Komm etwas näher, Süße!

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Als die hübsche Studentin Gina Santini bei einem Tanzkurs Nick Paretti kennen lernt, spürt sie sofort seine starke erotische Ausstrahlung. In seinen Armen zu den heißen Rhythmen des Tangos über das Parkett zu gleiten, ist eine einzige sinnliche Herausforderung. Schon beim ersten Rendezvous in Ginas Apartment gibt es für sie beide keine Frage, was sie voneinander wollen: heißen Sex. Jede von Nicks lustvollen Berührungen steigert Ginas Begehren ins Unermessliche - wieder und wieder kreisen seine Finger über ihre empfindsame Haut, bis Gina am ganzen Körper vor Erregung bebt ...


  • Erscheinungstag 08.02.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729769
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Nehmen Sie die Hand da weg“, verlangte Gina Santini energisch. „Oder ich lasse Sie einfach hier stehen.“

Sergeant Nick Paretti grinste nur und schob seine Hand absichtlich langsam von der Hüfte ihren Rücken hinauf. „Was ist denn, Prinzessin?“, fragte er. „Mache ich Sie nervös?“

Nervös war nicht das richtige Wort, fand Gina. Seit dreieinhalb Wochen verbrachte sie drei Abende pro Woche in den Armen dieses Mannes. Und statt sich an ihn zu gewöhnen, machten ihr die Stunden, die sie gemeinsam verbrachten, immer mehr zu schaffen.

Und das lag nicht in erster Linie daran, dass Nicks Arroganz sie ärgerte, sondern vor allem an der Tatsache, dass sie sich so stark zu ihm hingezogen fühlte. Und dagegen war sie machtlos, denn ihre Hormone spielten verrückt. Es hatte wenig Sinn, dagegen anzugehen. Aber wie, um Himmels willen, konnte sie ein solches Prickeln in Gegenwart eines Mannes empfinden, der nichts anderes im Schilde führte, als sie in Rage zu bringen?

„Sie versuchen schon wieder zu führen.“ Seine tiefe Stimme erzeugte unwillkürlich Wärme in ihrem Innern, und darüber ärgerte sie sich.

Gina legte den Kopf in den Nacken und schaute ihm direkt in die Augen. „Ich müsste ja wohl nicht führen, wenn Sie sich Ihre Schritte merken könnten.“

„Vermutlich würde mir das gelingen, wenn Sie nicht ständig aus dem Takt kämen“, entgegnete Nick ärgerlich.

Sie atmete tief durch und zählte im Stillen bis zehn. Und bis zwanzig. Nein, ihr Zorn ließ nicht nach. Sie versuchte, ihm ihre rechte Hand zu entziehen. Doch das war bei seinem eisernen Griff schier unmöglich. Und dabei hatte sie sich vor einem Monat so sehr auf den Tanzunterricht gefreut. Aber wie hätte sie auch ahnen sollen, dort einen Partner zu bekommen, der zu groß, zu breitschultrig und zu starrsinnig war?

„Hören Sie, General“, begann sie und wurde prompt von ihm unterbrochen.

„Sergeant“, korrigierte er sie. „Oder Sie sagen Nick zu mir.“

Offenbar hatte er heute seinen großzügigen Tag. „Gut, Nick.“ Sie versuchte freundlich auf ihn einzugehen. „Wir zahlen beide eine Menge Geld für diesen Unterricht. Finden Sie nicht, wir sollten uns um eine bessere Zusammenarbeit bemühen, damit wir das Optimale herausholen?“

„Ich für meinen Teil bemühe mich ja, Schätzchen“, erklärte er und schaute ihr dabei eindringlich in die Augen. „Das Problem ist nur, dass Sie versuchen, meinen Teil mit zu übernehmen.“

Also gut, dann hatte sie eben ein kleines Problem mit Führen und Folgen. Aber das war immer noch besser, als würde sie sich von ihm auf die Zehen trampeln lassen. „Na schön!“, entgegnete sie. „Dann führen Sie. Aber bitte achten Sie darauf, mir dabei nicht auf die Zehen zu treten.“

Er hob eine dunkle Braue. „Wenn Sie nicht so große Füße hätten, würde das nicht passieren.“

Gina versteifte sich. Wenn es um ihre Füße ging, war sie ein wenig empfindlich. Sie konnte doch nichts dafür, dass sie von ihrer Mutter nicht die Schuhgröße siebenunddreißig geerbt hatte. „Ob Sie es glauben oder nicht“, bemerkte sie gepresst. „Bisher hat noch niemand Probleme mit meinen Zehen gehabt.“

„Reine Glücksache“, behauptete er.

„Und nennen Sie mich nicht dauernd Schätzchen oder Prinzessin“, verlangte sie und schaute sich im Saal um. Die anderen fünf Paare schienen mühelos über das spiegelblanke Parkett zu gleiten und keine Schwierigkeiten miteinander zu haben. „Müssen wir denn jedes Mal während der Unterrichtsstunden streiten?“, fragte sie im Flüsterton.

„Das tue ich nicht, Prinzessin“, erwiderte Nick und beugte sich zu ihr hinunter. „Solange Sie akzeptieren, dass ich der Mann bin und führen soll.“

Würde er sich als Nächstes in die Brust werfen und einen schrillen Tarzanschrei ausstoßen?

„Na, wie ist es?“, fragte er, als das nächste Stück begann. „Sind Sie bereit?“

„Klar“, antwortete sie.

„Dann wollen wir es hinter uns bringen.“ Er lauschte einen Augenblick der Musik und versuchte, den Rhythmus in sich aufzunehmen. Dann atmete er tief durch und legte schwungvoll los. Als sie ihre erste Drehung ausführten, schenkte er ihr ein Lächeln.

Obwohl es nur ein kleines, flüchtiges Lächeln war, begann ihr Herz zu klopfen. Sein Lächeln war einfach atemberaubend. Kein anderer Mann hatte jemals eine so starke Wirkung auf sie gehabt. Und Gina war nicht sicher, dass ihr das gefiel. Andererseits konnte sie kaum etwas dagegen tun.

In dem Moment, als sie einander zugeteilt worden waren, hatte es gleich ein heftiges Feuerwerk gegeben. Nicht so ein sorgfältig vorbereitetes wie am vierten Juli, bei dem jede Rakete, jeder Stern einer vorher festgelegten Choreografie folgte. Nein, was sich zwischen ihnen abspielte, glich mehr einem zügellosen Versprühen zahlloser Feuerwerkskörper, deren Wirkung man vorher nicht berechnen konnte. Es war schön und gleichzeitig mit dem Gefühl einer nahenden Gefahr verbunden – einer Gefahr, die dem Ganzen erst die richtige Würze verlieh.

Gina schnappte nach Luft, verbannte alle Gedanken an Feuerwerke und Gefahren aus ihrem Kopf und konzentrierte sich ganz aufs Tanzen. Die helle Deckenbeleuchtung verschwamm ein wenig vor ihren Augen, während sie sich über die Tanzfläche bewegten. Wenn sie nach unten blickte, sah sie die Spiegelung der Tanzenden auf dem blank polierten Boden. Es wirkte, als gäbe es neben der wirklichen Welt noch eine andere.

„Wissen Sie, allmählich haben wir den Dreh raus“, raunte Nick ihr zu, und beim Klang seiner Stimme rieselte ihr wieder ein warmer Schauer über den Rücken.

„Werden Sie bloß nicht übermütig“, warnte sie ihn, kurz bevor sie ins Stolpern gerieten.

Er warf ihr einen finsteren Blick zu. „Es würde nichts schaden, wenn Sie ein wenig positiver dächten.“

Ein wenig auf den Rhythmus zu achten, würde auch nicht schaden, dachte Gina, aber sie sprach es nicht aus. Warum macht er diesen Tanzkurs mit? überlegte sie wohl zum hundertsten Mal, seit sie Nick als Partner zugeteilt bekommen hatte. Sie nahm aus gutem Grund an diesem Kurs teil. Tanzen machte ihr Spaß. Jedenfalls bis vor Kurzem.

Aber er war ein Rätsel für sie, dieser große, raubeinige Marinesoldat. Von seinem militärisch kurz geschnittenem schwarzen Haar bis hin zu seinen auf Hochglanz polierten schweren Schuhen schien er einfach nicht der Typ, der sich zum Tanzunterricht anmeldet. Manöver mit anstrengenden Gewaltmärschen und der Umgang mit ausgefeilter Elektronik hätten eher zu ihm gepasst – und Marschmusik statt Walzer.

Obendrein war er beunruhigend attraktiv. Schwarzes Haar, stahlblaue Augen, ein kantiges Kinn und eine Nase, die so aussah, als hätte ihm mal einer einen Hieb verpasst. Gina konnte sich gut vorstellen, warum ihm das passiert war. Und wenn sein Mund sich zu einem spöttischen Lächeln verzog, durchfuhr es sie jedes Mal heiß.

Die Musik verstummte, und Gina löste sich aus seinen Armen. Im selben Moment empfand sie es als Verlust und redete sich ein, es hätte nichts zu bedeuten. Es lag nur daran, dass sie es gewohnt war, von ihm gehalten zu werden.

„Das lief gut!“, rief ihre Tanzlehrerin, Mrs. Stanton, von ihrem Platz am Rand der Tanzfläche. Ihr hellblondes Haar hatte sie zu einem Knoten aufgesteckt, und als sie an ihren Schülern vorbei auf die Tanzfläche schritt, wirbelte ihr weiter Rock um ihre Beine. „Die meisten von Ihnen machen recht gute Fortschritte“, fügte sie hinzu und warf Nick einen eindeutig bewundernden Blick zu. Gina verspürte auf einmal den Impuls, irgendeinem Gegenstand einen kräftigen Tritt zu versetzen. „Aber meine Damen, Sie müssen daran denken, dass Sie Ihrem Partner vertrauen sollten. Die Tanzfläche ist kein Schauplatz für den Kampf der Geschlechter.“

„Aha“, bemerkte Nick halb laut zu Gina. „Glauben Sie, dieses Bemerkung war an Sie gerichtet?“

„Müssen Sie nicht in irgendeinem fernen rückständigen Land den Weltpolizisten spielen?“, erkundigte sie sich honigsüß.

Er lachte und schüttelte den Kopf.

„Also“, fuhr Mrs. Stanton fort und ging zu der kleinen Stereoanlage in der Ecke hinüber. „Jetzt kommen wir zum Cha-Cha-Cha.“

„Oje …“

Nicks Stöhnen löste bei Gina eine diebische Freude aus. „Was ist los, General? Haben Sie Angst?“, fragte sie.

„Sergeant. Gunnery Sergeant, um korrekt zu sein.“ Er bedachte sie mit einem finsteren Blick. „Ich habe es bereits ein paar Mal klargestellt.“

Gina hob die Schultern. „Als ob das einen Unterschied macht.“

„Meine Dame“, erwiderte er und straffte seine bereits breiten Schultern nachdrücklich. „Sie sind …“

„Besser beim Cha-Cha als Sie?“, unterbrach sie ihn frech.

Er blickte sie finster an. „Das wird nicht passieren.“

„Ach, General, das ist wohl eine Herausforderung“, bemerkte Gina und lächelte.

„Nehmen Sie es, wie Sie wollen“, entgegnete er, und zog sie an sich.

„Oh, sehr geschickt“, spottete Gina.

„Wissen Sie, Ihretwegen gibt es den Kampf der Geschlechter“, erklärte er und schaute ihr in die Augen.

Gina legte ihre linke Hand auf seine Schulter und schob ihre Rechte in seine Linke. „Natürlich. Gina Santini ist die Verursacherin aller Probleme zwischen Männern und Frauen.“

„Nicht Sie persönlich“, fuhr er fort und umfasste ihre Rechte fester, als notwendig gewesen wäre. „Sondern Frauen wie Sie.“

„Aha.“ Gina nickte amüsiert. „Frauen, die euch Kriegern nicht gleich zu Füßen fallen?“

Er holte tief Luft, atmete hörbar aus und fragte rau: „Wollen wir jetzt tanzen oder was?“

Sie grinste schief. „Ich warte nur auf Ihr Kommando. Sie sind der unerschrockene Führer, oder haben Sie das schon vergessen?“

Nick murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, begann aber, sich nach dem Rhythmus der Musik zu bewegen. Gina konzentrierte sich darauf, ihm zu folgen, anstatt den Weg über die Tanzfläche bestimmen zu wollen. Sie wusste, dass er Cha-Cha-Cha hasste, aber sie liebte diesen Tanz. Es war aufreizend, wie er sie dabei in den Armen hielt und wie ihre Hüften gegeneinanderstießen.

Nun, darüber sollte sie besser nicht nachdenken.

Sie führten eine Drehung aus, und Gina überlegte, was ihrer Generation durch die wilden Tänze, die heute so beliebt waren, alles entging. Es gab nichts Schöneres als die Nähe, die man in einem Tanzsaal bei klassischen und lateinamerikanischen Gesellschaftstänzen erleben konnte.

Viel zu schön eigentlich, dachte sie, als ihre Hüfte Nicks berührte. Leidenschaft flackerte in ihr auf, und sie schloss kurz die Augen. Als Gina sie öffnete, begegnete sie Nicks Blick. Feuer lag darin. Unwillkürlich ließ er eine Hand auf ihre Hüfte sinken, und Gina hätte schwören können, dass sie jede seiner Fingerspitzen durch die Kleidung hindurch auf ihrer Haut fühlen konnte.

„Viel besser, Sergeant und Gina!“, rief Mrs. Stanton, als sie an ihr vorbeitanzten.

Automatisch straffte Gina sich und reckte ihr Kinn vor.

„Des Lehrers liebstes Kind“, flüsterte Nick und lächelte.

„Und Sie waren der ewige Unruhestifter“, entgegnete sie.

„Wie kommen Sie darauf?“

„Worauf?“

„Dass ich als Kind ein Unruhestifter war.“

Meinte er das ernst? Er trug doch praktisch ein Schild auf der Stirn. „Ich habe hellseherische Fähigkeiten.“

„Schade, dass Sie nicht größer sind“, entgegnete er.

Ein Meter zweiundsechzig war nicht unbedingt eine auffallende Größe, aber sie wurde auch nicht als Kind eingestuft, wenn sie ins Kino ging. „Ich bin nicht klein“, protestierte sie. „Sie sind nur ungewöhnlich groß.“

„Ein Meter neunzig, also kaum Godzilla.“

„Hängt vom Blickwinkel ab.“

Er seufzte gespielt empört. „Ich wollte nicht den Dritten Weltkrieg auslösen“, beschwerte er sich. „Ich will damit nur sagen, mir tut das Genick weh, wenn ich die ganze Zeit zu Ihnen herunterschaue.“

„Na ja, es ist auch kein Kinderspiel, den ganzen Abend zu Ihnen hochzusehen“, konterte sie.

Wie albern es war, sich über solch eine Nichtigkeit zu streiten! Doch es war auf alle Fälle weniger gefährlich, als zu fühlen, wie er auf sie wirkte. Wieder stießen ihre Hüften gegeneinander, und Gina errötete. Ein Stromstoß durchfuhr sie, und ihr Körper reagierte instinktiv auf Nicks Nähe.

Kaum zu glauben, wie sexy Tanzen sein kann, überlegte Nick und drückte Gina unwillkürlich fester an sich. Hoffentlich konnte sie nicht spüren, wie erregt er war. Sie fühlte sich so klein und wehrlos an. Doch noch während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, musste er unwillkürlich schmunzeln. Gina und wehrlos? Ja, ungefähr so wehrlos wie eine wilde Tigerin.

Diese zierliche Frau war ebenso in der Lage, auszuteilen wie einzustecken und nie um eine freche Antwort verlegen. Deshalb hatte er schon begonnen, sich auf ihre Konfrontationen drei Mal in der Woche zu freuen. Sie hatte verführerische, sinnliche Lippen und weibliche Rundungen überall dort, wo sie hingehörten. Allerdings war sie auch entnervend eigensinnig.

Alles in allem gehörte sie genau zu der Sorte Frauen, für die er sich gleich interessiert hätte, würde er eine suchen. Aber das war nun mal nicht der Fall. Andererseits waren die meisten Männer wohl kaum fasziniert von einer Frau, die bei jeder Kleinigkeit mit Widerspruch reagierte. Nick war jedoch in einer konservativen italienischen Familie aufgewachsen, in der die Liebe selbst im Falle eines Streits in Oktaven gemessen wurde.

Seine Mutter hatte ihm früher einmal erzählt, dass temperamentvoll ausgetragene Meinungsverschiedenheiten die Würze einer Ehe wären. Wenn es wirklich so sein sollte, dann hatten seine Eltern in den vergangenen sechsunddreißig Jahren eine Ehe mit recht wohldosierter Würze geführt.

Er schmunzelte vergnügt, während er sich an ein paar Einzelheiten erinnerte. Seine Brüder, seine Eltern und er selbst hatten am Tisch gesessen, sich über Politik, Religion und Geschichte gestritten oder aber, an ruhigeren Tagen, darüber wer stärker sei, Superman oder Mighty Mouse. Im Haushalt der Parettis ging es lebhaft zu, aber alle waren glücklich.

Der Cha-Cha-Cha endete, und die Paare hielten langsam inne, wandten sich Mrs. Stanton zu und warteten auf neue Anweisungen. Nick ließ Ginas Hand los und ballte seine Finger unwillkürlich zur Faust. So fiel ihm wenigstens nicht mehr auf, dass sich seine Hand ohne ihre plötzlich leer anfühlte.

„Das war es für heute Abend“, verkündete die Lehrerin.

Er ignorierte das Gefühl der Enttäuschung, das in ihm aufstieg. Die zwei Stunden Unterricht waren jedes Mal viel zu schnell um.

„Aber ich möchte Ihnen noch etwas mit auf den Weg geben“, fuhr Mrs. Stanton fort. „Nächsten Monat findet die Bayside Amateur Dance Competition statt, und wir sind eingeladen worden, drei Paare aus unserem Kurs für diesen Wettbewerb anzumelden.“ Sofort wurden Stimmen laut und verstummten jedoch ebenso schnell wieder, als Mrs. Stanton sich erneut zu Wort meldete. „Demnächst werde ich die drei Paare auswählen, die meine kleine Tanzschule vertreten sollen. Also geben Sie bitte Ihr Bestes, und viel Glück.“

Nick fiel das Funkeln in Ginas Augen auf. Sie war begeistert.

Ein Wettbewerb?

In aller Öffentlichkeit? O nein, das wollte er nicht.

2. KAPITEL

Als Nick mit Gina das Gebäude verließ, hörte er ihr kaum zu. Stattdessen sah er sich in aller Öffentlichkeit tanzen. Und bei der Vorstellung lief es ihm eiskalt über den Rücken.

Verdammt, der einzige Grund, warum er diesen Tanzkurs besuchte, war schließlich das, was vorgefallen war, als er zuletzt in aller Öffentlichkeit getanzt hatte. Auf dem Ball des Marinekorps vergangenes Jahr war es passiert. Blitzartig sah er es wieder vor sich.

Ein überfüllter Tanzsaal, Hunderte von Leuten tummelten sich dort, und er tanzte mit der Frau eines Majors. Oder vielmehr, er versuchte es. Sie hatte ihn dazu überredet. Widerstrebend hatte er nachgegeben. Aber je länger der Tanz andauerte, desto mehr hatte er sich entspannt … bis zu dem Moment, als er sie herumgewirbelt hatte. Irgendwie war sie ihm entglitten, und er hatte hilflos zusehen müssen, wie sie geradewegs auf die Punschschüssel zu segelte.

Nick schluckte schwer. Der Vorfall war ihm so peinlich gewesen, dass er die Erinnerung gleich wieder verdrängte. Er wollte wirklich nicht daran denken, wie die Schüssel zersprungen, der Punsch ausgelaufen war und die Frau des Majors aufgeschrien hatte. Aber noch weniger wollte er sich vor Augen halten, wie sie hinterher in rubinrotem Punsch getränkt auf der Tanzfläche gesessen hatte.

Stattdessen rief er sich das Gespräch mit dem Major ins Gedächtnis, zu dem er eine Woche später beordert worden war.

„Ihretwegen habe ich zweihundertfünfzig Dollar bezahlt“, hatte der Offizier gesagt. „Es scheint, selbst die beste Reinigung kann roten Punsch nicht aus eierschalenfarbener Seide bekommen.“

Obwohl er sich nicht so fühlte, hatte Nick betont lässig dagestanden und erwidert: „Ich ersetze Ihrer Frau gern das Kleid, Sir.“

„Nicht nötig“, entgegnete der Major, stand hinter seinem Schreibtisch auf und kam zu ihm herum. Dicht vor ihm blieb er stehen. „Aber ich schlage vor, Sie sorgen dafür, dass so etwas nie wieder vorkommt.“

„Das verspreche ich Ihnen“, versicherte Nick ihm. „Ich werde die Tanzfläche meiden wie die Pest.“

„Das wollte ich damit nicht sagen.“

„Sir?“

Der Major setzte sich auf den Rand des Schreibtischs, verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Sie wissen genauso wie ich, dass bei solchen gesellschaftlichen Anlässen Anwesenheit erwartet wird und dass der Aufmerksamkeit der Leute nicht die geringste Kleinigkeit entgeht.“

Nick zuckte innerlich zusammen. Der Mann hatte recht. Natürlich war die Teilnahme an solchen Veranstaltungen keine dienstliche Pflicht und konnte deshalb nicht offiziell verlangt werden. Aber es gehörte einfach mit dazu und wurde stillschweigend vorausgesetzt. So lauteten nun einmal die Spielregeln.

„Also ehe Sie eine andere arme Frau in eine Punschschüssel wirbeln, schlage ich vor, dass Sie lernen, sich auf einer Tanzfläche sicher zu bewegen, Sergeant“, bemerkte der Major bissig.

Panik erfasste Nick, als ihm aufging, worauf der Offizier hinauswollte. „Das ist nicht Ihr Ernst, Sir. Ich soll einen Tanzkurs besuchen?“

Sein Gegenüber starrte ihn eine geraume Weile an, ehe er entgegnete: „Sehe ich so aus, als wollte ich einen Scherz machen?“

Nick stöhnte innerlich auf, ehe er die Erinnerung an diesen peinlichen Augenblick in die hinterste Ecke seines Gedächtnisses verbannte. Verdammt! Er war sicher der erste Soldat in der Geschichte, dem befohlen worden war, einen Tanzkurs zu besuchen.

Na ja, nicht wortwörtlich befohlen, sondern vorgeschlagen. Mit sanftem Druck. Nick wäre es jedoch lieber gewesen, der Major hätte ihn mit ein paar langen Märschen bestraft oder nach Grönland versetzt.

Aber nein. Das wäre ja eine viel zu milde Strafe gewesen.

Stattdessen musste Nick jetzt diesen Tanzkurs mitmachen, als könnte er es Fred Astaire auch nur annähernd gleich tun. Was würden seine Freunde sagen, wenn sie wüssten, was er hier machte? Nach dem Vorfall hatte er sich wochenlang von seinen Kumpeln verspotten und aufziehen lassen müssen. Wenn sie jemals erfuhren, dass er extra deshalb Tanzunterricht nahm, würden sie gnadenlos Witze über ihn reißen und ihm keine Sekunde mehr Ruhe gönnen. Dann würde er das Marinekorps verlassen müssen.

Nein, er musste einfach diesen dämlichen Tanzkurs so schnell wie möglich hinter sich bringen und darauf hoffen, nie wieder in die Nähe von Bowleschüsseln zu geraten, wenn er mit einer Frau übers Parkett wirbelte. Allerdings würde er Gina nicht mehr wieder sehen, wenn der Kurs vorbei war. Überraschenderweise störte ihn das mehr, als er gedacht hätte.

Eine kühle Brise wehte vom Meer herüber und fegte die alten Erinnerungen und Bedenken mit weg. Er richtete seine Aufmerksamkeit im rechten Moment auf die kleine Frau, die neben ihm ging.

„Hören Sie mir überhaupt zu?“, fragte sie und ihrem entrüsteten Tonfall nach wollte sie das wohl nicht zum ersten Mal wissen.

Nick blieb stehen. „Wenn Sie von dem Wettbewerb sprechen, Nein.“

Empört breitete sie ihre Arme aus und ließ sie gleich darauf sinken. „Warum nicht?“

Ihre Lippen sahen selbst noch dann verlockend aus, wenn sie böse war. Trotzdem wollte er nicht an dem Wettbewerb teilnehmen. Und wenn er seine Hormone ignorierte, dann konnte Gina Santini ihn zu nichts überreden. „Ich möchte lieber wissen, warum Sie so wild darauf sind, an einem Wettbewerb teilzunehmen, wenn Sie sich jedes Mal beschweren, wie schlecht ich tanze.“

Der Wind peitschte ihr die dunkelbraunen Locken ums Gesicht. Gina strich sie sich mehrmals aus den Augen. „So schlecht sind Sie nun auch wieder nicht.“

Wie liebenswürdig von ihr. „Ach ja“, versetzte er bissig. „Vielen Dank auch.“

Sie holte tief Luft, was ihn für einen kurzen Moment ablenkte, da sein Blick unwillkürlich auf ihre vollen Brüste fiel. Dann seufzte sie übertrieben. „Es ist ein Wettbewerb“, meinte sie, als würde das alles erklären. „Wo bleibt Ihr Sportsgeist? Wollen Sie nicht gewinnen?“

Wieder leuchteten ihre Augen auf, und in gewisser Weise bewunderte Nick sie. Gute Wettbewerbe mochte er auch. Er zog es jedoch vor, nur an solchen teilzunehmen, bei denen er sich wenigstens eine kleine Gewinnchance ausrechnete.

„Wir können nicht mit den anderen mithalten“, erklärte er kurz angebunden und wandte sich zum Gehen, in der Hoffnung, sie würde das Thema fallen lassen.

Er hätte es besser wissen müssen.

Dicht hinter sich hörte er das Klappern ihrer Absätze auf dem Asphalt, als sie ihr Tempo beschleunigte, um mit seinen langen Schritten mitzuhalten.

„Wir könnten es aber“, widersprach sie ihm. „Uns mit den anderen messen, meine ich.“

Nick lachte spöttisch.

„Wir brauchen nur ein bisschen zusätzliches Training.“

„Ja“, stimmte er ihr zu. „Vielleicht ein oder zwei Jahre lang.“

„Um Himmels willen, General“, wandte Gina ein und trat ihm in den Weg, so dass er wieder stehen bleiben musste. „Geben alle Marines so schnell auf wie Sie?“

Empörung flammte in ihm auf. „Marines geben nie auf, Prinzessin“, versetzte er und musterte sie scharf von oben herab. Das war bei ihr schließlich nicht schwer, da sie recht klein war. „Wir suchen uns nur unsere Schlachten aus.“

„Ach so. Offenbar wählen Sie nur die, bei denen Sie sich sicher sind, dass Sie gewinnen.“

„Hören Sie“, begann er erneut und warf einen sehnsüchtigen Blick zu seinem Wagen hinüber, ehe er Gina fixierte. Offenbar würde er hier nicht ohne einen neuerlichen Streit davonkommen. Und dabei hatte es ihn vorhin noch gestört, dass er sie nicht wieder sehen würde. Lieber Himmel, was hatte er bloß verbrochen, dass das Schicksal ihm so eine attraktive, aber ungeheuer zänkischen Tanzpartnerin beschert hatte?

Die Antwort war einfach. Er hatte die Frau des Majors in die Punschschüssel segeln lassen. „Sie haben eben selbst gesagt, wir streiten uns nur. Sollen wir wirklich noch mehr Zeit miteinander verbringen?“

Gina verschränkte ihre Arme unter den Brüsten, und er weigerte sich standhaft, seinen Blick dieser Bewegung folgen zu lassen. Es war nicht leicht, aber er schaute ihr in die Augen. Sie zog eine ihrer fein geschwungenen Brauen hoch. „Wir würden uns nicht so viel streiten, wenn Sie nicht so stur wären.“

„Ach ja? Ich bin stur?“

Sie warf ihm einen Blick zu, der einen weniger tapferen Zeitgenossen das Fürchten gelehrt hätte. Dann bemerkte sie entsprechend verärgert: „Warum rede ich überhaupt mit Ihnen?“

„Endlich haben Sie es begriffen, Prinzessin.“

„Würden Sie endlich aufhören, mich Prinzessin zu nennen?“

„Sobald Sie aufhören, sich wie eine zu benehmen.“

Autor

Maureen Child
Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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