Julia Kiss Band 13

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VERFÜHRUNG NACH REZEPT von TANYA MICHAELS
Man nehme: 1 weiblichen Single - am besten Typ "graue Maus" - und 1 knackigen jungen Image-Berater. Nach und nach einen neuen Haarschnitt, schicke Kleidung und dezentes Make-up hinzufügen und voilá: der Vamp ist geboren. Doch Vorsicht: Die erotische Spannung kocht schneller über, als man denkt …

ZUM VERNASCHEN SÜSS von LORI COPELAND
Was soll sie nur tun? Vor Jennys Süßwarenladen liegt ein Baby. Zum Glück erweist sich ihr Nachbar als super Vaterersatz. Überhaupt scheint Dave ein echter Traumtyp zu sein. Dabei müsste Jenny ihn eigentlich vergraulen, weil sie dringend seine Geschäftsräume braucht …

SÜSS WIE SCHOKOLADE von DAWN ATKINS
Im Betrieb ihrer Eltern arbeiten? Bloß nicht! Und deshalb muss Mariah ihren Exfreund Nathan dringend überzeugen, auch weiterhin die Konfektfabrik zu leiten. Alle Mittel sind erlaubt - auch süße Verführung!


  • Erscheinungstag 29.11.2019
  • Bandnummer 13
  • ISBN / Artikelnummer 9783733713720
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tanya Micheals, Lori Copeland, Dawn Atkins

JULIA KISS BAND 13

1. KAPITEL

Lieb gewonnene Routinen zu durchbrechen ist eine echte Herausforderung – das gilt für die Küche, im Bett oder auch in anderen Bereichen des Lebens. Versuchen Sie es doch einfach mal mit ein bisschen mehr Würze.

Aus dem Vorwort des Buches Verführung in sechs Gängen von Miriam Scott, Köchin

Ich erinnere mich noch genau an jenen Moment in der Junior Highschool. Ich stand beim Hauswirtschaftskursus in der Schulküche, und plötzlich war mir klar: Hey, dafür hast du ein Händchen. Seit damals ist die Küche mein Zufluchtsort. Unzählige Familientreffen habe ich nur überstanden, weil ich in unserer Küche ungestört vor mich hin brutzeln konnte, während sich die lärmende Verwandtschaft in einem anderen Teil des Hauses gegenseitig in den Wahnsinn trieb. Später gab es Abende in der Restaurantküche, an denen ich am liebsten vom Kühlraum zum Gebäckregal getanzt wäre und dabei gerufen hätte: „Mein Heiligtum! Mein Heiligtum!“ Mit diesem Geständnis möchte ich natürlich keinem meiner Kollegen zu nahe treten.

An diesem Abend nutzte ich die Ruhe nach dem Gästeansturm für eine ganz persönliche Siegesfeier in unserer Hochglanzküche. Es war uns gelungen, einen als schwierig bekannten Restaurantkritiker aus Charleston von unseren Qualitäten zu überzeugen, und die gesamte Belegschaft war losgezogen, um dieses Ereignis gebührend mit Cocktails zu begießen. Ich hatte Arbeit vorgeschützt, ein neues Rezept, das ich unbedingt ausprobieren musste. Natürlich nahm mir das keiner ab. Ich wurde freundschaftlich geknufft und musste anzügliches Blinzeln über mich ergehen lassen. Offenbar waren alle davon überzeugt, dass dies nur eine Ausrede von mir war, damit ich mit Trevor allein feiern konnte. Da lagen sie jedoch falsch. Ich gehörte bestimmt nicht zu diesen Köchinnen, die sich für etwas ganz Besonderes hielten und ihren Kollegen mit ihrer Selbstbeweihräucherung ständig auf die Nerven gingen. Ich war durchaus in der Lage, diesen Erfolg auch allein für mich zu genießen.

Sehr lange hielt das Alleinsein jedoch nicht an. „Miriam?“

Überrascht sah ich auf. Ich hatte gerade ein Pfännchen mit Ingwer-Konsommee zusammengerührt und erhitzte es langsam auf dem Herd. Trevor Baines stand in der Tür. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass er noch gut eine Stunde mit der Abrechnung beschäftigt sein würde. Als er ins Licht der Küche trat, musste ich wieder einmal feststellen, wie makellos er aussah in dem dunklen Hemd und den schwarzen Flanellhosen. Der Eigentümer des „Spicy Seas“, Trevor, war eigentlich mein Chef, aber auch mein Lover. Sogar das Wort Verlobung hatte er schon ein- oder zweimal in den Mund genommen, aber wir waren zu sehr mit unseren Restaurantplänen beschäftigt, um uns Gedanken über eine Hochzeit machen zu können.

Ich war mir allerdings sicher, dass dies nicht der Grund für sein überraschendes Auftauchen war.

„Wir müssen reden“, erklärte er. Obwohl wir heute Abend einen grandiosen Erfolg verbucht hatten, ließ sein mitleidiger Gesichtsausdruck nichts Gutes erahnen.

Er hatte die bedauernswerte Miene eines Riesenbabys aufgesetzt, was mich insgeheim verlockte, sein Gesicht mal kurz mit einem Bratenwender zu bearbeiten. Um Missverständnissen vorzubeugen: Trevor war ein großartiger Typ, aber ab und zu wirkte er unfreiwillig herablassend, vor allem, wenn er schlechte Nachrichten zu verkünden hatte. Als ob er mich besonders feinfühlig behandeln müsste … Eigentlich sollte er am besten wissen, wie gelassen und zuverlässig ich bin.

Abgesehen natürlich von meiner Neigung zu ungewöhnlichen Kochkreationen und periodisch auftretenden Gewaltfantasien, in denen Bratenwender eine nicht unbedeutende Rolle spielten. Aber eigentlich war ich es, die sich ohne viel Aufhebens um die üblichen Konflikte hinter den Restaurantkulissen kümmerte. Trevor hatte mit einem Zuschuss seiner wohlhabenden Familie dafür gesorgt, dass wir das Restaurant kaufen konnten. Außerdem hatte er sich als unschlagbar darin erwiesen, Lieferanten, zukünftige Kunden und die Mitarbeiter von Gourmet-Zeitschriften um den Finger zu wickeln. Seine Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, und meine großartigen Rezepte hatten das „Spicy Seas“ zu einem von Charlestons beliebtesten neuen Restaurants gemacht. Ich bin emotional bestimmt nicht stabiler als die meisten – etwas neurotischen – achtundzwanzigjährigen Amerikanerinnen, aber an einer Sache gab es nichts herumzukritisieren: an meiner Kochkunst.

Ich drehte den Herd ab, weil Trevor offenbar meiner ungeteilten Aufmerksamkeit bedurfte. „Was gibt es?“

„Zunächst einmal möchte ich dir sagen, dass du dich heute Abend selbst übertroffen hast.“ Er fuhr sich mit einer Hand durch sein welliges schwarzes Haar. „Ich meine, du machst deine Sache immer großartig. Aber dieser Kritiker war schlicht begeistert von dem Wrackbarsch. Und dann diese scharf gewürzte Früchte-Salsa …“

Wrackbarsch ist seit Neuestem eine Delikatesse in South Carolina, und die Salsa aus den Früchten des Tropenbaumes ist meine Spezialität.

„Ich denke, sein Artikel wird uns wieder ein Stück weiter nach vorn bringen“, fuhr er fort. So weit hörte sich alles bestens an, wenn seine Stimme nicht diesen alarmierenden Unterton gehabt hätte. Es klang wie bei einem Arzt, der einem versicherte: „Es wird nicht wehtun“, bevor er einem die Injektionsnadel in die Haut rammte.

„Danke dir, Trevor. Das klingt doch großartig. Aber wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist, musst du mir nicht erst Honig ums Maul schmieren. Sag’s einfach.“

Er lachte nervös. „Du Pessimistin. Wie kommst du denn darauf, dass etwas nicht in Ordnung ist?“

Es gab gewisse Anzeichen, die schon immer als sichere Vorboten für drohendes Unheil gestanden hatten – ein Totenschädel mit gekreuzten Knochen beispielsweise ist so eins. Und die Worte wir müssen reden. Trevor war offenbar sehr nervös. Sonst wäre ihm so ein Anfängerfehler nicht unterlaufen.

Oh Gott. War das „Spicy Seas“ in Gefahr?

Die Umsätze waren vielversprechend, besonders für ein Restaurant, das noch kein Jahr alt war. Die hervorragende Qualität hatte sich schnell herumgesprochen, und die Kritiker hatten uns bisher freundlich behandelt. Der kürzliche Wechsel zu einem anderen Lieferanten für Meeresfrüchte brachte etwas höhere Ausgaben mit sich, aber die Tatsache, dass er es im Gegensatz zu seinem Vorgänger mit der Haltbarkeit sehr genau nahm, kam schließlich der gesamten Gastronomie an der Küste zugute.

Keine Panik. Was immer auch für Schwierigkeiten auftraten, wir würden schon damit fertig werden. Meine Freundin Amanda hatte ein paarmal gesagt, sie könnte nicht erkennen, dass irgendein Funke zwischen mir und Trevor übersprang. Wir hatten daraufhin beschlossen, unser Liebesleben nicht mehr voreinander auszubreiten. Aber ob Funken oder nicht, Trevor und ich waren ein gutes Team.

„Erzähl mir doch einfach, was los ist“, schlug ich vor.

„In Ordnung.“ Seine nussbraunen Augen blickten irgendwie ängstlich, und er sah zur Seite. „Um die Wahrheit zu sagen, ich denke nicht, dass es funktionieren wird.“

„Das Restaurant?“ Meine schlimmsten Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Ich war sicher, dass mein Gesicht genauso weiß wurde wie meine zerdrückte Kochmütze. Ich hatte sie abgenommen, nachdem das Restaurant geschlossen war.

„Nein, nicht das Restaurant, Miriam. Das läuft großartig. Ich meine uns.“

Das „Spicy Seas“ lief also großartig. Die Erleichterung wärmte mich innerlich wie eine Tasse heiße Milch mit Honig. Moment. „Uns? Du meinst dich und mich?“

Er nickte und sah plötzlich abgespannt aus. Das kam bei ihm selbst nach einer Doppelschicht selten vor. „Ich halte sehr viel von dir. Das weißt du.“

Nun, ich hatte das angenommen, nachdem wir ja auch schon über eine mögliche Heirat gesprochen hatten. Vielleicht war das ein wenig voreilig gewesen.

„Du bist außerdem eine sehr talentierte Köchin“, fuhr er fort und setzte dabei wieder seine traurige Riesenbaby-Miene auf. Keine Frage. Mit diesen Schmeicheleien versuchte er nur, mich zu besänftigen. „Und … äh … du bist eine bezaubernde Person. In den Monaten mit dir …“

„Komm zum Punkt, Trevor.“ Es sollte einer Frau eigentlich erlaubt sein, zickig und ungeduldig zu werden, wenn sie … abserviert wird? Für einen Moment überdeckte meine Verwirrung jedes andere Gefühl. Was ging hier vor, und warum hatte ich es nicht kommen sehen? „Gibt es eine andere?“

Ich hatte keine Ahnung, wann er Zeit dafür gefunden haben sollte, mich zu betrügen. Natürlich hatte ich mitbekommen, dass ihm Dutzende Frauen schöne Augen machten. Frauen, die im kleinen Schwarzen mit topmodischen Frisuren im Restaurant auftauchten. Die Kombination aus stundenlanger Arbeit in der heißen Küche und der wenig kleidsamen weißen Küchenmontur ließen mich dagegen natürlich nicht gerade als Anwärterin für einen Vogue-Titel erscheinen.

Trevor schüttelte den Kopf. „Es geht nicht um irgendjemand anders. Es geht um dich.“

„Mich?“ Ich blinzelte empört. Obwohl es sicherlich stimmte, dass er jeden Abend von attraktiveren Frauen als mir umgeben war, fand ich es trotzdem eine Frechheit von ihm zu behaupten, dass es an mir lag, wenn Probleme zwischen uns auftraten. Meine rechte Hand tastete unwillkürlich die Herdabdeckung entlang auf der Suche nach einem Bratenwender.

„Nicht, dass du etwas falsch gemacht hättest“, beeilte er sich zu versichern. „Es ist nur … ich hab in Interviews über uns geredet, und da sind mir ein paar Sachen klar geworden. Ich und du, wir passen einfach nicht zusammen. Es ist wie mit einem Stück Lamm … es harmoniert hervorragend mit einem Cabernet Sauvignon.“

Wäre ich nicht so überrascht gewesen, hätte ich ihn bestimmt darauf hingewiesen, dass das gesamte Konzept des „Spicy Seas“ auf fantasievolleren Kombinationen fußte als der von ihm genannten.

„Du würdest dazu doch nie ein billiges Bier trinken, nicht wahr?“

Ich fand meine Stimme wieder. Allerdings klang sie eine Spur heiserer und wütender als vorher. „Du vergleichst mich mit einem billigen Bier? Du trennst dich von mir und beleidigst mich? In meiner Küche?“

Ihn mit dem Bratenwender zu verdreschen war nicht genug. Er hatte eine Abreibung mit etwas Härterem verdient.

Unsere Küche“, korrigierte er mich mürrisch. Kein Kunde würde ihn je so erleben. „Mein Ruf hängt an diesem Restaurant. Ich hab mir einen Namen in der Gastroszene gemacht, ich gehöre zu den erfolgreichen Leuten in Charleston. Ich möchte natürlich, dass du bleibst – du bist schließlich ein Teil dessen, was das ›Spicy Seas‹ ausmacht. Aber leider bist du nun mal nicht die Frau, die die Leute an meiner Seite sehen wollen.“

„Trevor, ich …“, habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Dieser Mann, der mich leidenschaftlich umworben hatte, hielt mir nun vor, dass ich nicht mehr zu seinem Image passte. Er wollte mich loswerden wie ein Paar unansehnliche Manschettenknöpfe, die nicht zu seinem Jackett passten.

Er seufzte. „Ich weiß, ich sollte nicht so direkt sein, aber du verdienst, dass ich dir reinen Wein einschenke. In der Küche bist du eine Zauberin. Du kochst die schärfsten, ungewöhnlichsten Gerichte, die ich je gegessen habe. Aber in allen anderen Lebensbereichen, Miriam, bist du für meinen Geschmack ein bisschen zu fade.“

Meine Maisonette-Wohnung lag im Norden von Charleston, einer Gegend, die für mich erschwinglich war. Sie war mit allem nötigen Komfort ausgestattet. Nur in der Küche fehlte es für meinen Geschmack an Abstellflächen, und die Vorratskammer war zu klein. Als ich an diesem Abend nach Hause kam, war ich noch immer hin- und hergerissen zwischen Schock und Wut. Morgen wäre ich vielleicht in der Lage, einen Mord zu begehen. Vielleicht wäre ich zumindest aufgebracht genug, meine Bewerbungsunterlagen bei den schärfsten Konkurrenten des „Spicy Seas“ einzureichen. Doch heute Abend war ich einfach zu ausgelaugt, um mich noch aufregen zu können. Kein Wunder. Ich war Stunden auf den Beinen gewesen, um den richtigen zeitlichen Ablauf für das Servieren der Vorspeisen zu überwachen.

Ich warf meine Schlüssel auf das noch unfertige hölzerne Fernsehregal im Wohnzimmer und ließ mich auf das gestreifte Sofa fallen. Wie üblich versuchte ich, die Post durchzusehen, doch ich konnte mich auf keinen Umschlag konzentrieren. Das Beziehungsdrama, in dem ich ungewollt die Hauptrolle zugewiesen bekommen hatte, blockierte mich völlig. Den arroganten Trottel spielt heute Trevor Baines.

Ich sollte fade sein?

Bis heute Abend hatte er mich „systematisch“ genannt. Das kam meinen Kochkünsten zugute. Und Trevor hatte vorgegeben, das an mir zu mögen. Er war schon immer eher ein ambitionierter Träumer gewesen als ein Macher, obwohl er sich für unsere Beziehung sehr ins Zeug gelegt hatte. Von Anfang an hatte er mich umworben. Das alleine hätte mir wahrscheinlich schon zu denken geben sollen. Keiner aus der zugegebenermaßen überschaubaren Riege an Männern, die sich bisher für mich interessiert hatten, war so gut aussehend, vermögend und charmant gewesen wie Trevor.

Ich war kein Mauerblümchen oder so was. Bisher hatte ich mir nur einfach nicht besonders viel Mühe mit meiner Aufmachung gegeben. Schließlich verbrachte ich jeden Tag Stunden schwitzend in der Küche und ließ deshalb meistens das Make-up weg. Meine aschblonden Haare kämmte ich schlicht nach hinten zu einem Zopf zusammen. Bei meiner Kleidung war mir der bequeme Sitz wichtiger als schicke Schnitte. Und selbst wenn ich modisch interessiert gewesen wäre, verfügte ich nicht gerade über einen Körperbau, der darauf wartete, mit dem letzten Schrei der Mode ausstaffiert zu werden. Ich trieb regelmäßig Sport, damit sich meine Liebe zum guten Essen nicht auf meinen Hüften niederschlug. Also war ich bestimmt nicht dick, aber auch nicht gerade zerbrechlich wie eine Elfe. Und mit rasanten Kurven konnte ich leider auch nicht dienen. Ich denke, man bezeichnete meine Figur wohl gemeinhin als „sportlich“.

Als Trevor mich kennenlernte, hatte ihn mein nicht gerade umwerfendes Äußeres allerdings nicht davon abgehalten, mit mir auszugehen. Ich war damals in einem guten Restaurant als Köchin beschäftigt. Als der größenwahnsinnige Chefkoch eines Abends kündigte, wurde ich aus Verlegenheit schnell auf seinen Platz befördert. Trevor, der dort regelmäßig Gast war, hatte den Unterschied beim Essen bemerkt. Er bat darum, in die Küche gehen zu dürfen, um sein Lob persönlich zu überbringen. Dann hatte er nicht mehr lockergelassen.

Wenn ich es mir recht überlegte, war sein Interesse an mir von Anfang an mit der Überzeugung verbunden, ich müsse irgendwo als verantwortliche Köchin am Herd stehen und nicht nur als Gehilfin … und zufällig plante er gerade, selbst irgendwo ein Restaurant aufzumachen. Es gab Männer, die darauf aus waren, eine Frau ins Bett zu bekommen. Trevor hatte es wohl nur auf meine Rezeptsammlung abgesehen.

Bei dem Gedanken, als Frau nicht interessant genug zu sein, stiegen mir die Tränen in die Augen. Schnell versuchte ich, mich wieder auf die monatlichen Rechnungen zu konzentrieren. Der taubenblaue Umschlag in meiner Hand war aber offensichtlich keine. Der Absender lautete Hargrave Sachbücher. Meine Finger zitterten ein wenig. Obwohl es eigentlich Trevors Idee gewesen war, dass ich ein Kochbuch herausbringen sollte, um das Restaurant noch besser zu vermarkten, war ich begeistert gewesen. Nachdem ich das Manuskript abgeschickt hatte, war jedoch schon so viel Zeit vergangen, dass ich kaum noch mit einer Antwort rechnete.

Der Brief in meiner Hand war dünn, und ich hatte Angst, ihn zu öffnen. Wenn sie mein Manuskript haben wollten, hätten sie sicherlich angerufen, um gleich Details mit mir zu besprechen. Doch schließlich gab es wohl kaum einen passenderen Zeitpunkt für schlechte Nachrichten als heute Abend. Das Einzige, was noch zu einer richtigen Trauerfeier fehlte, waren ein paar schwarze Luftballons und ein zweitklassiger Rotwein.

Ich überflog den Briefkopf und das übliche „Danke, dass Sie an uns gedacht haben“-Blabla. Sie wollten es nicht haben. Ich las den Brief zum zweiten Mal und wünschte mir, es gelassen zu haben. Sie fanden meine Rezepte großartig. Schade nur, dass sie nie jemand zu Gesicht bekommen würde, weil es meinem Namen leider an Bekanntheit fehlte. Mein Buch habe keine Chance gegen die übermächtige Konkurrenz bekannterer Küchenchefs. Die Herausgeber ermunterten mich jedoch, es jederzeit erneut zu versuchen, wenn ich bessere Verkaufsargumente vorlegen könne, was so viel heißen sollte wie: „Bitte reichen Sie es erneut ein, wenn Sie berühmt sind“.

Das meinen die nicht persönlich, versicherte ich mir. Nur leider fühlte es sich genau so an. Vor allem heute Abend. Mein Liebster meinte, dass ich nicht Frau genug für ihn war, und nun befanden ein paar Herausgeber in New York, dass ich auch als Köchin zu wenig hermachte. Mein Ego fiel in sich zusammen wie ein geplatztes Soufflé.

Ich zerknüllte ein Sofakissen. Normalerweise verarbeitete ich Schicksalsschläge am liebsten mit einem therapeutischen Kochgelage. Aber um mich heute aus dem Schlamassel zu ziehen, hätte ich mehr Platz dafür gebraucht, als meine Küche hergab. Meine Familie hatte für solche Krisensituationen ein erprobtes Prozedere entwickelt – man redete darüber. Die Angelegenheit wurde bis zum Ende ausdiskutiert, um dann noch einmal von vorne anzufangen und sich dabei darüber auszulassen, wie gut es tat, dass diese ausführliche Diskussion stattfand.

Im Ausdiskutieren war meine Familie nicht zu schlagen.

Mom, Dad und mein älterer Bruder Eric haben die Methode perfektioniert, ihre Gemütslage so schnell und so häufig auszubreiten wie möglich. Könnten sie das als Wettbewerb bei den Olympischen Spielen anmelden, würden die Scotts alle vier Jahre mit einer Goldmedaille heimfahren. Ich stelle mir die Austragung in etwa so vor wie beim Rodeln. In den drei Minuten, die das Team braucht, um ins Ziel zu gelangen, müsste jedes noch so kleine Detail über jede Verabredung, jede Trennung und jede gesundheitliche Krise ausgetauscht werden, die die Mitfahrer je erlebt hatten. Kampfrichter würden Punkte für die saubere Kurvendurchfahrt vergeben und für die genaueste Erinnerung an persönliche Erlebnisse.

Im Gegensatz zu dem ungehemmten Mitteilungsdrang meiner Familie – oder vielleicht gerade deshalb – war ich immer ein bisschen zurückhaltend gewesen. Sie hatten lange enormen Druck auf mich ausgeübt, „mich zu öffnen“. Dann hatte mein Bruder eine Frau geheiratet, die die klaffende Lücke im Leben meiner Eltern ausfüllte und ihnen die Tochter bescherte, die ich hätte sein sollen. Ich kann nicht genau sagen, ob die oft unpassenden Bemerkungen meiner Zwillingsnichten darauf schließen ließen, dass sie den Hang zum Seelenstriptease geerbt hatten. Vielleicht handelte es sich dabei aber auch einfach nur um das typische Verhalten dreijähriger Mädchen.

Ehrlich gesagt denke ich aber, dass sie das „Öffne-dich-Gen“ in sich tragen. Meiner Schwägerin kann man in der Öffentlichkeit keine Minute über den Weg trauen. Vor ein paar Monaten war ich mit ihr in einem Supermarkt und hatte mich nur kurz hinuntergebeugt, um ein Päckchen Kaugummi aus dem Regal zu nehmen. Als ich wieder hochkam, hatte Carrie gerade angefangen, mit der Kassiererin die Vorteile des Stillens zu diskutieren – sehr zum Leidwesen des älteren Herrn, der vor uns in der Schlange stand. Ich war minutenlang steif vor Entsetzen, als sich das Gespräch rissigen Brustwarzen zuwandte.

Trotz meiner Vorbehalte gegen die mitteilsamen Scotts musste ich zugeben, dass ich mir gerade jetzt gerne ein wenig Trost bei ihnen geholt hätte. Was ich wirklich brauchte, war eine verständnisvolle Seele mit Verbindungen zu einschlägigen Kreisen, die einen für mich bezahlbaren Wir-prügeln-deinen-Ex-windelweich-Plan durchziehen konnten. Aber halt! Ich mache natürlich nur Spaß. Bevor ich das Geld für Trevor verschwende, lege ich mir lieber ein neues Calphalon-Topfset zu.

Nur dieses eine Mal gab ich meiner erblich bedingten Mitteilungssucht nach und griff nach dem schnurlosen Telefon. Gott weiß, wie begeistert Carrie sein würde, wenn ich sie anrief. Während es noch klingelte, überlegte ich es mir allerdings anders. Carrie würde jedem, dem ich jemals begegnet war, bis spätestens morgen Abend von meiner Demütigung berichtet haben. Außerdem gehörte meine Schwägerin nicht zum Club der Vampire – was bedeutete, dass sie, wie die meisten normalen Menschen, um diese Uhrzeit schlief.

Alle, die in der Gastronomie und in der Club- oder Barszene arbeiteten, kennen sich und pflegen diese Kontakte. Die nächtlichen Arbeitszeiten führen andernfalls unweigerlich zu einem sehr einsamen Privatleben. Meine Nachbarin Amanda White zum Beispiel war Barkeeperin und wohnte nur ein paar Türen entfernt. Sie war das genaue Gegenteil von mir. Sie trug das Herz auf der Zunge und liebte spontane Verabredungen. Aber genau wie ich kam sie üblicherweise erst um drei Uhr morgens nach Hause. Während der vergangenen vier Monate waren wir ziemlich gute Freundinnen geworden. Wir trafen uns häufig zum Frühstück, gingen dann aber noch vor Sonnenaufgang wieder getrennter Wege. Daher der Bezug zu den Vampiren, obwohl der Vergleich bei mir hinkte. Ohne Knoblauch könnte ich es nämlich nicht aushalten.

Ich wusste, dass Amanda heute Nacht nicht arbeiten musste. Würde sie trotzdem noch wach sein? Im nächsten Moment stand ich schon an meiner Wohnungstür, das Ablehnungsschreiben fest in der Hand. Draußen erwartete mich eine schwüle Sommernacht. Als ich Amandas Veranda erreichte, hatte ich den Brief auf die Größe einer Walnuss zusammengeknüllt.

Hinter ihren Gardinen sah ich Licht. Ich klopfte vorsichtig mit den Fingerknöcheln an die Tür. Sie sollte es hören, wenn sie ein Buch las oder sich eine DVD ansah. Falls sie schon schlief oder … anderweitig beschäftigt war, wollte ich sie nicht aufschrecken. Sie bekam beinahe täglich eindeutige Angebote, was bei ihrem Aussehen keine Überraschung war.

Ich hörte Schritte auf der anderen Seite der Tür, dann war es still. Mir war klar, dass sie mich jetzt durch den Spion beäugte. Ich fühlte mich dabei immer ein bisschen wie eine Verdächtige bei einer polizeilichen Gegenüberstellung.

Die Sicherheitskette klickte. Amanda öffnete die Tür. Ihr lockiges, kinnlanges Haar war aufgestrubbelt und platinblond gefärbt, wie es gerade der letzte Schrei war. Sie trug ein pink-farbenes Nachthemd, das ihr knapp über die Oberschenkel reichte. Groß und kurvenreich, wie sie war, sah sie umwerfend aus – wie ein Wäschemodel. „Hey, Miriam.“

„Hab ich dich geweckt?“

„Natürlich nicht. Ich kann mich nicht mal daran erinnern, wann ich das letzte Mal so früh im Bett war“, gab sie putzmunter zurück. Sie ließ mich eintreten und betrachtete mich neugierig. „Ist alles in Ordnung?“

„Ich … nun … eigentlich nicht.“

Sie führte mich in den lang gestreckten Raum, der ihr als Küche und Esszimmer diente. Unsere Grundrisse waren fast identisch, aber ihre Wohnung war modern und modisch eingerichtet, so wie sie es gerne hatte. Sie setzte sich an den schwarz lackierten Tisch. Trotz meiner Erschöpfung hielt mich meine innere Unruhe auf den Beinen.

„Willst du darüber reden?“, bot sie an.

Irgendwie wollte ich das schon. Deshalb war ich schließlich auch hier, aber die Worte wollten einfach nicht aus mir heraus.

Wie machte meine Familie das bloß? Wenn ich Amanda jetzt erzählte, wie verheißungsvoll der Abend angefangen hatte und wie ich dann verlassen und abgelehnt worden war … Würde das nicht dazu führen, dass ich den ganzen Schmerz noch einmal durchleben musste? Würde ich mich nicht wie eine jämmerliche Verliererin anhören? Eines stand fest: Wenn Seelenstriptease ein olympischer Wettbewerb wäre, würde ich kaum die Qualifikationsrunde überstehen.

Außerdem gab es zwischen Amanda und mir so etwas wie eine unausgesprochene Vereinbarung, Trevor möglichst nicht zu erwähnen. Sie war nie wirklich warm mit ihm geworden, was ich angesichts ihres Männerkonsums lustig fand. Jetzt war es mir peinlich, dass sie ihn offensichtlich richtig eingeschätzt hatte.

Ich starrte sie mit ausdruckslosem Gesicht an.

„Im Kühlschrank ist noch eine Flasche Wein“, bot sie an. „Soll ich ihn aufmachen?“

Solange es nicht der Cabernet Sauvignon war, den man zum Lammgericht servierte, schoss es mir durch den Kopf. „Trevor und ich haben uns getrennt.“ Dieses Geständnis brachte mich auf Touren – der Knoten platzte, und ich war nicht mehr zu bremsen.

Amandas denkwürdig violettfarbene Augen weiteten sich schockiert, während ich um den Tisch herummarschierte und wie ein Schnellfeuergewehr herunterratterte, dass ich irgendwie auf einmal „zu fade“ war für den Mann, der mir noch vor Kurzem seine Liebe erklärt hatte … nun ja, ich konnte nicht ganz genau sagen, wann er dies zum letzten Mal getan hatte, aber trotzdem! Dann erzählte ich ihr, dass Hargrave Sachbücher, ein Verlag, der eine sechsstellige Summe für die Biografie des Chihuahuas eines Supermodels auf den Tisch gelegt hatte, mich ebenfalls nicht haben wollte.

Irgendwann hatte Amanda uns Weißwein in zwei Gläser geschenkt. Als Barkeeperin war sie es gewöhnt, den Leidensgeschichten anderer Leute zuzuhören, während sie Cocktails mixte. Im Zuhören war sie ein Ass. Manchmal gab sie anteilnehmende Laute von sich, und wenn es angebracht war, ein kurz eingestreutes „der aufgeblasene Mistkerl“. Das half enorm. Als ich schließlich alles herausgesprudelt hatte, plumpste ich auf einen Stuhl und stellte fest, dass ich mich irgendwie erleichtert fühlte. Vielleicht war doch etwas dran an der Geschichte, dass man sich Dinge von der Seele reden konnte.

Aber ganz langsam. Bevor ich rissige Brustwarzen in eine Unterhaltung einfließen lassen würde, gingen im Himmel die Lichter aus.

„Mann!“ Amanda seufzte tief. „Ich habe dich noch nie so viel reden hören. Das machst du großartig. Und es ist nicht zu übersehen, dass du ziemlich wütend bist.“

„Denkst du, ich habe keinen Grund dazu?“

„Bist du wahnsinnig? Ich bin hingerissen. Nicht wegen dem Mist heute Nacht, aber das wird sich schon wieder finden. Jetzt hast du die Chance, einen echten Kochbuch-Knüller zu schreiben. Ich war nie davon überzeugt, dass Trevor der Richtige für dich ist.“

Nach dem, was heute Abend passiert war, musste ich ihr recht geben. Was verdammt noch mal bildete sich Trevor eigentlich ein? Nach seiner unerwarteten Attacke im Restaurant hatte ich mich tatsächlich für einen Moment unzulänglich gefühlt, farblos und unwichtig. Aber das Einzige, was ich mir vorzuwerfen hatte, war, Zeit mit diesem selbstsüchtigen und undankbaren Kerl verschwendet zu haben.

Ich werde ihm schon zeigen, wie farblos ich bin.

Ich schlug mit den Handflächen auf den Tisch und lehnte mich nach vorn. „Weißt du was? Ich will …“

„… noch einen Schluck?“ Sie stand auf, um uns nachzuschenken. Meine Freundin, die hilfreiche Barfrau. Wenn das Leben dir Saures gibt, gieß Tequila obendrauf.

„Nein. Nun … vielleicht doch.“ Ich entspannte mich langsam, obwohl ich schon vor dem ersten Glas ziemlich müde gewesen war. „Aber … was ich eigentlich sagen wollte, war: Gerechtigkeit. “

„Willst du dich rächen?“, erkundigte sie sich, während sie um den Tresen herumging, der die Küche vom Esszimmer trennte.

„Keine Rache.“ Wenn ich richtig aufgebracht war und mich dann an den Herd stellte, waren mir bisher die besten Gerichte gelungen. Auch jetzt kanalisierte sich meine Wut unbewusst in kreative Bahnen. „Sondern Verteidigung.“

Fade, nicht wahr, Trevor? Nicht vorzeigbar genug für die wichtigen Leute der Stadt? Vielleicht würde ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. „Ich habe eine Idee“, erklärte ich.

Amanda schüttelte den Kopf. „Darf ich bitte wie du sein, wenn ich mal erwachsen werde? An deiner Stelle würde ich den Kerl verfluchen und seine Fotos zerschneiden. Und du? Analysierst systematisch die Lage und hast eine Idee.“

Das Wort systematisch ließ mich zusammenzucken, und ich fragte mich, ob es vielleicht gleichbedeutend mit langweilig war. „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob systematisch das richtige Wort ist für das, was mir vorschwebt.“

„Oh … das klingt großartig. Kann ich irgendwie behilflich sein?“

„Vielleicht.“ Obwohl ich meine Angelegenheiten normalerweise lieber alleine regelte, konnte ich mir für diesen Fall niemand Geeigneteren vorstellen. Amanda war perfekt, um mir bei der Entwicklung meines schon sehr ungewöhnlichen Einfalls unter die Arme zu greifen. Ich hatte eine dieser Eingebungen, die morgens um drei mit einem gewissen Alkoholpegel im Blut die besten Aussichten auf Erfolg hatten.

„Also, was ist dein Plan?“, wollte sie wissen.

Ich lachte unbekümmert. „Sex sells, oder nicht?“

2. KAPITEL

Gibt es etwas Prickelnderes als diesen magischen Moment, wenn sich die Blicke zweier Menschen zum ersten Mal über den Tisch hinweg begegnen? Wie wäre es, wenn Sie es mal mit einer pikanten Vorspeise versuchten …?

Sechs Monate später

Was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Auf was hatte ich mich da eingelassen? Auch an diesem schönen Nachmittag Mitte Januar konnte ich über nichts anderes nachdenken.

Das „Spicy Seas“ hatte am Dienstag geschlossen. Ich saß deshalb bei Amanda in der noch leeren Bar. Sie trug die Haare seit Weihnachten kürzer. Der Farbton entsprach dem neuesten Modetrend – erdbeerblond. Ich sah an ihr vorbei und musterte mich in der verspiegelten Wandvertäfelung der Bar. Es fiel mir einigermaßen schwer, mich mit der Autorin dieses aufreizenden Kochbuchs in Verbindung zu bringen. Bald würde es in den Buchläden stehen, schon Anfang Februar.

Ich sah eine Frau mit schulterlangen Haaren, die glatt wie Spaghetti herunterhingen. Sie starrte mich in ihrem unförmigen blauen Strickpullover ungläubig und hilflos an.

Eigentlich hätte ich mich doch inzwischen daran gewöhnen müssen, dass sich die Herausgeber von Hargrave Sachbüchern ganz plötzlich doch dazu entschlossen hatten, meine Verführung in sechs Gängen auf den Markt zu bringen. Nachdem ich ihnen den so verführerischen Aufhänger geliefert hatte, waren sie begeistert gewesen und hatten alles getan, um das Buch noch zum Valentinstag in den Läden zu haben. Zunächst hatte ich es nicht glauben wollen, als mich meine Lektorin anrief und mir mitteilte, dass Hargrave nicht nur dieses Kochbuch von mir kaufen wolle, sondern auch noch die Rechte an einer Fortsetzung. Erst als ich im Herbst im Flugzeug nach New York saß, um die Einzelheiten der Veröffentlichung und die Daten der Werbekampagne zu besprechen, dämmerte es mir langsam. Da das Buch so bald in den Verkauf gehen sollte, hatte ich einigen Änderungswünschen des Verlags zugestimmt und auch den schlüpfrigen Untertitel abgesegnet: Verführung in sechs Gängen – von der Vorspeise bis zum Orgasmus. Doch was ich heute Morgen in meinem Briefkasten gefunden hatte, stellte alles andere in den Schatten. Die Aufmachung der Buchhülle war schockierend. Das Titelbild hatte sich mir förmlich ins Gedächtnis gebrannt.

„Du übertreibst es mit deinem Entsetzen“, schimpfte Amanda. „Aber irgendwie macht dich das liebenswert.“

Dein Name wird auch nicht da draufstehen.“ Ich drückte den Umschlag fest an mich, als ob irgendjemand hineinsehen könnte.

Ich hatte natürlich gewusst, dass sich der Verleger ein provozierendes Titelbild einfallen lassen würde. Provokation war schließlich das Hauptargument für den Verkauf. Gerade die kleinen, anzüglichen Kommentare, die ich in meine zweite Buchfassung eingestreut hatte, waren so gut bei den Herausgebern angekommen.

Auf rotem Hintergrund war die Zeichnung einer nackten, kurvenreichen Frau vom Hals bis zu den Knien zu sehen. Anstelle der schwarzen Balken, die im Fernsehen gewisse Körperteile verdeckten, waren hier ein paar Nahrungsmittel strategisch geschickt verteilt worden. Zum Glück war man dabei nicht ganz so platt und klischeebeladen vorgegangen wie bei den Spindbildern der Fernfahrer, auf denen vorzugsweise Bikinis aus Schlagsahne gezeigt wurden. Die hier gewählten Nahrungsmittel hatten durchaus etwas mit meinen scharfen Rezepten zu tun. Die digital vergrößerte Habanero zum Beispiel diente als Feigenblatt. Wenn sie nur einen Millimeter weiter nach links oder rechts eingesetzt worden wäre, würde mein Buch als nicht jugendfrei eingestuft.

Ich seufzte. „Guckst du dir das nicht an und denkst, ist das ein gepfefferter Porno?“

Amanda lachte auf. „Das ist nicht pornografisch“, versuchte sie, mich zu beruhigen. „Ich finde dieses Bild eher künstlerisch, du weißt schon, minimalistisch. Ich kenne Leute, die eine Menge Geld dafür zahlen, um so etwas in ihrer Wohnung an der Wand zu sehen.“

„Klar, aber es gibt auch Leute, die Kartoffelbrei aus der Tüte mögen.“ Sprich, keinen Geschmack haben.

Seitdem ich wusste, dass meine Rezepte gedruckt, ja sogar richtig vermarktet werden würden und das auch noch mit Auftritten von mir vor der Presse und vor Publikum, war ich zwischen Stolz und Angst hin- und hergerissen. Würde mich nach der Veröffentlichung noch irgendjemand in der Gastroszene ernst nehmen? Das könnte zum echten Problem werden, wenn die zunehmenden Spannungen im „Spicy Seas“ dazu führten, dass mir gekündigt wurde. Trevor und ich hatten den Übergang vom Liebespaar zum platonischen Arbeitsverhältnis nicht gut gemeistert.

Vielleicht sollte ich kündigen, aber gute Jobs für Köchinnen waren spärlich gesät. Und warum, verdammt, sollte ich gehen? Schließlich hatte ich ebenso viel in dieses Restaurant investiert wie Trevor. Ich meine das natürlich nicht im finanziellen Sinne, sondern eher auf der persönlichen Ebene. Auf seine subtilen Versuche, mich zu demütigen, war ich nur einfach nicht gefasst gewesen.

Nachdem Trevor nun keinen Einfluss mehr auf mein Kochbuch nehmen konnte, distanzierte er sich deutlich davon. Seine Reaktion war an Herablassung kaum zu überbieten. Nachdem er gerüchteweise von dem anzüglichen Konzept des Buches erfahren hatte, versicherte er mir, dass meine Kochkünste durchaus genügen würden, um mich zu rehabilitieren. Vor meinen Kollegen in der Küche behandelte er mich mit übertriebener Höflichkeit und vermittelte so den Eindruck, ich wäre noch immer zerknirscht über seine Zurückweisung und müsste mit Samthandschuhen angefasst werden. Auf diese Weise untergrub er meine Autorität. Und er ging mit einer jungen, blonden Köchin aus, die in einem Gasthaus in Charleston gearbeitet hatte, bevor es aufgrund schlechten Managements vorübergehend bis zum Frühling schließen musste. Sicherlich hatte Blondie die Qualitäten, die Trevor in seinem Privatleben bevorzugte … und vielleicht auch in seinem Restaurant?

„Miriam? Merkst du eigentlich, dass du mit den Zähnen knirschst? Was ist los mit dir?“, wollte Amanda wissen.

Ich hörte abrupt auf damit. „Tut mir leid. Wenn ich an Trevor denke, kann ich einfach nicht anders.“

Amanda sah mich mit einem stechenden Blick an. „Warum verschwendest du noch einen Gedanken an diesen Schurken? Ich weiß, dass ich nicht gerade ein Profi in Langzeitbeziehungen bin, aber erzähl mir nicht, du vermisst ihn.“

„Nein, natürlich nicht.“ Ihn vermissen? Ha! Je länger ich ihn so wie jetzt erlebte, desto mehr fragte ich mich, wieso ich überhaupt etwas mit ihm angefangen hatte. Es war so ähnlich wie mit einem dieser geschmacklosen, aufgewärmten und fetttriefenden Fastfood-Burger, die man als Kind mit Begeisterung in sich hineingestopft hat. Jetzt wurde mir schon bei ihrem bloßen Anblick übel.

„Worum geht es dann?“, hakte Amanda nach. „Rede endlich mit mir. Dafür gehen Menschen schließlich in Bars.“

Ich hatte eigentlich immer angenommen, dass Menschen der Drinks wegen in Bars gingen, aber in den vergangenen Monaten hatte ich einiges dazugelernt. Immer wieder war ich mit einem Kater und neuen Einfällen für ein Buch aufgewacht, worüber ich mir jetzt im Nachhinein so meine Gedanken machte. War das wirklich ich gewesen, die dieses Werk, halb Sex-Berater und halb Kochanleitung, kreiert hatte? „Ich bin mir nicht sicher, ob ich Trevor nicht den perfekten Vorwand geliefert habe, mich abzuservieren. Ich meine, weil ich mir die kommenden Wochen freigenommen habe.“

Mein Verleger hatte vorgeschlagen, dass ich den Verkauf des Buches mit einigen Signierstunden im Südosten der Vereinigten Staaten und ein paar Kochaktionen in regional ausgestrahlten Talkshows ankurbele. Es war vielleicht nicht die ganz große Promotion-Tour. Aber die Vorstellung, in Regionalsendungen im Fernsehen aufzutreten, war beängstigend genug für jemanden, der noch nie vor einer Kamera gestanden hatte. Joan hatte mir versprochen, mir als Unterstützung einen von ihr sehr geschätzten Imageberater aus Atlanta zu schicken. Er sollte mich auf den Umgang mit den Medien vorbereiten. Der Verlag hoffte natürlich, dass er seine Arbeit so gut machte, dass ich durch meine öffentlichen Auftritte die verkaufte Auflage erhöhen würde. Außerdem wurde natürlich erwartet, dass ich die Kosten für den Berater wieder einfahren und dann auch noch den Weg bereiten würde für die bisher noch ungeschriebene Fortsetzung des Buches.

„Wie bitte? Dir steht Urlaub zu! Du hast die ganze Ferienzeit durchgeschuftet.“ Amanda stemmte wütend die Fäuste in ihre wohlgeformten Hüften. „Ganz zu schweigen von den Achtzig-Stunden-Wochen, die du abgerissen hast, um sein Restaurant in Gang zu bringen. Er kann dich nicht feuern, wenn er den Urlaub genehmigt hat. Gab es Ärger?“

„Oh nein, er war sehr schnell bereit, mir den Urlaub zu genehmigen.“ Genau das machte mir Sorgen. „Blondie wird sicher für mich einspringen. Denkst du, sie werden mich rausdrängen?“

„Ohne dich wird das Restaurant keine Woche überleben.“

„Ich befürchte, Trevor möchte das Gegenteil beweisen.“ Nachdem Amanda einen Moment darüber nachgedacht hatte, zuckte sie die Schultern. „Du solltest dich ohnehin nach einem neuen Job umsehen. Brich alle Verbindungen zu Trevor ab und geh mit anderen Männern aus.“

„Ich bin doch schon mit anderen ausgegangen.“ In den vergangenen Monaten hatte es sogar einige Abschiedsküsse gegeben, aber diese magere Statistik konnte Amanda nicht überzeugen.

„Lächerlich! Ich kann deine Verabredungen locker an einer Hand abzählen, und eine davon war lediglich ein Treffen auf einen Kaffee. Ich denke, dass die Arbeit für deinen Ex dich von anderen Männern fernhält.“

Merkwürdig. Ich dachte, dass ich durch meine Art selbst dafür verantwortlich wäre. Irgendwie hatte ich seit der Trennung von Trevor neben mir gestanden. Ich war sehr beschäftigt mit dem neuen Buch oder hatte zumindest versucht, mir das einzureden. Die meisten Frauen und Männer kannte ich eigentlich nur pärchenweise, weil ich gemeinsam mit Trevor mit ihnen ausgegangen war. Ich hatte nie zu den Frauen gehört, auf die die Männer flogen. Sie behaupteten zwar immer, dass sie es großartig fänden, wenn eine Frau nicht ununterbrochen redete und ihre Gefühle ausbreitete. Wenn sie dann aber tatsächlich mal auf eine trafen, die etwas zurückhaltender war, dann war es auch nicht das Richtige.

„Nun, nicht alle können so wie du für die Liebe geschaffen sein“, antwortete ich lächelnd.

„Das lässt du deine Leser aber besser nicht wissen.“

Da hatte sie recht. Von mir wurde ein Auftreten erwartet, das sich mit dem erotischen Tenor meines Kochbuchs deckte. Es war bereits ein Drama gewesen, ein Foto von mir für die Buchhülle zu schießen. Der Verlag wollte natürlich kein Portrait mit einer weißen Küchenmütze auf dem Kopf. Oh nein, sie kleisterten mein Gesicht so mit Make-up zu, dass ich kaum noch die Mundwinkel heben konnte. Und meine Haare … Sie wurden zu voluminösen Wellenbergen aufgetürmt, die ich persönlich noch weniger vorteilhaft für mich fand als meine übliche Frisur. Zumindest war es mir aber gelungen, mich gegen die Idee des Fotografen zur Wehr zu setzen, ich solle andeutungsweise an einem in Schokolade getauchten Stück Obst herumknabbern.

„Vielleicht bin ich einfach nicht die Richtige hierfür“, überlegte ich laut.

„Wofür?“, fragte Amanda. Mit ihrem roten, tief ausgeschnittenen und lässig in die Jeans geschobenen, langärmeligen Shirt würde sie heute Nacht sicher einen Haufen Trinkgelder kassieren. Ich hätte sie für mich nach New York schicken sollen. Und auf die Promotion-Tour für das Buch.

„Für das Buch.“

„Für diese Erkenntnis ist es jetzt wohl ein bisschen zu spät“, gab Amanda ungerührt zurück. „Ich glaube übrigens, dass dies genau dein Ding ist. Du weißt es nur noch nicht.“

Da war ich mir nicht so sicher. Natürlich konnte ich Leuten zeigen, was ich in der Küche zuwege brachte. Gar kein Problem. Da war ich sofort dabei. Aber wenn es um die scharfen Bettszenen ging, die den Verleger natürlich in erster Linie dazu bewogen hatten, die ganze Geschichte herauszubringen … da hatte ich hemmungslos aufgeschnitten.

Nachdem ich Amanda kennengelernt hatte, vergingen mehr als vier Wochen, bis sie meine unausgesprochene Bitte verstanden hatte, mich mit Details aus ihrem Liebesleben zu verschonen. Ich war wirklich nicht gerade eine Plaudertasche, wenn es um pikante Erzählungen ging.

„Nun komm schon“, unterbrach Amanda meine Gedanken. „Du freust dir doch ein Loch in den Bauch, dass sie dein Buch herausbringen wollen, oder nicht?“

„Stimmt.“

Ich hatte wirklich hart an dem Kochbuch gearbeitet. Selbst wenn ich mich jetzt wegen der Aufmachung unwohl fühlte, freute ich mich doch sehr darauf, vor anderen Menschen darüber zu sprechen. Als ich Kapitel drei, „Suppe, Salat oder mich?“, niederschrieb, hatte ich nur einfach nicht wirklich daran gedacht, dass dies irgendwann tatsächlich jemand anderes lesen würde. Doch jetzt würde genau das geschehen.

Ich stöhnte. „Ältere Damen werden es sich ansehen!“

„Hey, ältere Damen müssen auch mal dürfen.“

„Die Sexgeschichte ist doch nur ein Verkaufstrick“, erinnerte ich meine Freundin. „In dem Buch geht es um großartiges Essen.“

Amandas violettfarbene Augen blitzten. „Von nichts anderem habe ich gesprochen.“

„Natürlich nicht.“

Es klopfte an der Glastür im Vorraum der Bar, und ich hörte, wie jemand aufschloss.

Wahnsinn.

Der Gast, der aus der Kälte hereinkam, sah einfach umwerfend aus. Groß gewachsen, goldblonde Haare, leuchtende Augen, die – soweit ich es erkennen konnte – grün waren. Er trug eine schwarze Lederjacke und dunkle Jeans. Was würde ich dafür geben, ihn aufwärmen zu dürfen, schoss es mir durch den Kopf … Und dachte dabei sicher nicht an meine preisgekrönte, mit Cayenne-Pfeffer gewürzte heiße Gourmet-Schokolade.

Ich kann nicht einmal erklären, warum er so anziehend war … er hatte einfach das gewisse Etwas. Sein Gesicht war sehr männlich geschnitten, energisches Kinn, kraftvolle Kieferknochen, die Durchsetzungsfähigkeit erahnen ließen. Soweit ich es erkennen konnte, ließ sein unter dem kohlschwarzen Strickpullover verborgener Körper keine Wünsche offen. Die Jeans passten perfekt. Aber das allein brachte meine Knie nicht zum Zittern. Es war sein Auftreten, dieser Eindruck, den er machte.

Neben mir hörte ich Amanda aufseufzen. Wahrscheinlich würde sie bald Neuigkeiten aus ihrem Liebesleben zum Besten geben können. Ich spürte Neid in mir aufkeimen, schaffte es aber, ihr zuzulächeln, als das Objekt unserer Begierde – oder besser gesagt unserer hemmungslosen Leidenschaft – auf uns zukam.

„Er …“ Amanda trat von einem Fuß auf den anderen und flüsterte dabei, was sicherlich nicht nur auf den Umstand zurückzuführen war, dass sie nur von mir gehört werden wollte.

„… hat das gewisse Etwas, nicht wahr? Sensibel, selbstsicher, eindrucksvoll.“

„Umwerfend.“ Amanda sah mich vielsagend an. „Und du brauchst wirklich dringend einen Mann.“

Genau diese unterschiedliche Betrachtungsweise verdeutlichte, warum ich Köchin war und Amanda ihr Essen meistens in der Mikrowelle warm machte. Exquisite Genüsse konnte sie einfach nicht adäquat würdigen.

„Meine Damen.“ Seine Stimme war wohltönend, so samtweich wie eine perfekt zubereitete Mehlschwitze. Sein Gesichtsausdruck zeigte dabei keinerlei Arroganz. Das hatte ich manchmal bei Trevor beobachtet, wenn er bemerkte, dass ihn Frauen musterten.

„Hallo.“ Zumindest Amanda war geistesgegenwärtig genug, ihm ein freundliches Lächeln zu schenken. Ich konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“

„Nein, vielen Dank.“ Er runzelte die Stirn. „Arbeiten Sie hier? Ich dachte … Sind Sie vielleicht Miriam Scott?“

Amandas Augen zuckten zu mir herüber, und ich konnte ihren Schock wie eine Druckwelle spüren. Vielleicht war ich aber auch selbst schockiert. Dieser Mann suchte mich?

Mein Herz raste wie bei einem pubertierenden Schulmädchen. „Das bin … so heiße … ich bin das, Miriam.“

Die Augen des grünäugigen Fremden weiteten sich. „Sie sind Miriam? Oh. Verzeihen Sie bitte das Missverständnis.“ Für einen kurzen Moment schien seine Überraschung noch zuzunehmen. Doch dann bekam er sich mit einem höflichen Lächeln in den Griff. Er hielt mir seine rechte Hand entgegen. „Dylan Kincaid. Ich bin hier, um Sie auf Ihre Promotion-Termine vorzubereiten.“

Er war Profi genug, nicht das auszusprechen, was wir in diesem Moment garantiert alle dachten: Und das wird offensichtlich eine Menge Arbeit.

3. KAPITEL

Hausmannskost hat ihre guten Seiten. Aber befriedigend ist sie wohl kaum. Finden Sie sich nicht damit ab. Köstliche, exotische Genüsse sind leichter zu haben, als Sie denken.

Fieberhaft versuchte ich, meine Gedanken zu sortieren. Ich brauchte sofort jeden Funken Verstand, den ich besaß. „Mr. Kincaid, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen.“

Ich wappnete mich innerlich für seinen Händedruck, um bei seiner Berührung nicht dahinzuschmelzen. Als seine Hand sich um meine schloss, fühlte es sich wunderbar an. Warm, aber nicht weich. Darf ich ihre Liebessklavin sein? Amanda hatte recht. Ich brauchte dringend einen Mann.

„Ich hatte Sie nicht vor morgen erwartet“, schoss es aus mir heraus, und ich war stolz darauf, dass ich dabei nicht vergaß, seine Hand wieder loszulassen.

Er lächelte reumütig. „Ich hoffe, mein zu frühes Auftauchen kommt Ihnen nicht ungelegen. Ich bin mit meinem letzten Auftrag schneller fertig geworden als geplant, und Joan hat mir erzählt, dass Sie ein bisschen angespannt sind wegen der Verkaufstour.“

Es war nicht zu übersehen, dass er Sympathien für meine Lektorin hegte, und ich machte mir plötzlich Gedanken darüber, wie gut sie sich wohl „kennen“ würden.

„Ich war zuerst bei Ihrem Haus“, fuhr er fort. „Ich dachte, ich könnte erst einmal im Hotel einchecken, wenn Sie nicht da sind. Dann wollte ich es bei Ihnen im Restaurant probieren, aber eine Ihrer Nachbarinnen sagte mir, dass ich Sie hier finden würde.“

Ich nickte. Das war sicherlich Mrs. Asher gewesen, eine verwitwete, ewig neugierige Frau, die mich später ganz sicher wegen des gut aussehenden Fremden löchern würde. „Das ›Spicy Seas‹ ist am Dienstag geschlossen. Deshalb leiste ich meiner Freundin Gesellschaft.“ Das klang besser, als zugeben zu müssen, dass ich Amandas Rückhalt wegen des pornografischen Buchtitels gebraucht hatte. „Das ist Amanda White.“

„Schön, Sie kennenzulernen“, sagte sie in einer Tonlage, die nur eine Nuance entfernt war von erotischem Flüstern. Als sie meinen Blick bemerkte, räusperte sie sich. „Ich denke, ich gehe jetzt zurück an meine Arbeit.“

Ich hatte mich so auf Dylan konzentriert, dass ich die ersten Gäste gar nicht hatte hereinkommen sehen. Irgendetwas an Dylan …

„Entschuldigen Sie bitte, aber sind wir uns schon einmal begegnet?“, fragte ich ihn.

Er schüttelte den Kopf. Ihm schien diese Frage unangenehm zu sein, wodurch sein selbstbewusstes Auftreten für einen Moment in Mitleidenschaft gezogen wurde. „Nein, leider hatte ich noch nicht das Vergnügen.“

„Setzen wir uns doch an einen der Tische“, schlug ich vor. „Wir können uns über den Tourplan unterhalten und darüber, was ich tun muss, um mich darauf vorzubereiten.“

„Gute Idee.“

Ich sagte ihm, ich wolle mir nur schnell an der Bar etwas zu trinken holen. Dort angekommen, stellte ich fest, dass ich nicht die Einzige war, die ihren Blick nicht von dem Neuankömmling losreißen konnte.

„Ich kann gar nicht fassen, wie viel Glück du hast!“, stellte Amanda fest. „Du darfst dich für ein paar Wochen in seine Obhut begeben. Wahnsinn! Als du mir erzählt hast, dass dein Imageberater ein Mann ist, hab ich natürlich …“

„Was?“ Ich hatte mir nur Sorgen über seinen Eindruck von mir gemacht. Doch nun stand hier dieses Sahnehäppchen mit den tiefgrünen Augen und den sexy Lachfältchen um die Augen.

Amanda zuckte mit den Schultern. „Also, was für Männer sind wohl für gutes Styling bekannt. Ich habe jemanden erwartet, der schwul ist.“

„Amanda! Was für ein Klischee. Gib mir einfach eine Limo light. Sonst fragt er sich noch, wo ich bleibe.“

Mit meinem vollen Glas in der Hand ging ich langsamer als gewöhnlich zu unserem Tisch zurück. Das Letzte, was ich jetzt vor diesem Mann gebrauchen konnte, war zu stolpern und mich zu bekleckern. Als ich plötzlich daran denken musste, dass er mir vielleicht zentnerweise Make-up und Stilettos empfehlen würde, sank meine Stimmung allerdings auf den Nullpunkt.

Mein Gesichtsausdruck muss mich verraten haben, denn er lächelte mir aufmunternd zu. „Machen Sie sich keine Sorgen.“

Ich setzte mich ihm gegenüber. „Versprechen Sie mir jetzt, dass Sie nicht beißen?“, fragte ich und hob das Glas zum Mund.

„Ehrlich gesagt tue ich das“, näselte er mit niederträchtiger Stimme. „Es tut aber nicht besonders weh.“

Ich verschluckte mich und musste husten, als mir die Kohlensäureblasen aus der Limo mit diesem unvergleichlichen Gefühl in die Nase stiegen.

„Tut mir leid“, versicherte mir Dylan mit schuldbewusstem Blick. „Ich wollte Ihnen keinen Schreck einjagen. Ich wollte nur etwas demonstrieren.“

„Die lauernden Gefahren in Sprudelgetränken?“

Er lachte. „Nicht ganz. Es sollte eine Demonstration sein für das etwas flapsige Auftreten, das Sie bald haben werden. Ich habe Ihr Buch noch nicht gelesen – Joan will mir ein Exemplar zuschicken –, aber ich habe mit ihr über den Inhalt und die Richtung der Geschichte gesprochen. Worauf Sie sich konzentrieren sollten, ist ein etwas respektloses, forsches, aber trotzdem sympathisches Auftreten.“

Ah ja. Kein Wunder, dass er Amanda zunächst für die Buchautorin gehalten hatte.

„Äh … Dylan … es ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass ich mit dieser Beschreibung nicht so sonderlich viel zu tun habe.“

„Hargrave bezahlt mich dafür, dass sich das ändert.“

Ich hatte es ja gleich gewusst. Es würde doch auf toupierte Haare und Oralsex mit Erdbeeren hinauslaufen. „Sie wissen sicherlich mehr über PR als ich, aber ist so eine Werbekampagne nicht erfolgreicher, wenn ich so rüberkomme, wie ich wirklich bin?“

So wurde es einem zumindest immer gesagt: Sei, wie du bist. Nur bei mir schien das nicht zu funktionieren.

„Aber so wird es sein“, versicherte mir Dylan. „Sie haben das Buch geschrieben, nicht wahr? Also ist es auch irgendwo in Ihnen drin. Ich helfe nur, es ein bisschen mehr an die Oberfläche zu bringen.“

Als ich am Mittwochabend auf der knarrenden Veranda meiner Eltern stand, war ich nicht in der Lage, die Klingel zu drücken. Einerseits, weil es wirklich kein leichtes Unterfangen war, den Karton voller Bücher auf einem Arm zu balancieren. Aber vor allem, weil ich es nicht fertig brachte, ihnen das Buch zu zeigen.

Eigentlich war heute mein erster Urlaubstag. Ich hatte angenommen, dass ich ihn mit Dylan zusammen verbringen würde. Aber er hatte mich heute Morgen angerufen und mir mitgeteilt, dass Joan ihm eines meiner Bücher geschickt habe und er es erst einmal lesen wolle. Dann könne er besser beurteilen, was genau wir der Öffentlichkeit verkaufen wollten. Da ich nichts Aufregenderes vorhatte, nahm ich Moms Einladung zum Abendessen an. Ich war ein bisschen erleichtert, dass ich diesen umwerfenden Berater doch noch nicht so bald wieder zu Gesicht bekommen sollte. Obwohl es Januar war, brachte mich der Gedanke an ihn so in Wallung, dass ich am liebsten die Klimaanlage aufgedreht hätte.

Plötzlich öffnete sich die Tür des zweistöckigen Hauses. Carrie stand in der Tür mit einem ungläubigen Ausdruck in ihrem runden, hübschen Gesicht. Auf einer ihrer ausladenden, kakifarben bekleideten Hüften balancierte sie eins der Zwillingsmädchen. Meine Schwägerin ist eine Schönheit, aber auf eine ganz andere Art als Amanda. Carrie hatte diese typisch weibliche Ausstrahlung, die Männer veranlasste, sie sofort mit nach Hause zu nehmen und Babys zu machen.

„Was stehst du denn hier draußen vor der Tür, Süße? Wenn du Hilfe mit dem Karton brauchst, ruf doch einfach Eric heraus.“ Sie sah über ihre Schulter. „Eric! Komm um Himmels willen hierher und hilf deiner Schwester.“

Bevor ich ihr auseinandersetzen konnte, dass ich keine Unterstützung brauchte, erschien mein Bruder im Flur. Er war Lehrer an einer Schule für Acht- bis Vierzehnjährige. Er behauptete, in den letzten Jahren zugenommen zu haben, aber bei seiner Körpergröße von einem Meter neunzig war davon nichts zu erkennen. Wir sehen uns nicht sehr ähnlich, mein Bruder und ich. Abgesehen von unserem Größenunterschied – ich bringe es gerade auf einen Meter fünfundsechzig – hatte Eric die blauen Augen meiner Mutter geerbt, und seine Haare waren ein paar Nuancen dunkler als meine. Eben richtig braun. Dafür trug ich keine Brille. Und keinen Spitzbart.

Eric war damit beschäftigt, sich seine Hände mit einem kleinen rosafarbenen Handtuch abzutrocknen, als er zu uns trat. „Ich war gerade im Badezimmer. Gönnt einem Mann doch mal eine Pause.“

Carrie verdrehte die Augen und gab die Eingangstür frei. „Du bist immer im Badezimmer. Und hoffentlich ist das keines der Gästehandtücher deiner Mutter.“

Eric blickte reumütig auf das mit Spitzenbögen verzierte Frottierhandtuch. „Aber wir sind doch Gäste.“

Ich schleppte die Bücher bis in den Eingangsflur und schloss die Tür hinter mir.

Der Duft nach Zimt und knusprigem, noch warmem Apfelkuchen stieg mir in die Nase, als meine Mutter auf mich zukam. „Da ist sie ja! Meine Tochter, die bald berühmte Buchautorin.“

Vielleicht aber auch die bald verrufene Buchautorin. „Hallo, Mom. Danke für die Einladung zum Abendessen. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich nichts mitbringen durfte.“ Obwohl sie offensichtlich keine Unterstützung beim Nachtisch benötigte, hätte ich gern Brot gebacken oder eine besondere Marinade für den Salat gemixt.

„Wenn man Michelangelo zu sich einlädt, bittet man ihn doch auch nicht, die Garage zu streichen“, verkündete mein Vater, als er mit dem anderen Zwilling auf den Schultern auftauchte. Er war ein wunderbar herzlicher Bär, dem man sein Alter nicht ansah. Mit seinem knallroten Sweatshirt wirkte er beinahe wie ein Jugendlicher, wenn da nicht ein paar verräterische weiße Haare in seinem kurz geschnittenen, sandblonden Haar geblitzt hätten.

Meine Mutter schob mich auf einen abgenutzten Küchenstuhl. „Setz dich endlich. Erzähl uns mehr über diese Promotion-Tour. Du hast erwähnt, dass dein Berater jetzt da ist?“

„Oh.“ Carrie nahm neben mir Platz. „Wirst du auch eigene Haarstylisten und Leute fürs Make-up bekommen?“

„Ich denke nicht, dass das so laufen wird.“ Hargrave hatte schließlich schon das Geld für Dylan beigesteuert. Das war meines Wissens eine größere finanzielle Unterstützung, als die meisten Autoren von ihrem Verlag erwarten konnten. Ich würde sicherlich auch selbst etwas Geld in mein Image und die Werbekampagne investieren müssen, aber ich wollte so viel wie möglich von dem Vorschuss zurücklegen. Schließlich wusste ich nicht, wie lange ich noch im Restaurant bleiben konnte. „Er ist nur hier, um mein Image ein bisschen aufzupolieren, bevor ich zum ersten Mal im Fernsehen auftrete.“

Mein Vater hob seine Enkeltochter von den Schultern, damit sie mit ihrer Schwester spielen konnte. Dann strahlte er mich an. „Deine Mutter und ich werden jeden deiner Auftritte auf Video aufzeichnen.“

Es gab wohl kaum einen größeren Druck, als zu wissen, dass jeder Fauxpas, den man sich leistete, auf Band verewigt und dank der modernen Errungenschaft des Zurückspulens jederzeit wieder abgespielt werden konnte. „Das ist wirklich … lieb von euch. Aber ihr werdet hier nicht alle meine Fernsehauftritte empfangen können.“

Einige der Fernsehshows – vor allem die Morgenmagazine – fanden in Nachbarstaaten wie North Carolina und Georgia statt und würden nur innerhalb eines bestimmten Radius zu sehen sein. Ich versuchte, mich an den Gedanken zu gewöhnen, morgens um sieben zusammenhängende Sätze herausbringen zu müssen. Ganz zu schweigen von der Vorstellung, dabei frech und verführerisch zu wirken. Was für ein Albtraum.

Dad ging hinüber zum Ofen und sog den Duft der langsam aufkochenden Spaghettisoße ein. Als er aber nach einem Löffel griff und den blauen Topfdeckel zur Seite schob, schwenkte meine Mutter drohend einen Bratenwender aus Plastik in seine Richtung (Daher hatte ich das also!).

„Verschwinde“, befahl sie ihm. „Du wirst deinen Löffel todsicher zweimal reintauchen und deine Bazillen an alle weitergeben.“

Wie schön zu erfahren, dass es sogar bei meiner Familie Grenzen gab.

Ob sie nun aus Anstand bis nach dem Essen gewartet hatten, sei dahingestellt. Doch kaum hatte ich das Besteck weggelegt, verlangten sie vehement, einen Blick auf das Buch zu werfen.

„Wir haben dich zuerst essen lassen, weil wir keine unzivilisierten Menschen sind“, erklärte mir meine Mom, während wir den Tisch abräumten, „aber jetzt halte ich diese Anspannung nicht mehr aus.“

Zustimmendes Nicken in der ganzen Küche.

„Na gut.“ Ich schob die Hände in die hinteren Taschen meiner Jeans. „Aber habt bitte nicht das Gefühl, dass ihr es lesen müsst. Wenn Kochbücher nicht so euer Ding sind, ist es in Ordnung. Ich möchte auf keinen Fall, dass ihr denkt, ihr müsstet es ansehen, weil ich es geschrieben habe …“

„Unsinn“, unterbrach mich mein Vater. „Meine kleine Tochter bringt ein Buch heraus. Ich für meinen Teil werde es von der ersten bis zur letzten Seite durchlesen.“

Erschießt mich …

„Und ich werde Dutzende Exemplare bestellen“, fügte meine Mutter hinzu. „Jeder, den ich kenne, wird eins von mir bekommen.“

Was in etwa auf zweitausend Stück hinauslaufen dürfte bei dem Bekanntenkreis meiner Mutter.

Ich ging zurück in den Flur und hob den Bücherkarton hoch. Er schien noch schwerer geworden zu sein. Ich hatte ihn noch nicht ganz auf dem Küchentisch abgestellt, als vier Paar Hände zugriffen, den Karton öffneten und Bücher herausangelten. Mein Bruder hatte als Erster ein Exemplar in der Hand. Beim Anblick des knallroten Buchdeckels weiteten sich seine Augen. Carrie hielt der dreijährigen Lyssa die Augen zu, als sie auf Zehenspitzen versuchte, einen Blick auf das Buch zu erhaschen.

„Hat sie irgendetwas an?“, fragte mein Vater mit eher interessierter als vorwurfsvoller Stimme, während er auf das Buch in Erics Händen starrte.

„Essen“, erwiderte meine Mutter und zog sich selbst ein Exemplar heraus.

„Nun.“ Eric grinste. „Leckeres Teil … vom Lamm.“ Ihm wurde nachgesagt, dass seine Unfähigkeit, erwachsen zu werden, beim Umgang mit Schülern sehr hilfreich war.

„Hey!“ Mom hatte das Buch aufgeschlagen und einen Blick auf die Innenseite der Schutzhülle geworfen. „Hier drin ist ein Foto von Miriam.“

„Hat sie irgendetwas an?“ Eric grinste anzüglich in meine Richtung.

Mein Vater gab ihm mit einem der Bücher einen Klaps auf den Hinterkopf.

Carrie hatte begonnen, durch das Buch zu blättern und einige Stellen laut vorzulesen. „Brownies, die ihn vor Ihnen auf die Knie sinken lassen oder in jede andere gewünschte Stellung.“

Eric pfiff anerkennend durch die Zähne. „Mom, Dad, könntet ihr vielleicht die Zwillinge irgendwann mal übers Wochenende nehmen?“

Ich wurde rot. Irgendwo in diesem Land musste es Eltern geben, die entsetzt wären, wenn ihre Tochter ein Buch schrieb über die Freude am Kochen in Verbindung mit der Freude am Sex, aber hier in dieser Küche war davon nichts zu bemerken.

„Ich wünschte mir, du hättest das schon vor ein paar Jahren geschrieben, Liebling“, erklärte meine Mutter, „dein Vater kam in diese Phase, in der Männer …“

„Mom!“ Ich sprang von meinem Stuhl auf. „Bitte erspar mir den Rest.“

Sie blinzelte. „Tut mir leid. Ich wollte dich nur unterstützen. Ich finde dieses Buch großartig und die Werbetour auch. Das hätte ich nie von dir erwartet.“

Sie hatte das sicherlich als Kompliment gemeint, aber für mich klang es wie ein Schlag.

„Das sehe ich auch so“, mischte sich Carrie ein. „Du warst immer so verschlossen, Süße.“

Verschlossen? Nur weil ich mein Liebesleben nicht beim Mittagessen ausbreitete?

Als mein Handy klingelte, griff ich nach meiner Handtasche wie nach einem Rettungsanker. „Miriam Scott.“

„Miriam, hier ist Dylan.“ Ich bekam eine Gänsehaut. „Störe ich Sie gerade?“

„In der gesamten Geschichte der Menschheit hat es nie einen besseren Zeitpunkt gegeben für eine Störung.“

Es dauerte einen Moment, bis ich ihn lachen hörte. „Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich Ihr Buch durchgelesen habe und gerne noch heute Abend mit den Videoaufnahmen beginnen würde. Wenn es Ihnen recht ist, bei Ihnen?“

Er hatte mir am Tag zuvor erklärt, dass wir zuerst Videoaufnahmen von mir machen und uns dann, wenn wir die Ergebnisse gesehen hätten, weiter vorarbeiten würden. Ein Riesenspaß, nicht wahr? Seit meiner Wurzelbehandlung im College war ich nicht mehr so freudig erregt gewesen.

„Oder“, nahm Dylan das Gespräch wieder auf, als ich mit keinem Ton reagierte, „wir fangen morgen früh an. Es liegt ganz bei Ihnen.“

Wie bitte? Ich hatte die Wahl, den Abend mit dem Mann zu verbringen, der mich allein durch seine Anwesenheit in Ausnahmezustände trieb, oder aber hier bei meiner Familie zu bleiben und dabei womöglich weitere traumatisierende Einblicke in das Liebesleben meiner Eltern zu bekommen. Da musste ich nicht lange überlegen. „Wie schnell können Sie in meinem Apartment sein?“

4. KAPITEL

Wer das Herz eines Mannes erobern will, dem empfehle ich wohlgeformte Brüste: Fünf unwiderstehliche Rezepte mit Huhn.

Nachdem ich mich mit Dylan in meiner Wohnung verabredet hatte, legte ich auf. Nun konnte ich nur noch hoffen, dass mir meine Familie abnahm, wie sehr ich es bedauerte, schon gehen zu müssen. Sie zeigten alle Verständnis, aber meine Mutter ließ mich nicht eher aus dem Haus, bis sie für Dylan etwas zu essen eingepackt hatte.

„Ich bin Köchin“, versuchte ich sie zu bremsen. „Denkst du nicht, dass ich meinem Gast selbst etwas zubereiten kann? Wahrscheinlich hat er heute Abend sowieso schon gegessen.“

„Selbst wenn es so wäre. Auf einen Nachtisch hat er sicher noch Appetit“, wischte sie meine Einwände vom Tisch. Meine Mutter öffnete diverse Küchenschränke und suchte nach einer passenden Verpackung für den übrig gebliebenen Apfelkuchen. „Du darfst nie unterschätzen, welche Wirkung gutes Essen auf einen Mann hat.“

„Wie sollte sie?“, mischte sich Eric ein. „Sie ist Expertin auf diesem Gebiet. Schon vergessen? Sie hat das Buch dazu geschrieben!“

Ich stöhnte. „Warum sind nur alle so erpicht darauf, mich zu verkuppeln? Was soll gut daran sein?“

Carrie lachte und stapelte schmutziges Geschirr in die Spülmaschine. „Manchmal haben Männer durchaus ihre Vorteile. Sag mir einfach Bescheid, wenn du deine Meinung änderst. Wir finden ganz sicher jemand Passendes für dich.“

Ich brauchte etwas länger als geplant, um mich von allen zu verabschieden. Meine beiden Nichten wollten umarmt und die um sechs Exemplare erleichterte Bücherkiste plus Plastikbox voller Apfelkuchen in meinem Auto verstaut werden. Plötzlich hatte ich es sehr eilig, nach Hause zu kommen. Der gemütliche Pullover und die abgetragenen Jeans, die ich trug, waren nicht unbedingt die Aufmachung, in der ich Dylan bei mir zu Hause empfangen wollte.

Schließlich war er zu mir geschickt worden, um mich bei der Entwicklung meines sexy Images zu beraten, und dazu sollte ich ihm vielleicht zumindest ein paar Ansatzpunkte gönnen.

Kaum in meiner Wohnung angekommen, stürmte ich ins Schlafzimmer. Ich schob die Spiegeltür zum Kleiderschrank auf und betrachtete unschlüssig den Inhalt. Mir war nicht einmal klar, wie der Typ, den ich darstellen sollte, aussah. Wie konnte ich da wissen, was ich anzuziehen hatte? Aber das war ja schließlich auch der Grund, warum ich Dylans Hilfe brauchte.

Das unmelodiöse Summen meiner Türklingel schreckte mich aus meinen Überlegungen. Einerseits fand ich es ziemlich frustrierend, dass es mir nicht gelungen war, mich umzuziehen. Aber andererseits war ich ganz froh, mir nun endlich keine Gedanken mehr über ein passendes Outfit machen zu müssen. Das führte ja offensichtlich ohnehin zu nichts.

Dylan sah wieder großartig aus. Er trug graue Hosen, einen grob gestrickten, dunkelblauen Pullover und die gleiche Lederjacke wie gestern. Er hatte eine Tasche mit einer Videokamera über der Schulter und – schluck – mein Buch in der Hand. Ich bat ihn einzutreten.

„Hallo. Perfektes Timing. Ich bin gerade zurück von meinen Eltern.“ Die frustrierende Episode vor meinem Kleiderschrank ließ ich lieber unerwähnt.

Dylan stellte kurz die Kameratasche auf meinem sandfarbenen Linoleumboden ab, um sich die Jacke auszuziehen. Ich roch sein Aftershave und sog den Duft tief und genießerisch ein.

„Ich hoffe, Sie sind meinetwegen nicht nach Hause gerast“, antwortete er und riss mich damit aus meinen sinnlichen Träumen.

„Aber nein, im Gegenteil. Sie haben mir einen Gefallen getan. Ich mag meine Familie wirklich sehr, aber … haben Sie sich auch schon mal gewünscht, möglichst weit weg von ihr zu sein?“

Er grinste. Die kleinen Fältchen in seinen Augenwinkeln ließen ihn dabei noch männlicher und anziehender aussehen. Typisch. Bei einer Frau wirkten Lachfältchen einfach nur alt. „Meine Eltern leben in London.“

„Ach wirklich.“ Ich hatte plötzlich das merkwürdige Gefühl, dass wir uns irgendwie nahestanden, nur weil wir ähnlich über unsere Verwandtschaft dachten. „Also kennen Sie das?“

„Nur zu gut.“

Ich ging Richtung Küche voraus. „Haben Sie Hunger? Wenn Sie wollen, mache ich uns schnell etwas.“

„Dazu würde ich nicht Nein sagen.“

„Ich hätte auch noch etwas Apfelkuchen zu bieten“, sagte ich und war meiner Mutter auf einmal unendlich dankbar. „Er ist selbst gemacht. Ich habe ihn von meinen Eltern mitgebracht.“

Er warf einen Blick auf die Box, die ich auf den Küchentisch gestellt hatte. „Apfelkuchen ist großartig.“

Als er sich auf der anderen Seite des Küchentresens auf einem Barhocker niedergelassen hatte, holte ich einen Teller heraus. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, vielleicht einen Kaffee?“

„Danke, nein. Wasser wäre toll.“ Er lächelte. „Ich bin ja eigentlich hier, um für Sie zu arbeiten, nicht umgekehrt. Wenn Sie gerne einen Kaffee trinken möchten, dann wäre das natürlich etwas anderes …“

Wohl kaum. Ich fühlte mich auch ohne zusätzliches Koffein angespannt genug. Ich war gerade mit dem Eiswürfelbehälter auf dem Weg vom Gefrierschrank zum Wasserhahn, als er unvermittelt sagte: „Ganz nebenbei, ich mag Ihr Buch.“ Das war zu viel für mich. Der Behälter flog mir aus der Hand und landete auf dem Boden. Ein Glück, dass er nur aus Plastik war. Offenbar war ich mit den Nerven völlig am Ende.

Dylan stand sofort auf und machte Anstalten, um den Tresen herumzukommen und mir zu helfen.

„Nichts passiert“, sagte ich, wohl mehr zu mir selbst, um mich wieder in den Griff zu bekommen. Außerdem wollte ich seiner Frage vorbeugen, ob ich immer so leicht aus der Fassung zu bringen sei. „Es war kein Glas. Alles heil geblieben.“

Nachdem Dylan sich wieder hingesetzt hatte, bemerkte er: „Ich scheine Sie zu irritieren. Es war wohl nicht Ihre Idee, einen Imageberater zu engagieren, oder?“

Ich biss mir auf die Lippen. „Nein, die Idee stammt von meinem Verleger.“ Ich zog die Besteckschublade auf und nahm eine Gabel heraus. „Aber ich sehe durchaus ein, dass es nötig ist. Sie müssen sich also keine Sorgen machen, ob ich mitspiele.“

Er lächelte. „Sie sind nur etwas nervös. Aber das ist nicht so ungewöhnlich, wie Sie vielleicht denken. Die meisten Leute sind aufgeregt bei dem Gedanken, dass sie im Fernsehen oder Radio auftreten. Was für mich den angenehmen Effekt hat, immer reichlich zu tun zu haben.“

Ich musste lächeln. Irgendwie mochte ich diesen Mann. Aber natürlich durfte ich nicht vergessen, dass es sein Job war, mir die Nervosität zu nehmen. Seine Kunden sollten von ihm lernen, sich trotz Anspannung wohlzufühlen. Und außerdem sollte er ihnen beibringen, sich so zu verhalten, dass sich auch andere Menschen in ihrer Gegenwart wohlfühlten. Es war sein Job, mich aufzuheitern. Nichts weiter. „Bitte.“ Ich reichte ihm den Teller mit dem Apfelkuchen und ein Glas Wasser.

„Ich habe leider keine Eiscreme“, bemerkte ich, als er das erste Stück Apfelkuchen in den Mund schob. „Damit würde es noch besser schmecken.“

Er seufzte. „Wohl kaum. Genau so ist es perfekt. Wissen Sie, wie oft ein Junggeselle in New York etwas selbst gebackenes zu Essen bekommt?“

„Also haben Sie …“ keine Freundin? Als wenn mich das etwas angehen würde! „Also wohnen Sie in New York? Ich meine, Joan hätte etwas von Atlanta erwähnt.“

„Stimmt. Bin gerade umgezogen. Hier ist es viel wärmer als in England oder New York. Bisher gefällt es mir sehr gut, aber warten wir mal ab, bis es Sommer wird. Ich weiß noch nicht genau, wie ich mit der Hitze klarkomme. Vielleicht bleibe ich ja aber auch gar nicht so lange.“

Ich stützte mich mit den Ellenbogen auf den Tresen. „Planen Sie denn, schon wieder wegzuziehen?“

Er zuckte mit einer Schulter und verputzte dabei das nächste Stück Apfelkuchen. „Nicht wirklich. Ich unterschreibe aber nie lange Mietverträge. Ich bin schon als kleines Kind immer he-rumgereist. Jetzt bin ich es so gewohnt.“

„Joan hat Sie wirklich wärmstens empfohlen“, erzählte ich ihm mit beinahe schwärmerischem Unterton.

„Sie ist eine tolle Frau. Wir haben uns kennengelernt, als ich eine Bestsellerautorin von ihr gecoacht habe. Zufällig war ich dann derjenige, der sie mit ihrem jetzigen Ehemann zusammengebracht hat.“

Diese Information hob meine Stimmung ungemein, obwohl es dafür eigentlich keinen vernünftigen Grund gab.

„Irgendjemand bei Hargrave ist offenbar davon überzeugt, dass Sie das Zeug zu einer Bestsellerautorin haben“, erklärte er. „Und ich bin hier, um Sie zu unterstützen. Ich finde es zwar sehr nett, zur Abwechslung mal im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, aber jetzt sollten wir uns auf Sie konzentrieren.“

Hurra.

„Ich denke, wir sollten später ausprobieren, wie Sie vor der Kamera kochen“, schlug er vor. „Zuerst gehen wir wohl besser rüber ins Wohnzimmer, damit Sie sich ein bisschen entspannen.“

Die Entspannung konnte er vergessen. Trotzdem nickte ich, und wir gingen hinüber. Ich setzte mich auf den äußersten Rand meines mit Chintz bezogenen Armsessels und war dabei in etwa so entspannt wie ein Zeuge, der vor Gericht einen Meineid schwören will.

Dylan stellte ein kleines Dreibein-Stativ für die Kamera auf und runzelte dann die Stirn. „Wissen Sie was? Ich glaube, es macht so nicht viel Sinn, wenn Sie in diesem Stuhl sitzen und an der Kamera vorbei mit mir reden. Wir müssen Sie darauf vorbereiten, dass Sie sich mit einem Moderator vor der Kamera unterhalten. Würden Sie sich auf das Sofa setzen? Dann kann ich dazukommen, und die Kamera kann uns beide aufnehmen.“

Gib Ruhe, oh du mein aufgeregt klopfendes Herz. „Okeydokey.“ Hatte ich das eben wirklich gesagt? Welch ein Ausbund an Schlagfertigkeit ich doch war. Wahrscheinlich wäre es besser für den Hargrave Verlag, wenn ich nur in Shows auftrat, in denen ich stumm dasitzen musste.

Ich war erst wenige Schritte auf das Sofa zugegangen, als Dylan aufsah und mich nachdenklich betrachtete.

„Vielleicht sollten wir erst einmal über Ihren Gang reden“, schlug er vor.

„Meinen Gang?“ Das fing ja gut an. „Muss ich jetzt mit einem Lexikon auf dem Kopf herumlaufen?“

Seine Mundwinkel zuckten amüsiert. „Nein, das nicht. Aber wenn Sie die Schultern zurücknehmen und lächeln würden, wäre das schon ein Anfang. Sie verkrampfen sich. Gehen Sie so, als wenn Sie nichts beeindrucken könnte. Wenn Sie in ein Studio kommen oder in einen Buchladen, dann muss es so aussehen, als würden Sie diese Räume besitzen.“

Vielleicht wäre es besser, wenn ich die Sache etwas langsamer anginge und die Räume erst einmal mietete.

Dylan fuhr sich mit einer Hand durch sein weizenblondes Haar. „Wo fühlen Sie sich am sichersten? Wo haben Sie das Gefühl, alles im Griff zu haben?“

Die Antwort war einfach. „In meiner Küche.“

„Na gut. Wenn Sie einen Raum betreten, stellen Sie sich einfach vor, es wäre Ihre Küche. Alle Anwesenden arbeiten für Sie. Sie wollen, dass sie Sie mögen. Sie wollen, dass sie gerne für Sie arbeiten. Aber Sie wollen auch, dass allen klar ist, dass Sie die Chefin sind.“

Ich bin die Chefin. Nicht Trevor, nicht Blondie. Ich allein.

Ich hob mein Kinn und merkte, wie meine Schultern praktisch automatisch zurückfielen. „Das kriege ich hin.“ Als ich weiter auf das Sofa zuging, spürte ich, wie sich mein Selbstbewusstsein zurückmeldete. Ich hatte nie an meinen Kochkünsten gezweifelt, selbst wenn ich irgendwo neu anfing. Und nach ein paar Schichten hatte es auch kein anderer mehr getan. Jeder sah nur Miriam Scott, die geborene Köchin.

„Großartig.“

Autor

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Obwohl es immer Dawn Atkins’ größter Traum war, Autorin zu werden, war sie nicht sicher, ob sie wirklich den Funken Genialität besaß, den es dazu braucht. So wurde sie zunächst Grundschullehrerin und fing dann allmählich an, für Zeitungen und Zeitschriften Artikel zu verfassen. Schließlich gab sie ihre Arbeit an der...
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