Die Rückkehr des griechischen Milliardärs

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"Du hast mir meinen Sohn verheimlicht!" Wutentbrannt steht der griechische Milliardär Dimitrios Papandreo vor Annie. Sie versteht seinen Ärger, doch was hätte sie vor sieben Jahren tun sollen? Dimitrios hat sie damals nach einer einzigen sinnlichen Liebesnacht kaltherzig verlassen! Jetzt verlangt er zu ihrer größten Überraschung, dass sie ihn heiratet. Noch immer knistert es heiß zwischen ihnen, zudem wäre ihr kleiner Sohn überglücklich. Aber soll Annie ihre Zukunft wirklich Dimitrios anvertrauen – der nicht an Liebe glaubt?
  • Erscheinungstag 28.03.2024
  • Bandnummer 2512
  • ISBN / Artikelnummer 9783963691317
  • Laufzeit 04:54:00
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

PROLOG

„Was genau schaue ich mir hier an?“ Dimitrios’ Verachtung für Journalisten war ihm deutlich anzuhören.

„Meine E-Mail?“ Die Selbstgefälligkeit des Reporters war wirklich unerträglich.

Der Betreff lautete: Rufen Sie mich an, damit wir darüber sprechen können.

Die Nachricht selbst bestand nur aus einer Zeile.

Dieser Artikel erscheint am Wochenende in der Zeitung.

Angehängt war das Foto eines Jungen.

Die E-Mail war so bizarr, dass Dimitrios einfach darauf hatte reagieren müssen. Da war etwas in der Miene des Jungen, in seinen Augen, das ihm vertraut vorkam und einen Funken der Besorgnis in ihm entzündete.

Sein Zwillingsbruder Zach war bekannt für seine belanglosen Affären. War es möglich, dass er im Laufe der Jahre ein Kind gezeugt hatte?

Das wäre ein Skandal, den die Zeitungen lieben würden. Eine einmalige Chance, den Familiennamen durch den Schmutz zu ziehen – und den des Imperiums, das Zach und Dimitrios versuchten zu beschützen, seitdem sie das Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen von ihrem Vater geerbt hatten.

Ashton, der Journalist, arbeitete für ein Konkurrenzblatt in Sydney. Um das Erscheinen des Artikels in seinen eigenen Zeitungen zu verhindern, hätte Dimitrios die entsprechenden Strippen ziehen können, doch er wusste, er hatte keine Chance, Ashton von der Geschichte abzubringen.

„Und?“, fragte der Journalist. „Bekomme ich ein Zitat?“

Dimitrios seufzte. „Wie sollte ich dazu etwas sagen, wenn ich keine Ahnung habe, welches Gefühl dieses verwackelte Foto in mir auslösen soll? Wiedererkennen? Angst? Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber beides trifft nicht zu.“

Er würde mit seinem Bruder sprechen müssen, um herauszufinden, ob er etwas hiervon wusste. Zach hätte doch sicherlich erwähnt, wenn er ein Kind hätte? Außer, er wusste nichts davon. Wobei, war es nicht wesentlich wahrscheinlicher, dass dieser Journalist versuchte, ihn in eine Falle zu locken?

„Wie ist es, wenn ich Ihnen den Namen Annie Hargreaves nenne?“

Dimitrios’ gesamter Körper reagierte. Sein Blick wanderte zum Fenster seines Büros im obersten Stock des Gebäudes, vor dem die Morgensonne Singapur in einen goldenen Schimmer hüllte. Er fühlte sich, als wäre ein Felsbrocken auf seinen Magen gefallen.

„Was haben Sie gesagt?“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen aus.

Doch Ashton musste seine Frage nicht wiederholen. Die Erinnerungen an Annabelle Hargreaves waren tief in Dimitrios’ Gedächtnis gebrannt. Ihr Körper. Ihre Küsse. Ihre Unschuld. Wie sie ihn in der Nacht, als sie sich geliebt hatten, angeschaut hatte, als bedeutete es etwas Besonderes. Dabei war es nur ein Akt der gemeinsamen Trauer nach dem Tod seines besten Freundes – ihres Bruders – gewesen.

Er dachte an das, was er ihr gesagt hatte, nachdem er ihr die Jungfräulichkeit genommen hatte. Worte, die gezielt verletzend gewesen waren. Er war der alten Regel gefolgt, gemein zu sein, um sie zu schützen, denn er hatte verstanden, dass sie mehr von ihm wollte, als er ihr jemals würde geben können. Jegliche Träume und Hoffnungen, die sie gehabt hatte, dass Dimitrios Papandreo der Mann sein könnte, der ihr ein Happy End schenkte, hatten sofort und unwiderruflich zerstört werden müssen.

Dennoch, aus dem Nichts heraus ihren Namen zu hören, raubte ihm für einen Moment die Fähigkeit zum rationalen Denken.

„Miss Annie Hargreaves, fünfundzwanzig Jahre alt, aus Bankstown, Sydney. Alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Sohnes namens Max. Wollen Sie dazu vielleicht etwas sagen?“

Dimitrios umfasste den Telefonhörer fester. Sein Magen zog sich zusammen, alle Muskeln spannten sich an, als bereite sein Körper sich auf einen Faustkampf vor.

Sechs Jahre alt.

Max.

Die Fakten explodierten in seinem Kopf wie Dynamit.

Innerlich fluchend stand er auf und trat ans Fenster. Das Schwindelgefühl, das ihn gepackt hatte, verstärkte sich.

Lewis war vor sieben Jahren gestorben. Gerade erst war sein Todestag gewesen, den Dimitrios und Zach jedes Jahr begingen. Die drei waren unzertrennlich gewesen; viel mehr als beste Freunde. Lewis war wie der dritte Bruder gewesen. Sein Tod hatte Dimitrios und Zach zerstört. Der Verlust war ein Schock gewesen – dass jemand, der so gesund und stark war, einfach aufhören konnte, zu existieren … Dimitrios hatte vorher schon Schmerz gekannt, aber nicht so eine Trauer, die ihn förmlich entzweigerissen hatte.

Er lehnte die Stirn an die Scheibe und schloss die Augen, als er an Lewis’ kleine Schwester dachte.

Annabelle …

Das war nicht möglich.

„Gerüchte besagen, dass Sie beide ungefähr neun Monate, bevor der kleine Mann auf die Welt gekommen ist, eine gemeinsame Nacht verbracht haben.“

Gerüchte? Nein. Eine Quelle. Es gab keine Gerüchte über ein Kind von ihm, sonst hätte er schon viel eher davon gehört. Irgendjemand, der zu viel wusste, hatte diesem Mann Informationen zukommen lassen.

Annabelle?

Sofort schob er diesen Gedanken beiseite. Wenn sie gewollt hätte, dass jemand davon erfährt, wäre sie direkt zu ihm gekommen. Oder?

„Verstehst du es denn nicht, Annabelle? Ich war betrunken. Ich bin hergekommen, weil ich an Lewis gedacht und ihn vermisst habe. Ich wollte mit jemandem reden, der es versteht. Das …“, er hatte auf das Bett gezeigt, „hätte nie passieren dürfen. Unter normalen Umständen wäre es nie dazu gekommen. Das siehst du doch sicherlich ein?“

„Also?“, hakte Ashton nach. „Können Sie das Gerücht bestätigen? Haben Sie Ihren Sohn schon mal getroffen, Dimitrios?“

Meinen Sohn. Die Gedanken explodierten weiter in seinem Kopf.

„Kümmere dich für mich um sie, Dim. Annie wird am Boden zerstört sein. Sie kommt damit nicht klar. Bitte, sieh nach ihr. Stell sicher, dass es ihr gut geht.“

Die Schuldgefühle verursachten ihm Übelkeit. Er hatte das Versprechen, das er seinem Freund gegeben hatte, gebrochen, hatte seinen Freund hintergangen, und alles nur, weil die Trauer seinen Körper dazu getrieben hatte, Trost auf die einzige Weise zu suchen, die er kannte. Er hatte Lewis im Stich gelassen, und das würde er sich niemals verzeihen.

Und was ist mit Annabelle? fragte die kleine Stimme in seinem Kopf. Sie hatte auch getrauert, und er hatte das ausgenutzt, ohne daran zu denken, welchen Schaden er damit ihrem bereits gebrochenen Herzen zufügte.

„Annie Hargreaves ist eine langjährige Freundin der Familie“, antwortete er, obwohl er wusste, dass es das Dümmste war, was er hätte sagen können, denn diese Aussage würde nur noch Öl ins Feuer gießen.

Ashtons Lachen weckte in Dimitrios den Wunsch, auf irgendetwas einzuschlagen. „So wie es aussieht, ist sie wohl ein wenig mehr.“

Dimitrios’ Instinkt übernahm die Führung, und eine stählerne Härte schlich sich in seine Stimme. „Sie wissen schon, dass Sie nur für die Auflage dabei sind, das Leben eines Kindes zu ruinieren?“

„Und Sie behaupten, damit ein Problem zu haben?“

Darauf konnte Dimitrios nichts erwidern. Er hatte schon vor langer Zeit die Hoffnung aufgegeben, sein Leben aus der Öffentlichkeit heraushalten zu können. Dazu war er einfach zu bekannt.

Ungeduldig biss er die Zähne zusammen. „Ich melde mich bei Ihnen“, stieß er noch hervor, dann legte er auf und drückte sich vom Fenster ab.

„Du musst doch wissen, was ich für dich empfinde, Dimitrios …“

„Was du empfindest? Himmel, Annabelle, du bist fast noch ein Kind. Ich habe nie an deine Gefühle gedacht; für mich bist du einfach nur Lewis’ kleine Schwester.“

Die kleine Schwester, die zu beschützen er Lewis versprochen hatte.

Sie war zusammengezuckt.

„Dann lass es mich dir jetzt sagen. Ich mag dich. Ich denke … nein, ich bin mir sicher, dass ich dich liebe.“

Diese Worte hatten sich angefühlt, als würde ihm jemand eine Pistole an die Schläfe halten. Pure Panik hatte ihn gepackt. Er hatte einen Fehler begangen und damit alles nur noch schlimmer gemacht. Jegliche Hoffnung, dass er ihr mehr anbieten könnte, hatte er auf der Stelle zerstören müssen.

„Du machst dir was vor. Hierbei ging es nicht um Liebe. Es war einfach nur Sex. Und weißt du, was das Schlimmste daran ist? Ich war so betrunken, dass ich mich kaum noch daran erinnere, was wir getan haben.“

Ihr Gesicht hatte sich vor Schmerz verzogen, und darüber war er froh gewesen. Er schob sie von sich, um sich selbst zu bestrafen. Sie sollte ihn hassen. Denn das hatte er verdient.

„Ich habe mein Leben. Ich habe eine Freundin.“

Alle Farbe war ihr aus dem Gesicht gewichen.

„Und du warst ein Fehler, den ich für immer bereuen werde.“

Verdammt. Selbst jetzt noch schafften diese Worte es, in ihm Selbstekel hervorzurufen. Sie so hart abzuweisen war richtig gewesen, aber zu sehen, wie es ihr das Herz brach, war etwas, das er nie vergessen würde.

Dimitrios kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und schaute sich noch einmal das Foto an, das jetzt eine ganz andere Bedeutung bekommen hatte.

Der Junge war ihm von Anfang an vertraut vorgekommen, aber nie im Leben hätte er gedacht, dass er selbst der Vater sein könnte.

Und Annabelle die Mutter.

Der Schock wich etwas anderem.

Wut. Enttäuschung. Fassungslosigkeit.

Warum hatte sie ihm das vorenthalten?

„Du wirst immer bereuen, was wir getan haben? Tja, das werde ich dir nie verzeihen. Geh einfach. Geh! Lass mich allein. Und kontaktiere mich nie wieder!“

War sie so wütend gewesen, dass sie entschieden hatte, ihm seinen Sohn zu verheimlichen? Ja, er hatte ihr deutlich machen wollen, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft geben konnte, aber vielleicht war er zu weit gegangen. War das hier eine Form von Rache? Das mochte er nicht glauben, obwohl die Fakten dafürsprachen. Annabelle hatte ein Kind bekommen, und Dimitrios würde sein gesamtes Vermögen darauf verwetten, dass er der Vater war.

Er biss die Zähne zusammen, griff nach dem Telefonhörer und rief seine Assistentin an.

„Lass den Jet auftanken. Ich muss nach Sydney. Sofort.“

1. KAPITEL

Annabelle sah zu, wie Max ein Stück Hackbraten mit der Gabel aufspießte. Die Enttäuschung darüber, den dritten Abend in Folge das Gleiche essen zu müssen, war ihm deutlich anzusehen.

„Musst du heute Abend arbeiten, Mummy?“

Sie warf einen Blick zu dem Laptop, der am anderen Ende des Küchentisches stand. „Ein bisschen.“

Nickend spießte er noch einen Bissen auf. Er wuchs so schnell, aß so viel. Hoffentlich war das nur ein Wachstumsschub, denn sonst würden die Lebensmittelkosten sie in den Ruin treiben.

„Du kannst jetzt arbeiten, wenn du willst“, schlug er vor.

Ihr Herz wurde schwer. „Ich würde mich lieber mit dir unterhalten.

„Aber dann musst du wieder so lang aufbleiben.“

Sie runzelte die Stirn. Für seine sechs Jahre war Max manchmal viel zu erwachsen. An den letzten paar Abenden hatte sie wirklich bis tief in die Nacht vor dem Computer gesessen. Aber sie konnte die Extraaufgaben, für die sie sich in ihrer Firma gemeldet hatte, gut gebrauchen. Die Arbeit wurde zwar nicht sonderlich gut bezahlt, aber sie konnte sie von zu Hause aus erledigen, was bedeutete, dass sie für Max da sein konnte. Es gab sonst niemanden, der ihr helfen konnte – keine in der Nähe wohnenden Verwandten oder Freunde – und eine Tagesmutter konnte sie sich nicht leisten.

„Manchmal mag ich das“, sagte sie. „Wie ist der Hackbraten?“ Bei diesem Themenwechsel zuckte sie zusammen. Das Letzte, was sie tun wollte, war, ihn daran zu erinnern, wie langweilig das Abendessen war. Dennoch lächelte sie. Er lächelte zurück und griff nach seinem Glas.

Er ähnelte seinem Vater so sehr.

Schmerz durchzuckte sie, und sie musste den Blick abwenden. Erneut stieg Besorgnis in ihr auf. Vor einem Monat hatte Max nach ihm gefragt. „Wer ist mein Daddy, Mummy? Warum habe ich ihn nie kennengelernt? Wohnt er in der Nähe? Kann ich ihn mal besuchen? Liebt er mich denn gar nicht?“

Das waren schwierig zu beantwortende Fragen. Sie hatte immer geschworen ihren Sohn nie anzulügen, aber nun hatte sie sich gefühlt wie auf einem Minenfeld.

Nicht zum ersten Mal stiegen Schuldgefühle über die Art und Weise in ihr auf, wie sie ihren Jungen großzog. Nicht nur wegen der einfachen Verhältnisse, in der sie lebten, sondern vor allem, weil sie es allein tat.

Der Abend, an dem sie Dimitrios eigentlich hatte die Wahrheit sagen wollen, war einer der schlimmsten ihres Lebens gewesen. Sie hatte sich dafür wappnen müssen, ihn drei Monate nach der gemeinsamen Nacht wiederzusehen. Deshalb hatte sie das seriöseste Outfit angezogen, das sie besaß, und gehofft, nicht nur attraktiv, sondern auch reif zu wirken; so, als gehöre sie in seine Welt. Sie hatte sich ganz genau überlegt, was sie sagen würde – dass er sich nicht um das Kind kümmern müsse, wenn er nicht wollte, sie aber glaubte, er hätte verdient, davon zu erfahren.

Doch als sie ihn dann in der noblen Bar in Sydney gesehen hatte, mit der umwerfenden Rothaarigen an seiner Seite, die sich an ihn gedrängt hatte, war Annie geflüchtet. Ihr Stolz verletzt, ihr Herz gebrochen und der winzige Funken der Hoffnung erloschen.

Der Tod ihres Bruders hatte Annie komplett allein zurückgelassen. Die vorher schon angespannte Beziehung mit ihren Eltern war an der Trauer endgültig zerbrochen. Mit Dimitrios zu schlafen war der Höhepunkt einer lang gehegten Schwärmerei gewesen. Aber auch so viel mehr. In Dimitrios’ Armen hatte Annie sich endlich nicht mehr einsam gefühlt, geborgen.

Seine Worte am nächsten Morgen hatten ihr diesen Trost jedoch beinahe gewalttätig entrissen und sie wieder in Dunkelheit und Verzweiflung gestürzt. Seine Zurückweisung, das Entdecken der Schwangerschaft – mit achtzehn Jahren war das für sie alles zu viel gewesen. Doch heute, mit fünfundzwanzig, fragte sie sich, ob sie die richtigen Entscheidungen getroffen hatte.

Konnte sie es immer noch verantworten, dass sie Max von Dimitrios fernhielt?

„Was ist los, Mummy?“

Hups. Sie hatte ihr Lächeln entgleiten lassen. Schnell setzte sie es wieder auf. „Nichts, mein Schatz. Iss weiter. Es ist schon spät, du musst ins Bett.“

Wenig später, nachdem sie ihm noch eine Geschichte vorgelesen hatte, schlich sie sich aus Max’ Zimmer. An der Tür warf sie noch einen Blick auf ihren schlafenden Sohn, und ihr Herz barst förmlich vor Liebe. Ja, sie war erschöpft, besorgt und gestresst, aber auch so voller Liebe.

Sie zog die Tür leise ins Schloss und setzte sich an ihren Laptop. Zum Glück lenkte die Arbeit sie auch von ihrem Hungergefühl ab. Eine Stunde arbeite ich noch, sagte sie sich, dann mache ich mir einen Tee und esse einen Keks. Normalerweise war sie nicht ganz so asketisch, aber da Weihnachten vor der Tür stand, versuchte sie, etwas Geld zu sparen, um Max ein Geschenk kaufen zu können.

Eine knappe Stunde, nachdem sie angefangen hatte, Bilder und Exposés auf die Website des Immobilienmaklers hochzuladen, klopfte es an der Tür. Erschrocken schob Annie ihren Stuhl zurück.

Vermutlich war es eine Lieferung für einen der anderen Mieter. Da sich ihre Wohnung im Erdgeschoss befand, wurden Pakete oft bei ihr abgegeben.

Da der Türspion schon seit Jahren blind war, legte sie die Kette vor und öffnete dann die Tür.

Ihre erste Reaktion war, sie sofort wieder zuzudrücken.

Verdammt.

War es möglich, dass sie ihn irgendwie mit ihren Gedanken heraufbeschworen hatte? Was zum Teufel machte Dimitrios hier?

Sie warf einen schuldbewussten Blick über die Schulter in ihr winziges, schäbiges Apartment.

„Annabelle.“ Seine Stimme war wie Butter auf einem warmen Croissant. Er war einer der wenigen Menschen, die sie bei ihrem vollen Namen nannten. Bei der Erinnerung daran, wie er ihn in jener Nacht ausgesprochen hatte, zog sich ihr Magen zusammen …

„Ich hatte eine halbe Flasche Whisky, bevor ich hergekommen bin, Annabelle. Glaubst du, sonst hätte ich das hier gemacht? Ich habe dich vorher nicht mal wirklich wahrgenommen. Du bist nur ein Teenager, verdammt noch mal – und noch dazu ein sehr naiver. Verwechsle nicht Sex mit etwas anderem. Das hier hat nichts bedeutet.“

Sich an diese Worte und den Schmerz, den sie ihr verursacht hatten, zu erinnern, war genau das, was sie brauchte. Sie straffte die Schultern und bedachte Dimitrios mit einem, wie sie hoffte, eiskalten Blick. Doch innerlich raste ihr Herz.

Max.

Ihr gemeinsamer Sohn.

Er schlief nur wenige Meter entfernt hinter einer dünnen Wand.

Panik stieg in ihr auf.

„Wir haben ein Problem.“

Wir. Allein bei diesem Wort aus seinem Mund rieselte es ihr kalt den Rücken hinunter. Es war lange her, dass sie mit irgendjemandem außer Max ein „wir“ gewesen war. Der Schmerz der Einsamkeit war ein enger Vertrauter Annabelles. Unbewusst zog sie eine Augenbraue in die Höhe, bemerkte nicht, dass sein Blick der Geste folgte, sah nicht das kurze Stirnrunzeln, das über sein Gesicht huschte.

„Darf ich hereinkommen?“

Erst jetzt bemerkte sie, dass sie noch nichts gesagt hatte. Sie stand einfach nur da mit rasendem Herzen und Panik im Blut. Nun schüttelte sie heftig den Kopf. „Äh, nein. Ich … Was machst du hier, Dimitrios?“

„Das sollten wir besser irgendwo besprechen, wo wir unter uns sind.“

Sie schluckte. Hier war außer ihnen niemand. „Mir scheint, wir sind hier unter uns.“ Sie griff nach dem Schlüssel, der an einem Haken neben der Tür hing, und trat hinaus. Das tat sie nicht nur, weil sie Angst hatte, dass Dimitrios die Wahrheit über Max erfahren könnte, sondern auch, weil sie sich schämte. Ihre Wohnung war weit entfernt davon, luxuriös zu sein – verdammt, sie war weit entfernt davon, auch nur behaglich zu sein. Annie hatte ihr Bestes versucht, aber es gab immer etwas Dringenderes, was sie kaufen oder bezahlen musste. Schicke Kissen und neue Teppiche standen ganz unten auf ihrer Liste.

Nun stand sie vor dem Mann, von dem sie sich geschworen hatte, ihn nie wiederzusehen. Und auch wenn ihr inzwischen bewusst war, dass ihr Sohn Besseres verdient hatte, war sie auf das hier nicht vorbereitet. Dimitrios heute hier zu sehen, vor ihrer Wohnung, war zu viel und zu früh. Sie war mental darauf noch nicht vorbereitet.

Wir haben ein Problem.

„Was machst du hier, Dimitrios?“, wiederholte sie ihre Frage.

In seinen Augen flackerte etwas auf, das sie nicht verstand. Schnell wandte sie den Blick ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Tagsüber war es warm gewesen, doch der Abend war frisch, und sie trug nur eine Yogahose und ein dünnes T-Shirt.

Beinahe hatte sie vergessen, wie attraktiv er war. Sein symmetrisches Gesicht hätte aus Granit gemeißelt sein können. Markante Wangenknochen, eine gerade Nase, ein entschlossen wirkender Kiefer und dieses Grübchen im Kinn, das sie mit ihrer Zunge geneckt hatte.

Hitze stieg ihr in die Wangen. Dimitrios’ stahlgraue Augen schimmerten bei bestimmten Lichtverhältnissen blau, und wie immer trug er einen Dreitagebart als sichtbaren Beweis dafür, dass er auch heute noch zu beschäftigt war, um sich regelmäßig zu rasieren.

Ihr Magen zog sich zusammen, als sie sich an andere Körperteile von ihm erinnerte. Die muskulöse Brust, seine tief gebräunte Haut, die starken, aber schlanken Arme, mit denen er sie so fest an sich gezogen hatte, während sie langsam eingeschlafen war. Eingeschlafen in dem Glauben, dass das Versprechen, das sein Körper ihrem gegeben hatte, dass dieses gemeinsame Erlebnis der Anfang von etwas Bedeutungsvollem und Besonderen gewesen war. Mitten in ihrer Trauer, in der Verlorenheit, die ihre Seele nach dem plötzlichen Tod ihres Bruders erfüllt hatte, hatte Annie das Gefühl gehabt, endlich nach Hause gekommen zu sein. Sie hatte wirklich geglaubt, dass nun alles gut werden würde.

„Warum hast du es mir nicht erzählt?“, konterte er ihre Frage mit einer Gegenfrage.

Erneut lief ihr ein Schauer über den Rücken. So eine Frage stellte man nur, wenn man etwas ahnte oder wusste. Oder glaubte zu wissen. Aber was? Schnell überlegte sie, was es sonst sein könnte – doch da gab es nichts. Das einzige Geheimnis, das sie je vor ihm gehabt hatte, war Max’ Existenz.

Adrenalin schoss durch ihre Adern und ließ sie zittern.

„Wieso habe ich dir was nicht erzählt?“, hörte sie sich wie aus weiter Ferne fragen.

„Dafür ist es zu spät, Annabelle.“ Er stieß hörbar den Atem aus, und es klang ein wenig Verbitterung mit. „Ein Journalist hat Wind davon bekommen. Du und ich – wir haben einen Sohn.“

Annie atmete scharf ein und presste den Rücken gegen den Türrahmen, um aufrecht stehen zu bleiben. Die Wände des Treppenhauses schienen sich auf sie zu zubewegen.

Warum hatte sie geglaubt, sie würde damit durchkommen? Natürlich hätte er von Max erfahren sollen. Was hatte sie sich nur gedacht?

Ihre Gründe waren ihr damals so vernünftig vorgekommen, doch jetzt stoben sie davon wie Herbstblätter im Wind. Sie starrte Dimitrios an, aber die Anklage und Wut in seiner Miene machten es ihr unmöglich, seinem Blick lang standzuhalten. Also drehte sie den Kopf ein wenig zur Seite und konzentrierte sich auf ihren Atem. Ihre Lungen brannten. Scham ließ ihre Wangen glühen.

Ihre Augen brannten.

Sekunden später hörte sie einen Fluch, dann nichts mehr. Sie war nicht sicher, wie lange dieser Zustand des Nichts andauerte, sondern spürte nur Dimitrios’ Hände an ihrer Taille, fühlte, wie sie hochgehoben wurde und er ihr den Schlüssel aus der Hand nahm. Sie war zu geschockt, um zu protestieren. Er öffnete die Tür zu ihrer Wohnung, trug Annie zum Sofa und legte sie hin. Dann entfernten sich seine Schritte. Sie hörte, wie Schranktüren in der kleinen Küchenzeile auf- und zugemacht wurden. Dann laufendes Wasser. Schließlich kehrte er mit einem Glas Wasser zurück und hielt es ihr hin. „Trink.“

Mein Gott, wie muss ich auf ihn wirken! dachte sie und rappelte sich in eine sitzende Position auf. Mit zitternder Hand griff sie nach dem Glas. Nachdem sie es zur Hälfte ausgetrunken hatte, umklammerte sie es mit beiden Händen und kämpfte gegen die Tränen an.

„Es stimmt also?“

Sie hob den Kopf, um zu ihm aufzuschauen, und wünschte, Dimitrios würde sich hinsetzen. Wobei, angesichts des winzigen Sofas wünschte sie sich das auch wieder nicht, denn dann wäre er ihr viel zu nah, und in ihrem Kopf drehte sich sowieso schon alles unter den Erinnerungen an seine starken Arme, die sie so mühelos getragen hatten.

Seine Stimme klang kehlig. „Annabelle, verdammt. Erzählt es mir. Ist es wahr?“

Er zweifelte nicht wirklich daran, oder? Das sah sie in seiner Miene, in der Angespanntheit seines Gesichts, der Wut in der Tiefe seiner Augen. Ihr Magen zog sich zusammen. Sie konnte ihn nicht weiter anlügen. Und sie wollte es auch nicht. Und Max gegenüber wollte sie endlich auch offen sein.

Aber oh … Max. Wie sollte sie ihm das erklären? Sie verknotete ihre Finger, eine nervöse Angewohnheit, die sie nie hatte ablegen können. Ihr Pony war ihr über ein Auge gefallen, und sie hob instinktiv eine Hand, um die blonden Strähnen wieder hinters Ohr zu schieben.

Natürlich hatte sie nicht wirklich geglaubt, Dimitrios die Wahrheit für immer verschweigen zu können. Aber erst jetzt, wo er vor ihr stand und sie anklagend ansah, erkannte sie, dass sie auf diesen Tag gewartet hatte – sie hatte gewusst, er würde kommen, und hatte sich beinahe danach gesehnt. Oder wie war sonst die Erleichterung zu erklären, die sie empfand?

Endlich wusste er es.

Es war vorbei.

Keine Geheimnisse und Lügen mehr – wenigstens nicht Max gegenüber.

„Ja.“

Er zuckte zusammen, seine Wangen röteten sich. Vielleicht hatte sie sich in ihm geirrt. Vielleicht hatte er es doch nicht gewusst? Sein Kiefer spannte sich an. Annie senkte den Blick, weil sie es nicht ertrug, ihn auch nur eine Sekunde länger anzusehen. „Er ist sechs, und sein Name ist Max. Ich habe Fotos …“

„Fotos?“ Seine Stimme war rau vor Emotionen. „Nenn mir einen Grund, warum ich nicht gleich jetzt in sein Zimmer gehen und ihn mitnehmen sollte.“

Ihr Herz setzte mehrere Schläge aus, ihre Lungen füllten sich nicht mit Luft. Geschockt griff sie nach der Sofalehne, packte sie hart, und befürchtete, erneut ohnmächtig zu werden. Schnell stand sie auf – zittrige Knie hin oder her – um sich auf die Herausforderung vorzubereiten.

„Ich habe bereits ein Foto gesehen. Der Journalist hatte eines.“

Das ließ Annie innehalten. Trotz des Schocks setzte ihr rationales Denken wieder ein. Er hatte vorhin schon einen Journalisten erwähnt, doch da war sie so verblüfft gewesen, ihn zu sehen, dass sie nicht darauf geachtet hatte. „Was für ein Journalist?“

„Ist das wichtig?“

„Das ist unmöglich. Niemand weiß davon.“

Dimitrios’ kniff die Augen ein wenig zusammen. „Dafür hast du also gesorgt, ja?“

Sie schluckte, hörte die Härte in seiner Stimme, den Unterton von Missfallen, auf das er jedes Anrecht hatte. „Ja.“ Das hatte sie. Dessen war sie sich sicher.

„Offensichtlich nicht gut genug.“

„Das ist einfach nicht möglich.“ Sie schüttelte den Kopf. „Er trägt nicht deinen Nachnamen. Niemand hat je erfahren, dass wir …“ Ihre Stimme verebbte. Es hatte nie ein „wir“ gegeben – keine Beziehung, nicht mal eine Freundschaft. Sie hatten nur einen unbedachten One-Night-Stand gehabt. „Was in jener Nacht geschehen ist“, beendete sie den Satz ungelenk.

„Du hast nie jemandem davon erzählt?“, hakte er nach, und sein offensichtlicher Zweifel ließ ihr das Blut in den Adern kochen.

„Was ist los, Dimitrios? Verletzt das deinen Stolz? Glaubst du, ich habe das, was wir getan haben, überall herumposaunt?“

In seinem Kiefer zuckte ein Muskel, und Annie hatte das Gefühl, dass er sich bemühte, seinen Ärger nicht zu zeigen. Doch sie wollte diesen Ärger – angesichts dessen, was sie durchgemacht hatte, fühlte er sich angemessen an.

Autor

Clare Connelly
Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis  E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes  Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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