In den Armen des verführerischen Griechen (2-teilige Serie)

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Auf der Jacht des griechischen Tycoons
"Mr. Zikos möchte Sie auf einen Drink einladen." Neugierig folgt Grace dem Kellner in den VIP-Bereich der Bar und trifft dort den umwerfenden Tycoon Leo Zikos. Wie Leo sie berührt, wie er sie küsst -wie heiß er sie auf seiner weißen Jacht liebt! Mit ungeahnten Folgen …

Die Geliebte des griechischen Milliardärs
"Ich bekomme immer, was ich will. Und ich will dich." Der griechische Milliardär Bastien Zikos hat Lilah nie verziehen, dass sie ihn einst abwies. Aber jetzt hat er die widerspenstige Schönheit in der Hand. Er wird die Firma ihrer Familie nur retten, wenn sie seine Geliebte wird!


  • Erscheinungstag 24.06.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507417
  • Seitenanzahl 288
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Lynne Graham

In den Armen des verführerischen Griechen (2-teilige Serie)

IMPRESSUM

Auf der Jacht des griechischen Tycoons erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2015 by Lynne Graham
Originaltitel: „The Greek Demands His Heir“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 416 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Irmgard Sander

Umschlagsmotive: GettyImages-Olga_Gavrilova

Veröffentlicht im ePub Format in 6/2021.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751507394

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Übrigens, letzte Woche habe ich zufällig Rodas getroffen“, sagte Anatole Zikos, der seinen Sohn Leo ursprünglich angerufen hatte, um ihm zu seinem jüngsten geschäftlichen Erfolg zu gratulieren. „Dein zukünftiger Schwiegervater schien mir etwas … ungeduldig, wann ihr endlich ein Datum für die Hochzeit festsetzt. Immerhin seid ihr seit drei Jahren verlobt, Leo. Wann hast du denn vor, Marina zu heiraten?“

„Wir treffen uns heute Mittag zum Essen“, wich Leo der besorgten Frage amüsiert aus. „Aber wir haben beide nicht vor, etwas zu überstürzen.“

„Nach drei Jahren kann euch das auch niemand vorwerfen“, entgegnete Anatole trocken. „Bist du sicher, dass du das Mädchen überhaupt heiraten willst? Es ist ja nicht so, als hättest du Kouros Electronics heutzutage noch nötig.“

„Darum geht es doch gar nicht“, entgegnete Leo pikiert. „Es ist eine Frage der Vernunft. Marina wird einmal die perfekte Ehefrau für mich sein.“

„Es gibt keine perfekte Ehefrau, Leo.“

Unwillkürlich dachte Leo an Cleta, seine Mutter, und biss sich auf die Zunge, ehe er etwas sagte, was er bereuen würde. Die Ehe seiner Eltern war lange Zeit ein Kriegsschauplatz gewesen, nicht zuletzt weil sein Vater sich über Jahre eine Zweitfamilie mit seiner Geliebten und deren Kind geleistet hatte. Auch nach dem Tod der Geliebten waren die Spannungen zwischen Leos Eltern nicht besser geworden, da der uneheliche Sohn in Anatoles Haus aufgenommen worden war. Genau wie sein Halbbruder war Leo, kaum dass er erwachsen war, vor diesem Unfrieden geflohen und hatte es ebenso wie Bastien ohne Hilfe in wenigen Jahren zum Selfmade-Milliardär gebracht.

Seine Eltern lebten seit einiger Zeit gütlich getrennt, was es Leo ermöglicht hatte, sich mit seinem Vater auszusöhnen. Lange Zeit hatte er ihm nicht verzeihen können, dass er mit seiner notorischen Untreue seine Mutter unglücklich gemacht und die Atmosphäre in der Familie vergiftet hatte. Cleta Zikos war im Herzen eine enttäuschte, verbitterte Frau geblieben, die den Anblick des unehelichen Sohnes ihres Mannes nicht ertragen konnte.

Am anderen Ende der Leitung seufzte Anatole, als sein Sohn schwieg. „Ich möchte doch nur, dass du in deiner Ehe glücklich wirst, Leo.“

„Das werde ich“, erklärte Leo zuversichtlich und beendete lächelnd das Gespräch.

Das Leben meinte es gut mit ihm, sehr gut sogar. Nicht nur war er groß, dunkelhaarig und athletisch – der Traum vieler Frauen. Er war auch überaus reich und erfolgreich. Sein Vater hatte also durchaus recht, dass Leo Marina nicht heiraten musste, um auf diese Weise in den Besitz des Elektronikkonzerns ihres Vaters zu gelangen. Aber er hatte Marina nie ihres Geldes wegen heiraten wollen.

Als Leidtragender der explosiven Auseinandersetzungen in seinem Elternhaus hatte Leo schon mit achtzehn eine Liste mit Eigenschaften aufgestellt, die seine zukünftige Ehefrau aufweisen sollte. Marina Kouros genügte ihr in allen Punkten. Sie war reich, schön und intelligent und entstammte denselben exklusiven Kreisen, in denen er aufgewachsen war. Sie hatten sehr viel gemeinsam, waren aber nicht ineinander verliebt, geschweige denn eifersüchtig. Ihre Ehe würde eine Vernunftehe auf der Basis von Freundschaft und Partnerschaft sein. Nein, mit Marina, die er seit dem Kindergarten kannte, musste Leo keine unangenehmen Überraschungen befürchten.

Zufrieden mit sich und seinem Leben, ließ sich Leo zu dem Jachthafen an der Côte d’Azur chauffieren und ging an Bord der Hellenic Lady, einer der größten Privatjachten der Welt. Mit fünfundzwanzig hatte er seine erste Milliarde gemacht, und seitdem gönnte er sich nach einem abgeschlossenen Deal wie jetzt gelegentlich eine Auszeit auf seiner Luxusjacht.

„Schön, Sie wieder an Bord zu haben, Sir“, begrüßte ihn sein englischer Kapitän. „Miss Kouros erwartet Sie im Salon.“

Marina, eine schlanke, elegante Brünette, bewunderte gerade ein Gemälde, das er erst vor Kurzem erworben hatte. Bei Leos Eintreten wandte sie sich lächelnd um.

„Deine Nachricht hat mich etwas überrascht.“ Leo küsste sie auf die Wange. „Ich wusste gar nicht, dass du in der Gegend bist.“

„Ich bin unterwegs zu einem Wochenendtrip mit Freunden und dachte, wir sollten uns mal wieder kurzschließen. Ich glaube, mein Vater streut Gerüchte über eine bevorstehende Hochzeit …“

„Neuigkeiten verbreiten sich schnell“, meinte Leo trocken. „Anscheinend wird dein Vater etwas ungeduldig.“

Marina seufzte. „Er hat seine Gründe. Ich war in letzter Zeit wohl etwas indiskret.“

„Inwiefern?“

„Hatten wir uns nicht geeinigt, dass wir uns bis zur Heirat keine Erklärungen schuldig sind?“, protestierte sie.

„Wir waren uns einig, dass wir unserer eigenen Wege gehen, bis die Ehe uns bindet“, räumte er ein. „Aber als dein Verlobter habe ich doch wohl das Recht, zu erfahren, was du mit ‚indiskret‘ meinst?“

„Also gut!“ Ein wenig trotzig warf sie ihren Seidenschal aufs Sofa. „Ich habe gerade eine heiße Affäre, und es hat etwas Gerede gegeben.“

„Wie heiß?“, erkundigte sich Leo sanft.

Marina verdrehte lachend die Augen. „Du bist keine Spur eifersüchtig, stimmt’s?“

„Nein, aber ich wüsste doch gern, was deinen Vater so aufgescheucht hat, dass er auf einen Hochzeitstermin drängt.“

Sie verzog das Gesicht. „Wenn du es unbedingt wissen willst: Mein Geliebter ist ein verheirateter Mann.“

Leos Augen blitzten auf. Er war ebenso erstaunt wie enttäuscht, denn bislang hatte er stillschweigend angenommen, dass für Marina Ehebruch ebenso tabu sei wie für ihn. Zu sehr hatte er als Kind unter den Konsequenzen der Affäre seines Vaters gelitten.

„Meine Güte, Leo, stell dich nicht so an!“, verteidigte sich Marina, als er so offensichtlich missbilligend schwieg. „Der Klatsch legt sich wieder. Das ist doch immer so.“

„Du kannst nicht erwarten, dass ich das gutheiße. Zumal eine solche Affäre deinen Ruf schädigt … und damit auch meinen“, erwiderte er kühl.

„Etwas Ähnliches könnte ich auch über die kleine Striptease-Tänzerin sagen, mit der du letzten Sommer übers Mittelmeer gekreuzt bist.“

Leo zog es wieder einmal vor, zu schweigen, warf Marina aber einen Blick zu, der sie vor Unbehagen erröten ließ. Tatsächlich war Leo Zikos ein Mann, der regelmäßigen Sex als genauso selbstverständlich betrachtete wie die Luft zum Atmen oder tägliche Mahlzeiten. Er sah keinen Grund, sich dafür zu rechtfertigen – vor allem, da er und Marina nicht einmal das Bett miteinander teilten. Ihre Abmachung, sich bis zur Hochzeit alle Freiheiten zu erlauben, funktionierte einfach besser bei gleichzeitigem Einverständnis, sich den Sex miteinander für die Ehe aufzuheben. Ein vernünftiges Arrangement.

Es gibt keine perfekte Ehefrau, hatte sein Vater erst vor gut einer Stunde zu ihm gesagt, doch Leo hatte nicht erwartet, schon so bald den Beweis für diese Behauptung zu erhalten. Seine hohe Meinung von Marina hatte empfindlich Schaden genommen, weil sie es offensichtlich nicht als grundsätzlich falsch betrachtete, mit dem Ehemann einer anderen zu schlafen. Waren seine Ansichten in diesem Punkt so altmodisch? Zu stark beeinflusst von den Erfahrungen in seiner Kindheit und Jugend?

„Es tut mir leid, aber mein Vater lässt mir keine Ruhe“, lenkte Marina reumütig ein. „Wahrscheinlich hat er Angst, ich könnte dich vergraulen. Wie ich es ja angeblich schon mit deinem Bruder getan habe …“

Das war ein Thema, an dem Leo am liebsten nicht rührte. Den einzigen richtigen Fehler hatte Marina in seinen Augen nämlich vor Jahren begangen, als sie sich einen One-Night-Stand mit seinem Halbbruder erlaubt hatte, zu dem Leo nie ein gutes Verhältnis gefunden hatte. Zu allem Überfluss hatte Bastien Marina im Anschluss auf unverzeihliche Weise abgefertigt, was Leo ihm nie verziehen hatte. Denn Marina war seit seiner Kinderzeit so etwas wie sein bester Freund und Kumpel. Es gab kaum einen Menschen, dem er so vertraute.

„Vielleicht sollten wir einfach einen Termin für die Hochzeit festlegen, damit alle zufrieden sind“, schlug sie nun beiläufig vor. „Ich bin zwar erst neunundzwanzig, aber ich glaube, mein Vater hat Angst, ich könnte zu alt werden, um die ersehnten Enkel zu liefern.“

Wieder schwieg Leo, denn er fühlte sich noch gar nicht bereit für die Vaterrolle.

„Was hältst du von Oktober?“ Marina schien sein Unbehagen nicht zu bemerken. „Mir würden drei Monate für die Vorbereitung reichen. Eine entspannte kleine Feier in London, nur mit der Familie und unseren engsten Freunden.“

Damit war die Sache entschieden. Während des Mittagessens an Deck tauschten sie die jüngsten Neuigkeiten über gemeinsame Freunde aus. Als Marina gegangen war, hätte Leo eigentlich zufrieden sein können. Wieder einmal war zwischen ihnen alles ganz harmonisch und ohne Streit abgelaufen. Aber obwohl er dem Hochzeitstermin zugestimmt hatte, blieb ein Gefühl nagender Unzufriedenheit … nein, schlimmer noch, er fühlte sich plötzlich, als säße er in der Falle.

„Unsinn, Grace, natürlich fliegst du mit Jenna in die Türkei.“ Wie üblich wischte Della Donovan, Grace’ Tante, die Einwände ihrer Nichte vom Tisch. „Wer wäre so dumm, auf einen Gratisurlaub zu verzichten?“

Grace blickte angestrengt in den hübschen Garten hinter dem repräsentativen Haus ihrer Tante und ihres Onkels im Londoner Norden. Vergeblich zerbrach sie sich den Kopf auf der Suche nach einer Ausrede, um die „großzügige Einladung“ ihrer Cousine ablehnen zu können.

„Deine blöden Prüfungen hast du doch alle hinter dir, oder?“, mischte sich Jenna ein, die auf dem Sofa saß. Mutter und Tochter waren sich sehr ähnlich, große, schlanke Blondinen … ganz im Gegensatz zu Grace, die klein war, mit Rundungen, einer feuerroten Lockenmähne, hellem Alabasterteint und Sommersprossen auf der Stupsnase.

„Ja, aber …“ Sie verkniff sich das Eingeständnis, dass sie die Semesterferien nutzen wollte, um sich mit einem Kellnerjob ein möglichst großes finanzielles Polster für ihr letztes Studienjahr an der Universität zu verdienen. Jegliche Anspielungen auf ihre enge finanzielle Lage betrachtete ihre Tante als undankbar und geschmacklos. Dabei hatte Grace im Haus ihrer Tante und ihres Onkels für ihr Geld stets arbeiten müssen, obwohl ihre Tante eine erfolgreiche Anwältin und ihr Onkel ein hoch bezahlter Manager war. Schon mit zehn Jahren wurde ihr von ihrer Tante unmissverständlich klargemacht, dass sie keine „richtige“ Tochter der Donovans war, deshalb auch nichts von ihnen erben würde und somit allein für ihren Lebensunterhalt aufkommen musste.

So hatte Grace schon sehr früh gelernt, welch unterschiedlicher Stellenwert ihr und Jenna zukam. Eine Privatschule für Jenna, die staatliche Gesamtschule im Viertel für Grace. Ein eigenes Pferd und Reitstunden für Jenna, Stallausmisten für Grace. Jenna machte selbstverständlich Abitur, studierte und arbeitete mit fünfundzwanzig dank der Beziehungen ihrer Eltern schon für ein populäres Modemagazin. Grace musste mit sechzehn erst einmal die Schule beenden, um Dellas bettlägerige Mutter bis zu deren Tod zu pflegen. Statt sorglos ihre Jugend zu genießen, hatte sie neben ihrer Pflegetätigkeit das Abitur an der Abendschule nachgeholt, um schließlich das Medizinstudium aufnehmen zu können.

Trotzdem verbot sie sich jede Bitterkeit. Die alte Mrs. Grey zu pflegen betrachtete sie als faire Gegenleistung dafür, dass die Donovans sie nach dem Tod ihrer Mutter in ihrem Haus aufgenommen hatten. Niemand sonst hatte sie haben wollte. Ohne die Intervention ihres Onkels wäre sie damals im Heim gelandet. Das hielt sich Grace jedes Mal vor Augen, wenn die Familie ihres Onkels wieder einmal einen Dienst von ihr einforderte. Manchmal jedoch hatte sie das Gefühl, an der Anstrengung ersticken zu müssen, die es sie kostete, ihr rebellisches Temperament zu zügeln und den Mund zu halten.

„Wie es aussieht, bin ich auf dich angewiesen“, maulte Jenna wie ein verzogener Teenager. „Ich kann meinen geplanten Mädelsurlaub ja schlecht allein machen. Und von meinen Freundinnen hat keine Zeit. Glaub mir, du bist meine letzte Wahl.“

Grace presste ihren hübschen Schmollmund zusammen und strich sich die roten Locken aus der Stirn. Ihre hellgrünen Augen blitzten, und allmählich meldeten sich die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen. Eigentlich hatte ja Lola, die beste Freundin ihrer Cousine, Jenna begleiten sollen, aber sie hatte sich bei einem Autounfall beide Beine gebrochen. Das war der einzige und traurige Grund, warum Jenna Grace einlud, sie in die Türkei zu begleiten, und Grace hätte liebend gern abgelehnt, obwohl sie ewig keine Ferien gemacht hatte.

Denn unglücklicherweise hatte Jenna Grace nie leiden können. Die Donovans hatten vielleicht gehofft, dass ihre Tochter Grace als kleine Schwester akzeptieren würde, weil die beiden Mädchen nur ein Jahr trennte. Als verwöhntes Einzelkind hatte Jenna ihre Cousine jedoch von Anfang an als Rivalin um die Gunst der Eltern betrachtet. Und das war im Lauf der Jahre nur schlimmer geworden, als Grace sich als die weitaus bessere Schülerin erwiesen und trotz ihrer unterbrochenen Schullaufbahn schließlich sogar begonnen hatte, Medizin zu studieren.

„Da es so kurzfristig ist, wirst du mit Grace vorliebnehmen müssen, Darling“, meinte Della nun mitfühlend. „Aber sie wird sich sicher bemühen, dir eine nette Gesellschaft zu sein.“

Jenna stöhnte. „Sie trinkt nichts, sie hat nicht einmal einen Freund … sie interessiert sich für nichts außer ihrem Studium.“

„Ich komme mit, wenn Jenna es wirklich will.“ Grace wusste, wann es klüger war, nachzugeben. Und solange sie noch zu einer geringfügigen Miete, die sie von ihrem Kellnerjob bezahlte, unter dem Dach der Donovans wohnte, durfte sie es sich nicht mit ihren Verwandten verscherzen. Sie hatte schon als Kind gelernt, dass ihr jede Weigerung oder Störrigkeit als Undankbarkeit ausgelegt wurde. „Allerdings habe ich für einen Strandurlaub gar nichts Richtiges anzuziehen“, fügte sie hinzu, weil sie wusste, wie versnobt Jenna in Sachen Mode war.

„Mal sehen, ob ich bei meinen abgelegten Sachen etwas für dich finde“, sagte ihre Cousine gereizt. „Aber ich weiß nicht, ob du mit deinem Busen und Po überhaupt hineinpasst. Als zukünftige Ärztin solltest du eigentlich besser auf deine Figur achten und dich gesünder ernähren.“

„Das sind meine natürlichen Rundungen“, erwiderte Grace, wobei sie ein amüsiertes Lächeln unterdrückte. Längst hatte sie begriffen, dass aus Jennas Sticheleien gegen ihre Figur blanker Neid sprach.

Das Knallen einer Tür schreckte Grace auf. Sie setzte sich kerzengerade auf und begriff im nächsten Moment, wo sie sich befand.

„Es tut mir leid, aber es ist nicht gestattet, hier unten im Empfangsbereich zu schlafen“, sagte die junge Frau hinter der Rezeption bedauernd.

Grace strich sich mit beiden Händen durch die zerzausten roten Locken und stand auf. Ein Blick auf die Uhr verriet zu ihrer Erleichterung, dass es schon nach zehn Uhr morgens war. Nun konnte sie hoffentlich in das Hotelzimmer zurück, das sie ja eigentlich mit ihrer Cousine teilte.

Bisher war der gemeinsame Urlaub ein Desaster gewesen. Ungeachtet ihres festen Freundes in London hatte Jenna sich gleich am ersten Tag auf die Suche nach einer Urlaubsaffäre gemacht und war zu Grace’ Pech schnell fündig geworden. Stuart war Banker, eingebildet und prahlerisch, aber Jenna fuhr total auf ihn ab. Also hatte sie Grace unmissverständlich klargemacht, dass sie sich aus dem gemeinsamen Hotelzimmer fernzuhalten hatte, weil Jenna die Nacht mit Stuart verbringen wollte. Nachdem Grace die erste Nacht lesend in der Hotellobby zugebracht hatte, protestierte sie energisch, als Jenna am zweiten Abend erneut von ihr verlangte, für Stuart das Feld zu räumen.

„Wo soll ich denn hin? Ich kann nicht schon wieder die ganze Nacht in der Lobby sitzen!“

„Selbst schuld, du hättest dir halt auch einen Kerl suchen sollen“, entgegnete Jenna ungerührt.

„Aber könnt ihr heute Nacht nicht in seinem Hotel schlafen?“

„Stuart teilt sich die Unterkunft mit fünf anderen Jungs. Außerdem zahlen meine Eltern für das Hotelzimmer. Es ist mein Urlaub, und wenn mir deine Gegenwart nicht passt, musst du dich verkrümeln!“, zischte Jenna.

Diese unfreundlichen Worte im Sinn, klopfte Grace lieber an die Zimmertür, statt ihren Schlüssel zu benutzen. Auf keinen Fall wollte sie die beiden Turteltauben stören. Zu ihrer Überraschung öffnete Jenna ihr lächelnd und bereits vollständig angezogen.

„Komm rein. Ich frühstücke gerade. Möchtest du eine Tasse Tee?“

„Gern.“ Grace blickte skeptisch zur Badezimmertür. „Ist Stuart noch da?“

„Nein, er ist schon früh fort … zu einem Tauchausflug. Ich weiß nicht, ob wir uns heute Abend sehen. Wie wär’s, wenn wir beide in den Club gehen, von dem alle reden?“

„Wenn du möchtest.“ Grace war natürlich klar, dass Jenna sie nur brauchte, weil Stuart sich offensichtlich rarmachte.

„Stuart will etwas Abstand. Das geht ihm alles zu schnell …“, plapperte Jenna. „Was soll’s, andere Mütter haben auch hübsche Söhne. Der soll sich bloß nicht einbilden, ich würde auf ihn warten!“

„Nein“, pflichtete Grace ihr höflich bei.

„Vielleicht triffst du ja heute Abend auch jemanden. Höchste Zeit, dass du endlich den Club der Jungfrauen verlässt und dich ins richtige Leben stürzt.“

„Woher willst du wissen, dass ich das nicht längst getan habe?“, fragte Grace pikiert.

„Weil du jeden Abend brav nach Hause kommst – und nie besonders spät. Weißt du was? Du bist einfach zu wählerisch“, verkündete Jenna ihr Urteil.

„Mag sein.“ Grace nippte an ihrem Tee und sehnte sich nur nach ihrem Bett.

Jennas ganze Welt drehte sich um den jeweiligen Mann in ihrem Leben, und sie war total verunsichert, wenn sie einmal keinen hatte. Grace’ Leben dagegen drehte sich einzig um ihr Studium. Sie hatte zu hart dafür gearbeitet, doch noch Medizin studieren zu können, und hielt Männer für eine gefährliche Ablenkung. Nichts sollte sich zwischen Grace und ihren Traum stellen, als Ärztin anderen Menschen zu helfen. Nicht umsonst hatte sie das warnende Beispiel ihrer Mutter vor Augen, die ihr Leben verkorkst hatte, weil sie auf den falschen Mann hereingefallen war.

Andererseits, das sah Grace ganz pragmatisch, musste sie früher oder später ihre ersten Erfahrungen mit Sex machen. Wie sollte sie ihre zukünftigen Patienten sonst beraten, wenn sie in diesem wichtigen zwischenmenschlichen Bereich keinerlei persönliche Erfahrungen besaß? Nur leider war es nicht so einfach, diese Sache rein logisch anzugehen. Offenbar war dazu auch eine gewisse Anziehung zwischen Mann und Frau erforderlich. Nach rein rationalen Gesichtspunkten wäre Matt, ihr bester Freund und Studienkollege, die naheliegende Wahl gewesen.

Matt war loyal, liebenswürdig und rücksichtsvoll, also genau der Typ Mann, den Grace respektieren konnte. Trotzdem reizte sie die Vorstellung, mit Matt ins Bett zu gehen, überhaupt nicht. Matt mit seiner Nickelbrille und den selbst gestrickten Pullovern entfachte nicht den kleinsten Funken Leidenschaft in ihr, sosehr sie sich auch bemühte, ihn in sich zu entzünden … weil sie wusste, dass er ein verlässlicher Partner gewesen wäre.

Leo stand in der Penthouse-Bar und genoss den Ausblick von hoch oben über die Bucht von Turunç. Jetzt bei Nacht säumten die Lichter des beliebten Ferienortes Marmaris sie wie ein buntes funkelndes Collier. Eine leuchtend rote Neonreklame verkündete die große Eröffnung des Nachtclubs Fever, wie Leo lächelnd bemerkte. Rahim, sein Partner im Fever, wusste, wie man die Aufmerksamkeit der Touristen anzog.

„Du hast hier wirklich großartige Arbeit geleistet.“ Leo sah anerkennend durch die Absperrungen aus Glas und Edelstahl hinunter auf die volle Tanzfläche.

„Ich würde dich gern richtig herumführen“, drängte Rahim, der als bekannter Architekt und Designer allen Grund hatte, stolz auf sein jüngstes Werk zu sein. Außerdem hoffte er, Leo für weitere, größere Investitionen gewinnen zu können.

Eine Woche der Einsamkeit und Ruhe an Bord der Hellenic Lady hatte Leo an den Rand eines Lagerkollers gebracht. Von Unruhe getrieben, schlenderte er zusammen mit Rahim und umgeben von seinen Leibwächtern die beleuchtete Treppe hinunter. Rahim sprach von einem luxuriösen Hotelkomplex, den er ein Stück die Küste hinauf verwirklichen wollte. Aber die Musik war so laut, dass Leo nur jedes zweite Wort verstand. Vom ersten Treppenabsatz blickte er hinunter auf die Köpfe der Tanzenden, und dann sah er sie … sie stand an der Ecke der hell beleuchteten Bar, ihr auffälliges Haar schimmerte wie Kupfer.

Sie? Eine Frau wie jede andere, relativierte sein Verstand sofort, während sein Blick nachdenklich über ihr feenhaft zartes Gesicht glitt. Feenhaft? Warum kam ihm dieses Wort in den Sinn? Ein zartrosa sinnlicher Schmollmund und diese herrliche Lockenmähne, eher rot als kupferfarben. Zunehmend interessiert, registrierte Leo reizvolle Rundungen, die ein cremefarbenes Spitzenkleid feminin umschmeichelte. Ja, sie besaß die Figur einer Fruchtbarkeitsgöttin … hohe straffe Brüste, eine schmale Taille und aufreizend wohlgerundete Hüften. Unwillkürlich umklammerte Leo das Treppengeländer, als ihn heißes Verlangen durchzuckte.

Tatsächlich konnte er sich nicht erinnern, wann er zuletzt mit einer Frau zusammen gewesen war. In einer Arbeitsphase ließ er sich selten von irgendetwas ablenken. Jetzt aber fiel ihm Marinas verheirateter Liebhaber wieder ein, und er fragte sich ärgerlich, warum er sich zurückhalten sollte. Schließlich war das ihre Abmachung bis zu ihrer Hochzeit. Und war es nicht genau das, was er wollte? Eine Frau, die ihm keine Fragen stellte? Geschweige denn, von ihm erwartete, dass er sie liebte?

Natürlich war es das, denn die Alternative wären jene emotionsgeladenen Eifersuchtsszenen gewesen, die das Leben seiner Eltern zur Hölle gemacht hatten. Gut, Marinas Affäre mit einem verheirateten Mann hatte ihn irritiert, aber wollte er deshalb ihre Verlobung lösen und sich nach einer Braut mit strengeren Moralvorstellungen umsehen? Unsinn! Nie wieder würde er eine andere Frau so gut kennen wie Marina Kouros.

Energisch verdrängte er das ungewohnte Unbehagen und konzentrierte sich stattdessen auf die sensationelle Figur der rothaarigen Fremden. Er konnte sich nicht entsinnen, wann er zuletzt so scharf auf eine Frau gewesen war. An ein vernünftiges Gespräch mit Rahim war überhaupt nicht mehr zu denken. Wie gebannt folgte er jeder ihrer Bewegungen, konnte sie nicht aus den Augen lassen. Was hatte sie nur an sich, das ihn so faszinierte? Vielleicht sollte er es einfach herausfinden.

An der Bar wandte Grace sich errötend ab, als sie ein frostiger Blick von Jenna traf. Mit seinem Auftauchen im Fever hatte Stuart ihre Pläne für einen Mädelsabend sabotiert. Jenna hatte Grace sofort spüren lassen, dass sie überflüssig war. Also nippte sie an dem viel zu süßen Cocktail, den Stuart ihr aufgedrängt hatte, und fragte sich, was sie mit dem Rest des Abends anfangen sollte.

Schließlich kam Jenna ungeduldig zu ihr. „Warum bist du immer noch hier?“

Grace sah sie trotzig an. „Heute Abend werde ich im Hotelzimmer schlafen, damit das klar ist. Zwei Nächte im Foyer sind genug.“

„Wie kannst du nur so egoistisch sein!“, versuchte Jenna es auf die bewährte Tour. „Ohne mich wärst du nicht mal hier!“

„Ich kann die alte Leier nicht mehr hören.“ Grace hatte es wirklich satt. „Du hast mich gebeten, dich zu begleiten, und jetzt musst du mit mir auskommen.“

Als sie den Blick vom zornigen Gesicht ihrer Cousine abwandte, bemerkte sie einen Mann, der auf der Treppe stand und sie beobachtete. Er war umwerfend schön, ein wahr gewordener Traum mit schwarzem Haar, gebräuntem Teint und markanten, ebenmäßigen Zügen. Groß, breitschultrig und athletisch, war er überraschend formell gekleidet – er trug einen dunklen Maßanzug, genau wie seine Begleiter. Denen schenkte Grace allerdings kaum Aufmerksamkeit, zu fasziniert war sie von seinen Augen, deren eindringlicher Blick sie in Bann hielt.

„Bitte, komm heute Abend nicht ins Hotelzimmer“, jammerte Jenna. „Mir bleibt doch nicht mehr viel Zeit mit Stuart.“

Wie wenig Stolz ihre Cousine besaß! Zum einen hatte Jenna einen festen Freund in London, zum anderen ließ Stuart keinen Zweifel daran, dass er nur an einer flüchtigen Affäre interessiert war. Als Grace sich abwandte, um den Club zu verlassen und sich ein ruhiges Café zu suchen, stellte sich ihr ein muskelbepackter Mann in den Weg.

„Mr. Zikos bittet Sie auf einen Drink in den VIP-Bereich.“

Unwillkürlich blickte Grace fragend die Treppe hinauf. Mr. Zikos? Der schöne Fremde nickte und schenkte ihr im nächsten Moment ein Lächeln, das ihr buchstäblich den Atem raubte. Grace hätte schwören können, dass ihr Herz, das sonst in Bezug auf Männer so zurückhaltend war, genau in diesem Augenblick freudig schneller schlug.

Ein Drink? Im VIP-Bereich? Aber was hatte sie denn zu verlieren? Ein Türsteher entfernte die Samtkordel, die den Zugang zur Treppe versperrt hatte, und Grace stieg mit einer seltsamen Vorahnung die Stufen empor.

2. KAPITEL

„Leo Zikos. Meine Freunde nennen mich Leo.“

Überrascht angesichts der unerwartet förmlichen Begrüßung, ergriff Grace ungeschickt die ausgestreckte Hand. Aus der Nähe wirkte er so überwältigend, dass sie am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht hätte. „Grace Donovan“, erwiderte sie. Auf eine höfliche Geste ihres Gastgebers setzte sie sich verlegen hin, wobei sie die Anwesenheit eines zweiten, kleineren Mannes mit einem stummen Nicken zur Kenntnis nahm.

„Irisch?“, fragte Leo.

„Meine Mutter war Irin, aber ich stamme aus London.“

Leo erkundigte sich, was sie trinken wolle.

„Irgendetwas Einfaches. Das hier …“, sie hielt ihr Cocktailglas hoch und zog die Stupsnase kraus, „… ist eine richtige Zuckerbombe.“

Leo stellte ihr Rahim vor und erzählte, dass Rahim und er die Eigentümer des Clubs waren. Woraufhin Grace ihm erzählte, dass sie Studentin und mit ihrer Cousine auf Urlaub sei. Im Nu brachte ein Ober ein Tablett mit Gläsern und einer Flasche Champagner, und während er einschenkte, boten zwei weitere Kellner köstliche kleine Snacks an. Leo erkundigte sich bei Grace nach ihrem Musikgeschmack, und ehe Grace sich’s versah, stand der DJ persönlich vor ihr, sodass sie ihm ihre Wünsche nennen konnte.

Ein wenig berauscht von so viel Aufmerksamkeit, nippte Grace an ihrem Champagner und gönnte sich die eine oder andere Knabberei, während sie mit halbem Ohr dem Gespräch der beiden Männer zuhörte, die sich anscheinend über ein neues Hotelprojekt von Rahim unterhielten. Als die ersten Takte ihres Lieblingssongs von der Tanzfläche heraufklangen, stand Grace auf und trat an die Brüstung. Unwillkürlich bewegte sie sich im Takt der Musik.

Sie wandte sich zu Leo um. „Sollen wir tanzen?“

Sein Blick hing wie gebannt an ihren wohlgerundeten Hüften, doch er schüttelte den Kopf. „Ich tanze nicht.“

„Okay, kein Problem.“ Lächelnd ging sie allein die Treppe hinunter, wobei ihre grünen Augen übermütig funkelten. Eine einzige Nacht, dachte sie rebellisch und immer noch verärgert über Jennas demütigende Sticheleien. Diese eine Nacht wollte sie sie selbst sein, wie sie es zu Hause in London niemals wagte. Sie würde tun und sagen, was sie wollte, und sich nicht verbiegen, um den Erwartungen anderer Leute zu entsprechen.

Leo blickte ihr verblüfft nach. Kein Aufbegehren, kein Theater, sondern nur eine bewundernswerte Entschlossenheit, zu tun, was sie wollte, und nicht, was ihm gefiel. Sie hatte auch noch keinen Versuch gemacht, mit ihm zu flirten oder ihm zu schmeicheln. Ein solches Verhalten war Leo Zikos von Frauen nicht gewöhnt. Sogar Marina, die gern eigene Wege ging, passte ihr Verhalten in seiner Gegenwart seinen Wünschen an.

„Wie es aussieht, hast du eine Frau gefunden, die ihren eigenen Kopf hat“, bemerkte Rahim. „Wobei mir einfällt, dass ich mit genau so einer verheiratet bin und mich sehr unbeliebt mache, wenn ich nicht bald zu Hause auftauche.“

Sobald er fort war, trat Leo an die Brüstung und ließ den Blick angespannt über die Köpfe der Tanzenden schweifen, bis er Grace entdeckt hatte. Sie tanzte am Rand der vollgepackten Tanzfläche, anmutig und selbstvergessen. Hatte sie vor, wieder zu ihm heraufzukommen? Oder erwartete sie, dass er ihr folgen würde? Leo stieg keiner Frau nach, das hatte er noch nie nötig gehabt. Trotzdem – und für ihn völlig unverständlich – irritierte ihn ihr Verhalten nicht.

Was war so besonders an ihr? Ihre ausdrucksvollen Augen? Sie waren von einem ungewöhnlich hellen, klaren Grün wie die rund geschliffene Glasscherbe, die er einmal als Junge am Strand gefunden hatte. Ohne zu überlegen, stieg er die Treppe hinab.

„Ich kann nicht tanzen“, erklärte er, als Grace ihm erwartungsvoll entgegenblickte. „Ich habe überhaupt kein Rhythmusgefühl.“

Er war auch ohne zu tanzen umwerfend sexy. „Jeder kann tanzen“, widersprach sie trotzdem.

Leo beugte sich vor und näherte sich ihrem Ohr. „Ich mache grundsätzlich nichts, das ich nicht außerordentlich gut beherrsche.“

Grace lachte, unbeeindruckt von dieser typisch männlichen Logik, und legte einfach ihre Hände auf seine schmalen Hüften. „Beweg dich. Fühl den Rhythmus.“

Das einzige, was Leo fühlte, als sie ihn zu sich heranzog, war das Aufwallen überwältigender Leidenschaft. Berauscht verlor er sich in ihren meergrünen Augen, die lachend zu ihm aufblickten. Frauen lachten nicht über Leo. Sie lachten mit ihm. Dennoch gab er dem Druck ihrer Hände scheinbar nach, aber nur, um im nächsten Moment seinerseits Grace an sich zu pressen und ihren verführerischen Mund zu küssen.

Unerfahren, wie sie war, traf sie sein Kuss völlig unvorbereitet und weckte in ihr einen Sturm ungeahnter Gefühle, dem sie hilflos ausgeliefert war. Nach einer kurzen Schrecksekunde schmiegte sie sich lustvoll seufzend an ihn und öffnete ihre Lippen bereitwillig dem intensiven Drängen seiner Zunge.

Doch viel zu schnell schob Leo sie sacht von sich, nahm sie bei der Hand und führte sie entschlossen wieder die Treppe hinauf. Wie eine Schlafwandlerin ließ Grace es geschehen, völlig überwältigt von der Erfahrung, dass ein Mann so überwältigende Gefühle in ihr entfesseln konnte. Sie hatte buchstäblich weiche Knie, so sehr wollte sie ihn. Wenn er schon so fantastisch küsste, würde er dann nicht auch in den übrigen Liebesdingen ein Könner sein? Sprich: der perfekte Kandidat für ihr geplantes sexuelles Experiment?

„Noch ein Drink?“ Leo schenkte Champagner ein und reichte ihr das Glas, bemüht, so lange die Hände von ihr zu lassen, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Denn in diesem Augenblick begehrte er sie so sehr, dass er am liebsten auf der Stelle zu Ende gebracht hätte, was er auf der Tanzfläche so unbedacht begonnen hatte. Wenn Leo eins hasste, dann, die Kontrolle zu verlieren. Er bewahrte stets einen kühlen Kopf, handelte nie überstürzt. Und One-Night-Stands waren auch nicht sein Ding – zumindest nicht mehr, seitdem er ein erwachsener Mann war. Aber Grace zog ihn unwiderstehlich an.

Grace wiederum stellte verwundert fest, dass ihre Hand, in der sie das Champagnerglas hielt, zitterte. Sie versuchte sich einzureden, dass es lediglich die Aufregung war, weil sie den Entschluss gefasst hatte, die Nacht mit diesem Mann zu verbringen – falls sich die Gelegenheit bot. Verstohlen betrachtete sie sein Gesicht. Er war auf eine sehr männliche Weise schön, wobei ihn wohl jede Frau um die dichten schwarzen Wimpern beneidete, die seine faszinierenden Augen säumten.

„Bist du Single?“, fragte sie spontan.

„Ja. Willst du die Nacht mit mir verbringen?“, fragte er unverblümt zurück. „Ich habe noch nie eine Frau so sehr begehrt wie dich da unten auf der Tanzfläche.“

Seine Direktheit brachte sie nur kurz aus dem Konzept. „Schon gut“, erwiderte sie lachend. „Du kannst dir das Süßholzraspeln sparen. Ich habe mich schon in dem Moment, als du mich geküsst hast, entschieden, Ja zu sagen.“

Es würde ein rein pragmatisches sexuelles Experiment sein, redete sie sich ein wenig nervös ein, denn spontane Entscheidungen wie diese waren ihr eigentlich fremd. Aber sie befand sich weit weg von zu Hause und würde ihn danach nie wiedersehen, sodass es keine peinlichen Begegnungen und Konsequenzen geben würde. Grace war immer dafür, die Dinge beim Namen zu nennen, und sie und Leo wollten beide das Gleiche: unkomplizierten Sex für eine Nacht. Sie hätte keinen perfekteren Kandidaten finden können.

Leo wiederum legte ihr erleichtert einen Arm um die schmale Taille und blickte bewundernd auf sie herab. Entzückt betrachtete er die niedlichen Sommersprossen auf ihrer hübschen Stupsnase. „Das war kein leeres Kompliment.“

„Wenn du meinst.“ Es überstieg ihr Vorstellungsvermögen, dass sie genügend Sex-Appeal besitzen sollte, einem so attraktiven und erfahrenen Mann gefallen zu können. „Aber außerhalb einer ernsthaften Beziehung ist Sex nur eine Freizeitaktivität.“

Leo stutzte verblüfft. „Allerdings eine höchst vergnügliche.“

Obwohl es sie reizte, ihn mit einigen Statistiken über die sexuellen Probleme und Frustrationen von Frauen in der heutigen Gesellschaft zu konfrontieren, hielt sie es für klüger, an diesem Punkt nicht die zukünftige Dr. Grace Donovan herauszukehren. „Das hoffe ich doch“, antwortete sie stattdessen.

Schön, der Champagner mochte eine Rolle dabei gespielt haben, dass sie den Mut aufgebracht hatte, diesen Schritt zu wagen. Aber sie war keineswegs betrunken und stand zu ihrer Entscheidung. War es so nicht viel vernünftiger, als in naiver Hoffnung zu warten, dass ihr Märchenprinz sie irgendwann aus der Einsamkeit erlöste, die sie zwar tief im Herzen empfand, aber sorgfältig verbarg? Grace war zu klug, um sich irgendetwas vorzumachen. Und Matt war ein wundervoller Kommilitone und Freund, aber leider nicht das, was sie sich unter einem leidenschaftlichen Liebhaber vorstellte.

Als intelligente, erwachsene Frau stand es ihr frei, mit einem attraktiven Mann ins Bett zu gehen, wann immer sie wollte. Morgen würde sie dann endlich auch über das Thema „Sex“ Bescheid wissen – und sie würde nicht noch eine Nacht in der Hotelrezeption verbringen müssen.

Leo streichelte ihren schlanken Arm, wobei er den hellen Alabasterteint bewunderte. „Du wirst es nicht bereuen.“

Sie erschauerte heftig und stellte beunruhigt fest, wie sehr sie sich danach sehnte, noch einmal von ihm geküsst zu werden. Zum ersten Mal erlebte sie am eigenen Leib, wie stark sexuelle Begierde sein konnte. Bis jetzt war das alles reine Theorie für sie gewesen. Leo Zikos würde ihr persönliches Forschungsprojekt sein, um alles über Sex zu erfahren, was sie wissen musste.

„Bist du an mehreren Nachtclubs beteiligt?“, erkundigte sie sich, um sich eine kleine Verschnaufpause zu verschaffen.

„Nein, dies ist meine einzige Investition in dem Bereich. Ich habe als Börsenmakler angefangen und mir mit meinen Investitionen ein Wirtschaftsimperium aufgebaut. Inzwischen bin ich ebenso an Hotels wie an Mobilfunk- und Transportunternehmen beteiligt. Ich streue meine Investitionen möglichst breit. Du sagtest, du studierst? Welches Fachgebiet?“

„Ich gehe nach dem Sommer in mein Abschlussjahr“, vermied Grace eine direkte Beantwortung seiner Frage. Mehr als einmal hatten Männer sich von ihr zurückgezogen, als sie feststellten, dass sie Medizin studierte. Kaum zu glauben, wie abschreckend der hohe IQ einer Frau offenbar auf viele Männer wirkte.

Einen Moment lang blickten sie sich wortlos und wie gebannt an. Grace registrierte fasziniert, dass seine Augen bei näherer Betrachtung in einem warmen Goldbraun schimmerten, und fühlte sich immer mehr versucht, sich in den samtenen Tiefen zu verlieren. Leo wiederum fragte sich erneut verwundert, was diese rot gelockte Fremde an sich hatte, dass er sich so unwiderstehlich zu ihr hingezogen fühlte. Schließlich war er kein Teenager mehr, der den Launen seiner Hormone hilflos ausgeliefert war.

Wie magisch angezogen, beugte er sich langsam zu ihren rosigen Lippen herab. Als sein Atem warm ihre Wange streichelte, kam sie ihm kaum merklich entgegen. Sofort presste er sie an sich und küsste sie mit entflammter Leidenschaft.

Obwohl Grace das Aufleuchten seiner Augen sah, bevor seine Arme sie umschlossen, war sie nicht wirklich vorbereitet auf diesen zweiten, noch heißeren Kuss, der ihre Gefühle völlig durcheinanderwirbelte. Halt suchend klammerte sie sich an Leos breite Schultern, während eine ungekannte Erregung ihren Körper durchflutete.

Leo musste all seine Selbstbeherrschung aufbieten, um sich von ihr zu lösen. „Lass uns gehen.“

Kurz erinnerte sie sich daran, dass sie ihn kaum länger als eine Stunde kannte. Ich bin ein Flittchen, dachte sie betroffen. Aber Flittchen haben vielleicht mehr Spaß, meldete sich eine andere Stimme, und sie hätte fast laut gelacht. Sie befand sich in einer Hochstimmung wie noch nie in ihrem Leben. Ein Blick in Leos attraktives Gesicht genügte, und sofort raubte ihr erneut heißes Verlangen den Atem. „Wohin?“

„Auf meine Jacht.“ Leo drängte sie ungeduldig vorwärts, wobei er dem Blick seiner Leibwächter auswich. Vor Publikum herumzuknutschen war wirklich nicht cool. Wer war er denn? Ein unreifer Teenager, der sich nicht beherrschen konnte?

„Du bist mit einer Jacht hier?“, fragte Grace überrascht.

„Ich bin die vergangene Woche übers Mittelmeer gekreuzt.“

Leo führte sie die Treppe hinunter und über die Tanzfläche, während Männer in dunklen Anzügen vor und hinter ihnen den Weg frei hielten. Sie trugen kleine Mikros am Ohr, wie Grace sie nur aus Filmen kannte.

„Sind das Türsteher?“, fragte sie Leo.

„Meine Leibwächter.“

„Warum brauchst du Leibwächter?“, erkundigte sie sich nervös.

„Zum Schutz. Ich bin seit meiner Kindheit daran gewöhnt“, antwortete Leo gelassen. „Meine Mutter und ihre Schwester waren reiche griechische Erbinnen. Meine Tante wurde als Teenager gekidnappt.“

„Wie schrecklich! Hat man sie wieder freigelassen?“

„Ja, nach einer Lösegeldzahlung, aber sie hat sich von dem Trauma nie ganz erholt. Man sollte sich also so gut wie möglich gegen solche Risiken schützen“, erklärte Leo fast beiläufig, als eine Limousine vor dem Club vorfuhr und ein Leibwächter herbeieilte, um ihnen den Wagenschlag aufzuhalten.

Grace wusste nicht, was sie sagen sollte. Er musste schon sehr reich sein, um sich zu derartigen Vorsichtsmaßnahmen genötigt zu sehen. Offenbar war sie an einen Mann geraten, der in einer ganz anderen Welt lebte als sie. War es klug, mit ihm zu gehen?

„Mich macht das alles ein wenig nervös“, gestand sie, als sich einer der Leibwächter vorn neben den Chauffeur setzte und die anderen in eine zweite Limousine hinter ihnen einstiegen.

„Ignoriere sie einfach. Das mach ich auch“, riet Leo ihr, wobei er überrascht zur Kenntnis nahm, dass sein Lebensstil sie weniger beeindruckte als vielmehr irritierte.

Auf der Fahrt zum Jachthafen gelang es ihr nicht, sich zu entspannen, obwohl Leo betont locker über seine Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer plauderte und dabei zärtlich ihre Hand streichelte. Kurz darauf hielt die Limousine am Kai, und Leo half Grace galant beim Aussteigen. Sie zögerte jedoch, als er in ein Motorboot sprang und ihr eine Hand entgegegenstreckte.

„Wo … wo ist denn deine Jacht?“, fragte sie verunsichert.

„Da draußen in der Bucht.“

Grace blickte in die Richtung, in die seine Hand deutete, und sah die beeindruckende Silhouette eines Schiffes, die sich gegen den mondhellen Nachthimmel abzeichnete. „Du meine Güte, das sieht ja aus wie die Titanic!“

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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