Die Lust, dich zu lieben

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Er ist Texas' begehrtester Junggeselle: North Black! Die Frauen liegen ihm zu Füßen - und bisher hat der gut aussehende Millionär dies auch sehr zu schätzen gewusst. Doch in letzter Zeit meidet er Partys - nur die Arbeit scheint für ihn zu zählen. Dass eine Frau ihn fast verrückt macht, weiß nur er. North begehrt Melody Woods wie keine andere. Obwohl die sexy junge Lady seine verführerischen Küsse erwidert, ihn streichelt bis er fast vor Lust vergeht, kommt es nie zum Letzten. Wartet Melody auf einen Heiratsantrag, oder was hat sie vor?


  • Erscheinungstag 13.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747534
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die El Dorado Ranch lag im Süden von Texas direkt an der Grenze zu Mexiko. Nur ein Drahtzaun und der Rio Grande trennten das Weideland der Ranch von den Kakteen der dürren mexikanischen Wildnis. In dieser rauen Gegend war für Klatsch und Tratsch kein Platz, aber unglückliche Liebe ist überall ein beliebtes Gesprächsthema, besonders, wenn es um das Liebesleben des Bosses geht.

North Blacks Vater war zur Legende geworden, und North hatte dessen an Arroganz grenzendes Selbstbewusstsein geerbt. Er saß auf seinem Pferd, einem preisgekrönten Quarter Horse, für das er fast eine halbe Million hingeblättert hatte. Sein edler Sattel war mit Silber beschlagen, und eine Zeitschrift hatte ihn zum begehrenswertesten Junggesellen von ganz Texas gekürt. Für dieses Leben schien North wie geschaffen. Doch etwas trübte sein herrschaftliches Dasein ungemein.

Nichts lässt sich schwerer aufhalten als Gerüchte, noch dazu, wenn sie stimmen. Jeder auf der El Dorado Ranch wusste, dass North, der „King“, wie sie ihn nannten, kurz vor dem Zusammenbruch stand. Nicht nur, weil die Ranch unter der schlimmsten Dürreperiode litt, an die man sich hier in Texas erinnern konnte, sondern weil diese kleine Wildkatze ihm den Kopf verdreht hatte.

Jetzt brachte North sich mit Arbeit fast um. Er leistete weit mehr als alle anderen. Seine Cowboys sagten, der King stehe schon vor Morgengrauen auf und arbeite noch lange nach Sonnenuntergang. Wenn seine Cowboys eine Pause einlegten, schuftete er weiter. Sein Lunch bestand aus einem Sandwich, das er beim Reiten aß, und einem Schluck aus der Wasserflasche. Die Abende verbrachte er im Büro mit Telefonaten und der Verwaltung der Ranch, vorausgesetzt, es gab keine Viehdiebe oder Wilderer zu jagen.

North kümmerte sich um alles, was an Arbeit anfiel, ob es illegale Flüchtlinge auf seinem Land waren, wild gewordene Bullen, defekte Rohrleitungen, kaputte Zäune, ausgetrocknete Wasserstellen, ausgerissene Rinder, ungezähmte Pferde oder eine neue Missetat des „Mitternachtsbanditen“, wie sie den mysteriösen Dieb nannten, den man noch nicht erwischt hatte. Außerdem gab es da noch seine Großmutter Libby, die ihrem Enkel die besten Cowboys wegschnappte, um ihren Garten in Schuss zu halten.

Niemand verübelte es North, dass er sich so abrackerte. Schließlich hatte die Hexe Melody Woods ihm wirklich übel mitgespielt. Und das nicht nur einmal.

Zuerst hatte sie ihn vor dem Altar stehen lassen, vor den Augen seiner Freunde und Verwandten. Der gesamte Geldadel von Texas war zu dieser Hochzeit eingeladen gewesen. Melody hatte North zum Narren gemacht, und das hatte gerade ihn, der für seinen Stolz bekannt war, tief getroffen.

„Sie hat mehr getan, als nur seinen Stolz zu verletzen“, erzählte seine lebenslustige Schwester Sissy jedem, der sie fragte, „sie hat ihm das Herz gebrochen.“ Und Sissy wusste aus eigener Erfahrung eine Menge über gebrochene Herzen.

„Sein Vater wäre nie wegen einer Frau so durchgedreht“, betonte Norths Großmutter Libby immer wieder, „für ihn stand die Ranch konkurrenzlos an erster Stelle.“

„Bei dir klingt es immer so, als sei die El Dorado Ranch eine Art Heiligtum, Grannie“, beschwerte Sissy sich.

„Das war sie für mich früher auch. Zum Glück bin ich dann zur Vernunft gekommen und habe mit der Gärtnerei angefangen.“

„Mir ist diese Ranch auch nicht so wichtig“, gestand Sissy ein.

„Und genau deshalb habe ich North die Leitung übertragen“, sagte Libby zufrieden.

North verlor kein Wort über die unmögliche Miss Woods. Nicht einmal, nachdem er sich als Revanche mit ihrer Schwester Claire eingelassen hatte. Glücklicherweise waren Claire und er noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen. Sie beide waren eher Freunde als ein Liebespaar.

Es ging das Gerücht, Melody Woods habe bei der Trennung von North und ihrer Schwester die Finger mit im Spiel gehabt. Und noch in jener Nacht, also bei der ersten Gelegenheit, hatte sie North erneut zum Narren gehalten.

In einer schäbigen Kneipe in Rockport hatte sie den King vor Eifersucht rasend gemacht. Shorty’s hieß die Bar, und freiwillig hätte der King keinen Fuß in dieses Etablissement gesetzt. Allerdings hatte Melody ihn dort hingelockt. Niemand wusste, wieso sie zu tanzen angefangen hatte, bis die dort versammelten Männer so aus dem Häuschen waren, dass Melody nicht mehr heil herausgekommen wäre, hätte der King sie sich nicht über seine Schulter geworfen und nach draußen getragen wie ein Höhlenmensch seine Frau.

Mit dem feinen Unterschied, dass sie nicht seine Frau war. Und das würde sie auch niemals werden.

Einer der seiner Männer war am nächsten Tag dumm genug gewesen, dreiste Wetten über das abzuschließen, was sein Boss in der Nacht zuvor mit Miss Woods im Bett gemacht hatte, um sie für ihren Auftritt in der Bar zu bestrafen. Lester Rivers war irgendwann so angetrunken gewesen, dass er den King tatsächlich danach gefragt hatte. North war größer als Lester und hatte breitere Schultern, und letztlich hatten Norths bester Freund Jeff Gentry, der stämmige Vorarbeiter, und W.T., der faulste Cowboy auf der Ranch, North mit vereinten Kräften zurückhalten müssen, damit Lester nach Laredo fliehen konnte.

Später hatte der King sich bei jedem, sogar bei W.T., bedankt, weil sie ihn davor bewahrt hatten, Lester mit bloßen Händen zu erwürgen. Dann hatte er zu ihnen gesprochen. Er hatte sehr leise geredet, aber in jenem gefährlichen Tonfall, den jeder auf der Ranch problemlos verstand, sogar Norths Großmutter.

„Was in dieser Nacht passiert ist, geht nur mich etwas an. Ab heute wird sich keiner von euch mehr den Kopf darüber zerbrechen, was Melody Woods in meinem Bett oder sonst wo tut oder lässt. Ich will ihren Namen auf der El Dorado Ranch nicht mehr hören. Was mich betrifft, so existiert sie nicht mehr. Habt ihr das verstanden?“

Niemand hatte mehr ein Wort über sie verloren, jedenfalls nicht in Hörweite des Kings. Aber alles Verbotene hat seinen ganz besonderen Reiz, besonders, wenn Cowboys allein sind und eine Frau das Thema ist. Und diese Frau, um die es ging, war dazu noch gertenschlank, sexy und immer für eine Überraschung gut.

Jedem auf der Ranch war klar, dass North diese Nacht und die junge Lady genauso wenig vergessen konnte wie sie alle.

Nein, der King hatte das Thema Melody Woods noch lange nicht abgehakt.

Und auch sie hatte das Kapitel North noch nicht abgeschlossen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die beiden wieder aneinander geraten würden.

Man konnte nur gespannt sein, was sich das kleine verführerische Biest als Nächstes ausdenken würde.

Das Getöse, das Norths Männer bei ihrer Arbeit in dem riesigen Stall veranstalteten, das ewige Schnauben, Stampfen und Brüllen der Kühe war eine Geräuschkulisse, die selbst den abgehärtetsten Mann an den Rand des Wahnsinns treiben konnte. North war nicht besonders abgehärtet.

Nicht mehr seit jener Nacht, als Melody in aller Öffentlichkeit getanzt hatte, für ihn allein jedoch zu keinem Tanz bereit gewesen war. Im Moment hatte North Melodys Mutter Dee Dee am Telefon. Dee Dees Ehrgeiz, die soziale Leiter weiter emporzuklettern, war konkurrenzlos, und ihre schrille Stimme und Unnachgiebigkeit raubten North den letzten Nerv.

„Ich sagte zum Abendessen!“

North hielt den Hörer vom Ohr weg. Wie konnte eine so hübsche Frau eine so entsetzliche Stimme haben? „Heute Abend? Bei euch zu Hause? Ich glaube, das ist keine so gute …“

„Keine Bange, Melody ist nicht hier. Sie ist in Austin.“

North ließ sich lieber nicht auf Diskussionen ein.

„Sam und ich vermissen dich. Von deinem Steuerberater weiß ich, dass du in die Stadt kommst. Deshalb rufe ich an.“

North vermisste die beiden auch. „Eine Sekunde, Dee Dee. Wir haben hier eine trächtige Kuh kurz vor dem Kalben, und Jeff schreit so laut, dass …Aufseufzend drückte North den Hörer wieder dicht ans Ohr und flüchtete in die Stallbox, in der seine beiden Lamas unterbracht waren. Es waren ein Muttertier und sein klapperdürres Junges. „Little Camel“, so hatte North das Kleine getauft.

Hier in der der Box war es allerdings auch nicht leiser, weil die dünnen Wände der Box das Muhen und Schnaufen der kalbenden Kuh kaum dämpften. „Was hast du gerade gesagt, Dee Dee?“ North mochte Melodys Mutter, obwohl ihm die Gründe, weshalb sie ihn unbedingt zum Schwiegersohn haben wollte, weniger gefielen.

„Ich habe erfahren, dass du in die Stadt kommst“, erklärte Dee Dee. „Und deshalb lade ich dich zu uns zum Abendessen ein.“

Die Kuh trat so laut gegen die Holzwand ihres Verschlags, dass North kaum ein Wort verstand.

„Nur Sam und ich, versprochen.“

„Also schön.“

„Dann komm pünktlich um halb acht.“

Er verabschiedete sich und legte auf.

„Jungs!“, rief er. „Wenn ihr alle so schreit, kann ich nicht mehr klar denken. Ich glaube, ich habe gerade eine Riesendummheit begangen.“

„W.T. hat losgelassen, und natürlich hat sie mich getreten. Mit beiden Hufen, mitten auf die Brust!“, schrie Jeff zurück. „Komm zu uns rüber, King!“

Bei dem Gedanken an das bevorstehende Dinner im Haus der Woods brach North der Schweiß aus und tropfte ihm auf das Jeanshemd und den blauen Overall.

Er hatte zugestimmt.

Keine Sorge sagte er sich. Am Samstag bist du mit Maria verabredet. Mit Melody bist du durch.

Aber ihm reichte schon das Gespräch mit ihrer Mutter, um wieder an jene besondere Nacht zu denken.

Wie gelähmt stand North in der Box seiner beiden Lamas und überlegte, ob er Dee Dee noch einmal anrufen und die Einladung absagen sollte.

Nachdenklich runzelte er die Stirn und streichelte das Muttertier. Dann fiel sein Blick auf das Junge. Besorgt zog North die Augenbrauen zusammen. Die Mutter hatte keine Milch und konnte das Jungtier, das nur aus Rippen, einem langem Hals und dürren Beinen zu bestehen schien, nicht säugen.

North konnte selbst nicht genau erklären, wieso er trotz der ermüdenden nächtlichen Jagden nach dem Mitternachtsbanditen jeden Morgen um vier Uhr in den Stall kam, um das scheue Lamababy zu füttern. Doch trotz aller Mühe nahm Little Camel nicht zu.

„Zeit, den Tierarzt zu spielen, King!“, schrie Jeff herüber.

„Bis später, Little Camel.“ Norths Tonfall drückte eine größere Zuneigung aus, als er sich eingestehen wollte. Das scheue Lamababy erinnerte ihn an …

In Gedanken sah er ein kleines Mädchen vor sich. Panische Angst sprach aus dem Blick seiner hellblauen Augen. North verdrängte diese Erinnerung.

Die Schritte seiner Stiefel hallten von den Holzwänden wider, als North über den Zementboden zu seinen Männern und der kalbenden Kuh am Ende des Stalls ging.

Es war Ende August, und hier im Stall war es so heiß wie in einer Sauna. North glaubte zu spüren, wie sich ihm der Staub ins Haar setzte, ihm die Haut verklebte und ihm bis unter den Kragen drang. North war erschöpft und gereizt, doch jetzt konzentrierte er sich ganz auf die Arbeit und dachte nicht mehr an Melody.

Kein Gedanke mehr an ihre unglaublich zarte und seidige Haut. Niemals würde North vergessen, wie wunderbar es sich angefühlt hatte, als er Melody zum ersten Mal aus Versehen berührt hatte. Sie war zusammengezuckt, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen. North hatte das gut nachvollziehen können. Ihm war es ebenso gegangen.

Und warum in aller Welt hatte Dee Dee gerade jetzt angerufen? North wollte nicht mehr an Melody erinnert werden. Seit Monaten versuchte er jetzt schon, sie sich aus dem Kopf zu schlagen.

Er wollte kein Verlangen mehr nach ihr verspüren. Diese ewigen Träume von ihr sollten endlich ein Ende finden. Nach allem, was sie getan und vor allem, was sie nicht getan hatte, reichte es ihm endgültig.

Den letzten Rest Begierde versuchte North mit harter Arbeit zu ersticken. Ausgerechnet diese Frau zu wollen hatte nicht nur verheerende Auswirkungen auf seinen Stolz und seine Gefühle, sondern auch auf seine Familie und die Ranch.

Hier ging es um sein Ansehen. Nach dem Erlebnis mit Melody kam für ihn nur noch eine vernünftige und bodenständige Frau als Ehefrau infrage. Eine, die sich mit der Arbeit auf einer Ranch auskannte und die der Ranch von Nutzen sein würde. North brauchte einen Halt in seinem Leben und nicht noch mehr Chaos. Er brauchte jemanden an seiner Seite, auf den er sich absolut verlassen konnte. Zum Beispiel eine warmherzige Frau wie Maria Langly, die genau wie er auf einer Ranch groß geworden war.

North kämpfte um seine Ranch. Dies hier war sein Erbe und seine ganze Welt. Geschäftlich stand er im Moment mit dem Rücken zur Wand. Da blieb ihm keine Zeit für eine Frau, die nicht wusste, ob sie ihn wollte oder nicht. Melody war ein ständiges Ärgernis auf zwei Beinen.

North konnte sich nicht dagegen wehren, dass er schon wieder in Gedanken die schlanke Melody in enger Jeans und mit schulterfreiem Top vor sich sah. Sie hatte wirklich das bezauberndste und aufreizendste Lächeln, das man sich vorstellen konnte. Dazu kamen ihr seidiges rotblondes Haar und ihr betörender Duft. Mit ihren freizügigen Auftritten hatte sie ihn schon rasend gemacht vor Lust. Und sie wusste nicht nur genau, wie sie ihn erregen konnte, sondern brachte ihn ebenso zum Lachen. Niemand konnte North so bezaubernd von all den Sorgen auf der Ranch und seiner schweren Verantwortung, die er viel zu früh hatte übernehmen müssen, ablenken.

Sie war einfach süß, und das wusste sie leider auch sehr genau. Es hatte ihr Spaß gemacht, North seine Vorbildrolle als ernsthaftester und härtester Rancher von ganz Texas vergessen zu lassen.

North war noch keine fünf Jahre alt gewesen, als sein Großvater ihn zum ersten Mal auf dem Pferd mitgenommen hatte. Sie hatten zusammen Vieh auf die Weide getrieben, und Norths Großvater hatte seinem Enkel leise erzählt, er werde eines Tages die Verantwortung für sämtliches Vieh und die riesige Ranch haben. Norths Vater Rand Black galt heute noch in Texas als Legende. North war fest entschlossen, dem Andenken seines Vaters gerecht zu werden. Viele Familien lebten und arbeiteten seit Generationen auf der Ranch. Sie waren davon abhängig, dass Nortsie erfolgreich leitete.

Die Menschen auf der El Dorado Ranch verehrten North, nur Melody zeigte keinerlei Respekt. Wieso also liebte er ausgerechnet diese aufsässige junge Frau, und das schon, seit sie ein junges Mädchen war? Dabei war sie nicht mal gut im Bett. Ihr Sex-Appeal löste sich in Nichts auf, wenn man mit ihr allein war, sie war viel zu verspannt und launisch. Jedenfalls hatte North sie so erlebt. In der Öffentlichkeit hingegen zog sie eine Show ab, die jeden Mann einschließlich North vor Lust in den Wahnsinn trieb. Am Ende war North jedes Mal bis aufs Äußerste erregt gewesen und hatte vor Eifersucht gekocht. Sobald sie beide allein gewesen waren und er einen Annäherungsversuch gemacht hatte, verhielt Melody sich ängstlich wie das junge Lama. North konnte es nicht ausstehen, dass alle sie für eine heiße Frau hielten, die leicht zu haben war. Melody war das genaue Gegenteil.

Abgesehen von jener letzten Nacht.

Nein, sagte er sich entschlossen, denk nicht mehr daran. Vergiss das alles und arbeite. Dee Dees Einladung zum Dinner hättest du schließlich auch nicht angenommen, wenn Dee Dee nicht geschworen hätte, dass Melody in Austin ist.

Oder wollte er doch die neuesten Fotos von Melody sehen, die Dee Dee am Kühlschrank kleben hatte? Wollte er all die kleinen Andeutungen hören, die Dee Dee so nebenbei fallen ließ?

Sie ist weit weg in Austin, und dort soll sie bleiben und endlich erwachsen werden, dachte North. Es waren harte Zeiten, und die erforderten klare Entscheidungen. Und zu allem Übel hatte in der vergangenen Nacht der Mitternachtsbandit wieder einmal versucht, eine Lastwagenladung Vieh zu stehlen.

Seit über hundert Jahren führten die Blacks diese Ranch. Die Bilder seiner Vorfahren hingen im Haupthaus, und ihre grimmigen Mienen schienen in dieser schwierigen Zeit von North das Unmögliche zu verlangen.

Schwitzend machte er sich in dem Stall daran, der Kuh beim Kalben zu helfen.

Jeff trat neben ihn. Er hatte rote Haare, O-Beine, eng zusammenstehende Augen und war der größte Sturkopf weit und breit. Trotzdem waren die Frauen verrückt nach ihm. Sein Vater war vor ihm der Vorarbeiter der Ranch gewesen, und Jeff war genau wie North hier aufgewachsen. Die beiden standen sich so nahe wie Brüder.

„Na, dann los“, drängte Jeff.

Die beiden Männer gerieten noch mehr ins Schwitzen, bis die Hufe des Kalbs herauskamen. Kurz darauf hatten sie gemeinsam das Kalb auf die Welt gebracht. Jeff und North arbeiteten wie üblich schweigend, doch als sie fertig waren, lächelten sie sich an. Es war geschafft. Das Kalb war geboren, ein neues Leben begann.

Wieder musste North an Melody denken. Nach ihrem ersten und einzigen Besuch auf der Ranch war sie Vegetarierin geworden, nur um ihn zu ärgern.

North blickte auf das neugeborene Kalb. Wie kam Melody eigentlich darauf, die Tiere würden ihm nichts bedeuten?

„Der Kleine ist süß, stimmt’s, King?“

Vergiss sie endlich, sagte sich North. „Ihm fehlt noch die Blechmarke im Ohr. Und impfen musst du ihn auch noch.“

Nur wenige Minuten später verließ North den Stall und verbrachte den Tag wie meistens bei den Cowboys auf der Weide.

Weil ihm noch der Weg zu Melodys Eltern in Corpus Christi bevorstand, beendete North so früh wie seit Wochen nicht mehr seine Arbeit. Bevor er jedoch zum Ranchhaus zurückkehrte, machte er noch einen Abstecher in den Stall.

Das Kalb wirkte schon recht kräftig, und so wandte North sich den beiden Lamas zu.

„Jeff!“, rief er.

Sofort kam Jeff angelaufen. Wenn der King rief, sprangen sie alle.

Alle außer Melody.

Als das Lamababy zum ersten Mal seine Scheu abgelegt hatte und auf wackligen Beinen zu ihm gekommen war, hatte North sein Herz an dieses magere Geschöpf verloren. Er musste an ein dünnes kleines Mädchen denken, das sich die Tränen mit dem Handrücken abgewischt und sich ihm in die Arme geworfen hatte.

„Wann hat mein kleines Lama zum letzten Mal getrunken?“ Norths Stimme klang seltsam rau.

„Vor drei Stunden. Soll ich es wieder füttern?“

„Nein.“ North konnte nicht erklären, warum er das tat, doch er ging zum Kühlschrank und holte eine Flasche mit frischer Milch heraus. „Wärm das auf. Ich füttere es selbst.“

„Du verschwendest eine Menge Zeit mit diesem kleinen Kerl“, stellte Jeff fest, als North sich neben das Lamababy hockte.

„Ich habe eben eine Schwäche für hoffnungslose Fälle.“

Hatte Melody nicht behauptet, er habe kein Herz?

Das Telefon im Stall klingelte, als North gerade das Lama auf dem Schoß hatte und ihm die Flasche gab. W.T. platzte mit dem kabellosen Apparat herein, und sofort hörte das kleine Lama vor Schreck mit dem Saugen auf.

Gerade W.T., der sich nur bewegte, wenn es sein musste, sah mehr wie ein Cowboy aus als alle anderen auf der der El Dorado Ranch. Er trug ausgetretene Stiefel mit hohen Absätzen und einen breiten Hut. Die perfekte Tarnung für seine Bequemlichkeit.

„Sei in Zukunft leise, wenn du hier hereinkommst“, flüsterte North gereizt.

„Das ist die Grenzpatrouille. Delfino steht mit seinem Dodge Ramcharger am Tor und verlangt Zutritt zur Ranch.“

North schnappte sich das Telefon. „Delfino, hoffentlich haben Sie endlich eine Spur vom Mitternachtsbanditen. Er wäre fast mit einer großen Lkw-Ladung …“

„Nein, es geht um ein paar halb verhungerte illegale Einwanderer. Es sind alles noch Kinder. Keine zehn Meilen südlich von Ihrer Ranch. Wir haben sie aus dem Hubschrauber entdeckt, aber wir können in dem Dickicht nicht landen.“

„Verdammt!“, stieß North aus.

Das Leben in Texas war nicht leicht, aber in Mexiko war es noch härter, und von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer. Fast wöchentlich entstanden an der Südgrenze der El Dorado Ranch neue kleine Siedlungen auf mexikanischer Seite. Die Menschen dort hatten keine Arbeit und beobachteten genau, was auf der Ranch vor sich ging.

North hatte sich angewöhnt, seinen Colt zu tragen, wenn er auf abgelegenen Weiden der Ranch zu tun hatte. Er konnte heutzutage nicht mehr sagen, wer ihm auf seinem eigenen Grund und Boden über den Weg laufen würde. Sobald er illegale Einwanderer entdeckte, rief er die Grenzpolizei an.

Wieder gingen ihm Melodys Worte durch den Kopf: „Wir Amerikaner geben jährlich über vier Milliarden Dollar für Haustierfutter aus. Und weißt du was, Bertie? Nicht einmal ein Viertel dieser Summe spenden wir für die Menschen, die in der Dritten Welt verhungern.“

Bertie war Melodys ganz persönliche Bezeichnung für den King. Einen lächerlicheren Spitznamen hatte sie anscheinend nicht finden können.

Immer mehr Menschen drängten aus purer Verzweiflung über die Grenze. Heutzutage waren es nicht mehr nur Männer, die illegal einwanderten. Auch Frauen und Kinder machten sich auf den Weg durch die Wüste, meist ohne genügend Wasser und Nahrung.

Delfino wiederholte ein einziges Wort. „Kinder!“

Zehn Meilen zu Fuß in dieser Hitze. Bevor die Kinder die Ranch erreichten, würden sie verdursten.

Bedrückt nickte North. „Halten Sie bei der Gelegenheit auch nach meinem Banditen Ausschau, hören Sie?“

Nachdem er aufgelegt hatte, fing das Lama wieder zaghaft an zu nuckeln. Geduldig fütterte North das junge Tier, bis die Flasche leer war. Schließlich strich er mit der Hand über die pelzigen Ohren. „Wag es nicht, mir zu verhungern, Little Camel. Das werde ich verhindern.“

North verließ den Stall und traf Jeff im Lagerraum an. „Kümmerst du dich um Little Camel, während ich in Corpus Christi bin?“

„In Corpus Christi?“ Ruckartig wandte Jeff ihm den Kopf zu. „Und was ist mit Samstag? Mit uns beiden und Maria und Tina?“

„Richtig. Samstag“ North nahm seinen Stetson vom Kopf und fuhr sich durch das schwarze Haar, bevor er den Hut wieder aufsetzte. „Unsere Verabredung will ich auf keinen Fall versäumen.“ Allerdings klang seine Stimme nicht sonderlich begeistert.

„Wir grillen Steaks, dann reiten wir auf der Ranch herum, zeigen ihnen die Fohlen und Kälber, geben ein bisschen an und legen sie flach.“ Jeff runzelte die Stirn. „Genau wie früher. Bevor sie aufgetaucht ist.“

„Genau wie früher.“

Jeff konnte Melody nicht ausstehen. Er war mit North aufs College gegangen, und zu zweit hatten sie sich oft mit Mädchen verabredet. Sie waren unzertrennlich gewesen, bis Melody in Norths Leben getreten war.

„Wegen Little Camel brauchst du dir keine Sorgen zu machen, King.“

North ging duschen und zog sich eine saubere Jeans, ein weißes Hemd und seine besten Stiefel an. Die Uniform, so hatte Melody es immer genannt. Leicht gereizt ging er hinaus zu seinem weißen Pick-up.

Auf dem Beifahrersitz lag der Colt. North steckte die Waffe ins Handschuhfach.

Die Fahrt durch die flache Landschaft, die er so gut kannte, wurde bald langweilig. Vielleicht fielen North deshalb die Aufkleber am Heck des Lastwagens vor ihm so auf. Auf einem stand, man solle Texas verschönern, indem man die Yankees zurück in den Norden schickte.

North las die übrigen Aufkleber und musste lächeln. Melody hatte eine Vorliebe für diese Sticker.

Schon wieder Melody! Wieso hatte er dieses Dinner nicht abgesagt? Jetzt war es zu spät. Dee Dee konnte ausgezeichnet kochen, und Sam wusste alles über Football. Bedrückt dachte North daran, dass sein eigener Vater viel zu jung gestorben war. Aber deshalb wollte er jetzt nicht in Trauer verfallen.

Schließlich schaffte seine Mutter es auch perfekt, sich über ihre Trauer hinwegzuhelfen. Sie verprasste ihr Erbe in Europa auf dem Schloss eines bayerischen Adligen, den sie in Paris kennengelernt hatte.

Die Woods hatten North schon immer spüren lassen, wie viel er ihnen bedeutete. Mehr als Melody, seine Mutter oder sogar seine Großmutter. Nein, North würde zu diesem Dinner fahren. Außerdem hatte er noch Termine mit seinem Steuerberater und einem Mann, der Rinder von ihm kaufen wollte, vor sich.

Andererseits waren die Woods Melodys Eltern. Und North ging jetzt mit Maria.

Okay, bislang hatte sie sich nur ein einziges Mal getroffen.

Eine Stunde später klopfte North laut an die Vordertür des zweigeschossigen Hauses der Woods. Mühsam zwang er sich innerlich zur Ruhe. Als niemand öffnete, drückte er mit der ganzen Faust auf die Klingel. Gerade wollte er sich wieder abwenden, als er hinter der Tür schnelle Schritte hörte.

Dann öffnete sich die Tür und eine schlanke Hand wurde sichtbar. Auf die weiß lackierten Fingernägel waren silberne Monde aufgeklebt.

Lächerlich dachte North. Silberne Monde, das sieht lächerlich aus.

Sie glitzerten und schienen ihm zuzublinzeln. Noch bevor North den Rest der Frau sah, zuckte er zusammen, weil er sofort wieder dieses Prickeln verspürte. Trotzdem sagte er scheinbar ruhig und gelassen: „Hallo, Melody.“

2. KAPITEL

„Warum lächelst du nicht, Bertie? Das ist das Zweitbeste, was du mit deinen Lippen tun kannst.“

Melodys tiefe Stimme, gepaart mit dem Südstaatenakzent, klang unglaublich sexy. North schossen zahllose Fantasien durch den Kopf. Er fing an zu träumen, wie wunderbar es wäre, ihre Lippen auf seinem Körper zu spüren.

„Du böser Junge, du“, flüsterte sie, als könne sie seine Gedanken lesen.

„Was in aller …“

„Entspann dich. Gar nichts wollte ich damit sagen. Das habe ich auf einem Aufkleber an einem Auto gelesen, als ich nach Hause zurückgefahren bin.“

Sie hatte diese lustige Angewohnheit also beibehalten.

North trat einen Schritt näher, doch das war ein Fehler. Ihr bezaubernder Duft umgab ihn wie ein verführerischer Nebel.

„Ich habe auch einen gelesen, Darling: ‚Wenn du das hier entziffern kannst, fährst du zu dicht auf.‘“

Sie lachte.

North musste sich auf die Zunge beißen, um nicht ebenfalls zu lächeln.

Autor

Ann Major

Ann Major wird nicht nur von ihren Leserinnen sehr geschätzt, sondern bekommt auch von anderen Romance-Autorinnen wie Nora Roberts und Sandra Brown tolle Kritiken.

Aber ihr Erfolg ist hart erarbeitet, denn sie sagt von sich selbst, dass sie keine Autorin ist, der alles zufliegt. Sie braucht die täglichen kleinen Rituale...

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