Fremde, der Kutscher, betrachtete sie mit seinen braunen Augen. Sein Gesicht war gewöhnlich, aber das Haar unter seinem Bonnet machte ihn einzigartig, denn er hatte leuchtend rote Locken, die sich kaum in einem Zopf bändigen ließen.

Ihr Entführer musterte den Kutscher. „Wenn sie es nicht verspricht, werde ich gezwungen sein, sie zu fesseln.“

„Ich werde eine solche Behandlung nicht hinnehmen“, antwortete Riona, ihre Stimme klang dumpf. „Ich verlange zu erfahren, warum Ihr mich entführt habt und welche schändlichen Taten Ihr plant!“

Er hob seine dunklen Brauen, aber ansonsten blieb sein Gesicht ausdruckslos. „Lady Catriona, ich bin der Chief des McCallum-Clans. Unsere Väter haben uns vor vielen Jahren verlobt. Ich bin gekommen, um Euch zur Frau zu nehmen.“

2. KAPITEL

Hugh McCallum betrachtete seine Verlobte im Morgenlicht und … sie strahlte vor Schönheit. Ihr Haar hatte sich aus dem schlichten Zopf, den sie sich geflochten hatte, gelöst, und nun sah sie mit ihren goldenen Strähnen aus, als wäre sie gerade aus seinem Bett aufgestanden. Ihre grünen Augen funkelten und brannten, als wolle sie ihn in Flammen aufgehen lassen. Ihr Gesicht verriet all ihre Gefühle, von den vollen zitternden Lippen über ihre geröteten Wangen bis hin zu ihren Augen, die überraschtes Entsetzen widerspiegelten. Das Kleid, das er ausgewählt hatte, damit sie aussah wie eine schlichte Bauersfrau, betonte ihre natürliche Eleganz und ihre schlanke Figur mit den verführerischen Kurven. Ein paar Stunden zuvor hatte er diese Kurven kaum verhüllt von ihrem leinenen Nachtgewand gesehen, und er war fassungslos gewesen.

Sie war ein hübsches Mädchen – und sie würde ihm gehören.

Hugh war überrascht, dass der kalte Handel seines Vaters mit dem Earl of Aberfoyle, Oberhaupt der Duffs und der Erzfeind seines Clans, ihm eine solch schöne Braut beschert hatte. Der Vertrag war geschlossen worden, als Catriona noch ein Säugling gewesen war.

Flüsternd fragte sie: „W…was h…habt Ihr gesagt?“

„Wir sind verlobt. Wusstet Ihr das nicht?“

Samuel hüstelte, jedoch vergebens, denn Hugh warf seinem Leibwächter einen Blick mit einer unausgesprochenen Warnung zu. Er hob die Hände und ließ die beiden stehen, um sich um die Pferde zu kümmern.

„Ihr lügt“, antwortete Riona schließlich und ihre Stimme gewann wieder an Sicherheit.

Zumindest würde sie ihm nicht ohnmächtig vor die Füße sinken. Es gefiel ihm, ihre Stärke zu sehen, auch wenn sie gegen ihn ankämpfte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte geduldig: „Ich lüge nicht.“

„Mein Vater hätte es mir erzählt“, beharrte sie, die kleinen Fäuste in die Hüften gestemmt.

Diese Geste lenkte ihn kurz ab. Doch dann beeilte er sich, das Gespräch wiederaufzunehmen. „Ihr seid Catriona Duff. Ich war heute Nachmittag bei Eurem Vater, und er hat sich unehrenhaft verhalten.“

Sie wurde plötzlich rot. „Ich bin nicht die Einzige, die verwirrt ist. Ihr habt die falsche Braut!“

Etwas anderes hatte er nicht von ihr erwartet. Sie wehrte sich verzweifelt, und es war offensichtlich, dass ihre Eltern ihr die Wahrheit verheimlicht hatten. Hugh war nicht überrascht, dass sie versuchten, den Vertrag zu brechen, und sich weigerten, ihm die dem Clan zustehende Mitgift zu bezahlen, obwohl sie zweiundzwanzig Jahre lang das Recht auf die Nutzung des besten McCallum-Landes erhalten hatten, nachdem sie den Vertrag unterschrieben hatten.

„Ihr könnt es leugnen, so viel Ihr wollt, aber damit kommt Ihr bei mir nicht weit.“

Sie streckte die Arme weit aus. „Ich sage Euch die Wahrheit.“

„Ihr seid Catriona Duff.“

„Ja, aber es gibt zwei von uns. Meine Cousine und ich haben denselben Namen, weil keiner unserer Väter nachgeben wollte. Man nennt sie Cat und mich Riona.“

Er ignorierte ihren lächerlichen Versuch, ihn zu täuschen. Er wusste, zu welch doppeltem Spiel ihre Familie fähig war – sie hatten es über Jahrhunderte bewiesen und sogar Viehdiebstahl in Friedenszeiten begangen. „Riona passt zu Euch. Es klingt weiblich.“

Er ging einen Schritt auf seine Verlobte zu, denn er verspürte das Verlangen, sie zu berühren. Als sie zur Seite auswich, redete er sich ein, dass er geduldig sein müsse. Es stand für ihn bei seinem eigenen Clan zu viel auf dem Spiel. Ihre Mitgift würde dessen Wohlstand vergrößern. Und er brauchte eine sanfte, willige Braut, wenn er nach Hause zurückkehrte. Nur so konnte er den Respekt des Clans erringen und die Erinnerungen an seine törichten Jugendsünden überdecken.

Wohl wissend, dass er Riona jederzeit einholen konnte, falls sie floh, wartete er ab, was sie tun würde. Sie zögerte, und langsam sackte sie in sich zusammen, als sie das riesige Tal sah, die weiteren Täler im Nordwesten und die Moore, die sich über den Nordosten erstreckten. Ihre lange Reise würde sie mitten hindurch führen. Sie war vorsichtig wie ein Schmetterling, der abwartete, wie der Wind sich drehen würde. Schließlich sah sie ihn wieder an.

„Laird McCallum“, sagte sie.

Sie versuchte nun, vernünftig zu klingen, obwohl ihr Zittern sie verriet. Eine Braue fragend gehoben, wartete er weiterhin ab, was sie als Nächstes tun würde.

„Bringt mich zurück“, verlangte sie. „Wir können York noch nicht weit hinter uns gelassen haben. Mein Onkel wird alles erklären. Cat befand sich gestern auf dem Land, aber sie soll heute zurückkehren.“ Sie schloss kurz die Augen. „Oh Gott, Cat weiß nichts von dieser Verlobung. Wenn sie es herausfindet …“

Hugh wusste ihre Bestimmtheit zu würdigen. Er war nicht gekränkt, weil sie so hartnäckig versuchte, sich gegen die bevorstehende Hochzeit zu wehren. Sie war offensichtlich überrascht gewesen. Und obwohl sein Vater ein armseliges Exemplar Mann und öfter betrunken als nüchtern gewesen war, hatte er Hugh zumindest von der Verlobung in Kenntnis gesetzt, als er alt genug war, es zu verstehen. Es war keineswegs so, dass Hugh sich über sein Schicksal gefreut hätte …

Und dann hatte sein Vater dem Whisky noch mehr zugesprochen, bis Hughs Mutter ihn und seine Schwester zu ihrer Familie gebracht hatte.

„Ich kann Euch nicht heiraten!“, rief Riona. „Ich – ich bin schon verlobt.“

Er zuckte mit den Achseln. „Was immer Ihr getan habt, weil Euer Vater nicht die Ehre besaß, Euch die Wahrheit zu sagen, verändert nichts an dem Vertrag zwischen unseren Familien. Eure Familie hat dem Vertrag bei Eurer Geburt zugestimmt, und seitdem haben beide Familien den Reichtum des besten Landes geteilt. Nun ist es an der Zeit, dass meine Familie profitiert – von Eurer Mitgift.“

Sie sah ihn blinzelnd an. „Mitgift?“

„Der Brautpreis. Die Mitgift.“

„Also geht es Euch ums Geld“, entgegnete sie verächtlich.

Er betrachtete sie. „Geht es nicht in jeder Ehe der Privilegierten um Geld? Aber es ist nicht nur das Geld. Mein Clan hat sich Eurem Vater gegenüber ehrenhaft verhalten, die Kontrolle über die klarsten Quellen, den feinsten Torf und die beste Gerste aufgegeben, die wir für unseren Whisky nutzen. Diese Ware ernährt meine Leute. Der Vertrag war für meinen Vater ein großes Opfer, das er gebracht hat, damit Frieden zwischen unseren Clans herrscht. Das Einzige, was wir hatten, war das Versprechen, Euch in der Zukunft an meiner Seite zu haben. Wir wollen, dass dieser Handel eingehalten wird.“

Sie blickte ihn kurz an, dann lachte sie bitter auf. „Cats Leben und ihre Freiheit waren eine Ware, die gegen Whisky eingetauscht wurde?“

Er runzelte die Stirn. „Lasst meinen Clan niemals die Verachtung in Eurer Stimme hören, wenn Ihr über das sprecht, was unseren Clan ernährt und Geld einbringt. Solche Möglichkeiten gibt es dank der Sassenachs wenig in den Highlands.“

Sie blinzelte verwirrt. „Sass … wie bitte?“

„Engländer. Hatte Eure Familie so wenig Stolz, dass sie Euer Gälisch vernachlässigt hat?“

Sie richtete sich auf. „Meine Mutter ist Engländerin.“

Er wandte sich ab und sagte über die Schulter hinweg: „Das stimmt nicht. Eure Lügen ändern nichts an dem Sachverhalt, Lady Catriona. Wie jede Frau wusstet Ihr, dass Ihr heiraten müsst und dass die Wahl eines Gemahls nicht in Eurer Hand liegt.“

„Nun, ich hätte Euch sicher nicht gewählt! Und meine Cousine Cat auch nicht. Wenn Ihr mich nicht zurückbringt, könnt Ihr die Hoffnung aufgeben, sie zu gewinnen. Unsere Familie wird diese Entführung als Akt des Verrats und als Beleidigung sehen – und als Grund, den Vertrag zu brechen.“

Plötzlich ragte er drohend über ihr auf und beobachtete, wie sie zur Kutsche zurückwich. „Erzählt Ihr mir nichts von Verrat. Schon gar nicht, nachdem Euer Vater gestern kalt versucht hat, den Vertrag zu brechen, indem er behauptete, er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, dass seine Tochter ‚zu den McCallums verschleppt wird‘ – das waren seine Worte. Ich sah einen Mann – wenn man ihn denn so nennen kann –, der nach einer Möglichkeit suchte, den Vertrag zu brechen. Mein Vater ist nun tot, und ich trage die Verantwortung für den McCallum-Clan. Der Earl wird seinen Teil des Handels einhalten, wenn er sieht, dass er keine Wahl hat. Seinetwegen habe ich Euch aus Euren Gemächern entführt, anstatt Euch ehrenhaft vorgestellt zu werden. Ich kam mit Geschenken, die für die Verbindung unserer Clans angemessen waren. Unser Treffen hätte als ein Versprechen auf die Zukunft gefeiert werden sollen.“

„Ich … ich …“

Zu seiner Überraschung presste sie die Hände gegen seine Brust. Er rührte sich nicht, obwohl diese Geste seine Stimmung hob. Es war nicht ihre Schuld, dass man sie nicht richtig erzogen hatte. Er umfasste ihre weichen, schmalen Hände und hielt sie fest. „Untersucht Ihr die Ware, Mylady?“

Sie schnappte nach Luft und zog die Hände zurück. Er ließ es geschehen. Beinahe hätte er gelächelt, aber er würde nicht zulassen, dass sie ihn für einen Freund hielt, einen Mann, den man überzeugen konnte, seine Meinung zu ändern. Nichts davon traf auf ihn zu. Er war ihr zukünftiger Ehemann, ihr Herr. Sie musste begreifen, dass sie von jetzt an ihm gehorchen musste, nicht ihrem vetragsbrüchigen Vater.

„Nun holt das Essen, das ich in der Kutsche verstaut habe“, wies er sie an. „Es sei denn, Ihr wollt verhungern.“

Aufmüpfig kniff sie ihre grünen Augen zusammen und beinahe hoffte er, dass sie ihm widersprechen würde, damit ihre Auseinandersetzung weiterging. Dann reckte sie das Kinn und drehte sich um, um in die Kutsche zu steigen.

Hugh erwiderte Samuels Blick und nickte zufrieden. In Samuels Lächeln lag ein Anflug von Sorge, und er schüttelte den Kopf. Hugh hielt die Bedenken seines Leibwächters für unbegründet. Sie waren nach York gekommen und hatten getan, was getan werden musste. Aber er musste sich auch eingestehen, dass selbst er sich Sorgen gemacht hatte, was für eine Gemahlin man ihm aufgehalst hatte.

Gut, sie mochte noch widerspenstig sein, aber er hoffte, dass sie sich schließlich beruhigen würde.

Den Stoffbeutel in einer Hand erschien sie in der Kutschentür. Er wollte ihr hinunterhelfen, aber sie drückte ihm den Beutel in die Hand und stieg ohne seine Hilfe herab.

Ohne ihn anzusehen, sagte sie steif: „Ich brauche einen Augenblick für mich alleine.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte bestimmt: „Wenn Ihr versucht, fortzulaufen, werde ich gezwungen sein, Euch zu Boden zu werfen. Es gibt hier niemanden, der Euch helfen kann.“

„Ich bin nicht blind. Aber die Gegend wird nicht immer so verlassen sein.“

„Ihr wart schon lange nicht mehr in den Highlands, nicht wahr?“

„Dort sind wir noch nicht“, antwortete sie hitzig. „Ich vermute, Ihr seid beide Gentlemen. Bitte bleibt hier, während ich hinter der Kutsche bin.“

„Meine Geduld ist nicht grenzenlos. Wenn Ihr nach angemessener Zeit nicht wiederkehrt –“

„Dann werde ich rufen und Euch minutiös über das, was ich zu tun gedenke, informieren. Wäre Euch das recht?“, gab sie verärgert zurück.

Sie wartete seine Antwort nicht ab, schnaubte nur und ging um die großen Räder der Kutsche herum und verschwand dahinter.

Als sie fertig war, blieb Riona noch einen Moment bei der niedrigen Steinmauer, die wie willkürlich aufgehäuft wirkte und mit Moos und Unkraut überwuchert war, als hätte sie den Jahrhunderten getrotzt. Verzweifelt betrachtete sie die idyllische Landschaft und betete, dass irgendwo ein Schäfer war, dem sie zuwinken konnte, um Hilfe zu erhalten.

Aber was sollte ein einfacher Schäfer gegen zwei große Highlander ausrichten, von denen sich einer Chief der McCallums nannte? Wie konnte sie Unschuldige in ihre prekäre Lage hineinziehen und möglicherweise deren Tod riskieren? Sie wusste nicht einmal, ob er ihr die Wahrheit erzählt hatte. Aber sie hatte den Clan-Namen gekannt, den er genannt hatte. Die McCallums waren Feinde der Duffs, des Clans ihres Vaters. Sie stritten sich um eine Grenze. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass er die Wahrheit sagte. Er könnte sie auch wegen ihrer Mitgift entführt haben, so als lebten sie noch im düstersten Mittelalter. Alles könnte erlogen sein, und sie würde in einer Hütte enden, wo sie ihm zu Willen sein müsste.

Selbst wenn er der Chief ist, könnte ich so enden, dachte sie erschauernd. Sie hatte von ihrem Vater, der in seiner Jugend nach England geflohen war, Geschichten über die elenden Highlands gehört. Wie oft hatte er beteuert, dass er Glück gehabt hatte, der Sohn eines Earls zu sein, der die Möglichkeit hatte, seinem Vaterland zu entfliehen. Er hatte die Clan-Mitglieder nie verstanden, die erst seinen Vater und nun seinen Bruder verehrten, als wären sie Götter. Ihrem Vater zufolge waren die Highlander Wilde, und er hatte ihr Geschichten von sinnlosen gegenseitigen Überfällen und Viehdiebstählen rivalisierender Clans erzählt und von Fehden, die so blutig waren, dass ganze Clans ausgelöscht worden waren.

Sie hatte sich noch nie so hilflos gefühlt. Bis jetzt hatte sie immer gedacht, dass sie kaum Kontrolle über ihr eigenes Leben gehabt hatte. Man hatte sie angewiesen, die meiste Zeit bei ihrer Schwester im Zimmer zu verbringen. Und nun hatte man sie zurückgelassen, während der Rest der Familie auf den Kontinent gereist war. Aber jetzt konnte sie ohne die Erlaubnis ihres Entführers nicht einmal einen kleinen privaten Augenblick für sich haben.

Sie verschränkte die Arme und rieb sie, obwohl die Sonne warm auf das Tal herabschien. Es würde nicht lange warm bleiben. In den Highlands war es meist regnerisch und kalt. Düster und unwirtlich, so hatte ihr Vater sie beschrieben. Voller Wilder, die steinigen Boden pflügen mussten, um zu überleben. Sie holte tief Luft. Noch war sie nicht in Schottland. Vielleicht konnte sie einen Weg finden, ihren Entführer umzustimmen – oder zu fliehen. Irgendwann mussten sie durch ein Dorf kommen. Sie brauchten doch sicher Vorräte.

„Lady Catriona!“, blaffte ihr Entführer und sie erschrak. Sie warf einen letzten Blick auf die hügeligen Weiden und ging dann langsam um die Kutsche herum. Die beiden Männer sprachen gälisch und sahen sie nicht einmal an, während sie ihre Haferkekse und den Käse aßen und ihr Essen mit dem fragwürdigen Inhalt einer Flasche hinunterspülten, die sie auf dem Kutschbock verstaut haben mussten.

Schweigend deutete Laird McCallum auf die Kutsche.

Sie zuckte zusammen. „Ich kann nicht einmal aus diesem Gefängnis hinaussehen.“

„Wenn Ihr mir bewiesen habt, dass ich Euch trauen kann, gebe ich Euch ein Fenster frei. Bis dahin …“

Mit seinen kräftigen Fingern zog er zwei der Nägel heraus und öffnete den ledernen Vorhang ein paar Zoll.

„Ich danke Euch vielmals“, meinte sie sarkastisch.

Sie stieg ein, aber anstatt die Stufen hinter ihr einzuklappen und die Tür zu schließen, folgte Laird McCallum ihr und setzte sich neben sie auf die Bank.

Sie rutschte in die Ecke, überlegte es sich dann aber anders und floh auf die gegenüberliegende Bank. „Was tut Ihr da?“, fragte sie und versuchte, nicht ängstlich zu klingen.

„Etwas schlafen.“

„Aber … aber …“

Ihr blieb vor Entsetzen der Mund offen stehen, als er die Beine so weit ausstreckte, wie es irgend möglich war. Sein mächtiger Rumpf schien die Hälfte der Kutsche auszufüllen. Sie war auf engstem Raum mit diesem Mann – ihrem Entführer! – allein und ihm hilflos ausgeliefert. Sie schluckte, ihr war, als hätte sie einen Kloß im Hals, und sie stemmte sich in die Ecke, als erwarte sie einen Angriff.

„Samuel und ich werden abwechselnd mit Euch fahren“, erklärte er. „Ihr erwartet hoffentlich nicht, dass wir auf einer Reise von zehn oder mehr Tagen auf Schlaf verzichten.“

„Zehn Tage!“

„Wir kommen aus den südlichen Highlands. Es hätte schlimmer sein können.“ Er betrachtete sie kühl. „Erinnert Ihr Euch nicht an eine solche Reise? Hält Euer Vater so wenig von seiner Herkunft, dass er Euch Euer Geburtsrecht verweigert hat?“

„Meine Kindheit geht Euch nichts an.“ Es schmerzte, dass er recht hatte, aber sie würde ihm nicht die Befriedigung gönnen, es ihm zu zeigen.

„Alles, was Euch betrifft, geht mich etwas an. Ihr werdet meine Gemahlin werden.“

„Ich werde Euch nicht heiraten, und Ihr könnt mich nicht dazu zwingen. Cat – die Frau, mit der Ihr angeblich verlobt seid – wird Euch auch nicht heiraten.“

Seine zusammengekniffenen kalten Augen schienen sie nicht loslassen zu wollen.

„Lasst Euch eines gesagt sein, Lady Riona – Ihr werdet mich heiraten.“

Den vertrauten Namen, mit dem ihre Familie sie ansprach, aus seinem Mund zu hören, erschreckte sie. Er verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen, als würde dies das Gespräch beenden. Und das tat es auch. Was konnte sie schon tun, außer gegen ihn zu wettern und ihn wütend genug zu machen, damit – was? Sie zitterte. Wenn er sich für ihren Verlobten hielt und dachte, es gäbe ihm das Recht, zu tun, was auch immer er wollte … Sie starrte auf das Schwert und die Pistole. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie abzulegen.

„Ich kann bis hierher spüren, wie Ihr zittert. Nehmt Euch eine Decke, wenn Euch friert, Mädchen, aber lasst einen Mann schlafen.“

Ihr war nicht kalt. Die Kutsche war stickig, weil zwei Menschen, die atmeten und Platz brauchten, darin saßen. Aber sie war verängstigt und versuchte, nicht zu weinen, und sie fragte sich, wann man ihr zu Hilfe eilen würde. Aber in der vergangenen Nacht war ihr ein schrecklicher Gedanke gekommen, einer, über den sie nicht hatte nachdenken wollen, weil sie es sich nicht vorstellen konnte. Aber jetzt … jetzt, bei dem Tageslicht, das durch den Spalt im Fenster fiel, den er ihr gewährt hatte, tauchten ihre fürchterlichen Gedanken wieder auf. Sie versuchte, sie zu verscheuchen, indem sie sich einredete, dass ihr Onkel nach ihr suchen lassen würde, sobald er entdeckte, dass sie verschwunden war.

Aber ein anderer Teil von ihr hegte Zweifel, denen sie sich nicht stellen wollte. Sie und ihr Onkel hatten sich nie nahegestanden. Der Earl war ein kalter Mann, der sich nur für seinen Reichtum und sein Ansehen interessierte. Als ihre Eltern mit ihrer Schwester auf den Kontinent gereist waren, hatte er sie nur widerwillig und erst dann aufgenommen, als ihre Cousine Cat darauf bestanden hatte, damit Riona nicht alleine bei den Dienstboten zurückblieb.

Und nun, falls man McCallum Glauben schenken durfte, hatte er gestern mit dem Earl gesprochen – kurz bevor Cat herausgefunden hatte, dass ihre Eltern sie zu Freunden aufs Land schicken wollen. Cat war zwar überrascht, aber nicht verärgert, obwohl sie sich über die Geschwindigkeit, mit der gepackt wurde, wunderte. Sie hatte gewollt, dass Riona sie begleitete, aber ihre Eltern hatten darauf beharrt, dass es nicht genug Platz bei der Gesellschaft gab. Aber … war das alles geplant gewesen, hatte man Cat bewusst nach McCallums Erscheinen fortgeschickt? Hatte der Earl den Vertrag so sehr bereut, dass er seine Tochter in Sicherheit gebracht hatte?

Und der bedrückendste Teil, der Teil, der ihr nicht aus dem Kopf ging, war, dass ihre Tante beim Nachtmahl blass und verschlossen gewesen war und den Blick gesenkt hielt, als der Earl Riona schroff erklärt hatte, dass sie in Cats Zimmer schlafen würde, weil ihres gesäubert und renoviert werden musste. Es war so seltsam gewesen – warum konnte man nicht mit dem Streichen warten, bis sie wieder nach London aufbrach?

Aber nun ergab alles einen Sinn, und ihr drehte sich der Magen um vor Kummer, weil man sie so verraten hatte. Hatte der Earl sie in Cats Zimmer verfrachtet, weil er damit gerechnet hatte, dass der wilde Schotte seine Braut entführen würde? Suchte er nach einem legalen Grund, die Verlobung zu lösen? Der Earl hätte Wachen aufstellen und McCallum auf frischer Tat ertappen können. Allein aus diesem Grund schien es unglaublich zu sein, aber … Sie schluckte und versuchte, nicht das Schlimmste zu denken. Wenn sie zuließ, dass ihre Angst sie überwältigte, würde sie niemals einen Weg finden, dem Mann zu entkommen, der nun dort ruhte. Er hatte die Augen geschlossen und das Kinn auf die Brust gelegt. Seine langen Beine benötigten allen Platz in der Kutsche und zwangen sie, sich noch enger in die Ecke zu drücken, damit sie ihn nicht berührte.

Er schlief zwei Stunden, in denen er sich kaum bewegte, als sei er es gewohnt, ruhig und zweckdienlich zu schlafen. Aus Angst, er könne erwachen und ihr etwas antun, konnte sie kein Auge zumachen. Als er endlich aufwachte, betrachtete er sie ausdruckslos, und ohne ein Wort zu sagen, klopfte er an das Dach der Kutsche. Sie hielt an, er stieg aus, und dann nahm Samuel seinen Platz ein.

Als die Kutsche wieder anfuhr, schaute Samuel sich um und dann zum Fensterspalt hinaus, als versuche er, es sich bequem zu machen, ohne sie anzusehen. Das war ihre Chance.

„Man hat uns noch nicht richtig vorgestellt, Sir“, bemerkte Riona.

Seine Haut war sommersprossig und hell, im Gegensatz zu seinem leuchtenden Haar, und sie nahm eine Röte an, die beinahe der seines Haares glich. „Samuel McCallum, Mylady.“

„Natürlich seid ihr miteinander verwandt“, sagte sie und fühlte die Niederlage bereits, war aber noch nicht bereit, sie sich einzugestehen.

„Entfernte Cousins“, erwiderte er und lächelte sie mitleidig an. „Ihr werdet viele McCallums finden, dort, wo wir hingehen.“

Riona war noch nicht bereit, aufzugeben. „Ihr müsst doch erkennen, dass das, was er tut, falsch ist.“

Samuel sah weiterhin freundlich und sogar verständnisvoll drein, aber er schüttelte den Kopf. „Nein, Mylady, ich sehe das nicht so. Ihr seid seine Verlobte.“

„Aber das bin ich nicht!“

„Ihr seid Catriona Duff, oder nicht?“

„Ja, aber meine Cousine ebenso!“

„So leid es mir tut, ich kann Euch nicht helfen. Der Vertrag wurde von unseren Familien geschlossen und wir nehmen ihn sehr ernst.“

„Ich weiß nichts von einem Vertrag“, knurrte Riona, verschränkte die Arme unter ihren Brüsten und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.

„Das ist die Schuld Eures Vaters. Ich bin seit langer Zeit Hughs Diener, und er weiß von der Verlobung, seit er ein Junge war. Glaubt mir, es hat sein Leben mehr als ein Mal beeinflusst.“ Er sah beiseite und sprach nicht weiter.

„Inwiefern beeinflusst?“, wollte sie wissen.

„Das geht Euch nichts an, Mylady. Nun lasst einen Mann schlafen.“

Er schloss die Augen und ließ das Kinn auf die Brust fallen, genau wie sein Cousin es getan hatte.

„Wartet. Würde Geld Eure Meinung ändern? Ich habe nicht viel, aber wenn Ihr mir helft …“ Sie verstummte.

Er öffnete nicht einmal die Augen, als er antwortete. „Euer Geld kann keine Loyalität kaufen, die über Generationen verdient wurde, Mylady. Und Euer Geld kann mich nicht den Verrat der Duffs, der ebenso lange währt, vergessen lassen. Nun schweigt.“

Sie wurde blass. Verrat ihrer Vorfahren? Eine Ehe zwischen ihren Clans sollte das wiedergutmachen? Keine Duff, die einen McCallum heiratete, würde sich je wohlfühlen, wenn solch ein Groll nicht vergessen wurde. Sie hatte Geschichten von Fehden gehört, wenn ihr Onkel und ihr Vater zusammen tranken und sich mit Wut und Stolz erinnerten. Kein Wunder, dass sie sich von Schottland fernhielten und es ihren Verwaltern überließen, sich um ihre Besitzungen zu kümmern.

Aber diese Fehde war sehr persönlich geworden, und Riona würde nicht demütig akzeptieren, was mit ihr geschah. Sie war immer noch in England, wo die Menschen ihr gegen die Schotten beistehen würden. Wenn sie für einen Lunch anhielten, würde sie nach der erstbesten Möglichkeit suchen, zu fliehen. Wenn das nicht funktionierte, würde sie sich etwas anderes einfallen lassen.

3. KAPITEL

Hugh wusste, dass Lady Riona ihre Gedanken an eine Flucht nicht aufgeben würde. Ihre Stimmung schwankte zwischen Wut und Niedergeschlagenheit, obwohl sie nicht mehr so viel Angst zu haben schien. Er war sich nicht sicher, ob das gut war.

Sie machten gegen Mittag Pause in einem Wäldchen in der Nähe eines Baches, ein Ort, wo man auch eine Kutsche abseits des Weges verstecken konnte. Die Pferde konnten trinken und am grünen Ufer grasen. Hohe Bäume umstanden sie, der Platz war außergewöhnlich schön.

Lady Riona bat um einen privaten Augenblick hinter der Kutsche, und er gestattete ihn ihr, während er in der Nähe des kleinen Feuers, über dem Haferkekse auf einer Eisenplatte erhitzt wurden, zurückblieb.

„Wir werden bald neue Vorräte brauchen“, stellte Samuel fest.

„Ist das Federvieh, das ich geschossen habe, nicht gut genug für dich?“, fragte Hugh.

„Das sind unsere letzten Haferkekse. Und ich hätte gerne ein Ei oder zwei davon.“ Samuel sah nach Westen. „Außerdem zieht ein Sturm auf, wir werden bald die ersten Regentropfen spüren. Vielleicht brauchen wir heute Nacht ein Gasthaus.“

„Nein, nicht so weit im Süden Yorkshires. Wir suchen uns ein geschütztes Wäldchen wie dieses hier, und wir schlafen alle in der Kutsche, wenn es sein muss.“

„Ihre Ladyschaft wird das sicher sehr gemütlich finden“, meinte Samuel trocken.

Hugh winkte desinteressiert ab.

„Sie hat mich natürlich um Hilfe gebeten“, fuhr Samuel fort.

„Sie hat Temperament.“ Hugh hob den Kopf. „Sollte sie inzwischen nicht zurück sein? Lady Riona?“

Keine Antwort außer dem Ruf der Vögel, die in den Bäumen saßen.

„Ich bin gleich zurück“, meinte Hugh alarmiert und ließ die Waffen bei Samuel zurück.

„Sei vorsichtig mit dem Mädchen, Hugh. Wir würden in ihrer Situation auch versuchen zu fliehen.“

„Ich würde nicht versuchen, mich der Pflicht, die ich meiner Familie gegenüber habe, zu entziehen.“

„Bist du nicht ein bisschen scheinheilig?“, zog Samuel ihn auf.

Hugh ignorierte ihn und ging um die Kutsche herum. Es war leicht, Lady Riona zu folgen, da ihre weiten Röcke das Gras niedergedrückt hatten und Zweige zerbrochen waren. Dumm war sie nicht, denn sie war im Bogen zurück in Richtung des Weges gegangen, den sie gekommen waren; das nächste Dorf lag allerdings einige Stunden entfernt.

Noch bevor er sie sah, hörte er sie, wie sie durch das Unterholz eilte. Sie wollte nicht gesehen werden und bewegte sich parallel zur Hauptstraße. Er hätte schlicht nach ihr rufen können, damit sie erkannte, wie vergeblich ihre törichten Fluchtversuche waren, aber … Sie hatte ihn zu fürchten, deshalb sollte diese Lektion unvergesslich sein.

Er näherte sich ihr lautlos von hinten. Das war einfach, denn sie wähnte sich in Sicherheit, machte viel zu viel Lärm und schimpfte sogar laut vor sich hin. Es amüsierte ihn. Sie bewegte sich entschlossen, auch wenn das hohe Unkraut, das sich in ihren Röcken verfing, keine weit ausholenden Schritte möglich machte.

Mit zwei großen Sätzen kam Hugh aus der Deckung, umfasste mit einem Arm ihre Taille und hob sie hoch.

Der Angriff kam so überraschend, dass Riona aufschrie, bis sich seine Hand auf ihren Mund legte. Es war genauso wie letzte Nacht. Sie würde sich niemals von ihm befreien können, und ihre Enttäuschung und Verzweiflung ließen sie kämpfen, obwohl es aussichtslos war – er war zu stark.

„Ich hätte ein Straßenräuber sein können“, blaffte er wütend, die Lippen an ihrem Ohr. „Ihr habt Euch in Gefahr begeben.“

Sie trat noch nach ihm, als er sich bereits umdrehte, um sie weiter von jeder Zivilisation, von jeder möglichen Befreiung fortzubringen. Ihre Beine verhedderten sich, sein Fuß verfing sich in ihren Röcken, und plötzlich stürzten sie beide zu Boden. Zu ihrer Überraschung drehte er sich blitzschnell und landete unter ihr. Dann entfuhr ihm ein „Umpf!“, als ihr Ellbogen ihn in die Magengrube traf. Das tat ihr keineswegs leid, aber die Schadenfreude verging ihr, als er sich mit ihr herumrollte und sie niederdrückte. Steine gruben sich in ihren Rücken. Sie wand sich, um ihn abzuschütteln, aber er nutzte sein Körpergewicht, um sie zu bändigen. Sie schnappte nach Luft und wehrte sich wütend weiter. Aber sie musste erkennen, dass Samuel fehlte, um sie vor McCallums Verlangen zu schützen, sie zu beherrschen. Obwohl Riona wusste, dass Furcht sie lähmen würde, konnte sie nichts dagegen tun, als die Angst erneut in ihr aufstieg.

„Hört auf!“, befahl er.

Während ihrer Gegenwehr war er ihr zwischen die Beine gesunken, und die Röcke gaben ihr den Rest – sie war unfähig, sich zu bewegen. Sie atmete heftig, schnappte wieder nach Luft, spürte zum ersten Mal den Körper eines Mannes an ihrem Leib und beruhigte sich allmählich. Der vertrauliche Kontakt schien etwas zwischen ihnen zu verändern, sie erinnerte sich zu spät daran, wie sehr sie dem großen Highlander ausgeliefert war. Es gab niemanden in der Nähe, der ihr helfen konnte – nicht einmal sein Kutscher würde sie beschützen. Sie war ihm vollkommen und hoffnungslos ausgeliefert.

„Bitte“, flüsterte sie. Sie hasste es, wie hilflos und zittrig ihre Stimme klang, aber sie konnte es nicht ändern. „Lasst mich aufstehen.“

„Damit Ihr wieder weglaufen könnt?“, wollte er wissen.

Seine Stimme klang zornig, aber sein Blick … sein Blick ruhte auf ihrem Mund, und in den vorher so winterkalten Tiefen seiner Augen lag eine Hitze, die sie an geschmolzenes Silber denken ließ.

„Hört … hört auf, mich so anzuschauen“, flüsterte sie, unfähig wegzusehen; er wirkte, als würde er sich bei der nächsten Gelegenheit auf sie stürzen. „Ich bin kein kleiner … Bissen für einen Geier.“

Als er antwortete, klang seine Stimme rau. „Geier? Ich verschlinge keine unschuldigen Geschöpfe. Aber ich bin ein Mann. Und so bei Euch zu liegen, lässt mich an unsere Hochzeitsnacht denken.“

In ihrem Schrecken purzelten ihr unbedachte Worte von den Lippen. „I…Ihr meint, weil Ihr mich dann auch festhalten müsst?“

Sie hätte schwören können, dass sein Mundwinkel für einen Moment zuckte, als wollte er lächeln. Aber das war unmöglich für einen Mann, der so versessen war auf Rache für seinen Clan und falsche Gerechtigkeit, dass er eine Frau gegen ihren Willen verschleppte. Er ließ endlich ihre Hände los, und sie schob seine breiten Schultern weg, aber er richtete sich nicht gleich auf. Mit dem Unterkörper lag er zwischen ihren Beinen, und sie hatte noch nie zuvor einen solchen Druck verspürt. Es war unbequem und peinlich und … seltsam.

Sie schubste ihn. „Ich kann nicht atmen.“

Endlich richtete er sich auf, hockte sich jedoch nur auf seine Fersen. Seine Knie drückten immer noch gegen ihre Hüften. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf sie hinunter. „Ich werde das nicht noch einmal hinnehmen.“

„Ihr werdet es nicht hinnehmen?“ Sie spürte, wie seine Knie sie am Boden hielten. Ihn wegzustoßen bedeutete, seine Schenkel zu berühren. „Und Ihr würdet widerstandslos mit Eurem Entführer mitgehen, wenn unsere Rollen vertauscht wären?“

Er neigte den Kopf. „Das sind sie nicht.“

„Aber wenn sie es wären?“

„Ich würde den Bund, der von unseren Familien geschlossen wurde, ehren, ganz gleich, ob ich zustimme oder nicht.“

„Das heißt, obwohl Ihr Cat nie getroffen habt, würdet Ihr sie heiraten, auch wenn sie … hässlich wäre.“ Sie musste einen Weg finden, ihn von der Wahrheit zu überzeugen, und wenn sie seinen Fehler jedes Mal erwähnen musste, wenn sie miteinander sprachen.

Er verzog keine Miene. „Es gibt diese geheimnisvolle Cat, von der Ihr sprecht, nicht. Es gibt nur Euch, Riona, und mich. Und wir werden heiraten. Davonlaufen ist einfach kindisch.“

„Kindisch?“, wiederholte sie wütend. Er hatte sie nicht Lady Riona genannt, und auch wenn der Ehrentitel ihr nicht gebührte, wahrte er doch eine gewisse … Distanz. „Für Euch bin ich Miss Duff, und es ist wohl kaum kindisch, wegzulaufen, wenn ein Mann eine Frau behelligt, sie entführt und von ihrer Familie fortbringt, um sie zu – missbrauchen!“

„Ich habe Euch nicht missbraucht.“

Sie deutete mit dem Finger anklagend auf ihn. „Und wie nennt Ihr das? Behandelt ein Gentleman so eine Dame?“

Und dann beugte er sich über sie und stützte sich mit beiden Händen rechts und links neben ihrem Kopf ab. „Ich nenne es Euch zu zeigen, wer hier die Macht hat, Riona.“

Er betonte die Vertraulichkeit, als er sie bei ihrem Vornamen nannte, und sie bemerkte, dass ihre Atmung wieder flacher wurde, als er über ihr emporragte, sein Gesicht zu nahe an ihrem, und seine Blicke wurden wieder glühend, als er auf ihren Mund sah.

„Wenn Ihr mich küsst, werde ich beißen!“, zischte sie.

Er hob eine Braue, rührte sich aber nicht.

„Ihr seid nicht mein Ehemann! Noch nicht.“

Er setzte sich langsam auf. „Ihr habt recht. Und ich werde mich Euch vor der Hochzeit nicht aufdrängen.“ Er erhob sich und beugte sich dann hinab, um ihr seine Hand anzubieten. „Aber Ihr werdet die Konsequenzen tragen, wenn Ihr nochmals versucht zu fliehen.“

„Ihr würdet einer Frau, die Ihr unbedingt heiraten wollt, etwas antun?“, fragte sie und ließ seine starke, warme Hand los, sobald sie wieder auf die Füße gekommen war. Sie wusste, dass er ihre Finger zerquetschen könnte, wenn er sie festhielt, aber er tat es nicht.

„Das ist nicht meine Absicht. Aber was diejenigen angeht, die Ihr um Hilfe bittet – ich kann nicht für das garantieren, was ihnen zustoßen wird.“

Er meinte es todernst, und das wusste sie. Sie ließ die Schultern fallen und protestierte nicht, als er ihren Arm ergriff. Aber auch wenn sie immer noch Angst hatte, innerlich brodelte sie vor Verbitterung und Zorn. Sie würde eine Möglichkeit finden, zu fliehen, ohne jemanden zu gefährden. Aber bis dahin … würde sie unglaublich lästig sein. Vielleicht konnte sie seine Meinung über diese Ehe doch noch ändern.

Es ist ein seltsames Gefühl, gewollt zu werden, dachte sie, die das so selten in ihrem Leben gefühlt hatte. Nur ihrer Cousine Cat war sie willkommen. Ihre Eltern hatten sie als Pflegerin und Gesellschafterin für ihre Schwester Bronwyn benutzt. Und obwohl sie wusste, dass ihre Schwester sie brauchte, hatte sich Riona über die ständige Abhängigkeit geärgert und darüber, dass ihre Familie ihr nie eine Pause gegönnt hatte. Sie hatte immer nur gegeben, immer und immer wieder, aber es hatte sich nur selten jemand revanchiert.

Aber gewollt werden? Sie wusste, dass auch McCallum nicht wirklich sie wollte, sondern eine Gemahlin, die den Ehevertrag erfüllte, der seinem Clan so wichtig war. Sie war nur … ein Ersatz, und irgendwann würde er der Wahrheit über seine Untaten ins Auge blicken müssen. Und was würde dann aus ihr werden?

Sie erschauerte und bemerkte kaum, wie McCallum sie durch das Unterholz führte, das an ihrem Kleid zerrte. Ihr Ruf würde ruiniert sein, das begriff sie. Es war eine Sache, in der Öffentlichkeit mit einem Mann spazieren zu gehen, aber mit ihm zu reisen? Dass es gegen ihren Willen geschehen war, spielte keine Rolle. Sie würde wohl nie einen Ehemann finden, und dann würde sie gezwungen sein, erst Bronwyn weiter zu pflegen und später ihre Eltern.

Und all das nur, weil dieser – dieser Mann die falsche Frau entführt hat, dachte sie zornig, und dann überrollte sie ein Gefühl der Trostlosigkeit, als sie sich daran erinnerte, dass möglicherweise ihr Onkel sie in diese Situation gebracht hatte.

„Es würde helfen, die Füße zu heben“, bemerkte McCallum und lenkte sie an einem wuchernden Busch vorbei.

Schweigend tat sie, was er verlangte.

Spät am Nachmittag wollte Hugh einfach nur schlafen. Der Sturm näherte sich, und man konnte nicht wissen, was die Nacht bringen würde. Aber er bestieg die Kutsche vorsichtig, denn er war nicht sicher, welcher Stimmung Riona sein würde. Nachdem er sie wieder eingefangen hatte, war sie seltsam still gewesen, und er hoffte, es bedeutete, dass sie sich in ihr Schicksal ergeben hatte und somit die Reise für sie alle einfacher wurde. Als er die Tür öffnete, fragte er sich allerdings bitter, aus welchem Grund sie es einfacher machen sollte.

Als er auf die unbequeme Bank niedersank und die Kutsche vorwärtsrumpelte, musterte er sie. Sie starrte durch den schmalen Spalt im Vorhang, durch den man nur endlose Felder und Schafweiden entdecken konnte, abgesehen von einem strohgedeckten Cottage ab und zu, weit in der Ferne. Aber sie würden bald durch ein Dorf kommen, und er fragte sich, ob sie einen erneuten Fluchtversuch unternehmen würde. Er vermutete, dass sie noch nicht hinreichend eingeschüchtert war und vorhatte, ihn zu ärgern. Doch er hatte schon an Berghängen und während ganz anderer Stürme geschlafen. Zufrieden schloss er die Augen.

„McCallum, ich kann dieses schmutzige Kleid nicht jeden Tag tragen.“

Er hielt die Augen geschlossen. „Wenn Ihr nicht versucht hättet, wegzulaufen, wäre es nicht schmutzig.“

„Ist es aber. Und ich muss … gewisse Dinge waschen.“

Er öffnete ein Auge, um sie anzusehen. Nur zu deutlich erinnerte er sich an ihr dünnes Nachthemd und wie seidig es über ihre Arme gestrichen war, als er sie festgehalten hatte. Die Kerze hatte ihre Haut zum Leuchten gebracht und für einen Augenblick war er über sein Glück erleichtert gewesen – und er hatte mehr sehen wollen. Obwohl er sie gezwungen hatte, schlichte Kleidung zu tragen, weil er ihre Schönheit verstecken wollte, konnte nichts ihre königliche Haltung und ihr goldenes Haar verbergen. Sie würde eine gute Gemahlin für den Chief eines Clans abgeben.

Sie trägt immer noch dieses Nachthemd, dachte er.

„McCallum?“

Sie sprach seinen Namen erneut aus, als wäre er schwachsinnig.

Autor

Gayle Callen
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