Die Prinzessin und der Milliardär

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Prinzessin Tuccia? Schockiert erkennt der sizilianische Milliardär Cesare Donati, wer ihm da in die Arme gelaufen ist. Aber so sehr ihre Nähe seine Lust entfacht, Tuccia ist tabu - sie ist einem anderen Mann versprochen! Trotzdem kann er sich ihren Reizen nicht lange entziehen …


  • Erscheinungstag 20.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719135
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Salon des Reines, Paris, Frankreich

Der Chauffeur des Comte Jean-Michel Ardois hielt vor dem Brautmodegeschäft in der Rue de L’Echelle. In den vergangenen zwei Wochen war Prinzessin Tuccianna Falcone Leonardi von Sizilien schon dreimal zur Anprobe mit ihrer Mutter hier gewesen. Jedes Mal hatte sie unter dem Vorwand, auf die Toilette zu müssen, den exklusiven Laden heimlich nach Fluchtwegen untersucht.

Heute Morgen sollte sie zum letzten Mal das Brautkleid anprobieren, um sicherzugehen, dass für die Trauung am nächsten Tag alles perfekt war. Doch Tuccia hatte gar nicht die Absicht, zu der pompösen Hochzeit zu erscheinen, die ihre Eltern und Comte Ardois arrangiert hatten. Seit ihrer aufgezwungenen Verlobung vor zehn Jahren hatte Tuccia von ihrer Freiheit geträumt. Jetzt war der Zeitpunkt für ihre Flucht gekommen.

Madame Dufy, die Geschäftsinhaberin, begrüßte Tuccia und ihre Mutter und führte sie in den Ankleideraum.

„Delphine ist gleich mit Ihrem Kleid bei Ihnen. Es ist genauso wunderschön wie Sie, Prinzessin!“, bemerkte Madame Dufy. Dann eilte sie davon, um ihre Angestellte zu holen.

Auf diesen Moment hatte Tuccia gewartet. Sofort wandte sie sich ihrer Mutter zu, der Marchesa di Trabia. „Ich muss kurz auf die Toilette.“

„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“

„Ich kann nichts dafür. Du weißt, dass es immer so ist, wenn ich nervös bin.“

„Du bist unmöglich, Tuccia! Dann geh! Aber beeil dich. Wir haben eine lange Liste mit Dingen, die wir heute noch erledigen müssen.“

„Ich bin blitzschnell, mamma.“

Schließlich ist das meine letzte Chance, den Klauen des Grafen zu entkommen!

Tuccia wusste, dass der Comte ihr einen Leibwächter zuteilen würde, sobald sie verheiratet waren, und dass er sie für den Rest ihres gemeinsamen Lebens nicht aus den Augen lassen würde. Sie hatte zufällig mit angehört, wie er es mit ihren Eltern besprochen hatte, die gesagt hatten, sie brauche eine starke Hand. Danach hatte Tuccia ihr Verschwinden umso akribischer geplant …

Sie ging durch den Flur zur Toilette, huschte aber nur hinein, um ihren Verlobungsring auf den Boden neben dem Waschbecken zu legen. Wer ihn fand, konnte denken, was er wollte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand sie gesehen hatte, lief sie durch einen anderen Flur zur Hintertür – und aus dem Geschäft hinaus.

Von dort waren es nur ein paar Schritte durch die Gasse für den Lieferverkehr zur Straße, wo sie rasch in ein Taxi stieg.

„Zum Flughafen Le Bourget, bitte.“

Ihr Herz wollte einfach nicht aufhören, wie verrückt zu klopfen, als sie losfuhren. Sie blickte zurück. Bis jetzt kam niemand aus der Gasse hinter ihr her. Sie bangte und hoffte den ganzen Weg zum Flughafen, wo sie einen Privatjet bestieg, den ihre Tante Bertina unter falschem Namen für sie gechartert und bezahlt hatte. Nach der Landung in Palermo, Sizilien, würde sie sich ein Taxi zum Palazzo ihrer Tante nehmen.

Ihr liebster Mensch auf der ganzen Welt würde ihr in Kürze Zuflucht bieten. Und Bertina würde ihr auch weiterhin helfen müssen, oder alles war verloren.

Einen Tag später in Mailand, Italien

Das Abendessen im privaten Speisesaal des berühmten mittelalterlichen Kastells, dem Sitz des ersten Duca di Lombardi, war beendet. Herzog Vincenzo Gagliardi erhob feierlich seinen Kelch, auf dem das Wappen der Familie Gagliardi prangte. „Viel Glück, Cesare. Unser Unternehmen hängt von dir ab. Ich hoffe, du kehrst schnell mit der Vertretung für meine Frau zurück. Das Baby wird bald da sein. Ich will, dass Gemma endlich aufhört zu arbeiten. Besser heute als morgen!“

„Ganz meine Meinung.“ Takis hob sein Glas. „Du musst dich beeilen.“ Er stieß mit Cesare an, und sie tranken einen Schluck des Spitzenweins, den Vincenzo zu Cesares Verabschiedung aus dem riesigen Weinkeller des Kastells geholt hatte.

Cesare Donati blickte seine beiden besten Freunde lächelnd an. Sie waren seit über einem Jahrzehnt wie Brüder für ihn. Gemeinsam hatten sie die ehemalige Festung in das Fünfsternehotel und Restaurant Castello di Lombardi verwandelt, Europas begehrtestes Resort.

„Ich habe eine Überraschung für euch. Ich werde in zwei Tagen mit unserem neuen Patissier zurück sein. Das habe ich Gemma heute Morgen schon gesagt.“

„So schnell?“, riefen Takis und Vincenzo erstaunt.

„Die Vorbereitungen laufen schon seit einer Weile, also macht euch keine Sorgen.“

Seine Freunde lächelten erleichtert. Cesare hatte sich schon längst für einen würdigen Nachfolger für Gemma entschieden. Aber er wollte für sich behalten, wen er ausgewählt hatte, bis er ihnen Ciro Fragala persönlich vorstellen konnte, am besten zusammen mit einer seiner sizilianischen Dessertkreationen.

Obwohl Gemma als Patissière perfekt war und sie mit ihren Desserts die Gäste aus der High Society anlockte, war für Cesare seine sizilianische Mutter die beste Köchin der Welt.

Sie hatte ihr Handwerk von den Nonnen gelernt, die das Waisenhaus geleitet hatten, in dem sie erzogen worden war, bis sie achtzehn wurde. Weil sie gesagt hatte, Signor Fragala sei der beste Patissier in ganz Sizilien, hatte Cesare die notwendigen Nachforschungen über ihn angestellt. Nach einem Besuch in dem Restaurant in Palermo mit seiner Mutter vor zwei Monaten hatte er ihrer Einschätzung zugestimmt.

Wenn Ciro für sie arbeiten könnte, wäre das eine echte Bereicherung für das Nobelrestaurant der drei Freunde! Cesare und seine Mutter hatten sich in den vergangenen Wochen mehrere Male mit dem fünfundfünfzigjährigen Witwer getroffen. Und der Patissier hatte sich nur zu gerne bereit erklärt, im berühmten Restaurant des Castello zu arbeiten.

Weil er keine Kinder hatte, war es kein Problem, umzuziehen. Er hatte bereits gekündigt, und Cesare plante, ihn persönlich hierher nach Mailand zu bringen. Der neue Patissier würde mit dem französischen Küchenchef im Castello gut zusammenarbeiten.

„Wir fahren dich zum Flughafen“, sagte Vincenzo.

Cesare schüttelte den Kopf. „Danke, aber ihr habt schon genug getan, indem ihr mich mit diesem Abendessen überrascht habt. Eure schwangeren Ehefrauen waren wirklich großzügig, uns drei allein essen zu lassen. Inzwischen fragen sie sich bestimmt, wo ihr bleibt. Und meine Limousine wartet schon.“

„Dann begleiten wir dich hinaus.“

„Danke.“ Cesare trank den Rest seines Weins aus und stand auf. Er griff nach dem Koffer, den er neben der Doppeltür abgestellt hatte, und ging voran.

„Gute Reise“, sagte Takis, als Cesare in die Limousine stieg.

„Immer.“

Vincenzo lächelte. „Wir können es kaum erwarten, diesen geheimnisvollen Patissier kennenzulernen.“ Er klopfte Cesare auf die Schulter und schloss die hintere Tür der Limousine, dann entfernte sich der Wagen vom Castello.

Zwei Stunden später landete der herzogliche Jet auf dem Flughafen Palermo, wo auf dem Rollfeld eine weitere Limousine auf Cesare wartete. Er sagte dem Fahrer, er solle ihn nach Mondello bringen. In dem schicken Seebad hatte er eine Villa für seine Mutter und seine Schwester gekauft, die jetzt verheiratet war und mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Kleinkind in der Stadt wohnte.

Cesare hatte für seine wundervolle Mutter Lina Donati immer nur das Beste gewollt.

Sie würde Palermo niemals verlassen. Nach ihrer Zeit bei den Nonnen hatte sie angefangen, in einem Restaurant zu arbeiten. Bald hatte sie geheiratet, doch ihre Ehe war nur von kurzer Dauer gewesen. Von ihrem Mann verlassen, hatte sie als Köchin für den Lebensunterhalt ihrer kleinen Familie gesorgt – und sich durch ihr Können bald einen Namen gemacht. Cesare fand, dass sie das beste Essen auf der Welt kochte. Ihr zu Ehren hatte er eine hochmoderne Küche in der Villa installieren lassen.

Vom ständigen Stehen hatte Lina einen schlimmen Rücken, deshalb kochte sie jetzt ausschließlich für Bertina Spadaro. Diese freundliche Dame war wirklich kein fordernder Arbeitgeber, trotzdem hatte Cesare seine Mutter angefleht, endlich in den Ruhestand zu gehen. Er würde immer für sie sorgen. Aber sie konnte sich ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen, und sie hatte Bertina gern. Die adlige ältere Schwester der Marchesa di Leonardi di Trabia war ihr in den beiden letzten Jahren eine gute Freundin geworden.

Die Familie Leonardi stammte aus der Gemeinde Trabia, fünfzig Kilometer von Palermo entfernt, und konnte ihre Wurzeln bis ins fünfzehnte Jahrhundert zurückverfolgen. Der gegenwärtige Marchese und seine Frau wohnten aber nicht im Schloss der Familie, sondern hatten ihren eigenen Palazzo im Herzen von Palermo.

Mondello hatte alles: exklusive Jachtklubs am Sandstrand, Restaurants, Läden und eine Marina mit vielen Jachten, unter denen die große strahlend weiße des Marchese herausragte.

Bevor er seiner Mutter die Villa gekauft hatte, war Cesare an ihrem Privatstrand durch den Sand gelaufen und hatte die vom Duft der Orangen- und Jasminblüten erfüllte Luft eingeatmet. Die Gegend hier war wirklich bezaubernd! Jedes Mal, wenn er nach Palermo flog, wurde er daran erinnert, dass es nirgendwo sonst auf der Welt eine Stadt gab, die ihn so faszinierte wie diese.

Als Cesare heute Abend in die alte farbenprächtige Stadt kam, wurde er einmal mehr von dem unverwechselbaren Geruch nach Fisch und Gewürzen empfangen, der immer Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend zurückbrachte.

Sein Vater war in der Handelsmarine gewesen. Er hatte sich davongemacht, bevor Cesare ein Jahr alt war, und es seiner Mutter überlassen, in einer Trattoria zu arbeiten und für ihn und seine ältere Schwester Isabella zu sorgen. Sie hatten in der Wohnung über der Trattoria gewohnt, in einer eher rauen Gegend von Palermo. In Cesares Welt hatte es Handtaschendiebe gegeben, eine Dusche, die meistens nicht funktionierte, und mörderische Hitze. Alles war heruntergekommen und chaotisch gewesen.

Da er noch zu klein gewesen war, um sich an seinen Vater zu erinnern, vermisste Cesare ihn nicht wirklich. Trotzdem hatte er als Kind immer seine Freunde beneidet, die einen Vater hatten, der ihnen Dinge beibrachte. Manchmal war es ihm peinlich gewesen, dass er der Einzige war, der unbegleitet zur Messe ging, während die anderen Jungen mit ihren Vätern in die Kirche gingen.

Als er größer wurde, verschwand die Verlegenheit, aber ihm fehlte das Selbstvertrauen, das viele seiner Freunde durch ihr Zugehörigkeitsgefühl zu einer intakten Familie bekommen hatten.

Heute, im Alter von dreißig Jahren, führte Cesare ein völlig anderes Leben. Dank eines Mentors an der Universität, der ihm beigebracht hatte, wie man investierte, besaß er inzwischen Milliarden. Aber er konnte die Vergangenheit niemals vergessen. Sie hatte ihn zu dem Mann geformt, der er geworden war.

Im Lauf der Zeit hatte Cesare genug gesehen, um zu dem Schluss zu kommen, dass romantische Liebe höchstens vorübergehend war. Natürlich gab es Ausnahmen, wie die Ehen seiner Geschäftspartner bewiesen. Aber in dieser Phase seines Lebens war Cesare nicht allzu zuversichtlich, dass er ein guter Ehemann wäre. Er war nicht mit Eltern aufgewachsen, die sich liebten. Bisher hatte er das Gefühl, dass er allein besser dran war. Mit seiner Mutter, seiner Schwester, dem Schwager und seiner Nichte Elana hatte Cesare eine Familie, die er liebte und mit der er glücklich war.

Tatsächlich hatte er alles, was er brauchte, einschließlich der gelegentlichen Beziehung mit einer Frau. Es gab keine Garantie dafür, dass seine Ehe hielt, wenn er heiratete.

Oder dass er seinem Vater nicht doch ähnlicher war, als er dachte …

Ab und zu quälte ihn dieser Gedanke, weil er noch keine Frau kennengelernt hatte, die ihm alles bedeutete. Vielleicht stieß er die Frauen unbewusst weg, damit er sich nicht mit Bindung beschäftigen musste. Obwohl er bei seiner Mutter alten Kummer nicht wieder aufrühren wollte, würde er irgendwann einmal mit ihr über den Mann sprechen, der die Familie im Stich gelassen hatte. Seinen Sohn im Stich gelassen hatte …

Als die Limousine schließlich vor der Villa hielt, verdrängte Cesare seine düsteren Gedanken. Seine Mutter erwartete ihn und wusste, dass er am nächsten Tag mit Ciro zurück nach Mailand fliegen würde. Aber es war inzwischen fast ein Uhr nachts.

Cesare hatte ihr gesagt, sie solle nicht aufbleiben. Sie würden am Morgen reden, bevor Ciro mit einer Limousine hier ankam, die Cesare im Voraus bestellt hatte. Der Mann würde seine Sachen von einer Möbelspedition nach Mailand liefern lassen und in einem Zimmer im Castello wohnen, bis er entschied, wo er leben wollte.

Jedes Mal war Cesare wieder bezaubert von der zweistöckigen Villa mit den drei schönen Terrassen und dem mediterranen Garten. Glänzende Kacheln aus Nordafrika säumten den kleinen Swimmingpool.

Von der Terrasse, die vom Esszimmer abging, hatte man eine herrliche Aussicht auf den Golf von Palermo. Cesare hatte den Anblick immer geliebt, wenn er in seiner Jugend auf den Monte Pellegrino gestiegen war. Oben auf dem Berg hatte er sich immer vorgestellt, dass er eines Tages der drückenden Hitze und dem Chaos der Stadt entfliehen würde. Dass er nach Amerika reisen würde.

Erstaunlicherweise hatte sich dieser Traum erfüllt …

Als er die Diele betreten hatte, schaltete Cesare die Außenbeleuchtung aus und ging auf den Steinfliesen mit seinem Koffer im Dunkeln in die Küche. Er stellte den Koffer ab und nahm eine kleine Flasche aus dem Schrank. Er wollte nach oben in seine Suite gehen und vor dem Schlafen noch etwas von seinem Lieblingsgrappa trinken. Sich daran erinnern, dass er wieder in seiner Heimat war.

Aber als er sich umdrehte und seinen Koffer hochheben wollte, stieß er gegen einen warmen Körper. Ein Schrei ertönte.

„Mamma?“ Automatisch drückte er sie an sich. „Das tut mir sehr leid. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du so spät noch auf bist. Habe ich dir wehgetan?“

In diesem Moment rutschte ihm die Flasche aus der Hand und zerbrach auf dem Boden. Der starke Geruch des sechzigprozentigen Alkohols war jedoch gar nicht so schlimm. Wie sich die Frau in seinen Armen anfühlte, schockierte Cesare viel mehr.

Sie hatte nicht die Figur seiner drahtigen Mutter! Und schon gar nicht die Figur der Haushälterin, die mehrmals die Woche kam. Wer war die Frau in seinen Armen? Sie war groß, ihr Haar duftete nach Blumen, und ihre zarte Haut … Cesare brauchte eine Sekunde, um seine fünf Sinne zusammenzunehmen.

„Bewegen Sie sich nicht. Da sind Glasscherben. Ich mache das Licht an.“ Er ließ sie los, ging zur Tür und drückte auf den Schalter. Völlig perplex sah er auf die Frau, die er eben noch in den Armen gehalten hatte.

Wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre er überzeugt gewesen, eine wunderschöne Prinzessin vor sich zu haben! Ihre sensationelle Figur war in einen zitronengelben Seidenmorgenmantel gehüllt. Zum Glück trug sie Sandalen, sodass sie sich nicht an den Glasscherben auf dem Boden verletzen konnte. Sie hatte mittellanges, lockiges schwarzes Haar und Augen so grau wie der Morgennebel über dem Meer. Noch während Cesare die atemberaubende Fremde mit seinen Blicken verschlang, fühlte er sich an etwas erinnert. Ja, er hatte diese Frau schon einmal gesehen, wusste aber nicht, wo er sie einordnen sollte.

Sie starrte ihn verwirrt an, bevor sie ein paar Schritte von der Pfütze und den Scherben zurücktrat. „Sie sind Cesare“, sagte sie leise. Es klang erstaunt.

„Leider bin ich Ihnen gegenüber im Nachteil.“ Vielleicht war er mitten in einem fantastischen Traum? Schnell ging er zum Abstellschrank und holte Lappen und Besen, um das Glas aufzufegen und den Boden sauber zu wischen.

„Mein Name ist Tuccia. Es tut mir so leid, dass ich Sie erschreckt habe.“

Tuccia. Ein ungewöhnlicher Name.

Tuccia … War das die Kurzform für Prinzessin Tuccianna aus dem sizilianischem Adel?

Im Lauf der Jahre waren gelegentlich Fotos von ihr in den Zeitungen gewesen, hauptsächlich Storys über ihre Eskapaden außerhalb des Palazzo ihrer Eltern. Es wurde darüber berichtet, wenn sie mit Freunden in Schwierigkeiten geriet und beim Feiern in Klubs gesehen wurde. Aber Cesare hatte sie nie aus der Nähe gesehen.

Zuletzt war in der Presse Palermos berichtet worden, sie sei mit einem französischen Grafen verlobt, der in Paris lebe und einer der reichsten Männer Frankreichs sei.

Nein. Das konnte nicht sein. Und dennoch, sie war es!

„Tuccia? Ich fürchte, ich … kenne den Namen nicht.“ Cesare hatte soeben beschlossen, sich zu verstellen, bis er herausfand, was die Tochter des Marchese und der Marchesa in der Villa seiner Mutter machte.

„Können Sie wohl auch nicht. Er ist nicht geläufig.“

Sie versuchte, ihn abzuspeisen, aber Cesare wollte diesem Rätsel auf den Grund gehen. „Hat meine Mutter Sie als neue Haushaltshilfe eingestellt?“

„Nein. Signora Donati hat mir erlaubt, heute hier zu übernachten.“

Er runzelte die Stirn. Warum hatte seine Mutter ihm nicht gesagt, was ihn bei seiner Ankunft erwartete?

„Ich … ich dachte, ich hätte ein Geräusch gehört, aber ich hatte keine Zeit mehr, das Licht anzumachen.“

„Wir sind wohl beide überrumpelt worden.“ Er war noch immer ganz benommen davon, wie fantastisch sie sich in seinen Armen angefühlt hatte …

Er hatte im Lauf der Jahre mehrere Beziehungen mit attraktiven Frauen gehabt. Doch diese unverhoffte Begegnung mit der schönen jungen Prinzessin hatte ihn zutiefst erschüttert.

„Ich nehme an, Sie wissen, dass Sie die wundervollste Mutter der Welt haben“, sprudelte sie plötzlich hervor.

Cesare war verblüfft über die Bemerkung, die völlig aufrichtig geklungen hatte. Er schloss die Tür des Abstellschranks und drehte sich zur Prinzessin um. Mit jeder Sekunde wurde er neugieriger. „Ja. Woher kennen Sie meine Mutter?“

Sie zögerte. „Ich denke, es wäre besser, wenn Sie sie selbst fragen. Es tut mir wirklich leid, Sie gestört zu haben. Ich werde jetzt Gute Nacht sagen.“

Sie lief davon und ließ Cesare hellwach und mit vielen Fragen allein zurück. Nur ein Hauch ihres blumigen Dufts schien noch einen Augenblick zu verweilen …

Diese Prinzessin, angeblich eine verzogene, eigensinnige Nervensäge, besaß Eleganz und gute Manieren. Und einen Charme, der ihm unter die Haut gegangen war!

Cesare holte tief Luft. Er weckte seine Mutter nicht gern, doch nun würde er erst schlafen können, wenn er Antworten hatte. Bevor er nach oben ging, wollte er eine andere Flasche Grappa aus dem Schrank nehmen. Doch er fand nur eine Flasche mit zum Kochen bestimmtem Sherry.

Das hatte er nun davon, dass er vorhin das Licht nicht angemacht hatte. Das – und die Erinnerung an eine ganz außerordentliche Begegnung.

Mit klopfendem Herzen eilte die fünfundzwanzig Jahre alte Principessa Tuccianna Falcone Leonardi durch den Flur zu ihrem Gästezimmer im hinteren Teil der Villa. Sie hätte niemals in die Küche gehen sollen, aber sie brauchte etwas zu trinken. Lina hatte gesagt, sie könne sich gern alles nehmen, auch die Limonade, die im Kühlschrank stehe.

In der Dunkelheit plötzlich an einen harten männlichen Körper gedrückt zu werden war so überraschend gekommen, dass sich noch immer alles um sie herum zu drehen schien. Ihr war, als würde sie noch immer Cesares männliche Kraft spüren und seinen aufregenden Duft atmen.

Nachdem er in der Küche das Licht angeknipst hatte, hatte sie zum ersten Mal Linas großen, unglaublich attraktiven Sohn gesehen. Tuccia hatte schon von ihm gehört, aber keine Ahnung gehabt, dass er der tollste Mann war, den sie jemals in ihrem Leben erblickt hatte. Diese tiefblauen Augen, das glänzende braune Haar, dazu seine männliche Stärke … Seine ganze Erscheinung hatte solch einen unauslöschlichen Eindruck gemacht, dass ihr Herz noch immer rasend schnell schlug.

Mehr denn je widerte sie der Gedanke an, ihren vierzig Jahre alten französischen Verlobten zu heiraten, der sie immer nur lüstern angestarrt hatte. Der unglaublich reiche Comte Jean-Michel Ardois hatte immer versucht, sie zu berühren, und in letzter Zeit immer unangemessener.

Gelegentlich hatte Tuccia erlebt, wie rücksichtslos er gegenüber den Leuten war, die für die Familie Ardois arbeiteten. Er war ein kalter, berechnender Mann. Sie könnte ihn niemals lieben oder es über sich bringen, ihn zu heiraten.

Ihre Verlobung mit sechzehn war von ihren Eltern arrangiert worden, dem Marchese und der Marchesa di Trabia, die ständig frische Geldmittel brauchten. Seitdem hatte sich Tuccia zu einem Leben verurteilt gefühlt, vor dem sie sich mit jeder Faser ihres Herzens fürchtete.

Nach sorgfältiger Planung hatte sie den richtigen Moment genutzt, um vierundzwanzig Stunden vor der Trauung wegzulaufen. Sie war aus dem Brautmodegeschäft geflohen und in ihre Heimat Sizilien geflogen. Dank ihrer geliebten Tante Bertina, der älteren, verwitweten Schwester ihrer Mutter …

Tante Bertina lebte in ihrem eigenen Palazzo in Palermo, in dem sie oft enge Freunde zu Gast hatte. Sie liebte Tuccia wie das Kind, das sie nicht hatte bekommen können. Bertina war eine Romantikerin, die immer Verständnis für die tragische Situation ihrer Nichte gehabt hatte. Nur zu gerne hatte sie ihre Köchin Lina Donati dazu überredet, sie über Nacht in ihrer Villa zu verstecken. Währenddessen versuchte sie weiter, Tuccias Reise nach Podgorica in Montenegro zu organisieren, wo sie hoffentlich bei einer entfernten Verwandten wohnen konnte, bis der schlimmste Skandal vorbei war.

Aber Tuccia hatte ihre Tante in eine schreckliche Lage gebracht. Bertina war nach dem Tod ihres Mannes in dem Palazzo wohnen geblieben, aber sie benötigte gelegentlich finanzielle Unterstützung. Tuccias Onkel Pietro Spadaro war kein reicher Mann gewesen. Wenn ihre Eltern richtig böse auf Bertina wurden, könnten sie aufhören, ihr Geld dazuzugeben. Vielleicht warfen sie Bertina sogar aus dem einzigen Zuhause, das sie seit ihrer Heirat kannte.

Und wenn sie erfuhren, dass Bertina nicht nur eine Verwandte in einem anderen Land mit in die Sache hineinzog, sondern auch ihre eigene Köchin, dann würde die Situation richtig hässlich werden.

Wenn Bertina den Palazzo verlor und kein zusätzliches Geld mehr bekam, könnte sie Lina nicht mehr dafür bezahlen, dass sie für sie kochte. Dann wäre Lina arbeitslos, weil sie ihr Unterschlupf gewährt hatte. Alles nur wegen Tuccias Flucht!

Die Prinzessin konnte nicht fassen, dass sie so ein Pech gehabt hatte, Linas Sohn über den Weg zu laufen. Natürlich würde er seine Mutter fragen, warum sie hier war. Sie musste ihren Koffer packen und sich anziehen, damit sie bereit war, sich im Morgengrauen aus der Villa zu schleichen, bevor Lina und Cesare auf waren.

Ganz sicher hatten Jean-Michel und ihre Eltern bereits eine umfassende Suche nach ihr in Gang gesetzt. Wenn sie sich nicht mehr in Linas Villa aufhielt, würde wenigstens Bertina nicht mehr in ihre Flucht verwickelt sein.

Tuccia hatte genug Geld gespart, um mit dem Bus nach Catania zu fahren, wo sie durch eine Freundin einen Job bekommen konnte. Sie wagte nicht, auf ihr Bankkonto zuzugreifen. Außerdem würde das karge Guthaben darauf nicht einmal für ein Flugticket reichen.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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