Kann ich dich je vergessen?

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Charlotte ist überglücklich: Der attraktive Gutsbesitzer Jett Ashton lädt sie ein, auf seinem Anwesen in aller Ruhe an ihrem Kinderbuch zu arbeiten. Und dazu ist er auch noch so charmant und entgegenkommend, dass sie sich glatt in ihn verlieben könnte! Nach einem zärtlichen Kuss weiß Charlotte mit Gewissheit, dass sie ihr Herz an ihn verloren hat. Doch dann geschieht etwas, das sie an Jetts Aufrichtigkeit zweifeln lässt. Enttäuscht geht sie zurück nach London, um ihn für immer zu vergessen …


  • Erscheinungstag 11.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758998
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Es war die Tageszeit, die Charlotte am liebsten mochte.

Vom Wohnzimmer aus betrat sie den Wintergarten, in dem es von der Tageshitze noch herrlich warm war, und ging hinüber zu dem Rattantisch, auf dem ihre Malutensilien lagen. Sie liebte es, das große Herrenhaus ganz für sich allein zu haben. In den wunderschönen, ihr vertrauten Räumen fühlte sie sich heimelig und behaglich, und die Stille tat ihrer Konzentration gut.

Charlotte lächelte zufrieden, als sie sich an den Tisch setzte und ihre Pinsel und Farbtuben ordentlich zurechtlegte. „Bist du sicher, dass du dich im Herrenhaus nicht einsam fühlen wirst, so ganz allein?“, hatte Ellen sie erst an diesem Abend gefragt.

Und Charlotte hatte den Kopf geschüttelt und geantwortet: „Nein, es ist genau das Richtige für mich. Ich könnte nicht glücklicher sein über die Lösung.“

„Na gut. Wenn es dir langweilig wird, denk daran, dass wir gleich am Ende der Auffahrt wohnen. Schau einfach vorbei, wann immer du willst“, hatte Ellen in ihrer fürsorglichen Art angeboten.

Und der kleine Lucas hatte sie zum Lachen gebracht mit seiner Bemerkung: „Wenn du dich nachts fürchtest, kannst du kommen und in meinem Bett schlafen.“

Charlotte hatte sich hinabgebeugt und Ellens aufgewecktem Dreieinhalbjährigen einen Kuss auf die Stirn gehaucht. „Das ist ganz lieb von dir“, hatte sie sich bedankt. „Aber glaubst du, dass neben deinem Kuscheltier Bertie Rabbit noch genügend Platz für mich ist?“

„Na klar“, hatte Lucas ihr ernsthaft versichert. „Bertie Rabbit und ich machen uns ganz klein.“

Da saß sie nun am Tisch in dem riesigen Wintergarten mit Blick auf den weitläufigen Park von Penforth Manor inmitten des grünen Suffolk und griff nach den Entwürfen, an denen sie am Vorabend gearbeitet hatte. Kritisch begutachtete sie ihre Werke.

Sie waren nicht schlecht, fand sie, und auch Lucas hatten sie gefallen. Ja, er war sogar vor lauter Begeisterung auf und ab gesprungen. „Das ist Bertie Rabbit!“, hatte er freudig ausgerufen. „Du hast Bertie Rabbit gemalt!“ Aber der eigentliche Test, den die Zeichnungen noch bestehen mussten, war die Einreichung im Londoner Buchverlag. Erst wenn die Lektorin, mit der sie in Kontakt stand, ihr Okay zu den Zeichnungen gab, würde Charlotte wissen, ob sie von nun an eine neue Karriere verfolgen konnte.

Für einen Moment ließ sie den Blick nach draußen in den Garten gleiten. Eine freudige Aufgeregtheit hatte sie bei dem Gedanken an die Zukunft erfasst und ließ ihr hübsches Gesicht mit den grauen Augen, der Stupsnase und dem sinnlichen Mund strahlen. Seit Jahren hatte sie davon geträumt, und nun stand sie kurz davor, Kinderbuchautorin und Illustratorin zu werden.

Kopfschüttelnd riss sie sich in die Wirklichkeit zurück. „Man kann seine Träume nicht verwirklichen, indem man Löcher in die Luft guckt“, ermahnte sie sich. „Das erreicht man nur mit viel Engagement und harter Arbeit.“

Sie schob die Ärmel ihrer Ginghambluse zurück und griff nach einem Pinsel. Verschwende deine Zeit nicht, sagte sie sich. Du wirst nicht ewig hier im Herrenhaus leben. Und nicht immer hast du so viel Freizeit und einen so idealen Arbeitsplatz. Also mach das Beste daraus!

Zwei Stunden später war Charlotte gerade damit beschäftigt, eine ihrer Skizzen sorgfältig zu kolorieren, als sie glaubte, ein Geräusch zu hören.

Sie setzte sich aufrecht hin, neigte den Kopf zur Seite und lauschte. Alles war still in dem riesigen Haus. Ich bilde mir das nur ein, beruhigte sie sich und arbeitete weiter.

Doch wenige Minuten später hörte sie wieder etwas, ein Geräusch, das sie sich bestimmt nicht einbildete und das aus einem der hinteren Räume zu kommen schien.

Besorgnis befiel sie. Denn plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich ganz allein in diesem großen, leeren Haus aufhielt und während ihrer Arbeit die Nacht hereingebrochen war und die Umgebung in Dunkelheit getaucht hatte. Sie umklammerte ihren Pinsel fester.

Da war es schon wieder – dieses Geräusch. Sie hielt den Atem an und lauschte. Es hörte sich an wie das das Knarren einer Diele oder das Quietschen einer schlecht geölten Türangel. Es war noch jemand im Haus.

Panik erfasste sie. Ein Fremder musste eingedrungen sein. Wäre es Ellen oder ihr Mann Ted gewesen, hätten sie sich gemeldet. Charlotte schluckte mühsam, wandte sich um und blickte ängstlich auf die offene Tür, die vom Wintergarten ins Wohnzimmer führte. Die einzigen Lichter, die sie angeknipst hatte, waren die im Wintergarten. Nur wenn der Eindringling die sah, würde er wissen, dass sie hier war.

Steif erhob sie sich von ihrem Stuhl, der Mund war ihr wie ausgetrocknet, und sie schluckte hart. Wenn sie die Tür vorsichtig schloss, die Lichter ausknipste, blieb, wo sie war, und sich still verhielt, würde der Einbrecher sie vielleicht nicht bemerken, erledigen, weshalb er gekommen war, und wieder verschwinden. Das war zwar kein heldenhaftes Vorgehen, aber vielleicht war es mehr als nur ein Einbrecher, und sie könnten bewaffnet sein.

Charlottes Herz hämmerte wild, während sie sich leise zur Tür schlich und vorsichtig nach dem Lichtschalter an der Wand daneben griff. Dann hatte sie mit einem Seufzer der Erleichterung die Lichter gelöscht und streckte die Hand nach der Klinke aus, um die Tür zuzuschieben.

Zu spät. Die Tür wurde weit aufgestoßen. In unkontrollierter Panik stieß Charlotte einen Schrei aus, als in der pechschwarzen Dunkelheit, die sie plötzlich umgab, ein Mann durch die Tür hereinschoss, mit ihr zusammenstieß und sie am Arm packte.

Charlotte glaubte, ohnmächtig zu werden. Sie spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich. Dann aber wehrte sie sich instinktiv gegen den Fremden.

„Lassen Sie mich los! Ich habe bereits die Polizei angerufen! Sie werden jeden Augenblick hier sein!“, schrie sie verzweifelt und doch ziemlich stolz auf ihren Einfallsreichtum. Schließlich gab es gar kein Telefon im Wintergarten.

Aber so heftig sie sich auch wehrte, so viel sie auch protestierte, der Fremde hielt sie fest und umklammerte ihren Arm wie ein Stahlband.

„Ich denke, ich sollte derjenige sein, der die Polizei ruft.“ Während er sprach, schien er seinen Griff noch zu verstärken. „Wer, zum Teufel, sind Sie? Und was machen Sie hier?“

„Was ich hier mache?“

Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Und in dem sanften Mondlicht, das durch die großen Glasfenster in den Raum hereinflutete, konnte sie gewisse Details an ihrem Angreifer erkennen.

Er war sehr groß – beängstigend groß, aus ihrer Sicht! – etwa Mitte dreißig, breitschultrig und muskulös. Aber eines war seltsam. Er sah nicht aus wie ein Einbrecher.

Er trug keine Maske, hatte sich keinen Strumpf über den Kopf gezogen, der sein Gesicht verdeckt hätte oder sein dichtes schwarzes Haar, das im Mondlicht wie poliertes Ebenholz glänzte. Ja, er hatte überhaupt nicht versucht, sich unkenntlich zu machen. Er trug einen ganz normalen dunklen Anzug.

„Genau das habe ich Sie gefragt. Was machen Sie hier?“

Während er seine Frage wiederholte, hatte er sich halb von ihr abgewandt, um rasch das Licht an dem Schalter hinter ihm einzuschalten. Und plötzlich war der Wintergarten lichtdurchflutet. Erleichterung machte sich in Charlotte breit, als sie mit einem Mal, wenn auch verspätet, erkannte, wen sie vor sich hatte.

„Sie sind Jett Ashton!“ Und sie hatte gedacht, er sei in New York! Obwohl er nicht gerade jemand war, dessen Anblick sie normalerweise überglücklich machte, war sie es jetzt uneingeschränkt und vorbehaltlos.

Während sie ihm ins Gesicht sah, ließ sie erleichtert die Schultern sinken. „Dem Himmel sei Dank.“ Befreit atmete sie aus. „Ich dachte, Sie wären ein Einbrecher.“

„Der Einbrecher sind Sie.“ Jett musterte sie streng, und nicht die Spur von Erkennen zeigte sich in seinem Ausdruck. Noch immer hielt er ihren Arm fest umklammert, als er, den Blick starr auf sie gerichtet, fragte: „Was tun Sie in meinem Haus?“

„Aber Sie wissen doch bestimmt, wer ich bin und was ich hier tue!“ Charlotte sah ihn mit gerunzelter Stirn an und fühlte sich mit einem Mal ganz unbehaglich. „Ted hat es Ihnen doch gesagt! Und zwar schon vor Wochen. Haben Sie vergessen, dass ich mich hier aufhalten würde?“

„Ted hat mir gar nichts gesagt!“, fuhr er sie ungeduldig an. Dann schüttelte er sie heftig. „Ich verlange eine Erklärung.“

Charlotte spürte, wie der Mut sie verließ. Nach allem, was sie von Jett Ashton wusste, hatte es sie ohnehin schon gewundert, dass ihr erlaubt worden war, hier im Herrenhaus zu wohnen. Es war zu schön, um wahr zu sein. Und als sie jetzt in sein dunkles Gesicht mit den strengen Zügen blickte, schienen sich ihre schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen.

Es war klar, dass der neue Eigentümer von Penforth Manor sie in seinem Haus nicht haben wollte.

„Sie wissen aber zumindest, wer ich bin, nicht wahr?“, begann sie unsicher. „Wir haben uns zwar nur einmal gesehen, und da auch nur ganz kurz. Aber Sie kennen mich, oder? Ich war die Krankenschwester Ihres Onkels Oscar in den Monaten vor seinem Tod.“

„Onkel Oscars Krankenschwester?“ Mit zusammengekniffenen Augen sah er sie an. Es war schon fast beleidigend, dass nicht der Schimmer eines Erkennens in seinen Augen aufblitzte. Zumal wenn man bedenkt, überlegte Charlotte, dass ich ihn sofort wieder erkannt habe!

Aber wie hätte es auch anders sein sollen? dachte sie ironisch. Es gab nicht viele Männer, die so aussahen wie Jett Ashton!

Denn er war, und das ohne den leisesten Zweifel, der bestaussehende Mann, den sie je getroffen hatte. Groß, fantastisch gebaut, mit rabenschwarzem Haar und faszinierenden blauen Augen, war er ein Mann, den man, einmal gesehen, wahrscheinlich nie wieder vergaß. Und das nicht nur wegen seines Aussehens. Er hatte eine starke Ausstrahlung. Schon bei der ersten Begegnung brannte sie sich einem für immer ins Gedächtnis.

Noch immer sah er stirnrunzelnd auf sie herab. „Dann sind Sie also Charlotte Channing?“

Er ließ den Blick seiner blauen Augen über sie gleiten: über das schulterlange goldblonde Haar, das sie im Nacken zusammengebunden hatte, über die rote Ginghambluse, die ihre vollen Brüste betonte, dann tiefer über ihre schlanke Taille und ihre sanft geformten Hüften, die sich unter den eng anliegenden Jeans abzeichneten.

„Es tut mir Leid, dass ich Sie ohne Ihre Uniform nicht erkannt habe.“ Nun lächelte er sie freundlich an.

„Aber Sie hätten wissen müssen, dass ich hier bin.“ Charlotte war unter seiner unverhohlenen Musterung leicht errötet. In seiner maßlosen Arroganz glaubte er wohl, sich alles erlauben zu können. Auch bei ihrer ersten Begegnung hatte er sie abschätzend gemustert, wie sie sich jetzt im Nachhinein erinnerte. Offensichtlich stimmten die Geschichten, die man sich über ihn erzählte, denn sie waren alles andere als schmeichelhaft.

„Wie ich schon sagte“, fügte sie steif hinzu, „hat Ted Sie darüber informiert, dass ich hier auf Penforth Manor für einige Zeit wohnen würde.“

Er hatte seinen Griff gelockert. „Und wie ich schon sagte, hat Ted mir nichts Derartiges mitgeteilt.“ Mit herrischem Blick sah er auf sie herab. „Wie kommen Sie überhaupt auf die absurde Idee, ich könnte mich mit Ted auf so etwas einlassen?“

„Ellen sagte, Sie hätten es getan.“

„Dann hat sie Ihnen leider etwas Falsches erzählt. Ich treffe garantiert keine solche Vereinbarung mit ihrem Mann.“

Weiter brauchte er dazu nichts zu sagen. Sein scharfer Ton erklärte alles. Charlotte wusste bereits, dass das Verhältnis zwischen Jett Ashton und seinem Cousin Ted, dem Ehemann der lieben Ellen, nicht das Beste war. Sie wusste auch, dass Jett Ashtons hartherzige Art schuld daran war und Ellen vor neun Monaten zum Weinen gebracht hatte.

Und ohne Zögern hatte Charlotte sich entschieden, auf welcher Seite sie stand.

„Ich bin sicher, dass Ted es Ihnen gesagt hat. Vielleicht haben Sie es ja vergessen.“ Skeptisch sah sie ihn an. Wahrscheinlicher jedoch ist, dachte sie, dass er einfach seine Meinung geändert hat.

Jett begegnete ihrem offenen Blick mit dem Anflug eines Lächelns. Er schien mehr oder weniger zu wissen, was in ihr vorging – das verriet ihr ihr Gefühl –, und sich den Teufel darum zu scheren.

Aber es hieß ja, dass Jett grundsätzlich alles egal sei. Und wie sich zeigte, stimmte das hundertprozentig.

Inzwischen hatte er sie losgelassen und lehnte nun am Türrahmen. Seine breiten Schultern wurden durch das teure, maßgeschneiderte Jackett noch betont, die Hände hatte er lässig in die Hosentaschen geschoben. „Gut, angenommen, mein Gedächtnis lässt mich im Stich …“

Er ließ den Blick über ihr Gesicht gleiten und lenkte sie damit einen Moment ab. Diese Augen sind wirklich außergewöhnlich, dachte sie. Strahlender und tiefer blau als jeder Saphir. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit angestrengt wieder auf das, was er sagte, als er weitersprach.

„… wären Sie dann bitte so freundlich, mich an die Details dieser Vereinbarung zu erinnern, die ich mit meinem Cousin getroffen habe?“

„Mit Vergnügen.“ Dankbar wich Charlotte einen Schritt zurück. Am Arm, wo er sie gepackt hatte, spürte sie ein leichtes Brennen. Mistkerl, dachte sie! Wie konnte er es wagen, sie so grob zu behandeln.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und fuhr fort, ihm zu erzählen, was er mit Sicherheit schon wusste.

„Diese Vereinbarung besagt, dass ich in meinem alten Zimmer – also dem Raum, den ich während der Pflege Ihres Onkel Oscar bewohnt habe – bleiben kann, solange ich für Ellen und Ted auf Lucas aufpasse. Wie Sie wissen, gibt es in ihrem Haus kein Gästezimmer, und hier gibt es Dutzende“, konnte sie sich nicht verkneifen hinzuzufügen.

Jett ging nicht auf ihre letzte Bemerkung ein. Stattdessen kniff er die Augen zusammen und sah sie an. „Sie sagen, Sie passen auf Lucas auf. Ich hatte keine Ahnung, dass er krank ist.“

Das klang fast so, als machte er sich Sorgen um das Kind, was er, wie Charlotte genau wusste, nicht tat. Jett kannte den Kleinen kaum.

„Lucas ist nicht krank“, beruhigte sie ihn. „Aber jemand muss sich um ihn kümmern, während Ted und Ellen arbeiten. Ellen war gezwungen, wieder eine Stelle anzunehmen, wissen Sie. Den beiden fällt es schwer, mit einem Verdienst auszukommen …“

„Ersparen Sie mir die rührselige Geschichte“, unterbrach Jett sie harsch. „Ich will nur Ihre Erklärung hören.“

Charlotte atmete tief durch und blitzte ihn wütend an. Ihm waren die finanziellen Probleme seines Cousins völlig egal, und das ärgerte sie.

„Sie haben mich gebeten, auf Lucas aufzupassen, bis sie eine geeignete Tagesmutter für ihn gefunden haben. Ted hat in Ihrem New Yorker Büro angerufen und angefragt, ob es okay sei, wenn ich während dieser Zeit mein altes Zimmer bewohne. Und wie Ellen mir sagte, haben Sie zugestimmt.“

„Das war äußerst großzügig von mir.“ Jett richtete sich plötzlich zu seiner vollen Größe auf und sah einen Moment schweigend auf sie herab. Dann löste er den Blick von ihr, ging hinter ihr vorbei in den Wintergarten und sah sich dort um, während er hinzufügte: „Es überrascht mich, dass die beiden sich jemanden wie Sie leisten können, wenn es ihnen an Geld fehlt. Ich glaube mich zu erinnern, dass mein Onkel einmal erwähnte, Sie seien nicht gerade billig.“

„Das bin ich normalerweise auch nicht.“ Charlotte beobachtete, wie er neben einer blau blühenden Orchidee stehen blieb. „Wenn ich einen Job als private Krankenschwester annehme, verlange ich den offiziellen Stundensatz. Aber da ich keinen Kranken pflegen muss, sondern nur auf ein Kind aufpasse, stelle ich Ted und Ellen erheblich weniger Gehalt in Rechnung.“

Jett wandte sich ihr zu. „Wie aufopfernd von Ihnen. Gibt es zurzeit keine freien Stellen für Krankenschwestern?“

„O doch, mehr als genug.“

„Warum arbeiten Sie dann für Ted und Ellen?“

„Ich tue ihnen einen Gefallen. Ist das so ungewöhnlich? Außerdem macht es mir Spaß, mich um Lucas zu kümmern.“

Jett warf ihr einen kurzen Blick zu, dann drehte er sich zu der blühenden Orchidee um und hob eine der hellblauen Blüten an die Nase. „Auf ein Kind aufzupassen“, sagte er, „ist vermutlich eine nette Abwechslung zur Pflege eines zänkischen alten Mannes.“

„Das klingt aber nicht sehr nett.“

„Finden Sie?“

„Er war immerhin Ihr Onkel. Zugegeben, er konnte manchmal etwas schwierig sein. Aber er war sehr alt und krank und lag im Sterben.“

Jett schüttelte lächelnd den Kopf. „Sie sind wirklich sehr loyal, obwohl er das nicht verdient hat. Er war nämlich von Natur aus ein streitsüchtiger Mensch.“

Haben Sie ihn deswegen nie besucht? hätte Charlotte ihn am liebsten gefragt.

„Ich habe mich sowieso gewundert, dass Sie es so lange bei ihm ausgehalten haben.“ Jett strich mit seinen sonnengebräunten Fingern sanft über die Orchideenblüte. „Wie lange waren Sie bei ihm? Ich glaube, fast ein Jahr, oder?“

„Elf Monate. Und er war nicht so unausstehlich, wie Sie ihn beschreiben. Jedenfalls war er nicht schwieriger als die meisten alten Menschen.“

Was mehr oder weniger stimmte, auch wenn er manchmal schon leicht aufbrausend sein konnte.

„Aber es war gut, Ellen und Ted in der Nähe zu haben“, fügte sie hinzu. „Sie waren immer für mich da und haben mir moralische Unterstützung gegeben.“

„Ach ja, Ellen und Ted.“ Jett lächelte zynisch. „Die beiden klebten förmlich am Bett des Alten.“

„Sie haben ihn oft besucht.“

„Jeden Tag.“

„Ja, jeden Tag. Und manchmal sogar mehr als ein Mal.“

„Erstaunlich, dass sie nicht gleich bei ihm eingezogen sind.“ Jetts Stimme klang schneidend. Dann machte er eine Pause. „Aber natürlich war das nicht nötig. Damals wohnten sie ja nur einen Steinwurf von ihm entfernt.“ Wieder umspielte seine Lippen dieses freudlose, zynische Lächeln. „War es nicht nett von ihnen, ins Kutscherhaus zu ziehen, gleich hier auf dem Anwesen?“

Charlotte wusste, worauf er in seiner zynischen Art hinauswollte. Nämlich darauf, dass Ted und Ellen nur aus niedrigen Motiven in das Kutscherhaus am Ende der Auffahrt gezogen seien – vielleicht in der Hoffnung, im Testament des alten Herrn berücksichtigt zu werden. Aber mit dieser Einschätzung lag er gründlich daneben, und Charlotte missbilligte entschieden seinen Versuch, die Tatsachen absichtlich zu verdrehen.

In kühlem Ton rief sie ihm ins Gedächtnis: „Ihr Onkel Oscar hat ihnen einen Gefallen getan. Als Teds Firma vor drei Jahren Konkurs ging und Ted und Ellen ihr Haus in London verloren, bot er ihnen das Kutscherhaus freundlicherweise zum mietfreien Wohnen an. Sie haben mir oft gesagt, dass sie sonst nicht hätten überleben können.“

„Das bezweifle ich nicht.“ Jett lächelte spöttisch. Wenn sie in der Gosse geendet wären, hätte es ihm nicht gleichgültiger sein können.

Angestachelt von seiner Herzlosigkeit, fuhr Charlotte mit ihren Ausführungen fort.

„Falls es Ihnen nicht bekannt sein sollte: Ted und Ellen haben schon immer gewusst, dass Ihr Onkel die Absicht hatte, sein ganzes Erbe allein Ihnen zu vermachen. Sie haben mir gesagt, dass sie es wussten. Schon vor vielen Monaten.“

Sie machte eine Pause und richtete einen strafenden Blick auf ihn, wie um ihm zu sagen, dass sie persönlich mit dieser Entscheidung des alten Mannes nicht einverstanden war. Mochte Jett nun der älteste noch lebende männliche Verwandte sein oder nicht.

„Sie sehen also“, fügte sie hinzu und kam wieder zur Sache, „was Ted und Ellen für Ihren Onkel getan haben, haben sie aus Liebe und Dankbarkeit getan, und nicht, weil sie sich etwas davon erhofft haben.“

„Dann sind sie wohl die reinsten Heiligen, wie?“

„Nein, keine Heiligen, aber anständige Menschen.“

„Dann werden sie bestimmt ihren Lohn im Himmel erhalten.“

Während er das sagte, brach Jett lächelnd die blaue Orchidee vom Stängel. Mit einem zufriedenen Nicken steckte er sich die Blüte in das Knopfloch am Revers seines Jacketts.

„Ich persönlich bekomme meinen Lohn lieber in dieser Welt.“

Charlotte blickte ihn kurz unter gesenkten Lidern an. Alles, was er sagte, entsprach genau dem Ruf, der ihm vorauseilte.

„Er ist ein brillanter, aber völlig skrupelloser Geschäftsmann“, hatte ihr Ted bei vielen Gelegenheiten gesagt. „Er leitet ein riesiges Firmenimperium, mit Verflechtungen weltweit. Seine Firmen zusammen sind bestimmt mehrere Milliarden wert. Und Geld ist alles, was bei ihm zählt. Er hat nicht einen Funken Gefühl.“

Charlotte hatte ganz den Eindruck, dass dies wirklich zutraf.

Jett sah sie mit einem kühlen, sarkastischen Lächeln an. „Wissen Sie, ich habe es merkwürdig gefunden, dass Onkel Oscar Ellen und Ted dieses großzügige Angebot mit dem Kutscherhaus gemacht hat. Eigentlich war er ein großer Geizkragen.“

„Dann haben Sie ihn also gut gekannt?“

Genau das Gegenteil war der Fall. Das wusste sie, und das verriet auch ihr Ton. Jett Ashton hatte sich nie um seinen Onkel bemüht. So wenig wie um irgendeinen anderen Menschen.

„Ich habe gekannt, was ich kennen musste.“ Jett blieb unbeeindruckt von ihrem scharfen Ton. Er lächelte wieder. „Ich bin in den USA aufgewachsen. Auf der anderen Seite des Atlantik“, fügte er hinzu, als hätte sie eine Lektion in Geografie nötig. „Und dort lebe ich auch heute noch. Das ist nicht gerade ein Katzensprung von Penforth Manor entfernt.“

Charlotte war seine amerikanische Herkunft bekannt, doch sie hielt sie für eine armselige Ausrede. „Aber zurzeit haben Sie geschäftlich ziemlich oft in London zu tun, stimmt’s?“

Ted hatte ihr erzählt, dass Jett fast jeden Monat nach England kam. Und obwohl Penforth Manor nur etwa eine Autostunde vom Londoner Zentrum entfernt lag, hatte er seinen Onkel nur selten besucht, und dann auch nur ganz kurz.

„Stimmt, ich bin sehr oft in London.“

Wenigstens stritt er es nicht ab. Aber ein Mann wie er hatte das auch nicht nötig. Ihm war die Meinung anderer Menschen sowieso gleichgültig.

„Allerdings habe ich ein volles Programm, wenn ich hier bin. Anders als Ted und Ellen konnte ich nicht einfach alles stehen und liegen lassen, um an das Krankenbett meines Onkels zu eilen.“ Er kniff die Augen zusammen. „Leider hatte ich Wichtigeres zu erledigen.“

„Und warum sind Sie jetzt hier? Haben Sie nichts Besseres zu tun?“

Wieder lächelte er nur über ihren vorwurfsvollen Ton. Eines musste man ihm lassen – er war nicht aus der Ruhe zu bringen.

„Vermutlich schon. Nur habe ich mir zwei Wochen freigenommen, um zu überlegen, was ich mit Penforth Manor anfangen soll.“

„Das heißt, Sie bleiben zwei Wochen hier?“

Autor

Stephanie Howard
Stephanie Howard studierte Sozialwissenschaft an der Harding University im Bundesstaat Arkansas. Außerdem ist sie ein Tausendsassa: Sie ist nicht nur Autorin, sondern auch Fitnesstrainerin, Raumausstatterin und viel beschäftigte Mutter von zwei Kindern. Engagiert setzt sie sich für Frauen ein.
Stephanie Howard schreibt in ihren Romanen gern über emanzipierte Frauen, die Familie,...
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