Julia Extra Band 493

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LICHTERGLANZ UND SÜSSE KÜSSE von CATHY WILLIAMS

Skilehrerin Rosie hat sich so auf Weihnachten gefreut. Bis sie erfährt, dass ihre Eltern sie verkuppeln wollen. Spontan gibt Rosie daher Matteo als ihren Freund aus. Bloß verlieben darf sie sich auf keinen Fall! Denn der attraktive Milliardär glaubt nicht an das große Glück …

IN DEN ARMEN DES INDISCHEN PRINZEN von LYNNE GRAHAM

Nur diese eine Nacht, mehr kann es für sie beide nicht geben - davon ist Prinz Jai überzeugt, als er die bezaubernde Willow in seine Arme schließt. Denn ihn und die Tochter seines alten Mentors trennen Welten. Doch die Stunden ungezügelter Lust bleiben nicht ohne Folgen …

UNSER SCHNEEPALAST DER LIEBE von REBECCA WINTERS

Seine Verbindung mit Prinzessin Lanza ist eine reine Zweckehe. Aber als sie mit zerzausten Haaren vor ihm im Schnee steht, will Prinz Stefano nur eins: ihre sinnlichen Lippen küssen. Solche Gefühle sind jedoch tabu - schließlich hat Lanza ihn nur aus Pflichtgefühl geheiratet, oder?

SCHICKSALHAFTE BEGEGNUNG AUF DEM MASKENBALL von CAITLIN CREWS

Unnahbar und gefährlich sexy: Ihr Stiefbruder Teo bringt Amelias Herz zum Rasen, seit sie denken kann. Auf dem Maskenball gibt sie sich ihm hin - um ihn endgültig aus ihren Gedanken zu vertreiben. Und ahnt nicht, dass sie damit ihr Leben komplett auf den Kopf stellt …


  • Erscheinungstag 08.12.2020
  • Bandnummer 493
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714932
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cathy Williams, Lynne Graham, Rebecca Winters, Caitlin Crews

JULIA EXTRA BAND 493

CATHY WILLIAMS

Lichterglanz und süße Küsse

Die Scheinbeziehung mit der quirligen Rosie soll nur den Deal seines Lebens retten, schließlich ist Milliardär Matteo überzeugter Single. Aber warum weckt sie in ihm dann so eine rätselhafte Sehnsucht?

LYNNE GRAHAM

In den Armen des indischen Prinzen

Als junges Mädchen war Willow in den schönen Prinzen verliebt. Jetzt schließt Jai sie tatsächlich in seine Arme. Ein Traum wird wahr – doch am nächsten Morgen verlässt er sie. Für immer?

REBECCA WINTERS

Unser Schneepalast der Liebe

„Es wird keine Hochzeitsnacht geben.“ Tief enttäuscht vernimmt Prinzessin Lanza, dass Stefano eine reine Zweckehe mit ihr führen will. Dabei sehnt sie sich schon ewig nach seiner Berührung …

CAITLIN CREWS

Schicksalhafte Begegnung auf dem Maskenball

Amelia war die betörende Fremde auf dem Maskenball? Entsetzt stellt Herzog Teo de Luz fest, um wen es sich bei seiner Geliebten handelt. Denn Amelia ist seine Stiefschwester – die er zutiefst verab- scheut …

1. KAPITEL

„Rosie! Hörst du mir zu?“

In der energischen Stimme schwang eine Mischung aus Verzweiflung, Ungeduld und Zuneigung. Schuldbewusst wandte Rosie den Blick von dem lebhaften Geschehen im Foyer ab. Dort herrschte ein reges Kommen und Gehen. Gäste trugen Skier über die Schultern und freuten sich sichtlich darüber, dass sie die schöne Vorweihnachtszeit hier im Urlaub verbringen konnten.

Das luxuriöse 5-Sterne-Resort – ein Juwel inmitten der Dolomiten in der Region Venetien im Norden Italiens – war die beste Unterkunft, die man für sein Geld bekommen konnte. Seit sie denken konnte, war dieses Hotel für Rosie und ihre Familie wie ein zweites Zuhause gewesen. Sie kannte jeden Winkel und konnte selbst mit geschlossenen Augen alles genau vor sich sehen – jede glänzend polierte Holzdiele, jedes quirlige Muster im Marmor, jedes Detail des in zeitlosem Grau gehaltenen Innenpoolbereichs sowie die übergroßen Kronleuchter an der Decke des Sternerestaurants.

Im Moment saß Rosie mit einer Tasse Milchkaffee oben in der Galerie und genoss einen perfekten Ausblick auf den sechs Meter hohen Weihnachtsbaum, der neben dem Empfang emporragte und der geschmackvoll in Pink- und Elfenbeintönen geschmückt war. Die winzigen Kerzen der Lichterketten brachten den Baum zum Strahlen, und Rosie konnte den Duft der Tannennadeln geradezu riechen.

„Natürlich höre ich dir zu“, sagte sie mit einer angemessenen Portion Aufrichtigkeit und Interesse. Ihre Schwester, die ihr gegenübersaß, war kurz davor, wieder einen ihrer schweren, tiefen Seufzer auszustoßen. „Du hast gefragt, was ich vorhabe, wenn die Skisaison vorbei ist. Ich weiß es nicht, Diss. Gerade genieße ich es einfach, Skilehrerin zu sein. Es macht mir Spaß. Ich treffe sehr nette Leute. Und außerdem passe ich auf Mum und Dads Chalet auf, während ich hier bin. Ich passe auf, dass dort … äh … nicht eingebrochen wird … oder so …“

„Weil es hier in Cortina Einbrecher gibt wie Sand am Meer?“

„Wer weiß, vielleicht?“

„Rosie, du kannst nicht für immer von Ort zu Ort ziehen und ständig den Job wechseln. Du wirst bald vierundzwanzig und Mum und Dad … Nein, wir alle – ich, Emily, Mum, Dad –, wir machen uns Sorgen, dass du nicht sesshaft wirst, dass du erst gar nicht versuchen willst … du weißt schon …“

„Buchhalterin zu werden? Eine Hypothek aufzunehmen? Einen anständigen Mann zu finden, der für mich sorgt?“ Rosie wurde rot und sah weg. Auf das Thema Männer reagierte sie besonders sensibel, und sie wusste, dass es ihren Eltern im Grunde genau darum ging. Sie machten sich Sorgen, dass Rosie nie den Richtigen finden würde, im Gegensatz zu ihren beiden Schwestern. Dass Rosie sich ihr Leben lang die Falschen aussuchen und sich ausnutzen lassen würde. In der Vergangenheit hatte sie tatsächlich mehrmals diese Erfahrung machen müssen. Und obwohl sie nach jeder Enttäuschung gute Miene zum bösen Spiel gemacht hatte, hatte es doch jedes Mal wehgetan.

Mittlerweile war es ihr egal, ob sie jemals wieder eine Beziehung haben würde oder nicht. Der letzte Mann, mit dem sie ausgegangen war, war ein Reisegefährte in Indien gewesen. Dieser hatte dort billige asiatische Handwerkskunst erworben, die er auf einem Markt irgendwo in der Nähe von Aldershot gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Sie hatten eine schöne Zeit zusammen verbracht, bis es ihm eine große Brünette angetan hatte, mit der er dann verschwunden war. Zurückgelassen hatte er nur eine hingekritzelte Entschuldigung auf einem Notizzettel.

Zumindest hatte Rosie trotz all dieser Enttäuschungen nichts zu bereuen – sie war mit keinem der Männer ins Bett gegangen. Außer mit diesem einen, der vor vielen Jahren ihr Herz gebrochen hatte. Sie hatten sich kennengelernt, als Rosie neunzehn war und gerade versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, nachdem sie ihr Studium an der Universität abgebrochen hatte. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort fing er sie auf, als sie zu fallen drohte. Er war Biker und erfrischend unkonventionell. Ganz anders als die Jungen aus der schicken Oberschicht, die Rosie sonst immer traf. Sie hatte alles an ihm geliebt, von seinen Tattoos bis zu seinem Ohrring.

Er hingegen hatte das Vermögen ihrer Familie letztendlich mehr geliebt als Rosie selbst und war außer sich gewesen, als sie ihm mitteilte, dass sie ihr Erbe für ihn aufgeben wollte. Noch immer schauderte sie innerlich bei dem Gedanken daran, fast den größten Fehler ihres Lebens begangen zu haben. Seitdem genoss sie einfach das Hier und Jetzt, ohne sich jemals zu sehr auf etwas oder jemanden einzulassen.

„Wer sagt denn, dass du Buchhalterin werden sollst?“ Candice verdrehte die Augen und grinste. Rosie grinste zurück, denn der Mann ihrer Schwester Emily, so wunderbar er auch war, konnte etwas langweilig sein, wenn er begann, von Wechselkursen und Investitionsmöglichkeiten zu philosophieren.

Doch zugegeben, er verdiente ein kleines Vermögen. Er hatte also offensichtlich etwas richtig gemacht.

Im Gegensatz zu Rosie, die noch nicht einmal angefangen hatte, sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen.

„Es sind nur noch drei Wochen bis Weihnachten …“ Candice setzte sich auf. Rosie musterte ihre Schwester misstrauisch. Das klang nach einem Thema, auf das sie lieber nicht eingehen wollte.

„Keine Angst, ich sorge dafür, dass das Chalet in Topzustand ist, wenn die Familie einfällt. Du weißt, wie sehr ich es liebe, den Weihnachtsschmuck aufzuhängen. Und ich passe auch auf, dass genug Schokolade für Toby und Jess am Baum hängt.“

„Es gibt eine kleine Planänderung. Die Schneeverhältnisse sind momentan so gut, dass alle etwas früher kommen als geplant.“

„Früher als geplant?“

„Morgen, um genau zu sein. Ich bin hier, um dich vorzuwarnen. Ich weiß, wir wollten ein paar Tage für uns haben, aber du kennst Mum und Dad. Sie können den Pisten und der Atmosphäre hier zu Weihnachten einfach nicht widerstehen. Und da ist noch etwas“, sagte Candice wie beiläufig. „Sie überlegen, die Ashley-Talbots zu einem verlängerten Wochenende einzuladen. Auch Bertie. Er arbeitet in der Stadt und ist ziemlich erfolgreich, wie ich höre. Mum und Dad dachten, es wäre schön, wenn ihr zwei … äh … euch etwas näher kennenlernen würdet.“

„Nein.“

„Sie denken ja nur darüber nach, Rosie. Noch steht nichts fest. Bertie ist schon immer ein bisschen in dich verliebt gewesen, weißt du? Es könnte nett werden!“

„Auf keinen Fall, Candice.“

„Mum und Dad dachten bloß, es könnte nicht schaden, wenn du zur Abwechslung einmal mit jemandem ausgehst, der etwas weniger … unkonventionell ist.“

„Wenn du sagst, du seist hier, um mich zu warnen“, Rosie verengte misstrauisch die Augen, „heißt das, du willst mich in Wirklichkeit darauf vorbereiten, mir Vorträge darüber anzuhören, wie ich mein Leben zu führen habe? Angefangen mit dem Rat, mit Robert Ashley-Talbot auszugehen? Ich werde mich auf keinen Fall mit ihm einlassen! Er ist … er ist der langweiligste Mensch, den ich je getroffen habe!“

„Das weißt du doch gar nicht, Rosie! Vielleicht stellst du fest, dass du die Gesellschaft von jemandem mit einem festen Job sogar genießt. Emily und ich stimmen Mum und Dad zu. Nenn mir einen guten Grund, Rosie-Boo, warum du es nicht zumindest versuchen kannst. Wenn du dann tatsächlich feststellst, dass du Bertie nicht magst, dann ist das schön und gut, aber du hast ihn seit Jahren nicht gesehen.“

„Anderthalb Jahre, so sehr kann er sich seitdem nicht verändert haben.“ Altklug, hervorstehender Adamsapfel, eine Brille mit dickem Rand und diese Unart, Gespräche mit langweiligen Themen zu beginnen, ohne sich dann selbst weiter an der Konversation zu beteiligen.

Rosie sah hinunter zum geschäftigen Treiben der Hotelgäste, zum glitzernden Weihnachtsbaum und zu den Ledersesseln im Foyer, wo eine Gruppe von drei Leuten gerade einige Papiere zusammensammelte. Die drei schüttelten sich die Hände und waren augenscheinlich in Begriff zu gehen.

„Und“, Rosie sah mit funkelnden blauen Augen zurück zu ihrer Schwester, „ich wollte nichts sagen, aber … ich bin gerade nicht in der Stimmung, Bertie zu treffen, Diss. Noch sonst irgendwen, um genau zu sein.“

Unter dem Tisch kreuzte sie die Finger und sagte sich, dass das der perfekte Ausweg aus einer Situation war, die potenziell zu einem Albtraum werden könnte. Sie wollte nicht, dass Bertie über Weihnachten zu Besuch kam. Sie wollte sich nicht mit ihrer gesamten Familie auseinandersetzen, die sie in eine Richtung zu drängen versuchte, die sie nicht einschlagen wollte – auch wenn es nur aus Sorge um sie geschah.

Sie lehnte sich vor. „Mir hat jemand während meines Aufenthalts hier das Herz gebrochen.“

„Wovon redest du, Rosie?“

„Du sagst, ich suche mir nie den Richtigen aus? Dieses Mal habe ich es. Ich habe mich in einen der Gäste hier verliebt. Einen Geschäftsmann. So zuverlässig und standfest wie … wie ein Fels in der Brandung. Er war genau der Typ, den du, Ems, Mum und Dad euch für mich wünschen würdet. Was nur beweist, dass solche Männer nichts für Frauen wie mich sind. Am Ende langweile ich sie nur. Es war nur ein Urlaubsflirt, aber ich habe mich wohl mehr in ihn verliebt, als ich gedacht hatte.“

„Ich bin nicht sicher, ob ich dir das glauben soll“, sagte Candice mit skeptischem Blick. „Es ist schon merkwürdig, dass du es jetzt erst erwähnst. Wie lange sitzen wir schon hier? Eine Stunde? Was für ein Zufall.“

„Ich wollte eigentlich erst gar nichts sagen. Aber als du mir von Mum und Dads Plänen berichtet hast, Robert und seine Eltern über das Wochenende zu uns einzuladen, musste ich es dir einfach erzählen. Ich bin nur etwas durcheinander. Ich weiß, ich habe mir bisher immer die Falschen ausgesucht, aber dieses Mal dachte ich wirklich, er sei der Richtige. Ich bin sehenden Auges in mein Unglück gelaufen und wurde verletzt. Und jetzt brauche ich einfach etwas Zeit, um darüber hinwegzukommen.“

„Und wo ist dieser mysteriöse Unbekannte jetzt?“, fragte Candice zögernd, als wäre sie fast überzeugt.

„Wie der Zufall es will …“

Rosies Blick fiel erneut auf die drei Leute im Foyer. Sie erkannte das ältere Ehepaar – Bob und Margaret oder so ähnlich. Rosie hatte ihnen gerade erst Skiunterricht gegeben, weil ihr üblicher Skilehrer sich krankgemeldet hatte. Dabei wusste Rosie genau, dass er eigentlich nur einen Kater hatte. Das Ehepaar war hier, um Skifahren zu lernen. Sie sagten, sie fühlten sich auch mit Ende sechzig nicht zu alt, um etwas Neues zu lernen. Ihre Tochter liebte Skifahren, und deshalb wollten auch sie es einmal versuchen. Die beiden hatten vor, in den Ruhestand zu gehen, und waren hier, um ihr Unternehmen zu verkaufen. Ein netter junger Mann, Matteo, wollte sie hier besuchen, um mit ihnen den Kauf abzuschließen.

Matteo, der mit dem Rücken zu ihr stand und gerade die Hand des älteren Mannes schüttelte – oder zumindest nahm Rosie an, dass er Matteo war, denn wer sonst sollte es sein? –, war der perfekte Kandidat für die Rolle des Geschäftsmanns und Herzensbrechers. Sie wollte auf keinen Fall die ganze Weihnachtszeit damit verbringen, Bertie aus dem Weg zu gehen, und ein gebrochenes Herz war die einzige Ausrede, die ihr einfiel, um sich vor diesem Schicksal zu bewahren.

„Dort ist er. Matteo. Mit dem Ehepaar da unten, sie wollen gerade gehen. Er ist in Cortina, um mit den beiden ein Geschäft abzuschließen. Er weiß nicht, dass ich hier bin und ihn beobachte. Er glaubt, ich bin auf der Piste und gebe Skiunterricht. Wahrscheinlich hat er mich schon vergessen.“

Sie sah zu ihrer Schwester, die mit schmalen Augen auf die drei herabschaute.

Dieser Widerling hat dir das Herz gebrochen?“

Rosie murmelte etwas vor sich hin, das die Frage ihrer Schwester bejahen sollte, ohne weiter ins Detail gehen zu müssen. Sie war sonst keine Lügnerin. Dass sie mit ihrer kleinen Notlüge einen ihr völlig Unbekannten verunglimpfte, löste daher Schuldgefühle in ihr aus.

Komplett in Gedanken versunken war Rosie total überrascht von dem, was als Nächstes geschah. Es passte überhaupt nicht zu ihrer sonst so gelassenen, beherrschten, eleganten, blonden Schwester. Candice hatte sich immer unter Kontrolle! Doch nun stand sie abrupt auf, schlug verärgert die Hände auf den Tisch und lief dann auch schon in rasendem Tempo zwischen den anderen Gästen hindurch. Rosie stand der Mund offen. Und während sie ihrer Schwester ungläubig nachsah, wurde ihr langsam mit Schrecken bewusst, dass das nicht gut für sie ausgehen würde.

Sie musste Candice aufhalten, bevor noch etwas Schlimmes passieren würde. Rosie verlor keine Zeit und sprang auf, um ihre Schwester einzuholen.

Ausnahmsweise sah Matteo einmal nicht auf die Uhr, wie er es sonst immer tat. Nach einem Geschäftsabschluss wurde er stets unruhig und wollte möglichst schnell zur nächsten Aufgabe übergehen. Zwar hatten sie noch keinen Vertrag unterschrieben, aber das war nur eine Formalität. Sie hatten den Kauf per Handschlag besiegelt, und sobald der Schrecken namens Weihnachten vorbei war, würden sie ihre Anwälte anrufen und das Geschäft, das ihm so viel bedeutete, unter Dach und Fach bringen.

Bob und Margaret Taylor, höchst ungewöhnliche Kunden, wie er fand, strahlten ihn an. Mit breitem Yorkshire-Akzent gratulierte Bob ihm erneut zu seinem Erfolg.

„Das Land ist ein paar Taler wert.“ Er klopfte Matteo auf die Schulter und zwinkerte ihm zu. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Leute es gerne zwischen ihre gierigen Finger bekommen hätten. Sie sind der Erste, dem meine Frau und ich zutrauen, das Richtige damit zu tun.“

„Das ehrt mich sehr“, antwortete Matteo aufrichtig.

Drei Tage hatte er in diesem unerhört teuren Resort damit zugebracht, Bob und seine Frau für sich zu gewinnen. Außergewöhnliche Umstände erforderten nun mal außergewöhnliche Maßnahmen.

Das fröhliche Weihnachtstreiben um ihn herum war ihm dabei außerordentlich auf die Nerven gegangen und erinnerte ihn daran, dass es höchste Zeit war, das zu tun, was er jedes Jahr zu Weihnachten tat – dem Ganzen entfliehen.

In seiner Villa bei Venedig, nur ein paar Stunden von hier entfernt.

Eigentlich arbeitete Matteo in London und hatte dort eine Penthousewohnung. Die meiste Zeit lebte er auch dort, aber seine elegante, gelbe Steinvilla hier in Italien war sein Zufluchtsort – der einzige Ort, an dem er sich vollkommen sicher fühlte. Jedes Jahr zog er sich aus dem Weihnachtsgeschehen zurück und mied die festlichen Lieder, die lächerlichen Glocken läutenden Weihnachtsmänner vor den Supermärkten und die Massen von Fußgängern in den Straßen, die verzweifelt auf der Jagd nach Geschenken, Geschenkpapier, Weihnachtsschmuck und all dem Krimskrams waren, der jedes Jahr früher in den Geschäften aufzutauchen schien.

Zwei Wochen verbrachte Matteo zurückgezogen in seinem weitläufigen Herrenhaus mit zwei Angestellten seines Vertrauens, die für ihn kochten und saubermachten, während er arbeitete. Gesegnet seien Breitbandanschluss und Internet. So konnte er die Hektik der Feiertage meiden und trotzdem das Geschehen in seinen verschiedenen Geschäftsniederlassungen auf der ganzen Welt im Auge behalten. Er mochte zwar in England leben, war aber gebürtiger Italiener, und sein Zufluchtsort in Italien erinnerte ihn an seine Herkunft. Jedes Jahr zu Weihnachten überließ er es seiner persönlichen Assistentin, sich um die Weihnachtsfeiern in den verschiedenen Niederlassungen zu kümmern und die Mitarbeiter zu unterhalten. Dabei hatte sie freie Hand und unbegrenzte finanzielle Mittel, er selbst machte sich jedoch aus dem Staub.

„Nur noch ein paar Formalitäten und es gehört Ihnen, mein Junge, wir könnten nicht glücklicher sein.“

Matteo spürte, wie er tief in seinem Inneren von starken Gefühlen ergriffen wurde. Das war das erste und einzige Geschäft, das er je abgeschlossen hatte, welches für ihn von persönlicher Bedeutung war. Seine Vergangenheit, seine Kindheit – in gewisser Hinsicht der Grund dafür, dass er jetzt hier stand – hingen mit dem Stück Land und dem Gebäude darauf zusammen, das er im Begriff war, zu erwerben. Es war ein Freizeitheim, ein Rückzugsort für Kinder ohne Familie. Dort konnten sie erleben, wie es war, auf dem Land zu wohnen, mitten in der Natur. Man konnte reiten, geheime Verstecke erkunden, Hühner füttern und Eier sammeln. Man durfte einfach Kind sein. Ein idyllischer Ort.

So viele Jahre war es her, dass er dort gewesen war. Matteo war damals erst zehn und kurz davor, auf die schiefe Bahn zu geraten. Doch zwei Wochen in dem Freizeitheim reichten aus, um seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Vorher war er ziellos und ruhelos umhergeirrt, danach hatte er etwas, an dem er festhalten konnte. Damals hatten noch nicht Bob und Margaret die Einrichtung geleitet, sie hatten die Anlage erst später übernommen. Seine Verbindung zu diesem Ort hatte Matteo selbstverständlich geheim gehalten, so wie er alles Persönliche für sich behielt. Doch jetzt, mit der Aussicht darauf, der neue Besitzer dieser besonderen Einrichtung zu werden, fühlte er sich merkwürdig emotional.

Matteo schüttelte gerade Bobs Hand und besprach mit ihm die Details ihres morgigen Treffens, sodass das, was als Nächstes geschah, ihn völlig unvorbereitet traf.

Jemand machte ihm eine Szene.

Eine blonde Frau tauchte wie aus dem Nichts auf und steuerte geradewegs auf ihn zu. Ihre hohe Stimme war so durchdringend wie das Kratzen von Fingernägeln auf einer Tafel. Köpfe drehten sich zu ihnen um, ein Raunen ging durch den Raum. Hotelmitarbeiter und Gäste schnappten überrascht nach Luft und fragten sich, was da vor sich ging.

Einen kurzen Augenblick war Matteo vollkommen sprachlos. Selbst Bob und Margaret standen regungslos vor Staunen neben ihm.

„Was glauben Sie, wer Sie sind … Matteo … wie auch immer Sie weiter heißen …? Wie können Sie es wagen, meine Schwester so zu behandeln? Leute wie Sie sollte man einsperren! Ich nehme an, Sie wollen sich einfach aus dem Staub machen und sie mit gebrochenem Herzen zurücklassen? Sie besitzen keinerlei Moral! Sie wurde schon zu oft verletzt!“

„Sprechen Sie mit mir?“

„Mit wem sollte ich denn sonst sprechen? Sind Sie etwa nicht Matteo?“

„Doch, schon, aber es muss sich hier um ein Missverständnis handeln.“

Matteo, der vollkommen überrumpelt war, bemerkte hinter der großen Blondine eine kleinere, etwas molligere junge Dame, die ebenfalls auf sie zueilte und deren Blick gleichzeitig missbilligend, panisch und zutiefst verlegen wirkte.

Für einen Moment war er vollkommen verblüfft. Aus strahlend blauen Augen schaute sie ihn direkt an. Ihre hellblonden Haare umrahmten in einem Durcheinander aus ungebändigten Locken ihr herzförmiges Gesicht, das gerade hochrot angelaufen war. Ihre Lippen waren perfekt geschwungen und ihre Haut schimmerte seidenweich.

Matteo fehlten die Worte. Sprachlos starrte er die Frau an. Ihm wurde bewusst, dass sie seinen Namen rief, und während er noch vollkommen perplex von ihrem Anblick war, griff sie auf einmal seinen Arm und zerrte ihn von den anderen fort.

„Bitte, bitte, bitte …“, flüsterte sie und stand auf Zehenspitzen, um ihn zu sich hinunterzuziehen, sodass sie in sein Ohr sprechen konnte. „Würden Sie bitte nur kurz mitspielen? Ich erkläre gleich alles. Es tut mir so, so leid, alles, was Sie tun müssen, ist …“

Ist was? dachte Matteo. Durch den Nebel seiner Gedanken spürte er, wie sie sich mit ihren zierlichen Händen an seinen Arm klammerte. Sie war so viel kleiner als Matteo, der sie mit seinem stattlichen, muskulösen Körper weit überragte.

„Wer zum Teufel sind Sie?“, fragte er mit ebenfalls gedämpfter Stimme, wohlwissend, dass ihr Geflüster viel intimer wirkte, als es war. Seine Gedanken rasten. Gleichzeitig war er stark abgelenkt durch ihren weichen Körper neben ihm, den frischen, blumigen Duft ihres Haares. Sie war so klein, dass sie sich zu ihm hochstrecken musste, wobei ihre vollen Brüste, die sich unter ihrer Jacke abzeichneten, leicht über seinen Körper strichen.

„Rosie. Bitte, es tut mir so leid. Ich hatte keine Ahnung, dass meine Schwester wie ein Tornado auf Sie losstürmen würde.“

„Was hat das zu bedeuten? Haben Sie dieser jungen Dame etwa wehgetan? Sie wissen, wie altmodisch ich in dieser Hinsicht bin. Man sollte andere so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte“, sagte Bob mit enttäuschter Stimme hinter ihm.

Woher zum Teufel kannte diese Frau seinen Namen? Und wer war sie überhaupt? Langsam konnte Matteo wieder klar denken und ihm wurde bewusst, welche Auswirkungen diese Szene haben würde.

Sein Geschäft mit Bob und Margaret würde platzen.

Dieses Durcheinander mühsam aufzuklären, würde Zeit kosten, und Zeit hatte er nicht. Bob murmelte vor sich hin und fragte sich, ob er nicht einen schweren Fehler begangen hatte, während seine Frau sich darum bemühte, eine vernünftige Erklärung für das alles zu finden. Das Geschäft war dabei, sich in Luft aufzulösen. Matteo hatte keine Ahnung, wer diese Person war, die ihn um Hilfe anflehte. Er nahm an, es handelte sich um einen Versuch, an sein Geld zu kommen. Er hatte Geld im Überfluss. Wollte die Frau ihn erpressen? Warteten Reporter irgendwo versteckt um die Ecke, bereit, die Kamera zu zücken?

Matteo drohte, vor Zorn zu platzen. Am wichtigsten war es jetzt, diese Szene vor Bob und seiner Frau zu beenden. Mit den Konsequenzen würde er sich später befassen. Jetzt musste er Schadensbegrenzung betreiben. Er wollte unbedingt dieses Geschäft abschließen, er würde alles dafür tun.

Die einzige Lösung, die ihm einfiel, war, das Spiel dieser verzweifelt wirkenden jungen Dame mitzuspielen, auch wenn es ihm widerstrebte.

Matteo lächelte, und Rosies Wangen färbten sich tiefrot. „Rosie“, raunte er, drehte sie um und führte sie zurück zu den anderen, die während ihres Geflüsters still geworden waren – selbst die kreischende Schwester. „Darüber haben wir doch schon gesprochen.“

Er sah Bob und Margaret mit einem entschuldigenden Lächeln an und zog die glutrote kleine Blondine näher an seine Seite. „Sie ist außer sich, weil sie glaubt, ich sei einer dieser Männer, die sich einfach aus dem Staub machen.“ Er schüttelte den Kopf, beugte sich herunter und hauchte einen Kuss auf ihre Wange. „Wie kann ich dich davon überzeugen, Schatz, dass das zwischen uns nicht nur ein Urlaubsflirt für mich ist?“

Rosie sah ihn an. Auf ihrer Wange prickelte die Haut dort, wo Matteo sie mit seinen Lippen berührt hatte. Sein Arm um ihrer Taille löste eine Flut von Gefühlen in ihr aus, sodass sie sich leicht wand.

Bei der ganzen Aufregung war ihr noch gar nicht aufgefallen, wie unglaublich gut er aussah. Kohlrabenschwarzes Haar, sonnengebräunte Haut und Augen so dunkel wie die Nacht. Ihr Atem raste, sie konnte nicht klar denken. Doch zugleich war sie sich ihrer Weiblichkeit so bewusst wie noch nie.

„Ähm …“

„Ich habe das Gefühl, das könnte etwas Ernstes werden, Bob“, sagte Matteo mit überzeugender Stimme. „Ich hätte es Ihnen gegenüber ja erwähnt, aber ich wollte nicht voreilig sein.“

„Wie romantisch“, freute sich Margaret.

„Nicht wahr?“, erwiderte Matteo gelassen. Er verstärkte seinen Griff um Rosies Taille und zog sie noch näher an sich, sodass sich ihre Schenkel berührten und seine Hand sich nun direkt unter ihrer Brust befand.

Rosie spürte, wie sich ihre Brustwarzen verhärteten. Sie mied den Blick ihrer Schwester, spürte aber, wie Candice das Paar genau musterte. Gott allein wusste, was ihr durch den Kopf ging. Candice ließ sich nicht leicht hinters Licht führen, doch dieser dunkle Unbekannte, der gegen seinen Willen in dieses Schauspiel hineingezogen worden war, spielte seine Rolle sehr überzeugend. Rosie fragte sich bloß, warum.

„Sie machen sich am besten auf den Weg zurück in Ihr Hotel.“ Matteos Hauptanliegen war es, Bob und Margaret aus der Schusslinie zu bringen. „Morgen wird ein langer Tag, wenn wir unser Geschäft besiegeln wollen.“

„Sie haben sich den Richtigen ausgesucht“, sagte Bob mit warmer Stimme und schüttelte Rosie die Hand. „Ich bin froh, dass sich alles aufgeklärt hat, mein Junge. Missverständnisse können manchmal großen Schaden anrichten! Schön zu sehen, dass Sie das Zeug zum Familienmenschen haben. Jeder Mann braucht eine gute Frau an seiner Seite.“ Er kicherte und nahm Margaret in den Arm.

Matteo wollte dem Ganzen möglichst schnell ein Ende setzen. Er hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging, aber es bestand die nicht geringe Möglichkeit, dass alles auffliegen würde, und das wollte er auf jeden Fall vermeiden. Im Geiste verabschiedete er sich von seiner venezianischen Villa, in die er sich morgen Abend hatte zurückziehen wollen. Es sollte nicht sein.

„So sagt man“, murmelte er, während er darüber nachdachte, wie er diese Farce beenden sollte.

„Ich hoffe, wir können noch etwas Zeit mit Ihnen beiden verbringen, bevor wir nach Yorkshire zurückkehren. Familie geht wie gesagt über alles, und ich würde gerne mit einem Gläschen – oder auch zwei – auf die junge Liebe anstoßen.“

Matteo murmelte zustimmend, nickte, lächelte freundlich und küsste Rosie auf den Kopf. Er beschwor seinen ganzen Charme herauf, um diese unvorhergesehene Herausforderung zu meistern. Dann begleitete er das Ehepaar zur Glastür hinaus, die kleine Blondine weiterhin an seiner Seite – denn ihr stand noch ein Verhör bevor.

Mit wachsender Angst sah Rosie zu, wie Matteo mühelos auch ihre Schwester abwimmelte. Er war der Gentleman in Person, doch sein fester Griff um ihre Taille verhieß nichts Gutes. Bei dem Gedanken daran, was nun auf sie zukommen würde, lief es ihr kalt den Rücken herunter. Doch sie konnte ihm nichts vorwerfen.

Schweigend hörte sie zu, wie er Candice umgarnte und all ihre Zweifel ausräumte, bis sie schließlich lächelte und ihm mitteilte, wie erleichtert sie sei, dass sich jetzt alles aufgeklärt hätte. Sie entschuldigte sich für die Szene, die sie ihm gemacht hatte. Am Ende gab sie sogar lächelnd Rosie die Schuld an der ganzen Situation, da diese ihr einen falschen Eindruck vermittelt hätte.

Rosie konnte nicht glauben, welche Wendung die Dinge genommen hatten. Wer hätte gedacht, dass ihre hochgewachsene, eins achtzig große Schwester, die Eiskönigin, so die Fassung verlieren konnte? Sonst war Candice diejenige, die zusammenzuckte, wenn jemand im Restaurant zu sehr die Stimme hob. Sie beschwerte sich sogar über Leute, die in der Öffentlichkeit zu laut in ihre Handys sprachen!

Als Candice gegangen war, ließ Matteo seine Hand von Rosies Taille fallen, trat einen Schritt zurück und musterte sie mit kaltem Blick.

„Also“, sagte er nüchtern, „suchen wir uns ein nettes, privates Plätzchen, um uns zu unterhalten, einverstanden?“

Rosies Mut sank. Dieser Mann war überaus sexy, aber er hatte etwas Einschüchterndes an sich. Und gerade sah er sie an wie ein Raubtier seine Beute.

„Es tut mir wirklich leid, ich weiß, wie das aussehen muss …“, stammelte sie und merkte kaum, wie er sie aus dem überfüllten Foyer hinausführte. Sie wagte es nicht, in seine eisigen Augen zu schauen.

„Ist das so?“, meinte Matteo.

Wohin führte er sie? Verzweifelt warf Rosie einen Blick zurück in das Foyer, in dem der riesige Weihnachtsbaum vom Marmorboden emporragte. Das Gemurmel der Stimmen, das von der kleinen Szene vorhin ausgelöst worden war, war abgeebbt. Aber es gab bestimmt genug neugierige Augen, die nur darauf warteten, dass noch etwas passierte.

„Wohin gehen wir?“

„An einen etwas privateren Ort“, murmelte Matteo mit ruhiger, doch zugleich schneidender Stimme. „Wo wir uns in Ruhe unterhalten können.“

„Ich habe mich bereits entschuldigt.“ Aber ihre Beine gehorchten seiner Anweisung. Als Rosie neben Matteo herlief, war sie sich seiner Gegenwart nur allzu bewusst. Dieser Mann strahlte eine Macht aus, die sie erzittern ließ und die in ihr gleichzeitig Besorgnis, Angst und eine merkwürdige Art der Erregung auslöste, ein Gefühl, das sie nicht recht einordnen konnte.

Er sprach kein Wort und schien gar nicht zu bemerken, wie die wohlbetuchten Gäste ihm automatisch den Weg freiräumten, als sei er ein Mitglied der Königsfamilie.

Es war unglaublich.

Rosie wusste immer noch nicht, wohin sie gingen, doch schließlich kamen sie an eine Tür, die er für sie offenhielt, sodass Rosie an ihm vorbeihuschen konnte.

So weit war sie noch nie in das Herz, das Allerheiligste inmitten des Hotels, vorgedrungen. Solange sie zurückdenken konnte, hatte sie mit ihren Eltern dieses Resort besucht, bevor ihre Familie sich ein eigenes Chalet weiter oben am Berg gekauft hatte.

Sie befanden sich in einem großen quadratischen Raum mit schimmerndem Parkettboden, der größtenteils von einem teuer aussehenden persischen Seidenteppich bedeckt war. Hier und da standen ein paar ausladende, bequem wirkende Sessel und entlang einer der getäfelten Wände gab es eine lange Bar. Rosie nahm an, dass es sich um die Lounge der Geschäftsleitung handelte.

Sie sah sich um und entdeckte Matteo, der sich inzwischen einen Whisky eingeschenkt und es sich bequem gemacht hatte. Ihr wurde natürlich keine Erfrischung angeboten.

„Okay“, begann Rosie. „Ich weiß, was Sie sagen werden, und es tut mir leid.“

„Erstens haben Sie keine Ahnung, was ich sagen werde, und zweitens, wenn es Ihnen jetzt schon leidtut, dann wird es Ihnen noch viel mehr leidtun, wenn ich erst einmal mit Ihnen und Ihrer Komplizin fertig bin.“

„Komplizin?“ Sie schaute ihn verwirrt an, bereute es aber sofort, denn sein Anblick hatte eine höchst sonderbare Wirkung auf sie. Wenn sie Matteo ansah, begann sich alles um sie herum zu drehen. Und wenn sie sich nicht gleich hinsetzte, würde sie wahrscheinlich das Gleichgewicht verlieren.

„Die Blondine mit der Stimme, die so schrill ist, dass sie damit Glas zersprengen könnte.“

Eine Stimme, die Glas zersprengen könnte? So hatte man ihre Schwester noch nie beschrieben. Keine ihrer zwei Schwestern, um genau zu sein. Beide waren hochgewachsen, klug und unglaublich schön – schön wie Eisköniginnen. Rosie hingegen war klein, viel zu mollig – weil Schokolade und all die süßen Dinge im Leben einfach zu gut waren –, hatte schulterlanges, blondes Haar, das sich nicht bändigen ließ, und viel zu große Brüste, die jeder Mode trotzten.

Unwillkürlich musste sie an Matteos warme Hand denken, so nah an ihrer Brust, und erschauerte.

Sich all dieser Makel und seines eisigen Blickes bewusst ging Rosie zögernd auf den nächsten Sessel zu und ließ sich hineingleiten. Sie hatte keine Ahnung, was auf sie zukommen würde, doch sie war bereit, alle Schuld auf sich zu nehmen.

„Wenn diese kleine Szene ein zweifelhafter Versuch sein sollte, mich um Geld zu erpressen, dann haben Sie sich den Falschen ausgesucht“, sagte Matteo nüchtern. Er hatte weder die Stimme gehoben, noch auch nur die kleinste Bewegung gemacht, dennoch war dieser einfache Satz unmissverständlich als Drohung zu verstehen. Rosie zitterte und strich sich mit der Zunge über die Lippen.

„Ich bin für ein Geschäft hierhergekommen, an dem mir sehr viel liegt“, erklärte er weiter in demselben bedrohlichen, gedämpften Ton. „Nur deshalb habe ich mich auf Ihr kleines Spielchen eingelassen. Ich spiele es weiterhin mit, aber nur, bis diese Angelegenheit abgeschlossen ist, und dann … Sagen wir einfach, dann werden Sie verstehen, was es heißt, etwas zu bereuen.“

„Sie können mir nicht drohen“, widersprach Rosie schwach. „Und diese Frau ist meine Schwester, nicht meine Komplizin!“

„Ich kann Ihnen nicht drohen? Ich fürchte, da liegen Sie falsch. Fakt ist, Miss … wie auch immer Sie heißen – egal, was Sie und Ihre Schwester, oder wer diese Frau auch sein mag, da ausgeheckt haben, Sie können es vergessen. Von mir bekommen Sie kein Geld.“

„Geld?“

„Dachten Sie wirklich, Sie könnten mir einfach öffentlich eine Szene machen, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, mir haltlose Vorwürfe machen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erlangen, und mich anschließend dazu nötigen, Sie auszuzahlen, um Sie zum Schweigen zu bringen?“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie sprechen.“

„Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Miss!“

„Ich spiele keine Spielchen! Ich habe ehrlich keine Ahnung, wovon Sie da reden! Denken Sie etwa, meine Schwester und ich hätten es auf Ihr Geld abgesehen? Warum sollten wir?“

Matteo schnalzte ungläubig mit der Zunge, griff nach seiner Brieftasche und zog eine Karte heraus, die er ihr auf den Schoß warf. Dann lehnte er sich zurück und schlug die Beine übereinander.

„Wie unverschämt!“, explodierte Rosie, deren Gesicht sofort wieder rot anlief. „Behandeln Sie so etwa Frauen? Wie können Sie es wagen, mir einfach etwas hinzuschmeißen?“

„Ersparen Sie mir die aufgesetzte Empörung“, entgegnete er unbeeindruckt. „Warum werfen Sie nicht einen Blick auf die Karte?“

Immer noch kochend vor Wut sah Rosie auf die Karte hinunter, auf der nur ein Name und drei Telefonnummern standen. Höflich reichte sie ihm die Karte zurück.

„Es tut mir leid, aber das sagt mir gar nichts. Ich nehme an, das ist Ihr Name. Matteo Moretti.“ Sie seufzte. Er hatte die Karte zurückgenommen und wartete offensichtlich auf eine weitere Erklärung von ihr. Sein Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, und Rosie begann zu vermuten, dass dieser Mann es gewohnt war, seine Gedanken vor anderen zu verbergen. Er strahlte etwas Gefährliches aus, aber sie fragte sich, ob das nicht nur ihr Eindruck war, weil sie ihn so bewusst wahrnahm wie noch keinen Mann zuvor in ihrem Leben.

Auf einmal wurde sie sich ihrer körperlichen Makel nur allzu bewusst. Sie wand sich im Sessel und bemühte sich, eine etwas vorteilhaftere, aufrechtere Position einzunehmen.

„Ich nehme an, Sie sind eine wichtige Persönlichkeit, weshalb Sie auch davon ausgehen, dass mir Ihr Name bekannt sein muss, aber ich kenne mich in der Geschäftswelt nicht aus. Sie müssen reich sein, weil Sie denken, ich sei ein kriminelles Genie, das an Ihr Geld will, aber Sie irren sich.“

„Ihre Schwester kannte meinen Namen“, entgegnete Matteo schroff. „Können Sie das erklären?“

„Sie heißt Candice.“

„Irrelevant. Beantworten Sie einfach die Frage. Zeit ist Geld.“

Er mochte vielleicht unverschämt gut aussehen, aber Rosie bekam langsam den Eindruck, dass dieser Mann der abscheulichste Mensch war, dem sie je begegnet war. Unhöflich war noch zu milde ausgedrückt.

„Ich gebe hier Skiunterricht“, sagte sie steif. „Während dieser Saison. Dadurch habe ich zufällig Ihre Freunde auf der Piste kennengelernt. Eigentlich sollte Pierre ihnen Unterricht geben, aber er war gestern Nacht mit seiner Freundin unterwegs und konnte nicht …“

„Kommen Sie zum Punkt!“

„Tue ich ja! Bob und Margaret haben mir erzählt, dass sie hier sind, um die Arbeit mit dem Vergnügen zu verbinden. Sie erwähnten Ihren Namen – Matteo. Sie sagten, Sie würden nie das Hotel verlassen, und scherzten, dass Sie daran schuld wären, falls die beiden das Skifahren nicht lernen würden. Schließlich würde ihr schlechtes Gewissen darüber, dass Sie drinnen festsitzen, die beiden davon abhalten, sich auf ihre Füße zu konzentrieren. Natürlich wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass Sie dieser Matteo sind, aber daher kenne ich Ihren Namen. Es war einfach Zufall, dass Sie gerade im Foyer waren, als …“

Als die Hölle losbrach.

Matteo knirschte mit den Zähnen. „Wie lange wollen Sie mich noch auf die Folter spannen? Kommen Sie jemals zum Punkt? Oder muss ich erst die Polizei rufen, damit sie Sie befragt?“

„Die Polizei? Wie können Sie es wagen?“ Mit funkelnden Augen sah sie ihn an. Ohne mit der Wimper zu zucken hielt er ihrem Blick stand.

„Kommen. Sie. Endlich. Zum. Punkt.“

„Okay, wie Sie wollen!“, schnaubte Rosie, lehnte sich vor und umschloss die Armlehnen ihres Sessels. „Ich habe vorgegeben, ein gebrochenes Herz zu haben, weil ich nicht dazu verdammt sein wollte, Bertie über Weihnachten um mich zu haben. Da habe ich Sie mit Bob und Margaret unten im Foyer gesehen. Deshalb habe ich mir gedacht, dass Sie der Geschäftsmann namens Matteo sein müssen. Also habe ich gelogen und meiner Schwester erzählt, wir seien miteinander ausgegangen. Ist Ihnen diese Erklärung genug? Es tut mir wirklich leid, aber Sie waren einfach mein Sündenbock!“

2. KAPITEL

Ihre Blicke trafen sich. Matteo wurde etwas unsicher. Noch nie hatte er eine solch wirre Antwort auf eine Frage erhalten. Rosies Lippen waren leicht geöffnet und sie lehnte sich im Sessel vor. Ihrer Körpersprache nach zu urteilen, war es ihr sehr wichtig, dass er ihr glaubte.

Diese Frau brachte ihn völlig durcheinander.

Es war nicht nur ihre Geschichte, der er nur schwer folgen konnte. Es war sie, ihre gesamte Person. In dem Moment, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, war etwas in ihm entflammt, und jetzt … Wenn er in ihre unglaublich strahlend blauen Augen schaute …

Sein Blick wanderte über ihr Gesicht mit den erröteten Wangen, der seidenweich schimmernden Haut und den vollen Lippen. Während er sie ansah, strich Rosie sich auf einmal nervös mit der Zunge über die Lippen. Sein Körper reagierte sofort.

Matteo biss die Zähne aufeinander und musste die Position ändern, denn seine Männlichkeit presste sich hart gegen den Reißverschluss seiner Hose.

Lehnte Rosie sich absichtlich so nach vorne? Stellte sie diese üppigen, vollen Brüste, die förmlich dazu einluden, liebkost zu werden, bewusst zur Schau?

Matteo bevorzugte einen ganz bestimmten Typ Frau: sehr groß, sehr schlank und sehr brünett. Er mochte Frauen, die erfolgreich waren und dafür genauso hart arbeiteten wie er. Eine ambitionierte Frau mit einer eigenen Karriere war eine unabhängige Frau – und das war ihm wichtig. Er wollte nicht, dass sich irgendjemand von ihm abhängig machte. Er war ein Einzelgänger, und so sollte es auch bleiben.

Warum fühlte er sich dann derart zu dieser quirligen Blondine hingezogen? Sie war die Weiblichkeit in Person, das genaue Gegenteil dessen, was er an einer Frau anziehend fand.

Wütend über seine mangelnde Selbstkontrolle sprang Matteo auf und begann, im Raum auf und ab zu laufen, während er sein Glas Whisky leerte.

Er musste den Blick von dieser attraktiven Blondine abwenden. Doch als er sie erneut ansah, merkte er, dass er immer noch unter ihrem merkwürdigen Bann stand.

Matteo blieb vor Rosie stehen, beugte sich hinunter und stützte sich auf die Armlehnen des Sessels. Instinktiv lehnte sie sich zurück.

Ihre Brüste hoben und senkten sich im Rhythmus ihres Atems, der schnell und flach ging.

„Das reicht mir nicht“, knurrte Matteo ungeduldig.

„Was meinen Sie?“, flüsterte Rosie. „Ich habe doch alles erklärt.“

„Sie erwarten ernsthaft, dass ich Ihnen glaube, ich sei nur ein zufälliges Opfer? Dass Sie wirklich keine Ahnung haben, wer ich bin? Wenn das so wäre, warum flirten Sie dann mit mir?“

Rosie stand der Mund offen. Ungläubig starrte sie Matteo an. „Wie bitte?“

„Denken Sie ja nicht, dass Sie mich reinlegen können, indem Sie mich verführen! Ich bin nicht von gestern! Ich nehme Ihnen diesen Unsinn nicht ab.“

„Verführen?“

„Sie sind sehr sexy, aber ich bin nicht dumm.“ Matteo knirschte mit den Zähnen und konnte seine Hände nur schwer unter Kontrolle halten. Alles, was er wollte, war das offensichtliche Angebot dieser Frau anzunehmen – angefangen bei ihren vollen Lippen bis hin zu ihren noch volleren Brüsten.

„Sie halten mich für sexy?“

„Und das zur Schau zu stellen, wird Ihnen auch nicht helfen. Wo ist Ihre Schwester? Lauert sie hinter der Tür? Bereit, uns in einer kompromittierenden Lage zu fotografieren?“

Er stieß sich vom Sessel ab, doch das Feuer loderte weiter in seinem Körper, als er wieder im Raum umherlief, um Abstand zwischen sie beide zu bringen.

Schließlich setzte Matteo sich wieder, auch wenn er immer noch hart war, immer noch voller Begehren.

„Ich kann nicht glauben, dass Sie denken, ich würde mit Ihnen flirten“, sagte Rosie schwach. Allein der Gedanke ließ sie schon wieder rot werden.

Sie und verführen? Dabei war sie doch diejenige, die zu kurz gekommen war, was das Aussehen anging. Ihre beiden Schwestern hatten stets die Blicke der Männer auf sich gezogen, nicht Rosie.

Ein Schauer durchrieselte sie. Matteo hatte sie als sexy bezeichnet, und sie war sich sicher, dass er es ernst gemeint hatte.

„Außerdem – das ist kein Unsinn“, antwortete sie etwas verspätet auf seine Frage. „Wenn Sie mir doch nur zuhören würden! Meine Familie …“ Ihre Stimme zitterte vor Nervosität. „Meine Familie macht sich Sorgen um mich. Sie ist der Meinung, ich solle sesshaft werden, mir einen festen Job suchen und einen Lebenspartner finden.“

„Einen Lebenspartner?“

„Ja.“ Rosie wurde rot. Warum musste sie auch so ehrlich sein? Die Art, wie er sie ansah, mit gerunzelter Stirn und den Kopf zur Seite geneigt, löste eine Gänsehaut bei ihr aus. Sie hätte ihn über den Grund ihres irrationalen Verhaltens im Unklaren lassen sollen. Jetzt musste sie zugeben, dass sie ganz und gar nicht sexy war. Sexy Frauen ließen nicht zu, dass ihre Familie sich in ihre Angelegenheiten einmischte.

„Wie alt sind Sie denn?“

„Dreiundzwanzig.“

„Nehmen wir einmal kurz an, dass Ihre Geschichte stimmt – warum sollten Sie sich in diesem jungen Alter schon einen Lebenspartner suchen und sesshaft werden?“

Unschuldig schaute sie ihn aus diesen unglaublich aquamarinfarbenen Augen an.

Matteo sah ein, dass er sich wahrscheinlich geirrt hatte. Rosie und ihre Schwester hatten wohl doch keine bösen Absichten gehabt.

Sie hatte auch nicht wirklich mit ihm geflirtet, musste er widerwillig zugeben. Entweder war sie eine sehr gute Schauspielerin, oder ihre Entrüstung auf seine Anschuldigung hin war echt gewesen.

Wenn sie wirklich keine Hintergedanken hatte, blieb nur ihre Erklärung übrig: Sie sagte die Wahrheit.

Interessiert musterte Matteo die Blondine. Er war zweiunddreißig Jahre alt und von der Vorhersagbarkeit der Ereignisse in seinem Leben ein wenig gelangweilt. Diese neue Situation weckte seine Neugier.

„Sind Sie nicht etwas jung, um sich schon sesshaft zu machen?“ Er änderte seine Sitzposition und versuchte, ihren reizvollen Körper zu ignorieren. „Und andererseits etwas zu alt, um sich von Ihrer Familie Vorschriften machen zu lassen?“

„Meine Familie macht sich eben Sorgen um mich“, entgegnete Rosie aufgebracht. „Nicht, dass Sie das irgendetwas angehen würde.“

„Es geht mich sehr wohl etwas an. Immerhin haben Sie dafür gesorgt, dass das Geschäft, um das ich mich seit acht Monaten bemühe, nun wahrscheinlich scheitert. Ob dieser Auftritt von Ihnen und Ihrer Schwester geplant war oder nicht, das Ergebnis bleibt dasselbe.“

„Bob und Margaret scheinen mir sehr vernünftig zu sein. Nicht der Typ Mensch, der wegen einer kleinen Szene in einer Hotellobby gleich alles aufs Spiel setzt, was auch immer Sie untereinander abgemacht haben.“ Rosie fragte sich, warum ihm ausgerechnet dieses Geschäft so viel bedeutete. Am Geld konnte es nicht liegen, davon hatte er offensichtlich genug. Zwar war ihre eigene Familie sehr wohlhabend, aber Rosie vermutete, dass dieser Mann in einer ganz anderen Liga spielte.

„Bob und Margaret sind recht konservativ“, sagte Matteo kühl. „Sie legen sehr großen Wert auf Loyalität, wie Sie vielleicht bemerkt haben. Meine Integrität war extrem wichtig, um Ihr Vertrauen zu gewinnen.“

„Es tut mir aufrichtig leid. Ich hatte keine Ahnung, dass meine Schwester so explodieren würde. Das passt überhaupt nicht zu ihr. Sie regt sich sonst nie so auf. Wahrscheinlich ist sie gerade im Chalet und erzählt der ganzen Familie von unserer Beziehung.“

„Chalet?“

„Meinen Eltern gehört ein Chalet etwa fünfzehn Minuten von hier.“ Rosie fragte sich, wie es jetzt wohl weitergehen würde.

Sie sah zu Matteo hinüber, und sein Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen. Er war so perfekt, so unglaublich gut aussehend.

„Sie haben immer noch nicht genau erklärt, was im Foyer eigentlich passiert ist“, sagte Matteo kurz angebunden. „Jetzt, da uns Armors Pfeil getroffen hat, können Sie mir auch gleich die ganze Geschichte erzählen. Wer ist dieser Mann, dem Sie aus dem Weg gehen wollen, und warum sollten Sie ihn überhaupt treffen? Ich habe mir diese Situation nicht ausgesucht, aber jetzt kann ich genauso gut das Beste daraus machen. Erzählen Sie mir etwas mehr von sich.“

Gebannt sah Rosie ihn an. Sie konnte nicht klar denken und erinnerte sich an das Gefühl seiner Lippen, als er sie auf die Wange geküsst hatte.

„Ich … äh … wie gesagt, meine Familie ist der Meinung, ich solle sesshaft werden. Candice ist hergekommen, um mich vorzuwarnen, dass meine Eltern überlegen, ein paar Freunde einzuladen.“ Sie verzog das Gesicht. „Und Bertie ist der Sohn dieser Freunde.“

„Und?“ Matteo neigte den Kopf und sah sie fragend an. „Sie mögen ihn nicht? Ist er ein Ex-Freund? Gab es eine schlimme Trennung? Worauf wollen Sie hinaus?“

„Sie sind wirklich unhöflich, oder?“ Sie funkelte ihn böse an. Doch dann lächelte er sie plötzlich ohne Vorwarnung an und sah dabei so sexy aus, dass es ihr die Sprache verschlug.

Auf einmal wirkte dieser attraktive Mann nicht mehr einschüchternd, sondern einfach nur anziehend. Mit einem Schlag waren alle Männer, mit denen Rosie je zusammen gewesen war, für immer vergessen. Im Vergleich zu ihnen war Matteo ein ganzer Mann, in der Blüte seiner Jahre. Plötzlich wurde ihr schwindelig.

„So hat mich bisher noch niemand bezeichnet.“ Matteo lachte gespielt entrüstet. „Sollte ich verärgert sein, amüsiert oder neugierig?“

Rosie wand sich nervös in ihrem Sessel. Sie war nicht sicher, was sie auf diese Frage antworten sollte oder ob er überhaupt eine Antwort erwartete.

„Meine Eltern denken wohl, dass Bertie und ich ein gutes Paar abgeben würden.“ Sie zögerte. „Ich habe gehandelt, ohne nachzudenken. Candice saß mir gegenüber und war dabei, mir das gesamte Weihnachtsfest zu verderben. Da sah ich ins Foyer hinunter, und dort standen Sie mit Bob und Margaret. Ich wusste, dass Sie alle bald abreisen würden. Also habe ich meiner Schwester erzählt, dass ich Bertie nicht treffen möchte, weil ich mit Ihnen ausgegangen war und es nicht gut geendet hatte, weshalb ich jetzt ein gebrochenes Herz hätte. Ich dachte, es sei eine sichere Sache. Sie waren kurz davor, das Hotel zu verlassen, und ich hätte nie gedacht, dass Candice zu Ihnen hinunterlaufen würde.“

Jetzt, da sie es laut aussprach, konnte Rosie selbst nicht glauben, was sie getan hatte. Warum hatte sie nicht einfach zu sich stehen können und ihrer Schwester ihre Meinung gesagt?

Sie wusste, warum. Weil sie schon immer den Weg des geringsten Widerstands gegangen war.

„Ich hätte Candice sagen sollen, dass ich nicht da sein würde, wenn Bertie kommt. Ich hätte mehr Willensstärke zeigen sollen. Stattdessen habe ich impulsiv und unüberlegt gehandelt. Es tut mir wirklich leid. Kann ich es irgendwie wieder gutmachen?“

„Halten Sie sich mit solchen Angeboten zurück“, sagte Matteo mit rauer Stimme. „Sonst komme ich noch auf falsche Gedanken.“

Rosie wurde heiß und ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie spürte, wie sich ihre Brustwarzen aufrichteten und kribbelten, und stellte sich vor, wie er sie zwischen seinen Fingern rieb. Rosies Atem wurde flach und schwer. Hatte er gerade mit ihr geflirtet? Wie gebannt sah sie ihn an, während ihr weiter alle möglichen unanständigen Bilder durch den Kopf gingen.

Was war nur los mit ihr?

Dieser Mann hatte etwas Gefährliches an sich, doch die Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, war überwältigend.

„Also, jetzt, da wir ein Paar sind, ist es vielleicht angebracht, dass wir uns duzen, meinst du nicht? Was passiert also als Nächstes, Rosie?“

„Ich … äh …“

„Wo sollen wir uns während unserer geheimen Affäre in den letzten zwei Wochen getroffen haben? Im Hotel? Im Chalet deiner Eltern? Oder ganz woanders? Es ist ein Wunder, dass Bob und Margaret keine peinlichen Fragen zu unserer angeblichen Beziehung gestellt haben, angesichts der Tatsache, dass ich die meiste Zeit mit den beiden verbracht habe, um unser Geschäft zu besprechen.“

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Rosie verzweifelt. „Ich habe das alles nicht geplant.“

Ein derart impulsives Handeln war für Matteo undenkbar. Und doch gefiel ihm ihre spontane Art irgendwie. „Wir müssen uns eine glaubhafte Geschichte ausdenken, sonst fliegt die ganze Sache auf, und das ist keine Option für mich.“

„Wegen dieses Geschäfts, an dem Sie … äh … an dem du arbeitest?“

„Es muss nur noch der Vertrag aufgesetzt und unterschrieben werden.“

„Warum tust du das?“

„Wie bitte?“

„Warum bedeutet dir dieses Geschäft so viel, dass du dich dafür auf dieses Spielchen einlässt, anstatt mich einfach auffliegen zu lassen? Ich meine, Geld hast du ja anscheinend genug.“

„Du bist privilegiert aufgewachsen“, bemerkte Matteo kalt. „Ich nehme an, du musstest für dein Geld noch nie hart arbeiten oder dir Sorgen darüber machen, wie du dein Leben finanzierst, habe ich recht? Also, zurück zu meiner Frage: Was passiert als Nächstes? Deine Schwester wohnt bei dir im Chalet. Sie erwartet bestimmt, dass du mich ihr offiziell vorstellst, oder?“

Rosies Gedanken kreisten immer noch um seine Bemerkung zu ihrer Einstellung gegenüber Geld. Erschrocken musste sie feststellen, dass er recht hatte. Sie hatte ein angenehmes Leben geführt. Es war einfach, das als gegeben anzunehmen, wenn man davon ausgehen konnte, dass es immer so weitergehen würde. Mit ihren vielen Reisen mochte sie sich ja unkonventionell gezeigt haben, aber mit dem Geld ihrer Familie als Absicherung wäre sie nie ernsthaft in Schwierigkeiten geraten.

„Sie ist wahrscheinlich neugierig“, gab Rosie zu.

„Und deine Familie? Wird die Neuigkeit über uns bei ihnen die Runde machen?“

„Davon ist stark auszugehen“, gestand sie.

„Immerhin wird dein Ex-Freund dich jetzt nicht mehr belästigen.“ Da war es wieder. Dieses elektrisierende Gefühl, dass Matteo plötzlich überkam und das ihn so irritierte. Rosie war genau der Typ Frau, von dem er sich sonst fernhielt, und doch zog sie ihn auf eine überwältigende Art und Weise an. Er konnte sich einfach nicht erklären, woher diese Anziehung kam.

„Bertie ist nicht mein Ex-Freund“, erklärte Rosie schnell. „Unsere Familien sind schon lange befreundet und irgendwann hat er sich in den Kopf gesetzt, mit mir auszugehen, und bat mich um ein Date. Ich war damals siebzehn. Ich war nie an ihm interessiert, aber jetzt ist er anscheinend eine wichtige Persönlichkeit in der Stadt und alle denken, er sei ein geeigneter Partner für mich.“ Rosie verdrehte die Augen.

Matteo schwieg. Seine dunklen Augen blickten in die Ferne, er schien in Gedanken versunken. „Ich lerne also die Familie kennen“, murmelte er.

„Das musst du nicht. Ich könnte Ihnen sagen, dass du wegen eines dringenden Geschäfts abreisen musstest. Candice hat dich getroffen. Sie wird Verständnis haben.“

„Warum sollte sie Verständnis haben?“

Rosie fiel auf, dass es ihr überraschend leichtfiel, sich mit ihm zu unterhalten, obwohl er so einschüchternd wirkte. „Sie ist jetzt Mutter von zwei Kindern, aber vorher war sie eine erfolgreiche Anwältin. Sie weiß, wie wichtig die Arbeit sein kann. Sie wird es verstehen, wenn du deshalb abreisen musst.“

Rosie runzelte die Stirn. „Das sollte klappen“, überlegte sie. „Wenn du abreist, musst du meine Familie nicht treffen. So kann ich sie nach und nach davon überzeugen, dass unsere Romanze nicht so verläuft, wie ich es mir erhofft hatte. Das kommt vor“, dachte sie laut. „Menschen kommen zusammen und denken, sie seien verliebt, aber es stellt sich als Fehler heraus.“

„Selbstverständlich“, stimmte Matteo zu. „Genauso wird es sein, aber für den Moment kommt das nicht in Frage.“

„Warum?“

„Weil mein Geschäft noch nicht abgeschlossen ist. Bob und Margaret sind noch eine Woche hier. Bis der Vertrag unterschrieben ist, sind wir beide ein Liebespaar und denken über eine gemeinsame Zukunft nach. Sobald alles unterzeichnet und besiegelt ist, können wir unsere Beziehung beenden.“ Mit einem kurzen Schulterzucken winkte er die Sache ab und machte ihr verständlich, dass es genau so ablaufen würde, ob sie wollte oder nicht.

„Es wird schwerer für meine Eltern, wenn sie dich tatsächlich persönlich kennenlernen.“

„Das ist nicht mein Problem“, sagte Matteo kalt. „Ich habe nicht um diese Situation gebeten.“

Sein Blick streifte ihr Gesicht. Er konnte Anspannung und Angst darin lesen und musste zugeben, dass sie nicht ganz unrecht hatte. Sie stand ihrer Familie offensichtlich sehr nahe. Je weniger sie sie verletzte, desto besser. Aber soweit es ihn anging, war das nicht sein Problem. Matteo war kein sentimentaler Mensch. Er hatte es im Leben zu Erfolg gebracht. Im Gegensatz zu vielen der Kinder, mit denen er aufgewachsen war und die entweder im Gefängnis oder unter der Erde gelandet waren. Die Erfahrung, als Waisenkind groß zu werden, hatte ihn hart gemacht. Er wusste, was es bedeutete, nichts zu besitzen. Er hatte es geschafft, seinem Schicksal zu entkommen, und dafür hatte er schwer gearbeitet.

Der kurze Erholungsurlaub auf dem Anwesen, das er im Begriff war zu kaufen, hatte ihm gezeigt, dass es Alternativen im Leben gab. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft hatte ihn durchhalten lassen.

Schon früh hatte Matteo begriffen, dass eine gute Bildung der einzige Weg war, um im Leben Erfolg zu haben. Also hatte er sich angestrengt und einen Abschluss an der University of Cambridge erlangt.

Danach hatte er es in der Finanzwelt zu viel Geld gebracht. Und das war sein Ticket in die Freiheit gewesen – seit jeher sein einziges Ziel.

Doch Geld hatte sein Leben auch langweilig und vorhersehbar werden lassen. Sich jederzeit alles leisten zu können und jede Frau zu bekommen, die er wollte, machte sein Leben nicht gerade spannend.

Seit Monaten war er mit keiner Frau mehr zusammen gewesen und hatte auch kein Verlangen danach verspürt.

Und jetzt war er in diese absurde Lage geraten. Matteo beschloss, das Beste aus der Situation zu machen und die Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen. Er würde diese Herausforderung sogar genießen.

„Ich habe eine Suite hier im Hotel“, überlegte er laut. „Bob und Margaret sind in einem anderen Hotel untergekommen, weiter unten im Tal. Ich nehme an, als neuer Mann in deinem Leben erwartet man von mir, dass ich mit dir im Chalet deiner Eltern wohne, was denkst du?“

„Wie bitte? Moment mal!“

„Es wäre doch sehr unwahrscheinlich, dass ich während unserer heißen Affäre alleine hier im Hotel bin, während du meilenweit entfernt in einer Berghütte sitzt, mit nichts als dem Fernseher und einem guten Buch, um dir Gesellschaft zu leisten, oder?“

„Schon. Aber …“

„Aber?“

„Aber das wäre doch etwas merkwürdig. Ich meine, wir sind nicht wirklich zusammen, oder?“

„Du musst das Ganze als Außenstehende betrachten“, erklärte Matteo geduldig. „Wir müssen überzeugend wirken. Nicht einmal Bob und Margaret, die sehr konservativ sind, werden glauben, dass wir zusammen sind, wenn wir uns nur hin und wieder begegnen.“

„Das ist mir auch klar“, bemerkte Rosie abwesend. Was meinte er damit, dass er bei ihr im Chalet wohnen sollte? Im selben Zimmer? Bei dem Gedanken wurde sie ganz nervös. Auf einmal nahm ihre kleine Notlüge völlig neue Dimensionen an.

Matteo lachte herzlich, woraufhin sie ihn böse anfunkelte.

„Du findest die Situation vielleicht komisch, ich aber nicht.“

„Ich finde die Situation ganz und gar nicht komisch“, entgegnete Matteo zornig. „Aber nun ist es einmal so. Ich ziehe heute noch in das Chalet deiner Eltern.“

„Candice wird wissen, dass du nicht vorher dort gewohnt hast“, beharrte Rosie.

„Woher?“

„Hättest du das getan, würde es Anzeichen dafür geben. Es würden Sachen von dir herumliegen. Kleidung, Rasierschaum, Hausschuhe, Aftershave …“

Matteo zog missmutig die Augenbrauen hoch. Sein Gesichtsausdruck ließ Rosie verstummen.

„Ich habe noch nie bei einer Frau die Nacht verbracht, und wenn ich es hätte, dann hätte ich sicher nichts herumliegen lassen.“

Rosie sah ihn ungläubig an. „Du hast noch nie bei einer Frau übernachtet?“

Er war so selbstsicher, so gut aussehend. Welche Frau würde ihn aus dem Bett werfen? Der Gedanke war unangebracht, aber er wollte Rosie nicht aus dem Kopf gehen.

Matteo machte eine wegwerfende Geste mit der Hand. „Ich arbeite hart und amüsiere mich gerne, aber ich verliebe mich nicht. Ich will niemandem falsche Hoffnungen machen.“

„Und wenn du mit einer Frau die Nacht verbringst, würde das bedeuten, dass du an mehr interessiert bist als nur an Sex?“

„Nein. Aber die Frau könnte diesen Eindruck bekommen.“

„Und du willst trotzdem zu mir ins Chalet ziehen?“

„Ja. Aber ich bin nicht mit dir zusammen“, raunte Matteo. „Und hier geht es auch nicht um Sex. Diese Beziehung ist nur gespielt, und sie wird vorbei sein, sobald ich habe, was ich will.“

3. KAPITEL

Es war eine Sache, Matteo als ihren neuen Freund vorzustellen, dachte Rosie. Es war eine ganz andere, mit ihm im Chalet zusammenzuwohnen und ihrer Familie Tag und Nacht etwas vorzuspielen. Sie würden sich einer ganzen Reihe Fragen stellen müssen. Wie sollte Rosie das aushalten, ohne sich zu verraten? Wie sollte Matteo es aushalten?

„Meine Eltern werden dich genau unter die Lupe nehmen“, warnte sie ihn. „Die fünf Minuten, in denen du mit Candice gesprochen hast, sind nichts im Vergleich zu mehreren Tagen mit meiner gesamten Familie.“

„Ich kann dem Druck standhalten“, spottete Matteo. „Und du?“

Rosie sah ihn direkt an. „Ich weiß, was du von mir denkst“, sagte sie mit derselben Fassung, die er an den Tag legte. Es gefiel ihr, wie bestärkt sie sich dadurch fühlte. „Dass ich vom Geld meiner Eltern lebe, mich von einer Sache zur nächsten treiben und mir von meiner Familie Vorschriften machen lasse. Aber dieses Mal setze ich mich durch.“ Sie grinste. „Sie werden schockiert sein.“

„Gut“, meinte Matteo anerkennend. „Manchmal muss man andere schockieren.“

„Ich habe nur eine Bedingung.“

„Ich höre“, antwortete er grinsend.

„Ich werde diejenige sein, die die Beziehung beendet.“

Matteo sah sie überrascht an.

„Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, vermute ich, dass noch nie jemand mit dir Schluss gemacht hat, habe ich recht?“

„Bisher hat das Schicksal mich verschont.“

„Ich weiß nicht“, bemerkte Rosie trocken. „Entweder hat es dich verschont, oder es hat dich unglaublich arrogant gemacht.“

Matteo brach in schallendes Lachen aus. „Du bist die außergewöhnlichste Frau, die mir je begegnet ist“, sagte er. Sein sanfter Blick war wie eine Liebkosung. „Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so offen und ehrlich ist. Sehr unüblich für jemanden deines Standes.“ Er machte eine Pause. „Du willst also mit mir Schluss machen. Warum nicht? Vielleicht ist es an der Zeit, dass mir auch einmal das Herz gebrochen wird. Und dir würde es weiterhelfen, richtig?“

Rosie nickte langsam. „Ich will nicht länger von meiner Familie als hilfloses Opfer betrachtet werden.“

„Abgemacht. Also, gehen wir packen, damit ich aus dem Hotel auschecken und bei dir einziehen kann.“

Matteos Suite war atemberaubend. Sie war riesig und bestand aus mehreren Räumen, inklusive einer voll ausgestatteten offenen Küche, die allerdings, wie Rosie annahm, nur selten benutzt wurde.

„Du willst, dass wir als Paar überzeugend wirken?“, hatte Matteo sie gefragt, als sie die Lounge, in der sie eine gefühlte Ewigkeit verbracht hatten, verließen. „Dann komm mit in meine Suite, während ich meine Sachen packe. Danach checken wir zusammen aus. Ich war wegen eines Geschäfts hier, als wir uns getroffen haben. Jetzt, da deine Familie anreist, versteht es sich von selbst, dass ich zu dir ins Chalet ziehe, damit ich sie kennenlernen kann.“

Rosie beobachtete ihn, während er seine Sachen zusammensuchte. Gleichzeitig tätigte er einige Anrufe auf Italienisch, das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt.

Rosie fühlte sich, als hätte er sie komplett vergessen.

„Ich weiß gar nichts über dich“, sagte sie, nachdem er endlich mit Telefonieren und Packen fertig war.

Ganz allein mit Matteo in seiner Suite wurde Rosie langsam nervös. In dieser privaten Umgebung wirkte seine einnehmende Persönlichkeit noch stärker auf sie. Er hatte etwas so Sinnliches und gleichzeitig Gefährliches an sich.

Matteo, der gerade den Reißverschluss seines Koffers schloss, hielt inne und sah sie an.

Rosie stand noch immer an der Tür und wirkte ziemlich nervös, was ihn positiv überraschte. Sie schien keiner dieser privilegierten, arroganten Menschen zu sein, die glaubten, die Welt läge ihnen zu Füßen.

Sie war offen, arglos und ausgesprochen ehrlich. Das überraschte und beeindruckte ihn zugleich.

Als er sie ansah, fragte er sich, ob er sich nicht auf dieses Spielchen eingelassen hatte, weil sie ihn so faszinierte.

Rosie machte zögernd ein paar Schritte auf Matteo zu und spähte auf den halb geschlossenen Koffer.

„Hast du gar keine Skiausrüstung dabei? Oder hast du sie woanders untergebracht?“

„Ich fahre kein Ski“, gab er zu und nahm auf dem Sofa Platz. Er beobachtete, wie sie es ihm gleichtat und sich ihm gegenübersetzte. „Und schau nicht so nervös drein, ich werde dich schon nicht auffressen.“

„Das weiß ich.“ Sie unterdrückte den Anflug von Nervosität, der sie bei seinen Worten überkam. „Wir sind jetzt unter uns. Du weißt eine Menge über mich, aber ich weiß so gut wie gar nichts über dich. Wenn wir glaubwürdig sein wollen, muss ich aber etwas mehr über dich erfahren. Es überrascht mich, dass du nicht Ski fährst.“

„Skifahren lernt man am besten in einem gewissen Alter“, bemerkte er bitter. „Den Zeitpunkt habe ich leider verpasst.“

„Wahrscheinlich hatte ich Glück, dass meine Eltern diesen Sport so lieben. Ich weiß noch, wie ich schon mit drei Jahren auf Skiern stand und den steilen, weißen Abhang hinunterschaute.“ Rosie lachte bei der Erinnerung.

Matteo lächelte freundlich. „Erzähl mir mehr über deine Familie. Deine Schwester Candice ist verheiratet und hat zwei Kinder. Davor hat sie als Anwältin gearbeitet.“

Rosie war von seinem Lächeln wie verzaubert. Es war so ehrlich, dass sie spürte, wie ihre Nervosität verflog. Sie erzählte ihm von ihrer Schwester Emily, die Zweitälteste, eine Immobilienexpertin. Sie war ebenfalls verheiratet und schwanger mit ihrem ersten Kind. Dann erzählte Rosie von ihren Eltern. Ihre Mutter war früher Dozentin und ihr Vater ein hochrangiger Diplomat gewesen, doch vor drei Jahren waren beide in den Ruhestand gegangen.

„Und sie sind von deiner bisherigen Partnerwahl nicht gerade beeindruckt“, fügte Matteo hinzu. „Deshalb kamen sie auf Bertie.“

Rosie grinste. „Ganz genau. Absolut nicht mein Typ.“

„Nein? Und was ist dein Typ, Rosie?“

Rosie öffnete den Mund, um zu antworten, dass sie sich als Freigeist zu anderen Freidenkern hingezogen fühlte. Aber stimmte das auch wirklich?

Matteo ersparte ihr die Mühe, eine passende Antwort zu finden. „Du hast sehr viel Glück gehabt“, bemerkte er sanft. „Reitunterricht, Skiurlaub seit du drei bist, ein Haus auf dem Land und ein Apartment in London. Ich nehme an, du hast dir mit Absicht Partner ausgesucht, die deine Familie nicht mochte, als eine Art stille Rebellion.“

„Das ist nicht wahr“, entgegnete sie entrüstet. Innerlich spürte sie jedoch, dass er recht hatte. „Ich war schon immer sehr abenteuerlustig“, sagte sie wenig überzeugend.

Matteo zuckte mit den Schultern, bereit, das Thema fallenzulassen. Es überraschte ihn, dass er sich überhaupt dazu hatte verleiten lassen, Rosie zu analysieren. Dabei sah er sich sonst selten dazu veranlasst, die Tiefen einer Frau zu ergründen.

„Du wolltest etwas über mich erfahren“, sagte er beiläufig. „Stell dir eine Kindheit vor, die verschiedener von deiner nicht sein könnte.“

Rosie runzelte die Stirn. Sie hatte keine Ahnung, worauf er mit seiner rätselhaften Andeutung hinauswollte.

„Bist du hier in Italien aufgewachsen? Ich habe gehört, wie du am Telefon Italienisch gesprochen hast.“

„Ich wurde in Italien geboren, aber meine Eltern sind nach England gegangen, als ich noch ein Baby war, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.“ Matteo hielt inne. Es war ihm unangenehm, Informationen aus seiner Vergangenheit preiszugeben, aber er wusste, dass Rosie ein Recht darauf hatte, gewisse Dinge zu erfahren. „In Italien gab es für meine Eltern keine Zukunft. Leider lief es in England nicht so, wie sie es sich erhofft hatten. Kurz nach ihrer Ankunft wurde meine Mutter krank und kam ins Krankenhaus, aber es war bereits zu spät. Man konnte ihr nicht mehr helfen.“

Rosie schlug sich die Hand auf den Mund und sah ihn betroffen an. Sein ausdrucksloses Gesicht spiegelte die Leere in seiner Stimme wieder. Mehr als alles andere traf sie der Umstand, wie emotionslos Matteo seine Geschichte erzählte. Es war eine Art Selbstschutz, um dem Schmerz zu entgehen, so jung einen Elternteil verloren zu haben, das wusste sie instinktiv. Und genauso instinktiv wusste sie, dass dieser stolze Mann es nicht schätzen würde, wenn sie ihn darauf ansprechen würde.

Matteo wirkte auf einmal so menschlich auf sie, dass sie ihm am liebsten tröstend die Hand auf seine Schulter gelegt hätte. Um diesen Reflex zu unterbinden, setzte sie sich auf ihre Hände, denn eine innere Stimme warnte sie davor, ihm so offen ihre Zuneigung zu zeigen.

„Das tut mir sehr leid, Matteo“, sagte sie stattdessen. Er senkte kurz den Blick, wobei seine langen, dichten Wimpern seine Haut berührten. Als er Rosie wieder ansah, wirkte er gefasst.

„Das muss es nicht. Es ist lange her.“

„Wo ist dein Vater jetzt?“, fragte sie. „Lebt er hier in der Gegend? Er muss damals verzweifelt gewesen sein. Ist er nach Italien zurückgegangen?“

„Mein Vater starb, als ich vier war. Danach kam ich in ein Kinderheim. Er ist nicht nach Italien zurückgekehrt, aber ich habe meine Wurzeln nie vergessen. Ich besitze eine Villa am Stadtrand von Venedig und bin gerade dabei, geschäftliche Beziehungen in der Gegend von Neapel aufzubauen. Deshalb auch das Telefongespräch vorhin.“

„Du warst in einem Kinderheim?“

„Das ist unwichtig.“ Matteo stand auf und versicherte sich mit einem Blick durch das Zimmer, dass er nichts vergessen hatte.

Rosie sah das anders. Es war von enormer Wichtigkeit. Es gab ihr einen tiefen Einblick in den Charakter dieses so einschüchternden Unbekannten.

Er ist so kalt, dachte sie, so verschlossen. Und dafür hatte er wahrscheinlich gute Gründe.

Matteo schritt auf die Tür zu und Rosie sprang auf, um sich ihm anzuschließen. Doch anstatt die Tür zu öffnen, blieb er stehen und sah Rosie aus seinen dunklen Augen an.

„Ich habe dir das alles nur erzählt, weil diese Beziehung glaubwürdig wirken muss, bis mein Geschäft mit Bob und Margaret abgeschlossen ist. Weitere Fragen nach meiner Vergangenheit kannst du dir sparen. Die Informationen, die ich dir gegeben habe, sollten ausreichen. Wir müssen nur die wichtigsten Fragen beantworten können.“ Matteo öffnete die Tür. Schweigend gingen sie zum Fahrstuhl, der sie in das belebte Foyer zurückbrachte.

Rosies Gedanken überschlugen sich. Nach dem kurzen Einblick, den Matteo ihr in sein Leben gewährt hatte, wollte sie mehr über diesen faszinierenden Mann erfahren.

Sobald sie sich wieder in der Öffentlichkeit befanden, legte er seinen Arm über Rosies Schulter und ließ sie nur kurz los, um sich aus dem Hotel auszuchecken.

Im Hintergrund spielten Weihnachtslieder, deren Klang sie bis nach draußen auf den schneebedeckten Hang begleitete.

Der Anblick der dunklen im Schatten liegenden Bergkämme, die in starkem Kontrast zum rosafarbenen Abendhimmel standen, verzauberte Rosie jedes Mal aufs Neue. Sie blieb stehen und bewunderte die Aussicht.

„Du weißt nicht, was du verpasst.“ Spontan drehte sie sich zu Matteo um.

„Und was verpasse ich?“

„Skifahren. Du solltest es wirklich lernen. Ich könnte es dir beibringen.“ Sie lachte über Matteos schockierten Gesichtsausdruck, der langsam einem breiten Grinsen wich.

„Du gibst nicht auf, oder?“, murmelte er und ließ ebenfalls seinen Blick über das malerische Panorama schweifen. In der Abendstille boten die majestätischen Berge am Horizont ein imposantes Bild.

Matteo sah Rosie an. Sie hatte Grübchen, wenn sie lächelte. Unter ihrer Wollmütze schauten ein paar unbändige, hellblonde Locken hervor und eingepackt in unzählige Schichten von Winterkleidung wirkte ihr kurviger Körper auf ihn noch anziehender. Abrupt drehte Matteo sich um und deutete an, dass es Zeit war, sich auf den Weg zu machen.

„Was meinst du damit, ich gebe nicht auf?“ Rosie stolperte neben Matteo her, der auf den Parkplatz des Hotels zuging.

„Ich habe dir bereits gesagt, dass ich kein Ski fahre und dass dich mein Privatleben nichts angeht. Die meisten Leute akzeptieren es beim ersten Mal, wenn ich ihnen meine Grenzen aufzeige.“

„Das verstehst du ganz falsch.“ Rosie ging auf ihr Auto zu, einen Geländewagen, den ihre Familie benutzte, wenn sie hier in den Bergen war.

„Falsch?“

„Ich will ja gar nicht weiter in dein Privatleben eindringen“, log Rosie, die den Wagen öffnete und sich auf den Fahrersitz schwang. Sie wartete, bis Matteo auf dem Beifahrersitz saß, bevor sie sich ihm zuwandte. Im schwachen Abendlicht konnte sie nur seine markanten Umrisse erkennen, und bei seinem Anblick durchfuhr sie ein wohliger Schauer. „Ich dachte bloß, wenn wir schon die nächsten Tage miteinander verbringen müssen, könnte ein wenig Skifahren dabei helfen, uns die Zeit zu vertreiben. Und außerdem wäre es wirklich eine Schande, es nicht einmal zu versuchen, wo du schon hier bist.“

Sie startete das Auto und der Motor sprang ruckend an.

„Bisher hat sich noch niemand in meiner Gegenwart gelangweilt“, bemerkte Matteo amüsiert. „Bist du sicher, du kannst dieses Auto auf der verschneiten Strecke fahren?“

„Die Straße zum Chalet ist geräumt und gestreut, es besteht also kein Anlass zur Sorge. Und natürlich kann ich es fahren.“ Sie sah ihn flüchtig an. „Denkst du etwa, Frauen können nicht gut Auto fahren?“

„Können sie es denn?“

Rosie hörte die Ironie in seiner Stimme heraus und musste lachen.

Ihr Herz machte einen Sprung. Tief in sich spürte sie ein Gefühl, das sie nicht recht einordnen konnte und das über bloße Zuneigung hinausging.

„Wahrscheinlich fahren sie sogar besser als Männer.“ Rosie genoss es, sich so ungezwungen mit ihm zu unterhalten. „Hast du Angst, es zu versuchen? Skifahren, meine ich.“

„Schreckliche Angst“, sagte Matteo gespielt ängstlich.

„Ich passe schon auf, dass dir nichts passiert.“

„Tust du das? Dann kann ich dieses Angebot wohl nicht ablehnen.“

Als Rosie und Matteo am Chalet ankamen, erwartete Candice sie bereits.

Mit einer Entschlossenheit an, die sie noch nie zuvor verspürt hatte, sah Rosie ihre Schwester an.

Obwohl sie wusste, dass Matteo sich ihr von hinten genähert hatte, überraschte es sie, seinen Arm auf einmal an ihrer Taille zu spüren. Seine Hand befand sich unterhalb ihrer Brust. Zögernd legte auch Rosie ihren Arm um ihn, um das Bild des verliebten Paares perfekt zu machen. Der Druck seiner Hand an ihrer Seite und dieses verrückte Kribbeln in ihren Knospen, das die Berührung in ihr auslöste, verwirrten Rosie so sehr, dass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.

Als Matteo auch noch anfing, mit seinen Fingern langsam über ihren Wollpullover zu streichen, verlor sie fast die Sinne.

Dann zog er sie auf einmal zu sich heran und strich ihr ein paar blonde Locken aus dem Gesicht. Langsam näherte er sich ihrem Mund mit dem seinen und hauchte einen sanften Kuss auf ihre Lippen. Und plötzlich ergaben all die Dinge, über die Rosie bisher immer nur in Zeitschriften gelesen hatte, einen Sinn. Lust, Leidenschaft oder wie auch immer man es nennen wollte.

Sie hatte bisher nur eine ernsthafte Beziehung gehabt, und die hatte sie in keinster Weise auf die Gefühle vorbereitet, die sie nun ergriffen, als Matteo sie sanft küsste. Keine ihrer bisherigen Erfahrungen hatte sie auf so etwas vorbereitet. Diese Flut von Gefühlen war so überwältigend, dass Rosie erschauerte.

Ihre Stimme schien zu versagen, aber das machte keinen Unterschied, denn Candice lächelte zufrieden und Matteo war bereits dabei, seinen ganzen Charme auszuspielen. Er fand genau die richtigen Worte, stellte genau die richtigen Fragen und ließ ihrer sonst so kühl wirkenden Schwester gar keine Gelegenheit, selbst viele Gegenfragen zu stellen.

„Ich würde liebend gerne hören, wie ihr zwei euch kennengelernt habt.“ Candice schaute auf ihre Uhr, und Rosie atmete erleichtert auf. „Aber ich treffe heute Abend ein paar Freunde, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. Übrigens, der Rest der Familie kann es kaum erwarten, dich kennenzulernen, Matteo. Ich hoffe, es macht euch nichts aus, aber ich musste einfach allen die guten Neuigkeiten mitteilen – und sie davon abhalten, dich mit Bertie zu verkuppeln, Rosie.“

„Doch“, hörte Rosie sich sagen, „es macht mir etwas aus, Diss. Es war meine Angelegenheit, ihnen zu sagen, dass Matteo und ich … äh … zusammen sind.“

„Ja, ich nehme an, du hast recht, aber …“ Candice lief rot an. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte ihre jüngste Schwester sie aus der Fassung gebracht.

„Nun ist es zu spät“, sagte Rosie knapp. Matteos Hand, die sanft über ihren Nacken strich, verlieh ihr ein ungewohntes Selbstbewusstsein.

„Es tut mir wirklich leid, Rosie. Ich war einfach so aufgeregt, dass du tatsächlich jemanden gefunden hast, der …“

Candice rang nach Worten. Sie war es nicht gewohnt, dass Rosie sich ihr entgegensetzte.

„Jemanden, der gesellschaftlich akzeptabel ist?“, fragte Matteo kühl. Er verfestigte seinen Griff um Rosies Taille und zog sie näher an sich. Sie genoss es, wie er ihr Kraft zu verleihen schien. Er war wie ein Fels in der Brandung.

„Das wollte ich damit nicht sagen“, entschuldigte Candice sich verlegen.

„Meine bisherigen Bekanntschaften waren nicht sehr überzeugend“, kam Rosie ihrer Schwester zur Hilfe.

Candice lächelte sie erleichtert an und gab Rosie eine schnelle Umarmung. Dann trat sie einen Schritt zurück und musterte die beiden.

„Ihr gebt ein schönes Paar ab“, sagte sie. „Man sieht sofort, dass ihr wie füreinander geschaffen seid.“ Sie zwinkerte ihrer Schwester zu.

„Warte, Candice“, warf Rosie erschrocken ein. Es schien, als würde Matteo in rasendem Tempo vom Urlaubsflirt zum Heiratskandidaten heraufbeschworen. „Wir haben uns gerade erst getroffen und sind noch dabei, uns richtig kennenzulernen.“

Candice lachte auf ihrem Weg zur Tür. „So fängt jede Beziehung an, Rosie! Wie dem auch sei, wartet nicht auf mich. Falls ich zu müde bin, um heimzufahren, übernachte ich einfach bei Mick und Carol.“

Mit diesen Worten verließ Candice die Hütte und ließ Rosie mit Matteo allein zurück.

„Also …“ Matteo sah sich um. „Das ist ein nettes Plätzchen, Rosie.“ Die Hütte war geräumig, aber nicht zu groß, und überall lag etwas von der Familie herum. Zerlesene Bücher, Brettspiele, Kinderspielzeug und alle möglichen Dinge, die sich über die Jahre angesammelt hatten. Der Fußboden war aus solidem Holz und an den Wänden hingen Bilder, die Rosie und ihre Schwestern gemalt hatten. Auf den bequem aussehenden Sofas lagen bunten Decken, und in der Ecke lief leise der Fernseher. Candice hatte vergessen, ihn auszuschalten.

„Darf ich dich etwas fragen?“ Rosie wartete, bis Matteo sich ihr wieder zugewandt hatte.

„Nur zu.“

„Ich weiß, du hast gesagt, ich soll dich nicht nach deinem Privatleben fragen …“

Matteo war erstaunt darüber, dass ihn ihre Fragen viel weniger störten, als er gedacht hätte. Ob es daran lag, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben einer anderen Person geöffnet und von seiner Vergangenheit erzählt hatte? Dieser Umstand machte ihn leicht nervös, denn das war sonst nicht seine Art. Er bevorzugte es, sein Privatleben für sich zu behalten.

„Dann frag nicht“, warnte Matteo sie.

„Mich interessiert bloß, wie du es geschafft hast, so zu werden.“

„Wie? Reich und einflussreich?“ Er nahm auf einem der weichen Sofas Platz, das um einiges gemütlicher war als die Ledercouch in seiner Wohnung in London.

„Du bist ja schon wieder so bescheiden“, scherzte Rosie. Doch ihre Neugier ließ sie nicht los. In sicherem Abstand nahm sie neben ihm auf dem Sofa Platz.

„Als Waisenkind muss man sich anstrengen, wenn man nicht am unteren Ende der Gesellschaft landen will“, sagte Matteo beiläufig. „Ich hatte Glück. Ich war mathematisch begabt. Und ich habe erkannt, wie wichtig eine gute Bildung ist.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe studiert und mein Ziel nie aus den Augen verloren.“

„Und was war dein Ziel?“

„Frei und unabhängig zu sein. Und Geld ist das Einzige, was das ermöglicht. Mit achtzehn Jahren bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich einfach Geld verdienen musste, und zwar viel. Mit fünfundzwanzig hatte ich in einer Investmentbank meine erste Million verdient. Danach habe ich mich selbstständig gemacht und kleinere IT-Firmen aufgekauft. Das ist meine Geschichte. Kurz gesagt: vom Tellerwäscher zum Millionär.“

„Dann hast du bestimmt keine sehr hohe Meinung von mir.“ Rosie dachte an ihr eigenes verwöhntes Leben, den Treuhandfonds, von dem sie lebte, und ihre Universitätskarriere, die sie aus Langeweile abgebrochen hatte.

Matteo sah sie an. Ihr Gesicht sprach Bände. Ja, er hätte wirklich keine sehr hohe Meinung von ihr haben sollen, aber sie hatte etwas an sich, das ihn faszinierte.

„Du bist nicht der Typ Frau, zu dem ich mich normalerweise hingezogen fühle“, gestand er.

Sie hob den Kopf und sah ihn aus großen, blauen Augen an. Ihr Blick schnürte ihm die Kehle zu, denn sie war offensichtlich verletzt.

„Das sollte keine Beleidigung sein, Rosie“, sagte er sanft.

„Das weiß ich. Es ist einfach die Wahrheit. Welcher Typ Frau zieht dich denn an? Nur rein aus Interesse.“

„Frauen, die wie ich Karriere gemacht haben. Groß … schlank … und in der Regel brünett“, gab er zu.

„Natürlich.“

„Uns trennen Welten“, erinnerte er sie. „Ich bin sicher, du würdest dich unter normalen Umständen auch nicht mit jemandem wie mir einlassen.“

„Definitiv nicht.“ Rosie hob stolz das Kinn. Es war offensichtlich, dass er sich nie auf sie eingelassen hätte, wenn er nicht dazu gezwungen worden wäre. Ob er sie nun attraktiv fand oder nicht. „Ich bin nur überrascht, wie schnell sich Candice von unserem kleinen Schauspiel überzeugen ließ“, grübelte sie.

„Die Leute glauben, was sie glauben wollen“, sagte Matteo mit einem Schulterzucken. „Das liegt in der Natur des Menschen. Deine Familie wünscht sich nur das Beste für dich. Und jemand, der reich ist und einen Anzug trägt, passt gut in dieses Bild.“ Er sah sie an. „Außerdem ist gibt es noch einen Grund, warum niemand unsere Geschichte zu sehr hinterfragen wird.“

Matteo sah in ihr hübsches herzförmiges Gesicht. Doch dann wanderte sein Blick an ihrem Pullover hinab, der sich straff über ihre Brüste spannte, bis hin zu ihren runden Hüften.

Die Atmosphäre zwischen ihnen änderte sich schlagartig. Ein Knistern lag in der Luft. Matteo konnte es fühlen und war sicher, dass Rosie es auch spürte. Er beließ es bei einem Blick, weil er die Situation nicht komplizierter machen wollte, als sie ohnehin schon war.

„Und was für ein Grund wäre das?“, fragte Rosie mit angehaltenem Atem.

„Das ist doch offensichtlich. Gegensätze ziehen sich an.“

4. KAPITEL

Rosie musste gestehen, dass er wahrscheinlich recht hatte. Matteo sah sündhaft gut aus, aber er war nicht ihr Typ. Abgesehen von seinem guten Aussehen, dem dunklen Teint und dem perfekten, maskulinen Körper mit der sportlichen Figur war er einfach nur ein Geschäftsmann. Genau der Typ Mann, den ihre Familie sich für sie wünschte, um den Rosie aber normalerweise einen großen Bogen gemacht hätte. Eigentlich sollte sie sich überhaupt nicht zu ihm hingezogen fühlen. Warum tat sie es dann?

Weil er kein gewöhnlicher Geschäftsmann ist, dachte sie. Und seine Vergangenheit als Waisenkind hatte Rosie sehr gerührt.

„Candice klang so, als nähme sie unsere Beziehung wirklich ernst“, bemerkte Rosie besorgt. „Ich fürchte, die Situation gerät etwas außer Kontrolle.“

„Diese Gefahr besteht immer, wenn man lügt. Aber keine Angst, ich werde dir nicht länger im Weg stehen als unbedingt nötig.“

„Du hast sicher Pläne. Immerhin ist Weihnachten.“

„Ich feiere kein Weihnachten. Der einzige Grund, warum ich hier bin, ist das Geschäft, das ich abschließen will. Danach werde ich mich in meine Villa außerhalb von Venedig zurückziehen und diesem ganzen Trubel aus dem Weg gehen.“

„Aus dem Weg gehen?“ Rosie sah ihn verwirrt an.

„Schau nicht so schockiert.“ Matteo zog die Augenbrauen hoch. „Nicht jeder Mensch liebt Weihnachten.“

„Und du hast keine Familie, mit der du feiern könntest“, sagte sie langsam.

„Denk gar nicht erst daran, wieder in mein Privatleben einzudringen“, warnte er sie mit eisiger Stimme.

Rosie runzelte die Stirn. „Du musst dich sehr einsam fühlen zu dieser Jahreszeit“, sagte sie schlicht, woraufhin Matteo vom Sofa aufsprang und sich frustriert mit der Hand durch sein Haar fuhr.

„Was an dem Satz ‚Halte dich aus meinem Privatleben heraus‘ verstehst du nicht?“

Rosie entschuldigte sich nicht. Sie stellte sich vor, wie es Matteo als Waisenkind zu Weihnachten ergangen sein musste. Es war sicher schlimmer gewesen, als er zugab.

Tief in ihrem Herzen empfand sie großes Mitgefühl für ihn. Sie wusste, dass sie sich auf gefährliches Terrain begab, aber etwas in ihr konnte dieses Thema einfach nicht fallenlassen.

„Jeder braucht jemanden, mit dem er über die schlimmen Dinge in seinem Leben reden kann.“

„Habe ich mich immer noch nicht deutlich genug ausgedrückt?“

„Du willst nicht darüber reden.“ Rosie zuckte mit den Schultern, und als Matteo mit furchteinflößender Miene bedrohlich auf sie herabsah, hielt sie seinem Blick tapfer stand.

„Nein“, sagte er wütend. „Das will ich nicht.“

„Und das sagt einiges.“

Matteo beugte sich zu ihr herunter, seine Hände neben ihrem Kopf an der Sofalehne. Sein Gesicht war vor lauter Wut ganz dunkel geworden. Konnte diese Frau sich denn gar nicht zurückhalten? Musste sie immer alles aussprechen, was ihr gerade durch den Kopf ging? Er hatte sie ausdrücklich dazu aufgefordert, sich aus seinem Privatleben herauszuhalten. Ihre Grenzüberschreitungen machten ihn förmlich sprachlos.

„Lass mich nicht bereuen, dass ich dir von mir erzählt habe.“

„Warum solltest du es bereuen?“

„Hörst du mir überhaupt zu?“

Sie hielt seinem wütenden Blick stand. „Du bist es gewöhnt, dass man tut, was du sagst, richtig?“

Matteo richtete sich wieder auf, blieb aber vor ihr stehen.

„Ja, das bin ich.“

„Okay. Du hast gewonnen! Ich frage nicht weiter nach, und du musst mir nichts erzählen. Möchtest du etwas essen?“ Rosie schlängelte sich an Matteo, der immer noch vor ihr stand, vorbei und ging auf die Küche zu, um einen Blick in den Kühlschrank zu werfen.

Matteos Miene war immer noch finster, als Rosie amüsiert zu ihm hinübersah. „Also?“, rief sie aus der Küche. „Was möchtest du? Ich kann uns etwas kochen.“

Matteo vermied es möglichst, sich von Frauen bekochen zu lassen. Genauso, wie er sicherstellte, nicht die Nacht bei ihnen zu verbringen.

„Ich esse meistens nur Fertiggerichte oder Sachen aus der Dose“, erklärte Rosie. „Aber das ist sicher nichts für dich.“

„Nein“, antwortete er tonlos. „Du stellst eine Menge Fragen.“

„Du auch“, gab sie schlagfertig zurück.

„Zeig mir den Rest vom Haus.“

Rosie war kurz davor, doch noch einmal nachzufragen, hielt sich aber zurück. Er wollte offensichtlich nicht über sich reden.

Sie gab ihm eine kurze Führung durch das Chalet. Im Erdgeschoss befand sich ein großer offener Wohnbereich mit riesigem Kamin und genügend gemütlichen Sesseln, um es sich mit einem guten Buch in der Hand bequem zu machen. Dann gab es noch die Küche und ein kleines Büro, das ihr Vater hin und wieder als Arbeitszimmer benutzte, obwohl das jetzt, da er im Ruhestand war, nur noch selten vorkam.

Eine Holztreppe führte die beiden in das Obergeschoss. Hier befand sich eine große Galerie mit sechs Schlafzimmern auf der einen Seite und einem Innenbalkon auf der anderen, von dem aus man einen Blick zum unten gelegenen Wohnbereich hatte.

Matteos Schweigen war bedrückend, und Rosie fragte sich, was ihm wohl durch den Kopf ging.

Doch sie fand es schnell genug heraus.

„Und wo ist unser Zimmer?“

Rosie, die gerade wieder nach unten gehen wollte, drehte sich auf dem Absatz um und sah Matteo bestürzt an.

„Du kannst dir ein Zimmer aussuchen“, sagte sie höflich. „Mein Zimmer ist dort hinten.“ Sie nickte in Richtung der Tür am Ende der Galerie.

„Gut, dann werde ich dort mein Gepäck abstellen.“

Mit schnellen Schritten ging er auf ihr Zimmer zu und schwang die Tür auf. Rosie eilte ihm nach.

„Du wirst nicht in meinem Zimmer schlafen.“ Rosie verschränkte die Arme und presste die Lippen aufeinander, während Matteo sich interessiert im Raum umsah und sie geflissentlich ignorierte. Er hatte seine Tasche mit solcher Entschlossenheit auf dem Boden abgestellt, dass Rosie vor Nervosität erschauerte.

Matteo nahm den Raum vollkommen für sich ein. Er war so groß, so männlich …

„Oh doch.“ Matteo drehte sich um und sah sie direkt an. „Genau hier werde ich schlafen.“ Und um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen, griff er seine Designertasche und schwang sie auf das große Bett.

„Aber …“

„Kein aber. Du hast mich in diesen Schlamassel hineingezogen, jetzt musst du mit den Konsequenzen leben. Wir sollen ein Paar sein. Frisch verliebt. Deine Schwester wird misstrauisch sein, wenn wir nicht im selben Zimmer schlafen. Sie denkt wahrscheinlich, dass du während unserer kleinen Affäre bisher bei mir im Hotel geschlafen hast.“ Matteo hatte seinen Standpunkt mehr als deutlich gemacht, und Rosie kam sich auf einmal wie ein Gast in ihrem eigenen Zimmer vor.

„Ich könnte sagen, dass wir aus Respekt vor meinen Eltern in getrennten Zimmern schlafen.“

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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Caitlin Crews
Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
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