Heißes Verlangen nach dem Feind

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Vor einem Jahr zerstörte eine Intrige Abbys aufregende Beziehung mit dem umwerfend attraktiven Spence Jameson. Zum Glück verließ er die Firma, in der sie gemeinsam arbeiteten. Doch jetzt wird ausgerechnet er ihr neuer Boss! Abbys Zukunft hängt von ihrem Job ab, sie kann Spence unmöglich aus dem Weg gehen. Im Gegenteil: Enger als je zuvor arbeitet sie mit ihrem charismatischen Feind zusammen. Und Abbys Körper verrät sie. Denn bei jeder zufälligen Berührung lodert heißes Verlangen nach Spence in ihr auf …


  • Erscheinungstag 16.04.2019
  • Bandnummer 2076
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724870
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Spencer Jameson war es nicht gewohnt, ignoriert zu werden. Er war nun schon seit drei Wochen zurück in D. C., und der Plan lautete, nur lange genug in der Stadt zu bleiben, um seinem älteren Bruder Derrick zu helfen, und dann wieder zu verschwinden.

So war Spence nun einmal: Er ging seiner Wege. Wenn er zu viel Zeit im Büro verbrachte, lief er womöglich noch seinem Vater in die Arme. Eldrick Jameson war das Familienoberhaupt, ein Geschäftsmann, der sich gerade mit seiner vierten Ehefrau zur Ruhe gesetzt hatte … und der Grund, wieso Spence meist überall sein wollte, nur nicht in der Landeshauptstadt.

Doch bei diesem Besuch war sein alter Herr ausnahmsweise einmal nicht das Problem. Seine neue Frau hatte ihn überzeugt, nach Tortola zu ziehen – auf eine Insel, die über fünfzehnhundert Meilen entfernt war. Nein, diesmal ging es um jemand anderen: Abigail Rowe. Die Frau, die so tat, als würde Spence nicht existieren.

Mit dem Schlüssel, den er sich vom Büromanager geliehen hatte, öffnete er die Tür der verlassenen Grundschule im Nordosten D. C.s. Wegen eines Rechtsstreits über Umweltbelange stand das Gebäude seit zwei Jahren leer. Derrick wollte, dass seine Firma das Gebäude aufkaufte und komplett neu sanierte, um das riesige Grundstück wieder nutzbar zu machen. Spence traf sich vor Ort mit der Leiterin des Teams, das mit dieser Aufgabe betraut war … Und die Leiterin war natürlich ausgerechnet sie – allerdings wusste sie nicht, dass er ebenfalls an diesem Meeting teilnahm.

Er folgte dem Stimmengewirr, dem tiefen Lachen eines Mannes und dem helleren einer Frau. Geräuschlos lehnte sich Spence an die Außenwand und spähte in die frühere Schülercafeteria. Von den Stuckwänden blätterte die Farbe ab, und die Reihen von Tischen und Bänken waren durch einen Klapptisch und ein paar Stühle ersetzt worden, die zu zerbrechlich für einen Erwachsenen wirkten.

Dort stand eine Frau. Es war Abby. Sie trug einen perfekt sitzenden marineblauen Blazer und einen Rock, der kurz über den Knien endete – der perfekte Mix aus Professionalität und Sex-Appeal. Ihr leicht gelocktes braunes Haar reichte ihr bis über die Schultern. Als sie sich vorbeugte, um dem Mann neben ihr etwas in einer Akte zu zeigen, fielen ihr ein paar Strähnen ins Gesicht.

Nicht, dass der Mann ihren Worten auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenkte. Stattdessen ließ er den Blick über sie wandern. Während sie weitersprach und gestikulierte, lehnte er sich leicht zurück, starrte erst ihre Beine, dann ihren Hintern an.

Spence konnte ihm das eigentlich kaum vorwerfen, aber dieser Blick war weder professionell noch angemessen. Als hätte der Mann gespürt, dass er beobachtet wurde, blickte er auf und drehte sich um. Er sah aus wie all die blonden, blauäugigen Typen Mitte dreißig, die in den Bars der Stadt Jagd auf junge Praktikantinnen machten. Spence kannte diese Kerle: charmant, einfallsreich und stets auf der Suche nach dem nächsten Opfer.

Der Mann hob die Augenbrauen und zögerte einen Moment, ehe er Spence breit anlächelte. „Guten Tag.“

Abby wirbelte herum. Innerhalb weniger Sekunden wechselte ihre Miene von überrascht zu wütend. „Spencer.“

Einen Moment lang blieb ihm die Luft weg. Sie zu sehen, versetzte ihm glatt einen Schlag in die Magengrube. Monatelang hatten sie zusammengearbeitet, und jeden Tag hatte er die Verhaltensregeln des Büros brechen und sie um ein Date bitten wollen. Mehrmals war er kurz davor gewesen, hatte sich letztendlich jedoch zurückgehalten, weil ihm bewusst war, dass er damit eine Grenze übertreten würde. Dann hatte sie den ersten Schritt gemacht. Eine verstohlene Berührung hier, ein Kuss da. Verzweifelt hatte er sich bemüht, die Kontrolle zu behalten, und abgewartet, war vorsichtig geblieben. Aber er hatte sie schon gewollt, als er sie zum ersten Mal sah. Jetzt, Monate später, war diese Anziehungskraft immer noch da – und das ärgerte ihn unglaublich. Ihr Verrat hatte sein Interesse an ihr nicht gedämpft, egal, wie sehr er sich das auch wünschen mochte.

„Spencer Jameson?“ Mit ausgestreckter Hand kam der Mann auf ihn zu. „Ich freue mich so, Sie kennenzulernen.“

„Ach ja?“ Spence schüttelte ihm die Hand, starrte jedoch weiter Abby an. Was ging hier vor? Abby sollte eigentlich bei ihrem Team sein. Arbeiten. Das hier fühlte sich allerdings wie etwas anderes an.

„Mir war nicht bewusst, dass du auch hier sein würdest.“ Ihre tiefe Stimme klang ruhig, beinahe schon monoton. Falls sie sich freute, ihn zu sehen, verbarg sie es gut. Der Frust hingegen war ihr deutlich anzumerken.

Spence versuchte, sie nicht allzu lang anzustarren, sich nicht anmerken zu lassen, welche Wirkung sie noch immer auf ihn hatte. „Wo sind die anderen?“

Der Mann sah sich kurz in dem leeren Raum um. „Bitte?“

„Derrick sagte …“

„Rylan Stamford ist der Umweltingenieur, der für das Gutachten verantwortlich ist.“ Selbst dieser Satz klang wütend und abgehackt.

Allerdings erklärte die Jobbezeichnung wohl kaum, wieso Rylan kurz zuvor noch ausgesehen hatte, als würde er jede Sekunde über Abby herfallen. „Unser Gutachten?“

„Nein, das der Stadt“, erklärte Abby. „Rylan arbeitet nicht für uns.“

Rylans Lächeln wurde sogar noch breiter. „Aber ich arbeite sehr eng mit Abby zusammen.“

Spence konnte ihn wirklich nicht leiden. „Das glaube ich Ihnen aufs Wort.“

Abby seufzte laut, wandte sich wieder dem Tisch zu und stapelte die Akten ordentlich aufeinander. „Kann ich etwas für dich tun, Spence?“

Offenbar wollte sie die Kontrolle über das Gespräch übernehmen, genauso wie über ihr Wiedersehen. Zu ihrem Pech wollte er genau dasselbe. „Wir haben ein Meeting.“

Langsam drehte sie sich wieder um. „Ach ja?“

„Ja. Nur wir beide.“ Der Vorschlag war riskant, aber er musste in der Stadt bleiben, bis seine zukünftige Schwägerin ihr Kind zur Welt brachte. Die Schwangerschaft von Derricks Verlobter war hoch riskant, und Spence hatte versprochen, Derrick ein wenig zu entlasten.

„Oh, verstehe.“

Dieser Tonfall … Abby hätte genauso gut drohen können, ihn zu überfahren. Offenbar freute sie sich nicht, ihn zu sehen. Das konnte Spence leider nur zu gut verstehen. „Nein, tust du nicht.“

Sie seufzte. „Ach wirklich?“ Wären Worte wie Messer, läge er längst zerstückelt am Boden. Ihr Ton wurde mit jedem Satz eisiger.

Eine interessante, sogar ärgerliche Reaktion, da eigentlich er das Opfer war. Schließlich hatte sie ihn betrogen. Nun ja, streng genommen eigentlich nicht, da sie nicht offiziell zusammen gewesen waren, aber sie hatte die eine Sache getan, die er nicht ausstehen konnte: Sie hatte ihn benutzt, um an einen stärkeren, mächtigeren Jameson heranzukommen – seinen Vater.

Spence musterte Rylan, der einen makellosen grauen Anzug und eine violette Krawatte trug. Er hatte die perfekte Uhr, den perfekten Haarschnitt. Seine Schuhe glänzten, sein Haar war gekämmt. Nichts – wirklich absolut nichts – an diesem Typen wirkte fehl am Platz. Offenbar hoffte Rylan, dass das hier ein Date oder zumindest der Auftakt zu einem Date war und nicht nur ein informelles nachmittägliches Meeting. Nun, damit war jetzt Schluss.

„Sind Sie hier fertig?“, fragte Spence ihn in einem Tonfall, der eindeutig ein Ja forderte.

„Allerdings“, ließ Rylan sich nicht entmutigen und drückte Abby den Arm. „Ich rufe Sie morgen an, damit wir die Liste der Beanstandungen durchgehen können.“ Er ließ sie los und nickte Spence zu. „Mr. Jameson.“

„Rylan.“

Spence sah dem Ingenieur nach. Noch nie hatte er jemanden von der ersten Sekunde an so verabscheut. Es war völlig egal gewesen, was Rylan sagte, Spence hätte ihn so oder so nicht gemocht.

Die Hände hinter sich auf den Tisch gestützt, lehnte Abby sich zurück. „Taktlos wie immer.“

Ihr allein gegenüberzustehen stellte die Mauern, die er gegen sie errichtet hatte, auf eine harte Probe. Es sollte ihm nichts ausmachen, sollte nichts bedeuten. Doch sein Verstand und sein Körper hatten Probleme, sich an diese Regel zu halten. Trotz der drei Meter Entfernung zwischen ihnen stieg in Spence dieses altbekannte Gefühl auf: Verlangen, vermischt mit Lust und einem Hauch der Verwirrung. Er wurde förmlich davon überrollt. „Habe ich etwa euer Date gestört?“

Sie verdrehte die Augen. „Natürlich. Ich bin schließlich nicht in der Lage, mich mit einem Mann zu treffen, ohne die Finger von ihm zu lassen.“

„Das hast du jetzt gesagt, nicht ich.“

„Was willst du?“ Sie gab nicht nach. Das hatte ihm schon immer gefallen. Die Grenze zwischen Chef und Angestellter hatte sie nie sonderlich interessiert. Wenn sie etwas dachte, sagte sie es auch. Und wenn sie einen anderen Standpunkt hatte, machte sie diesen deutlich. Sie blieb stets taktvoll, schwang nie wütende Reden im Pausenraum, aber es war auch nicht ihre Art, das Ego ihrer männlichen Mitarbeiter zu schonen. Er fand das sexy. Hatte es selbst dann noch sexy gefunden, als sein Leben in die Brüche ging und die Beziehung zu seinem Vater, die nie sonderlich gut gewesen war, endgültig zerstört wurde.

„Redest du so etwa mit deinem Boss?“ Sie mussten einander tolerieren, ob es ihnen nun gefiel oder nicht. Da konnte er auch versuchen, die Grenze zwischen ihnen neu zu setzen. Für ihn hieß das, ihren Gang und den Klang ihrer Stimme zu ignorieren. Zu vergessen, dass er sich für sie einst sogar gegen seinen Vater aufgelehnt hätte. Er musste diese Gefühle, diese Verletzbarkeit, loswerden, und zwar sofort.

„Ach, das bist du jetzt also? Soweit ich weiß, bist du abgehauen und hast nie zurückgeblickt. Wäre das hier ein Comic, hättest du glatt ein Loch in Spence-Form in der Wand hinterlassen.“ Zum ersten Mal lächelte sie.

„Ich war einfach überrascht.“ Als würde das auch nur annähernd beschreiben, wie er sich gefühlt hatte, als er die Frau, die er wollte, in den Armen des Vaters sah, der ihn immer nur enttäuscht hatte.

Sie stieß sich vom Tisch ab und rückte den Stapel Akten zurecht, ohne ihn anzusehen. „Du denkst also immer noch, dass du damals das Opfer warst?“

„Du hast meinen Vater geküsst.“

Über die Schulter hinweg warf sie ihm einen Blick zu. „Was machst du hier, Spence?“

Sie leugnete es nicht, doch genau wie bei ihrem letzten Gespräch – als sie einander angeschrien und sich gestritten hatten – lag da ein Hauch Traurigkeit in ihren braunen Augen. Sie ließ die Schultern sinken, und einen Augenblick lang sah sie nicht mehr aus wie die selbstbewusste Frau, als die er sie kannte. Was das wohl heißen mochte? „Das hier ist ein wichtiges Projekt, und …“

„Ich meine in D. C.“ Sie nahm sich den Stapel Akten und drückte ihn sich an die Brust. „Bleibst du dieses Mal?“

Diese Frage konnte er nicht ausstehen. Genau das hatte Derrick auch schon wissen wollen. Die Leute in der Firma ebenfalls. Selbst der Typ bei der Mietwagenfirma hatte sich danach erkundigt. Spence gab ihr dieselbe Antwort, die er schon seit drei Wochen ständig wiederholte. „Derrick braucht ein wenig Hilfe.“

„Aha.“ Stirnrunzelnd musterte sie ihn. „Ich hätte nie gedacht, dass du alles stehen und liegen lässt, um jemandem zu Hilfe zu eilen.“

„Wir kennen uns ja auch nicht sonderlich gut, oder?“

„Ich schätze nicht.“ Sie hob ihre Tasche auf. Offenbar wollte sie gehen.

„Derricks Verlobte hat gesundheitliche Probleme“, sagte er.

Sofort verflog die Wut aus Abbys Gesicht; sie erbleichte und trat mit ausgestreckter Hand einen Schritt auf ihn zu. Doch sie ließ den Arm sinken, ehe sie ihn berühren konnte. „Ist bei der Schwangerschaft etwa noch was schiefgelaufen?“

„Du weißt davon?“ Klar, die Schwangerschaft war in den Klatschspalten ein großes Thema gewesen. So war das nun einmal, wenn sich einer der berüchtigten Jameson-Erben häuslich niederließ. Über ihr Leben wurde schon seit Jahren ausgiebig berichtet. Doch die Familie hatte die Schwangerschaft nicht bestätigt; es war einfach noch zu früh – und zu persönlich. „Seid ihr miteinander befreundet?“

Abbys Miene wurde ausdruckslos. „Ist die Vorstellung wirklich so schlimm?“

Er musste zugeben, dass er sich wie ein Mistkerl benahm, so als würde sich alles bloß um ihn drehen. Derricks Verlobte Ellie konnte die Unterstützung wirklich gebrauchen. Aber dennoch … „Na ja, das wäre irgendwie unangenehm, findest du nicht?“

„So unangenehm wie dieses Gespräch?“

Aus irgendeinem Grund blieb ihm bei dieser Antwort glatt die Luft weg. Beinahe hätte er gelächelt, doch er konnte sich gerade noch davon abhalten. „Hör mal, wir werden irgendwie miteinander klarkommen müssen.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Wieso?“

Sie hatte sich wirklich kein bisschen verändert. „Wieso?!“

„Du bist jetzt drei Wochen zurück, und bisher konnten wir uns problemlos aus dem Weg gehen. Wieso halten wir das nicht einfach weiter so?“

Sie klang reserviert und ungerührt, doch er konnte sehen, wie sie die Akten umklammerte. Tatsächlich konnte er aus dieser Entfernung einfach alles sehen: die goldenen Flecken am äußeren Rand ihrer Iris. Das leichte Zittern ihrer Hände. Er atmete tief ein und versuchte, sein rasendes Herz zu beruhigen. „Wer läuft jetzt davon?“

„Bist du sicher, dass du diese Diskussion führen willst? Das ist nämlich kein Problem.“ Sie kam noch einen Schritt näher. Jetzt trennten sie nur noch wenige Zentimeter. „Ich bin nicht diejenige, die etwas gesehen, es falsch interpretiert und dann einen Tobsuchtsanfall bekommen hat.“

„Falsch interpretiert?“

„Stört dich meine Wortwahl etwa?“

„Du hast meinen Vater geküsst!“ Er schrie so laut, dass die Wände bebten.

Im darauffolgenden angespannten Schweigen wich sie zurück. „Das denkst du.“

„Ja, natürlich, verdammt noch mal!“

„Du findest sicher selbst raus.“ Sie ging Richtung Tür.

„Hey.“ Er strich ihr über den Arm, ließ die Hand jedoch sinken, als sie ihn böse anfunkelte. „Na schön, ich fasse dich nicht an.“

„Gut.“ Sie sprach das „Nie wieder“ nicht aus, dennoch war ihre Haltung unmissverständlich.

Bedauern erfasste ihn. Er war hier, um die Sache endlich aus der Welt zu schaffen. Er hatte ihren Terminplan gecheckt, war extra unangekündigt hergekommen, damit er die Oberhand hatte. „Ich will, dass wir höflich miteinander umgehen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Was?“ Er machte ihr ein Friedensangebot. Er hatte nicht auf eine Entschuldigung bestanden oder gar darauf, dass sie die Verantwortung für ihre Taten übernahm. Und trotzdem blieb sie in der Offensive.

„Du hast mich angelogen“, sagte sie. Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter.

Darauf wollte ihm einfach keine gute Antwort einfallen. „Wann?“

„Du hast mich glauben lassen, du wärst ein guter Mensch, aber das bist du nicht. Du bist abhängig von deinem Vater, immer darauf bedacht wegzulaufen, und versuchst verzweifelt, es allen recht zu machen.“ Sie zählte seine Fehler an den Fingern ab.

Und schon ging sein Temperament mit ihm durch. „Das reicht.“

„Das Angebot steht: Wir gehen uns weiterhin aus dem Weg.“

„Soll das heißen, du gehst immer raus, wenn ich reinkomme? Gibst Projekte ab, die ich betreue?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Das ist für mich kein Problem.“

Nein, er würde sich nicht von ihr in die Enge treiben lassen. Er war der Boss. Er war nicht derjenige, der es vermasselt hatte. „Du hast uns das angetan.“

Ihr klappte die Kinnlade herunter. Einen Moment lang sagte sie nichts. Dann knirschte sie mit den Zähnen. „Du bist echt unglaublich.“ Wieder schlüpfte sie an ihm vorbei; dieses Mal schaffte sie es bis zur Tür.

„Hör auf davonzustürmen, und rede mit mir.“ Sie machte ihn echt wütend. Mit jedem ihrer Worte wurde er nur noch frustrierter.

„Okay.“ Sie wirbelte herum und sah ihn wieder an. „Du willst reden? Reden wir. Du bist auch nicht besser als dein Vater.“

Die Worte trafen ihn wie Messerstiche. „Ich schätze, du bist bestens für diesen Vergleich qualifiziert, da du uns ja beide geküsst hast.“ Wortlos starrte sie ihn an. „Was, keine Retourkutsche?“

„Halt dich einfach von mir fern.“

„Sonst was?“

„Treib’s nicht zu weit, Spence. Andere Leute mögen Angst vor dir haben oder versuchen, dich zu beeindrucken, aber ich weiß es besser.“ Sie schüttelte den Kopf. „Dir muss wirklich mal jemand ordentlich in den Hintern treten. Und wenn du so weitermachst, übernehme ich das nur zu gern.“

2. KAPITEL

Bisher war Abby ohne groß nachzudenken zu Ellies Haus in Georgetown gegangen, um sie zu besuchen – doch damit war es nun vorbei. Ellie wohnte mit Derrick Jameson zusammen. Die beiden waren verlobt, und ihre Risikoschwangerschaft machte die Leute auf der Arbeit, ihre Freunde – einfach alle – nervös.

Derrick war Spence’ älterer Bruder, und Spence war der Albtraum, der einfach nicht enden wollte. Entsprechend war Abby hin- und hergerissen. Mit jemandem befreundet zu sein, der eine so enge Bindung zu dem Mann hatte, der ihr das Herz gebrochen hatte, würde nur mit noch mehr Schmerz enden. Und das konnte Abby nun wirklich nicht gebrauchen.

Ellie und Abby hatten sich ganz zufällig getroffen. Jemand hatte fälschlicherweise suggeriert, dass Derrick und Abby zusammen waren, und Ellie besuchte Abby in ihrem Büro, um sich bei ihr für den Schlamassel zu entschuldigen. Zwar verstand Abby noch immer nicht so ganz, was da genau passiert war, aber sie wusste die Vorwarnung und Ellies Vertrauen sehr zu schätzen, vor allem angesichts der Tatsache, dass sie sich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht kannten. Das war nun drei Wochen her, und seitdem waren sie miteinander befreundet.

Spence hatte ihr nie vertraut, und doch war er der Mann, mit dem sie aus-, ja, sogar ins Bett hatte gehen wollen – zumindest bevor er vor Monaten hinausgestürmt war und sich geweigert hatte, ihr zuzuhören. Erneut durchlebte sie diesen schrecklichen Tag. Sie konnte sich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen …

Vor Panik und Frust brummte ihr der Schädel. „Es ist nicht so, wie du denkst.“

„Ich habe doch Augen im Kopf, Abby.“ Aufgebracht ließ Spence den Blick von ihr zu seinem Vater wandern … und zu dessen Hand auf ihrer Hüfte. Das Geräusch, das er dabei von sich gab, klang beinahe wie ein Knurren. „Du willst ans obere Ende der Nahrungskette? Nur zu, er gehört ganz dir. Viel Glück.“

Sie wollte ihm folgen, doch Eldrick hielt sie zurück. „Spence, warte …“

„Ich habe es dir doch gesagt.“ Eldrick lächelte auf sie hinab, während sie sich von ihm losriss. „Du bist hinter dem falschen Jameson her.“

„Schön, dass du da bist …“ Ellies Lächeln erlosch. „Was ist los?“

Die Erinnerung verblasste, und Abby fand wieder in die Gegenwart zurück. Sie stand auf der Türschwelle von Ellie und Derricks Schlafzimmer, einen Karton Brownies in der Hand. Ellie saß in eine Decke gewickelt auf dem riesigen Bett, von Kissen umringt und Derrick neben sich; er trug immer noch Anzughosen und ein Hemd. Nur die Krawatte hatte er abgelegt. Sie hing über einem Sessel neben dem Bett.

„Nichts.“

„Hm.“ Ellie zog eine Grimasse. „Du siehst wütend aus.“

Derrick seufzte. „Spence also.“

„Definitiv Spence.“ Ellie nickte.

Damit lagen sie nicht falsch. Aber trotzdem … „Ich kann echt nicht glauben, dass ihr beide miteinander verwandt seid.“

„Eigentlich sind wir uns doch ziemlich ähnlich.“ Derrick lächelte, doch als Abby weiterhin reglos dastand, biss er sich auf die Lippe. „Das war wohl die falsche Antwort.“

„Ist was passiert?“ Einladend klopfte Ellie neben sich auf das Bett.

Die beiden so nebeneinander sitzen zu sehen, versetzte Abby einen Stich … Neid, Bedauern, Sehnsucht … Sie konnte das Gefühl nicht identifizieren, es nicht lang genug festhalten, um es zu einzuordnen. Doch eins wusste sie: Sie störte hier nur.

Gerade wollte sie die Brownies fallen lassen und davonlaufen, als sie den Gesichtsausdruck der beiden bemerkte. Ihre Besorgnis. Derrick war immer noch ihr Boss, und er sollte wissen, dass Spence eigentlich nichts falsch gemacht hatte. Zumindest dieses Mal. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, keine Sorge. Er ist bloß unangekündigt auf dem Grundstück aufgetaucht.“

Derrick zuckte zusammen. „Apropos …“

Langsam drehte Ellie den Kopf und schaute ihn böse an. „Was hast du getan?“

„Dir wurde ja Bettruhe verordnet, und deswegen …“

„Gib bloß nicht mir die Schuld.“

„Ich muss anders anfangen.“ Derrick räusperte sich. „Da ich im Moment nicht so oft ins Büro kann …“

Ellie seufzte laut. „Du gibst immer noch mir die Schuld.“

Sie waren so niedlich, so in Einklang, dass Abby sich seiner erbarmte. „Lass mich raten: Spence beaufsichtigt einige der Projekte, jetzt, wo er wieder in der Stadt ist.“

Kurz schloss Derrick die Augen. Ihm war die Erleichterung deutlich anzusehen. „Danke. Ja, genau das wollte ich sagen.“

Ganz würde sie ihn jedoch nicht vom Haken lassen. „Zum Beispiel das Projekt, für das ich verantwortlich bin.“

„Und das bist du auch weiterhin. Spence hat nur die Aufsicht darüber. Er ist da, um sich eine Übersicht über eure Fortschritte zu verschaffen und uns auf dem Laufenden zu halten, mehr nicht. Das weißt du doch.“

„Das waren aber eine Menge Worte“, sagte Ellie erstaunt.

„Ich wollte nur, dass das klar ist.“

Sie verdrehte die Augen. „M-hm. Bist du sicher, dass du nicht eigentlich was ganz anderes tust?“

Derrick lächelte. „Ich habe keine Ahnung, worauf du hinauswillst.“

Aber Abby hatte es verstanden. Derrick erklärte fast nie, wieso er etwas tat. Und seine Antwort war ein beinahe wörtliches Zitat aus dem Bürohandbuch. Bei dem Gedanken wurde Abby ganz nervös. Wollte Derrick etwa Amor spielen und hatte sie und Spence deswegen demselben Projekt zugeteilt? Nein, das war vollkommen lächerlich. Derrick war nicht gerade ein Menschenkenner.

Und doch hatte er Abby befördert, kurz nachdem Spence die Stadt verlassen hatte. Sie hatte ernsthaft darüber nachgedacht, die Beförderung abzulehnen, damit niemand ihr vorwerfen konnte, man hätte sich so ihr Schweigen über die Bettgeschichten der Jameson-Männer erkauft. Doch dann entschied sie, dass sie für die neue Position durchaus qualifiziert war und das Geld brauchte – und sie wollte eh nicht allzu lange in der Firma bleiben. Nun war sie nicht länger Assistentin, sondern Projektmanagerin. Sie brauchte keinen Babysitter – und schon gar nicht diesen. „Spence ist einfach unangekündigt bei dem Meeting aufgetaucht.“

„Er hat Zugriff auf deinen Terminkalender“, meinte Derrick.

Ellie klopfte ihm aufs Knie. „Ich liebe dich, aber das hier ist wirklich nicht deine Stärke.“

„Nein, ist schon gut.“ Abby versuchte, ruhig zu sprechen, doch Derrick runzelte die Stirn, und Ellie riss die Augen auf.

„Wirklich?“ Ellie stieß einen verächtlichen Laut aus. „Das klang nämlich alles andere als gut.“

Derrick legte den Arm um sie. „Ich glaube, sie will nicht, dass du dich aufregst, und verkneift sich deswegen ihre Tirade darüber, wie sehr sie Spence doch hasst.“

Kopfschüttelnd winkte Ellie ab. „Ach was. Klatsch über die Jamesons höre ich immer gern. Der ist so unterhaltsam.“

Spence hassen. Schön wär’s. Abbys Leben wäre so viel einfacher, wenn sie ihn tatsächlich hassen könnte. Sie hatte es versucht. Schließlich hatte er sie auf so viele Arten enttäuscht. Hatte ihr nicht geglaubt, ihr nicht einmal die Chance gegeben, ihm alles zu erklären. Für seinen Vater konnte sie jede Menge Hass aufbringen, doch von Spence war sie enttäuscht, mehr nicht. Und ihn nun wiederzusehen …

Sie hatte seine tiefe, kräftige Stimme im Büroflur gehört und war in die Abstellkammer geschlüpft, um ihm aus dem Weg zu gehen. Und dann war da sein Gesicht. Dieses umwerfende Gesicht. Das glatte schwarze Haar und die bemerkenswerten hellbraunen Augen. Und dieser Mund. Seine Lippen schrien förmlich danach, geküsst zu werden.

Nicht, dass ihr das besonders aufgefallen wäre. Zumindest gab sie sich Mühe, nicht darauf zu achten. Irritiert schüttelte sie den Kopf. „Ich hoffe einfach mal, dass das eine einmalige Sache war und ich stattdessen einfach Berichte abgeben oder Jackson auf dem Laufenden halten kann, damit der dann Spence informiert.“

Derrick runzelte die Stirn. „Ich glaube, das wäre wenig effizient.“

„Es könnte Spence das Leben retten.“ Ellie verschränkte ihre Finger mit Derricks. „Nur so nebenbei bemerkt.“

Die sanfte Berührung zeigte Wirkung. „Wenn du dich nicht mit Spence auseinandersetzen möchtest, kann ich dein Projekt übernehmen. Dann bin ich der stille Jameson im Hintergrund.“

Das war ein nettes Angebot, aber sie konnte es nicht annehmen. Wenn sie das täte, würde das suggerieren, dass sie dem Druck nicht gewachsen war, und das wollte Abby auf keinen Fall.

Ellie drückte Derrick die Hand. „So leitest du das Büro doch eigentlich nicht, oder?“

„Nein.“

Abby zuckte mit den Schultern. „Doch, irgendwie schon.“

Ein paar Sekunden lang herrschte Schweigen. Angespannt sahen sie einander an. Was passierte hier? Führten Ellie und Derrick ein stilles Gespräch? Was es auch war, im kühlen Zimmer wurde es plötzlich stickig.

„Alles okay hier drin?“ Spence’ laute Stimme durchbrach die Stille. Er stand genau hinter ihr. Als er ausatmete, strich ihr sein warmer Atem über den Nacken. Zeit zu gehen.

Autor

Helen Kay Dimon
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