Heirate nie einen Italiener

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Lorenzo Martelli? Nein! Niemals heiratet sie einen Italiener! Das hat Helen sich geschworen. Viel lieber lässt sie sich vom Charme des attraktiven Fremden verführen, den sie auf einer Party in New York tritt. Bis sie erfährt, wem sie da erlaubt hat, sie zu küssen ...


  • Erscheinungstag 15.10.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504096
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lucy Gordon

Heirate nie einen Italiener

IMPRESSUM

Heirate nie einen Italiener erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

© 2001 by Lucy Gordon
Originaltitel: "Bride by Choice"
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe MIRA Taschenbücher
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH
Übersetzung: Fanny Gabor

Umschlagsmotive: conrado / Shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 10/20 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751504096

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

PROLOG

“Dein Flug wird gleich aufgerufen”, sagte Heather Miller, als ihr Blick auf die Anzeigetafel im Flughafen von Palermo fiel.

“Wenn es nach mir ginge, wären wir schon in der Luft”, erwiderte Lorenzo voller Vorfreude. “Ich kann es kaum erwarten, nach New York zu kommen.”

“Denk daran, dass du nicht zu deinem Vergnügen in die USA fliegst”, mischte sich Renato mahnend ein. Als Oberhaupt der Familie Martelli und Chef der gleichnamigen Firma hielt er es für ratsam, seinen jüngeren Bruder an dessen Aufgaben zu erinnern. “Zweck deiner Reise ist es, Geld zu verdienen, indem du neue Kunden für unser Obst und Gemüse gewinnst, und nicht, es auf den Kopf zu hauen, indem du dich mit jungen Amerikanerinnen amüsierst.”

“Um das zu verhindern, müsstest du schon mitfliegen”, wandte Heather ein. Es fiel ihr wirklich nicht leicht, sich diesen gut aussehenden, athletischen jungen Mann mit dem lockigen braunen Haar und den blauen Augen als seriösen Geschäftsmann vorzustellen.

Doch so attraktiv und sympathisch ihr Schwager auch war, erschien es Heather unvorstellbar, dass sie diesen jugendlichen Draufgänger noch vor wenigen Monaten geliebt hatte – oder geglaubt hatte, ihn zu lieben. Nach Sizilien war sie jedenfalls gekommen, um ihn zu heiraten.

Glücklicherweise hatte sie rechtzeitig gemerkt, dass ihre wahre Liebe Renato galt. Zugegeben, er war ein verschlossener und nachdenklicher Mann, dem kaum ein Lächeln zu entlocken war, während Lorenzo die Herzen der Frauen im Sturm eroberte.

Heather hatte an dem scheinbar so schroffen und abweisenden Renato jedoch Facetten entdeckt, die ihr Herz für ihn eingenommen hatten. Seit acht Monaten waren sie nun verheiratet, und schon bald würden sie eine richtige Familie sein, denn Heather erwartete ein Kind.

“Im Elroy ist ein Zimmer für dich reserviert”, teilte Renato seinem Bruder mit. “Ruf mich an, sobald du angekommen bist. Und vergiss nicht …”

“Ich weiß selbst, was ich zu tun habe”, fiel Lorenzo ihm ins Wort. “Und wenn ich auch nur die Hälfte der Leute besuche, deren Adressen mir Mamma mitgegeben hat, komme ich ohnehin zu nichts anderem. Erst gestern hat sie ohne mein Wissen die Angolinis angerufen und mich für Donnerstag zum Abendessen angekündigt. Kannst du mir vielleicht sagen, was ich da soll?”

“Du musst Mamma verstehen”, erwiderte Renato. “Unser Großvater und Marco Angolini waren die besten Freunde, bis Marco mit seiner Frau und seinem Sohn in die USA ausgewandert ist.”

“Das weiß ich selbst”, wandte Lorenzo ein, “aber das ist Jahrzehnte her. Marco und seine Frau sind längst tot, und selbst sein Sohn und dessen Frau sind inzwischen alte Leute. Mich beschleicht ein ganz anderer Verdacht. Die beiden haben nämlich nicht nur drei Söhne, sondern auch vier ledige Töchter – alle im heiratsfähigen Alter.”

“Seit wann jagen dir ledige Frauen im heiratsfähigen Alter Angst ein?”, fragte Renato schalkhaft.

“Mit den Töchtern werde ich schon fertig”, widersprach Lorenzo. “Weniger mit der Aussicht, dass ich verkuppelt werden soll.”

“Warum sträubst du dich eigentlich so gegen dein Glück?” Es bereitete Renato sichtlich Vergnügen, Öl ins Feuer zu gießen. “Die Angolinis besitzen eine Schlachterei, und selbst du musst zugeben, dass die Verbindung zwischen einer Fleischertochter und dem Sohn eines Gemüsebauern geradezu ideal wäre.”

“Vergiss es, Brüderchen”, wies Lorenzo Renato zurecht, und doch konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Ehe Renato etwas erwidern konnte, ertönte aus den Lautsprechern der dringende Aufruf an alle Passagiere nach New York, sich am Flugsteig einzufinden. “Mach uns keine Schande”, gab er seinem Bruder gespielt drohend noch mit auf den Weg.

Nachdem er sich von seiner Schwägerin verabschiedet hatte, drehte sich Lorenzo um. Renato und seine Frau sahen ihm nach, bis er hinter dem Abfertigungsschalter verschwand. “Man könnte ihn fast bemitleiden”, sagte Renato nachdenklich. “Es scheint sein Schicksal zu sein, dass keine Frau ihm widerstehen kann.”

“Ausnahmen bestätigen die Regel”, widersprach Heather, und sein liebevolles Lächeln bewies, dass er ihre Anspielung verstanden hatte. “Mach dir keine Sorgen”, sagte sie beruhigend. “Lorenzo weiß genau, was seine Position in der Firma von ihm verlangt.”

“Das schon”, antwortete Renato. “Ich hoffe nur, dass er es während des Fluges nicht vergisst.” Dann legte er den Arm um Heather und führte sie aus dem Flughafengebäude.

1. KAPITEL

New York war tief verschneit, und ein eisiger Wind pfiff durch die Straßen. Doch selbst ein solch trüber Februarabend konnte der Faszination dieser Metropole keinen Abbruch tun – schon gar nicht, wenn man im Begriff war, das Elroy in der Park Avenue zu betreten, das beste und teuerste Hotel der Stadt.

Am Personaleingang stand ein Wachmann, der Helen nicht erkannte, sodass sie ihm ihren Firmenausweis zeigen musste. “Helen Angolini. Trainee im Management”, las er halblaut und nickte anerkennend, bevor er sie endlich passieren ließ.

“Kann sich dieses Ding nicht etwas schneller bewegen?”, schimpfte sie vor sich hin, als sie endlich im Aufzug stand, der sie in die achte Etage bringen sollte. “Ich komme auch so schon zu spät.”

“Mich wundert, dass du überhaupt kommst”, drang ihr plötzlich eine vertraute Stimme ans Ohr. Als Helen sich umsah, blickte sie direkt ins Gesicht ihrer Freundin Dily, die die ganze Zeit unbemerkt hinter ihr gestanden hatte.

Die beiden hatten sich vor drei Jahren gleichzeitig für die Managementschulung des Elroy beworben und waren unter Hunderten ausgewählt worden. Schnell hatten sie sich angefreundet, und seit geraumer Zeit teilten sie sich eine kleine Wohnung. Nun standen sie kurz vor dem Abschluss der Ausbildung und hofften beide auf eine Festanstellung.

“Kommst du etwa direkt vom Flughafen?”, erkundigte sich Dily mit Blick auf Helens Gepäck.

“Richtig geraten”, bestätigte Helen. “Eigentlich wollte ich längst bei meinen Eltern sein. Doch kaum saß ich im Taxi, klingelte mein Handy. Mr. Dacre hat mir befohlen, auf direktem Weg ins Hotel zu kommen.”

Endlich hielt der Fahrstuhl, und kaum hatten sich die Türen geöffnet, nahm Dily Helens Arm und zog sie zur Damentoilette. “Bevor du Mr. Dacre unter die Augen trittst, würde ich mich an deiner Stelle umziehen.”

Helen war eine große, attraktive junge Frau mit schulterlangem pechschwarzen Haar und dunklen, ausdrucksvollen Augen. Nicht wenige, darunter Dily, waren der Ansicht, dass sich ihre wahre Schönheit erst richtig zu entfalten begonnen hatte, seit sie ihr fünfundzwanzigstes Lebensjahr erreicht hatte. Sosehr Helen sich dadurch auch geschmeichelt fühlte, fürchtete sie bisweilen, dass ihr die sizilianische Abstammung allzu deutlich anzusehen war. Manchmal beneidete sie ihre Freundin, die nicht nur zierlicher war, sondern vor allem blondes Haar, blaue Augen und einen hellen Teint hatte.

Doch selbst wenn Helen mit ihrem Aussehen nicht rundherum zufrieden war, verstand sie sich darauf, sich so zu kleiden, dass ihr das unmöglich anzumerken war. Weil sie wusste, dass zu ihrem dunklen Teint am besten kräftige und warme Töne passten, öffnete sie einen Koffer und zog ein dunkelrotes Seidenkleid heraus.

“Du siehst hinreißend aus”, gratulierte Dily ihr, nachdem Helen sich umgezogen und das Haar ausgiebig gebürstet hatte, bis es ihr seidig über die Schultern fiel. “Die Männer werden dir zu Füßen liegen.”

“Kannst du eigentlich an nichts anderes denken?”, fragte Helen belustigt und steckte sich das Namensschild an, das sie als Mitarbeiterin des Elroy auswies. “Vergiss nicht, dass wir nicht zu unserem Vergnügen hier sind, sondern um zu arbeiten.”

“Ach so?” Dily zuckte gleichgültig die Schultern. “So genau nehme ich es mit der Trennung von Privatem und Dienstlichem nicht. Und jetzt komm endlich. Mal sehen, ob unter den Typen einer ist, der eine kleine Sünde rechtfertigt.”

Lächelnd folgte Helen ihr in den frisch renovierten Kaisersaal, der einen Großteil des achten Stocks einnahm. Der riesige Raum erstrahlte in neuem Glanz, und auf dem Parkett stand ein Dutzend runder Tische, die unter der Last des kalten Büfetts zusammenzubrechen drohten.

Im Saal herrschte eine fast bedrohliche Enge, aus der sich unvermittelt ein Mann löste und direkt vor Helen stehen blieb.

“Ich denke, du bist in Boston, mein Schatz”, begrüßte Erik sie eine Spur zu überschwänglich.

“Da war ich bis vor wenigen Stunden auch”, erklärte sie ihrem Kollegen, der zum Management des Elroy gehörte. Ab und zu trafen sie sich nach Feierabend, um gemeinsam essen oder ins Theater zu gehen, und einmal hatte Helen ihn sogar zu ihren Eltern mitgenommen. Trotzdem war ihre Beziehung rein freundschaftlicher Natur, und nichts lag Helen ferner, als eine Beziehung mit ihm anzufangen – was die Kollegen im Hotel nicht daran hinderte, ihnen eine leidenschaftliche Affäre anzudichten.

“Entschuldige mich bitte, Erik”, sagte sie und sah sich im Raum um, “aber wenn ich nicht bald unseren Chef finde, ist es mit meiner Karriere vorbei, ehe sie richtig begonnen hat.”

Ohne eine weitere Erklärung ließ sie ihn stehen und begab sich auf die Suche nach ihrem unmittelbaren Vorgesetzten.

“Da sind Sie ja endlich.” Jack Dacre hatte Helen erspäht und sich zu ihr durchgekämpft.

“Mein Flugzeug hatte Verspätung”, entschuldigte sie sich. “Es tut mir leid, dass ich nicht eher …”

“Schon gut”, fiel er ihr ins Wort. “Das hat Zeit bis morgen. Jetzt interessiert mich einzig, was Sie über diese Veranstaltung wissen.”

“So gut wie nichts”, musste Helen zugeben. “Bis zum Tag meiner Abreise war nie die Rede davon.”

“Das ist richtig. Wir haben uns in der Tat sehr kurzfristig dazu entschlossen, hier oben ein italienisches Restaurant einzurichten. Zur Eröffnung haben wir ausschließlich Stammkunden und Lieferanten eingeladen. Mischen Sie sich unter die Gäste und halten Sie sie bei Laune.”

Kaum hatte er seinen Satz beendet, verschwand er in der Menge und ließ Helen allein zurück. Nach kurzem Zögern kämpfte sie sich zu Braden Fairley durch, den sie am anderen Ende des Saales entdeckt hatte.

Erst als sie ihn beinahe erreicht hatte, bemerkte sie, dass er sich mit einem gut aussehenden Mann mit lockigem braunen Haar unterhielt. Dessen Körperhaltung verriet, dass ihn die Gesellschaft des Direktors des Elroy eher langweilte, auch wenn er sich alle Mühe gab, es sich nicht anmerken zu lassen.

Als Braden Fairley einen Schritt zur Seite trat, weil ein anderer Gast ihn angesprochen hatte, hob der Fremde unvermittelt den Kopf. Fasziniert betrachtete Helen seine blauen Augen und sein fröhliches, fast jungenhaftes Lächeln, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, als sich ihre Blicke begegneten.

Als hätte er in ihr eine heimliche Verbündete gefunden, warf er einen kurzen Blick zu Braden Fairley, bevor er mit mitleiderregender Miene wieder Helen ansah, die alle Mühe hatte, nicht laut aufzulachen. Doch kaum hatte der Fremde sich mit einem Augenzwinkern für ihr Mitgefühl bedankt, nahm Braden Fairley ihn wieder in Beschlag, und Helen blieb keine andere Wahl, als ihn seinem Schicksal zu überlassen.

Zumal sie, wie sie sich plötzlich erinnerte, nicht zu ihrem Vergnügen hier war, sondern um zu arbeiten. Deshalb mischte sie sich unter die Gäste, ohne der Versuchung widerstehen zu können, den Fremden heimlich zu beobachten.

Er mochte einen Meter neunzig groß und maximal dreißig Jahre alt sein. Seine Figur war überaus sportlich, und mit einer Baumwollhose und einem Seidenhemd war er vergleichsweise leger gekleidet.

Doch das Beeindruckendste an ihm war zweifellos sein Lächeln – erst recht als es eindeutig ihr, Helen, galt. Offensichtlich hatte er bemerkt, dass sie ihn beobachtete, und als sich ihre Blicke begegneten, versuchte sie vergeblich, sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Zu ihrem Schrecken erwiderte sie sein Lächeln sogar, obwohl sie ahnte, welche Gefahr sie damit heraufbeschwor.

Unter Aufbietung all ihrer Kräfte gelang es ihr, sich von dem faszinierenden Fremden loszureißen und in der Menge unterzutauchen.

Nachdem sie eine Stunde lang gelächelt, Hände geschüttelt und belanglose Gespräche geführt hatte, brauchte sie dringend eine Verschnaufpause. In der Hoffnung, in den Fensternischen eine Sitzgelegenheit zu finden, zog sie sich dorthin zurück.

“So ein Empfang kann einen ziemlich schaffen, nicht wahr?” Kaum hatte Helen auf einem Sofa Platz genommen, drang ihr eine fast jugendlich klingende Stimme ans Ohr. Als sie aufsah, blickte sie direkt in das Gesicht des faszinierenden Fremden.

“Erst recht, wenn man meinem Chef in die Finger gerät”, erwiderte sie mit einem Lachen, in das der Mann augenblicklich einstimmte.

Seine Attraktivität nahm dadurch geradezu bedrohliche Ausmaße an, wie Helen erschrocken und fasziniert zugleich feststellen musste. Plötzlich war sie froh, dass sie auf Dilys Rat gehört und sich umgezogen hatte. Sie wusste um die Wirkung des dunkelroten Seidenkleids, und wenn die anerkennenden Blicke ihres Gegenübers sie nicht täuschten, hatte sie die richtige Wahl getroffen.

“Ihr Chef ist ein reizender Mensch”, antwortete er endlich. “Leider hat er die Angewohnheit, nicht mehr aufzuhören zu reden, wenn er erst einmal in Fahrt gekommen ist.”

Er sah sich kurz um, als fürchtete er, dass Braden Fairley hinter ihm stand und bereits darauf lauerte, die einseitige Unterhaltung fortzusetzen. “Darf ich mich zu Ihnen setzen?”, fragte er schließlich und sah Helen schalkhaft an. “Sonst verwickelt er mich gleich wieder in ein Gespräch.”

Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er neben ihr Platz. Seine unvermittelte Nähe drohte Helen endgültig aus der Fassung zu bringen, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Sprache wiedergefunden hatte. “Sind Sie zum ersten Mal in New York?”, erkundigte sie sich, weil sie dem Akzent des Fremden entnehmen konnte, dass er kein Amerikaner war.

“Leider ja”, gestand er. “Ich bin zwar erst seit zwei Tagen hier, aber ich bedauere schon jetzt, dass ich nicht viel früher hergekommen bin. New York ist einfach umwerfend.”

“Es freut mich, dass Ihnen meine Heimatstadt gefällt.”

“Sind Sie wirklich hier geboren?”, fragte er ungläubig. “Dann kennen Sie doch sicherlich jeden Winkel und jeden Straßenstrich.”

Erst als Helen laut auflachte, merkte er, dass er sich aus Unkenntnis in der Wortwahl vergriffen hatte. “Verzeihen Sie bitte”, entschuldigte er sich händeringend. “Ich wollte Ihnen wirklich nichts Derartiges unterstellen.”

“Schon gut”, antwortete Helen versöhnlich, “ich nehme es nicht persönlich.”

“Das Ganze ist mir entsetzlich peinlich, Miss …” Er beugte sich vor, um das Namensschild an Helens Kleid besser entziffern zu können. Irgendetwas schien ihn daran zu amüsieren, denn unvermittelt änderte sich sein Gesichtsausdruck. “Ihr Name klingt aber gar nicht amerikanisch.”

“Fangen Sie nicht auch noch damit an”, erwiderte Helen erbost. “Schlimm genug, dass meine Vorgesetzten mich für eine Italienerin halten. Dabei bin ich durch und durch Amerikanerin.”

“Warum tragen Sie dann einen italienischen Namen?”

“Weil mein Großvater aus Italien stammte. Er ist vor Jahrzehnten in die USA eingewandert. Mein Vater war damals noch ein kleines Kind. Doch obwohl er und meine Mutter amerikanische Pässe haben, fühlen sie sich heute noch als Italiener.”

“Was sich von Ihnen offensichtlich nicht behaupten lässt.”

“Ich bin hier in Manhattan geboren und aufgewachsen, und in Italien bin ich noch nie in meinem Leben gewesen. Wie soll ich mich da als Italienerin fühlen?”

“Und wie denken Ihre Eltern darüber?”

“Wie Italiener”, musste Helen einräumen. “Ich habe meine Arbeit und eine eigene Wohnung. Doch anstatt sich darüber zu freuen, dass ich auf eigenen Füßen stehe, bedrängt mich meine Mutter seit Jahren damit, dass ich doch endlich heiraten und eine Familie gründen soll. Wobei als Schwiegersohn selbstverständlich nur ein Italiener infrage kommt.”

“Ist das denn so abwegig?”, fragte ihr Gegenüber.

“Allerdings”, erwiderte Helen bestimmt. “Sollte ich je heiraten, dann garantiert keinen Italiener. Eher gehe ich ins Kloster!”

Es schien den Mann zu faszinieren, dass sie sich so aufregte, aus welchem Grund auch immer. Seine nächste Frage klang in ihren Ohren jedenfalls wie reine Provokation. “Woher stammt Ihre Familie denn?”

“Von Sizilien”, antwortete Helen, und sie stieß den Namen der Insel wie einen Fluch aus. “Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum ich nie einen Mann aus der Heimat meiner Vorfahren heiraten werde. Eine Tradition, die davon ausgeht, dass sich eine Frau ihrem Ehemann unterwirft, kann mir gestohlen bleiben.”

“Das glaube ich Ihnen gern”, erwiderte er verständnisvoll. “Andererseits kann man es den Männern nicht verübeln, wenn sie ihre Privilegien nicht kampflos aufgeben”, setzte er provozierend hinzu.

“An mir würden sie sich die Zähne ausbeißen”, entgegnete Helen trotzig.

“Darauf gehe ich jede Wette ein. Und wenn ich nicht so ein Feigling wäre, würde ich Ihnen auch sagen, was mich so sicher sein lässt.”

“Nur Mut”, erwiderte Helen, ohne zu merken, dass sie im Begriff war, auf den Köder anzubeißen, den der Fremde ausgelegt hatte. “Wie Sie gemerkt haben, bin ich nicht nachtragend.”

“Also schön”, sagte der Mann, und doch zögerte er einen Moment, bevor er weitersprach. “Man merkt Ihnen Ihre Herkunft bei jedem Wort an.”

“Wie bitte?”, fragte Helen entgeistert.

“Ihr südländisches Temperament lässt sich nicht verbergen. Wenn man Sie reden hört, fühlt man sich förmlich nach Sizilien versetzt. Nur würde ich es nie wagen, Ihnen das ins Gesicht zu sagen”, setzte er rasch hinzu, als er sah, dass Helens Miene sich verfinsterte.

“Ihr Glück”, entgegnete sie streng, doch ihr Gesichtsausdruck sprach ihrem Tonfall Hohn. “Wir sollten lieber das Thema wechseln. Ich habe Ihre Geduld lange genug strapaziert. Schließlich haben Sie die weite Reise nicht angetreten, um sich meine Lebensgeschichte anzuhören.”

“Wer weiß?”, entgegnete der Fremde und schenkte Helen erneut dieses unwiderstehliche Lächeln. “Im Moment fällt mir jedenfalls kein anderer Grund ein. Darum schlage ich vor, dass wir unsere Unterhaltung bei einem Drink fortsetzen, sobald Sie hier abkömmlich sind.”

“Das wird leider nicht gehen”, erwiderte Helen gerührt. “Der Abend ist schon anderweitig verplant.”

“Darf man erfahren, womit?”

“Es ist zwar noch geheim, aber ich muss noch jemanden umbringen.”

“Wer ist denn der Glückliche?”

“Ein gewisser Lorenzo Martelli.” Helens Lachen erstarb im selben Moment, in dem sie trotz seines dunklen Teints erkennen konnte, dass der Fremde aschfahl geworden war.

“Habe ich etwas Falsches gesagt?”, erkundigte sie sich besorgt.

“Nein, nein”, entgegnete er rasch. “Ich frage mich nur, warum Sie diesen Mann umbringen wollen. Wie war doch gleich sein Name?”

“Lorenzo Martelli”, antwortete Helen. “Umbringen will ich ihn, damit ich ihn nicht heiraten muss.”

“W…wie bitte?”

“Ihre Einladung zum Drink kommt deshalb ungelegen, weil ich gleich zu meinen Eltern muss”, erklärte sie. “Sie geben ein Essen zu Ehren dieses Signore Martelli. Sie dürfen dreimal raten, woher er kommt. Richtig geraten”, fuhr sie fort, ohne eine Antwort abzuwarten. “Aus Sizilien. Er ist geschäftlich in New York, und weil unsere Großväter eng befreundet waren, glaubt er, uns unbedingt besuchen zu müssen.”

“Und was macht Sie so sicher, dass er Sie heiraten will?”

“Ob er das will, kann ich Ihnen nicht sagen”, erwiderte Helen zur Verblüffung des Fremden. “Meine Eltern wollen es, und damit ist es beschlossene Sache.”

“Aber Sie haben ihn doch noch nie in Ihrem Leben gesehen!”

“Ich habe Ihnen doch gesagt, wie sie sind. Sie haben sogar daran gedacht, die Verabredung für heute Abend zu treffen, während ich beruflich in Boston zu tun hatte. Von dem Mann, den sie für mich ausgesucht haben, weiß ich nur, dass er eine gute Partie ist und sehnsüchtig nach einer Sizilianerin Ausschau hält, die seine Frau werden will.”

“Wenn er so vermögend ist, wie Sie sagen, sollte es ihm doch ein Leichtes sein, auf Sizilien eine Braut zu finden”, wandte der Fremde ein.

“Wahrscheinlich ist er so dick und unansehnlich, dass er zu Hause nicht fündig geworden ist.”

Der Mann nickte zustimmend. “Langsam beginne ich zu begreifen, warum Sie ihn umbringen wollen. Obwohl ihn eigentlich keine Schuld trifft. Schließlich haben sich Ihre Eltern das ausgedacht.”

“Mitgehangen, mitgefangen”, entgegnete Helen kompromisslos.

“Urteilen Sie nicht vorschnell?”, wandte der Fremde vorsichtig ein. “Wenn Sie ihn erst kennen, sind Sie vielleicht froh und glücklich, ihn heiraten zu dürfen.”

Autor

Lucy Gordon

Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman “Das Kind des Bruders”, der in Rom spielt.

Mit dem Schreiben...

Mehr erfahren