Herzrasen in deiner Nähe

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Wild und ungezähmt das Leben und die Lust genießen - das ist Beths Motto, denn sie hat gelernt, dass jede Minute zählt. Sie wird ab sofort keine halben Sachen mehr machen, sondern aufs Ganze gehen, auch in der Liebe. Leider kommt ihr jetzt, wo sie eine tiefe Beziehung sucht, ausgerechnet der attraktive Ford Lassiter in die Quere. Der erfolgreiche Business-Tycoon ist das genaue Gegenteil von ihr: Eisern diszipliniert behält er stets die Kontrolle über alles und jeden. Klar, dass da die Funken fliegen! Kontrollfreak vs. Freigeist - diese Kombination ist hochexplosiv …


  • Erscheinungstag 06.06.2019
  • Bandnummer 21
  • ISBN / Artikelnummer 9783745750645
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Damals

Das konnte nicht richtig sein.

Ford Lassiter riss seinen Blick von dem kastenförmigen braunen Haus los, das auf dem großen, von grünen Laubbäumen beschatteten Grundstück stand, und sah auf die Navigationsapp seines Handys. Das blinkende Symbol verriet ihm, dass er sein Ziel erreicht hatte.

„Na super.“ Er hatte viel Geld für die beste Technologie ausgegeben, und jetzt, wo er sein Navi wirklich brauchte, führte es ihn zu einem heruntergekommenen Anwesen im South End, anstatt zu der Werkstatt, die er dringend benötigte, um seinen Wagen reparieren zu lassen, der ein sehr ominöses Rattern von sich gab.

Das Meeting außerhalb der Stadt würde er nun verpassen. Daran ließ sich nichts mehr ändern. Trotzdem, war er es nicht gewohnt, dass nicht alles nach Plan lief, und das nervte ihn kolossal.

„Verdammt!“ Er schlug mit der Hand aufs Lenkrad und erschrak, weil er aus Versehen die Hupe getroffen hatte. Adrenalin schoss durch seinen Körper, und er rollte mit den Augen über sein eigenes Verhalten.

„Du kannst ohne Hilfe ein kleines Imperium leiten“, sagte er und rieb sich mit der Hand über die Augen. „Aber deinen Wagen bekommst du nicht alleine repariert.“ Für einen Moment lehnte er sich auf seinem Ledersitz zurück.

Der Gedanke verletzte seinen Stolz. Er hatte immerhin einen Uni-Abschluss, um Himmels willen. Er war ein sehr intelligenter, sehr reicher Mann.

Er würde doch wohl noch sein Auto ohne Babysitter hinbekommen.

Stirnrunzelnd gab er noch einmal den Namen der Werkstatt ein, die ihm der alte Mann an der Tankstelle empfohlen hatte: Marchande Motors.

Sie haben Ihr Ziel erreicht.

„Na gut.“ Entweder würde er den Entwickler von Google Maps umbringen müssen, oder er übersah hier etwas.

Er stieg aus dem tief liegenden silbernen Porsche Turbo und streckte sich. Dann sah er sich um. Er stand in einer ruhigen Straße in einem alteingesessenen Viertel, das wirkte, als hätte es schon bessere Tage gesehen. Anders als seine gitterförmig angelegte Nachbarschaft in Boston, wo er den Großteil seiner Zeit verbrachte, war diese Gegend hier … verwirrend.

Ältere Einfamilienhäuser wechselten sich mit neueren Gebäuden ab, die vermutlich erbaut worden waren, nachdem man die noch älteren Häuser abgerissen hatte, weil sie den Elementen keinen weiteren Tag standgehalten hätten. Dazwischen lagen kleine Häuschen, die kaum mehr als Hütten waren. Bei dem Gebäude, in dem sich angeblich die Werkstatt befinden sollte, und dem nebenan handelte es sich um stattliche, alte Anwesen, obwohl das Nachbarhaus sich in einem wesentlich besseren Zustand befand als das, vor dem er gerade stand.

Auf den Grundstücken der netteren Anwesen parkten Autos, und die ärmlicher aussehenden Behausungen waren mit Blumenkästen voll bunter Blumen auf den Fensterbänken verziert. Nichts davon ergab für Ford irgendeinen Sinn. Für jemanden, der etwas schrulliger war als er mochte diese Gegend einen gewissen Charme ausstrahlen, er allerdings sah nur Chaos.

Auf dem Weg zu seinem Treffen in einem Vorort im Süden der Stadt hatte sein Wagen mit einem Mal angefangen, seltsame Geräusche von sich zu geben. Ford war noch nie hier im South End gewesen, und als er sich weiter umschaute, wusste er auch, warum.

Er presste die Lippen zusammen und ging über den Bürgersteig auf das Gebäude zu, das ihm sein Navi genannt hatte.

Die alten, knorrigen Bäume hatten verdeckt, dass es sich um ein Eckgrundstück handelte. Sobald Ford um die Ecke gebogen war, sah er eine Auffahrt, auf der mehrere Autos in einer mehr oder weniger ordentlichen Reihe standen.

Er hörte mehr, dass Leben im Haus war, als dass er es sah, denn die Musik plärrte so laut, dass er sich fragte, warum er sie nicht schon früher gehört hatte. Die Antwort bekam er, als er sich durch die üppige grüne Vegetation schob und die Lautstärke der Musik zunahm: Die Büsche dienten als Schallschutz.

Und jetzt, wo er hier war, zuckte er zusammen, weil der Bass drohte, ihm die Trommelfelle platzen zu lassen.

Die Musik erkannte er gerade noch als Metallica. Und auch wenn er sich bemühte, nicht auf andere herabzuschauen, fragte er sich doch, wer sich „Enter Sandman“ anhörte, wenn es so viele zivilisiertere Optionen gab, wie zum Beispiel Coldplay.

Das Plastikschild mit den schiefen Buchstaben, das ihm verriet, dass er wirklich dort war, wo er hinwollte, half nicht, seine Meinung zu verbessern. Es steckte an einem Holzpflock mitten im Rasen, und er vermutete, dass die Buchstaben einst rot gewesen waren, aber jetzt hatten sie eher die Farbe von drei Tage altem Lachs.

„Auf keinen Fall werde ich mein Auto hier lassen.“ Ford wusste, dass er ein kleiner Snob war, und hatte damit kein Problem. Er arbeitete hart, um dem Familiennamen alle Ehre zu machen – sogar härter, als sein Vater je gearbeitet hatte. Was machte es da schon, dass er die Vorzüge genoss, die mit dem Reichtum einhergingen?

„Wollen Sie Ihre Schlüssel abgeben, oder lieber den ganzen Tag dort stehen bleiben?“, rief ihm eine weibliche Stimme aus den tiefen Schatten der Garage zu und riss ihn damit aus seinen Überlegungen. Er hatte gar nicht gesehen, dass jemand dort war. Ford blinzelte gegen die helle Mittagssonne, konnte die Sprecherin aber immer noch nicht sehen.

Er war es nicht gewohnt, in Verlegenheit gebracht zu werden, und schätzte diese Erfahrung überhaupt nicht.

„Mir scheint, ich bin am falschen Ort“, gab er zurück. Eine Werkstatt neben einem heruntergekommenen Haus, ohrenbetäubende Musik, eine Frau, die ihn anbrüllte, anstatt ihn anzulächeln, wie er es gewohnt war … nein. Einfach nein.

Mit geradem Rücken drehte Ford sich auf dem Absatz seiner rahmengenähten italienischen Lederschuhe um und trat den Rückzug an.

„Wenn Sie eine andere Werkstatt suchen – ich weiß mit ziemlicher Sicherheit, dass Jimmy ausgebucht ist.“ Die Stimme hatte einen deutlich hörbaren Akzent aus Massachusetts – den gleichen Akzent, den er sich mühsam abgewöhnt hatte. Eigentlich hätte ihn das noch mehr nerven müssen, aber bei dem, was sie gerade gesagt hatte, konnte er sich nicht auf ihre Stimme konzentrieren. „Er hat mir den Auftrag geschickt, an dem ich gerade arbeite, weil er überbucht ist.“

Mist. Das Klappern in seinem Turbo klang ziemlich schlimm, vor allem im Vergleich zu dem normalerweise beinahe lautlosen Schnurren des Motors. Trotzdem hätte er es vielleicht riskiert … wenn er sich daran erinnern könnte, wann der Wagen das letzte Mal in der Inspektion gewesen war.

Er drehte sich wieder um, holte sein Handy raus und tippte eine Nachricht an seinen Assistenten, auch wenn er den Anruf gut und gerne selber hätte tätigen können. Jeremy – effizient wie immer – antwortete innerhalb einer Minute.

Das wird dir nicht gefallen, aber ich bin nur der Bote. Ein Abschleppwagen kann in frühestens zwölf Stunden da sein. Es hat einen großen Unfall am Hafen gegeben und alle Abschlepper sind vor Ort, um das Chaos zu beseitigen.

Ford biss die Zähne zusammen.

In welcher Werkstatt bist du? Könntest du den Porsche dort lassen, und ich schicke dir einen Wagen, um dich abzuholen?

Weiter unten auf der Straße dröhnte ein Motor auf, und Ford zuckte vor Schreck so zusammen, dass er beinahe das Handy hätte fallen lassen.

Dem Motorengeräusch folgten finstere Flüche und Rufe.

Der Turbo war sein Baby. Seine erste große Anschaffung, nachdem er angefangen hatte, richtig gutes Geld zu verdienen. Nein, auf keinen Fall würde er ihn über Nacht hier lassen.

„Wo habe ich nur meine Schlüssel?“ Seine Stimme klang selbst in seinen Ohren angespannt, als er sich erneut umdrehte und auf die Werkstatt zuging. Er trat durch die offene Tür ein und ließ den Blick über haarsträubend unorganisierte Regale gleiten, wobei der den schweren Duft von Motoröl und Benzin einatmete.

Trotzdem sah er die Person nicht, die vorhin gesprochen hatte. Unglaublich.

„Lassen Sie die Schlüssel einfach auf der Werkbank da vorne liegen.“ Die Stimme kam von unten. Erschrocken blickte er hinab und sah ein Paar dreckiger Arbeitsstiefel unter einem rostigen alten Ford Contour herausschauen – die geheimnisvolle Stimme.

„Könnten Sie bitte da rauskommen, damit ich einen Moment mit Ihnen sprechen kann?“ Ford war es nicht gewohnt, um so etwas bitten zu müssen. Wenn er das Hochhaus in Boston betrat, das die Hauptzentrale seines Hotelkonglomerats bildete, nahmen die Mitarbeiter sofort Haltung an. Der Sicherheitsmann winkte ihn lächelnd durch. Menschen hielten den Fahrstuhl für ihn auf. Auf seiner Etage reichte ihm eine Assistentin eine Tasse perfekt gebrühten schwarzen Kaffee, und auf seinem Tablet war der Tagesplan bereits für seine Absegnung geöffnet.

Ein sehr unweibliches Schnauben erklang zu seinen Füßen.

„Wenn ich rauskomme, um mit Ihnen zu sprechen, muss ich die Arbeit an diesem Wagen unterbrechen. Dadurch komme ich mit der nächsten Reparatur in Verzug und so weiter und so fort. Das betrifft dann am Ende auch Ihr Auto.“ Die eigentlich ganz süße Stimme troff vor Sarkasmus. „Und ich schätze, Sie sind der Typ, der es höchst eilig hat, von hier wieder wegzukommen, also nein, ich werde erst rauskommen, wenn ich fertig bin. Lassen Sie Ihre Schlüssel auf der Werkbank, füllen Sie das Formular aus, und kommen Sie in drei Stunden wieder. Oder lassen Sie Ihren Wagen zur North Side abschleppen.“

Jeremy hatte gesagt, dass Abschleppen keine Option sei. Die ganze Situation war vollkommen inakzeptabel.

„Drei Stunden?“, fragte er indigniert. „Das geht nicht. Ich bezahle dafür, in der Schlange vorzurücken, aber ich erwarte, dass mein Wagen so schnell wie möglich fertig ist.“

Das sagte er in dem Ton, den er normalerweise auf dem Schlachtfeld der Vorstandssitzungen benutzte – dem Ton, der ihm immer, immer, zu dem gewünschten Ergebnis verhalf. Doch hier?

Die Füße, die im Takt der Musik gewippt hatten, hielten inne. Ein Hauch von Honig-Vanille stieg Ford in die Nase, nur Sekunden, bevor die Frau unter dem Contour hervor rollte.

Er erhaschte einen kurzen Blick auf dunkle Haare und unglaublich blaue Augen, dann sprang die in einen blauen Overall gekleidete Gestalt auch schon auf und funkelte ihn nicht nur an, sondern stieß ihm auch ihren Finger in die Brust.

Er wusste, dass er niemals einen Feminismus-Preis gewinnen würde, war aber doch ein wenig erstaunt, dass der Mechaniker eine Frau war – er hatte angenommen, die Stimme gehöre zu einer Empfangsdame oder Sekretärin oder so. Nicht, dass er nicht glaubte, Frauen könnten jeden Job machen, den sie wollten. Er hatte es nur nicht erwartet.

„Moment mal …“ Er würde sich diese Behandlung durch einen Dienstleister nicht gefallen lassen, egal, ob sie eine Frau war.

Doch er kam nicht dazu, ihr das zu sagen.

,So schnell wie möglich‘ wird sein, wenn ich diesen Wagen und den danach fertig habe.“ Die Flammen, die aus ihren Augen schossen, drohten, ihn in Brand zu setzen. „Hier verhalten wir uns fair. Und fair ist es, wenn Sie abwarten, bis Sie dran sind.“

„Ich bin nicht sicher, ob Sie verstehen, wie viel Geld ich zu zahlen gewillt bin …“, setzte Ford an, doch die verdammte Frau stach ihm schon wieder mit dem Finger in die Brust.

„Was für ein Mensch beugt für Geld die Regeln?“ Schnaubend warf sie ihren langen dunklen Zopf über die Schulter, und Ford stieg wieder dieser faszinierende Vanille-Duft in die Nase. Der Geruch war hier so fehl am Platz; er überlagerte das Motoröl und ließ Ford an Cupcakes denken.

Ein seltsamer Gedanke für ihn, weil er sich nur selten einen Nachtisch gönnte.

„Sie meinen also, ich kann nichts tun, um den Prozess zu beschleunigen?“ Ford schob alle Gedanken an süße Backwaren beiseite und klammerte sich wieder an seine Genervtheit. Besonders nervtötend fand er, dass er diese seltsame Gestalt, die die Frechheit besaß, ihn anzuschreien, nicht sehen konnte – weder ihre Figur unter dem formlosen Overall noch ihre Haut unter der dicken Schicht Motoröl. Sie sah aus, als hätte sie in einer Kohlemine gearbeitet.

Die Frau lächelte süß, aber Ford bemerkte, dass ihre Augen – der einzige wirklich sichtbare Teil von ihr – immer noch funkelten.

„Wie gesagt.“ Sie zeigte auf die Werkbank. „Sie haben mich bereits in Verzug gebracht. Also um Himmels willen, wenn Sie wollen, dass ich Ihren verdammten Wagen repariere, legen Sie Ihre Schlüssel dorthin und füllen Sie das Formular aus.“

„Ich fasse es nicht, dass ich hier festsitze“, murmelte Ford und drehte sich um, um den Anweisungen der Frau Folge zu leisten. Er hörte sie leise lachen und drehte sich wieder zu ihr herum.

„Ehrlich gesagt, werden Sie im Café am Ende der Straße festsitzen.“ Sie sah ihn spöttisch an. Ganz eindeutig hielt sie von ihm nicht mehr als er von ihr. „Ich habe kein Wartezimmer.“

Mit der fließenden Bewegung eines Menschen, der sehr viel Übung darin hat, legte die seltsame Person sich wieder auf das komische Rollding – wie hieß das noch mal? – und verschwand unter dem Ford Contour.

Ford suchte nach einem schlagfertigen Kommentar, um diese unmögliche Frau in die Schranken zu weisen.

Doch ihm fiel nichts ein. Zumindest nichts, was diesem ölverschmierten Zwerg die Hochachtung entringen würde, die ihm normalerweise entgegengebracht wurde.

Mit wütender Miene ging er zur Werkbank und warf seine Schlüssel auf die unbehandelte Holzplatte. Dann nahm er den Bleistiftstummel und das Formular in die Hand, schüttelte jedoch kurz den Kopf und holte stattdessen eine Visitenkarte heraus, auf der alle relevanten Informationen standen, und klemmte sie an das Formular.

Marchande Motors

Inhaberin: Beth Marchande

Sie war also nicht nur Mechanikerin, sondern ihr gehörte die Werkstatt. Ford wusste nicht so recht, was er mit dieser Information anfangen sollte. Die Frau passte in keine der Schubladen, die er zur Klassifizierung der weiblichen Spezies angelegt hatte. Und er musste sie klassifizieren – er musste alles klassifizieren.

Was wäre das für ein Leben, ohne Ordnung?

Wie es aussah, würde diese seltsame, nach Vanille riechende Frau ihn zwingen, das herauszufinden.

2. KAPITEL

Beth beeilte sich nicht mit der Reparatur des Ford Contour. Oder der des großen alten Trucks, der danach dran war. Wenn sie sich beeilte, machte sie Fehler, und Fehler schadeten ihrem Ruf und damit ihrem Geschäft.

Ein verlorener Kunde bedeutete verlorenes Geld. Und das konnten sie und ihre Schwestern und ihre Mamesie sich nicht leisten. Sie alle bemühten sich, ihr Zuhause zu bewahren, und manchmal bedeutete das, Autos von Arschlöchern zu reparieren, die sie lieber vom Hof gejagt hätte.

Es war schon spät am Nachmittag, als sie sich endlich das Öl von Armen und Gesicht schrubbte und sich die Schlüssel schnappte, die der Kerl vorhin auf ihre Werkbank geworfen hatte – und zwar mit kaum verhohlener Wut, was ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

Von Natur aus war sie ein sehr geduldiger Mensch – das sagten zumindest ihre Schwestern immer –, aber wenn jemand ihr Verständnis von richtig und falsch bedrohte, neigte sie dazu, die Kontrolle zu verlieren. Und auch, dass der Fremde so umwerfend attraktiv war, zählte angesichts seiner Vergehen für sie nicht.

„War ja klar“, schnaubte sie, als ihr das Porsche-Logo am Schlüsselanhänger auffiel. Pfeifend ging sie um die Ecke und sah den schnittigen, silbernen Turbo auf der ruhigen, von Bäumen gesäumten Straße stehen.

Der schnieke Kerl war nicht nur sexy … er war auch stinkreich. Das hatte sie von Anfang an gewusst. Etwas an ihm hat förmlich „North Side“ geschrien. Was zum Teufel tat er hier im South End?

Und was machte er mit einem zehn Jahre alten Porsche? Sie war sich ziemlich sicher, dass er sich einen neuen leisten konnte. Trotzdem, ein Turbo war ein Turbo, und sie konnte die Aufregung nicht ganz unterdrücken, als sie die Wagentür öffnete. Sie saß schon halb drin, als ihr auffiel, dass sie sich zwar Hände und Gesicht gewaschen hatte, ihr Overall aber immer noch von Öl durchtränkt war. Und sie würde wetten, dass Mr. Angespannt etwas dagegen hätte, wenn sie seine butterweichen Ledersitze beschmutzte.

Also zog sie den Overall aus, rollte ihn zusammen und warf ihn auf den Beifahrersitz. Nur in weißem Tank-Top und pinkfarbener Yoga-Shorts setzte sie sich schließlich hinter das Lenkrad.

Ein Stöhnen entfuhr ihr, als sie mit den Händen über das Lenkrad strich. Ihre Freude darüber, in so einem Auto zu sitzen, hatte beinahe etwas Sexuelles, so gut fühlte es sich an.

Sie grinste, als sie kurz überlegte, sich einen kleinen Handjob auf dem Fahrersitz zu gönnen, und sich das Gesicht des Besitzers vorstellte, wenn sie ihm danach davon erzählte.

Verführerisch, aber nicht professionell, ermahnte sie sich. Also startete sie stattdessen den Motor und fuhr langsam vorwärts, wobei sie zusammenzuckte, als sie das tödliche Rasseln hörte.

„Getriebe.“ Sie musste gar nicht nachsehen, denn sie war eine verdammt gute Mechanikerin, und dieses Geräusch hatte sie schon mal gehört. Doch sie wollte den Turbo gründlich überprüfen, also öffnete sie, nachdem sie ihn in die Werkstatt gefahren hatte, die Motorhaube und seufzte ein wenig, als diese sich mit einem leisen Zischen automatisch anhob.

Ohne sich die Mühe zu machen, ihren Overall wieder anzuziehen, fing sie an, die einzelnen Teile dieser wundervollen Maschine zu untersuchen.

Und war von dem, was sie sah, mehr als nur ein wenig angeekelt.

Das Hauptproblem war das Getriebe, das wusste sie. Das Filtersystem war verstopft, die Gummis verhärtet und die Getriebeflüssigkeit vernachlässigt worden. Der Turbo benötigte ein komplettes neues Ersatzteil.

Abnutzung gehörte zu einem Auto dazu. Aber in Kombination mit dem Schlamm, der hier für Öl durchging, dem Rost im Kühlsystem, den verstopften Einspritzdüsen …

Sie wettete, dass dieser Mann … wie hieß er noch mal? Sie griff nach dem Formular und hinterließ schwarze Schmutzspuren auf dem weißen Papier.

Ford Lassiter. Natürlich. Ein schnieker Name für einen schnieken Mann. Und diese ganzen Collegeabschlüsse, die unter seinem Namen standen. Wie auch immer, sie könnte wetten, dass Ford Lassiter sein Auto in den zehn Jahren, die er es besaß, gerade mal ein dutzend Mal in die Inspektion gegeben hatte. Vorausgesetzt, er war der Erstbesitzer, wovon sie aber ausging.

Unverantwortlich.

„Ist er fertig?“

Beth drehte sich um und sah den fraglichen Mann am Eingang ihrer Werkstatt stehen. Seine Silhouette zeichnete sich vor dem Licht der Nachmittagssonne ab. Er war groß, vermutlich zwanzig Zentimeter größer als ihre eins siebenundsechzig. Seine Haare hatten eine sandige Farbe, die sie an einen Löwen denken ließ und das überraschende Schokoladenbraun seiner stechenden Augen hervorhob.

Er war schlank, doch sein Körper sah zäh aus, als würde er mehr damit tun als nur ins Fitnessstudio zu gehen. Der Anzug war gut geschnitten und eindeutig teuer, und er brachte seinen Körper sehr gut zur Geltung.

Seit ihrer letzten Begegnung hatte er sein Jackett ausgezogen, die Krawatte gelockert und die oberen Knöpfe seines weißen Hemds geöffnet. Die offene Cola-Dose, die er in der Hand hielt, stand in starkem Kontrast zu seinem schicken Outfit. Doch Beth zog diesen Look vor. Ehrlich gesagt hätte sie jetzt, wo sie an den Turbo gelehnt stand und ihn anschaute, am liebsten ein wenig geschnurrt.

Dabei war er überhaupt nicht ihr Typ.

„Er ist definitiv noch nicht fertig.“ Trotz ihrer Genervtheit verspürte sie ein leichtes Flattern im Magen, als sie ihn ansah – ihn wirklich ansah. Sie müsste schon tot sein, um bei dem Anblick nichts zu empfinden.

„Was meinen Sie damit, er ist noch nicht fertig?“ Das attraktive Gesicht verzog sich zu einem missbilligenden Stirnrunzeln, und Beth zog eine Augenbraue hoch.

Sexy oder nicht, er zollte ihr besser etwas Respekt, wenn sie ihm die Neuigkeiten überbrachte.

„Wann haben Sie den Wagen das letzte Mal in der Inspektion gehabt?“, fragte sie und stieß sich vom Porsche ab. Dann bedeutete sie Ford, näher zu treten, um einen Blick unter die Motorhaube zu werfen. Er zögerte, und ihr entging nicht, wie sein Blick an ihrem Körper hinabwanderte – der wesentlich entblößter war als vorhin im Overall.

Interessant. Beth hatte Menschen schon immer gut lesen können – vermutlich, weil sie es vorzog, sich im Hintergrund zu halten und sie zu studieren, anstatt sich ins Getümmel zu schmeißen. Diese Gabe verriet ihr, dass Ford Lassiter ein Mann war, der in seiner Welt alles unter Kontrolle hatte.

Wenn sie Geld hätte, würde sie darauf wetten, dass er eine Frau niemals so mustern würde, wenn nicht ein Teil von ihm wollte, dass die Frau es mitbekam.

Er hatte sich nicht gerührt, sondern betrachtete sie immer noch eindringlich.

Sieh an, sieh an. Der reiche Mann wollte sich unter das Volk mischen, wie? Grinsend lockte Beth ihn erneut mit dem Finger und wiegte sich absichtlich in den Hüften, als sie sich über den offenen Motorraum beugte.

Diese raubtierhafte Macht, diese strenge Kontrolle – es wäre lustig, ihn ein wenig aufzuziehen. Endlich ließ er sich dazu herab, zu ihr herüberzuschlendern – wobei er sich keine Mühe gab, die Mischung aus Neugierde und Anziehung in seinen Augen zu verbergen. Sie konnte nicht leugnen, dass sie ein leichtes Kribbeln im Magen spürte, als ihre Blicke sich trafen.

Chemie. Die konnte man nicht vortäuschen. Sie war entweder da oder nicht … und wie es aussah, herrschte zwischen ihr und Mr. Ford Lassiter eine ausreichende Menge davon.

Er lehnte sich mit der Hüfte neben ihr an den Porsche und betrachtete sie mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. O ja, er spürte es auch … und wenn sie nicht ganz danebenlag, fand er es unterhaltsam, sich von einer Frau wie ihr angezogen zu fühlen.

Beth hatte schon vor langer Zeit aufgegeben, sich Gedanken darüber zu machen, was andere Menschen von ihr dachten, aber es versetzte ihr trotzdem einen Stich, wenn jemand – selbst ein Fremder – sie ansah, als wäre sie eines der wilden Marchande-Mädchen von der falschen Seite der Stadt. Tja, leck mich. Sie würde ihn dazu bringen, sie so sehr zu wollen, dass ihm der Kopf rauchte … und dann würde sie ihn nach Hause schicken.

„Sie erinnern sich nicht? Trotz all dieser tollen Buchstaben hinter ihrem Namen?“ Sie neigte den Kopf und sah wartend zu ihm auf, während er über ihre Frage nachdachte.

„Ich erinnere mich wirklich nicht.“ Er hatte noch nicht mal den Anstand, beschämt auszusehen, obwohl ihr auffiel, dass er sich ein wenig anspannte. „Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.“

„Ich würde meinen, ein vielbeschäftigter Mann wie Sie hat Leute, die sich um so unwichtige kleine Details wie die Inspektion Ihres Wagens kümmern.“ Obwohl Beth lächelte, spürte sie die ersten Anflüge von Zorn. „Die meisten Menschen in diesem Viertel müssten fünf Jahre arbeiten, um sich eine so feine Maschine wie diese hier leisten zu können.“

Sie wollte gar nicht erst daran denken, was sie und ihre Schwestern mit so einer Summe anstellen – oder abzahlen – könnten. Die Heizung ersetzen, die jeden Winter drohte, den Geist aufzugeben. Das Loch im Dach reparieren, durch das der Regen ins Haus kam. „Einige dieser Leute würden vermutlich denken, dass man sich um so etwas wie diesen Wagen gut kümmert. Verantwortung übernimmt.“

„Sie haben recht.“ Da, endlich der Beweis, dass er doch ein Mensch war; ein Anflug von Schuldgefühlen. Das reichte, um ihren Zorn schmelzen zu lassen.

Vermutlich hatte er nie darüber nachgedacht, wie lange andere Leute dafür arbeiten mussten, um sich eines seiner Spielzeuge leisten zu können … und warum sollte er den Porsche als etwas Besonderes betrachten, wo er doch garantiert eine Garage voll mit weiteren Autos hatte?

„Kann ich das schriftlich bekommen? Ich schätze, das ist etwas, das Sie nicht oft sagen.“ Erneut hob Beth eine Augenbraue. Ford blinzelte sie offensichtlich verwirrt an, bevor er in lautes Lachen ausbrach.

Es war ein volles Lachen, nicht das sorgfältig kontrollierte, leise Lachen, das sie von ihm erwartet hätte. Und es riss sie von den Füßen. Für sie gab es nichts Attraktiveres als einen Mann, der über sich selbst lachen konnte.

„Gewöhnen Sie sich besser nicht daran. Es wird vermutlich nicht wieder vorkommen.“ Als hätte er gemerkt, dass er die Kontrolle kurz losgelassen hatte, verwandelte sich Fords Lächeln schnell wieder in eine ernste Miene. „Nun mal im Ernst. Jetzt, wo wir festgestellt haben, dass ich mich nicht gut um meinen Wagen kümmere: Was ist mit ihm los? Haben Sie das Teil, das ich brauche?“

Beth konnte das sarkastische Schnauben nicht unterdrückten, das ihr entwich. „Tja, das wäre ein Anfang, aber nein. Normalerweise habe ich keine Ersatzteile für solche Autos herumliegen. Sie werden hier nicht oft nachgefragt.“

Es fiel ihr schwer, nicht die Augen zu verdrehen. Dieser Mann und sie lebten definitiv in komplett verschiedenen Welten. Sie rieb sich mit der Hand über die Wange – und sein Grinsen verriet ihr, dass diese Geste vermutlich wieder einen Ölfleck auf ihrer frisch gewaschenen Haut hinterlassen hatte. Aber das war ihr egal. So war sie nun einmal.

„Ihr Getriebe ist hin und muss ersetzt werden. Ich kann einen Gefallen einfordern und das Ersatzteil bis morgen früh liefern lassen, weil ich annehme, dass sie gewillt sind, für eine Expresslieferung zu zahlen. Aber es auszutauschen dauert einen ganzen Tag.“ Sie hob eine Hand, als er den Mund öffnete – ohne Zweifel, um ihr zu widersprechen. Doch ihrer Meinung nach gab es hier nichts zu widersprechen. „Aber wenn Sie Ihren Wagen weiterhin so behandeln, schlage ich vor, dass Sie mich alles reparieren lassen, was damit nicht stimmt. Ich meine, jetzt, wo er schon mal in der Werkstatt ist. Ihre Einspritzeinlage und die Kühlung brauchen ein wenig Zuwendung, außerdem gibt es erste Roststellen … Und Sie benötigen einen verdammten Ölwechsel.“

„Ich verstehe.“ Ford sah sie ruhig und mit unlesbarer Miene an. Beth erwiderte den Blick und sah überrascht, dass er zuerst den Kopf abwandte und einen verärgerten Seufzer ausstieß. Dann deutete er mit den Händen in die Luft. „Was hören Sie da?“

„Sitar-Musik.“ Sie liebte diese Playlist genauso sehr wie die Heavy-Metal-Musik, die sie vorhin gespielt hatte. Musik lag ihr so sehr im Blut, dass es eine Schande wäre, sie nicht so oft wie möglich zu genießen.

„Aha.“ Das war es also, was ihn aus der Bahn warf – die Musik von ihrem Handy.

Beth stockte der Atem, als Ford die Hand ausstreckte und mit den Fingerspitzen über das Ende ihres geflochtenen Zopfs strich. Beim Ausatmen schoben sich ihre Brüste nach vorn, und Ford sah sie wieder mit diesem hungrigen Blick an – nicht lüstern, sondern einfach nur in Anerkennung dieser seltsamen Chemie zwischen ihnen.

Beth glaubte nicht an Liebe auf den ersten Blick … aber ganz sicher glaubte sie an Lust auf den ersten Blick.

„Sitar-Musik. Heavy Metal. Rote Strähnen im Haar und der Duft von Vanille und Motoröl auf Ihrer Haut.“ Er klang verwundert. „Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie eine ziemlich einzigartige Frau sind?“

„Das höre ich ständig.“ Sie war ziemlich sicher, dass es eine schlechte Idee war, aber die Art, wie dieser seltsame Mann sie ansah, machte sie sehr, sehr heiß. Aus einem Instinkt heraus griff sie nach der Cola-Dose, die er immer noch in der Hand hielt, und hob sie an ihre Lippen. „Aber Sie haben erst an der Oberfläche gekratzt. Ich habe viel mehr zu bieten als bunte Haare.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Er musterte sie eindringlich, als sie die Cola-Dose an ihren Mund hielt und einen Schluck trank. Der Zucker schoss nur so über ihre Zunge, und Beth stellte sich vor, auch einen kleinen Vorgeschmack auf ihn zu bekommen.

„Sind Sie immer so forsch?“ Sein Blick folgte ihrer Zunge, als Beth sich über die Lippen leckte.

„Haben Sie Angst, sich Mädchenläuse einzufangen?“ Beth hob fragend eine Augenbraue und reichte ihm die Dose zurück. „Und ja, ich zeige meistens ziemlich deutlich, was ich will.“

Sie trat einen Schritt von der Motorhaube zurück, über die sie beide immer noch gebeugt standen, verschränkte die Hände und neigte den Kopf. „Aber manchmal mag ich es auch, wenn man mir sagt, was ich tun soll.“

Ihr Herz hämmerte bei diesem Geständnis. Hatte sie ihn falsch eingeschätzt? Nein, das konnte unmöglich sein. Sie nahm sich wirklich meistens, was sie wollte, und schämte sich dafür nicht. Aber normalerweise fühlte sie diese subtile Chemie, die zwischen ihr und Ford herrschte, nur, wenn die Dynamik genau richtig war – was bedeutete, dass der andere die Kontrolle haben und Beth sie abgeben wollte.

„Ich …“ Ford trat einen Schritt zurück. Was nicht die Reaktion war, die Beth erwartet hatte. Er betrachtete sie noch einmal von oben bis unten, und ihre Haut brannte überall dort, wo sein Blick sie berührte.

Nein, sie irrte sich nicht, das spürte sie tief in ihrem Magen. Aber er schien von dieser Aussicht nicht sonderlich erfreut zu sein.

„Ich sage Ihnen, was ich will.“ Seiner Stimme war der Kampf, die Kontrolle zu behalten, deutlich anzuhören. Ein Blinzeln von ihr, und der ernste Geschäftsmann war wieder zurück. Verschwunden war jeglicher Anflug von Leidenschaft, den sie eben noch gesehen hatte. „Bestellen Sie das Ersatzteil. Reparieren Sie den Wagen. Und rufen Sie mich an, wenn ich ihn wieder abholen kann.“

Beth verspürte den gleichen Anflug von Kälte wie in dem Moment, als sie erkannt hatte, dass er sich mit dem, was auch immer da zwischen ihnen war, unbehaglich fühlte.

Sie bat ihn nicht um einen Ring – sie wollte nur ihre Leidenschaften und Bedürfnisse ausleben, wie sie und ihre Schwestern es immer getan hatten.

„Sie haben gar nicht gefragt, wie teuer das alles wird.“ In Beth stieg schlechte Laune auf, also knallte sie die Motorhaube so hart zu, dass die meisten Menschen sich umgedreht hätten, um zu sehen, ob sie mit einem Golfschläger draufgeschlagen hatte.

Er hingegen drehte sich nicht um, schaute nicht zurück – weder zum Auto noch zu ihr.

Autor

Lauren Hawkeye
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