Heimlich begehrt von einem Duke

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Seine beste Freundin Caroline will heiraten? James, Duke of Heydon, ist fassungslos. Jahrelang hat sie jeden Verehrer abgewiesen, und nun soll er ihr auf einmal helfen, einen Gatten zu finden! Widerwillig erklärt er sich bereit, sie in der Kunst zu unterrichten, wie man die Blicke galanter Herren auf sich lenkt, wie man flirtet und wie man sich einen Mann angelt. Je mehr er ihr beibringt, desto weniger kann er sich mit dem Gedanken abfinden, dass Caroline bald einem anderen gehört. Wie hat er nur jahrelang übersehen können, wie zauberhaft seine beste Freundin ist – und was kann er jetzt noch tun?


  • Erscheinungstag 29.08.2023
  • Bandnummer 632
  • ISBN / Artikelnummer 0811230632
  • Seitenanzahl 256

Leseprobe

1. KAPITEL

Caroline huschte hinter eine Gruppe von Frauen mittleren Alters und duckte sich ein wenig, um von den beiden jungen Debütantinnen, die danebenstanden, nicht gesehen zu werden. Sie spitzte die Ohren, um zu verstehen, worüber sie sprachen.

„Es ist ja nicht so, dass sie hässlich wäre“, sagte Rebecca Preston in wichtigtuerischem Ton. Caroline wusste genau, dass die junge Frau jetzt ihren hübschen Kopf schräg hielt, als wüsste sie genau über alles Bescheid und suchte nur nach den passenden Worten, um es auszudrücken.

„Nein“, stimmte Sophie Saltwell zu, „nicht direkt hässlich.“

Caroline verzog das Gesicht. Immerhin war sie nicht durch und durch hässlich.

„Nur ein wenig dürr. Und alt.“

„Viel zu alt.“

Das konnte Caroline nicht bestreiten. Mit ihren vierundzwanzig Jahren hatte sie in den Augen möglicher Verehrer ihre beste Zeit längst hinter sich gelassen.

„Ich an ihrer Stelle würde ich mich jetzt in Würde zurückziehen“, meinte Miss Preston, und Caroline hätte beinahe gelacht. Miss Preston wurde allgemein als der Diamant der Saison angesehen, und da sie dichtes goldglänzendes Haar und leuchtend blaue Augen hatte, störte es anscheinend keinen der heiratswürdigen Gentlemen, wie herzlos und oberflächlich sie war. Bis Weihnachten würde sie gewiss mit Heiratsanträgen überhäuft werden und bis zum Frühjahr mit einem reichen Titelträger verheiratet sein. Die Vorstellung, dass Miss Preston sich würdevoll von der Suche nach einem Ehmann zurückziehen würde, war absurd.

„Steht sie nicht irgendwie mit dem Duke of Heydon in Verbindung?“ Trotz des Lärms im Ballsaal hörte Caroline ein sehnsüchtiges Seufzen bei der Erwähnung von James’ Namen.

„Es ist keine romantische Beziehung.“

An diesem Punkt wäre Caroline normalerweise hervorgetreten und hätte die tratschenden Debütantinnen mit einem eisigen Blick und einem bissigen Kommentar bedacht, um sie zu beschämen. Doch die Worte der Mädchen waren der unbequemen Wahrheit ein wenig zu nahe gekommen, darum wollte sie sich jetzt lieber unbemerkt entfernen.

Sie drehte sich leise um, denn sie wollte gar nicht hören, was die beiden über ihr Verhältnis zu James zu sagen hatten. Es war nur eine enge platonische Beziehung. Eine wundervolle Freundschaft, aber ganz sicher nicht mehr.

Mit gesenktem Kopf eilte sie aus dem Ballsaal und vermied jeden Blickkontakt mit den Menschen, die sie in den vergangenen Jahren so gut kennengelernt hatte. Immer dieselben Leute trafen sich auf jedem Ball, jedem Opernabend und jeder Dinnerparty. Es wirkte eher bedrückend als beruhigend auf sie, und sie hatte den starken Wunsch, zur Vordertür hinauszugehen, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.

Sie unterdrückte diese Anwandlung, schlich stattdessen durch eine der Türen, die aus der großen Eingangshalle nach draußen führten, und trat in das Halbdunkel hinaus.

Es war der alljährliche Ball bei Lord und Lady Strand, der stets eine Woche vor dem eigentlichen Beginn der Saison in London stattfand. Seit sieben Jahren nahm Caroline als Gast daran teil und kannte das Haus inzwischen genau. Sie war in die Bibliothek geflohen, durch die man zu einer kleinen Terrasse auf der Rückseite des Hauses gelangte. Vom übrigen Garten aus hatte man keinen Zutritt zu der Terrasse, also würde sie ein paar Minuten für sich allein haben, wenn niemand anders den Weg durch die Bibliothek nahm.

Caroline fröstelte, als sie in die kalte Nachtluft hinaustrat. Sie hätte sich ein Tuch um die Schultern legen sollen. Es war zwar erst Oktober – und ein milder Abend obendrein –, aber sie fand es ziemlich kalt. Der Sommer würde sich nun bald endgültig seinem Ende entgegenneigen.

Auf der Terrasse standen keine Stühle. Sie war nur von einer niedrigen Steinbalustrade umgeben, auf die sich Caroline hochzog. Sie legte sich darauf und schaute empor in die Sterne. Der Himmel war klar, und selbst hier in London konnte sie die Sternbilder erkennen.

„Du bist töricht“, sagte sie leise zu sich selbst, als sie Miss Prestons Worte innerlich noch einmal wiederholte. Sie waren sehr unfreundlich gewesen, aber nicht ohne einen Funken Wahrheit. Caroline war tatsächlich zu alt, um nach einem Ehemann Ausschau zu halten. Die meisten ihrer Freundinnen waren längst verheiratet und erwarteten bereits ihr zweites oder drittes Kind. Einige waren sogar schon verwitwet und hofften darauf, in dieser Saison ihren Gatten Nummer zwei zu finden.

„Du bist nicht töricht“, hörte sie eine tiefe Stimme hinter sich sagen. Caroline schreckte hoch. Sie vergaß für einen Augenblick, dass sie auf der Balustrade lag, und wäre beinahe in den Garten gefallen.

Starke Hände griffen nach ihr, zogen sie zurück und ließen erst los, als sie fest auf den Beinen stand. Ihr Herz begann laut zu pochen, und sie empfand das übliche Gefühlschaos von Verlangen, Hoffnungslosigkeit und Geborgenheit – alles zur gleichen Zeit.

„James.“ Sie blickte ihn für einen Moment an, sah ihn die Arme ausbreiten und bewegte sich dann erst auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Als er ihr die Arme um den Körper legte, musste sie einen Seufzer zurückhalten. Er drückte sie kurz und ließ sie dann los. „Ich wusste nicht, dass du schon wieder hier bist.“ Rasch trat sie zurück. Nicht aus Besorgnis, dass jemand sie so zusammen sehen könnte, sondern eher aus Angst vor ihrer eigenen Reaktion, wenn sie ihm so nahe kam.

„Ich wollte dich überraschen.“

„Das ist dir gelungen. Ich wäre um ein Haar ins Blumenbeet gefallen.“

„Dann hätten die Klatschtanten wieder etwas gehabt, worüber sie reden könnten.“

Caroline verzog das Gesicht ein wenig – sie brauchte nicht noch mehr Aufmerksamkeit.

„Ich bin so froh, dass du zurück bist“, sagte sie und spürte, wie sich Wärme in ihrem Inneren ausbreitete. So wie immer, wenn James ihr nahe war.

Er ging zur Balustrade, schwang ein Bein darüber und setzte sich auf die Kante. Die Füße ließ er baumeln. „Komm und setz dich zu mir, wir haben noch ein paar Minuten, bevor man dich vermisst.“

„Ich glaube, dich vermisst man eher als mich“, sagte Caroline grimmig. Sie war nur eine Miss. Eine alte Jungfer. Eine unwichtige Person für die meisten Leute hier im Ballsaal. James hingegen war ein Duke, ein unverheirateter Duke, und wurde als solcher auf Schritt und Tritt von einer Horde hoffnungsvoller junger Frauen und ihren Müttern belagert. Sie verfolgten ihn, wo immer er war.

„Ich habe mich heimlich hinausgeschlichen“, sagte James lächelnd. „Ich war gerade angekommen, als ich dich nach draußen huschen sah. Eigentlich kann mich kaum jemand gesehen haben.“

„Einer ist schon genug …“

Er lachte. Es drang bis tief in ihr Innerstes vor und durchbohrte ihr das Herz. Sie wappnete sich dagegen, indem sie sich daran erinnerte, dass es immer so gewesen war, wenn James zurückkehrte. Sie brauchte nur etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen, dass er wieder in ihrer Nähe war. Nach einigen Wochen würde sie sich nicht mehr jedes Mal so fühlen, als würde es ihr das Herz zerreißen, wenn sie ihn lächeln sah. Sie wusste, dass er sie nie mit mehr als freundschaftlichem Respekt anschauen würde.

„Wo bist du die ganze Zeit gewesen?“, fragte sie.

Er hatte ihr zwar geschrieben, aber er war kein großer Briefeschreiber. Vor acht Monaten hatte sie einen Brief erhalten, in dem er über seine Zeit in Rom berichtete, und zwei Monate später erzählte er von seiner Reise nach Neapel. Dann kam nichts mehr. Ganze sechs Monate ohne ein Wort von ihm.

„Italien, Rom, Neapel, Sizilien. Es war wundervoll, Cara. Die Menschen, die Kultur, das Essen. Es ist göttlich. Du solltest auch mal dorthin fahren, du würdest es lieben.“

„Ich glaube, meine Familie würde mir eine Reise nach Italien nur erlauben, wenn ich verkünden würde, ich wolle einem Konvent beitreten.“

„Eine legitime Lebensentscheidung.“

„Schwarz steht mir aber nicht.“

„Vielleicht würde die Äbtissin eine Ausnahme machen und dir erlauben, Blau zu tragen.“

„Abgesehen von der Kleidung, habe ich wohl auch nicht die richtige Einstellung, um Nonne zu werden, fürchte ich.“

Mit einem gespielt ernsthaften Gesichtsausdruck betrachtete er sie. „Nein“, meinte er langsam. „Zu mutwillig. Es würde nicht gut gehen.“

Sie seufzte. Vielleicht fand sie ja einen Gatten, der gern reiste. Einen Mann, der ihr die Kanäle von Venedig und das Kolosseum in Rom zeigen würde.

„Gefällt es dir nicht auf dem Ball?“ Er beugte sich ein wenig zu ihr vor, sodass sie einen Hauch seines Duftwassers auffing – eine Mischung aus Lavendel und Zitrone. Sie hatte es ihm selbst vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt.

„Nein.“

„Es ist doch der erste Ball der Saison. Sicher eine angenehme Abwechslung nach dem langen Sommer in Hampshire.“

„Hast du eine Vorstellung davon, wie es ist, Jahr für Jahr immer und immer wieder das Gleiche zu tun?“, fragte Caroline leise. „Ich besuche die gleichen Bälle, treffe dieselben Leute, tanze mit denselben Gentlemen. Ohne Abwechslung gibt es keine Freiheit.“ Sie schaute ihn an und sah, dass er seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln hochgezogen hatte.

„Du hättest als Mann geboren werden sollen.“

Sie schloss die Augen und stellte sich vor, sie hätte die schier endlosen Möglichkeiten der Männer ihrer Gesellschaftsschicht.

„Ich bin zu alt“, sagte sie leise. Es war etwas, das sie noch nie jemand anderem gestanden hatte, nicht einmal ihrer Mutter, die von Saison zu Saison immer verzweifelter geworden war, wenn ihre Tochter am Ende keinen einzigen Antrag bekommen hatte. Anfangs hatte Caroline jeden potenziellen Verehrer absichtlich vergrault. Sie wollte nicht an einen alten Ziegenbock von Mann gebunden sein und jede noch so geringe Macht über ihr eigenes Leben aufgeben. Später hatte sie sich den Ruf erworben, ein wenig zu unverblümt ihre Meinung zu äußern.

Aber heute … Nun, inzwischen fragte sie sich, ob sie nicht zu voreilig gewesen war in ihrer Entscheidung, nicht die Art von Leben führen zu wollen, das zumindest einigen ihrer Freundinnen nicht schlecht zu bekommen schien – an die anderen wollte sie jetzt nicht denken.

„Zu alt? Du bist vierundzwanzig, Cara, nicht sechzig. Zu alt für was?“

„Für dies.“ Sie schaute ihn im Mondlicht an. Ihr Ausdruck war sehr ernst. „Die meisten der Mädchen dort drinnen sind siebzehn oder achtzehn. Sie sind jung, attraktiv und leicht zu beeinflussen. Wer würde sich für mich entscheiden, wenn er jemanden wie Miss Preston oder Miss Saltwell haben kann?“

„Jeder, der auch nur halbwegs bei Verstand ist.“

Caroline schauderte, als der Wind ihren Rock aufbauschte und den Stoff kalt an ihre Beine wehte. James zog seine Abendjacke aus und legte sie ihr um die Schultern. Mit den Händen streifte er ihre nackte Haut. Hitze breitete sich in ihrem Körper aus.

„Woher kommt das alles so plötzlich?“ James wandte sich zu ihr und schaute sie an. „Ich dachte, du wolltest nicht heiraten.“

Sie verzog das Gesicht. Dies hatte sie viele Jahre lang behauptet. Sehr lange war sie überzeugt gewesen, niemanden zu haben, wäre besser, als sich mit dem Zweitbesten zu begnügen. Der Mann, den sie liebte, würde nie auf die gleiche Weise an sie denken wie sie an ihn, daher hatte sie beschlossen, eine alte Jungfer zu bleiben.

„Das wollte ich ja auch nicht. Und ich will es immer noch nicht …“ Sie hielt inne, denn sie wusste, dass sie ihre Gefühle im Zaum halten musste. Sie musste ihre Geheimnisse bewahren. Doch wie immer brauchte James ihr nur in die Augen zu schauen, und schon sprudelte alles aus ihr heraus. „Ich bin vierundzwanzig. Die meisten Frauen meiner Familie werden weit über sechzig Jahre alt. Das sind vierzig einsame Jahre. Jeden Abend kehrt man allein in ein leeres Haus zurück. Ich sehe das Glück meiner Freundinnen mit ihren Kindern und eines Tages ihren Enkelkindern. Ich will keinen Ehemann, aber ich möchte verheiratet sein.“

James saß nur schweigend da und blickte sie an. Er blinzelte. Es sah aus, als glaubte er, ein Räuber hätte ihm die Frau gestohlen, die er kannte, und durch eine andere ersetzt.

„Jeder Mann könnte sich glücklich schätzen, dich zu haben“, sagte er schließlich. „Mehr als glücklich.“

Caroline spottete. „Würdest du bitte die heiratswürdigen Männer an diese Tatsache erinnern? Ich wäre dir sehr verbunden.“

James öffnete den Mund, als wollte er noch etwas sagen, aber dann erstarrten sie beide. Die Tür zur Bibliothek ging auf, und ein Schwall von Musik aus dem Ballsaal ergoss sich über sie und wurde allmählich leiser. Caroline versuchte erfolglos zu erkennen, wer so leise durch die Bibliothek ging.

Man durfte sie nicht zusammen erwischen, nicht auf diese Weise. Die Mitglieder des ton wussten von der einzigartigen Beziehung zwischen Caroline und James. Eine unwahrscheinliche Freundschaft, wie einige der höflicheren Klatschbasen ihre Beziehung nannten. Dennoch war sie eine unverheiratete Frau und er ein unverheirateter Gentleman. Sie mussten auf der Hut sein. Wenn man sie ohne Anstandsdame allein auf einer einsamen Terrasse fand, würde es einen riesigen Skandal verursachen.

Für einen Moment schloss Caroline die Augen und stellte sich den Schmerz und die Demütigung vor, wenn James gezwungen wäre, sie zu heiraten. Selbstverständlich würde er es tun, denn er war ja ein Gentleman. Außerdem mochte er sie, wenn auch nicht so, wie sie es gern gehabt hätte. Dennoch wäre es schmerzvoll zu wissen, dass er zu der einen Sache gezwungen wäre, die sie sich jeden Tag wünschte.

Arrivederci“, flüsterte James und sprang von der Brüstung hinunter in das Blumenbeet. Caroline streifte seine Jacke ab und warf sie ihm zu. Dann verschwand er zwischen den Sträuchern und war fort, wie verschluckt von der Dunkelheit.

„Miss Yaxley.“ Es war Rebecca Preston. Ihr Gesicht zeigte misstrauische Verwirrung, als sie auf die Terrasse hinaustrat.

„Miss Preston.“

„Sind Sie allein hier?“

„Natürlich“, sagte Caroline mit freundlicher Stimme. „Der Ballsaal war für meinen Geschmack viel zu heiß. Ich dachte, ein wenig frische Luft würde mir guttun.“ Sie schwang die Beine zurück über die Balustrade und stellte sich dann vor Miss Preston.

„Ich dachte …“, begann Miss Preston. Sie ging zu der Brüstung und spähte mit zusammengekniffenen Augen hinab. „Haben Sie den Duke of Heydon gesehen?“

„Nein, schon seit mehreren Monaten nicht mehr. Ich glaube, er ist immer noch in Italien. Warum fragen Sie?“

„Schon gut.“ Miss Preston wedelte wegwerfend mit einer Hand und wandte sich dann mit lauernder Miene an Caroline. „Sie sind doch gut mit ihm befreundet, nicht wahr?“

„So ist es.“

„Vielleicht könnten Sie mich dem Duke vorstellen. Ich würde sehr gern seine Bekanntschaft machen.“

Caroline schaute sie an und blinzelte verwundert über diese Bitte. Ihr wurde beinahe übel bei dem Gedanken, dass die hübsche Miss Preston vor James mit den Wimpern klimpern würde. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass eine seiner Stärken die Fähigkeit war, eine attraktive Fassade zu durchschauen und dahinter die wahre Person zu sehen.

„Ich wäre entzückt, Sie ihm vorzustellen“, sagte sie. An dieser Stelle hätte sie aufhören sollen, das wusste sie, doch sie konnte sich nicht zurückhalten. „Er ist allerdings ein ganz besonderer Mann und kann ein wenig schroff werden, wenn man von den Gesprächsthemen abweicht, die ihn interessieren.“

„Oh?“ Miss Preston beugte sich vor, als wäre sie darauf bedacht, Caroline diese Information zu entreißen.

„Er liebt es, über das Wetter zu sprechen, darin ist er Experte. Und er interessiert sich sehr für Mode und Kleider, sowohl Frauen- als auch Männerkleidung.“

„Wirklich? Wie ungewöhnlich.“

„Er ist ein ungewöhnlicher Mann.“

„Danke, Miss Yaxley, ich freue mich schon darauf, ihm vorgestellt zu werden.“ Miss Preston machte eine Pause und zog ein rosiges Schmollmündchen. Caroline war sicher, dass die junge Frau es vor dem Spiegel lange geübt hatte. „Und sollten Sie auch einmal eine Einführung von mir brauchen, wäre es mir ein Vergnügen. Es ist zwar erst meine erste Saison, aber ich werde bereits mit Einladungen überhäuft.“

„Sie sind sehr freundlich, Miss Preston.“

Die junge Frau neigte den Kopf und drehte sich dann, um in den Ballsaal zurückzukehren. Caroline beschloss, es ihr gleichzutun. Inzwischen hatte ihre Mutter höchstwahrscheinlich ihre Abwesenheit bemerkt und war gewiss schon außer sich. Doch bevor sie ging, schaute sie für einen kurzen Augenblick sehnsüchtig in den dunklen Garten hinunter. Sie konnte nicht hoffen, dass James gewartet hatte und sich immer noch in den Büschen versteckte. Er war ein Duke und nicht gewohnt, in der Dunkelheit herumzuschleichen. Zweifellos schritt er bereits durch den Ballsaal und zog einen Schwarm junger Debütantinnen hinter sich her.

„Genug“, sagte sie streng. Diese Träumereien mussten aufhören. Sie hatte sich dazu entschieden, in dieser Saison einen Ehemann zu finden, und wenn sie unentwegt über James nachdachte, würde sie dieses Ziel nicht erreichen. Von diesem Moment an würde sie nur noch an ihn denken, wenn er sich in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielt.

Sie wandte sich um und ging zurück durch die Bibliothek. Sie öffnete die Tür zum Tanzsaal und wurde von schwungvoller Walzermusik empfangen, als sie sich unter die Menschenmenge mischte.

2. KAPITEL

Haben Sie schon meine Tochter kennengelernt?“, sagte Mrs. Wilson und griff nach einem wie versteinert aussehenden Mädchen, das aussah, als wäre es besser im Schulzimmer aufgehoben. James neigte den Kopf und murmelte die passenden Worte, während er sich unauffällig nach einem Fluchtweg umsah. Es kam ihm so vor, als würden die Debütantinnen immer jünger. Dann schnitt er eine Grimasse, als ihm bewusst wurde, dass es höchstwahrscheinlich daran lag, dass er im Verhältnis zu ihnen immer älter wurde.

Geschickt entzog er sich den beiden Frauen. Schon fast sein ganzes Leben lang wurde er von hoffnungsvollen Müttern mit schüchternen Töchtern im Schlepptau bedrängt und wusste, wie man sich loseiste, ohne sie zu beleidigen. Er war es gewohnt, der begehrteste Junggeselle im Raum zu sein. Im Laufe der Jahre hatte er seine Methoden ausgefeilt und konnte inzwischen ein gesellschaftliches Ereignis genießen, ohne ständig nur den Frauen aus dem Weg zu gehen, die ihn heiraten wollten, ohne ihn überhaupt zu kennen.

Als er die schlanke Person auf der anderen Seite des Ballsaales sah, hielt er geradewegs auf sie zu und wich dabei geschickt jedem aus, der sich ihm störend in den Weg stellte.

„Miss Yaxley“, sagte er, als er bei ihr ankam. Sie stand mit ihrer Mutter und einer anderen Frau mittleren Alters zusammen und ließ den Blick in ihrer üblichen Art durch den Saal schweifen, als suchte sie nach einem Fluchtweg.

Sie drehte sich zu ihm um mit einem Lächeln reinen Glücks im Gesicht. Dann fiel ihr offenbar wieder ein, wo sie war. Sofort setzte sie ein sanftes sittsames Lächeln auf.

So war es immer, wenn er von einer Reise heimkam. Caroline war seine beste Freundin, obwohl sie, äußerlich betrachtet, nur wenig gemeinsam hatten. Sie hatten ihre ungewöhnliche Freundschaft geschlossen, als er vor einigen Jahren eine Zeitlang mit ihrer Freundin Lady Georgina verlobt gewesen war. Doch Lady Georgina hatte ihn an ihrem Hochzeitstag verlassen, um mit einem ehemaligen Sträfling nach Australien durchzubrennen, und seitdem waren er und Caroline einander freundschaftlich verbunden. Er erfreute sich immer wieder an ihrem trockenen Humor.

Im Beisein anderer mussten sie sich natürlich stets distanziert verhalten. Er verbeugte sich höflich vor ihr, und sie machte einen Knicks. Er pflegte sie zu einem Tanz aufzufordern, manchmal auch zu einem weiteren, aber nie mehr. Gewöhnlich verbrachten sie vor den Augen aller anderen Gäste einige Minuten mit höflicher Konversation, aber mehr auch nicht. Alles, was darüber hinausging, hätte Gerede provoziert, womöglich sogar einen Skandal. Sie hatten immer sorgfältig darauf geachtet, eine solche Situation zu vermeiden, seit sie befreundet waren.

Es war ja auch nichts Unziemliches an ihrer Beziehung. Sie trafen sich zwar auch privat und umarmten einander flüchtig das eine oder andere Mal, aber mehr war es nicht. Sie waren gesegnet mit einer äußerst seltenen Beziehung – einer rein platonischen Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau. Ohne mehr zu erwarten oder zu wünschen. Es war eines der Dinge in seinem Leben, für die James aufrichtig dankbar war.

„Lady Yaxley, Lady Whitaker.“ Er neigte den Kopf vor jeder der beiden älteren Damen.

Lady Yaxley lächelte ihn an. Sie strahlte freundliche Wärme aus. Seit Jahren war er ein gern gesehener Gast auf Rosling Manor in Hampshire, und James hegte den Verdacht, dass Lady Yaxley ihn als den Sohn ansah, den sie nie hatte.

„Dürfte ich um das Vergnügen eines Tanzes mit Ihrer Tochter bitten?“

„Selbstverständlich, Euer Gnaden, es ist wundervoll, Sie wieder im Lande zu wissen.“

„Sie müssen auch meine Tochter kennenlernen, Euer Gnaden“, sagte Lady Whitaker noch, als er Caroline den Arm reichte. Er lächelte unverbindlich und entfernte sich eilig mit Caroline, bevor er darauf eingehen musste.

„Raffiniert, Euer Gnaden“, sagte Caroline und lachte über seinen hochnäsigen Gesichtsausdruck.

„Du magst dieses Spiel schon seit sieben Jahren mitmachen, Cara, aber ich besuche solche Bälle bereits seit fast zwanzig Jahren.“ Ein ernüchternder Gedanke.

„Seit zwanzig Jahren“, wiederholte Caroline gedankenvoll. „Man sollte annehmen, dass du einen einfachen Walzer inzwischen perfekt beherrschst …“

„Freche kleine Hexe. Hiermit teile ich dir mit, dass ich der begehrteste Tanzpartner auf der ganzen Nordhalbkugel bin.“

„Ich habe ja immer schon gesagt, dass die europäischen Frauen ziemlich verrückt sind.“

Er legte ihr einen Arm um die Taille, achtete aber darauf, ihrem schlanken Körper nicht zu nahe zu kommen. Sie sah heute Abend sehr elegant aus in einem hellblauen, mit silbernen Blumen bestickten Seidenkleid und einer dunkelblauen Schärpe um die Taille. Wie üblich, trug sie das blonde Haar zurückfrisiert. Es betonte ihren elegant geschwungenen Hals. Sie war groß und schlank, doch nicht so ungelenk wie viele andere große Frauen. Die Größe passte zu ihr, und sie glitt so graziös durch den Ballsaal, als schwebte sie mehrere Zentimeter über dem Boden.

„Niemand hat dich hoffentlich im Garten gesehen?“ Caroline schaute ihn besorgt an.

„Ich bin ganz leise geschlichen, verstohlen wie eine Maus.“

„Mäuse sind gar nicht so leise. Als ich sieben oder acht Jahre alt war, hatten wir eine ziemliche Mäuseplage in Rosling Manor. Die Tiere waren erstaunlich dreist und recht laut für ihre kleine Größe. Einmal sah ich sogar eine, die sehr geschickt von einer Vorhangstange zur nächsten sprang.“

„Akrobatische Mäuse?“, fragte er ungläubig. „Das kann ich gar nicht glauben. Wenn sie wirklich so geschickt gewesen wären, hätte jemand sie eingesammelt und in einem winzigen Mäusezirkus auftreten lassen.“

Sie verdrehte die Augen, aber er führte sie in eine Drehung und schmunzelte in sich hinein. In den vergangenen Jahren hatte England viel von seinem Reiz für ihn verloren, und er verbrachte immer mehr Zeit im Ausland. Das Einzige, das er dort vermisste, war Caroline. Er hatte keine engen Verwandten, und beinahe jeder andere Mensch wurde geblendet von seinem Titel und Reichtum. Man behandelte ihn immer sehr höflich, manchmal sogar aufdringlich höflich, aber es bedeutete, dass es schwierig für ihn war, echte Beziehungen zu knüpfen.

Caroline behandelte ihn wie einen ungezogenen Freund oder einen Bruder. Oft war sie wohltuend sarkastisch und hatte offenkundig nicht den Wunsch, jede seiner Meinungen zu teilen, nur weil er ein Duke war.

„Wen oder was siehst du denn als verstohlen oder ganz leise an?“

Sie biss sich auf die Unterlippe, wie immer, wenn sie nachdachte. „Eine Löwin.“

„Eine Löwin? Nicht den männlichen Löwen?“

„Die Löwinnen begeben sich allein auf die Jagd, um die Nahrung nach Hause zu bringen“, sagte sie in so einem überzeugten Ton, dass er wusste, sie hatte ausführlich darüber in der großen Bibliothek von Rosling Manor nachgelesen.

„Tun sie das?“

„Ich dachte immer, dass du mit deiner jahrelangen Bildung und Erziehung wenigstens etwas über das Tierreich wüsstest.“

„Dieses Thema wurde in Eton betrüblicherweise vernachlässigt.“

Er wirbelte sie wieder herum und drückte sie nur ein kleines bisschen dichter an sich, als sie die Richtung wechselten. Sie mussten mindestens hundertmal zusammen getanzt haben, darum konnte er jeden ihrer Schritte vorausahnen.

Plötzlich wurde Carolines Körper steif in seinen Armen, und sie verpatzte einen Schritt. Das war ungewöhnlich, denn sie war eine ausgezeichnete Tänzerin. Er geriet auch ein wenig aus dem Takt, weil er sehen wollte, was ihren falschen Schritt verursacht hatte.

„Was ist denn los?“

„Nichts“, sagte Caroline, aber ihre Stimme war viel zu fröhlich. Irgendwie klang es unecht, und er drehte sich noch einmal, um herauszufinden, was sie gesehen hatte. „Hör auf damit“, flüsterte sie sichtlich wütend.

„Wenn du mir sagst, was du gesehen hast, kann ich diskret sein und wegschauen.“

„Gar nichts. Ich habe nichts gesehen.“

Er machte wieder Anstalten, sich umzudrehen, aber er sah, dass sie offenbar wütend die Zähne zusammenbiss. Eine klitzekleine Bewegung ihres Unterkiefers verriet ihre innere Anspannung.

„Na schön. Hör einfach auf damit und tanze wieder normal.“

James tat ihr den Gefallen und wirbelte weiter mit ihr über die Tanzfläche, während er darauf wartete, dass sie sprach.

„Es war Lord Mottringham“, sagte sie schließlich, aber sie schaute James nicht an.

„Lord Mottringham?“ Seines Wissens war der Mann über sechzig und fast völlig kahlköpfig. Nicht gerade ein Mann, für den eine junge Frau ins Schwärmen geriet.

„Ja.“

„Cara, du musst mir mehr erzählen. Hast du dich in Lord Mottringham verliebt?“

Sie schnitt eine Grimasse und rümpfte die Nase.

„Was denn sonst?“

„Es ist nicht wichtig“, sagte sie.

„Doch, das ist es.“

„Vater sagte, Lord Mottringham habe kürzlich sein Interesse bezeugt, mich zu heiraten“, sagte Caroline, ohne ihn anzusehen.

„Dann solltest du darüber lachen und deinen Vater daran erinnern, dass du vierundzwanzig bist, nicht sechzig. Vergiss Lord Mottringham und seine spiegelnde Glatze.“

Als er sie nun anschaute, sah er, dass ihre Wangen auffällig rot waren. Caroline errötete sonst nie. Nicht einmal, als sie im vorletzten Winter beim Schlittschuhlaufen auf dem Serpentine im Eis eingebrochen war und von drei jungen Männern herausgeholt werden musste, die dabei ihre Unterwäsche aus der Nähe sehen konnten. Oder als ein älterer Bekannter geglaubt hatte, er und Caroline wären verheiratet, weil sie draußen gemeinsam spazieren gegangen waren, und ihnen laut und begeistert gratuliert hatte. Nichts brachte sie sonst zum Erröten. Umso faszinierender fand er nun die Röte auf ihren Wangen.

„Du bist ganz rot im Gesicht.“

Sie sah ihn mit funkelnden Augen wütend an, verpatzte wieder einen Schritt und trat ihm auf die Zehen. Diesmal ganz gewiss mit Absicht.

„Bevor ich einen Fuß einbüße, wirst du mir hoffentlich mitteilen, was los ist.“

Caroline atmete tief ein und blickte ihn an. „Ich will heiraten.“

„Das sagtest du bereits auf der Terrasse, aber doch wohl sicherlich nicht Mottringham?“ Er sprach wohl lauter, als er sollte, denn Caroline warf ihm einen warnenden Blick zu und zwang ihn damit, normal weiterzutanzen.

„Ja. Nein. Vielleicht.“

Er blinzelte. „Du musst es ja wissen.“

„Wenn er mir einen Antrag macht. Wenn irgendjemand halbwegs Akzeptables mir einen Antrag macht. Die Person ist unwichtig“, informierte sie ihn.

„Dein künftiger Ehemann ist dir nicht wichtig?“

Sie zuckte kurz mit den Schultern. „Ich möchte heiraten. Doch ich bezweifle, dass ich jemanden finde, der mein Herz zum Flattern bringt und mir den Kopf verdreht. Solange er freundlich zu mir ist, dann – nun, dann ist es mir ziemlich gleichgültig, wer es ist.“

James blieb stehen. Er war sich durchaus der anderen tanzenden Paare bewusst, die ihnen auswichen, doch er musste kurz stehen bleiben, um Carolines Worte in sich aufzunehmen. Es war eine komplette Kehrtwendung nach allem, was sie früher immer gesagt hatte.

„Du wolltest doch nie heiraten. Und nun willst du irgendeinen alten Schwachkopf nehmen?“

„Ich wollte nicht heiraten, aber jetzt will ich es doch. Das ist alles.“

Sie zog nachdrücklich an seiner Hand, um ihn zum Weitertanzen zu bewegen.

„Tanze“, flüsterte sie. „Alle starren uns an.“

Er hob wieder die Arme und nahm die korrekte Haltung ein. Hoffentlich erinnerte sich sein Körper an die richtigen Schritte, damit er in Gedanken die schockierende Neuigkeit verarbeiten konnte, die ihm Caroline soeben beigebracht hatte.

Sie hatte immer darauf beharrt, dass sie nicht sesshaft werden wollte. Immer wieder hatte sie darüber gesprochen, was für ein unglückliches Leben manche ihrer Freundinnen führten, die mit Ehegatten belastet waren, die sie nicht ausstehen konnten. Und ohne Freiheit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Natürlich gab es Ausnahmen, wie Lady Georgina zum Beispiel, die Freundin, die wie eine Schwester für sie gewesen war. Sie hatte mit ihrem Australier die wahre Liebe gefunden und lebte nun, glücklich verheiratet, auf der anderen Seite der Erde. Doch es war nicht Liebe, von der Caroline gerade sprach, sondern Heirat. Eine Ehe ohne Liebe, wahrscheinlich von ihrem Vater arrangiert. Mit einem Mann, mit dem sie kaum je ein Wort gewechselt hatte.

Es gehörte eigentlich zu den Dingen, die ihn mit ihr verbanden. Sie beide wurden immer älter, ohne sich zu binden, obwohl alle Welt sie dazu drängte. Allerdings hatten sie immer unterschiedliche Gründe gehabt. In James’ Fall war es so, dass er immer noch auf die große Liebe wartete, den plötzlichen Blitzeinschlag, von dem seine Eltern so oft gesprochen hatten. Für Caroline jedoch war es immer um die Freiheit gegangen, ihr eigenes Leben kontrollieren zu können.

Sie hatten unterschiedliche Gründe, aber als die Jahre vergingen und allmählich ein Freund nach dem anderen heiratete, war es immer eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen gewesen.

Die letzten Töne des Walzers verklangen, und Caroline zog ihn schnell von der Tanzfläche, bevor sich die Paare für den nächsten Tanz aufstellten.

„Mach den Mund zu“, sagte sie leise, als sie auf den Rand des Ballsaals zusteuerten. „Ich weiß gar nicht, warum du eigentlich so schockiert bist. Es ist ja schließlich nicht so, dass ich angekündigt hätte, nach Afrika auszuwandern, um Missionarin zu werden.“

James riss sich zusammen. Sie hatte recht. Bei jeder anderen hätte er es für einen völlig normalen Vorgang gehalten.

„Cara …“, begann er, doch er wurde mitten im Satz unterbrochen, als eine hübsche junge Frau zwischen ihn und Caroline trat. Er sah einen kurzen Anflug von Ärger über Carolines Gesicht huschen, bevor es wieder ihren üblichen gelassenen Ausdruck hatte.

„Miss Yaxley, Sie sagten vorhin, Sie würden mich gern dem Duke of Heydon vorstellen.“ Die Debütantin klimperten mit ihren Wimpern.

„Das ist richtig.“ Carolines Stimme klang gepresst. James kannte sie so gut, dass er sofort wusste, dass ihr diese junge Frau nicht besonders sympathisch war. „Euer Gnaden, dies ist Miss Preston. Miss Preston, es ist mir ein Vergnügen, Sie mit dem Duke of Heydon bekannt zu machen.“

„Entzückt“, murmelte James und wünschte, die junge Frau würde weitergehen, damit er Caroline weiter ausfragen konnte, wo und warum sie ihren Verstand verloren hatte.

„Miss Yaxley ist eine gute Freundin“, sagte Miss Preston und hängte sich an Carolines Arm. „Sie sagte mehr als einmal, dass sie wünschte, wir würden uns kennenlernen.“

„Hm.“ In solchen Situationen fand er es oft am einfachsten, so wenig zu sagen wie möglich.

„Ich sah Sie eben auf der Tanzfläche. Sie tanzen sehr gut, Euer Gnaden.“

Sie stand vor ihm und schaute ihn erwartungsvoll an. Ganz offensichtlich war sie auf einen Tanz mit ihm erpicht, und es wäre äußerst unhöflich von ihm, sie jetzt nicht aufzufordern. Dennoch überlegte er, ob er sich zurückhalten sollte, nicht zuletzt deswegen, weil es so aussah, als könnte Caroline die Frau neben sich nicht ausstehen.

Am Ende gewannen seine Manieren die Oberhand. „Würden Sie gern tanzen, Miss Preston?“

Sie legte sich eine Hand auf die Brust. Ganz offensichtlich hatte sie diese Bewegung vor dem Spiegel eingeübt. „Ich wäre entzückt, Euer Gnaden. Es ist mir eine Ehre.“

„Vielleicht …“ Er hatte vorschlagen wollen, seinen Namen auf ihrer Tanzkarte für einen der späteren Tänze des Abends einzutragen, da begann die Musik wieder von Neuem.

Rasch hakte sie sich bei ihm unter und schlängelte sich mit ihm durch die Menschenmenge auf die Tanzfläche. James warf einen kurzen Blick über die Schulter zurück zu Caroline. Am liebsten hätte er ihr zugerufen, sie solle auf ihn warten, damit sie weiter über ihre Pläne sprechen konnten, aber sie war bereits in der Menge verschwunden.

Der Tanz verging für ihn wie undeutlicher Wirbel, während Miss Preston ihr Bestes gab, um sich mit ihm über alltägliche Themen wie das Wetter und Herrenmode zu unterhalten. Er war froh über den schnellen Takt der Musik und nutzte jede Chance, um sich im Ballsaal nach Caroline umzuschauen. Bei ihrer Größe und in dem auffälligen blauen Ballkleid hätte sie eigentlich einfach zu erkennen sein müssen, aber trotz aller Mühe konnte er sie nicht entdecken. Sie hatte sich offenbar in Luft aufgelöst. Nach dem Tanz verbeugte er sich vor Miss Preston, entzog sich ihren Bemühungen, ihn zu einem Spaziergang im Garten zu bewegen, und machte sich ernsthaft auf die Suche nach Caroline. Nach zehn Minuten wurde ihm klar, dass sie wohl den Ball verlassen hatte. Er zog sich in den Zufluchtsort der Gentlemen zurück – den Kartenraum – um bei ein paar Spielrunden über die Ereignisse des heutigen Abends nachzudenken.

3. KAPITEL

Ganz ruhig, Bertie!“, rief Caroline und lachte, als der Hund daraufhin noch stärker an der Leine zerrte. Er zog so heftig, dass sie beinahe rennen musste. Trotz des bedeckten Himmels waren immer noch ziemlich viele Leute im Hyde Park, die ihr nicht gerade damenhaftes Benehmen bezeugen konnten. Sie stellte sich das Gesicht ihrer Mutter vor. In Gedanken hörte sie ihre Belehrungen über sittsames Wandeln in der Öffentlichkeit. Ein schneller Laufschritt gehörte nicht dazu.

Caroline schloss die Augen, als sie an den Gesichtsausdruck ihrer Mutter dachte, als sie ihr gestern Abend ihre Absicht verkündet hatte, endlich doch noch heiraten zu wollen. Lady Yaxley war schier überwältigt vor Freude gewesen, und die Tränen waren ihr ungehemmt über die Wangen geströmt. Vor sieben Jahren war Caroline bereits in die Gesellschaft eingeführt worden, aber noch nie hatte sie bisher angedeutet, dass sie sich ernsthaft nach einem Ehemann umsehen wollte.

Ihre Mutter hatte sie umarmt und ihr ins Ohr geflüstert, dass sie für Caroline einen passenden Ehemann finden werde, bevor noch das Jahr zu Ende gehe.

Caroline hatte nur matt gelächelt und ihren Beschluss schon fast bereut. Heute Morgen nun hatte ihre Mutter sie bereits bei Tagesanbruch geweckt und ihr mitgeteilt, Caroline werde eine neue Garderobe für die Saison brauchen, die zu einer Frau passe, die einem möglichen Ehemann gefallen wolle. Dann hatte sie Caroline für einen ganzen Vormittag mit zur Schneiderin genommen und mit ihr die schönsten unter den zahlreichen Stoffen ausgewählt, die die Schneiderin ihnen vorlegte.

Bertie bellte. Es klang freudig, und er zog noch stärker nach vorn. Schließlich riss er Caroline die Leine ganz aus der Hand. Sie blieb einen Moment lang fassungslos stehen, weil sie kaum glauben konnte, dass der braune Fleck, der schon so weit von ihr entfernt war, ihr Hund war. Sie raffte ihre Röcke und rannte ihm hastig hinterher. Den Kopf hielt sie gesenkt in der Hoffnung, niemand würde sie bei dieser höchst undamenhaften Verfolgungsjagd durch den Park erkennen.

Erst lief sie Bertie auf dem Weg hinterher, dann um eine Kurve herum und an einem dichten Gehölz vorbei. Da ihr Hund nicht mehr zu sehen war, musste sie sich auf ihr Gehör verlassen und dem Gebell folgen. Mit einem leisen Fluch rannte sie noch schneller. Bertie schwamm für sein Leben gern. Sie wollte auf keinen Fall den Serpentine erreichen und sehen, dass er dort die Enten in Angst und Schrecken versetzte.

Mit gesenktem Kopf bog Caroline um eine weitere Kurve, dann tauchten plötzlich ein Paar teure Stiefel in ihrem Sichtfeld auf. Zu spät versuchte sie sich abzubremsen und prallte schnurstracks gegen einen festen Körper. Sie spürte, dass zwei Arme um sie gelegt wurden und sie festhielten, bis sie wieder festen Halt unter den Füßen hatte.

Bertie saß vor ihr mitten auf dem Weg, als könnte er kein Wässerchen trüben, und wedelte begeistert mit dem Schwanz. Er machte den Eindruck, als wäre er der am besten erzogene Hund der Welt.

„Wie ich sehe, bist du in diesem Jahr mit Berties Training noch nicht sehr viel weitergekommen“, sagte James, beugte sich hinab und kraulte den Jagdhund hinter den seidigen Ohren.

„Vater hält ihn für untrainierbar“, meinte Caroline und schaute dem Hund tief in die dunklen Augen. „Entweder das – oder es liegt an seiner Besitzerin.“

James nahm Berties Leine und bot Caroline seinen Arm. Sie waren nicht verabredet, jedenfalls nicht direkt, aber wenn James in London war, richteten sie es oft ein, um diese Zeit des Nachmittags eine angenehme halbe Stunde lang gemeinsam durch den Hyde Park zu spazieren. Nach seiner Reaktion am vorigen Abend hatte Caroline geschwankt, ob sie überhaupt kommen sollte. Doch sie hatte nicht widerstehen können. Sie hatte den innigen Wunsch, ihn zu sehen und unschuldig seinen Körper zu streifen, während sie Arm in Arm spazieren gingen. Es war so schön, sein tiefes Lachen zu hören und von seinen neuesten Abenteuern auf dem Weg durch Europa zu erfahren.

„Ich fürchtete schon, du würdest heute nicht kommen. Du warst gestern Abend so plötzlich verschwunden.“

„Es war gar nicht plötzlich.“

„Etwas schneller, und du wärst gerannt.“

„Du hattest doch die hübsche Miss Preston zur Unterhaltung.“

„Ja, hübsch ist sie tatsächlich …“, sinnierte James laut. „Schade nur, dass sie keine gute Unterhaltung zu führen versteht. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund wollte sie über nichts anderes als Wetter und Mode sprechen.“

Caroline kicherte leise.

„Vermutlich war das dein Werk?“

„Mag sein, dass ich einige Hinweise zu deinen Lieblingsthemen fallen gelassen habe. Aber, James, sie ist so furchtbar, ich konnte mich nicht beherrschen.“

Bertie lief zufrieden neben James her. Die Leine hing schlaff durch, als er fügsam neben ihnen her trottete und dabei den Weg beschnüffelte. Er versuchte nicht einmal, einer Spur nachzusausen, wie er es getan hätte, wenn Caroline die Leine gehalten hätte.

„Miss Preston hatte offenbar den Eindruck, sie wäre eine enge Freundin von dir. Mindestens neunmal teilte sie mir mit, wie gut ihr befreundet seid.“

Caroline prustete. „Gestern hat sie sich zum ersten Mal herabgelassen, überhaupt mit mir zu sprechen. Davor habe ich nichts als abfällige Bemerkungen über mich von ihr gehört. Sie hat sich erst um eine Unterhaltung mit mir bemüht, als sie wusste, dass du wieder im Lande bist.“

„Also hast du eure blühende Freundschaft mir zu verdanken.“

„Eher hast du sie verschuldet.“

Für eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Carolines Enthüllung von gestern Abend hing noch zwischen ihnen.

„Setzt du dich einen Moment zu mir, Cara?“ James wies auf eine Bank. Er war der einzige Mensch auf der Welt, der sie Cara nannte. Für die meisten Leute war sie Miss Yaxley, für ihre Vertrauten Caroline. Selbst ihre Mutter kürzte ihren Namen nicht ab. Doch James kannte die Wahrheit. Irgendwann vor ein paar Jahren hatte sie ihm anvertraut, dass sie den Namen Caroline nicht mochte, und er hatte eine halbe Stunde damit verbracht, ihr Alternativen vorzuschlagen, bis sie sich auf einen Namen einigen konnten, der ihnen beiden gefiel. Darum nannte er sie nun Cara. Sie war sicher, James kannte die Bedeutung dieses Namens – es hieß ‚Liebste‘ – doch er hatte keine Ahnung, wie sehr sie sich wünschte, es wäre Wirklichkeit und sie wäre wirklich seine Liebste.

„Deine Ankündigung gestern Abend hat mich sehr überrascht“, begann er leise. Er hatte die dunklen Augen auf sie gerichtet, und Caroline hatte Mühe, sich auf seine Worte zu konzentrieren. Außenstehende hätten ihre gesenkten Köpfe und entspannte Haltung als Innigkeit interpretiert, und in ihrem Innersten war es auch das, wonach Caroline sich wirklich sehnte.

Rasch schüttelte sie diese Vorstellung ab. Sie schaute rasch hoch und konzentrierte sich auf einen Punkt in der Ferne.

„Ich glaube, ich habe nicht gut reagiert. Ich wollte mich bei dir entschuldigen“, sagte er und berührte leicht ihre Hand. Wie immer, hatte er keine Ahnung, wie seine Berührung auf sie wirkte.

„Das brauchst du nicht. Ich sehe ja ein, dass ich dich überrascht habe.“

„Ich verstehe dich aber durchaus, Cara. Ich verstehe deinen Wunsch, dein Leben mit jemandem zu teilen, und die Freude zu erleben, jeden Morgen neben einem warmen Körper zu erwachen. Es ist gewiss schön, jemanden zu haben, mit dem man beim gemütlichen Frühstück über alles Mögliche sprechen kann.“

„Das ist es nicht allein.“

Er blickte sie an und nickte voller Verständnis. „Kinder.“

„Ja. Obwohl ich lügen müsste, wenn ich behaupten würde, dies wäre alles, was ich mir wünsche. Ich glaube, für Frauen ist es anders als für Männer. Als unverheirateter Mann wohnst du in deinem eigenen Haus und folgst deinen eigenen Regeln. Als unverheiratete Frau wird von mir erwartet, dass ich unter der Aufsicht meiner Eltern lebe, bis sie sterben. Und danach werde ich vermutlich zu einer älteren Verwandten abgeschoben. Als ihre Gesellschafterin.“

„Ich sehe ein, dass es sich bedrückend anfühlen muss, aber du hast bisher immer gesagt, du wollest deine Freiheit nicht aufgeben. Jedenfalls nicht für einen Mann, der alle deine Entscheidungen für dich trifft.“

„Wahrscheinlich muss ich nur den richtigen Mann finden. Jemanden, der angenehme Manieren hat und sich nicht allzu sehr dafür interessiert, was ich tue.“

„Jemanden, der dich nur wegen deiner Mitgift heiratet?“

„Aus deinem Mund klingt es so abgeschmackt“, sagte Caroline und war plötzlich leicht gereizt. „Die meisten Ehen sind doch so, James. Fast niemand heiratet aus Liebe. Einige glückliche Menschen finden die Liebe vielleicht nebenbei, aber echte Liebesheiraten gibt es nur ganz vereinzelt. Sie sind sehr selten.“

„Ich weiß. Natürlich weiß ich das. Sieh mich an. Schon über vierzig und immer noch auf der Suche nach etwas, das es nur in einer von tausend Beziehungen gibt. Vielleicht ist deine Einstellung die bessere.“

„Du warst immerhin schon einmal in Versuchung, einen Hausstand zu gründen“, erinnerte ihn Caroline mit freundlicher Stimme.

„Lady Georgina.“

„Sie hätte dich glücklich gemacht.“

„Ganz gewiss, aber ein Zweifel hätte immer an mir genagt. Ich hätte mich stets gefragt, ob die nächste Frau, der ich begegne, womöglich diejenige sein würde, in die ich mich von ganzem Herzen verlieben könnte. Es hätte mich unglücklich gemacht, weil ich nichts dagegen hätte tun können.“

Caroline hatte James’ Eltern nie kennengelernt, aber sie wusste, dass sie der Grund waren für seine völlig absurden Ansichten über die Liebe. Sein Vater war ein Duke gewesen, seine Mutter eine Gouvernante, und sie hatten sich auf den ersten Blick ineinander verliebt. So, wie James die Geschichte erzählte, waren sie füreinander bestimmt gewesen und hatten perfekt zusammengepasst. In seiner Erinnerung hatten sie sich nie gestritten, und immer war alles harmonisch gewesen. Caroline vermutete, dass er heute alles durch den wehmütigen Schleier seiner Kinderzeit betrachtete, aber sie konnte nicht abstreiten, dass die Ehe seiner Eltern trotz der gesellschaftlichen Ablehnung stabil geblieben war. Sein ganzes Erwachsenenleben lang wartete James nun schon darauf, dass auch ihn der Blitzstrahl der Liebe treffen würde.

„Es ist sowieso rein hypothetisch. Ich muss erst einmal einen geeigneten Mann finden, der mich heiraten will. Bisher hat mir noch niemand einen Heiratsantrag gemacht.“ Caroline nestelte an der Stickerei an ihrem Mantelsaum. Nun, da sie sich endlich bereiterklärt hatte zu heiraten, wäre es doch durchaus möglich, dass gar kein Mann auf sie zukommen würde, um ihr einen Antrag zu machen. Der Gedanke bedrückte sie ein wenig.

„Sei nicht albern, natürlich kommt jemand.“ Er tätschelte ihr die Hand, als wäre sie eine ältliche unverheiratete Tante. Sie zog rasch ihre Hand weg.

„Seit sieben Jahren verkehre ich schon in der Gesellschaft, James, und bisher hat mir noch niemand einen Antrag gemacht.“

„Nicht ein Einziger?“

„Keiner. Nicht einmal ein lüsterner alter Mann oder mittelloser Mitgiftjäger.“

„Wieso denn eigentlich nicht?“ Seine Stimme klang aufrichtig erstaunt.

„Vielleicht bin ich nicht heiratsfähig.“

„Ich meine es ernst, Cara. Du bist intelligent und lustig, kannst dich über mehr als nur das Wetter unterhalten, hast eine angemessene Mitgift und gute Familienbeziehungen. Die Gentlemen sollten Schlange stehen, um dich um deine Hand zu bitten.“

„Leider fehlt mir eine entscheidende Eigenschaft“, sagte sie sanft, denn ihr war aufgefallen, dass er nichts zu ihrem Aussehen gesagt hatte.

„Was?“

„Schönheit.“

„Unsinn. Du bist eine ansehnliche Frau, Cara.“

Ansehnlich war nicht schön.

„Außerdem spielt die Schönheit normalerweise gar keine Rolle. Wie du selbst sagtest, sind die meisten Verbindungen Geschäftsbeziehungen.“

Sie seufzte. Er hatte recht. Der wahrscheinlichste Grund, warum sie bisher keinen einzigen Heiratsantrag bekommen hatte, war wahrscheinlich ihre unerschütterlich ablehnende Einstellung. Im Laufe der Jahre hatte sie jeden Mann, der ein Interesse an ihr bekundete, absichtlich davon abgehalten, um ihre Hand zu bitten. Niemand hatte genügend Interesse aufgebracht, ihre ablehnende Haltung zu überwinden. 

„Ich glaube, ich weiß gar nicht, wie man einen Gentleman ermutigt, um mich zu werben“, sagte sie leise.

„Du weißt nicht, wie man flirtet?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, früher einmal konnte ich es, aber ich habe so viele Jahre damit verbracht, alle Männer abzuweisen, dass ich nicht mehr weiß, wie es geht.“

Caroline dachte zurück an die aufregenden ersten Jahre nach ihrem Debüt. Sie und Georgina hatten geschwelgt in der Aufmerksamkeit, die sie überall erregten. Sie liebten es, auf Bälle zu gehen und zu tanzen, und ihre Tanzkarten waren immer gefüllt. Doch achtete sie immer darauf, niemanden zu sehr zu ermutigen und jeden auf Distanz zu halten. Sie hatte beschlossen, sich erst selbst darüber klar zu werden, was sie eigentlich wollte. Selbst in jungem Alter war sie schon misstrauisch gegenüber den Eheschließungen innerhalb der guten Gesellschaft gewesen. Obwohl ihre Eltern glücklich miteinander verheiratet waren, brauchte sie sich nur umzuschauen, um die vielen Paare zu sehen, die einander verabscheuten, den ganzen Abend hindurch ignorierten oder sogar ein getrenntes Leben führten. Das war es nicht, was sie sich wünschte.

Autor

Laura Martin
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