Gefahr für Lilys Herz

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Atemlos blickt Lily über ihre Schulter - seit Wochen wird sie von einem Stalker verfolgt und bedroht! Das will sich die geniale Hackerin nicht mehr bieten lassen, und so engagiert sie zu ihrem persönlichen Schutz Caleb Steele, seines Zeichens Troubleshooter mit stahlharten Muskeln. Er soll an Lilys Seite sein, und gerne auch nicht nur dort … denn die Lust flammt heftig zwischen den beiden auf. Doch dürfen sie in ihrer neu entdeckten Leidenschaft wirklich so sorglos sein? Schon bald ist Lilys Leben in Gefahr …


  • Erscheinungstag 04.04.2019
  • Bandnummer 18
  • ISBN / Artikelnummer 9783955769901
  • Seitenanzahl 180
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Caleb

Den kurzen Blick auf meine Armbanduhr bereute ich sofort. Das schwarzblaue Display bewies mir, dass mich dieser Zirkus hier eine weitere halbe Stunde gekostet hatte.

Scheiße!

„Oh, siehst du mich vielleicht als Zeitvergeudung an? Hast du gerade was Wichtiges vor?“, fragte Ross Jonas mit weinerlicher Stimme.

Ich seufzte.

Gute und schlechte Situationen zu meinem Vorteil zu wenden, darin lag meine Stärke. Damit hatte ich mir meinen Ruf aufgebaut. Allerdings träumt niemand als Kind von dem Beruf, den ich heute habe.

Ich bin ein Problemlöser.

Aber ich will mich nicht beklagen, es ist ein toller Job. Manchmal wünschte ich, es sei nicht ganz so toll … Ach, wem will ich was vormachen? An den meisten Tagen liebe ich meinen Job.

Nur an diesem Abend nicht. Die Anrufe nachts um zwei Uhr sind die schlimmsten. Erst recht, wenn sie mitten in einem vielversprechenden Blowjob reinkommen, der zu mehr hätte werden können.

Aber was ist schon schlimm an Samenstau, wenn die wundervolle Arbeit ruft? Zumindest lenkt sie mich immer sehr wirkungsvoll von all den Dingen ab, die ich am liebsten vergessen hätte.

Ich schob die Hände in die Taschen und sah den jammernden Mann wütend an, der rittlings auf dem Balkongeländer vor mir saß und sich wie ein kleines Kind aufführte. „Ganz ehrlich? Ja, ich müsste gerade woanders sein. Wenn du also springen willst, dann bring’s hinter dich, damit ich noch was vom Rest der Nacht habe.“

Verdammt, diesmal hast du’s übertrieben, Steele.

Der geschockte Ausdruck auf dem schlaffen Gesicht meines Klienten bestätigte mich in diesem Gedanken. „Ist das dein verdammter Ernst, Mann?“

„Bei den Augenbrauen von Zachary Quinto: Ja, verdammt! Das ist jetzt schon das vierte Mal in diesem Monat, dass ich mich mit deinem … Elend befassen muss. Normalerweise hätte ich dich schon längst als Klienten abgegeben oder in eine Entzugsklinik gesteckt, aber ich habe deinem Vater versprochen, auf dich aufzupassen. Dein einziges Problem ist deine eigene Faulheit.“

„Du weißt ja gar nicht, was du da redest. Die Band hat mich rausgeschmissen!“

„Weil du nach Cabo gefahren bist und nicht zum Studio in Culver City. Letzten Monat war es Vegas und im Monat davor Atlantic City. Oder etwa nicht?“

„Ich kann doch nicht einfach auftauchen und singen! Dafür brauche ich Inspiration“, jammerte Ross.

„Und diese Inspiration findest du, indem du vom Balkon springst?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Dann mal los. Wenn die Sonne aufgeht, steckst du in einem sehr inspirierenden Leichensack.“

Wieder sah er mich mit offenem Mund fassungslos an. „Verdammte Scheiße, du bist wirklich der Hammer.“

Ich kniff die Augen zu und wünschte mir, diese Worte würden nicht aus seinem Mund kommen, sondern aus dem von der Schönheit mit den knallroten Lippen, die ich im Bett zurückgelassen hatte.

Als ich die Augen öffnete, war Ross allerdings immer noch da. Wirklich schade.

Ich war nicht so verrückt, meinem Klienten wirklich den Tod zu wünschen, aber ich wollte diesen Blödsinn hier endlich hinter mich bringen.

Er würde nicht springen.

Wir hatten das alles wirklich oft genug durchgemacht. Er kam immer wieder in diese Hotelsuite, weil sich praktischerweise sechs Stockwerke tiefer der riesige Hotelpool befand. Und wenn er den durch extremes Pech verfehlen würde, wären da immer noch vier meiner Jungs, die unten vor dem Beverly Hills Hotel um das riesige Luftkissen herumstanden, um Ross’ erbärmlichen Hintern aufzufangen. Denn leider war dies nicht mein erstes Rodeo mit einem Pseudo-Selbstmörder.

Ich hätte ihn schon vor Langem als Klienten abgegeben, weil mir seine selbstsüchtigen Allüren auf die Nerven gingen. Außerdem übernahm ich eigentlich aus Prinzip niemals Selbstmordkandidaten, auch nicht die, die es nicht ernst meinten. Es war mir nicht peinlich, dass Selbstmord für mich ein No-Go war.

Doch Ross’ Vater war mein erster Klient gewesen. Durch ihn hatte ich im rauen L.A. den Durchbruch geschafft. Victor Jonas hatte mich damals weiterempfohlen, und als er mich dann irgendwann geradezu angefleht hatte, auf seinen Sohn aufzupassen, hatte ich entgegen all meiner Vorsätze zugestimmt.

Das Schlimmste, was dem verzogenen und verwöhnten Einzelkind Ross heute noch bevorstand, falls er doch springen sollte, war ein bisschen Atemnot, wenn er unten aufgefangen wurde.

Ich dagegen würde bestimmt wieder die schlimmsten Albträume durchleben. Und die schmollende Rothaarige würde mir die kalte Schulter zeigen, wenn ich das hier nicht schnell beendete. „Ja, ich bin der Hammer. Und du hast genau zehn Sekunden, um ernst zu machen oder von dem dämlichen Geländer zu klettern.“

Ich drückte mich vom Rahmen der Glastür ab und kam langsam auf ihn zu. Ganz kurz sah er sich nach mir um und wurde blass. „Fuck!“, stieß er leise aus.

Dicht vor ihm blieb ich stehen und verschränkte die Arme. „Hör mal zu. Wenn du weiter so wie jetzt mit dem Tod flirtest, dann hast du irgendwann damit Erfolg. Tu mir einen Gefallen, Ross. Steck die Energie, die du dafür aufbringst, mich hin und her zu scheuchen, doch einfach in deine Arbeit. Lass dich davon überraschen, wie gut es sich anfühlt, die Erfolge der eigenen harten Arbeit zu erleben.“

Der Trotz wich aus seinen Zügen. „Aber ich bin nicht mehr in der Band.“

„Ruf die Jungs morgen früh an. Wenn’s sein muss, dann fleh sie an. Mit etwas Demut kann man eine Menge erreichen, wenn man es ernst meint.“ Ich hatte keine Ahnung, ob das stimmte oder nicht. Demut gehörte nicht gerade zu meinen Tugenden. „Und wenn du schon dabei bist, könntest du auch pünktlich dort auftauchen, wo man dich erwartet. Abgemacht?“

Als er nickte, trat ich einen Schritt zurück, blieb jedoch sprungbereit, bis er wieder mit beiden Füßen auf dem Balkon stand. Erleichtert folgte ich ihm in die Hotelsuite, die er nur angemietet hatte, um dieses gefährliche Drama aufzuführen.

Ich schluckte meine Wut hinunter und widerstand dem Drang, seinem Ego noch einen Dämpfer zu verpassen. „Einer von meinen Jungs bleibt in deiner Nähe und sorgt dafür, dass du morgen früh pünktlich in Culver City aufschlägst. Na, wie klingt das?“ Ich klopfte ihm auf die Schulter und ging zur Tür. Mit etwas Glück hielt mir mein Date noch das Bett warm.

„Hey, Caleb.“

Ich wandte mich um. „Ja?“

„Hättest du … wirklich zugesehen, wie ich springe?“

Ich blickte ihn ernst an. „Wenn du es wirklich gewollt hättest, hätte ich dich nicht aufhalten können.“ Einen Moment lang schwieg ich. „Wolltest du wirklich?“

Verlegen schüttelte er den Kopf. „Nein.“

Meine Wut steigerte sich noch mehr. „Noch mal so ein Auftritt, und ich verpasse dir höchstpersönlich den Schubs.“

Ich ließ ihn mitten in der Suite zurück, wo er mit hängenden Schultern einfach nur dastand und grübelte.

Während der Fahrstuhl nach unten raste, biss ich die Zähne zusammen. Leider konnte ich die Erinnerungen, die Ross in mir geweckt hatte, nicht so leicht hinter mir lassen wie das Fünf-Sterne-Hotel.

Für meine Mutter waren aller guten Dinge drei gewesen. Oder aller unguten, je nachdem, von welcher Seite man es sah. Meine Schritte wurden unwillkürlich langsamer, als der bittere Schmerz mich durchfuhr, den ich immer empfand, wenn ich an ihren Tod erinnert wurde.

Ross Jonas, du Idiot!

Ich atmete tief durch, ging weiter und gab dem Valet, der mir die Schlüssel für meinen Bugatti hinhielt, einen Zwanziger, bevor ich mich hinters Lenkrad setzte.

Noch ehe ich losfahren konnte, piepste mein Handy. Sobald ich es aus der Tasche zog, sah ich auf meinem Display das Foto einer Frau, die das Cover des Playboys hätte schmücken können. Sekunden später tauchte die Textnachricht von ihr auf.

Hier siehst du, was dir entgangen ist. Ruf mich bloß nie wieder an!

Sollte ich lachen oder sauer sein? Lachen wollte ich, weil ich genau wusste, dass sie sofort drangehen würde, wenn ich sie jetzt anrief. Und sauer war ich, weil diese Rothaarige seit Langem die erste Frau war, die mein Interesse geweckt hatte. Ich hatte wirklich gehofft, das Ende meiner ungewollten sexuellen Eiszeit sei endlich gekommen. Aber obwohl ich gerade eben noch darauf gebrannt hatte, schnell wieder zurück zu ihr ins Bett zu kommen, erlosch die Lust darauf in mir mit jeder Sekunde mehr.

Ich sah noch mal auf das Foto und strich unwillkürlich mit der Hand über meinen Ständer, bevor ich das Bild antippte, auf Delete drückte und ihre Nummer aus meiner Kontaktliste löschte.

Ich brachte den Motor auf Hochtouren und fuhr über den Pacific Coast Highway in Richtung Downtown L.A. Meine Pläne für eine heiße Nacht waren ruiniert, und da ich keine Lust hatte, in ein leeres Bett zurückzukehren und von Dingen zu träumen, an die ich mich nicht erinnern wollte, war arbeiten die nächstbeste Option.

Trotzdem fluchte ich leise, als mein Handy klingelte. „Verdammt, schläft denn überhaupt niemand?“, beschwerte ich mich, als ich den Anruf entgegennahm.

„Fürs Schlafen bezahlst du mich nicht“, entgegnete meine Assistentin Maggie. „Beim Vorstellungsgespräch hast du mich extra darauf hingewiesen, dass es mir nicht erlaubt ist zu schlafen.“

Du sollst nicht schlafen. Aber das bedeutet nicht, dass du mich beim Schlafen stören darfst. Echt schlimm, dass ich dir das überhaupt erklären muss.“

„Wenn du jetzt behauptest, du seist nicht auf dem Weg ins Hauptquartier, dann lege ich auf.“

Ich versuchte erst gar nicht, es zu leugnen. Durch den GPS-Sender wusste sie genau, wo mein Wagen sich befand. Das eine oder andere Mal hatte mir dieser Tracker die Haut gerettet.

„Was willst du, Maggie?“ Ich wechselte die Spur und genoss das tiefe Schnurren des Motors.

„Wow, da ist aber jemand mies drauf“, sagte sie leise und fuhr dann kühl fort: „Wir haben einen neuen Fall, der wirklich dringlich ist.“

Ich trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. „Sind sie das nicht alle?“

„Bei diesem geht es weniger um Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll. Eher … um was anderes.“

Mühsam unterdrückte ich ein genervtes Stöhnen. „Bitte erspar uns beiden die Dramatik.“

Mein Sarkasmus prallte an Maggie einfach ab. Das war einer der Gründe, wieso sie für mich unersetzlich war. „Die Klientin ist gerade vorübergehend in der Stadt. Ich leite dir die Adresse weiter, die ihre Leute mir geschickt haben. In einer Viertelstunde kannst du da sein.“

Die Freude am Fahren war mir vergangen. „Ihre Leute?“ Ich fluchte. „Hast du denen denn nicht erklärt, dass ich mich auf so was nicht einlasse? Ich habe immer nur mit einer Person zu tun, sonst kommen wir nicht ins Geschäft.“

Maggie seufzte. „Ich weiß, wie ich meinen Job zu erledigen habe, Caleb. Vertrau mir bitte. Nur ein bisschen, ja?“

Ich runzelte die Stirn. Blindes Vertrauen kannte ich nicht. Ich vertraute niemandem. Das wusste Maggie sehr genau. Wieso verlangte sie jetzt etwas von mir, wozu ich nicht fähig war? Meine Laune verdüsterte sich noch mehr. Mit dem beträchtlichen monatlichen Gehaltsscheck erkaufte ich mir ihre harte Arbeit und ihre Loyalität. Mehr verlangte ich nicht. Wie kam sie dazu, mich jetzt zu bitten, ihr zu vertrauen?

Mein Handy summte. Maggie hatte mir die Adresse geschickt. „Ich melde mich.“ Ich legte auf und hielt lange genug auf dem Seitenstreifen an, um mir die Adresse am Mulholland Drive einzuprägen, bevor ich wendete und in die Gegenrichtung zurückfuhr.

Hohe Mauern und ein elektrisches Tor ragten vor mir auf, als ich das Anwesen erreichte. Alles klar, dachte ich. Verwöhnte Prinzessin, die vom Treuhandfonds lebt. Und jetzt schiebt sie die Krise, weil sie bei ihrem Schwarm abgeblitzt ist. Oder ihr Chihuahua ist entführt worden. Was auch immer es war, es würde meine Zeit mit Sicherheit nicht wert sein.

Nur weil Maggie in ihrem Job sonst immer ausgezeichnete Arbeit leistete, ließ ich mein Seitenfenster herunter und drückte auf den Rufknopf der Gegensprechanlage.

Das gusseiserne Tor glitt zur Seite, und ich fuhr über das Kopfsteinpflaster der Auffahrt auf das ausladende Haus zu. Auf für Hollywood typische Weise war das ursprüngliche Anwesen in ein groteskes Statussymbol umgebaut worden, ohne auf die ursprüngliche Architektur Rücksicht zu nehmen.

Ich verdrängte meine vernichtenden Ansichten, stieg aus und blickte mich um. Rechts und links vom Haus standen zwei angeheuerte Sicherheitskräfte.

Die Haustür schwang auf, und auf der Schwelle erschien ein junger, korrekt gekleideter Mann. In dieser Umgebung wirkte er vollkommen unpassend, aber ich wollte ja nicht urteilen.

„Guten Abend, Mr. Steele. Würden Sie bitte hereinkommen?“

Seinen Namen nannte er mir nicht, und ich fragte nicht nach. Dies war L.A., wo selbst die unbedeutendsten Starlets Angst hatten, irgendjemandem ihre wahre Identität zu verraten.

Das Innere des Hauses war genauso protzig wie die Fassade. Der Innenarchitekt hatte seinen Goldrausch ausgelebt und obendrein alles mit Blattgrün dekoriert.

Ich unterdrückte ein Schaudern, während ich einen Flur entlangging und ein großes Wohnzimmer betrat. Als ich mich umsah und die Klientin nicht sofort entdecken konnte, wurde ich ungeduldig.

„Bitte warten Sie hier“, sagte der Mann und ging.

Ich lief auf und ab und hoffte inständig, dass der Abstecher hierher keine reine Zeitvergeudung war. Ich hatte noch viele Anfragen von Klienten, aber all diese Aufträge hätte ich auch im Schlaf erledigen können. Bei diesem Gedanken fiel mir wieder ein, wie wenig Schlaf ich in letzter Zeit bekommen hatte, und sofort kehrte auch die innere Unruhe zurück.

Gerade als ich meine Gedanken zum Schweigen brachte, öffneten sich die beiden Flügel der breiten Tür vor mir.

Beim ersten Anblick dieser Frau zog sich mir der Magen zusammen, und meine Lungen stießen wie von selbst die Luft aus. Ich vergaß, wieder einzuatmen.

War es ihr weißblonder Fransenlook? Oder waren es die vollen roten Lippen, auf die sie sich nervös biss? Mein Interesse war augenblicklich geweckt. Vielleicht waren es auch ihre mandelförmigen hellgrünen Augen, aus denen sie mich direkt ansah. Oder es war ihr sinnlicher, zierlicher Körper, der von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder und Spitze gekleidet war?

Leder und Spitze.

Diese Kombination an sich wirkte schon wie ein Magnet auf mich. Und dann waren da noch diese mit silbernen Stacheln besetzten Ledermanschetten, die sie um ihre Handgelenke und um den schlanken Hals trug.

Verdammt.

Sie war eine Mischung aus Punkrockstar und dem feuchten Traum eines jeden BDSM-Anhängers.

Sie blieb direkt vor mir stehen und sah mich an. Weil sie so klein und zierlich war, musste sie den Kopf nach hinten neigen und dabei ihren zarten Hals entblößen.

Heißes Verlangen durchschoss mich, während ich ihr zartes, alabasterblasses Gesicht musterte. Ihre Nasenflügel bebten leicht. Ihre Lippen wirkten wie Samt. Unter dem Choker um ihren Hals erkannte ich ihren Pulsschlag.

Sie atmete tief ein und langsam wieder aus. „Ich habe gehört, Sie seien ein Problemlöser.“

„Das haben Sie richtig gehört.“ Meine Nummer stand nicht im Telefonbuch. Ich setzte ausschließlich auf Mundpropaganda, und dem Klienten, der sie zu mir geschickt hatte, war ich in diesem Moment unendlich dankbar.

Sie nickte nur kurz. „Bevor wir anfangen, müssen wir uns um die Verschwiegenheitsklausel kümmern.“

Ihre Stimme klang so sexy, dass ich sie am liebsten den ganzen Tag lang im Surround-Sound im Kopf gehört hätte.

Verschwiegenheitsabmachungen waren für mich nichts Neues. Heutzutage ließ sich niemand, der etwas auf sich hielt, auf einen Vertrag ein, ohne sich vorher eine Unterschrift auf irgendeinem Papier zu holen, in dem es um Verschwiegenheit ging. Vielleicht lag es daran, dass es schon so spät war, oder an meiner Stimmung, jedenfalls schüttelte ich den Kopf.

„Bevor wir uns um irgendwelche Verschwiegenheitsvereinbarungen kümmern, muss ich erst mal in groben Zügen wissen, worum es bei dem Job geht.“ Wem wollte ich eigentlich etwas vormachen? Es war ganz allein diese Frau, die mich faszinierte, wer immer sie auch war. Ich war schon so gut wie sicher, dass ich diesen Job übernehmen würde.

Sie presste die Lippen aufeinander. „Das sehe ich ein. Also: Ich werde gestalkt“, erklärte sie nüchtern. „Angefangen hat es als Cyberstalking, aber in den letzten drei Wochen wurde daraus reales Stalking.“

Der unbändige Drang, sie zu beschützen, kam ganz unerwartet, und das machte mich so nervös, dass ich schnell die Arme vor der Brust verschränkte. „Und die Cops haben Sie nicht gerufen, weil …?“

„Weil die sicher eine Verbindung zu meiner Arbeit vermuten würden.“

„Was ist das für eine Arbeit?“

„Das ist extrem vertraulich. Ich kann darüber nicht mit Ihnen sprechen, ohne dass Sie vorher diese Verschwiegenheitsvereinbarung unterschrieben haben.“ Sie hielt mir das Dokument hin.

Meine Neugier war geweckt. „Okay, zeigen Sie her.“

Der Vertrag war sieben Seiten lang und viel detaillierter als die üblichen drei Seiten, bei denen nur noch das Feld mit dem Namen ausgefüllt werden musste.

Während ich den Text ein zweites Mal las, bekam ich aus dem Augenwinkel mit, wie eingehend sie mich musterte. Als ich fertig war, wandte ich mich ihr zu, und mein Interesse steigerte sich noch mehr, weil sie mir unverwandt in die Augen blickte. „Sieht gut aus. Haben Sie einen Stift?“

Wie auf Kommando ging die Tür auf, und der junge Mann, der mir die Haustür geöffnet hatte, kam herein. Ich blickte ihn und die Frau abwechselnd an, um nach Anzeichen für eine Beziehung zu suchen. Sie nickte ihm dankend zu, als er einen Stift hervorzog, aber ich entdeckte in ihrem Blick nichts, woraus ich auf eine engere Bindung hätte schließen können.

Die Erleichterung, die ich dabei empfand, war mir selbst unangenehm. Ich unterschrieb und reichte ihr den Stift.

Sie nahm ihn entgegen und unterschrieb mit ihrem Namen.

Lily Angela Gracen.

Während der Mann als Zeuge unterschrieb, durchstöberte ich mein Gedächtnis, doch ihr Name sagte mir absolut nichts.

Sie begleitete ihn zurück zur Tür, und ich gestattete mir einen eingehenderen, intimeren Blick auf sie.

Verdammt, sie war umwerfend heiß!

Niemand verdiente es, gestalkt zu werden, egal ob online oder im echten Leben, aber bei ihrem Anblick konnte ich gut nachvollziehen, wieso jemand von ihr besessen war.

Sobald mir dieser Gedanke kam, erstarrte ich innerlich. Ich wollte nicht, dass diese Frau in Gefahr war. Gleichzeitig spürte ich, wie ich einen Ständer bekam. Wie gebannt hing mein Blick an der Frau, die wie eine Vision auf mich zukam.

Sie bewegte sich mit subtiler Sinnlichkeit, wie eine Frau, die sich ihrer zahllosen Reize bewusst ist, sie aber nicht übertrieben zur Schau stellt. Wie eine Frau, die die Macht ihrer runden Hüften, ihrer vollen Lippen und ihrer sinnlichen Brüste genau kennt.

Obwohl sie in ihren Kampfstiefeln noch einige Zentimeter größer war, reichte sie mir gerade bis zur Brust. Sie war zierlich, hatte einen perfekten Körper und war der Inbegriff einer dekadenten, erotischen, kleinen Venus.

Wahrscheinlich wog sie keine sechzig Kilo. An guten Tagen drückte ich das Doppelte ihres Gewichts. In meinem Kopf überschlugen sich die Fantasien, wie sie sich in meinen Armen anfühlen würde.

Ich hätte sie leicht gegen eine Wand drücken und ihren nackten, fantastischen Körper mit meinen gierigen Händen umfassen können.

Ich hätte sie mit Seidenschnüren ans Bett fesseln können, falls sie darauf stand. Ihre Haut wäre leicht gerötet gewesen, während sie auf dem schmalen Grat zwischen lustvoller Anspannung und überwältigendem Orgasmus wandelte.

Hastig riss ich mich aus meinen lüsternen Sexfantasien und verlagerte mein Gewicht, um den Druck an meinem Reißverschluss zu verringern, während das wundervollste Wesen, das mir seit Langem begegnet war, auf mich zukam und vor mir stehen blieb.

„Wer war das?“ Mit einem Nicken deutete ich zur Tür.

„Er gehörte mit zum Haus, als ich es angemietet habe. Ich habe ihn gebeten, in der Nähe zu bleiben, um die Unterschriften zu bezeugen.“

„Okay, jetzt habe ich unterschrieben. Fangen wir noch mal von vorn an. Ich bin Caleb Steele. Problemlöser.“

Ihr Blick ging zu meiner ausgestreckten Hand. „Lily Gracen, Chefprogrammiererin bei SDM – Sierra Donovan Media.“

Trotz ihrer momentanen Probleme zeigte sie mehr als nur ein bisschen Mut. Als Programmiererin musste sie obendrein auch noch klug sein. Das allein war schon eine unwiderstehliche Kombination. Und dann noch dieser Körper, in dem diese Talente steckten! In diesem Moment vermutete ich bereits, dass mir ein atemberaubender Trip bevorstand.

Nach einem kurzen Moment ergriff sie meine Hand.

In der Sekunde, in der ich das warme Kribbeln ihrer Haut fühlte, schoss mir eine Extraladung Testosteron durch die Adern. Ich sah, wie sie erstaunt die Augen aufriss und damit bestätigte, dass sie es auch spürte.

Ich akzeptierte mein Schicksal: Es spielte keine Rolle, ob wir die Verschwiegenheitsklausel unterschrieben hatten. Das Blut schoss mir höllisch heiß durch den Körper, und es kannte nur ein Ziel.

Ich würde verdammt viele Grenzen überschreiten. Ursache und Konsequenz waren identisch: Ich würde Sex mit Lily Angela Gracen haben.

2. KAPITEL

Caleb

Wow! Immer mit der Ruhe, Cowboy!

Etwas mit Lily Gracen anzufangen, obwohl sie meine Klientin war, das wäre schon im Ansatz eine unglaublich dumme Idee. Diese Lektion hatte ich in einem meiner ersten Fälle auf die harte Tour gelernt.

Und genau deswegen brach ich meine Regeln für niemanden.

Auf Distanz bleiben, so lautete für jeden Problemlöser der erste und wichtigste Grundsatz. Zu Anfang meiner Laufbahn hatte ich diese Regel nicht beachtet und mich mit Kirsten eingelassen. Als junge, aufstrebende Schauspielerin hatte sie mich mit ihrer kunstvoll kultivierten Verletzlichkeit in meiner Wachsamkeit überlistet, Emotionen in mir geweckt und mich so manipuliert, wie es ihren Zwecken am meisten diente. Durch diese Emotionen hatte ich mich lächerlich gemacht und meinen professionellen Ruf beinahe für immer ruiniert.

Nie wieder! Das hatte ich mir fest geschworen.

Lily Gracens erotische Ausstrahlung beeinträchtigte mich jetzt schon in meinem Urteil. Woher kam dieser unbändige Beschützerinstinkt, den ich seit dem Moment spürte, in dem ich sie das erste Mal gesehen hatte? Das musste sofort wieder aufhören! Meine Aufgabe bestand darin, ihren Stalker aufzuspüren. Irgendwelche Gefühle wären mir dabei nur im Weg.

Aber … sobald dieser Auftrag erledigt war, würde mich nichts mehr davon abhalten können, mich selbst zu belohnen und von dem zu naschen, was sie zu bieten hatte.

Ja, zugegeben, ich war nicht perfekt. Das hatte ich auch noch nie im Leben sein wollen. Die Kämpfe des Lebens kann man nicht überstehen, ohne sich ein paar Narben zuzuziehen. Manche davon äußerlich, manche tief im Inneren.

Mein Weg von den rauen Straßen im südlichen Zentrum von L.A. bis in mein tausendachthundert Quadratmeter großes Anwesen in Malibu war ein steiniger gewesen, auf dem ich jede Facette der menschlichen Natur kennengelernt hatte.

Das war der Grund, aus dem ich jetzt nach drei Grundregeln lebte:

Schütze die Unschuldigen und Verletzlichen um jeden Preis. Immer.

Kein Sex mit Klienten, egal, wie groß die Versuchung ist.

Kein verdammter Sex mit den verdammten Klienten, auch wenn die Versuchung noch so verdammt groß ist.

Die erste Regel würde ich niemals anzweifeln. Allerdings befürchtete ich, dass die Regeln zwei und drei nicht ganz so unerschütterlich für mich feststanden, als ich Lilys Hand hielt. Unwillkürlich ließ ich den Daumen über ihre samtweichen Knöchel gleiten.

Sie reagierte, indem sie kaum hörbar nach Luft rang.

Oh Gott, wie sehr ich mich danach sehnte, diesen Laut noch einmal zu hören, lauter, am liebsten als Auftakt zu einem Lustschrei, wenn ich mit meinem Schwanz tief in ihre süße, heiße Pussy eindrang.

Aber zuerst musste ich das Geschäftliche erledigen.

Sie kam mir zuvor, indem sie die Hand zurückzog. „Besprechen wir die Einzelheiten?“

Während sie sich von mir entfernte, nahm ich den Duft ihres Parfüms wahr. Es war ein natürlicher Duft – wie eine Heidelandschaft nach einem Regenschauer, in deren blühende Wiesen man sich am liebsten hineinfallen lassen will, sobald die Sonne wieder scheint. Diesem Duft wollte ich mit der Nase überallhin folgen. Und auch mit den Händen und meinem Mund.

Bleib ruhig, Junge! Mein Schwanz zuckte, als wolle er sofort zustimmen.

„Natürlich.“

Sie setzte sich ans eine Ende eines Sofas, schlug die Beine übereinander und deutete auf den Platz neben sich. „Setzen Sie sich, Mr. Steele.“

Dass eine so kleine und zierliche Person die Kontrolle übernahm, machte mich nur noch heißer. Ich überließ ihr das Sagen. Fürs Erste.

Während ich mich setzte, ließ ich den Blick über ihre wohlgeformten Waden hinauf zu ihren Schenkeln streifen. „Eines sollten Sie wissen: Ich lasse mich nicht herumkommandieren. Wenn Sie wollen, dass ich diese … Person fange, müssen Sie mich meinen Job machen lassen.“

Einen Augenblick lang blickte sie mich eingehend an, dann zuckte sie mit den Schultern. „Dazu kommen wir gleich noch.“

Wieder versuchte ich, beim Klang ihrer Stimme nicht wie ein notgeiler Teenie zu reagieren, aber ich war ihr hilflos ausgeliefert. Verdammt, von den fransig geschnittenen Locken bis zu den Spitzen ihrer Boots war diese Frau einzigartig!

„Heißen Sie tatsächlich mit Nachnamen Steele?“, fragte sie unvermittelt und verschränkte die schlanken Arme.

Fragend zog ich eine Braue hoch. „Ziehen Sie sich immer so an wie jetzt?“ Okay, so hatte ich die Unterhaltung nicht beginnen wollen, aber es war eine zweckdienliche Frage. Mir war es egal, wie Frauen sich anzogen, aber es gab dort draußen abartige Typen, die die Frauen nach ihrem Äußeren beurteilten und daraus ihre kranken Schlüsse zogen.

Unwillkürlich hob sie ihr kleines Kinn. „Was stimmt denn nicht an meinem Outfit?“

Ich lachte auf und merkte, wie kratzig es klang. „Für mich spielt es keine Rolle, aber für die falschen Leute bedeutet es sehr viel.“

Sie holte tief Luft. „Was meinen Sie damit?“

„Ich meine damit, dass die Besessenheit Ihres Stalkers sich hoffentlich auf Ihr Äußeres beschränkt. Diese Typen sind am leichtesten zu fassen, weil sie gar nicht anders können. Sie machen Fehler und suchen früher oder später den direkten Kontakt.“

Ein leises Zittern durchlief sie, doch ihr Blick blieb vollkommen ruhig. „Wieso nehmen Sie an, das Interesse meines Stalkers sei sexuell?“

„Weil ich Augen im Kopf habe. Sie sind ein echter Hammer. Aber wenn Sie die Situation anders einschätzen, stelle ich mein endgültiges Urteil über diesen Bastard zurück, bis ich alle Fakten kenne.“

Ihre Wangen röteten sich leicht. Sie presste die Lippen aufeinander, und daran erkannte ich, wie sehr sie sich darüber ärgerte, ihre Empfindungen verraten zu haben. Das gefiel mir ein bisschen zu sehr.

„Sind Sie immer so direkt?“, wollte sie wissen.

Ich verschränkte die Arme, bevor ich damit noch irgendwas Dummes anstellte. Zum Beispiel ihr langsam am Hals entlangstreichen, wo ihr Pulsschlag pochte. „Immer. Ist das für Sie ein Problem?“

Mit ihren schmalen Fingern umfasste sie ihre Oberarme. „Nur falls Sie nicht damit klarkommen, wenn ich genauso direkt bin.“

„Direktheit ist mir immer am liebsten. Und ja, ich heiße wirklich Steele.“

Der Name gehörte zu den wenigen Dingen, die meine Mutter mir in all ihrer düsteren Verzweiflung hinterlassen hatte. Sobald ich durch meinen Job ausreichend vernetzt war, hatte ich nachgeforscht, wer der Mann war, dessen Blut durch meine Adern floss. Wie sich zeigte, entstammte ich einer langen Ahnenreihe von nichtsnutzigen Steeles. Erschreckend viele davon waren Kriminelle. Mit den Verwandten, die noch nicht gestorben waren, wollte ich in diesem Leben nichts zu tun haben, und das galt auch für meinen Vater.

Ich konzentrierte mich wieder auf die Frau vor mir. Sie änderte ihre Sitzposition und schlug die Beine anders übereinander. Ich konnte den Blick einfach nicht abwenden. Der Saum des schwarzen Lederrocks war an ihrem Schenkel nach oben gerutscht, und sie machte keinerlei Anstalten, ihn wieder nach unten zu ziehen.

Dieser kleine Anflug von Exhibitionismus törnte mich noch mehr an. Meine Zunge fühlte sich dick und rau an, und ein paar Sekunden lang beobachtete ich, wie sie mit dem Fuß wippte, ehe mir klar wurde, dass sie auf eine Antwort von mir wartete.

Ich räusperte mich und zwang meine Gedanken wieder in die richtige Richtung. „Sie glauben, Ihr Stalker sei nicht an Ihnen als Person interessiert? Dann hat es also etwas mit Ihrem Job zu tun?“

„Davon gehe ich aus.“

„Okay, dann erzählen Sie mir von dem Projekt, an dem Sie gerade arbeiten.“

Sie zögerte.

„Ich muss wissen, wo ich mit meiner Suche anfange. Wen ich als Verdächtigen ausschließen kann“, drängte ich sie.

Sie spielte mit den winzigen silbernen Spikes an ihrem Lederarmband, während sie ihre Worte vorsichtig wählte. „Es ist ein Algorithmus, mit dem sich Daten stark komprimieren lassen. In kleinem Rahmen lassen sich dadurch fast fünfzehnmal so viele Daten auf einem normalen 32-GB-Chip in Ihrem Handy speichern.“

Okay, das übertraf schon alles, womit ich gerechnet hätte. Aber ich vermutete, dass es noch weiterging. „Und in größerem Rahmen?“

„Wenn die Produkteinführung nächsten Monat Erfolg hat, werden dadurch innerhalb eines Jahres alle Datenspeicherprobleme gelöst.“

Sie sagte es ganz ruhig, doch ich hörte ihr den Stolz an. Ich pfiff leise. „Und Sie haben dafür das Programm geschrieben? Ganz allein?“

Sie spielte nicht die Bescheidene, sondern nickte ruhig. „Ja, dieser Algorithmus stammt ganz allein von mir.“

„Beeindruckend.“

Sie sah von ihrem Armband hoch. An ihrem stolzen und herausfordernden Blick erkannte ich, dass sie ganz genau wusste, wozu sie fähig war. Und sie verfolgte ihre Ziele. Mir war sofort klar, wie viele männliche Egos darauf sehr angepisst reagieren mussten.

„Danke“, antwortete sie mit ihrer leisen, heiseren Stimme.

Unfassbar, wie heiß es mich machte, dass in diesem zierlichen Körper ein so scharfer Verstand und eine solche Kraft wohnten. Ich war vielleicht ein selbstsüchtiger Arsch, aber ich sehnte mich danach zu spüren, wie diese Kraft sich anfühlte, die diese zierliche Frau durchströmte. Ich wollte sie wenigstens einen Moment lang berauscht von ihrer eigenen Kraft erleben und vom Nachglühen davon süchtig werden.

Doch diesen Drang musste ich noch eine Weile unterdrücken, denn leider hatte sie mir mit ihrer Erklärung gezeigt, dass die Bedrohung aus unterschiedlichen Richtungen kommen konnte.

Ich stand auf. Zum Glück hatte mich das Thema so abgelenkt, dass die heiße Lust in meinem Körper ein bisschen abgeebbt war. Trotzdem musste ich mich abwenden, damit sie die Wölbung hinter meinem Reißverschluss nicht bemerkte, die immer noch nicht ganz abgeklungen war. Ich hatte das Zimmer schon halb durchquert, als ihre Stimme erneut erklang.

„Stimmt was nicht?“

Über die Schulter sah ich zu ihr. „Kommt drauf an, wie vertrauensselig Sie sind. Und was die Leute, denen Sie vertrauen, an andere weitererzählen. Ich schlage vor, dass wir die Dinge bald ins Rollen bringen.“ Ich zog mein Handy hervor und wollte gerade die Kurzwahl drücken, als ein Anruf einging.

Maggies perfektes Timing war wirklich beeindruckend. Es sei denn, sie rief jetzt wegen irgendetwas an, das nichts mit Lily Gracen zu tun hatte.

„Ja?“ Meine Stimme klang barscher als beabsichtigt, aber egal. Dieser Abend entwickelte sich in mancher Hinsicht interessanter als gedacht und in anderer Hinsicht extrem frustrierend.

„Wollte nur mal hören. Nur auf die minimale Chance hin, dass ich falschgelegen habe: Soll ich meine Sachen packen und meine Kündigung einreichen? Oder kann ich erst noch schlafen und das morgen erledigen?“

Ihr typischer sarkastischer Unterton lag immer auf der haarscharfen Grenze zwischen Belustigung und Aufsässigkeit.

Obwohl mich das wie immer ärgerte, überlegte ich mir, ob sie sich mit diesem Job hier nicht eine Gehaltserhöhung verdient hatte. „Wir haben eine neue Klientin.“

„Ja! Toll gemacht, Maggie. Ich weiß gar nicht, was ich ohne dich tun würde, Maggie. Ich frage mich sogar, ob ich dir nicht die Gehaltserhöhung geben sollte, auf die du jetzt schon seit einem halben Jahr immer wieder anspielst, Maggie.“

„Wenn du weiter von dir in der dritten Person redest, wird dein Boss dich für eine Verrückte halten und fristlos rausschmeißen.“

„Das will ich nicht. Ganz und gar nicht. Was soll ich für dich tun?“ Jetzt klang sie wieder so professionell und sachlich, wie ich es an ihr schätzte.

Langsam ging ich zum Fenster am anderen Ende des Raums, während ich Maggie ein Update gab. „Mein erster Gedanke war, sie völlig vom Radar zu nehmen, während ich diesen Verrückten jage, aber dann habe ich es mir anders überlegt.“

„Oookay.“

„Du musst für mich ein paar Safe Houses vorbereiten. Sorg dafür, dass ein Jet startklar ist. Vielleicht müssen wir schnell verschwinden.“

„Verstanden, Boss. Sofort, Boss.“

„Hör mit dem Blödsinn auf, Maggie.“

„Geht klar. Safe Houses. Privatjet. Roger.“

„Gutes Mädchen. Und wenn du unbedingt drauf bestehst, kannst du danach etwas schlafen. Aber morgen früh brauche ich dich wieder frisch und munter. Verstanden?“

„Natürlich. Du bekommst eine SMS, sobald alles bereit ist.“

Ich legte auf und war zufrieden, Lilys Problem so offen und direkt anzugehen.

Ich wandte mich um. Sie hatte aufgehört, an ihrem Lederarmband zu spielen. Die Finger hielt sie ums Knie verschränkt, und sie sah mich mit leichtem Tadel an.

„Wollen Sie was sagen?“

„Behandeln Sie alle Ihre Angestellten auf diese Weise?“

Ich steckte mein Handy weg. „Auf welche Weise?“

„Als könnten Sie über die Leute wie Eigentum verfügen.“

Ich kehrte zu ihr zurück. „Ich habe kein Problem damit, ab und zu mit der Peitsche zu knallen, falls Sie das meinen. Es läuft einfach am besten, wenn allen klar ist, wer das Sagen hat.“ Ich verschwieg lieber, wie oft Maggie die Augen verdrehte, wenn ich den Boss rauskehrte. Also so gut wie ständig.

„Darauf stehen Sie? Andere Menschen herumzukommandieren?“

Ich steckte die Hände in die Taschen, als ich dicht vor ihr stand. Der Größenunterschied war jetzt noch deutlicher. Ihr nach oben gewandtes Gesicht kam mir noch verletzlicher vor. Verdammt, sie war so zart! Wie eine köstliche Praline mit einer Füllung aus Intelligenz, Entschlossenheit und Schönheit. Ich wollte sie! Der Drang war fast übermächtig.

Trotzdem hätte ich mir wahrscheinlich verkneifen sollen, was mir auf der Zunge lag. Aber ich hatte noch nie gezögert, meine Meinung auszusprechen. Ich hatte auf die harte Tour gelernt, wie hoch der Preis dafür war, wenn man an der falschen Stelle schwieg. „Würde es Ihnen Spaß machen, wenn ich Sie herumkommandiere, Sweetheart?“

Ihre großen Augen waren wie tiefe grüne Seen. Sie atmete tief ein, und ihre Nasenflügel weiteten sich. „Wie bitte?“

„Das kann ich machen, Lily Gracen, aber nur, wenn Sie mich sehr lieb darum bitten.“

Autor

Zara Cox
<p>Zara Cox schreibt zeitgenössische und erotische Romane. Sie lebt im Garten Englands -- also Kent --, zusammen mit ihrem Mann und zwei Kindern. Sie liebt es zu lesen und zu reisen. Im Jahr 2017 schaffte sie es, ihr Nummer-Eins-Ziel auf ihrer Liste zu bereisen: Hawaii. Jetzt bettelt sie ihren Ehemann...
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