Historical Saison Band 84

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WAHRE LIEBE FÜR DIE FALSCHE PRINZESSIN von BRONWYN SCOTT
Um ihrer bitteren Armut zu entkommen, muss Elidh unbedingt Sutton Keynes heiraten, den reichsten Junggesellen Londons! Als italienische Prinzessin verkleidet erscheint sie auf seinem Fest und bezaubert ihn. Doch dabei verliert sie selbst ihr Herz an ihn! Darf sie seinen Antrag annehmen, obwohl sie ihn belogen hat?

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  • Erscheinungstag 14.09.2021
  • Bandnummer 84
  • ISBN / Artikelnummer 9783751502986
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Bronwyn Scott

HISTORICAL SAISON BAND 84

1. KAPITEL

London – Freitag, 13. Juli 1855

Sutton Keynes betrachtete sich als Wissenschaftler und führte alle Ereignisse und Erscheinungen auf Erden auf logisch erklärbare Ursachen zurück. In seinem wohlgeordneten Leben existierte nichts, was mit Märchen oder Aberglauben zusammenhing.

Umso ungläubiger starrte er Mr. Barnes an, nachdem der betagte Anwalt sich über seinem Schreibtisch vorgebeugt und den verhängnisvollen Satz ausgesprochen hatte: „Wenn Sie das Vermögen Ihres verstorbenen Onkels erben wollen, müssen Sie in vier Wochen heiraten.“

In vier Wochen heiraten … Qualvoll dröhnten die Worte des Anwalts in den Ohren eines Junggesellen, der mit seinem ledigen Stand sehr zufrieden, ja sogar glücklich war.

Dieser unheilvolle Satz schien die Luft aus dem vollgestopften Büro am Poppins Court zu saugen. Sutton schluckte. Verdammt … Im Frühjahr war er völlig sicher gewesen, er hätte diesen Unsinn während eines Besuchs bei Sir Leland aus der Welt geschafft. Deutlich genug hatte er seinem Onkel erklärt, er sei an seinem Vermögen nicht interessiert, und ihm sogar vorgeschlagen, das Geld der Wohlfahrt zu spenden – sofern er nicht wollte, dass es in die Hände seines Sohns kam.

Aber der alte Mann hatte sich nicht umstimmen lassen und seinen Neffen zum Erben eingesetzt. Sutton griff nach seiner Teetasse und wünschte, sie würde etwas Stärkeres enthalten. Während er einen großen Schluck nahm, versuchte er gelassen zu wirken und verdrängte die Befürchtung, seine ganze Welt könnte aus den Fugen geraten. Er war ein Verstandesmensch, und er musste Ruhe bewahren, bis er alle Einzelheiten kannte. Vielleicht würde er dann einen rettenden Ausweg sehen.

„Vier Wochen? Viel zu wenig Zeit, um eine Ehefrau zu suchen …“

Eine Gefährtin für sein ganzes Leben. Der ungeheuren Verpflichtung, die er bei einer Heirat eingehen müsste, war er bisher ausgewichen. Solche Dinge durften ebenso wenig überstürzt werden wie ein korrektes wissenschaftliches Experiment. Dafür musste man Fakten sammeln, Beobachtungen notieren, Hypothesen aufstellen, Informationen analysieren und die Möglichkeiten letzten Endes mittels eines Ausschlussverfahrens reduzieren.

„Um eine geeignete Braut zu finden, brauche ich mindestens ein Jahr.“

Sutton stellte seine Tasse ab, und Mr. Barnes füllte sie sofort wieder. Hoffte er, die Quantität des Tees würde die mangelnde Qualität wettmachen? Brandy wäre ohnehin vorzuziehen.

„Soll diese Frist einen bestimmten Zweck erfüllen?“, fragte Sutton ausdruckslos, um seine Gedanken zu verschleiern. Wenn er denn eine Ehe eingehen musste, wollte er wenigstens nichts überstürzen und seine zukünftige Frau mit Bedacht auswählen. Vielleicht konnte er einen Aufschub erreichen.

Was mochte hinter der Bedingung seines Onkels stecken? Sich mit Zahlensymbolik zu befassen, hatte zu seinen vielen exzentrischen Interessen gehört. Vier – die vier Erzengel, die vier Evangelisten, die vier Himmelsrichtungen, die vier Jahreszeiten, et cetera … Aber Sutton sah keine logische Verbindung zu den geforderten vier Wochen.

„Nun, das hängt mit einer Anweisung zusammen, die Ihr Onkel seiner Bank erteilt hat, Mr. Keynes“, erläuterte Mr. Barnes. „Vier Wochen nach seinem Tod sollen alle seine Konten aufgelöst werden.“

Vier – Lelands Lieblingszahl, dachte Sutton. Und vier Wochen nach der Testamentseröffnung sollte er den lang gehegten Herzenswunsch des Onkels erfüllen und endlich heiraten.

„Was würde geschehen, wenn ich die Bedingung nicht einhalte?“

Offensichtlich überrascht, hob der Anwalt die buschigen grauen Brauen. Gewiss begegnete er nicht jeden Tag einem Mann, der das Angebot eines beträchtlichen Vermögens abzulehnen erwog.

„Dann geht das Erbe an Ihren Cousin Baxter, Sir Lelands einzigen Sohn.“ Bedeutungsvoll spähte Mr. Barnes über die Ränder seiner dicken Brillengläser hinweg.

„Natürlich – Bax“, murmelte Sutton und grinste spöttisch. Allein aus dem Grund, dass das Geld nicht in die Hände seines Cousins kam, würde er sich bemüßigt fühlen, auf die Herausforderung seines Onkels einzugehen. „Kennen Sie meinen Cousin, Mr. Barnes?“

„Allerdings, Mr. Keynes. Leider viel zu gut … Heute Morgen war er hier.“ Die Stimme des Anwalts nahm einen scharfen Klang an. „Und er blieb nicht einmal lange genug, um eine Tasse Tee zu trinken.“

Zum ersten Mal, seit Sutton in das kleine Büro getreten war, erschien Mr. Barnes ihm intelligenter, als er es angenommen hatte. Nur wenige vernünftige Leute waren bereit gewesen, mit dem exzentrischen Sir Leland Keynes geschäftliche Beziehungen zu pflegen.

Also wusste Baxter Bescheid. Nachdenklich ergriff Sutton seine Teetasse. „War er wütend?“ Ohne jeden Zweifel … Dass er leer ausging, hätte Bax nicht überraschen dürfen. Jahrelang hatte Sir Leland seinen Sohn ermahnt, sich zu bessern, und gedroht, sonst würde er ihn enterben. Der Titel war nicht erblich, der alte Mann hatte nichts außer seinem Vermögen hinterlassen und verfügt, dass sein Neffe es bekommen sollte.

„Außer sich vor Zorn.“ Mr. Barnes schnitt eine Grimasse und wies mit seinem Kinn zu einer zersplitterten Fensterscheibe, auf die Bax offenkundig irgendeinen Gegenstand geschleudert hatte.

„Da Sie Bax kennen, wissen Sie, dass ich keine Wahl habe.“ Sutton lächelte verkniffen. „Nun geht es nicht mehr um die Frage, ob ich das Erbe haben will – ich muss es beanspruchen. Ein so großes Vermögen darf man meinem Cousin keinesfalls anvertrauen.“

Bax neigte zur Verschwendungssucht, gab Unsummen für teure Garderobe, schnittige Kutschen und edle Pferde aus. Doch das waren eher harmlose Laster, die er mit vielen Gentlemen teilte. Vielmehr sorgte Sutton sich wegen der schmutzigen Machenschaften seines Cousins. Bax hatte sich mit Menschenhändlern eingelassen, die junge Engländerinnen in verschiedene Harems im Vorderen Orient verfrachteten und sich dadurch die Gunst schwerreicher osmanischer Potentaten erwarben. Außerdem beteiligte er sich an den Geschäften skrupelloser Waffenhändler.

Und so steckte Baxter mitten in einem Sumpf verwerflicher Geschäfte, von denen jedoch nur wenige wussten. Allem Anschein nach war er ein typischer Londoner Gentleman, der Sohn des exzentrischen Sir Leland. Doch er führte ein Doppelleben und verkehrte in einer dunklen, gefährlichen Welt.

Mr. Barnes nickte seufzend und begutachtete einige Dokumente auf seinem Schreibtisch. „Offensichtlich sind wir uns einig, Mr. Keynes, und Sie werden demnächst heiraten.“

„Das muss ich wohl oder übel tun.“ So bald wie möglich. Die Frage, ob er seinen Entschluss später bereuen würde, spielte keine Rolle. Ohne zuvor alles sorgfältig abwägen zu können, musste er eine bedeutsame Entscheidung fällen. Ein solches Vorgehen widersprach seinem Wesen. Das hatte er in seiner Jugend gelernt, als er sich Hals über Kopf in Anabeth Morely verliebt hatte und bitter enttäuscht worden war.

Seither vermied er emotionale Wagnisse, und eine Heirat nahm auf der Liste seiner Zukunftspläne die allerletzte Stelle ein. Vielleicht irgendwann – frühestens in fünf Jahren. Wenn seine Molkerei für Kamelmilch in Newmarket etabliert war. Keinesfalls in diesem Sommer. Und der Sommer war schon halb vorbei. In einigen Wochen würde seine preisgekrönte Stute fohlen, und er musste das Zuchtprogramm für das nächste Jahr überprüfen, Stammbäume studieren. Der Züchterclub von Newmarket würde bei der Mitgliederversammlung im September einen Bericht über die Qualität seiner Kamelmilch erwarten. Auch später würde er alle Hände voll zu tun haben. Also konnte er in diesem Jahr unmöglich heiraten.

Nur widerstrebend war er Mr. Barnes’ Aufforderung gefolgt, wegen Sir Lelands Testament nach London zu reisen. Er hatte gehofft, er könnte umgehend nach Newmarket zurückkehren. Aber nun würde ihn das überraschende Erbe zwingen, ein paar Tage länger in der Hauptstadt zu bleiben, um Papiere zu unterzeichnen, Urkunden zu sichten.

Sutton zog das einfache Landleben dem Getümmel einer Londoner Saison bei Weitem vor. Und er fand die Gesellschaft seiner Tiere wesentlich angenehmer als die affektierte Konversation kupplerischer Matronen und ihrer geistlosen Töchter. Einige Mitglieder der Hautevolee hielten ihn für „einsiedlerisch“, womit sie sogar recht hatten. Allerding nannte er sich lieber „wählerisch“, was seine Interessen betraf. Schon bei seiner ersten Londoner Saison hatte er die albernen Amüsements der sogenannten gehobenen Kreise verachtet.

Und nun bedrohte der Letzte Wille seines Onkels seine Interessen und seinen Lebensstil, sogar auf dauerhafte Weise. Oder würde sich die Ehe annullieren lassen, wenn die beklemmende Klausel erfüllt und das Vermögen aus Baxters Reichweite entfernt war?

Mr. Barnes räusperte sich. „Hören Sie mir zu, Mr. Keynes?“

Nein, weil ich gerade nach Schlupflöchern suche …

„Auch mit Ihrer künftigen Ehe verknüpfen sich gewisse Bedingungen. Deshalb würde ich an Ihrer Stelle gut zuhören.“ Nun schenkte er dem Anwalt seine ungeteilte Aufmerksamkeit, und der alte Mann lächelte zufrieden. „Wenn ich fortfahren dürfte … Erstens muss die Braut einer adeligen Familie entstammen, zweitens kann die Ehe nicht aufgelöst werden. Sonst geht das Vermögen am Baxter.“

Verdammt! So etwas Ähnliches hatte Sutton fast befürchtet. Aber es gab immer noch die Möglichkeiten einer informellen Trennung, einer sogenannten „offenen Ehe“, obwohl dieses Konzept seinen Prinzipien widersprach. Unter anderem zählten Loyalität und eheliche Treue dazu.

Kaum hatte er eine offene Ehe in Betracht gezogen, betonte der Anwalt auch schon: „Drittens – keine getrennten Wohnsitze. Und Sie dürfen pro Jahr nur vier Monate getrennt von Ihrer Gemahlin verbringen.“

Schon wieder die verdammte Vier …

Sutton hatte das Gefühl, eine imaginäre Schlinge würde sich immer enger um seinen Hals zusammenziehen. „Also stecke ich rettungslos in der Klemme.“

„Nun, manche Leute würden sagen, dass Sie für Ihr Opfer sehr gut bezahlt werden“, versuchte Mr. Barnes ihn zu trösten. „Und irgendwann heiraten alle Männer.“

„Die Heirat an sich stört mich gar nicht so sehr – vielmehr diese unsinnige Eile! Und was ich alles in so kurzer Zeit erledigen muss, um etwas zu ergattern, das ich nicht will. Nur damit Baxter das Erbe nicht zwischen die Finger kriegt! Ich brauche es nicht, ich bin selber sehr gut situiert.“ Darin lag die irrwitzige Ironie der Situation: Sir Leland hatte sein Vermögen einem reichen Mann vermacht, obwohl ihm bewusst gewesen war, dass es ihn nicht reizen würde. „Noch aus dem Grab heraus erpresst mich mein Onkel.“

Alle seine Ziele erreichte der raffinierte alte Mann. Sein Besitz wurde vor seinem gewissenlosen Sohn geschützt, sein vertrauenswürdiger, ehrbarer Neffe würde endlich heiraten und die Linie Keynes fortsetzen.

„Natürlich kann ich das Erbe nicht ablehnen, Mr. Barnes. Das wissen Sie sehr gut.“ Und genauso wenig darf ich bei der Erfüllung der Bedingungen versagen. Der tückische Onkel hatte ihm nicht nur ein Ultimatum gesetzt, das kaum zu erfüllen war, sondern auch noch zwei Cousins gegeneinander ausgespielt.

Gewiss hatte Bax nicht die Absicht, tatenlos abzuwarten und es dem Schicksal zu überlassen, den Sieger in diesem infamen Spiel zu bestimmen. Nein, er würde die Initiative ergreifen, das wusste Sutton. Deshalb würde er in tödliche Gefahr geraten, ebenso seine Braut, wer immer das sein mochte. Vor nichts würde Baxter zurückschrecken, um ihn an der Erfüllung der Testamentsklausel zu hindern.

Mr. Barnes füllte die Teetasse zum dritten Mal, und Sutton trank sie nachdenklich leer – mit einem weiteren wesentlichen Problem beschäftigt. Welche junge Dame aus einer adeligen Familie würde sich bereit erklären, ihn sofort zu heiraten? Mit jedem Tag verkürzte sich die Frist. Wo sollte er auf die Schnelle eine Braut finden, zudem eine, mit der er sein restliches Leben verbringen wollte?

Die Saison war fast vorbei, der Heiratsmarkt nahezu leer. Hatte Onkel Leland daran gedacht? Nun, es hätte noch schlimmer kommen können. Wenn er Ende August gestorben wäre und die Hautevolee London verlassen und sich aufs Land zurückgezogen hätte … Wo sollte ich dann einer bereitwilligen Braut begegnen?

Als er sah, wie der Anwalt die Dokumente zusammenlegte und die Unterredung offenbar für beendet hielt, fragte er: „Was sind das für Papiere? Wir haben noch nicht über alles geredet.“

„Das werden wir auch nicht tun, bevor Sie mir eine Braut vorstellen“, erwiderte Mr. Barnes in strengem Ton. „Ihr Onkel hat präzise Instruktionen hinterlassen. Einige Dokumente werden erst nach der Bekanntgabe Ihrer Verlobung verlesen. Da war Sir Leland überaus gründlich. Und was Sie betrifft, Mr. Keynes – ich glaube, Sie haben eine ganze Menge zu tun, innerhalb äußerst knapp bemessener Zeit. Bitte, geben Sie mir Bescheid, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann.“ Eine unmissverständliche Entlassung. Natürlich – die Uhr tickte.

Sutton stand auf, beugte sich über den Schreibtisch und schüttelte dem alten Mann die Hand. „Danke, Mr. Barnes. Wir bleiben in Verbindung.“

Noch immer brannte die Julisonne heiß vom Himmel herab. Auf der Straße hielt Sutton kurz inne und versuchte mit einem Finger seinen Hemdkragen zu lockern. Nachdem er eine Stunde im Büro des alten Anwalts verbracht hatte, erschien ihm die Welt genauso wie vorher. Aber sein Leben hatte sich völlig verändert. Das fand er irgendwie ungerecht. Hätte die Welt sich nicht auch ändern müssen?

Er ging zur nächsten Kreuzung und stieg in eine Droschke, um nach Mayfair zu fahren. So viel gab es zu bedenken … Und alle Gedanken kehrten immer wieder zu dem heiklen Problem zurück, das eine Braut betraf. Ohne eine Braut an seiner Seite würde es keine Rolle spielen, wie schwer es ihm fiel, das geforderte Opfer zu bringen.

Vielleicht war es das, was ihn an dem ganzen Arrangement am meisten störte. Es zwang ihn, sich nicht nur auf sich selbst zu verlassen, sondern auch auf jemand anderen. Auf eine Frau, die er nicht kannte … Eine geradezu ungeheuerliche Vorstellung … Er zog es vor, bei seinen Experimenten alle veränderlichen Größen zu kontrollieren. Diesmal würde der wichtigste Faktor außerhalb seiner Kontrolle liegen …

Sutton schüttelte den Kopf. Nein, er würde kein Opfer sein, nicht beklagen, was sich seiner Kontrolle entzog, und sich stattdessen auf seine Handlungsweise konzentrieren. Wenn er auch keine Frau kannte, die er heiraten wollte – er kannte eine, die ihm helfen konnte: seine Mutter.

Ehe er ihr gegenübertrat, brauchte er ein paar Minuten, um nachzudenken. Einige Straßen von der South Audley Street entfernt, stieg er aus der Droschke. Als er die Nummer 71A erreichte, nahm in seinem Gehirn ein Plan Gestalt an.

Dieses Problem würde er so lösen, wie er es gewöhnt war – mit Logik und Verstand.

2. KAPITEL

Das ist die lächerlichste, skandalöseste Eskapade, die dein Onkel sich jemals geleistet hat. Wie sollst du in vier Wochen eine Braut aus adligen Kreisen finden? Noch dazu vor dem Ende der Saison, wenn fast die ganze Hautevolee aufs Land fährt?“ Catherine Keynes saß in ihrem Salon auf einem eisblauen Sofa und fasste in Worte, was ihren Sohn bis vor Kurzem ebenfalls bekümmert hatte.

„Genau das dachte ich zunächst auch.“ Sutton lachte leise. „Aber jetzt habe ich einen Plan, und ich brauche deinen Beistand, Mama.“ In seinem Freundes- und Bekanntenkreis gab es niemanden, der ihm so erfolgreich wie seine kluge, tatkräftige Mutter helfen könnte, seine Absicht zu verwirklichen. Insbesondere, weil sie seit rund dreißig Jahren in der oberen Gesellschaftsschicht verkehrte.

„Also hast du dir bereits eine Strategie ausgedacht.“ Sichtlich beunruhigt seufzte sie. „Dazu gehört wohl kaum der Entschluss, auf das Vermögen zu verzichten. Gewiss, du brauchst es nicht. Und ich brauche es auch nicht – falls du erwogen hast, das Erbe mir zuliebe anzunehmen. Was dein Vater mir hinterlassen hat, genügt mir für einen komfortablen Lebensstil. Und wer weiß? Vielleicht werde ich eines Tages wieder heiraten, sollte ein geeigneter Mann auftauchen. Dann müsstest du dich nicht mehr um mich sorgen.“

Diese Möglichkeit war keineswegs illusorisch. Mit ihren fünfzig Jahren sah sie immer noch sehr attraktiv aus. An diesem Nachmittag trug sie ein modisches Sommerkleid in Blautönen, passend zum Dekor ihres Salons. Das immer noch honigbraune Haar war zu einer kunstvollen Zopfkrone hochgesteckt.

Nun hörte er auf, umherzuwandern, und lehnte sich an den weißen Carrara-Marmor des Kaminsimses. Aus Italien importiert, wies auch dieses edle Material auf den Wohlstand der Familie Keynes hin, den sein Vater dank profitabler Handelsbeziehungen im südostasiatischen Raum erworben hatte.

„Dieses Geld darf ich Bax nicht überlassen.“ Entschieden schüttelte Sutton den Kopf. „Das weißt du.“

„Moment mal, du bist keineswegs verpflichtet, die Welt vor Baxter zu retten“, sprach seine Mutter das Argument aus, das ihn in Mr. Barnes’ Büro beinahe in Versuchung geführt hätte. Gewiss, er könnte sich all die Schwierigkeiten ersparen, eine überstürzte, dramatische Brautschau vermeiden und zu seiner komfortablen gewohnten Lebensweise zurückkehren. Doch das wäre verantwortungslos und unehrenhaft.

„‚Für den Triumph des Bösen ist es nur nötig, dass gute Menschen nichts tun‘“, zitierte er Edmund Burke, einen Philosophen und Politiker, der in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts zu Ruhm gelangt war. Ehe er weitersprach, zögerte er und fuhr sich mit allen Fingern durchs Haar. „Die letzte junge Frau, die mein Cousin – eh – behelligt hatte, nahm sich vor etwa einer Woche das Leben. Sie wurde am Ufer der Themse angeschwemmt, die Taschen ihres Rocks voller Steine.“

„Großer Gott!“ Seine Mutter erblasste. „Gibt es denn niemanden, der ihm Einhalt gebietet?“

„Dafür ist er zu einflussreich, Mama“, erklärte Sutton. „Er kennt zu viele Geheimnisse. Gleichwohl sollten wir den Schaden verringern, den er anzurichten pflegt. Im Lauf der Zeit werde ich Bax und seinesgleichen immer erfolgreicher bekämpfen. Erst einmal nehme ich ihm eine Menge Geld weg, das er in seine üblen Machenschaften stecken würde.“

„Indem du dich auf eine skandalöse Heirat einlässt?“ Missbilligend runzelte sie die Stirn. „Ein Sturmlauf zum Altar – welch ein Spektakel!“

„Gewiss, ein Spektakel. Aber es kann mehr daraus werden.“ Darauf zielte sein Plan ab.

„Oh, das gefällt mir!“ Nun erhellte sich die Miene seiner Mutter. „Was genau hast du vor?“

„Das Spektakel meiner Hochzeit soll Aufsehen erregen, ein großartiges Ereignis, von dem die Klatschmäuler noch jahrelang zehren werden. Liebe auf den ersten Blick – eine Wirbelwindromanze entstanden auf einer Hausparty.“ Doch zuvor musste er die passende Braut finden …

„Also ein Märchen, das Wirklichkeit wurde!“ Catherine Keynes lächelte strahlend. „Welch eine fantastische Idee! Damit wirst du die Spekulationen wegen der Hochzeit aus heiterem Himmel zweifellos mildern.“ Sie nickte. „Nun errate ich, was dir vorschwebt … Du lädst alle Mädchen, die infrage kommen, zu einer Hausparty auf deinen Landsitz ein. Auf Hartswood führst du ihnen den Luxus vor, den sie als deine Gattin genießen würden. Um ihre Mütter zu beeindrucken, holen wir das schönste Porzellan hervor und polieren das edelste Silber. Den Vätern imponieren wir mit erlesenen Rotweinen und edlem Cognac. Im Sommer zeigt sich Hartswood stets von seiner besten Seite. Die Mädchen können durch den Garten wandern und sich dir in ihren hübschen Kleidern präsentieren, während ihre Väter am Fluss angeln.“

Lachend verdrehte Sutton die Augen. „Wenn es bloß so einfach wäre!“, gab er zu bedenken und wünschte, er besäße die Zuversicht seiner Mutter. Immerhin stimmte sie seinem Plan zu, und er durfte sich auf ihre energische Hilfe verlassen, was seine Sorgen verringerte. „Die Frau, die ich heiraten werde, sollte jedoch etwas mehr bieten als einen erfreulichen Anblick in hübschen Kleidern. Wie du sich sicher entsinnst, habe ich diesen Maßstab einmal angelegt – ein misslungenes Experiment.“ Entschlossen verdrängte er die Erinnerung an Anabeth Moreley und fuhr fort: „Wir müssen verschiedene Aktivitäten organisieren. Mit jeder jungen Dame möchte ich Zeit verbringen, ihr Verhalten in vielfältigen Situationen beobachten. Zum Abschluss der Hausparty veranstalten wir einen Ball, und ich verkünde meine Entscheidung – das perfekte Ende des Märchens, das wir inszenieren.“

„Du willst die Mädchen quasi durch die Linse deines wissenschaftlichen Mikroskops betrachten?“

„Ja. Solche Hauspartys bieten eine gute Gelegenheit, Kandidatinnen unter die Lupe zu nehmen. Sie sind keineswegs ungewöhnlich, sogar traditionell, wann immer Heiratsbande geknüpft werden sollen, und meistens erfolgreich.“

„Und wann soll deine Party beginnen?“

„In fünf Tagen, weil die Zeit drängt. Schaffst du das? All die Vorbereitungen, die Einladungen …“ Er selbst würde mit bürokratischem Papierkram vollauf beschäftigt sein.

„Oh, in fünf Tagen? Unmöglich – aber das kriege ich hin.“ Die funkelnden Augen seiner Mutter bezeugten ihren Enthusiasmus, den die Herausforderung geweckt hatte. „Und während der Hausparty werde ich deine Hochzeit planen. Mein Sohn wird heiraten! Darauf habe ich weiß Gott lange genug gewartet.“

„Danke, Mama.“

Zum Kummer seiner Mutter war er ein Einzelkind. Es wäre ihr nicht schwergefallen, mehrere Kinder großzuziehen, Töchter auf den Heiratsmarkt zu begleiten, Söhne bei der Berufswahl zu beraten und zu fördern. Stattdessen musste sie sich mit ihm begnügen, einem Gentleman-Wissenschaftler, der Kamele und Pferde dem gesellschaftlichen Trubel vorzog. Sein einziger Ausflug in jene komplizierte Welt mit ihren strengen Regeln war misslungen. Gewisse Experimente bedurften keiner Wiederholung.

Nur ein Thema musste noch erörtert werden.

„Was die Gäste betrifft …“, begann Sutton. „Gegen Ende der Saison sind die meisten jungen Damen bereits verlobt.“

„Irgendwen gibt es immer zum Heiraten.“ Lässig zuckte Catherine Keynes die Achseln. „Weil die Pferderennen in Ascot und die Regatta auf der Themse hinter uns liegen, halten die Leute nach neuen Zerstreuungen Ausschau. Noch heute veranlasse ich, dass deine Hausparty in der Times angekündigt wird. Und fünf Tage später wird die Londoner Gesellschaft nach Newmarket reisen.“ Ermutigend lächelte sie ihren Sohn an. „Dann werden genug junge Damen um deine Gunst wetteifern. Erstens wegen deines guten Aussehens – und zweitens wegen deines zu erwartenden Reichtums.“

Mit dem zweiten Grund, den sie nannte, erinnerte sie ihn an seine Befürchtung, lediglich Mauerblümchen und Glücksritterinnen würden zur Auswahl stehen. Diesen Gedanken behielt er für sich. Da er die Bedingungen seines Onkels erfüllen musste, konnte er die Ereignisse nur teilweise kontrollieren.

Nicht die Hausparty würde potenzielle Bräute anlocken, sondern ein gigantisches Vermögen. Ob er sich in Newmarket oder London aufhielt, spielte keine Rolle. Zumindest konnte er auf seinem Landgut entscheiden, mit wem er einige Stunden verbringen würde. Hier in London wäre er auf die Einladungen zu gesellschaftlichen Veranstaltungen angewiesen.

Um sich zu verabschieden, küsste er die Wange seiner Mutter und verließ ihr Haus. Nun brauchte er eine tröstliche Zufluchtsstätte, seinen Club, einen Drink – etwas Stärkeres als Tee – und Zeit zum Nachdenken.

Welche Frau wäre bereit, ihr Leben mit ihm zu verbringen? Welche würde ihn wirklich sehen, den Mann hinter dem Reichtum? Was das betraf, musste er einfach der Gunst des Schicksals vertrauen. Aber als Wissenschaftler fiel ihm das schwer, zumal die die Glücksgöttin ihn schon mehrmals im Stich gelassen hatte.

Kaum hatte Sutton einen Fuß über die Schwelle seines Clubs gesetzt, merkte er, dass es ein Fehler war, hierherzukommen Nach dem lebhaften Stimmengewirr zu schließen, wusste die ganze Stadt schon an diesem Nachmittag – dank stets lückenlos informierter Klatschmäuler –, wer Sir Leland Keynes’ Vermögen erben würde.

Scharenweise drängten sich übereifrige Gentlemen um ihn und wollten ihm die Hand schütteln. Manche hatte er seit seiner Studentenzeit nicht mehr gesehen, andere waren ihm nie zuvor begegnet und stellten sich mit Hinweisen auf gemeinsame Bekannte vor. Ältere Männer sprachen ihr Beileid zum Tod seines Onkels aus, viele jüngere versuchten Freundschaften oder Bekanntschaften zu erneuern. Und alle hatten Schwestern, Töchter, Nichten, Cousinen, weibliche Mündel oder Patentöchter.

Ganz offenkundig war seine Sorge, er würde so kurzfristig keine Braut finden, völlig überflüssig gewesen – sogar lächerlich angesichts seines üppigen Erbes. Allerdings verstärkte seine plötzliche Popularität eine andere Befürchtung. Er wurde nur als ein Mann betrachtet, der irgendeiner Frau den Weg zum Reichtum ebnen und ihr ein luxuriöses Leben ermöglichen würde.

Er flüchtete zu einem leeren Sessel in einer abgeschiedenen Nische und bestellte einen Brandy. Diese Privatsphäre würde man ihm nicht lange gönnen, das wusste er. Bald würden die Clubmitglieder ihn erneut bedrängen und versuchen, Bündnisse mit ihm zu schließen, um persönlichen Gewinn zu erzielen. Solch Verbindungen und Verpflichtungen missfielen ihm gründlich. Nicht zuletzt deshalb hatte er bisher nicht geheiratet. Solche Allianzen brauchte er nicht, weder das Geld einer heiratswilligen Erbin noch die politischen Kontakte eines Schwiegervaters. Da wünschte er sich etwas anderes.

Nicht Liebe – zumindest nicht notwendigerweise. Denn die Idee romantischer Liebe war ein unlogisches Konzept im Zusammenhang mit erfolgreichen Paarungen im wissenschaftlichen Sinn. Tiere paarten sich nicht aus Liebe oder um Bündnisse zu schließen, sondern für einen starken Fortbestand ihrer Arten. Dazu brauchten sie Partner beziehungsweise Partnerinnen, die zu ihnen passten.

Das wünschte sich auch Sutton – eine Frau, die zu ihm passte, die es schätzen würde, gemeinsam mit ihm seine Kamel- und Pferdezucht zu betreiben, eine Frau, die ihn mochte, weil sie seine Interessen teilte.

Eine Frau, die es wohl kaum gab …

Nun schlenderten zwei junge Männer heran, störten seine Gedanken und nutzten den Vorteil einer flüchtigen Bekanntschaft. Ein paarmal hatten sie sich in der Reithalle vom Tattersall’s unterhalten.

„Freut mich, Sie wiederzusehen, Keynes“, begann einer der Gentlemen.

„Jetzt werden wir Sie wohl öfter in London antreffen“, meinte der andere.

Lächelnd stand Sutton auf, schüttelte ihnen die Hände und überlegte, wie lange sie wohl brauchen würden, um ledige weibliche Verwandte zu erwähnen.

„In dieser Saison wohnt meine Schwester bei mir in London“, verkündete der erste, und Sutton bezwang seinen Lachreiz.

Nur dreißig Sekunden, ein erstaunlicher Rekord.

3. KAPITEL

Bermondsey Street, Südost-London – Samstag, 14. Juli

Schnelle Stiefelschritte auf den Holzstufen der Pension verrieten Elidh Easton die Rückkehr ihres Vaters. Seufzend legte sie ihre Näharbeit beiseite. Das Poltern dieser Schritte verhieß nichts Gutes, Papa schien aufgeregt zu sein. Vermutlich würde er ihr wieder einmal eine seiner absurden Ideen erklären, die sie beide endlich aus der Armut erlösen würde.

Immer wieder scheiterten diese unsinnigen Pläne. Obwohl Elidh äußerst sparsam mit dem Haushaltsgeld umging, reichte es kaum für die Miete und das bescheidene tägliche Leben.

Während sie den Schritten lauschte, wünschte sie nicht zum ersten Mal, ihr Vater wäre normal und würde – zum Beispiel – als Schreiber bei einer Londoner Bank arbeiten. Dann könnte er hundert Pfund pro Jahr verdienen und hätte eine gesicherte Stellung. Fürs Leben!

Hundert Pfund – das kam ihr wie ein Vermögen vor. Sie könnten die schäbige Pension verlassen, sogar in eine bessere Gegend ziehen, vielleicht in ein Cottage in Chelsea. Dort würden sie ihre eigenen Mahlzeiten essen, nicht mehr mit an anderen Pensionsgästen unten im Speiseraum sitzen.

Aber ihr Vater arbeitete nicht als Schreiber in einer Bank. Entrüstet würde er behaupten, das sei unter seiner Würde. Er war ein Autor von Theaterstücken und Direktor der Easton-Schauspieltruppe. Zumindest war er das bis vor drei Jahren gewesen. Vor Mamas Tod.

Seit Mama an Tuberkulose gestorben war, taumelte Papa haltlos durchs Dasein – unfähig, sich ohne seine große Liebe, seinen Lebensinhalt zurechtzufinden. Manchmal fühlte er sich inspiriert, wieder ein Theaterstück zu verfassen, das er vollenden und verkaufen könnte. Doch sein Schaffensdrang verebbte immer wieder nach wenigen Tagen und endete regelmäßig mit zerknülltem Papier auf dem Boden. Wütend beklagte er sein verlorenes Talent und gelobte, nie wieder etwas zu schreiben.

Das muss sich ändern, entschied Elidh. Oft genug hatte ihnen der Ruin gedroht. Aber so schlimm wie diesmal war es noch nie gewesen. Mittlerweile besaßen sie so gut wie nichts mehr, das sich verkaufen oder verpfänden ließe. An diesem Morgen hatte sie das restliche Haushaltsgeld gezählt. Mit dem Lohn, den ihr ein Modegeschäft für Näharbeiten zahlte, würde sie im nächsten Monat die Miete bestreiten können. Leider war das, gegen Ende der Saison, eine unsichere Einnahmequelle.

Was mochte geschehen, wenn der allerletzte Penny ausgegeben war?

Die Tür des kleinen Apartments stieß krachend gegen die Wand, aufgeregt eilte Papa ins Wohnzimmer und schwenkte eine Zeitung durch die Luft. „Jetzt sind wir gerettet, Elidh!“, rief er und warf das Blatt auf den Tisch. „Lies das!“

Zögernd griff sie nach der Zeitung. Frisch gedruckt, an diesem Morgen. Zuerst dachte Elidh an das Geld, das dieser Luxus gekostet hatte, dann überflog sie die aufgeschlagene Seite und hob erstaunt die Brauen. Wozu die Gesellschaftskolumne? Hauptsächlich ging es um einen gewissen Sutton Keynes und sein soeben ergattertes unfassbares Vermögen. Erst vor wenigen Minuten hatte sie sehnsüchtig von hundert Pfund pro Jahr geträumt. Die Summe, die sie jetzt las, überstieg ihre Vorstellungskraft. Welch ein Glück dieser Mann hatte …

„Was hat das mit uns zu tun?“

„Begreifst du’s denn nicht, Mädchen? Hast du nicht den ganzen Artikel, gelesen? Der Kerl muss möglichst schnell heiraten. Sonst verliert er das Erbe. Um eine Braut zu finden, gibt er eine Hausparty auf seinem Landsitz in der Nähe von Newmarket. Alle, die daran teilnehmen wollen, sind eingeladen.“

Kalte Angst jagte ihr einen Schauder über den Rücken. Was plante Papa? Wollte er etwa mit ihr zu dieser Hausparty fahren und sie als Braut vorführen? Hatte er sie in letzter Zeit angeschaut? Völlig unscheinbar sah sie aus – aschblond, Augen, deren Farbe zwischen Haselnuss- und Dunkelbraun wechselten. Eigentlich war ihr Name das Interessanteste, was sie vorweisen konnte. Ein Mann, der die Wahl zwischen zahlreichen Mädchen hatte, würde sich gewiss nicht für sie entscheiden. Wahrscheinlich würde er sie nicht einmal bemerken.

Während sie den Artikel etwas genauer las, seufzte sie erleichtert. „Alle, die eine ganz bestimmte Bedingung erfüllen, Papa! Dieser Mr. Keynes braucht eine aristokratische Braut.“ Und die vermochte ihr Vater nicht herbeizuzaubern. In seinem Stammbaum gab es keinen einzigen Adelstitel, und Mama war eine bürgerliche Schauspielerin gewesen.

„Oh, da fällt mir sicher etwas ein …“ Papa begann durch das Zimmer zu wandern, bis eine Inspiration seine Augen aufleuchten ließ. „Jetzt weiß ich’s!“, verkündete er und schnippte mit den Fingern. „Du bist eine italienische Principessa! Wo ist meine Karte von Italien?“ Er öffnete eine der Truhen, die den kleinen Raum beengten, und wühlte darin. „Ah, hier ist sie!“

Triumphierend schloss er den Deckel der Truhe und entrollte die Landkarte auf dem Tisch. An zwei Seiten fixierte er sie mit einer Tasse und einem Teller.

„Was hast du denn vor?“ Elidh sprang von ihrem wackeligen Stuhl auf und hoffte, sie hätte sich verhört. „Wie soll ich denn eine Principessa mimen? Das ist absolut unmöglich!“

Ohne ihren Einwand zu beachten, berührte er einen Punkt auf der Karte. „Da! Du bist die Principessa von Fossano! Natürlich brauchst du einen Namen. Mal sehen …“ Die Stirn gefurcht, dachte er kurz nach. „Chiara di Fossano! Principessa Chiara Balare di Fossano. Ja, das klingt sehr gut.“

Erbost packte sie die Karte, rollte sie zusammen und verstaute sie in der Truhe. „Hör auf mit diesem Unsinn! Niemand wird mich für eine Principessa halten.“

„Als wir noch mit unserer Truppe unterwegs waren, hast du öfter verschiedene Rollen übernommen … Und diese Chance müssen wir nutzen! Es ist ganz einfach – dieser Mann braucht eine Ehefrau, damit er ein Vermögen erbt. Und wir brauchen ein Vermögen.“ Nun erlosch der Glanz in seinen Augen. „Glaubst du, ich weiß nicht, wie nah wir am Rand des Abgrunds stehen? Dass wir bald hinabstürzen könnten …?“ Dann ergriff er abrupt ihre Hände und drehte die Handflächen nach oben. „Zum Glück bist du nicht so tief gesunken, die Wäsche andere Leute zu erledigen. Deine Hände sind nicht ruiniert. Sonst würden sie dich verraten. Niemals wird eine Principessa Wäsche waschen!“

Seufzend zwang sie sich zur Geduld. Den Ernst der Lage hatte ihr Vater soeben noch erkannt. Dann war er in die magische Welt zurückgekehrt, die sie in ihrer Kindheit so sehr genossen hatte. Halb Märchen, halb Abenteuer … Diese Welt gab es nicht mehr, von Armut und Hoffnungslosigkeit war sie verdrängt worden. Und Elidh musste die Stimme der Vernunft erheben. „Versuch doch logisch zu denken, Papa. Dein Plan kann einfach nicht gelingen. Wenn wir auf dieser vornehmen Hausparty italienische Adelige mimen, würde es nicht lange dauern, bis uns die Aristokraten entlarven.“

„Gewiss nicht, wenn wir’s richtig anpacken. So etwas haben wir schon einmal gemacht. Erinnerst du dich, wie deine Mutter und ich auf einer unserer Europa-Tourneen einen englischen Lord und seine Lady spielten? Wie wir vorgaben, ein Rad unserer Kutsche wäre gebrochen und wir brauchten eine Unterkunft für uns und unsere Tochter?“

„Ja, natürlich erinnere ich mich. Aber das war etwas anderes – denn es ging nur um Betten für eine Nacht und eine kostenlose Mahlzeit.“

Elidhs Vater hatte dem Wirt eines Dorfgasthauses im Piemont weisgemacht, sobald die Dienerschaft das Gepäck aus der Kutsche gebracht habe, würde er die Rechnung begleichen. Im Morgengrauen waren sie unbemerkt davongeschlichen.

„Diesmal steht viel mehr auf dem Spiel, Papa. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen soll ich Mr. .Keynes in den Ehehafen locken. Welch ein Unsinn! Nicht einmal, wenn ich wirklich eine Principessa wäre, würde er mich beachten, wenn ihn zahlreiche bildschöne junge Damen umzingeln. Mir fehlt einfach das aristokratische Benehmen und Auftreten.“

„Auftreten? Pah! Weißt du noch, wie wundervoll unsere Tournee durch Italien war? Neapel, Roma, Florenz, Turin, Mailand! Überall sind wir aufgetreten!“

„Ja, ich entsinne mich.“ Elidh hatte nicht das Herz, ihn zu verbessern und zu erwähnen, sie hätten nicht auf den großen Bühnen dieser Städte gespielt, sondern ihre Wohnwagen draußen auf dem Land abgestellt – nahe luxuriöser Villen, in denen italienische Adlige den Sommer verbrachten, die sich gern von ihren Darbietungen hatten unterhalten lassen.

„Damals warst du sechzehn, hast genauso wie deine charmante Mama mit vornehmen Leuten geplaudert und dich großartig benommen. Das wird dir jetzt genauso gelingen. Wenn du einen Fehler begehst, zuckst du einfach die Achseln und sagst: ‚In Italien ist das anders.‘ Da du eine Ausländerin bist, wird man dir vieles nachsehen.“

„Aber – ich habe nichts anzuziehen …“

„Doch, die Kostüme deiner Mutter!“ Papa öffnete eine andere Truhe und dann noch eine, zog Kleider aus Seidenpapierhüllen und häufte sie auf den Tisch, bis sich eine Vielfalt leuchtender Farben von den grauen Zimmerwänden abhob. „Schau mal, ein wunderbares Abendkleid, irgendwo muss es eine passende Tiara geben …“

Eifrig wühlte er in einer weiteren Truhe, zog Samtbeutel hervor, entnahm ihnen falsche Juwelen und Diademe, die im Halbdunkel funkelten und echt aussahen, sogar exquisit wirkten.

„Rosie kann dir helfen, die Kleider zu ändern“, fuhr er fort. „Sie wohnt immer noch in Upper Clapton bei ihrer Schwester. Sie soll uns zu der Hausparty in Newmarket begleiten, als deine Zofe. So eine Rolle hat sie früher oft genug übernommen – und sicher nichts verlernt.“

Voller Wehmut erinnerte sich Elidh an Rosie, die einstige Garderobiere ihrer Mutter. Nicht nur auf der Bühne hatte die warmherzige Frau eine Zofe gespielt.

Inzwischen machte Elidh sich ernsthafte Sorgen. Wenn ihr Vater sogar Mamas geheiligte Kostüme ändern lassen wollte, musste er wirklich verzweifelt sein – und umso entschlossener, seinen neuesten verrückten Coup durchzuführen. Irgendwie musste sie ihn daran hindern.

„Glaub mir, Papa, das wird schiefgehen, weil ich nur sehr schlecht Italienisch spreche.“

„In England spricht kaum jemand Italienisch. Und als du damals in der Toskana die Julia gespielt hast, war dein Akzent makellos.“ Nun begannen seine Augen wieder zu strahlen. „Wir haben wir alles, was wir brauchen – die Kostüme deiner Mutter und unsere Genialität.“

Bedrückt brachte Elidh das letzte Argument vor, das ihr einfiel. „Selbst wenn du recht hättest – wir riskieren zu viel, auf die vage Hoffnung hin, Mr. Keynes würde einen Blick in meine Richtung werfen.“

Ihr Vater nickte. „Daran habe ich gedacht und eine zweite Möglichkeit gefunden, Gewinn aus dieser Hausparty zu ziehen. Auf der werden sich genau die richtigen Leute versammeln, und es sollte mir nicht schwerfallen, reiche Gönner kennenzulernen. Wenn ein italienischer Fürst den Gentlemen erzählt, er habe einen englischen Bühnendichter entdeckt, der Shakespeare Konkurrenz mache, werden sie zuhören.“

„Du kannst doch gar kein Drama vorweisen!“, protestierte sie entgeistert.

„Kein neues, aber ein altes mit einem neuen Titel. Schon vor vielen Jahren wurde es aufgeführt. Nicht in England, nur auf dem Kontinent. Bisher hatte ich einfach keine Gelegenheit, einem Mäzen zu begegnen. Wer kommt denn in die Bermondsay Street, um Theaterstücke zu kaufen? Wenn du meinen Plan aus diesem Blickwinkel betrachtest, ist er gar nicht mehr riskant. Jedenfalls können wir auf Keynes’ Hausparty in ein paar Tagen Geld scheffeln. Falls du den Kerl nicht einfängst und niemand mein Stück kauft, werde ich unsere glitzernden Juwelen an den Spieltischen einsetzen.“

Großer Gott! Schwankend sank Elidh auf ihren Stuhl. Hochstapelei auf einer elitären Party, um einen reichen Bräutigam einzufangen oder einen Kunstkenner zu betrügen, arglose Kartenspieler mit falschem Schmuck zu überlisten … Und was sie am schlimmstem fand – Papa war felsenfest vom Erfolg seines Plans überzeugt, das las sie in seinen Augen.

Und so versuchte sie ihn mit einer neuen Strategie davon abzubringen, indem sie auf die Konsequenzen eines eventuellen Sieges hinwies. „Hast du dir überlegt, was geschehen würde, wenn ich diesen Mann tatsächlich in eine Ehefalle locke?“ Im Grunde seines Herzens war Papa ein Romantiker. Er hatte Mama heiß und innig geliebt. Also müsste ihm das Konzept einer lieblosen, erzwungenen Ehe missfallen.

„Natürlich würdest du ihn in keine Falle locken“, erwiderte er unbeeindruckt. „Wenn du allein mit einem Mann in einen Garten gehen und es darauf anlegen würdest, dass man euch bei einem Kuss ertappt – das wäre eine Falle. Aber Keynes veranstaltet die Hausparty zu dem klar und deutlich bekundeten Zweck, eine Braut zu suchen. Deshalb kann man von keiner Ehefalle reden, sonst müsste man die ganze Londoner Saison so bezeichnen. Und du wirst im selben Boot wie alle anderen Mädchen sitzen, die diese Einladung annehmen.“

„Aber wir besuchen die Party unter falschen Namen!“, erinnerte sie ihn. „Sollte passieren, was ich für unmöglich halte, und ich gewinne sein Herz, wird er sich in eine Principessa verlieben.“

„Nein, in dich.“

Seufzend betrachtete sie wieder den Zeitungsartikel. „Wenn du recht behältst, wird er mich hassen, sobald er den Betrug durchschaut. Weil ich keine Aristokratin bin, bringe ich ihn um sein Vermögen. Nur darum geht es bei dieser Hausparty.“

Ihr Vater lächelte sanft und schüttelte den Kopf. „Wenn ein Mann sein reiches Erbe meiner Tochter vorzieht, ist er nicht der Richtige für sie. Ein klassischer Konflikt, nicht wahr? Liebe oder Geld. Ein Stoff, von dem alle Bühnenautoren träumen …“ Versonnen starrte er ins Leere, und Elidh wusste, dass er sich hundert aufregende Dramen vorstellte, die er niemals schreiben würde.

Als lange Schatten den Raum füllten, zündete Elidh die Petroleumlampe an. Dann öffnete sie das Fenster und schüttelte ein Wischtuch voller Brotkrümel für die Vögel aus, die sich draußen auf einem schmalen Sims versammelt hatten.

Nachdenklich schaute sie zu, wie sie um die Krumen kämpften. Wenn sie sich weigerte, ihren Vater nach Newmarket zu begleiten, würde er allein hinfahren. Und nur der Himmel mochte wissen, welche Katastrophen er ohne sie verursachen würde.

Sie schloss das Fenster und wandte sich wieder zu Papa. Im Schein der Lampe begegnete sie seinem prüfenden Blick.

„Was wäre denn das Schlimmste, das uns passieren könnte, wenn wir’s versuchen?“, fragte er.

„Eine Gefängnisstrafe“, antwortete sie ohne Zögern. „So ein Betrug ist nun mal ein Verbrechen.“

Schweigend wanderte er eine Zeit lang umher, und Elidh glaubte angesichts seiner ernsten Miene beinahe, sie hätte ihn zur Vernunft gebracht.

„Wenn wir nichts unternehmen, landen wir im Armenhaus oder auf der Straße“, begann er tonlos und setzte sich an den Tisch. „Wir haben nichts zu verlieren. Deshalb müssen wir den Versuch wagen, mein Mädchen, und diese Chance ergreifen. Das würde deine Mutter von uns erwarten.“

Mama würde nicht wollen, dass wir einen arglosen Mann hintergehen, da war sie sicher. Nun – ziemlich sicher.

„Außer dieser Chance habe ich nichts mehr, das ich dir geben kann“, fuhr Papa leise fort. „Deine Mutter konnte ich nicht retten, ebenso wenig unsere Truppe – aber vielleicht wird es mir gelingen, dich zu retten. Wenn du mit meiner Hilfe das Herz dieses Mannes eroberst, bleibt dir ein Schicksal in Not und Elend erspart …“ Plötzlich unterbrach er sich, seine Augen glänzten verdächtig. „Und ich werde nicht jünger. Das hat uns der letzte Winter gezeigt. Deswegen möchte ich wissen, wer für dich sorgen wird.“

Welch ein rührender kleiner Monolog, dachte Elidh. War er in diesen Momenten der routinierte Schauspieler oder ihr Vater? Schwer zu sagen. In ihrer Kindheit hatte sie es geliebt, die Eltern auf der Bühne zu beobachten, in ergreifenden Szenen aus den Dramen des Vaters. Beide so ausdrucksvoll – die bildschöne blonde Mama, der attraktive dunkelhaarige Papa …

„Sprich nicht so!“, mahnte Elidh und begann die Kostüme ihrer Mutter zusammenzufalten, um sie wieder in den Truhen zu verstauen. Papas realistische Worte vermochte sie kaum zu ertragen. Im vergangenen Winter wäre er fast an einer schrecklichen Hustenkrankheit gestorben. Monatelang hatte er an starken Brustschmerzen gelitten.

Was würde geschehen, wenn er im nächsten Winter wieder erkrankte? Wenn sie ihn verlor …? Er war alles, was sie hatte … Nein, so etwas wollte sie sich nicht vorstellen.

Noch ein klassischer Konflikt. Was würde sie aus Liebe tun? Wäre sie bereit, gemeinsam mit Papa seine wahnwitzigen Pläne zu verwirklichen, weil sie ihn liebte? Ja. Für sich selber würde sie es nicht riskieren, für ihn schon. Und wie sollte sie es anfangen? Ihre praktisch veranlagte Mama würde ihr zu einem Mittelweg raten und erklären, für jedes Problem gebe es mehrere Lösungen.

Sorgsam umhüllte Elidh das letzte Kostüm mit Seidenpapier und legte es in eine der Truhen. Und dann fand sie den richtigen Mittelweg. Sie musste nicht diesen Mann umgarnen, der eine Braut suchte, sondern ihrem Vater einfach nur helfen, einen reichen Mäzen zu beeindrucken. Und natürlich durfte Papa keinesfalls den falschen Schmuck an Spieltischen einsetzen. Das würde sie verhindern.

Ja, auf diese Weise könnten sie einen Erfolg erzielen. Die Gunst eines Förderers müsste ihnen helfen, den nächsten Winter zu überstehen. Um den übernächsten würde sie sich zu gegebener Zeit kümmern.

Und welchen Schaden konnte die Maskerade schon anrichten? Die Hausparty dürfte etwa zwei Wochen dauern, überlegte sie. Danach würde die Principessa Chiara Balare di Fossano für immer in der Versenkung verschwinden. Und niemand würde irgendetwas ahnen …

Kurz entschlossen wandte sich zu ihrem Vater. „Wann reisen wir ab?“

„In vier Tagen.“

Elidh nickte. „Geh zu Rosie, wir haben ziemlich viel zu nähen.“

Gewiss, Papas Plan war voller Fallstricke. Selbst wenn er gelingen sollte, würden ihnen gefährliche Konsequenzen drohen. Doch um die wollte sie sich später kümmern. Notfalls …

In diesem Moment stand nur fest, was sie aus Liebe tun und wie weit sie gehen würde. Erst einmal bis nach Newmarket.

4. KAPITEL

Vier Tage später erreichte die Principessa Chiara Balare di Fossano, begleitet von ihrer Zofe und ihrem Vater, Principe Lorenzo, das Landgut Hartswood mit einer Kutsche, die sie am Bahnhof Newmarket gemietet hatten.

Noch nie in ihrem Leben hatte Elidh ein so heftiges Nervenflattern verspürt. Kein Wunder. Das war ja auch der irrsinnigste Coup, den Papa sich jemals ausgedacht hatte.

Und er war nie zuvor so leichtfertig gewesen. Für die Bahnfahrt Erster Klasse von der Londoner Station All Saints nach Newmarket hatte er das kostbare Geld für die nächste Monatsmiete ausgegeben. Italienische Aristokraten dürften bei ihrer Ankunft nicht beim Verlassen eines Waggons Dritter Klasse beobachtet werden, hatte er erklärt. Sonst würden sie unglaubwürdig wirken.

Fasziniert musterte Elidh die helle Sandsteinfassade von Hartswood. Auf den Tourneen durch ganz England hatte sie kaum ein opulenteres Herrenhaus gesehen. Bereits auf der langen, gewundenen Zufahrt war der Luxus des Landsitzes offenkundig gewesen. Zwischen perfekt gepflegten, saftig grünen Rasenflächen und dicht belaubten Bäumen führte die Straße zu einem kreisrunden Vorplatz, in dessen Mitte das Plätschern eines italienischen Brunnens die Gäste begrüßte. Auf zwei symmetrischen Sandsteintreppen gelangte man zum Eingang des Hauses, einer Doppeltür, die opulentes Schnitzwerk im Stil des englischen Barocks aufwies.

Sobald die Droschke hielt, eilten Reitknechte herbei und hielten die Zügel der Pferde fest, und der Wagenschlag wurde geöffnet. Den Kopf respektvoll gesenkt, wartete ein Lakai und reichte Elidh eine Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen. In diesem Moment gab es kein Zaudern, keine Unsicherheit. Trotz ihrer Nervosität stand sie sofort auf der Bühne, ging völlig in der Rolle einer Principessa auf.

Vielleicht hat Papa recht, dachte sie, und die Leute sehen immer, was sie zu sehen erwarten. Jedenfalls schien das Personal von Hartswood keinen Verdacht zu schöpfen.

Ein Lakai geleitete die Neuankömmlinge durch eine große, kühle weiße Marmorhalle in den rückwärtigen Teil des Hauses. Auf diesem Weg, vorbei an kostbaren Gemälden und edlem Dekor, mussten alle Gäste erkennen, dass es der Familie Keynes zwar an einem Adelstitel, jedoch nicht an finanziellen Mitteln mangelte. Offenbar habe nicht nur ich etwas zu beweisen, dachte Elidh. Das wollte sie sich merken, um es später gegebenenfalls zu berücksichtigen.

Was immer der auffällige Reichtum bewirken sollte – er musste ein Mädchen einschüchtern, das ein winziges Zwei-Zimmer-Apartment an der Bermondsey Street bewohnt hatte. Dankbar für Papas beruhigende Nähe holte sie tief Atem.

„Schau dich nicht ständig um!“, flüsterte er. „Eine Principessa rechnet mit einer solchen Einrichtung. Sicher möchte unser Gastgeber gleich am Anfang die Spreu vom Weizen trennen.“ Geradezu bravourös mimte er den italienischen Fürsten, den Kopf hoch erhoben, die Schultern gestrafft. Den großen Kristallvasen mit frischen Blumen gönnte er keinen Blick. Und er spähte auch nicht wie sie durch offene Türen in prachtvoll ausgestattete Räume.

Der Lakai führte sie auf eine große Terrasse, wo schon mehrere Gäste versammelt waren. Junge Mädchen sahen sich mit großen Augen um, offensichtlich beeindruckt von dem künstlichen kleinen Wasserfall und den strategisch platzierten Statuen, den kunstvoll gestutzten, zu Tiergestalten geformten Büschen, den üppig blühenden Rosen in der Nähe eines Pavillons im griechischen Stil.

Nur zu gut verstand Elidh die Verblüffung ihrer Rivalinnen. Zweifellos war der Garten spektakulär.

Nachdem sie mit Papa die Terrasse betreten hatte, eilte ihnen eine stilvoll gekleidete Dame mittleren Alters entgegen. „Ist dies nicht das allerbeste Meisterwerk des grandiosen Landschaftsarchitekten Capability Brown? Ich bin Catherine Keynes, Mr. Keynes Mutter und die Gastgeberin der Hausparty. Willkommen auf Hartswood! Seit drei Generationen befindet sich dieser Landsitz im Familienbesitz.“

Elidh war sofort auf der Hut. So liebenswürdig die Frau auch lächelte – ihr scharfer Blick war unübersehbar.

„Verzeihen Sie“, fuhr Catherine Keynes fort, „ich bin Ihnen in London nicht begegnet. Während der Saison haben Sie sich nicht in der Hauptstadt aufgehalten. Sonst wüsste ich es. Ich kenne jeden.“ Noch immer klang ihre Stimme höflich. Doch die Warnung war unmissverständlich.

Von neuer Nervosität erfasst, schluckte Elidh. Dies war die erste Prüfung. Und die letzte, falls sie und ihr Vater versagten. Doch sie waren vorbereitet, sie hatten ein Regiebuch, wie Papa es zu nennen pflegte.

Routiniert schlüpfte er in seine Rolle und verbeugte sich elegant, ergriff die ausgestreckte rechte Hand der Gastgeberin und hauchte einen Kuss darauf. „Buongiorno, Signora Keynes“, begann er mit kultiviertem Akzent. „Natürlich muss ich mich entschuldigen. Wie ich sehe, treffen wir trotz all meiner Mühe unangemeldet hier ein. Offenkundig hat mein Brief Sie nicht mehr erreicht, bevor Sie aus London abgereist sind. Ich bin Principe Lorenzo Balare di Fossano. Bitte, erlauben Sie mir, Ihnen meine Tochter vorzustellen, die Principessa Chiara Balare.“

Er ließ Mrs. Keynes’ Hand los, und nach einer weiteren Verneigung setzte er seine Erläuterung fort.

„Erst vor Kurzem kamen wir in London an. Als wir Ihre Ankündigung lasen, dachten wir, dies wäre eine wunderbare Gelegenheit, eine englische Hausparty zu erleben und Leute kennenzulernen.“ Besorgt runzelte er die Stirn. „Da Sie meine Bitte um eine Einladung nicht erhalten haben, hoffe ich, unsere Ankunft bereitet Ihnen keine Unannehmlichkeiten, Signora Keynes?“

Welch ein raffinierter Schachzug, dachte Elidh. Mit dieser Wortwahl drückte Papa indirekt aus, die Anwesenheit der ungebetenen Gäste wäre schon akzeptiert worden.

Dann begegnete sie Catherine Keynes’ durchdringendem Blick. Von oben bis unten wurde sie taxiert, von der breiten Krempe des Strohhuts bis zu den Spitzen ihrer Schuhe. Die waren passend zum blaugrünen Stoff des Nachmittagskleids gefärbt worden. Dankbar dachte Elidh an Rosie, die sich selbst übertroffen und eines von Mamas Kostümen so geändert hatte, dass es der neuesten Mode entsprach.

Sorgfältig waren die Accessoires aufeinander abgestimmt worden – von den winzigen goldenen Blüten an den Ohrläppchen bis zum handbemalten Fächer am rechten Handgelenk, dem zarten weißen Seidenschal über dem linken Unterarm. Sie sah elegant aus, sommerlich frisch, und Elidh wünschte, so würde sie sich auch fühlen.

In Catherine Keynes’ prüfendem Blick las sie, was die Frau überlegte. Würde der italienische weibliche Überraschungsgast der Hausparty zum Vorteil gereichen? War die junge Dame so gut erzogen und kultiviert, wie sie aussah? Elidh schenkte ihr das selbstsichere Lächeln einer Aristokratin, die niemals an ihrer Akzeptanz zweifelte.

Catherine Keynes erwiderte das Lächeln ausdruckslos, bevor sie sich erneut an Papa wandte. „Da gibt es keinerlei Probleme, Durchlaucht.“

„Nennen Sie mich Principe Lorenzo, per favore.“ Papa nickte der Gastgeberin wohlwollend zu, als würden die Balares ihr mit der Teilnahme an dieser Party einen Gefallen statt der Zumutung erweisen, zwei weitere Zimmer aufzubieten. Wie die zahlreichen Mädchen auf der Terrasse bekundeten, musste das Haus bereits brechend voll sein.

Nun lächelte Catherine Keynes viel freundlicher, von Papas Charme erwärmt. „Nach dem Tee werden Ihre Räume fertig sein. Und jetzt möchte ich Sie mit einigen Gästen bekannt machen. Meinen Sohn werden Sie beim Dinner kennenlernen. Wir essen um acht Uhr. Um sieben treffen wir uns im Empfangssalon zu Aperitifs.“

Die erste Prüfung haben wir bestanden, dachte Elidh und atmete auf. Aber ihre Erleichterung währte nicht lange. So viele Namen, so viele Gesichter … Lord soundso, Lady soundso. Miss Sarah Landon mit blonden Ringellöckchen in üppigen rosa Rüschen, Lady Imogen Bettancourt mit makellosem Pfirsichteint, Miss Lila Partridge in Blau, die Bissell-Zwillinge Leah und Rachel, beide in lindgrünem Musselin mit weißem Blümchenmuster … Und das war keineswegs die ganze Liste. Dazu kamen noch die Mütter und die männlichen Begleiter – Väter, Brüder, Onkel, Cousins, die wohl die hochrangige Herkunft der jungen Damen unterstreichen und dadurch die jeweiligen Heiratsaussichten verbessern sollten.

Glücklicherweise streben Papa und ich diesen Sieg nur nebenher an, dachte Elidh. Inmitten so vieler schöner Mädchen hatte sie keine Chance, das wusste sie, und das musste auch ihr Vater merken. Also würde er sich auf die Suche nach einem Mäzen konzentrieren.

Nach dem Tee freute Elidh sich auf die Zufluchtsstätte ihres inzwischen hergerichteten Zimmers. Dort packte Rosie bereits die Reisetruhen aus. „Hast du ihn schon gesehen?“, fragte sie aufgeregt und glättete ein Abendkleid.

„Nein, wir werden ihn erst beim Dinner kennenlernen.“ Aufatmend nahm Elidh ihren Hut ab. „So heiß ist es … Hilf mir aus diesem Kleid“, bat sie und sah sich um, während Rosie die Verschnürung am Rückenteil löste.

Der Raum war genauso luxuriös wie alles, was sie bisher in diesem Haus bewundert hatte – mit Seide tapezierte Wände, an denen Gemälde in Goldrahmen hingen, üppiger Stuck an der Decke, blütenweiße Gardinen an hohen Fenstern, ein weicher orientalischer Teppich, ein breites Bett mit einer Tagesdecke aus Satin.

„Nebenan gibt es sogar eine kleine Kammer, in der ich schlafen kann“, erklärte Rosie. „Ganz was anderes als das Bett, das ich in Upper Clapton mit meinen Nichten teilen muss. In so einem vornehmen Haus war ich noch nie.“

„Ich auch nicht.“ Skeptisch runzelte Elidh die Stirn. „Glaubst du, wir sind alldem gewachsen, Rosie?“

„Nein, aber gerade deshalb macht’s Spaß.“ Die „Zofe“ zwinkerten ihr zu, half ihr aus dem blaugrünen Kleid und hängte es auf. „Keine Bange, irgendwie werden wir schon zurechtkommen.“

„Du bist genauso verrückt wie Papa“, murmelte Elidh und streckte sich auf dem Bett aus.

„Mag sein …“ Rosie begann die Kleider zu sortieren, die sie ausgepackt hatte. „Jedenfalls hat er uns nie im Stich gelassen. Weißt du noch, wie eine unsere Wagenachsen brach, während einer Tournee in Schottland?“

An jenen November erinnerte Elidh sich sehr gut. Damals hatte es frühzeitig geschneit.

„Wir hatten kein Geld für Zimmer und die Reparatur“, fuhr Rosie fort. „Und so handelte dein Vater mit einem Wirt aus, wir würden für Kost und Logis ein Lustspiel für seine Gäste aufführen. Niemals mussten wir hungern – nicht einmal, wenn alle unsere Taschen leer waren.“

Eng aneinandergedrückt, hatten sie auf dem Heuboden geschlafen. Kein Komfort, noch weniger Privatsphäre. Danach hatte Elidh noch tagelang Strohhalme aus ihrer Kleidung gezupft.

„Immer haben wir’s irgendwie hingekriegt …“ Rosie seufzte wehmütig. „Und jetzt … Was ziehst du heute Abend an? Dieses Kleid muss ich noch bügeln, und die neue Mode mit den endlos weiten Röcken ist die reinste Hölle.“

„Wie eine echte Zofe gesprochen!“ Elidh lachte. „Such du etwas aus, du weißt, was am besten ist.“

So schwärmerisch wie Rosie konnte sie die Vergangenheit nicht betrachten. Gewiss, auch sie hatte sie es genossen, immer wieder neue Abenteuer zu erleben, fremde Länder zu sehen. Aber jetzt erkannte sie, wie riskant damals jeder einzelne Tag gewesen war. Niemals hatte es sorgenfreie Phasen gegeben, ohne die ständige Frage, wie sie die nächsten Mahlzeiten beschaffen sollten. Trotzdem beneidete Elidh nun das Mädchen, das sie einmal gewesen war – das keine Unsicherheit und keine Zukunftsangst gekannt hatte.

Sie wandte sich zur Seite, starrte durch das Fenster und betrachtete die antiken Statuen im Garten. Wann hatte sie sich geändert? Wann war ihr das Dasein als Mitglied einer fahrenden Theatertruppe das erste Mal zu riskant erschienen? Seit wann sehnte sie sich nach Sicherheit und Stabilität? Auf Hartswood würde sich dieser Wunsch nicht erfüllen.

„Wie stellst du dir Mr. Keynes vor?“ Ein paar Kleider über einem Arm, ging Rosie zum Schrank. „Glaubst du, er ist attraktiv?“

„Jedenfalls ist er arrogant, wenn er sich einbildet, er findet in zwei Wochen eine passende Braut. Wie albern, dafür so ein Spektakel wie diese Party zu inszenieren … Nun, darum muss ich mir keine Sorgen machen, weil er mich in einem Haus voller bildschöner Mädchen nicht zweimal anschauen wird.“ Je früher Rosie und Papa einsahen, dass sie sich keine Illusionen machen durften, desto besser – dann würden sie ihre Enttäuschung leichter verkraften.

Aber Rosie ließ sich nicht beirren. „Mal bloß nicht schon am ersten Tag den Teufel an die Wand! Wo du doch einen ganzen Schrank voller modischer Kleider und die gute alte Rosie hast! Komm her, setz dich an den Toilettentisch, ich will dich frisieren. Vielleicht kann ich wieder mal ein Wunder vollbringen, und du wirst staunen.“

Nahe der Tür zum Empfangssalon, in dem sich die Gäste vor dem Dinner versammelten, wurde Sutton von seiner Mutter zurückgehalten. „Wir haben unerwartete Gäste“, berichtete sie mit gedämpfter Stimme. „Italienischer Adel, Vater und Tochter. Selbstverständlich werde ich die zwei überprüfen lassen.“

„Ich mag keine Überraschungen.“ Die hatte er neuerdings zur Genüge erduldet.

„Hättest du dich vor dem Tee auf der Terrasse eingefunden und die beiden begrüßt, wärst du nicht überrascht!“, fauchte Mama.

Stattdessen hatte er den Nachmittag in der Molkerei und in den Stallungen verbracht, um den Gästen bis zum allerletzten Moment aus dem Weg zu gehen. Beim Aperitif vor dem Dinner musste der Gastgeber erscheinen.

„Warum sind sie hier? Möchte das Mädchen einen bürgerlichen Engländer heiraten?“ Sutton starrte die Tür an, hinter der womöglich seine Braut wartete. Dieser Gedanke zerrte an seinen Nerven.

„Wohl kaum“, entgegnete seine Mutter. „Der Principe erklärte mir, er sei mit der Principessa hierher gereist, weil sie eine englische Hausparty erleben wollen. Nachdem sie die Ankündigung in der Times gelesen hatten, war vermutlich ihre Neugier erwacht.“

„Wie faszinierend – zwei Gäste, die nicht an meinem erhofften Erbe interessiert sind …“ Er bot ihr den Arm. „Gehen wir hinein? Noch länger kann ich es nicht hinauszögern.“

Nachdem sie den Raum betreten hatten, bewog er seine Mutter, mit ihm innezuhalten, und inspizierte die Szenerie. In diesem Zimmer drängten sich so viele Leute, als würde er einen Ball auf Hartswood geben. Deshalb konnte das Dinner nicht im Speisesalon serviert werden, und Mama hatte beschlossen, runde Tische für jeweils acht Personen im Ballsaal aufstellen zu lassen.

Dankbar tätschelte Sutton ihre Hand, die auf seinem Arm lag. „Das hast du gut gemacht. Ich glaube, hier hat sich jedes derzeit verfügbare Mädchen eingefunden, das als meine Braut infrage käme.“

Lächelnd schaute sie zu ihm auf. „Die Lakaien haben sechs Familien weggeschickt, weil die Stammbäume den Bedingungen nicht genügen. Mit Enkelinnen von Earls können wir nichts anfangen, falls dein Cousin das Testament oder deine Heirat anficht. Wir brauchen die Tochter eines adligen Vaters, mindestens eines Barons, also eine direkte Abstammung. Sonst handeln wir uns unnötigen Ärger ein.“ Sie verzog die Lippen. „Apropos Ärger – hast du schon etwas von Baxter gehört?“

„Noch nicht.“ Sutton fürchtete allerdings, sein Cousin hätte zumindest einen Spion in die Gästeschar eingeschleust, würde aber erst die Initiative ergreifen, wenn die Wahl auf eine Braut gefallen war. „Aber er wird bald in Aktion treten. Auf so viel Geld will er sicher nicht kampflos verzichten.“ Sein Blick schweifte wieder durch den Salon. So viele Mädchen – alle blutjung. Und alle sahen gleich aus. „Wer ist es?“

Mama lachte leise. „Deine künftige Gemahlin?“

„Nein, die Principessa …“ Abrupt verstummte er, als ihm eine Gestalt auffiel, die an einem der hohen Fenster stand. Die Haltung kerzengerade, das blonde Haar in kunstvollen Zopfschleifen hochgesteckt, spähte sie in den Garten hinaus. Und dieses rote Kleid – ein verwirrender Kontrast zu all den jungfräulichen Pastellfarben. Irgendetwas an dieser jungen Dame beschleunigte seinen Puls. Und dann erkannte er, woran es lag – an dem sonderbaren Gefühl, auch sie würde nicht zu dieser Welt gehören, in der er notgedrungen lebte. „Das muss sie sein. Die Principessa.“

„Ja, eine bezaubernde Person. Allerdings nicht für dich bestimmt, mein Sohn. Komm, ich mache dich mit den anderen bekannt.“

Die nächste halbe Stunde verbrachte Sutton im Empfangssalon und umklammerte ein Glas, lächelte und verneigte sich vor all den hübschen Heiratskandidatinnen. Da gab es Schlanke und Mollige, Blondinen, Brünette und Rotschöpfe; Mädchen mit lockigem und welche mit glattem seidigem Haar; blaue und braune, graue und grüne Augen; rosa Kleider, zartgelbe Kleider, Satin und Seide.

Eine überwältigende Auswahl – und alle wollten ihn mitsamt seinem erhofften Vermögen einfangen. Aber kein einziges Mädchen fesselte seine Aufmerksamkeit. Stattdessen schaute er immer öfter zu der jungen Blondine in dem außergewöhnlichen roten Kleid hinüber. Ganz allein stand sie noch immer vor dem Fenster und nippte an einem Sherry.

Als der Butler das Dinner ankündigte, hatte Sutton enttäuschende Schlüsse gezogen. Die Mädchen sahen zwar unterschiedlich aus, glichen einander aber in zwei Belangen: Was immer er sagte, sie kicherten darüber, selbst wenn es nicht besonders witzig war. Und alle wollten sein Geld.

„Gib ihnen Zeit, Sutton“, mahnte Mama. Offenbar las sie seine Gedanken, während er sie in den Ballsaal geleitete. Gemeinsam hatten sie entschieden, am ersten Abend dürfe er keine der Bewerberinnen zum Dinner führen, weil ihr das ungerechte Vorteile verschaffen würde. „Diese Mädchen sind sehr jung. Und sie stehen unter gewaltigem Druck, weil die Eltern sie ständig beobachten. Mit Argusaugen!“

„Und sobald ich sie in ihrem natürlichen Lebensraum sehe, wo sie Klavier spielen oder picknicken, werden sie sich so verhalten, wie es ihrem wahren Wesen entspricht?“, fragte er zynisch.

„Großer Gott, Sutton!“ Mama schlug mit ihrem Fächer auf seinen Ärmel. „Im natürlichen Lebensraum! Also wirklich! Das erinnert mich an einen Zoo. Warte doch erst einmal ab.“

„Viel Zeit habe ich nicht“, murmelte er.

Im Ballsaal ging er zu seinem Tisch. Der Platz, den seine Mutter ihm zugewiesen hatte, war eine weitere Enttäuschung. An seiner linken Seite saß Miss Lila Partridge, an der rechten Lady Imogen Bettancourt. Und neben den Mädchen passten die freudestrahlenden Eltern auf, dass seine Aufmerksamkeit nicht von ihren Töchtern abschweifte.

Trotzdem riskierte er einen raschen Blick durch den Saal und entdeckte die Principessa an einem Tisch bei der Tür. Wie glücklich musste sie sich schätzen, mühelos konnte sie entfliehen … Nein, das plante sie gewiss nicht, denn er sah sie ihre Tischnachbarn anlächeln.

Sonderbar, an diesem Tisch war sie die einzige Frau. Nun neigte sie sich lachend zu dem Gentleman an ihrer Seite, offensichtlich in bester Laune. An ihm selbst zeigte sie keinerlei Interesse. Das wusste er, weil sie seit seiner Ankunft im Empfangssalon kein einziges Mal in seine Richtung geschaut hatte. Und deshalb war sie die bemerkenswerteste junge Dame in diesem Raum.

5. KAPITEL

Das Erste, was Elidh an Sutton Keynes auffiel, war seine Teilnahmslosigkeit. Weder die beiden jungen Damen, die neben ihm saßen, noch die Speisefolge oder die Geschehnisse ringsum schienen ihn zu interessieren. Ganz eindeutig wollte er nicht hier sein. Aber im Gegensatz zu ihr versuchte er seinen Missmut nicht zu verhehlen. Während sie lachte und Theater spielte, mit den Gentlemen flirtete und ihre Kommentare mit italienischen Phrasen würzte, saß er stocksteif an seinem Tisch. Nur selten reagierte er auf die eifrigen Bemühungen der zwei hübschen Püppchen, seine Aufmerksamkeit zu erregen.

Noch etwas fiel ihr auf – Mr. Keynes sah ungewöhnlich gut aus. Das braune Haar, von der Mutter geerbt, war leicht gewellt. Im Kerzenlicht des Ballsaals glänzte es an manchen Stellen wie dunkler Honig – als würden Goldadern einer Mine funkeln. Das leicht gebräunte Gesicht, mit gerader Nase und vollen Lippen, wurde von ausdrucksstarken Augen beherrscht. Die Farbe konnte Elidh aus der Ferne nicht erkennen. Aber wie ihr Gastgeber sich fühlte, verriet seine Miene. Gefangen.

Immer wieder ließ er die Blicke durch den Saal schweifen, als suchte er einen Fluchtweg? Nein, das ergab keinen Sinn. Warum sollte er sich wünschen, er könnte seiner eigenen Hausparty entrinnen? Die er nur veranstaltete, um eine Braut zu finden? Oder suchte er eine ganz bestimmte Frau?

Sein Blick wanderte erneut umher. Und plötzlich empfand Elidh ein eigenartiges Pricken in der Magengrube, denn sie glaubte, dass Mr. Keynes sie anschaute. Sie musste sich zusammenreißen, um den Kopf nicht einzuziehen, um ihre Tischgefährten weiterhin anzulächeln. Betuchte Gentlemen, eventuelle Zielscheiben ihres Vaters, der einen Förderer brauchte …

Auch vorhin im Salon hatte sie diesen Blick gespürt. Mehrmals war er zu dem Fenster geschweift, wo sie gestanden und sich gezwungen hatte, ihn nicht zu erwidern. Jetzt bemühte sie sich wiederum, den Eindruck zu erwecken, sie würde Mr. Keynes’ Aufmerksamkeit – die sie sich womöglich nur einbildete – nicht wahrnehmen. Falls er sie tatsächlich beobachtete, sollte er eine junge Frau sehen, die eine delikate Mahlzeit in einer luxuriösen Umgebung genoss und sich mit netten Gentlemen unterhielt, ohne an die Brautschau des Gastgebers zu denken.

Doch mit ihrem Bemühen, sich von den anderen Mädchen zu unterscheiden, erzielte sie anscheinend das genaue Gegenteil der beabsichtigten Wirkung. Schon wieder schaute Mr. Keynes zu ihr herüber. Ja, diesmal eindeutig. Deshalb musste sie sich aus seinem Blickfeld entfernen. Wenn er sie nicht mehr sah, würde er sie bald vergessen – insbesondere, wo so viele Schönheiten um sein Interesse kämpften.

Entschlossen stand sie auf. Das köstliche Menü näherte sich dem Ende, aber da sie dem Hausherrn entfliehen musste, riskierte sie eine grobe Unhöflichkeit. Gemäß der Etikette durfte keine Dame den Tisch verlassen, bevor die Gastgeberin sich erhob. Doch hier standen viele Tische, und dieser befand sich bei der Tür. Also würden nur wenige Leute ihr Verschwinden bemerken.

„Entschuldigen Sie mich für einen Moment, Gentlemen“, bat Elidh. „Ich fühle mich ein bisschen schwach. Nach dieser wundervollen Mahlzeit brauche ich frische Luft.“ Acht Gänge. Noch nie hatten sie und ihr Vater so gut gegessen. Manchmal hatte es in einer ganzen Woche weniger als acht Mahlzeiten gegeben.

Außerhalb des Ballsaals suchte Elidh vergeblich eine Tür ins Freie. Schließlich sank sie in einem der unbeleuchteten Flure auf eine Samtbank vor einem großen Fenster, durch das silberner Mondschein hereindrang. Hier würde man sie nur finden, wenn man sie suchte.

Sutton Keynes’ Blicke hatten ihre Nerven strapaziert, und jetzt brauchte sie ein paar Minuten mit sich allein, um ihre Gedanken zu ordnen. Vielleicht war ihre Aufregung übertrieben, und sie geheimnisste zu viel in das Interesse des Gastgebers hinein, weil sie es auf keinen Fall erregen wollte.

Unabhängig von Papas Wünschen verfolgte sie ihre eigenen Pläne. Sie würde ihm helfen, einen Mäzen zu finden. Mehr nicht. Als Principe und Principessa würden sie auf dieser Hausparty das Talent des Bühnendichters Easton preisen. Wenn das Wohlwollen eines Gönners erweckt war, würden sie dem Mäzen nach der Maskerade als Vater und Tochter Easton begegnen, in bescheidener Aufmachung, völlig verändert. Sicher würde er sie nicht mit den italienischen Aristokraten in Verbindung bringen, die er auf Hartswood kennengelernt hatte. Die würden für immer verschwinden.

Könnte es Probleme aufwerfen und sogar gefährlich werden, sollte Sutton Keynes sich ernsthaft für die Principessa interessieren?

Unsinn, sagte sie sich. Wahrscheinlich waren ihm einfach nur das rote Kleid und die kunstvoll geflochtene Frisur aufgefallen, Rosies Meisterwerk. Vor dem Spiegel hatte Elidh sich selbst kaum wiedererkannt. Diese Frau sah hinreißend aus – selbstsicher, elegant, anspruchsvoll.

Genau so musste sie wirken, um einen Mäzen zu umgarnen. Dafür eignete sich das rote Kleid ausgezeichnet, die Blicke aller Männer zog es an. Leider auch die Blicke des Gastgebers. Ohne dieses auffällige Rot wäre sie unsichtbar gewesen. Sie beschloss, am nächsten Tag etwas Pastellfarbenes anzuziehen, und Mr. Keynes würde sie vergessen. In Rot durfte sie sich nicht mehr zeigen. Während der restlichen Hausparty musste sie ihrer Schauspielkunst vertrauen, ihrer charmanten Ausstrahlung, um ihrem Vater einen Gönner zu verschaffen. Das musste ihr gelingen – davon hing es ab, ob sie den nächsten Winter überstehen würden.

Nachdem ihr einiges klar geworden war, fühlte sie sich besser. Die Augen geschlossen, holte sie tief Atem. Einige Minuten lang würde sie sich noch von ihrer nervlichen Anspannung erholen und dann zu den anderen zurückkehren. Sie hatte Schwierigkeiten gesehen, wo es gar keine gab. Nur weil die Blicke eines Mannes zu ihr geglitten waren. Doch er hatte sie weder im Salon noch im Ballsaal aufgesucht, nicht einmal mit ihr gesprochen …

„Ich dachte mir, dass ich Sie hier finden würde.“

Beim Klang der leisen Stimme erstarrte Elidh. Geistesgegenwärtig genug, um nicht zusammenzuzucken, öffnete sie langsam die Augen. Erst mal wollte sie Zeit gewinnen. Eine Principessa zuckte niemals zusammen, zeigte sich niemals verwirrt. Nur schuldbewusste Menschen erschraken, wenn man sie an irgendwelchen Orten entdeckte, wo sie nicht sein sollten. Selbstverständlich konnte eine Principessa sich aufhalten, wo immer es ihr beliebte.

Aber Elidh fürchtete, ihre Augen würden verraten, wie überrascht sie beim Anblick des Mannes war, der im Mondlicht vor ihr stand – Sutton Keynes, von Kopf bis Fuß eine imposante Erscheinung.

„Welch ein wunderbares Versteck Sie gewählt haben! Durch dieses Fenster ist die Aussicht in den abendlichen Garten besonders schön, wenn der Mond scheint und die Laternen brennen.“

Aus der Nähe betrachtet, wirkte er größer, mit breiteren Schultern, das Gesicht noch attraktiver, der Mund – vorhin mürrisch verkniffen – viel freundlicher. Denn er lächelte. Und dieses atemberaubende Lächeln galt ihr

Nun verbeugte er sich. „Eine Rose für eine Rose.“ Galant überreichte er ihr die Blume, die er offenkundig aus einer der Kristallvasen entwendet hatte. „Heute Abend gleichen Sie einer Rose in voller Blüte. Verzeihen Sie, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe.“

Nun hätte sie in Aktion treten müssen, aber sie fühlte sich außerstande, ihre Rolle in dem albernen Bühnenstück zu spielen, das Papa ersonnen hatte. Wie konnte sie das – angesichts dieser azurblauen Augen, die im halbdunklen Flur betörend funkelten, und dieses strahlenden Lächelns? Elidh hatte mit einem arroganten Gentleman gerechnet, nicht mit der Anziehungskraft, die der Gastgeber in diesem Moment ausübte.

Nein, sie durfte sich keinesfalls zu ihm hingezogen fühlen. Ihr Ziel in diesem Spiel war es, einen Mäzen für ihren Vater zu finden. Und doch – während sie die Rose entgegennahm, ließ sich der wohlige Schauer nicht verleugnen, der durch ihren Körper rann. Vielleicht war es Aschenputtel ebenso zumute gewesen, als sie auf dem Ball mit dem Prinzen getanzt hatte – hingerissen trotz der Gewissheit, der zauberhafte Moment würde bald enden …

Energisch verbannte Elidh diese Gedanken. Dies war kein Märchen. Später, wenn sie Papas Scharade überstanden hatte, würde sie sich träumerisch an diese Begegnung erinnern. Aber jetzt musste sie wie eine Principessa denken und handeln. Eine Principessa würde nicht auf dieser Bank sitzen und wortlos blinzeln, als hätte sie noch nie ein attraktiver Mann angesprochen. Natürlich musste sie Komplimente nonchalant akzeptieren, weil sie ihr zustanden. „Sollten Sie sich nicht im Ballsaal aufhalten und sich um Ihre Gäste kümmern?“, fragte sie ein wenig herablassend.

„Und sollten Sie nicht an Ihren Tisch zurückkehren?“ Die blauen Augen glitzerten herausfordernd. „Dort werden Sie sicher schmerzlich vermisst.“

Plötzlich kam es ihr in dem Korridor viel zu heiß vor, und sie öffnete ihren Fächer. Wenn sie sich Kühlung zufächelte, würde sie vielleicht so gelassen und überlegen wirken, wie sie es wünschte. „An meinem Tisch wird man sich sicher auch ohne mich amüsieren. Umso mehr werden die jungen Damen Ihre Abwesenheit bedauern, Signore. Immerhin werden sie sich freuen, weil jetzt eine Frau weniger im Ballsaal ist.“

„Oh, diese Damen verstehen unzweifelhaft die Pflichten eines Gastgebers, der für alle seine Gäste sorgen muss. Und ich wollte nur nach Ihnen sehen, weil Sie so hastig das Weite suchten. Ich fürchtete, Sie würden sich nicht wohl fühlen. Oder wollten Sie mir ausweichen, Principessa?“

Anmutig fächelte Elidh sich Luft zu. Irgendwie gelang es ihr, eine Miene herablassender Belustigung aufzusetzen. „Allora, eine Vorstellung ist überflüssig. Wer ich bin, wissen Sie, und ich weiß, wer Sie sind.“

„Würden Sie meine Frage beantworten, Principessa? Sind Sie mir ausgewichen?“

„Da Sie von so vielen Bewunderinnen umringt werden, brauchen Sie gewiss nicht noch eine“, betonte sie, klappte den Fächer zu und musterte Mr. Keynes mit einem durchdringenden, hoheitsvollen Blick. „Deshalb kann ich mir einen anderen Grund vorstellen, warum Sie in diesen Flur gekommen sind. Dort drin wollten Sie nicht sein, das stand Ihnen den ganzen Abend ins Gesicht geschrieben. Sie suchten einen Anlass, die Flucht zu ergreifen, und den gab ich Ihnen.“ Vielleicht würde ihre kühne Offenherzigkeit ihn zum Rückzug bewegen.

Keineswegs. Vielmehr lachte er leise. „Sie sind nicht nur schön, sondern auch scharfsinnig, Principessa. Nun verstehe ich, warum meine Mutter Sie für eine erfreuliche Bereicherung unserer Hausparty hält.“ Er bot ihr den Arm. „Kommen Sie mit mir, erzählen Sie mir, wie Sie unseren Teil der Welt finden. Zum Dank dafür zeige ich Ihnen die Porträtgalerie am Ende des Flurs.“

Zögernd stand sie auf, ihr Mund wurde trocken. Jede der jungen Damen im Ballsaal wäre überglücklich über diese Einladung. Aber ich bin die Falsche … „Finden Sie das klug?“, murmelte sie. Doch da legte sich ihre Hand bereits wie aus eigenem Antrieb in Mr. Keynes’ Armbeuge.

„Keine Ahnung …“ Während sie langsam dahinwanderten, fragte er scherzhaft, in verschwörerischem Ton: „Sie wollen mich doch nicht kompromittieren? Manches verzweifelte Mädchen würde das eventuell versuchen. Später. Nicht schon am ersten Abend. Da glauben alle, sie wären noch im Rennen.“

Nun neigte er sich näher zu ihr, seine warmen Lippen berührten fast ihr Ohr, und sie atmete ein angenehmes Aroma ein. Sandelholz und Basilikum. Maskulin und sommerlich. Genau das Richtige, Frauen zu betören. Sogar mich … Hastig zügelte sie ein unerwünschtes Prickeln in ihrem Innern.

„Vielleicht sollte ich Ihnen etwas erklären, Principessa“, fügte er hinzu. „Wir haben Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, falls ein solches Missgeschick passieren sollte. Vor meinem Schlafzimmer werden Wächter postiert, damit ich keine Überraschung erlebe, wenn ich mich zurückgezogen habe. Normalerweise ist das auf englischen Hauspartys nicht üblich. Ganz im Gegenteil.“

Damit brachte er sie zum Lachen, und Elidh vergaß ihre Nervosität. „Ungewöhnliche Vorkehrungen … Unter diesen Umständen sicher notwendig. Was mich betrifft, kann ich Sie beruhigen, Mr. Keynes. Von mir haben Sie in dieser Hinsicht nichts zu befürchten.“

„Das weiß ich“, erwiderte er und schenkte ihr ein charmantes Lächeln. „Sonst würde ich nicht mit Ihnen in die Galerie gehen. Meine Mutter hat erwähnt, Sie seien nur nach Hartswood gereist, um eine typisch englische Hausparty zu erleben. So ist es doch, nicht wahr?“

Unterzog er sie einer Prüfung? Sie waren stehen geblieben, und er schaute sie forschend an, sprach aber weiter, ehe sie zu Wort kam.

„In diesem Wirbelsturm weiblicher Avancen erscheint mir Ihre normale Gesellschaft wie ein rettender Hafen, Principessa.“

Klang seine Stimme bedauernd? Wünschte er, sie wäre ihm gefährlicher? Wenn er wüsste, wie sehr sie sein erhofftes Erbe gefährden könnte … Nein, sie würde ihn nicht dazu ermuntern, sie zu umwerben, sondern Distanz wahren. Dann wären sie beide auf der sicheren Seite. Mit einem sanften Lächeln nahm sie ihrer Beteuerung den Stachel. „Vor mir sind Sie völlig sicher, Mr. Keynes.“

Gewiss verstand er, was sie damit meinte. Eine so ranghohe Aristokratin wie eine Principessa würde sich niemals von einem Bürgerlichen den Hof machen lassen – mochte er auch ein riesiges Vermögen besitzen. Selbst wenn er auf jenes Erbe verzichten müsste, würde es ihm nicht allzu viel ausmachen, weil er einer schwerreichen Familie entstammte.

Leider war Subtilität die falsche Taktik. Falls Sutton Keynes den Sinn ihrer Bemerkung erriet, ließ er es nicht erkennen. Stattdessen hielten seine blauen Augen ihren Blick fest, und prompt tanzten unwillkommene Schmetterlinge in ihrem Bauch. „Was meinen Sie damit, Principessa?“

Also würde sie kein Blatt vor den Mund nehmen. Sobald sie die Schmetterlinge beruhigt hatte … Einige Sekunden lang betrachtete sie ihre behandschuhten Finger in Mr. Keynes’ Armbeuge. Wie man momentane Verlegenheit und Unbehagen mimte, hatte sie auf der Bühne oft geübt. „Zweifellos ist Ihnen klar, dass ich ein solches Angebot, wie Sie es am Ende der Hausparty verkünden müssen, niemals in Erwägung ziehen werde.“

Autor

Bronwyn Scott
Bronwyn Scott ist der Künstlername von Nikki Poppen. Sie lebt an der Pazifikküste im Nordwesten der USA, wo sie Kommunikationstrainerin an einem kleinen College ist. Sie spielt gern Klavier und verbringt viel Zeit mit ihren drei Kindern. Kochen und waschen gehören absolut nicht zu ihren Leidenschaften, darum überlässt sie den...
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