Flitterwochen auf Dream Island

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Es ist ein unmoralisches Angebot: Als ihre Hochzeit mit Luke platzt, lädt Isabel den attraktiven Fotografen Rafe Saint Vincent ein, sie auf ihre Flitterwochen nach Dream Island zu begleiten. Strahlende Tage voller Lachen und warme Nächte voller Leidenschaft bringen die beiden einander näher, als sie geplant hatten. Doch es soll dabei bleiben: Zurück in Sydney werden sich ihre Wege wieder trennen.


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • ISBN / Artikelnummer 9783955760861
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Míranda Lee

Líebesreíse nach Australíen

Flítterwochen auf Dream Island

 

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MIRA® TASCHENBUCH

Autor: Miranda Lee

Titel: Flitterwochen auf Dream Island

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

The Secret Love-Child

Copyright 2001/2002 © by Miranda Lee

Übersetzt von: Bettina Röhricht

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Mauritius GmbH, Mittenwald

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-086-1

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

“Bitte, Rafe, tu es für mich. Ich gelte als äußerst zuverlässig und möchte mir nicht meinen guten Ruf verderben.” Rafe seufzte. Wenn Les ihn um einen solchen Gefallen bat, musste er wirklich verzweifelt sein. Da sie lange Zeit als Fotografen zusammengearbeitet hatten, wusste Les ganz genau, dass er nichts mehr hasste als Hochzeiten. Les gefiel die gefühlvolle, romantische Atmosphäre, in der Braut, Bräutigam und Gäste diesen bedeutsamen Tag erlebten. Doch ihm ging das alles auf die Nerven: die Vorbereitungen und auch die vielen Küsse, Tränen und Umarmungen nach der Trauung. Für weinende Frauen hatte er noch nie viel übrig gehabt.

Außerdem blieb ihm bei einem solchen Auftrag nur sehr wenig Spielraum, kreativ zu sein. Schließlich ging es nur darum, jeden Moment dieses denkwürdigen Tages festzuhalten. Als Perfektionist hatte er es gehasst, von so unsicheren Faktoren wie dem Wetter, ungünstigen Lichtverhältnissen oder einer unfotogenen Braut abhängig zu sein. Deshalb liebte er seine Arbeit als Modefotograf für exklusive Zeitschriften. Dort hatte er alles unter Kontrolle: den Ort, das Licht und auch die Models.

“Ich vermute, es gibt niemand anders, den du fragen könntest”, sagte er resigniert.

“Die Hochzeit findet am Samstag in genau zwei Wochen statt”, erwiderte Les. “Und du weißt, dass alle Leute samstags heiraten wollen. Mit Sicherheit sind sämtliche guten Fotografen in Sydney schon ausgebucht.”

Rafe seufzte erneut. “Natürlich. Also, was genau soll ich tun?”

“Die Braut wird heute Mittag um zwölf Uhr in dein Atelier kommen.”

Rafe blickte auf die Uhr. Es war sieben Minuten vor zwölf. “Und wenn ich ablehnen würde?”

“Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann”, sagte Les überzeugt. “Du bist zwar ein ziemlicher Draufgänger, was Frauen angeht, aber auch ein guter Freund.”

Rafe schüttelte den Kopf über das zweifelhafte Kompliment. Natürlich hatte er im Laufe der Zeit einige Freundinnen gehabt. Schließlich war er ein dreiunddreißigjähriger, attraktiver und unverheirateter Mann, der den ganzen Tag schöne Frauen fotografierte. Viele seiner Models waren ebenfalls alleinstehend. Und da er sehr leidenschaftlich war und sich viele der Frauen nicht abgeneigt zeigten, hatte er fast immer irgendeine Beziehung.

Doch Rafe war kein Draufgänger. Wenn er eine Freundin hatte, war er ihr treu und log sie nicht an. Er wollte nur nicht heiraten oder eine Familie gründen. Rafe konnte nichts Schlimmes daran finden, doch in den Augen vieler Menschen schien das geradezu ein Verbrechen zu sein. Er wünschte, seine verheirateten Freunde, wie zum Beispiel Les, würden mehr Verständnis dafür aufbringen, dass nicht jeder im Leben dieselben Wünsche und Ziele hatte.

“Also gut, ich tue dir den Gefallen. Aber bitte gib mir noch die wichtigsten Informationen durch, bevor die Braut kommt. Ich möchte nicht als völliger Idiot dastehen”, sagte er ein wenig ungeduldig.

“Sie heißt Isabel Hunt, ist etwa dreißig Jahre alt, blond und wunderschön.”

“Deiner Meinung nach sind alle Bräute schön, Les”, erwiderte Rafe trocken.

“Das sind sie ja auch – zumindest am Tag ihrer Hochzeit. Aber diese Frau ist immer schön. Ich garantiere dir, es wird dir Spaß machen, Miss Hunt zu fotografieren. Übrigens wird die Glückliche Luke Freeman heiraten, den Sohn und Erben von Lionel Freeman.”

“Der Name sagt mir gar nichts. Wer, um alles in der Welt, ist Lionel Freeman?”, fragte Rafe.

“Rafe, du bist wirklich ein Ignorant! Offenbar interessierst du dich nur für gutes Essen und Fotografie. Lionel Freeman war der berühmteste Architekt Sydneys. Er und seine Frau sind vor einigen Wochen bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Also vergiss das nicht, wenn du mit dem Bräutigam sprichst, und sei ein bisschen einfühlsam.”

“Das tut mir leid. Der arme Kerl.” Sein Vater war ebenfalls durch einen Autounfall gestorben. Damals war er, Rafe, erst acht Jahre alt gewesen. Es war eine schwere Zeit gewesen, über die er nicht gern nachdachte.

“Ich höre gerade, dass draußen ein Auto vorfährt, wahrscheinlich ist es die Braut. Hoffentlich ist sie am Tag der Hochzeit genauso pünktlich. Wie sieht es mit der Bezahlung aus, Les? Was für ein Honorar bekommt man dafür, wenn man auf einer Hochzeit fotografiert?”

“Ein wesentlich geringeres, als du normalerweise verlangst, fürchte ich. Du wirst dich leider mit dem zufriedengeben müssen, was ich mit der Braut vereinbart habe. Gib mir einfach deine Bankverbindung, dann werde ich …”

“Nein, das ist nicht nötig”, wehrte Rafe ab. In diesem Fall war ihm das Honorar nicht besonders wichtig. Les brauchte es sicher dringender. Schließlich würde er wegen seines gebrochenen Beines in nächster Zeit nicht in der Lage sein, Aufträge anzunehmen. “Belassen wir es dabei, dass du mir einen Gefallen schuldest. Aber erwarte bitte nicht, dass ich noch mal einen Hochzeitsauftrag für dich übernehme. Jetzt muss ich aufhören, es hat geklingelt. Ich rufe dich dann später an und sage dir, was ich von der Braut halte.”

Rafe legte auf und lief die Treppe hinunter zur Haustür. Neugierig fragte er sich, ob Les wohl übertrieben hatte oder ob die Braut wirklich so hübsch war. Sie musste schon etwas ganz Besonderes sein, um ihn, Rafe, mit ihrer Schönheit zu beeindrucken. Schließlich hatte er schon Hunderte schöner blonder Frauen fotografiert. Und einmal hatte er sich unsterblich in eine verliebt.

Damals war er fünfundzwanzig Jahre alt gewesen und hatte gerade seine Karriere als Modefotograf begonnen. Liz war ein Model, das eine vielversprechende Laufbahn vor sich hatte. Sie war neunzehn Jahre alt, süß und sexy. All das war zu schön, um wahr zu sein. Aber das merkte Rafe anfangs nicht. Er war so verrückt nach ihr, dass er sie schließlich praktisch anflehte, mit ihm zusammenzuziehen. Das tat sie auch. Doch Liz nutzte ihn nach Strich und Faden aus – auf privater wie auf beruflicher Ebene. Schon nach weniger als einem Jahr hatte sie ihn wegen eines älteren und einflussreicheren Fotografen verlassen. Rafe war tief verletzt und desillusioniert gewesen.

Inzwischen waren seine Wunden verheilt. Das alles lag schon so lange zurück. Doch seitdem hatte Rafe nie wieder mit einer Frau zusammengelebt, auch wenn er sich manchmal danach gesehnt hatte. Und er ging nicht mehr mit blonden Frauen aus. Aus Erfahrung wusste er, dass Blondinen oft so taten, als wären sie sanft und verletzlich, während sie in Wahrheit ehrgeizig und skrupellos ihre Ziele verfolgten. Trotzdem fotografierte er nach wie vor am liebsten blonde Models.

Er öffnete die Haustür und hätte beinahe anerkennend gepfiffen. Les hatte wirklich nicht übertrieben. Wie schade, dass sie heiraten wird, dachte Rafe bedauernd. Wenn es eine Frau gab, die ihn von seiner Entscheidung abbringen konnte, sich nie wieder mit einer Blondine zu verabreden, dann war es Miss Isabel Hunt. Sie sah aus wie die Hauptdarstellerin eines Alfred-Hitchcock-Films: ein sehr ebenmäßiges Gesicht, hohe Wangenknochen, tiefblaue Augen mit dichten Wimpern und eine perfekte Figur. Miss Hunt trug eine rehbraune Leinenjacke und eine perfekt sitzende schwarze Hose.

“Miss Hunt?” Er lächelte sie freundlich an. Was ihm eben wie eine lästige Aufgabe vorgekommen war, die er einem Freund zuliebe übernahm, schien jetzt geradezu ein Vergnügen zu werden. Es gab kaum etwas Spannenderes für Rafe, als schöne Frauen zu fotografieren. Allerdings wusste er natürlich noch nicht, ob Miss Hunt auf den Bildern genauso hübsch sein würde wie in Wirklichkeit. Merkwürdigerweise waren einige besonders schöne Frauen leider ganz und gar nicht fotogen.

“Mr. Saint Vincent?”, erwiderte Isabel Hunt und ließ den Blick über ihn gleiten – etwas missbilligend, wie er bemerkte. Vielleicht hatte sie nichts für Männer übrig, die mittags noch unrasiert waren. Sie selbst dagegen wirkte schlichtweg makellos. Make-up und Kleidung waren perfekt. Die Bluse, die sie unter der Jacke trug, war von einem so strahlenden Weiß, wie Rafe es bisher nur aus der Waschmittelwerbung kannte.

“Ja, das bin ich”, bestätigte er und lächelte erneut. Die meisten Frauen reagierten auf seinen Charme. Rafe legte großen Wert darauf, dass seine Modelle beim Fotografieren entspannt waren, denn sonst kamen einfach keine guten Bilder zustande. “Bitte nennen Sie mich doch Rafe.”

“Also gut, Rafe”, sagte sie kühl.

Miss Hunt gehört offenbar nicht zu den Frauen, die sich leicht um den Finger wickeln lassen, stellte er bedauernd fest. Vielleicht war das aber auch besser so. Sie war eine hinreißende Frau. Ihre Augen waren faszinierend und ihre Lippen verführerisch: sinnlich und voll. Lächeln Sie mich auf keinen Fall an, Lady, dachte er. Sonst könnten Sie mir gefährlich werden!

“Darf ich Sie Isabel nennen?”, fragte er kühn.

“Wenn Sie darauf bestehen.”

Täuschte er sich, oder hatte sie ihm einen kurzen, verächtlichen Blick zugeworfen? Rafe beschloss, seinen Charme nicht weiter spielen zu lassen, sondern sich nur noch auf das Geschäftliche zu konzentrieren.

“Les hat mich vor wenigen Minuten angerufen und mir nur die allerwichtigsten Dinge mitgeteilt”, sagte er betont sachlich. “Wie wäre es also, wenn Sie kurz hereinkommen und wir das Ganze besprechen?”

Er führte seine Besucherin in das Zimmer, in dem er oft geschäftliche Dinge erledigte. Es war kein Büro im engeren Sinne, sondern eher ein schlicht eingerichtetes Wohnzimmer. An den Wänden hingen seine Lieblingsfotos: Schwarz-Weiß-Bilder von Frauen, die alle nur sehr leicht bekleidet waren. Keine von ihnen war jedoch ganz nackt.

“Ich sehe gar keine Hochzeitsbilder”, stellte die zukünftige Braut fest, als sie auf dem Sofa Platz nahm.

“Eigentlich fotografiere ich auch keine Hochzeiten mehr”, erklärte Rafe. “Aber ich habe früher eine ganze Zeit mit Les zusammengearbeitet und kenne mich in dem Metier gut aus.”

Prüfend sah sie ihn an. “Ich vermute, Sie verlangen ein höheres Honorar als Les, stimmt’s?”

Rafe setzte sich ihr gegenüber auf das dunkelblaue Sofa und legte die Arme auf die Rückenlehne. “Normalerweise schon”, bestätigte er. “Aber in diesem Fall tue ich Les einen Gefallen. Sie werden also nicht mehr bezahlen müssen.”

“Wie sieht es mit den Abzügen aus? Werden Sie die extra berechnen?”

“Nein.”

Wieder betrachtete Isabel Hunt die Fotos an der Wand. “Farbbilder machen Sie wohl gar nicht?”

Normalerweise war Rafe sehr gelassen und ließ sich nicht leicht aus der Ruhe bringen. Doch langsam ging ihm Miss Hunt auf die Nerven. Schließlich war er kein Hobbyfotograf, sondern Profi! Doch er zwang sich, ruhig zu bleiben.

“Selbstverständlich mache ich auch Farbbilder”, erwiderte er. “Ich bin immerhin Modefotograf. Und was wäre Mode ohne Farbe? Aber Hochzeitsfotos sehen in Schwarz-Weiß einfach großartig aus. Ich versichere Ihnen, Sie werden begeistert sein.”

“Mr. Saint Vincent …” begann sie kühl.

“Bitte nennen Sie mich doch Rafe”, unterbrach er sie. Er war fest entschlossen, sich nicht von dieser arroganten Frau aus der Ruhe bringen zu lassen. Hoffentlich wusste der arme Bräutigam, worauf er sich einließ!

“Es ist so, Rafe”, sagte Miss Hunt kühl, “ich hätte wohl kaum ein weinrotes Kleid für meine Brautjungfer ausgesucht, wenn ich mir Schwarz-Weiß-Bilder wünschen würde. Das können Sie doch sicher nachvollziehen.”

Rafe ignorierte ihren ironischen Tonfall. “Welche Farbe wird der Bräutigam tragen?”

“Schwarz.”

“Und Sie?”

“Natürlich Weiß.”

“Natürlich”, erwiderte er trocken und blickte ihr deutlich länger in die Augen, als man es höflicherweise tat. Als Isabel Hunt errötete, wollte er seinen Augen nicht trauen. Sie konnte doch wohl kaum noch Jungfrau sein? Schließlich war sie dreißig Jahre alt und wunderschön. Ausgeschlossen ist es natürlich nicht, dachte Rafe. Vielleicht machte sie sich auch einfach nichts aus Sex. Jetzt tat ihm der Bräutigam noch mehr leid. Die Hochzeitsnacht würde sicher kein großer Erfolg werden, wenn die Braut kein besonderes Interesse an körperlicher Liebe hatte.

“Es tut mir leid, aber ich möchte wirklich keine Hochzeitsbilder in Schwarz-Weiß”, sagte Miss Hunt mit Nachdruck. “Wenn Sie mir in dieser Sache nicht entgegenkommen können, werde ich mich nach einem anderen Fotografen umsehen.”

“Ich glaube kaum, dass Sie so kurzfristig noch jemanden finden werden”, erwiderte Rafe unumwunden.

Sie wirkte fast ein wenig verzweifelt, und er bekam Mitleid. Auch wenn er sich im Recht fühlte, so war ihm doch seine Sturheit bewusst.

“Isabel, Sie würden einem Maler doch auch nicht vorschreiben, wie er zu malen hat – oder einem Chirurgen, wie er operieren soll”, sagte er sanft. “Ich bin kein Hobbyfotograf, sondern Profi. Ich weiß, wie etwas auf einem Foto gut herauskommt und wie nicht. Sie werden auf einem Schwarz-Weiß-Bild nicht nur gut aussehen, sondern atemberaubend.”

Sein unerwartetes Kompliment schien ihr die Sprache zu verschlagen. Doch Rafe hatte wirklich noch nie die Gelegenheit gehabt, eine so schöne Braut wie sie zu fotografieren. Auf keinen Fall sollte sie seine Pläne durchkreuzen. Mit den neuen automatischen Kameras konnte heutzutage jeder Farbbilder machen. Doch keinem gelangen so großartige schwarz-weiße Kunstwerke wie ihm, Rafe Saint Vincent!

“Sicher kommen zu Ihrer Hochzeit jede Menge Gäste, die Farbfotos machen werden”, fuhr er fort. “Aber meine Aufgabe ist es, für Sie Erinnerungsbilder zu machen, die nicht nur wunderschön, sondern auch zeitlos sind. Ich verspreche Ihnen, selbst wenn Sie Ihren Enkelkindern irgendwann diese Fotos zeigen, werden diese sie nicht als altmodisch oder komisch empfinden.”

“Sie sind sich Ihrer selbst sehr sicher, nicht wahr?”, fragte Isabel Hunt ein wenig verächtlich.

“Zumindest weiß ich, was ich kann. Also, wie entscheiden Sie sich?”

“Offenbar bleibt mir ja keine Wahl.”

“Sie werden nicht enttäuscht sein, Isabel. Vertrauen Sie mir.”

An ihrem Gesichtsausdruck merkte er, dass Isabel Hunt offensichtlich kein Mensch war, der anderen schnell ihr Vertrauen schenkte.

“Sehen Sie sich doch einige meiner etwas konventionelleren Schwarz-Weiß-Porträts an”, schlug Rafe vor und reichte ihr ein Album. “Vielleicht kann ich dann Ihre Zweifel ein wenig ausräumen. Die Fotos, die hier an der Wand hängen, sind natürlich sehr modern, fast schon ein wenig experimentell”, räumte er ein. “Ich bin noch nicht sehr lange wach und könnte jetzt einen Kaffee vertragen. Gestern Abend wurde es ziemlich spät. Möchten Sie auch einen? Oder kann ich Ihnen etwas anderes anbieten?”

“Nein, danke. Ich habe erst vor kurzem gefrühstückt.”

“Hatten Sie auch eine lange Nacht?” Er konnte sich die Frage nicht verkneifen.

Statt zu antworten, warf Miss Hunt ihm nur einen kühlen Blick zu, bevor sie sich die Fotos ansah. Sie blätterte das Album so schnell durch, dass es schon fast beleidigend war.

Rafe sah ihr finster dabei zu. Am liebsten hätte er Miss Hunt die Klammern aus dem festen Haarknoten gelöst, sie auf die Füße gezogen und geschüttelt, bis ihr das Haar auf die schlanken Schultern gefallen wäre. Er sehnte sich danach, sie an sich zu ziehen und zu küssen, bis ihre Augen nicht mehr kühl wirkten, sondern feurige Leidenschaft widerspiegelten. Und er wollte sehen, wie ihre Wangen sich noch einmal röteten – aber nicht aus Verlegenheit, sondern vor Erregung.

Ich begehre sie, stellte Rafe erschüttert fest. Doch diese Frau zu begehren war Wahnsinn – und es war dumm. Denn erstens würde sie in zwei Wochen heiraten. Zweitens war sie blond. Und drittens mochte sie ihn nicht einmal.

Jetzt geh, und hol dir deinen Kaffee, du Idiot, schimpfte Rafe insgeheim mit sich. Und wenn du wiederkommst, wirst du sie als fantastisches Fotoobjekt betrachten – nicht als die faszinierendste, begehrenswerteste Frau, der du je begegnet bist.

2. KAPITEL

Isabel wartete, bis Rafe das Zimmer verlassen hatte. Dann klappte sie energisch das Fotoalbum zu. Ausgeschlossen, dachte sie verzweifelt. Sie konnte Rafe Saint Vincent unmöglich als Hochzeitsfotografen engagieren. Er mochte zwar brillant sein, war jedoch offenbar nicht bereit oder in der Lage, sich nach ihren Wünschen zu richten. Er gehörte zu den Männern, die ihr furchtbar auf die Nerven gingen – und zu denen sie sich unwiderstehlich hingezogen fühlte.

Isabel musste sich eingestehen: Das eigentliche Problem war, dass sie Rafe unglaublich sexy fand. Sie schloss die Augen, seufzte und ließ sich gegen die Rückenlehne des Sofas sinken. Ich dachte, ich hätte endlich gelernt, Männer wie ihn nicht mehr attraktiv zu finden, dachte sie. Seit Isabel Luke getroffen hatte und mit ihm verlobt war, glaubte sie, sich nicht mehr nach solchen Männern wie Rafe zu sehnen.

Luke war genauso, wie Isabel sich immer den idealen Ehemann vorgestellt hatte: attraktiv, erfolgreich, intelligent – und er hatte einen guten Charakter. Ebenso wie sie war er zu der Schlussfolgerung gekommen, dass romantische Verliebtheit keine ausreichende Basis für eine Ehe war. Viel wichtiger war, dass man zusammenpasste und gemeinsame Ziele hatte. Verliebte handelten oft leichtsinnig und unklug. Leidenschaft war etwas, worüber Dichter schrieben, doch langfristig machte sie sicher niemanden glücklich. Und atemberaubender Sex, dachte Isabel, ist auch nicht das Entscheidende an einer Beziehung.

Was nicht heißen sollte, dass Luke nicht gut im Bett war. Im Gegenteil. Und wenn Isabel beim Sex manchmal ihren eigenen geheimen Gedanken und Fantasien nachhing, hatte sie das nicht weiter beunruhigt – bis jetzt. Denn in der Hochzeitsnacht mit Luke im Bett zu liegen und dabei an Rafe Saint Vincent zu denken war etwas ganz anderes. Und Isabel war überzeugt, dass es genauso sein würde, wenn er den ganzen Tag in ihrer Nähe wäre und sie mit seinen faszinierenden Augen ansehen würde.

Verzweifelt schüttelte Isabel den Kopf. Sie hatte sich immer wieder in die falschen Männer verliebt, in Draufgänger und charmante Verführer, die jenes unerschütterliche Selbstbewusstsein ausstrahlten, das sie, Isabel, so unwiderstehlich anzog. Natürlich wusste sie anfangs nicht, dass es die Falschen waren. Isabel fand die Männer interessant und aufregend. Erst nachdem sie einige Male schwer enttäuscht worden war – besonders nach der katastrophalen Erfahrung mit Hal –, wurde ihr klar, dass sie kein gutes Urteilsvermögen besaß, was das andere Geschlecht anging. Sie verlor ihr Herz immer an die falschen Männer: an Versager und Lügner. Mit Ende zwanzig hatte Isabel eine Art Warnsystem entwickelt: Immer wenn sie sich unwiderstehlich zu einem Mann hingezogen fühlte, wusste sie, dass es garantiert der Falsche für sie war.

Deshalb musste sie auch Rafe Saint Vincents Charakter nicht genau kennen. Es genügte, ihn anzusehen. Les hatte ihr zwar einiges über ihn erzählt: dass er Junggeselle war und ein erstklassiger Fotograf. Doch in Isabels Kopf hatten die Alarmglocken geschrillt, als sie Rafe das erste Mal gesehen hatte. Der Dreitagebart, das schwarze Outfit und der Ohrring sprachen Bände, ebenso die Tatsache, dass er in einem zweigeschossigen Haus im zentrumsnahen Stadtviertel Paddington lebte. Ganz offensichtlich war Rafe ein moderner Junggeselle, in dessen Leben beruflicher Erfolg und Vergnügungen an erster Stelle standen. Ein Mann wie er würde niemals eine Kuh kaufen, solange er die Milch umsonst bekommen konnte, dachte Isabel ironisch. Rafe war zwar kein Betrüger oder Krimineller, wie Hal es gewesen war. Doch für eine Frau, die heiraten wollte und sich sehnlichst Kinder wünschte, war es die reine Zeitverschwendung, sich mit ihm abzugeben.

Eigentlich waren bisher alle Männer in Isabels Leben in dieser Hinsicht Zeitverschwendung gewesen. Aus diesem Grund hatte sie mit dreißig Jahren – noch immer unverheiratet und ohne Kinder – beschlossen, bei der Suche nach ihrem zukünftigen Ehemann nicht auf ihr Herz zu hören, sondern auf ihren Verstand. Und das hatte sie auch getan.

Isabel wusste, dass sie mit Luke sehr glücklich werden könnte. Aber der letzte Mann, den sie bei der Hochzeit in ihrer Nähe haben wollte, war Rafe Saint Vincent. Doch sie brauchte unbedingt einen Fotografen. Und wie sollte sie ihrer Mutter erklären, dass sie ihn nicht engagiert hatte? Das Argument mit den Schwarz-Weiß-Bildern würde nicht ausreichen. Isabels Mutter liebte Schwarz-Weiß-Fotos – vermutlich aus nostalgischen Gründen. Sie war schon siebzig Jahre alt. Isabel war sozusagen das Ergebnis der zweiten Flitterwochen, die Doris Hunt im Alter von vierzig Jahren mit ihrem Ehemann gemacht hatte.

Nein, ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als den unwiderstehlichen Rafe Saint Vincent zu engagieren. Und was war schon so schlimm daran, in der Hochzeitsnacht von einem anderen Mann zu träumen? Isabel hatte nicht vor, Luke davon zu erzählen. Er würde es also nie erfahren – wie so viele andere Dinge, die sie vor ihm geheim hielt.

Wieder betrachtete sie die Fotografien an der Wand. Diesmal ließ sie sich mehr Zeit. Die Bilder waren sehr erotisch. Viele der Models waren fast nackt, doch durch die dezente Beleuchtung und ein raffiniertes Spiel mit Licht und Schatten konnte der Betrachter nur dann und wann einen Blick auf die Brust oder eine andere Rundung erhaschen.

Isabel war fasziniert und hätte die Fotos stundenlang ansehen können. Doch als sie Schritte sich nähern hörte, wandte sie den Blick ab. Schnell nahm sie ihr Handy aus der Tasche, wählte die Nummer ihrer Eltern und wartete ungeduldig, dass sich jemand meldete. Rafe kam mit einem Becher dampfendem Kaffee herein.

Isabel versuchte, ihn nicht allzu auffällig anzusehen. Doch sie konnte sich nicht davon abhalten, ihm einige kurze Blicke zuzuwerfen, während er sich wieder auf das dunkelblaue Sofa setzte. Er sah einfach fantastisch aus: groß und muskulös, aber schlank. Er war nicht im klassischen Sinne schön, aber äußerst attraktiv – und sehr sexy.

“Ja?” Endlich meldete sich ihre Mutter. Sie klang etwas außer Atem.

“Ich bin es, Mum.” Isabel war selbst erstaunt, wie gelassen sie klang, obwohl ihr Herz zum Zerspringen schlug.

“Schön, dass du noch anrufst, bevor wir in den Club fahren, Isabel. Wie lief die Besprechung mit Mr. Saint Vincent?”

“Gut. Ich bin zufrieden.” Isabel sah, dass Rafe sie erstaunt anblickte. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie sich für ihn entscheiden würde.

“Ist er so gut wie Les?”, fragte ihre Mutter. Les hatte bereits mehrmals für Isabels Eltern gearbeitet, unter anderem anlässlich ihrer goldenen Hochzeit.

“Ich würde sagen, er ist sogar noch besser.”

“Da bin ich aber erleichtert. Ich habe so lange darauf gewartet, dass du heiratest, Darling. Und ich möchte unbedingt ein paar schöne Erinnerungsfotos.”

Isabels Blick glitt zu dem provokantesten Foto an der Wand. Wie wäre es wohl, so von Rafe fotografiert zu werden? dachte sie unwillkürlich. Sie stellte sich vor, wie sie in einer verführerischen Pose nackt vor ihm liegen würde, während Rafe Satinstoff um ihren Körper drapierte und dann immer wieder den Blick auf ihr ruhen ließe, während er unzählige Bilder machte.

Der Gedanke ließ ihr Herz noch heftiger schlagen. Zum Glück gehörte Isabel nicht zu den Frauen, denen man ihre Gefühle deutlich ansah. Auch wenn sie sich sehr von einem Mann angezogen fühlte, konnte sie in seiner Gegenwart gelassen, kühl oder sogar gänzlich uninteressiert wirken. Vielleicht sollte ich froh darüber sein, dachte sie, denn sonst würde ich womöglich mein halbes Leben im Bett verbringen.

Isabel fiel Flirten nicht leicht. Und auch das neckische Kokettieren mancher Frauen, auf das so viele Männer ansprangen, lag ihr nicht. Auf Männer wirkte sie häufig sehr distanziert und sogar ein bisschen versnobt. Einige deuteten ihre zurückhaltende Art und die kühle Ausstrahlung falsch und dachten sogar, sie wäre nicht an Sex interessiert. Das war vielleicht der Grund, warum die meisten von Isabels Geliebten Männer gewesen waren, die sich über ihr scheinbares Desinteresse hinweggesetzt und sich einfach das genommen hatten, was sie wollten. Isabel betrachtete Rafe und überlegte, was für ein Liebhaber er wohl sein mochte. Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen. Hör auf damit, ermahnte sie sich. Du wirst es sowieso nie herausfinden.

“Ich muss jetzt aufhören”, sagte ihre Mutter. “Dein Vater und ich wollen noch etwas essen, bevor wir losfahren. Wann kommst du denn nach Hause? Isst du heute Abend mit uns?”

Isabel hatte vor einigen Wochen ihre Wohnung aufgegeben und war bis zur Hochzeit bei ihren Eltern eingezogen. Auch ihre Stelle als Empfangssekretärin in dem Architekturbüro, in dem Luke arbeitete, hatte sie gekündigt. Sie freute sich darauf, nach der Hochzeit zu Hause zu bleiben und mit Luke eine Familie zu gründen.

“Das hatte ich eigentlich vor”, erwiderte Isabel, während sie Rafe weiter unauffällig ansah. “Es sei denn, Luke kommt doch heute schon zurück und möchte mit mir essen gehen. Frag ihn einfach, falls er anruft. Ich bin spätestens um ein Uhr zu Hause.”

“Das werde ich tun. Bis später, Darling.”

“Bis später, Mum.”

Isabel drückte auf den Aus-Knopf und wies dann auf das Fotoalbum, das auf dem Couchtisch lag. “Die Bilder sind wirklich sehr beeindruckend”, sagte sie und blickte Rafe betont gelassen an – so wie sie es immer tat, wenn sie sehr durcheinander war und keinen klaren Gedanken fassen konnte. Zum Glück war sie jetzt äußerlich ruhiger als vorhin. Auf keinen Fall wollte sie noch einmal erröten.

Isabel legte das Handy weg und öffnete das Album auf einer Seite, die ein traditionelles Porträt einer Frau im Abendkleid zeigte. “Dieses Bild gefällt mir wirklich gut. Wenn Sie so etwas auf meiner Hochzeit machen können, sind Sie engagiert.”

“Die Frage ist, ob Sie mich wollen oder nicht”, entgegnete Rafe und blickte ihr in die Augen.

Isabel bemühte sich, die Beherrschung nicht zu verlieren. Wenn er wüsste …

Autor

Miranda Lee
Miranda Lee und ihre drei älteren Geschwister wuchsen in Port Macquarie auf, einem beliebten Badeort in New South Wales, Australien. Ihr Vater war Dorfschullehrer und ihre Mutter eine sehr talentierte Schneiderin. Als Miranda zehn war, zog die Familie nach Gosford, in die Nähe von Sydney.

Miranda ging auf eine Klosterschule. Später...
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