Eine Familie für Doktor Maguire

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Eine Frau und Kinder hat sich Notarzt Conor Maguire bisher versagt, denn die Männer in seiner Familie sterben früh. Der bezaubernden Krankenschwester Tamara kann er trotzdem nicht widerstehen. Und bald will er mehr von ihr als zärtliche Küsse …


  • Erscheinungstag 22.04.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716547
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Das war knapp.“ Schwester Tamara Washington sah den Kollegen der Kinder-Intensivstation nach, wie sie ihren kleinen Patienten zum Fahrstuhl schoben.

„Der Albtraum aller Eltern“, stimmte ihr Conor zu und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Für einen Moment habe ich gedacht, wir hätten ihn verloren.“ Das Baby hatte lebensbedrohlich hohes Fieber, und bei der Suche nach der Ursache hatte es plötzlich aufgehört zu atmen.

„Hast du aber nicht. Haben wir nicht.“ Manchmal erstaunte es sie, dass es möglich war, ein solch winziges Wesen zu reanimieren. Das nahm sie immer wieder mit. Aber heute hatte sie wirklich Schwierigkeiten, ihre Emotionen außen vor zu lassen. Es war irgendwie zu nah, fast schon beängstigend. Tausend Gedanken schwirrten durch ihren Kopf, als sie Conor anstarrte, der gerade Notizen in die Krankenakte des Babys schrieb. Sie musste es ihm sagen.

„Ist mir eine Warze am Hinterkopf gewachsen?“ Bei seinem irischen Akzent stellten sich ihre Nackenhaare auf. Und noch ein paar andere Regionen ihres Körpers meldeten sich zu Wort.

„Kannst du mir am Ende des Tages ein paar Minuten deiner Zeit widmen?“ Tamaras Magen zog sich bei dieser heiklen Frage zusammen. Diese Minuten würden Dr. Maguires ruhiges und sorgloses Leben für immer verändern. Egal, für welchen Weg er sich entscheiden würde.

„Natürlich.“ Er hob eine Augenbraue. „Was bedrückt dich denn? Ist es die Bewerbung zum Medizinstudium?“ Er war sehr geduldig bei diesem Thema, obwohl sie ihm bereits mehrere Löcher in den Bauch gefragt hatte. Tamara sah sich in der Notaufnahme der Auckland Central Klinik um. Dies war der Ort, an dem sie sich zu Hause fühlte und wo sie sich am sichersten fühlte. Das hier war ihr Revier.

„Ich bin’s. Die, die bei jedem i noch die i-Tüpfelchen kontrolliert, bevor sie eine E-Mail versendet.“ Sie würde auch jede noch so renommierte Universität von ihren Qualitäten überzeugen. Sie hatte alles hundertmal kontrolliert, um bloß nichts zu übersehen.

„Diese i-Tüpfelchen wird der Adressat aber nicht erkennen können.“ Conor warf ihr ein Lächeln zu, das ihr ein Kribbeln in der Magengegend verursachte. Aber im Moment war sie zu angespannt, um ihm Beachtung zu schenken.

„Ich werde dieses Thema heute ad acta legen.“ Im wahrsten Sinne des Wortes. „Ablage P“ gewissermaßen. Von diesem Medizinstudium hatte sie all die Jahre geträumt. Für diesen Traum hatte sie alles getan, und nun hatte sich dieser Traum in einen blauen Strich auf einem weißen Plastikstäbchen verwandelt. Zwei Packungen, verschiedene Marken, ein und dasselbe Ergebnis. Kein Zweifel. Tamara legte ihre Hand auf ihren Bauch und nagte besorgt an ihrer Unterlippe. Vielleicht war es besser, dass ihr Mund zu beschäftigt war, um die Worte zu äußern, die in ihrem Kopf herumschwirrten. Ihr Leben schien im Moment nur aus irgendwelchen gemeinen Fallen zu bestehen, tief und gefährlich. Es war ihr Leben, oder? Diese Frage stellte sie sich in letzter Zeit immer häufiger.

Conor unterbrach ihre Gedanken. „Solange es hier ruhig ist, könnten wir doch etwas essen und trinken gehen.“

„Nein!“ Bei dem Gedanken an das fettige Essen im Pub drehte sich ihr der Magen um. Und Alkohol konnte sie in der nächsten Zeit sowieso vergessen. Sie spürte den Schweiß unter ihrem Kittel. Vergangenen Freitag hatte sie sich zum ersten Mal unwohl gefühlt, und seitdem war sie in einer schrecklichen Verfassung. Nachdem ihr klar geworden war, dass ihr gut durchdachtes, von Kontroll-Tamara durchgeplantes Leben sich nun von Grund auf ändern würde. Natürlich hatte sie das Offensichtliche bekämpft, die wachsende Verzweiflung geleugnet, weil sie wusste, dass sie eine weitere Runde bei der Lebensplanung verloren hatte.

„Warum nicht?“, fragte er irritiert. Er hatte das Wochenende anscheinend nicht mit dem Kampf gegen das Unausweichliche verbracht. Aber an diesen Punkt würde auch er bald kommen.

„Können wir in dein Büro gehen?“ Dann kannst du in privater Umgebung ausflippen. „Ich werde deine Zeit nicht lange in Anspruch nehmen. Versprochen!“ Seine eisblauen Augen weiteten sich für einen kurzen Moment.

„Es geht also doch um die Bewerbung für die Universität?“ Als Chefarzt der Notaufnahme hatte er die Bewerbung an die Universität von Anfang unterstützt, damit sie nächstes Jahr mit dem Studium beginnen konnte.

„Das allerletzte Mal.“ Daran gab es leider keinen Zweifel.

„Okay, in meinem Büro, wenn wir hier mit den Knochenbrüchen und Kopfschmerzen fertig sind.“ Sein irischer Akzent ließ sie wieder schwach werden und umschmeichelte ihr Herz, das jetzt eigentlich hart aus Stahl hätte sein können, damit sie am besten gar nichts für ihn empfand. Aber es war nicht einfach, den Sex-Appeal dieses Mannes zu ignorieren. Eine einzige Nacht hatten sie zusammen verbracht – mit verheerenden Folgen. Gut, sie konnte das kribbelnde Gefühl zwischen ihren Schenkeln nicht leugnen, sein irischer Charme war einfach umwerfend. Und der Sex mit ihm war heiß, er war einfallsreich und sehr, sehr gut. Sie spürte, wie ihre Wangen bei dem bloßen Gedanken daran rot wurden. Es war Sex. Nicht mehr.

Manchmal musste sie sich kneifen, um sicherzugehen, dass sie das nicht nur geträumt hatte. Aber jetzt hatte sie ja den Beweis, das mit dem Kneifen hatte sich daher erledigt.

Der Alarm schrillte und unterbrach jede weitere Unterhaltung zwischen ihnen. Conor sprang von seinem Stuhl auf.

Ein Auto war mit einem Lkw zusammengestoßen. Gebrochene Rippen mit Verdacht auf innere Verletzungen. Tamara eilte ihm nach, ihr Blick haftete auf seinem schwarzen Haar, das bis in den Nacken reichte. Und sie erinnerte sich daran, wie ihre Finger durch diese glänzende, wellige Pracht strichen. Damit war jetzt wohl Schluss. Nun würden sie ein neues Spiel beginnen. Ihm beizubringen, dass sie sein Baby unter ihrem Herzen trug, würde ihn bestimmt umhauen. Sie hörte, wie die Rettungssanitäterin Conor einen Lagebericht gab. Unvermittelt setzte sie wieder ihr professionelles Gesicht auf, straffte den Rücken und verbannte alle Gedanken, die nichts mit Arbeit zu tun hatten.

„Durch den Aufprall auf das Lenkrad sind die Rippen gebrochen und die Lunge perforiert.“

Conor unterbrach die Kollegin. „Tamara, lass dir die Details erklären, ich bringe den Patienten schon mal zum Röntgen.“

Die Ruhe, mit der er dies sagte, täuschte. Der Grad seines irischen Akzents verriet, wie ernst es um das Unfallopfer stand. Er eilte bereits mit der Trage Richtung OP-Trakt, der andere Rettungssanitäter folgte ihm. Sie durften jetzt keine Zeit verlieren. Wenn der Mann wirklich eine perforierte Lunge hatte, entwich ihm bei jedem Atemzug Sauerstoff, sodass die Gefahr bestand, dass er in kürzester Zeit ersticken konnte.

„Wie viel Zeit ist seit dem Unfall vergangen?“, fragte Tamara besorgt.

„Ungefähr fünfzehn Minuten. Es war an der Ecke Grafton Road. Wir waren gerade zu einem anderen Unfall unterwegs, als der Notruf kam. Als wir hörten, was los war, haben wir ihn vorgezogen.“

„Gut, dass Sie keine Zeit verloren haben.“

Nachdem die Sanitäterin aufgezählt hatte, welche Verletzungen Jimmy Crowe noch erlitten hatte, seufzte Tamara erleichtert auf. Sie würde die nächsten Stunden viel zu tun haben und an nichts anderes mehr denken können.

„Tamara, wir brauchen Sauerstoff“, sagte Conor, als sie in den OP-Trakt kam. „So schnell wie möglich.“

„Okay.“ Sie drückte ihrer Kollegin die Unterlagen in die Hand.

„Kelli, kannst du Conor bitte die Eckpunkte vorlesen?“ Während sie das Sauerstoffgerät anschloss, kreuzte sie innerlich die Finger, dass es noch nicht zu spät war und dass der Sauerstoff den Mann retten würde. Sie und Kelli arbeiteten mit Conor daran, den Atem und die Blutungen unter Kontrolle zu bekommen. Sie hatten einen Port gelegt, um Jimmy Crowe intravenös mit Medikamenten versorgen zu können. Michael, der Assistenzarzt auf der Station, kam zu ihnen.

„Brustquetschung?“

Conor nickte. „Ja.“

Tamara wischte Blut vom Mund des Patienten.

„Bitte alle zurücktreten“, rief der Radiologe von seinem Platz aus. Klick, klick. Die Röntgenaufnahmen wurden aus verschiedenen Blickwinkeln gemacht, um den bestmöglichen Überblick zu bekommen.

Kaum war er fertig, fragte Conor: „Was haben wir?“

„Gib mir eine Minute.“

„Wir haben keine Minute.“ Tamara verstand seine Ungeduld. Das Leben des Patienten hing von dem ab, was die Röntgenbilder zeigen würden. Die Aufnahmen erschienen in Sekundenschnelle auf dem Bildschirm. Conor studierte sie intensiv, und sie sah ihm an, dass er alles tun würde, diesen Mann zu retten.

„Frakturen an der rechten Seite des Brustkorbs, aber keine gebrochenen Rippen an der Vorderseite. Die Lunge ist verschont geblieben.“

Tamara schaute von der Seite auf den Bildschirm. Sie war immer noch sehr angespannt.

„Ich denke, er hat ganz schön Glück gehabt.“

„Auf den ersten Blick ja. Aber er verliert sehr viel Blut, es könnten auch noch innere Verletzungen hinzukommen.“ Conor hat inzwischen das Labor beauftragt, das Blut zu untersuchen, falls Blutkonserven nötig werden sollten. Er drehte sich zu dem Radiologen um. „Ich brauche Bilder vom Becken und vom Arm, wenn wir schon mal dabei sind.“

„Kein Problem!“

Ein paar Minuten später sah Conor auf den Röntgenaufnahmen, dass die Milz verletzt war.

„Ich frage mich, wie das passiert ist. Er hat noch weitere Verletzungen unterhalb der Rippen. Ich werde ein OP-Team zusammentrommeln.“

„Das andere Fahrzeug muss ihn voll an der Fahrerseite erwischt haben“, vermutete Tamara.

„Wie sieht es mit dem Sauerstoff aus?“

Alle arbeiteten zügig, um das Leben des Mannes zu retten. Erst als Jimmy auf dem Weg zum Operationssaal war, wo das OP-Team schon bereit war, merkte Tamara, wie erschöpft sie war.

„Das war verrückt.“ So müde hatte sie sich danach noch nie gefühlt. Müdigkeit und Übelkeit. Das kannte sie so nicht von sich. Bestimmt hing es mit der Schwangerschaft zusammen. Aber war das Leben vorher nicht auch schon rücksichtslos zu ihr gewesen? Hatte sie nicht vorher schon genügend Gegenwind?

Aus der anderen Ecke hörte sie Conor gähnend sagen: „Ich hasse die Verletzungen nach einem solchen Aufprall. Sie sind meistens nicht schön und schwer in den Griff zu bekommen.“

Warum war er denn so müde? Hatte er etwa ein anstrengendes Wochenende in seinem Bett hinter sich? Ein Hauch von schlechtem Gewissen strömte durch Tamaras ohnehin schon angespannten Körper. Eifersucht stand ihr nicht und war auch nicht nötig. Sie waren ja nur Freunde und Kollegen. Und dass Conor den Frauen nicht abgeneigt war, war schließlich nichts Neues.

Nach der fantastischen Nacht in seinem Bett war sie schnell verschwunden. Sie hatte Angst, in etwas hineinzurutschen, was sie nicht wollte. Ihr Herz hatte sie gewarnt: „Vorsicht vor Conor! Er ist für eine Frau, die Single bleiben will, zu gefährlich.“ Sie sah, wie er sich den Nacken rieb und sich bis in die Zehenspitzen streckte. Ihre Blicke trafen sich.

„Fahrzeuge können wirklich verdammt gefährlich sein.“ Als sie in seine Augen sah, ging ihr Atem schneller. Ein Blick wie dieser könnte für sie zu einem echten Problem werden. Ein Abend auswärts mit den Kollegen und – kawumm! Ein Blick über die Köpfe der anderen auf der Tanzfläche hinweg, der einen Tick zu lang war, und sie wusste, dass da eine Verbindung zwischen ihnen war. Conors Augen sagten ihr, dass er genauso dachte. Es hatte keinen Zweifel gegeben, dass es passieren würde. Und so war es auch gekommen. Tamara überlief es ganz heiß, als sie an die erotischste Nacht dachte, die sie je erlebt hatte. Und was war davon geblieben? Ihr Magen zog sich zusammen. Es könnte so einfach sein, die Einladung seiner Augen anzunehmen.

Problem.

Sie waren bei der Arbeit. Es würde nicht wieder passieren. Sie war nämlich gerade dabei, ihrer beider Welt auf den Kopf zu stellen.

„Hallo Tamara, jemand zu Hause?“ Conor winkte und unterbrach ihre unerfreulichen Gedanken. Worüber hatten sie gesprochen? Fahrzeuge und Gefahr.

„Ja, so gefährlich, dass ich gar nicht mehr fahre.“ Tamara wandte ihren Blick ab, weg von diesem Versprechen, weg von diesem wohlgeformten Körper, hin zu der Liege, die sie neu beziehen musste. Sie hatte das Thema Auto abgehakt, weil sie gar kein Auto besaß.

„Vom Fahrrad geholt zu werden, ist nicht weniger schlimm, denke ich.“ Das Fahrrad auf ihrer hinteren Veranda hatte eine dicke Staubschicht und Spinnennester zwischen den Speichen der Räder, die inzwischen platt waren.

„Bist du je wieder damit gefahren?“, fragte Kelli von der anderen Seite des Bettes. Nein, und in absehbarer Zukunft würde das auch sicher nicht passieren. Ihre Hand strich über ihren Bauch, aber als ihr klar wurde, wo sie war, zog sie sie wieder zurück. Die Menschen um sie herum hatten auch hinten Augen.

„Nein. Ich bin eben ein echtes Weichei.“ Sie erschauerte bei der Erinnerung an den Tag, an dem ihr Fahrrad im Graben gelandet war und sie auf dem Feld daneben. Die Medien hatten sie wegen eines Vergehens ihres Ex verfolgt und wollten eine Stellungnahme von ihr. Sie hatte Glück, dass sie mit einer Schnittwunde davongekommen war. Eine zerbrochene Flasche hatte auf dem Feld gelegen und ihren Arm zerschnitten.

„Jetzt erkenne ich eine Warnung, wenn ich sie sehe.“ Aber nicht bei Conor, diese Warnung hatte sie wohl übersehen. Sein lässiges Gehabe und die „Nimm-mich-oder-lass-es-Haltung“ hatten über die Tanzfläche hinweg ihren ganzen Körper elektrisiert. Er war der erste Mann nach Peter. Der erste Kuss, der erste Sex, die erste Übernachtung. Es war, als würde sie nach langer Zeit wieder in den Sattel steigen, nur dass sie mehr Angst davor hatte, weil sie wusste, wie hart man fallen konnte.

Aber letztlich war es nur Sex, wenn auch großartiger. Und es folgte keine weitere Nacht. Tatsächlich war sie erleichtert, als sie am Morgen aus dem Bett hüpfen, ihre Sachen zusammenraffen, „Danke“ sagen und gehen konnte.

Er hatte nicht die Angst in ihren Augen gesehen, die Angst davor, mehr zu wollen. Und noch schwerer konnte sie diese Angst verbergen, als er sie zum Frühstück in ein stilvolles Café in der Nachbarschaft einlud. Fast so, als wäre ihre Ablehnung eine Herausforderung für ihn. Als sie fast verzweifelt verneint hatte, wollte er sie zumindest zur Bushaltestelle bringen. Sein Charme und seine Leidenschaft waren einfach zu gefährlich.

„Asthma-Notfall im Anmarsch“, lautete die Durchsage der Triage-Schwester plötzlich. „Voraussichtliche Ankunftszeit in zehn Minuten.“

„Keine Pausen für die Sünder“, grinste Conor.

„Wir können nicht behaupten, dass dieser Tag nur vor sich hin plätschert“, erwiderte Tamara. Und tatsächlich war es im Nu drei Uhr nachmittags. Wie würde er es aufnehmen? Würde er rausstürmen und sie als Lügnerin oder Betrügerin bezeichnen? Oder würde er ihr den Kopf tätscheln, ihr Glück wünschen und sich verabschieden?

„Was ist heute los mit dir? Du wirkst so zerstreut.“ Conor schaute sie an. „Du siehst blass aus, wenn du nachdenkst.“

„Mir geht es gut“, sagte sie schnell und eilte Richtung Behandlungsraum davon, wo sie schon eine Frau mittleren Alters mit einem gebrochenen Knöchel stöhnen hörte. Blass? Natürlich war sie blass. Schließlich war ihr ihr Frühstück heute Morgen rückwärts wieder rausgekommen, oder? Glücklicherweise war es passiert, bevor sie das Haus verlassen hatte und nicht im Bus, oder schlimmer noch, hier, wo die neugierigen Spatzen fast alles von den Dächern pfiffen und es womöglich falsch interpretierten. Oder eben auch richtig.

„Tamara, ich möchte dich beim Asthma dabei haben“, rief Conor ihr nach.

„Kein Problem“, log sie. Frag doch jemand anderen!

„Mit besserer Laune.“ Tamara sprang fast in die Luft. Sie hatte ihn nicht näher kommen hören.

„Erschreck mich nicht so!“, fuhr sie ihn an, und ihr Herz klopfte so laut, dass es die ganze Station hören musste.

„Hoppla“, sagte er und hob die Hände. „Vielleicht brauchst du eine schnelle Kaffeepause. Gib deinem Motor ein bisschen Koffein. Irgendetwas scheint dich aufzuregen, das ist auf der Notaufnahme aber gar nicht gut.“

Er hatte recht. Wann hatte er eigentlich einmal nicht recht?

Nach einem tiefen Atemzug sagte sie: „Entschuldige, ich hatte eine schlechte Nacht. Ich scheine irgendetwas auszubrüten.“ Natürlich hatte sie eine schlechte Nacht. Ihr Gedankenkarussell hinderte sie daran, schöne Träume zu haben. Kein Wunder, dass ihr Kopf brummte, als würde eine Horde Bongo-Trommler darin üben. Sie musste ihre acht Stunden Schlaf haben.

„Hat deine Laune irgendetwas mit dem zu tun, was du mir sagen willst?“

Er war einfach zu schlau!

„Ja, in gewisser Weise schon.“

„Bring mir einen Kaffee mit, wenn du dir einen holst, ja?“ Sie würde wohl nicht um den Kaffee herumkommen. Okay, er hatte es so gewollt.

„Drei Stück Zucker?“ Sie hob die Augenbraue.

„Für dich, nicht für mich.“ Er lächelte sie an, bevor er nach der nächsten Patientenakte griff und die Müdigkeit an seinen Mundwinkeln zerrte.

„Sieht so aus, als könntest du die Ladung Koffein besser gebrauchen als ich“, murmelte Tamara, als sie zur Teeküche ging. Tee für sie. Das war jetzt sicher besser für ihren Körper. Schließlich wuchs darin gerade ein Baby heran.

Als sie den Flur zur Teeküche entlangging, fühlte sie sich plötzlich merkwürdig schwach, ihre Beine gaben nach und sie stieß gegen die Wand. Ihre Träume lösten sich gerade in Luft auf, noch bevor sie den „Senden“-Knopf für ihre Bewerbung drücken konnte. Mutter zu werden, gehörte ganz sicher nicht zu ihrem Plan. Mutter sein war für sie eine vage Vorstellung von etwas, das in ihrem Leben nicht mehr stattfinden würde. Das hatte sie zumindest geglaubt. Nun würde es wohl doch stattfinden. Wie sollte sie damit klarkommen?

Und es war ja auch nicht so, dass ihre Mutter ihr ein gutes Vorbild gewesen wäre. Während ihr Vater immer sehr kontrolliert war, war ihre Mutter stets ein wenig chaotisch. Sie hatte es einmal fertiggebracht, in ein Flugzeug nach Melbourne zu einer Modenschau zu steigen und ihren Vater erst nach der Landung darüber zu informieren. Ihr Vater hat mit den Schultern gezuckt und sie danach in ein Sterne-Restaurant zum Essen ausgeführt. Damals war Tamara sechs. Nach wem würde sie wohl kommen, nach ihrem Vater oder nach ihrer Mutter? Sie wusste, wie sie sein wollte, aber sie wusste nicht, ob sie es auch hinkriegen würde.

„Tamara? Was ist los?“ Herrje, Conor konnte wirklich laut sein! Sie raffte sich auf, bis sie wieder aufrecht stand und starrte ihn an.

„Ich habe auf dem Weg zur Teeküche ein kleines Nickerchen gemacht.“

„Du weißt schon, dass du bei der Arbeit bist? Du bist heute wirklich nicht in Form.“

„Habe ich heute irgendeinen Fehler gemacht? Habe ich dir den Eindruck vermittelt, für meinen Job nicht geeignet zu sein?“

„Noch nicht.“

Conor sah sie einen langen Moment lang an. Besonders erotisch war es gerade nicht zwischen ihnen.

„Leg eine kurze Pause ein und iss etwas zu dem Kaffee!“ Er streckte seine Hand aus und legte sie ihr unters Kinn.

„Keine Widerrede!“ Er nahm ihren Arm und führte sie in die kleine Teeküche. Ihr blieb nichts anderes übrig, als mitzugehen. Sich zu wehren, würde nur unnötig Kraft kosten, die sie jetzt für andere Dinge brauchte.

„Hier, bitte.“ Conor nahm eine braune Papiertüte aus dem Schrank und stellte sie auf den Tisch. „Teegebäck aus dem Café. Das wird dir guttun.“ Ihr innerer Alarm ging los. Auf keinen Fall, jetzt bloß nichts Essbares!

„Danke. Für mich nur Tee.“ Das war also die Frau, die die Kontrolle über ihr eigenes Leben übernommen hatte? Und die nichts und niemandem erlauben wollte, sie je wieder aus der Bahn zu werfen? Tamara griff nach der Tüte, nahm ein Plätzchen heraus und brach ein winziges Stück davon ab.

Halt die Klappe, Magen! Auf wessen Seite bist du eigentlich? Nimm das!

Sie brach noch ein Stückchen ab. Schob den Krümel in ihren Mund und kaute. Und kaute. Schluckte. Nimm das! Sie nahm noch einen Bissen und sah Conor an.

„Genau das, was ich jetzt brauchte“, sagte sie erleichtert, dass ihr Magen zu ihr hielt.

„Ich werde einen der jüngeren Kollegen bitten, den Asthma-Fall zu übernehmen. Dann gehen wir in mein Büro und können reden.“

„Was? Jetzt?“ Sie trat einen Schritt zur Seite, griff nach dem Tisch. „Ich habe Zeit, das kann warten.“

Ich bin noch nicht bereit.

„Irgendetwas scheint dich aus der Bahn zu werfen. Am besten ist es, wir reden jetzt darüber und können uns danach wieder dem Alltag widmen. Kümmerst du dich um die Getränke?“ Conor verließ die Küche und ließ Tamara zitternd zurück. Wie in Trance löffelte sie Kaffeepulver in die eine Tasse, gab einen Teebeutel in die andere und goss beide mit kochendem Wasser auf. Dann rührte sie um. Es war zu spät, abzuhauen. Es war an der Zeit, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen.

„Fertig?“ Conor kam zurück, nahm die beiden vollen Tassen in die eine Hand und griff mit der anderen nach ihrem Ellbogen. „Lass uns gehen!“

Und dann waren sie da. Die Bürotür fiel hinter ihnen ins Schloss und die Luft war plötzlich heiß und stickig. Tamara sank auf den Stuhl, knetete ihre Hände zwischen den Knien und starrte auf den Boden. Sie hörte, wie er die Tassen auf den Schreibtisch stellte. Hörte, wie er sich setzte. Sie spürte seinen Blick, der sie zu durchbohren schien.

Ihr Mund war staubtrocken. Als sie langsam ihren Kopf hob, wäre sie am liebsten aufgesprungen und weggerannt. Sie spürte die Unruhe am anderen Ende des Schreibtisches, und das schien alles zu bestätigen, was sie bei ihrem Ex über Männer lernen musste. Würde Conor für sie sorgen?

„Beginne am Anfang!“

Es gab keinen Anfang. Kein Ende. Es gab nur Tatsachen. Sie konnte sich nicht aufrichten. Und ihre Zunge schien plötzlich zu groß für ihren Mund zu sein. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

„Ich bin schwanger.“

Er wich auf seinem Stuhl zurück, seine wunderschönen Augen weiteten sich ungläubig. Oder geschockt? Sie wusste es nicht. Verschwunden war der heitere, freundliche Mann, den alle bewunderten. Was auch immer passieren würde, jetzt musste es raus.

Mit leiser, erstickter Stimme sagte sie: „Du bist der Vater.“ Und dann wartete sie, dass die Axt fiel. Sie wartete und wartete. Die Stille war erdrückend. Die Wände kamen näher, schienen die Luft um sie zu pressen und drohten sie zu ersticken.

Sag etwas, Conor.

2. KAPITEL

„Ich bin schwanger.“ Die Worte hallten von den Wänden zurück. Conor ließ sich auf seinem Stuhl zurückfallen und stieß hörbar die Luft aus seiner Lunge. Die Stille war ohrenbetäubend. Als würde jeder in der gesamten Klinik gerade die Luft anhalten.

„Du bist der Vater des Babys.“

Sag mir, dass das nicht wahr ist.

Aber Tamaras Blick war ernst. Besorgt und sehr ernst. Ihre Wangen hatten jede Farbe verloren, da war keine Wärme in ihren Augen. Sie rieb ihre Arme, als sei ihr kalt.

„Du kannst nicht schwanger sein. Ich habe schließlich ein Kondom benutzt.“ Regel Nummer eins: Wenn du den Sex haben willst, schütze dich. Keine Ausnahme.

„Ich bin schwanger, und du hast ein Kondom benutzt.“

Nein, nein, nein. Er sprang auf, seine Lippen formten einen stillen Fluch.

„Du meinst, eines der Kondome war kaputt?“ Er sah ihren ungläubigen Blick und bereute seine Worte, aber irgendwie auch nicht. Sie durfte nicht schwanger sein. Nicht mit seinem Kind.

Tamara wich zurück, ihr Blick war auf ihn gerichtet.

„Kaputt oder beim Sex gerissen – ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich meine Tage seit diesem Wochenende nicht mehr hatte, und dass da ein blauer Strich auf dem Plastikstäbchen war.“ Sie musste schlucken. „Auf beiden Stäbchen.“

„Du machst keine halben Sachen, was? Die Tüpfelchen auf dem i in einer E-Mail?“ Conor hätte gelacht, wenn es etwas zu lachen gegeben hätte. Ein Schauer ging durch ihn. Sie log nicht. Es war kein blöder Witz. Nicht, dass sie sonst blöde Witze gemacht hätte. Es war nur so, dass er es nicht glauben konnte. Weil er es nicht glauben wollte. Er hatte sich in den vergangenen vierzehn Jahren bemüht, sich auf keine Verpflichtungen einzulassen. Verdammt, er war nach Neuseeland gekommen, um sich die Sehnsucht nach Liebe und Familie vom Leibe zu halten. Um allein zu sein und niemandem zu nahezukommen. Da hatte er sich wohl geirrt. Es schien, dass das Leben mit ihm machte, was es wollte, ohne Rücksicht darauf, was er wollte.

„Es steht eine Menge auf dem Spiel.“ Ihre Stimme bebte, was ihn verunsicherte. Und es stach ihm ins Herz. Oh, nein! Bitte nicht. Dafür war er nicht zu haben.

„Kann man wohl sagen. Wann hast du die Tests gemacht?“

„Freitag. Und dann noch einen am Samstag.“

Conor war angespannt und versuchte seine Muskeln zu lockern, was ihm allerdings nicht gelang.

„Du hättest es mir etwas früher sagen können. Du hast meine Telefonnummer.“ Echter Ärger stieg in ihm auf, er spürte, wie seine Wangen heiß wurden.

„Das hätte ich, ja.“ Tamara schluckte und setzte noch einmal an. „Aber ich wollte es selbst nicht glauben. Denn wenn ich es dir gesagt hätte, wäre es plötzlich ganz real geworden.“

„Du hast dich also innerlich gewehrt.“ Das konnte er verstehen. In diesem Stadium befand er sich nämlich auch gerade.

„Total. Ich habe …“ Sie rang nach Luft. „Ich hatte Pläne, und die Schwangerschaft durchkreuzt diese Pläne jetzt. Schon wieder. Dabei habe ich so hart daran gearbeitet, für mich selbst verantwortlich zu sein.“

Was meinte sie damit jetzt schon wieder? Für sich selbst verantwortlich zu sein? War das nicht jeder?

„Du möchtest das Baby nicht?“, fragte er. Was sollte er davon halten? Sollte er erleichtert sein? Nicht wirklich. Er nicht. Er stürmte zur Tür. Blieb stehen. Drehte sich zu ihr um, schaute sie an und starrte dann auf seine Schuhe. Er wartete auf ihre Antwort auf seine Frage.

„Das habe ich nicht gesagt“, sagte sie scharf. „Oder angedeutet.“

„Ich will es nur wissen.“ Das klang jetzt wirklich mies, mein Lieber.

Sein Kopf war randvoll mit Fragen, Verleugnungen, Sehnsüchten, Wut – jede verfluchte Emotion unter der Sonne. Nenne es beim Namen, es war da.

„Ich kenne dich zu wenig, um deine Gedanken lesen zu können.“

Tamara sah ihm in die Augen. „Dann lass dir gesagt sein, dass ich nächstes Jahr nicht an die Universität gehen werde, also werde ich auch keine Ärztin. Stattdessen werde ich ein Baby haben. Ich werde Mutter, etwas, womit ich keine Erfahrungen habe.“ Sie sah ihn an, als würde sie ihn anflehen, sie zu verstehen.

„Ich will nicht wie meine Mutter sein. Sie war der Meinung, Kindermädchen wären nur dazu da, um ihre Kinder großzuziehen, damit sie zu Wohltätigkeitsveranstaltungen gehen oder mittelmäßig Golf spielen konnte.“ Die Bitterkeit in Tamaras Stimme war fast greifbar. Er verharrte an der Tür. Was würde als Nächstes passieren? Sie hatten einiges vor sich in den kommenden Wochen, und jeder falsche Schritt könnte zu einem großen Problem werden. Am besten hielt er sich von allem fern.

„Ich hätte gedacht, dass sie ihre Sache eigentlich ganz gut gemacht hat.“

„Rede nicht über Dinge, von denen du nichts weißt“, gab sie heftig zurück.

Autor

Sue MacKay
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