Im Glanz des Weihnachtsbaumes

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Als Alexa von ihrem Verlobten betrogen wird, tritt ein faszinierender Mann in ihr Leben und trocknet die Tränen der Enttäuschung: Der Adlige Phillipe de Villone bittet sie, ihn zu heiraten. Spontan sagt Alexa Ja zu einer Zweckehe - das scheint der beste Schutz für ihr verletztes Herz! Doch im Glanz des Weihnachtsbaumes beginnt ein ungeahntes Liebesmärchen …


  • Erscheinungstag 20.11.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733775261
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Alexa lief am Ufer entlang, das durch hölzerne Buhnen abgetrennt war; ihre Arme hielt sie weit ausgestreckt, und so balancierte sie wie ein Akrobat und kämpfte dabei gegen den starken Westwind an. Ihre grünen Augen strahlten, als sie die salzige Gischt in ihrem Gesicht spürte. Die Wellen schlugen unten am Strand hoch auf und nahmen beim Zurückfließen Sand und nasse Kiesel mit sich. Ein grauer Dunst hing wie ein undurchdringlicher Schleier über dem fernen Horizont.

Als Kind hatte Alexa Stunden damit verbracht, so auf den Buhnen herumzubalancieren. Dabei hatte sie dem Schrei der gelbschnäbeligen Seemöwen zugehört, die über ihrem Kopf dahinzogen. Es vermittelte ihr Gefühle der Freiheit, des Risikos und der Aufregung, wenn sie so am Wasser dahinlief. Sie war allein mit den Elementen und der Gefahr. Der Wind zog und zerrte an ihr und presste ihre Jeans gegen die Beine. Ihr langes rotgoldenes Haar flatterte wie eine Sturmfahne hinter ihrem Rücken.

Eine Welle der Ausgelassenheit nahm von ihr Besitz. Sie drehte sich um, und auf ihrem Gesicht war Lebensfreude und Unbekümmertheit zu lesen. Sie begann ihren Weg so, wie sie gekommen war, wieder zurückzubalancieren.

Plötzlich bemerkte sie einen Mann, der reglos dastand und ihr zusah. Sie hatte sich völlig allein geglaubt zu dieser frühen Morgenstunde, und sein überraschendes Auftauchen störte sie.

Alexa wollte schnell weiterlaufen und begann zu schwanken. Es gelang ihr nicht mehr, das Gleichgewicht wiederzugewinnen, und sie fiel. Aber der Fremde war schneller, als sie dachte. Bevor sie stürzte, wurde sie von seinen harten, kräftigen Armen aufgefangen, und dann rollten sie beide zusammen den steil abfallenden Hang zum Strand hinunter, wobei die Kiesel unter ihnen wegspritzten.

„Oh, verflixt …“, murmelte Alexa.

Einen Augenblick lag sie benommen da. Ihr Kopf wurde fest gegen seine breite Brust gedrückt, und sie vernahm einen seltsamen, rhythmischen Ton. Erst nach einer Weile begriff sie, dass es der Herzschlag des fremden Mannes war, dem sie lauschte.

Mit einem Ruck stand sie auf und blickte in das ausdrucksvolle Gesicht, in dem sich keine Miene bewegte. Eisgraue Augen blickten sie durchdringend an.

„Es tut mir leid“, murmelte sie und fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg.

„Haben Sie sich verletzt?“, fragte er.

„Nein, dank Ihrer breiten Brust“, antwortete sie und lächelte ihn höflich an. Er reagierte jedoch nicht darauf.

„Sie haben Glück gehabt“, bemerkte er. „Was für ein törichtes Spiel haben Sie da gespielt! Sie hätten leicht ins Meer stürzen können und wären ertrunken.“

„Das glaube ich nicht. Ich bin eine sehr gute Schwimmerin und bin es gewohnt, auf Buhnen herumzuspazieren“, erwiderte Alexa.

„Das Meer sollte man nie unterschätzen“, sagte er kurz angebunden, „es ist unberechenbar.“

Sie bemerkte, dass er einen leichten Akzent sprach. War er Franzose? Sein Englisch war ausgezeichnet, aber schon fast zu gut. Alexa klopfte den Sand von ihren Jeans. Er stand nun ebenfalls auf, und sie sah, dass sich auf seinem offensichtlich teuren Anzug Salzflecken gebildet hatten.

„Ach du meine Güte! Ich glaube, Ihr Anzug ist schmutzig. Bitte erlauben Sie, dass ich ihn reinigen lasse …“

Seine dunklen Brauen zogen sich zusammen, und ein arroganter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.

„Das werde ich nicht erlauben“, gab er ihr trocken zu verstehen.

„Aber es geschah durch meine Schuld“, protestierte Alexa.

Obwohl er nicht widersprach, ließ er ihr doch nicht ihren Willen. „Für die Reinigung bezahle ich schon selbst“, meinte er kurz.

„Nun gut. Jedenfalls danke ich Ihnen noch einmal für Ihre Hilfe“, erwiderte Alexa zögernd und wollte sich auf den Heimweg machen.

„Aber bitte keine gefährlichen Spiele mehr.“ Es klang wie ein Befehl.

Alexa war wütend. Wusste er nicht, wie sich das anhörte?

„Sind Sie Franzose?“, fragte Alexa.

„Ja“, gab er zu.

„Auf Urlaub?“, fragte sie, mehr eigentlich, um eine höfliche Konversation aufkommen zu lassen.

„Nein.“ Die Antwort war kurz und knapp, und damit machte er deutlich, dass er keine Unterhaltung wünsche. Offenbar hasste er es, Fragen beantworten zu müssen.

Alexa schüttelte die windzerzausten rotgoldenen Haare und verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken. „Also nochmals vielen Dank“, sagte sie erneut und stieg langsam den Strand empor. Sie blickte nicht mehr zurück.

Ihre Arbeit begann um neun. Sie schlüpfte durch den Eingang für Angestellte ins Hotel und lief hinauf in ihr Zimmer. Dort duschte sie, zog das schwarze Kostüm an, das sie zur Arbeit trug, und ging in das Personalspeisezimmer, um ein leichtes Frühstück einzunehmen, das aus Toast, Marmelade und Kaffee bestand.

Seit einem Jahr arbeitete Alexa im Garth Hotel als Empfangsdame. Sie arbeitete gern direkt mit Menschen zusammen, war von herzlicher und freundlicher Art und fiel nicht sofort in Panik, wenn irgendetwas schiefging.

Der Hotelmanager, Hal Cecil, war ihr Verlobter. Es war seine Idee gewesen, dass sie hier arbeiten sollte. Es würde ihnen die Möglichkeit geben, sich öfters zu sehen, wenn er sich ab und zu von seiner anstrengenden Tätigkeit freimachen konnte. Aber noch verliefen seine Abende meist so, dass er ständig für die Gäste da sein musste.

Als sie Hals Stimme auf der Treppe hörte, schaute sich Alexa um und sah seine blonden Haare. Er verneigte sich höflich vor einer gut frisierten Dame, die zu den Hotelgästen gehörte. Es war eine Witwe, schlank von Gestalt, sie stammte aus Durham. Heute trug sie ein kaffeefarbenes Leinenkleid, sehr raffiniert, aber doch einfach geschnitten. Ihre braunen Locken ringelten sich um ein herzförmiges Gesicht, das einen Ausdruck von kindlicher Süße hatte. Sie strahlte eine gewisse Zerbrechlichkeit aus.

Deidre Weatherby war seit letzter Woche im Hotel und zog sowohl männliche als auch weibliche Augen auf sich, ganz gleich, wo sie erschien. Man muss sie gern haben, überlegte Alexa. Die offensichtliche Verwundbarkeit der schmalen Frau erweckte sofort und überall Sympathie. Sie war nur sechs Monate verheiratet gewesen, als ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben kam. Das war vor einem Jahr gewesen. Vor Kurzem hatte sie Alexa anvertraut, dass dies der erste Urlaub sei, den sie allein verbringe. Sie hasste es, allein zu sein, hatte sie gesagt und dabei Alexa mit ihren großen braunen Augen angeblickt.

Alexa war von ihrer Jugend und ihrem Geständnis gerührt, obwohl Deidre ein Jahr älter war als sie. Aber ihre kleine zarte Gestalt machte sie tatsächlich ein bis zwei Jahre jünger. Jedenfalls fühlte sich Alexa stärker und erfahrener als sie.

Sie beobachtete nun die beiden und sah, wie Hal mit seinen hübschen blauen Augen sanft auf Deidre herabsah. Auch er hat Mitleid mit ihr, dachte Alexa und war glücklich. Er war immer sehr freundlich, und er fühlte wohl wie sie, dass Deidre tapfer versuchte, sich mit ihrer Situation abzufinden.

Alexa fühlte sich plötzlich beobachtet und drehte sich schnell um. Ein höfliches Lächeln trat auf ihr Gesicht, das aber schnell unter dem Blick eisgrauer Augen erstarrte.

Einen Moment lang war sie zu erschrocken, um sprechen zu können. Dann riss sie sich zusammen und sagte höflich: „Guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?“

„Mein Schlüssel“, sagte der Mann kurz angebunden. „Zimmer drei.“

Sie war überrascht. Bis jetzt hatte sie diesen Mann noch nie gesehen. Zimmer drei war erst gestern frei geworden. Er muss also, sagte sie sich, gestern Abend eingetroffen sein, als ich schon freihatte. Sie gab ihm den Schlüssel und sagte höflich: „Bitte schön, mein Herr.“

Nur einen Augenblick lang bildete sie sich ein, dass er sie nicht wiedererkannt hatte. Heute früh am Strand, in ihren alten verwaschenen Jeans, mit ihrem aufgelösten Haar musste sie ganz anders ausgesehen haben, nicht so kühl und förmlich gekleidet wie jetzt als Hotelempfangsdame. Der Mann drehte den Schlüssel um seinen Finger, musterte sie aufmerksam von oben bis unten, ohne jedoch mit irgendeiner Miene zu verraten, was er dachte. „Keine bösen Nachwirkungen von Ihrem Fall heute Morgen?“, fragte er schließlich.

Ihr Gesicht war ebenso ausdruckslos wie seines. „Nein, danke der Nachfrage.“

Er nickte und ging zum Aufzug. Sie sah im Register nach, wie er hieß. Phillipe de Villone. Der Name seines Heimatortes war ihr unbekannt. Sarconne. Eine französische Stadt? Oder ein Dorf? Sie betrachtete die energische Handschrift. Selbst wenn sie ihn nie gesehen hätte, könnte diese Schrift ihr doch manchen Aufschluss über ihn geben.

Es gab viel Arbeit an diesem Tag, und sie sah Hal nur ganz kurz. Ein oder zwei Mal lächelte er sie im Vorübergehen an, aber er war heute ebenfalls sehr beschäftigt und hatte keine Zeit, mit ihr zu sprechen.

Am Abend um sechs Uhr kam die Ablösung, ein freundliches junges Mädchen vom Ort. Sie war verheiratet und hatte ein kleines Kind. Um das Familienbudget aufzubessern, arbeitete sie halbtags. Alexa plauderte ein bisschen mit ihr und wartete auf Hal, der gewöhnlich kam, um sie abzuholen, weil sie dann entschieden, was man unternehmen könne. Sie durchquerte die Hotelhalle bis zum Treppenaufgang und wollte in Hals Büro hinaufgehen, weil er nicht kam, lief jedoch geradewegs auf Phillipe de Villone zu. Sie machte ihm Platz, ein höfliches Lächeln auf den Lippen, und wollte ihn vorbeilassen. Stattdessen hielt er an und betrachtete sie mit dem Blick seiner grauen Augen, aus denen niemals ein Lächeln sprach.

„Da Sie unser Gast sind“, begann sie ihn unsicher anzureden, „würden Sie mir vielleicht erlauben, dafür zu sorgen, dass Ihr grauer Anzug gereinigt wird …“

„Das ist bereits erledigt“, meinte er seelenruhig.

„Nun ja“, wich sie aus und wunderte sich, warum er sie so anstarrte.

„Aber da Sie darauf bestehen“, fuhr er ruhig fort, „es stimmt, Sie sind mir etwas schuldig. Möchten Sie heute Abend mit mir speisen?“

Die plötzliche Frage überrumpelte sie. Fast klang es wie eine Beleidigung. Sie wurde rot, und ihre grünen Augen funkelten, als sie antwortete: „Was für eine freundliche Einladung! Aber leider ist es mir als Hotelangehöriger nicht erlaubt, mich mit Gästen zusammenzusetzen. Manchmal ziehen die männlichen Gäste daraus nämlich falsche Schlüsse.“

Mit seinen dunklen Augen sah er sie erstaunt an. „Ich habe Sie nur um Ihre Gesellschaft beim Essen gebeten, meine Liebe, nicht um Ihre Gesellschaft im Bett.“

Sie wurde tiefrot. „Nun, das beruhigt mich“, warf sie schnippisch hin.

Als sie Hals Stimme hinter sich hörte, drehte sie sich um. Er sprach mit jemand, der am Aufzug stand, und als er sie sah, kam er lächelnd auf Alexa zu. „Es tut mir so leid, Liebling“, meinte er entschuldigend. „Ich habe dich schon wieder warten lassen. Aber ich wurde aufgehalten.“ Sein Blick fiel auf den Gast, und mit einem sehr höflichen Lächeln meinte er: „Guten Abend. Hoffentlich gefällt es Ihnen bei uns.“

„Sehr gut“, sagte Phillipe de Villone und betrachtete Hal ruhig, als ob er ihn prüfen müsse.

„Das freut mich“, meinte Hal herzlich. Er lächelte Alexa an. „Ich fürchte, ich muss einen Haufen Papierkram erledigen. Vor acht Uhr bin ich sicher nicht fertig. Geh doch inzwischen zum Dinner und warte dann auf mich, ja?“

„Gut.“ Sie lächelte und legte eine Hand auf seinen Arm als Geste der Zustimmung.

Er beugte sich vor und küsste sie. „Also bis später.“ Er verneigte sich mit einer leichten Verbeugung vor seinem Gast und ging zum Aufzug zurück, während Alexa sich umdrehte und die Treppen hinaufstieg, allerdings stand sie somit erneut Phillipe de Villone gegenüber.

Diesmal nahm er ihre linke Hand in seine, hielt ihr Handgelenk hoch und betrachtete den Verlobungsring mit dem Diamanten. „Sie sind verlobt?“, sagte er leichthin.

„Ja“, antwortete sie und wunderte sich über den Ausdruck in seinen grauen Augen.

„Mit dem Hotelmanager? Wie romantisch!“

Sein Ton versetzte sie in Zorn, und sie wurde rot.

„Schon lange?“, wollte er wissen und blickte in ihr errötetes Gesicht.

„Wir haben uns vor einem Jahr verlobt“, antwortete Alexa mit zusammengedrückten Lippen.

Er zog die Augenbrauen fast bis an seine dunklen Haare hoch. „Ein Jahr schon?“ Sein Mund verzog sich. „Aber Sie leben beide unter dem gleichen Dach …“

Ihre Augen funkelten. „Und was schließen Sie daraus?“

Er zuckte die Schultern, lächelte boshaft und meinte: „Was denken Sie? Und warum nicht? Sie haben das richtige Alter dazu!“

„Das ist Ihre Meinung“, wies sie ihn zurecht, „aber nicht die meine.“

„Armer Teufel“, murmelte Phillipe. „Kein Wunder, dass er bis spät in die Nacht arbeitet!“

Alexa hielt den Atem an und verbiss sich mit Mühe die bissige Bemerkung, die ihr fast entschlüpft wäre. „Entschuldigung“, sagte sie kurz, ging an ihm vorbei und lief die Treppe hinauf. Als sie am nächsten Treppenabsatz anhielt, bemerkte sie, wie er ihr nachsah. Er hatte die Hände in die Taschen gesteckt, und nichts in seinem Gesicht verriet seine Gedanken.

Schnell wandte Alexa sich ab und verschwand aus seinem Gesichtsfeld. In ihrem Zimmer angekommen, zog sie die Vorhänge zu und setzte sich aufs Bett. Sie war unzufrieden. Sie hatte sich auf einen Abend mit Hal gefreut. In letzter Zeit schien er so beschäftigt, dass sie sich kaum noch sahen. Die Sommersaison war eine schlimme Zeit, das stimmte. Im Winter hatten sie viel mehr voneinander. Sie wollten diesen Winter heiraten. Bis jetzt hatten sie noch keinen Termin festgesetzt, aber wenn Hal einen Ersatz aus London bekam, könnten sie ihre Hochzeitsreise antreten.

Sie seufzte und stand auf. Langsam zog sie sich das schwarze Kostüm aus und duschte lange und ausgiebig. Ihr war, als ob dabei die ganze Anspannung des Tages weggewaschen wurde. Sie legte ein hellgrünes Kleid an und steckte ihr rotgoldenes Haar auf, sodass es locker und bauschig auf ihrem Kopf saß. Dadurch blieb ihr schlanker Nacken frei. Danach ging sie hinunter zum Essen. Abends konnten die Hotelangestellten im Speisesaal essen, da nur wenige im Hotel wohnten. Viele der Angestellten stammten aus dem kleinen Städtchen und gingen abends heim.

Als sie den Speisesaal betrat, erhob sich Phillipe de Villone von seinem Stuhl und zeigte auf den Platz ihm gegenüber. Sie hielt kurz an und sagte: „Nein, danke.“

Bevor er antworten konnte, ging sie an ihm vorbei und wandte sich dem Ecktisch zu, der für die Angestellten reserviert war. Sie begrüßten sie freundlich. Alle hatten sie gern, und seit sie ihre Arbeit begonnen hatte, hatte sie sich schon eine Menge guter Freunde geschaffen.

Bald hatte sie Phillipe de Villone vergessen und lachte über eine Geschichte, die ein Zimmermädchen erzählte. Ihre grünen Augen funkelten vor Vergnügen.

Als sie gerade ihren Kaffee trank, sagte Hal hinter ihr: „Es tut mir so leid, Liebling. Schlag mich, wenn du willst. Ich musste dieses Zeug erledigen, es soll morgen mit der Frühpost weg.“

Sie wandte sich ihm zu und lächelte ihn liebevoll an. Er beugte sich über Alexa und küsste sie leicht auf die Wange. „Du bist ein wundervolles Mädchen!“

„Willst du etwas essen?“, fragte sie.

„Ich habe mir ein Tablett ins Büro bringen lassen. Es ist so schön draußen, sollen wir nicht ein wenig auf und ab gehen?“

„Ja gern“, erwiderte sie und stand auf.

Hand in Hand verließen sie den Speisesaal, gingen an Phillipe de Villone vorbei, der ihre verschlungenen Hände mit seinen grauen Augen musterte. Boshaft lächelnd blickte er zu Alexa hin. Ihr Blick war eisig. Er ist unerträglich, dachte sie und hätte Hal fast von ihrem Gespräch mit diesem Mann erzählt. Aber dann dachte sie daran, dass Hal ihr wahrscheinlich bedeuten würde, sich nicht mit Gästen zu streiten. Die schlimmste Sünde, die ein Hotelangestellter begehen konnte, war, unhöflich zu einem Gast zu sein.

Alexa und Hal gingen am Hotel vorbei und beobachteten den silbernen Pfad, den der Mond über dem Meer zeichnete. Er reichte bis weit hinaus an den dunklen Horizont, lief über das stille dunkle Wasser, soweit das Auge es erfassen konnte. Heute Abend war die Luft klar, die Wellen schlugen leise murmelnd ans Ufer und glitten lautlos den Sandstrand hinauf.

Alexa lehnte ihren Kopf an Hals Schulter, als sie in ihrem Spaziergang innehielten, um das Meer zu beobachten. „Bevor wir es richtig bemerken, wird die Saison zu Ende sein, und dann können wir endlich Pläne für unsere Hochzeit machen“, murmelte sie.

„Ja“, sagte er leise.

Sie blickte zu ihm auf und zog die Stirn in Falten. „Fehlt dir etwas? Du scheinst verärgert zu sein.“

„Ach, es sind bloß Probleme mit den Angestellten“, meinte er. „Denk nicht darüber nach. Ich möchte nicht auch dich noch mit der Arbeit belästigen.“ Er drehte sich zu ihr um und legte ihr die Arme um die Taille, beugte sich zu ihr, und Alexa hob ihm ihren Mund entgegen und wartete sehnsüchtig auf seinen Kuss.

„Hal, Liebling!“, flüsterte sie, als ihre Lippen sich trafen. Ihre Arme schlangen sich um seinen Hals.

Ein Geräusch ließ sie plötzlich auseinanderfahren, und beide drehten sich um. Erstaunt bemerkten sie, dass Phillipe de Villone genau hinter ihnen stand und mit in den Taschen vergrabenen Händen vorbeiging, wobei ein amüsierter Ausdruck auf seinem Gesicht lag. Hal war rot geworden, er nahm Alexas Arm und begann, schnell zum Hotel zurückzulaufen. Sie war ernstlich aufgebracht gegen den Franzosen, weil er einen so kostbaren Augenblick unterbrochen hatte. Sie und Hal hatten so selten Zeit für sich. In letzter Zeit verbrachten sie nie mehr als nur wenige Minuten täglich zusammen. Als sie an dem Franzosen vorübergingen, warf sie ihm einen hasserfüllten Blick zu.

Während der nächsten Tage war Alexa so beschäftigt wie immer. Sie sah Hal kaum, und wenn, war es nur für kurze Zeit. Außerdem war sie dankbar, dass sie auch von Phillipe de Villone nicht viel sah. Er befand sich auf einer Geschäftsreise in England, hatte sie herausgefunden. Einmal gab er abends im Hotel eine Dinnerparty für sechs Gäste. Er hatte ein ganz besonderes Menü bestellt, und man hatte der Gruppe einen besonderen Tisch bereitgestellt, abseits der übrigen Gäste.

Als Phillipe de Villone nach Ende des Dinners und nach Verabschiedung seiner Gäste wieder ins Hotel kam, ging sie gerade die Treppen hinauf, um zu ihrem Zimmer zu gelangen. Als sie ihn neben sich bemerkte, drehte sie sich etwas zu ihm um. Irgendwie wurde sie innerlich unruhig, als ob irgendetwas bei seinem Anblick sie in Aufruhr versetzt hätte.

Seine Augen glitten über sie hinweg. „Kein Mondscheinspaziergang heute Abend?“, fragte er trocken.

„Nein“, antwortete sie kurz angebunden. Hal war den ganzen Abend über so beschäftigt gewesen, dass er keine Zeit gehabt hatte, zu ihr herunterzukommen und mit ihr zu sprechen.

„Schade“, meinte Phillipe de Villone.

Beide erreichten zusammen die Biegung im ersten Stock, und sie wollte gerade auf die kleine Treppe zugehen, die zu den Räumen des Personals führte, als die Tür von Deidre Weatherbys Zimmer geöffnet wurde. Sowohl Alexa als auch Phillipe sahen Hal, der seinen Arm um die schlanke Taille des Mädchens gelegt hatte und sie leidenschaftlich küsste. Alexa erstarrte zu Eis, Unglauben und Schmerz zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab. Ohne es selbst zu bemerken, hielt sie sich an Phillipe de Villones Arm fest, ihre Nägel gruben sich in sein Fleisch, als ob sie sich damit helfen könnte, den Schreckenslaut zu unterdrücken, den sie auf den Lippen hatte.

„Ich kann ihr nicht wehtun, Liebling“, flüsterte Hal so hörbar, dass das Blut in Alexas Adern gerann. „Ich bring’ es einfach nicht über mich, es ihr zu sagen.“

„Ich muss abreisen“, sagte Deidre schluchzend. „Es ist Unrecht. Ich werde morgen abfahren, Hal.“

Phillipe de Villone handelte so schnell, dass Alexa sich gar nicht bewusst wurde, was er tat. Obwohl sie wie angenagelt dastand und das Paar auf der Türschwelle beobachtete, befand sie sich im nächsten Augenblick schon im Dunkeln in der Wäschekammer, eine Hand bedeckte ihren Mund, und sie hatte keine Idee, wie sie überhaupt hierhergekommen war.

Sie versuchte, etwas zu sagen.

„Pst!“, zischte er.

Beide hörten, wie sich eine Tür im Korridor schloss. Dann Schritte, das Geräusch des Aufzuges, danach war es ruhig.

Die Hand auf ihrem Mund wurde weggenommen. Phillipe de Villone öffnete die Tür und blickte vorsichtig hinaus, danach zog er sie hinter sich her. Sie zitterte unter dem Schock dessen, was sie gesehen hatte. Sie lehnte sich gegen die Wand, ihre Augen waren geschlossen, und sie versuchte, gegen die Übelkeit anzukämpfen, die in ihr aufstieg. Sie fühlte sich am Arm ergriffen und vorwärts gezogen.

Alexa öffnete die Augen und wurde sich klar darüber, dass er sie in Richtung seines Zimmers zog. Plötzlich stoppte sie und sagte energisch: „Nein.“

Mit seinen herrischen grauen Augen schaute er auf sie herab und meinte: „Seien Sie keine Närrin!“

Der befehlende Ton seiner Stimme genügte, mit ihm weiterzugehen. In seinem Zimmer drückte er sie in einen Sessel, wo sie, immer noch zitternd, mit den Händen im Schoß wie versteinert sitzen blieb. Nach einer Weile beugte er sich über Alexa und reichte ihr ein Glas. Abwesend sah sie es an. „Nein, danke.“

„Trinken Sie“, sagte er kurz. „Sie brauchen es.“

Als sie keine Anstalten machte, ihm zu gehorchen, führte er das Glas an ihre Lippen, und mit einem kleinen Seufzer trank sie es aus. Der Brandy brannte ihr in der Kehle, und sie musste husten.

Er lehnte sich an den Ankleidetisch, seine Arme über der Brust verschränkt, und sah sie an. „Also wussten Sie von nichts?“, forschte er.

Alexa sah ihn erstaunt an. „Was?“

Sein Mund zog sich zusammen. „Sogar ich wusste es.“

Röte stieg in ihr Gesicht. „Sie wussten … was?“

„Mein Gott haben Sie keine Augen im Kopf? Schon als ich sie das erste Mal zusammen sah, wusste ich Bescheid. Er wurde von ihr angezogen wie eine Motte vom Licht. Die kleine hilflose und zarte Witwe brauchte ihn nur anzusehen, und da war es geschehen. Ich dachte, einer Ihrer Freunde hätte Sie aufgeklärt. Jeden Abend dieser Woche war Ihr Verlobter mit ihr zusammen, während Sie herumsaßen und auf ihn warteten.“ Seine Stimme hatte einen boshaften Unterton und ließ sie die erlittene Demütigung noch stärker empfinden.

2. KAPITEL

Als Alexa jetzt über die letzten zehn Tage nachdachte, zogen Hunderte von Einzelheiten an ihrem Auge vorbei … Hal hatte vermieden, sie aufzusuchen, sie sah ihn von Weitem mit Deidre, sein Kopf neigte sich beschützend über sie, seine blauen Augen blickten ihr nach, wenn sie wegging … Alexa hatte angenommen, dass seine Freundlichkeit und Aufmerksamkeit Mitleid entsprungen waren. Auf einmal fiel ihr wieder ein, wie jeder verstummte, wenn sie zu einer im Gespräch vertieften Gruppe trat, kleine, ihr zugeworfene Blicke.

Alle hatten etwas vermutet, jeder hatte einen Verdacht, außer ihr selbst. Die Demütigung machte sie fast krank, und ihr Stolz war verwundet. Jedermann musste doch hinter ihrem Rücken sich über ihre absolute Blindheit lustig gemacht haben! Dass Hal ihr das antun konnte!

Wie zu sich selbst, aber doch hörbar, sagte sie: „Ich habe ihm vertraut.“

„Und was werden Sie jetzt unternehmen?“ Phillipe de Villone betrachtete ihr weißes Gesicht.

Fast hilflos blickte sie ihn an, als wolle sie ihn um Rat bitten. „Ich weiß es nicht.“

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Sie können aber nicht einfach darüber hinwegsehen. Zuerst dachte ich, es sei eine flüchtige Affäre. Ich nahm sogar an, Sie ignorierten sie einfach.“ Er schüttelte den Kopf und fuhr fort: „Nun, ich vermute, so etwas kommt im Hotelbetrieb jeden Tag vor. Soweit ich unterrichtet bin, hat er immer schon mit weiblichen Hotelgästen geflirtet. Aber von dem zu schließen, was wir heute Abend gehört haben, glaube ich doch, dass da mehr dahintersteckt … es klang wirklich echt.“

Alexa zitterte noch immer. Auch ihr war alles sehr ernst gemeint erschienen. Hals Stimme hatte verzweifelt geklungen, und sie dachte an sein seltsames Benehmen ihr gegenüber, unerklärliche Sprünge in ihrer Konversation, abwesende Blicke. Hatte er vielleicht versucht, Mut zu einem Gespräch zu finden?

Sie stand auf und ging ärgerlich zum Fenster, zog die Vorhänge beiseite und blickte auf die vom Mondlicht beschienene See hinaus. „So etwas Dummes! Ich werde … ja was werde ich eigentlich tun? Soll ich ihn zur Rede stellen?“ Wut stieg in ihr hoch, und sie drehte sich zu Phillipe de Villone um. „Was soll ich eigentlich sagen? Etwa: Hal, ich weiß, wir sind verlobt, aber vielleicht liebst du eine andere Frau?“ Ihre Stimme brach. „Seit einem Jahr sind wir verlobt. Ich dachte, ich kenne ihn, aber jetzt weiß ich, ich wusste gar nichts von ihm.“

„Er hat sich in jemand anderen verliebt. Ich glaube nicht, dass er das eigentlich wollte, aber so etwas kann man nicht planen.“

„Ich weiß das auch. Aber hilft das vielleicht, meine Probleme zu lösen?“

„Die Lösung ist einfach genug, nehmen Sie Ihr Wort zurück.“

„Soll ich vielleicht einfach zu ihm gehen und sagen: ‚Entschuldige, vergessen wir alles?‘ Ohne ihm einen Grund zu nennen? Wenn ich gewusst hätte, dass er mich die ganze Zeit betrügt, wäre es einfacher. Dann würde ich ihn hassen, und alles wäre so viel leichter. Aber es ist, wie Sie sagen. Er hat einfach aufgehört, mich zu lieben, und er hat sich in eine andere verliebt … wie also soll ich ihm sagen, dass ich alles weiß und es mir nichts ausmacht?“

Neugierig fragte Phillipe: „Wollen Sie es so hinstellen? Ihn freigeben, ohne großes Aufsehen zu erregen?“

Sie hob den Kopf, und ein stolzer Ausdruck zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Genau das will ich erreichen. Was auch immer ich tue oder sage, er wird wissen, was ich ihm vorwerfe. Er wird immer ein Schuldgefühl haben, meinen Sie nicht auch?“

„Dann müssen Sie ihm aber einen wirklichen Grund liefern“, bemerkte er kalt. „Irgendetwas, was scheinbar nichts mit ihm zu tun hat.“

Alexa hörte ihm hoffnungsvoll zu. „Was zum Beispiel? Soll ich vielleicht behaupten, dass ich ihn plötzlich nicht mehr liebe? Ich glaube nicht, dass ich das überzeugend genug fertigbringe.“

Autor

Charlotte Lamb

Die britische Autorin Charlotte Lamb begeisterte zahlreiche Fans, ihr richtiger Name war Sheila Holland. Ebenfalls veröffentlichte sie Romane unter den Pseudonymen Sheila Coates, Sheila Lancaster, Victoria Woolf, Laura Hardy sowie unter ihrem richtigen Namen. Insgesamt schrieb sie über 160 Romane, und zwar hauptsächlich Romances, romantische Thriller sowie historische Romane. Weltweit...

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