Küsse, Schnee und Lichterglanz

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An die große Liebe glaubt Viviana schon lange nicht mehr. Bis der smarte Noah sie zu einem zauberhaften Weihnachtstrip ins glitzernde New York entführt. Allmählich lernt sie, dem attraktiven Architekten zu vertrauen. Doch plötzlich scheint ihr Liebestraum in Gefahr …


  • Erscheinungstag 06.02.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521406
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Seit wann befindet sich das Land schon in Familienbesitz?“

Viviana Remington sah lieber geradeaus, anstatt den hochgewachsenen blonden Mann an ihrer Seite anzublicken. Ihr Bekannter Giles Wainwright hatte vorgeschlagen, das Land, das sie und ihr Bruder verkaufen wollten, seinem Cousin Noah anzubieten, einem Bauunternehmer.

Dieser bekundete sein Interesse, kam kurz darauf nach Falls House und ließ Viviana von der ersten Begegnung an kaum mehr aus den Augen. Unter seinem durchdringenden Blick fühlte sie sich wie ein Präparat auf dem Objektträger eines Mikroskops.

Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Nach den heftigen Regenfällen der vergangenen Nacht war der Pfad ins Tal glitschig. Als sie nach einer Weile doch verstohlen zu Noah hinübersah, wäre sie beinahe gestürzt, hätte er sie nicht rasch am Arm gepackt. Unwillkürlich erschauerte sie – nicht aus Angst vor einem Sturz, sondern aufgrund der Berührung und des verlockenden Dufts seines Aftershaves.

Dabei war ihr das andere Geschlecht seit ihrer letzten katastrophalen Beziehung gründlich verleidet. Sie wollte von keinem Mann berührt, angesehen oder angelächelt werden. Umso mehr ärgerte sie sich über sich selbst. Noah faszinierte sie gegen ihren Willen, obwohl er blond war. Sie zog dunkelhaarige Männern vor.

Mit dem langen, sonnengebleichten Haar, das seinen Nacken lässig umspielte, sah Noah so gar nicht wie ein Geschäftsmann aus, sondern wie ein kalifornischer Surfer.

„Danke“, murmelte sie verlegen.

„Gern.“ Sobald sie wieder sicheren Halt unter den Füßen hatte, gab er ihren Arm frei. „Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.“

„Seit einhundertfünfzig Jahren.“

„So lange schon? Wieso wollen Sie ausgerechnet jetzt acht von Ihren zwölf Morgen verkaufen?“

„Weil ich das Geld dringend für Reparaturen und Modernisierungsarbeiten am Haupthaus und an den Gästeunterkünften brauche.“

Zum Schutz vor der gleißenden Sommersonne beschattete Noah die Augen mit einer Hand. Aufmerksam ließ er den Blick über die saftigen Wiesen voller Wildblumen und die alten, hohen Bäume gleiten. Es war sein zweiter Besuch in Wickham Falls, einer Kleinstadt mit viertausend Einwohnern. Für seinen Geschmack war es bildhübsch, jedoch zu abgelegen und ländlich.

„Das ist ein guter Grund“, stimmte er Viviana zu. Die Frau an seiner Seite war so sexy, dass es ihm den Atem verschlug, wenn er sie nur ansah. Lange schwarze Locken umspielten ihr zartes Gesicht mit dem makellosen dunklen Teint. Er vermochte nicht zu entscheiden, was ihn stärker fesselte: ihre karamellbraunen Augen oder die vollen, roten Lippen.

„Wären Sie bereit, mir von den verbleibenden vier Morgen noch einen Teil zu verkaufen?“

„Nein. Falls House liegt auf zwei Morgen, die Gästehäuser stehen auf einem weiteren, und den vierten benötige ich für Bed-and-Breakfast-Gäste, die eine Übernachtung im Freien wünschen.“

Noah dachte an den Vorschlag der Verlobten ihres Bruders, dass er auf dem zum Verkauf stehenden Grund entweder acht Häuser mittlerer Preisklasse errichten könnte oder sechzehn für Kunden mit geringem Einkommen. „Mir gefällt das Land. Es wird allerdings eine Weile dauern, bis ich weiß, was genau ich dort errichten werde.“ Seit er in die Baufirma der Familie eingestiegen war, zeichnete er verantwortlich für Entwurf, Bau und Vertrieb von Eigenheimen.

„Entwerfen Sie die Häuser selbst? Ich dachte, Sie wären Bauunternehmer.“

„Außerdem bin ich Architekt. Soll ich Ihnen Kopien meiner Zeugnisse zuschicken, wenn ich zurück in New York bin?“

„Machen Sie sich nicht lustig über mich!“

„Das war nicht meine Absicht. Sie sollen lediglich wissen, dass ich kein Hochstapler bin“, entgegnete er mit Unschuldsmiene.

„Das habe ich nicht einmal angedeutet!“

Noah wollte nicht mit Viviana streiten, sondern ihre Preisvorstellung erfahren, damit er die nächsten Schritte in die Wege leiten konnte. „Was verlangen Sie für das Grundstück?“

Abweisend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Das müssen Sie mit Leland aushandeln. Er ist für die Finanzen zuständig. Ich kümmere mich ausschließlich um die Vermietung.“

„Dann schlage ich vor, wir kehren zum Haus zurück.“

Viviana machte auf dem Absatz kehrt und eilte auf die Vorkriegsvilla zu, die ganz offensichtlich umfassender Reparaturen bedurfte. Noah folgte ihr mit Abstand, was es ihm ermöglichte, ihren aufreizenden Hüftschwung zu bewundern. Sie war durchschnittlich groß und schlank, ohne dabei mager zu wirken, und hatte Kurven an den richtigen Stellen.

Nach seinem ersten Besuch in Wickham Falls hatte Noah seinem Vater von dem Grundstück erzählt. Dieser hatte nichts von der Idee gehalten, im ländlichen Teil von West Virginia zu bauen. Noah musste ihn erst daran erinnern, dass sein Cousin Giles in dem Ort lebte. Einen Tag später bekam er die Genehmigung für den Kauf.

Vor der Haustür putzte Noah sich die Stiefel gründlich auf der dicken Matte ab, ehe er das historische Gebäude betrat, um die Verkaufsverhandlungen mit Leland Remington aufzunehmen.

1. KAPITEL

Drei Monate später

Noah schaltete einen Gang herunter und bog in die schmale Straße ein, die zum Bed and Breakfast in Wickham Falls führte. Die Zeichnungen für die Häuser, die er im Tal bauen wollte, waren fertig. Sogar der alte Baumbestand war darauf zu sehen, den er weitestgehend zu erhalten gedachte.

Außer mit dem Entwurf der Häuser hatte er sich seit seinem letzten Besuch mit dem Bau von luxuriösen Eigentumswohnungen im nicht allzu weit entfernten Washington beschäftigt. Dabei war er immer wieder in Versuchung geraten, einen Abstecher nach Wickham Falls zu machen, in der Hoffnung, dort Viviana zu begegnen. Etwas an ihr raubte ihm die Selbstsicherheit, die er üblicherweise im Umgang mit Frauen an den Tag legte. Zu gern hätte er seinen Cousin Giles nach ihr ausgefragt. Er wollte ihm jedoch nicht verraten, dass sein Interesse an ihr über das Geschäftliche hinausging.

Frauen waren für Noah alles andere als Neuland. Normalerweise erkannte er auf einen Blick, ob er einer Frau sein Interesse bekunden sollte oder es besser bleiben ließ. Bei Viviana tappte er im Dunkeln. Vom ersten Blickkontakt abgesehen, hatte sie ihn nach Möglichkeit ignoriert, was seinem Selbstvertrauen einen herben Schlag versetzt hatte.

Die Frau seines Cousins war in Wickham Falls aufgewachsen und hätte ihm vermutlich einiges über Viviana berichten können. Das musste jedoch warten. Noah hatte beschlossen, vor Ort auf die Erteilung der Baugenehmigung zu warten. Das Angebot von Giles und Mya, in der Zeit bei ihnen und ihrer Tochter zu wohnen, hatte er ausgeschlagen. Stattdessen wollte er in Vivianas Bed and Breakfast absteigen, was ihm Gelegenheit bot, sie näher kennenzulernen.

Die Schönheit des Bergstaat genannten West Virginias hatte ihn auf der gesamten Autofahrt in den Bann geschlagen. Er war an bewaldeten Bergen, saftig grünen Tälern, Wasserfällen, Stromschnellen, Seen, Flüssen und naturbelassenen Wäldern vorübergekommen. Die Region war ein Paradies für Jäger und Fischer. Noah jagte zwar nicht, sein Abendessen zu angeln empfand er jedoch als Abenteuer.

Als er sich dem Bed and Breakfast näherte, fiel ihm auf, dass daran bereits einige Reparaturen vorgenommen worden waren. Das Haus war frisch gestrichen und mit neuen Fenstern und Läden versehen. Falls House war im Stil der Vorkriegsvillen auf Barbados erbaut, eine Rarität im viel weniger heißen und deutlich trockeneren Klima hier im Norden.

Aus der Ferne sah er Viviana mit einem hochgewachsenen, schlanken Mann mit schneeweißem Pferdeschwanz aus dem Haus treten. Sie umarmten sich, dann stieg der Mann in einen alten grauen Wagen, ließ den Motor an und fuhr los. Als die beiden Autos aneinander vorbeifuhren, erkannte Noah, dass der Fahrer ihr Vater sein musste. Die Ähnlichkeit mit ihrem Bruder Leland war frappierend.

Viviana sah Noah lächelnd entgegen, als er aus dem schnittigen silberfarbenen Sportwagen mit New Yorker Kennzeichen stieg. Bei der letzten Begegnung hätte man ihn mit einem Surfer verwechseln können. Diesmal sah er tatsächlich wie ein Geschäftsmann aus der Großstadt aus. Das blonde Haar trug er kürzer und in ordentlichen Wellen aus der Stirn gekämmt, die anthrazitfarbene Hose war ebenso offensichtlich maßgeschneidert wie das weiße Hemd mit Monogramm an den Manschetten.

Ihr Bruder Leland hatte die Verhandlungen geführt. Als er ihr hinterher den vereinbarten Kaufpreis nannte, hatte es ihr die Sprache verschlagen. Die Wainwright Developers Group, kurz WDG genannt, zahlte mehr als das Dreifache des in der armen Region üblichen Preises. Leland hatte ihr nicht verraten, wie das zustande gekommen war, sondern hatte sie nur gebeten, das Geld wie geplant für die Reparatur und Modernisierung von Villa und Gästecottages zu nutzen.

Noah kam näher, und sie streckte ihm die Hand entgegen. Er hatte am Vortag angerufen und sie informiert, dass die Entwürfe für die Häuser fertig seien und er vor Ort abwarten wolle, bis der Stadtrat die Baugenehmigung erteilte. „Herzlich willkommen im Falls House.“

Statt ihre Hand zu ergreifen, neigte Noah sich vor und küsste Viviana auf die Wange. „Danke.“

Er erschien ihr sogar noch attraktiver als bei der ersten Begegnung. Männer als schön zu bezeichnen kam ihr sonst nicht in den Sinn. In seinem Fall traf es jedoch zu. „Wären Sie etwas zeitiger erschienen, hätte ich Sie meinem Vater vorstellen können.“

„Vielleicht später?“

„Leider war er nur kurz zu Besuch hier und fährt gerade zurück nach Philadelphia, wo er lebt. Dort wartet ein großes Projekt auf ihn: Er soll in der Zentrale einer Großbank ein Wandgemälde anfertigen. Dad ist Künstler.“

„Zu schade, dass ich ihn verpasst habe!“

„Ein Architekt und ein Künstler hätten gewiss viele interessante Gesprächsthemen gefunden.“

Giles Wainwrights Frau Mya hatte sich erst kürzlich bei Viviana beklagt, dass ihr Mann, der ebenfalls Ingenieur war, mit Noah bei dessen letztem Besuch über nichts als Baupläne, Bauen, Kaufen und Verkaufen gesprochen hatte. „Kommen Sie rein, dann zeige ich Ihnen Ihre Suite.“

Noah zögerte. „Wäre es möglich, dass ich in einem der Gästecottages absteige? Ich benötige Platz und Ruhe zum Arbeiten.“

„Kein Problem. Haus zwei ist frei. In Nummer eins wohnt derzeit noch ein Schriftsteller, der Wert auf Anonymität legt.“

„Dann besteht kaum Gefahr, dass ich ihn erkenne, und ich muss auch nicht wissen, wer er ist.“

Viviana nickte. Der Schriftsteller hatte die Miete im Voraus bezahlt. Er gewährte der Reinigungskraft nur zweimal wöchentlich Zutritt zu seinem Häuschen, ging spazieren, solange sie dort zugange war, und ernährte sich ausschließlich von Tiefkühlmahlzeiten, die er sich in regelmäßigen Abständen liefern ließ.

„Kommen Sie rein. Ich muss die Schlüsselkarte aus dem Büro holen. Die Frühstückszeit ist zwar schon vorüber, aber ich kann Ihnen gern etwas zusammenstellen.“

Noah folgte Viviana ins Haus. „Machen Sie sich keine Umstände. Ich besuche später Giles und Mya und werde vermutlich dort etwas essen.“

„Die kleine Lily plappert schon wie ein Wasserfall.“

„Das liegt in der Familie. Sie können sich nicht vorstellen, welche Lautstärke bei unseren Familientreffen herrscht.“

Viviana führte Noah zu dem Raum neben dem Salon, der ihr als Büro diente. Außer ihr arbeiteten ein Koch und zwei Zimmermädchen in Teilzeit in dem Bed and Breakfast, um die Außenanlagen kümmerte sich ein Landschaftsgärtner.

Sie ging zum Schreibtisch, öffnete eine Schublade, zog zwei Schlüsselkarten heraus und aktivierte sie am PC. „Ich gebe Ihnen beide für den Fall, dass Sie eine verlegen.“

Noah nahm die Karten entgegen und reichte ihr im Gegenzug seine Kreditkarte. „Ich weiß noch nicht, wie lange ich bleibe. Buchen Sie einfach alles auf meine Karte.“

Viviana starrte die Karte an, als hielte er eine Giftschlange in der Hand, und schüttelte energisch den Kopf. „Nein.“

„Wieso nicht?“

„Ich nehme kein Geld von Ihnen!“ Zornig funkelte sie ihn an.

„Mir scheint, es ist tatsächlich gut, dass Ihr Bruder sich um die Finanzen kümmert. Wie soll Ihr Geschäft Profit abwerfen, wenn Sie Gäste kostenlos hier wohnen lassen?“

Zornbebend schloss Viviana die Augen und zählte leise bis zehn. Erst danach fühlte sie sich imstande zu antworten, ohne etwas zu sagen, was sie hinterher bereuen würde. „Sie haben schon einen viel zu hohen Preis für das Land bezahlt. Ich denke nicht daran, Sie noch mehr auszunehmen. Außerdem betrachte ich Sie als Geschäftspartner, da Ihnen jetzt ein Teil von meinem Land gehört. Als solcher genießen Sie gewisse Privilegien. Sie wohnen mietfrei im Cottage oder schlüpfen bei Ihrem Cousin unter. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“

Noah starrte Viviana an, als hätte sie den Verstand verloren. Am liebsten hätte er ihr erklärt, dass er sie nicht über den Tisch ziehen wolle, wie ihr Ex-Freund es getan hatte. Angesichts ihres Zorns ließ er es lieber bleiben.

Offenbar hatte er sie unterschätzt. Sie war ihm förmlich an die Kehle gesprungen wie eine Katze, die ihre Jungen verteidigt. „Also gut, Sie haben gewonnen“, lenkte er nach kurzem Zögern ein, um keinen Keil zwischen sich und Viviana zu treiben.

„Es geht nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern um Richtig und Falsch.“

Abwehrend hob er die Hände. „Sie haben ja recht.“

„Versuchen Sie nicht, mich zu beschwichtigen.“

Mühsam unterdrückte Noah den Fluch, der ihm auf der Zunge lag. Er rang sich ein Lächeln ab. „Es tut mir leid. Ich finde das Cottage auch ohne Ihre Hilfe.“ Er wollte nichts, als von ihr fortzukommen, ehe ihm etwas entschlüpfte, das er hinterher bedauern würde.

Rasch ging er aus dem Haus, stieg in sein Auto und fuhr zum Cottage. Während er sein Gepäck auslud, dachte er über Vivianas Verhalten nach. Sie hatte sich von Anfang an sehr unnahbar gegeben, was er nicht verstanden hatte. Inzwischen wusste er, dass hinter ihr eine Beziehung mit einem Mann lag, der sie finanziell fast ruiniert hätte.

Er hoffte inständig, dass sie rasch begriff, dass er niemand war, der Frauen ausnutzte.

Mittlerweile dreiunddreißig Jahre alt, hatte Noah sich als junger Mann die Hörner gründlich abgestoßen. Nun wartete er auf die Richtige, mit der er sesshaft werden wollte. Er war der Partys und der zahlreichen belanglosen Verabredungen überdrüssig. Immerhin war er auch in seiner wilden Phase nur mit den Frauen ins Bett gegangen, die er wirklich gemocht hatte, und niemals gleich beim ersten Date. Im Rückblick konnte er stolz von sich behaupten, niemals eine Frau benutzt zu haben.

Noah zog die Schlüsselkarte durch den dafür vorgesehenen Schlitz, öffnete die Haustür und betrat den Flur. Drinnen schlug ihm ein angenehm frischer Zitronenduft entgegen. Er begann, sein neues Zuhause zu erkunden, das zwei Schlafzimmer und einen großzügigen Wohn- und Essbereich umfasste. Küche und Bad waren auf dem neuesten Stand, das Mobiliar wirkte modern, bequem und funktional. In einer Ecke unter einem Fenster stand ein großer Schreibtisch mit Computerbereich, der sich gut als Arbeitsplatz eignete.

Auf dem Schreibtisch lag eine Broschüre mit Informationen über das Bed and Breakfast. Das Frühstücksbüfett stand den Gästen von sieben bis zehn Uhr zur Verfügung, abends wurden im Salon Drinks und Häppchen gereicht. Sämtliche Räume verfügten über Kabelfernsehen und Wi-Fi.

Noah beschloss, auszupacken, zu duschen, sich umzuziehen und anschließend zu seinem Cousin zu fahren. Womöglich konnte Giles ihm helfen, die rätselhafte Schönheit besser zu verstehen, zu der er sich geradezu unwiderstehlich hingezogen fühlte.

2. KAPITEL

Lächelnd sah Noah zu, wie Giles seine Frau auf die Stirn küsste. Heirat und Geburt der Tochter hatten seinen Cousin von Grund auf verändert. Seit Myas neuerlicher Schwangerschaft wollte er nicht einmal mehr auf Dienstreisen gehen.

„Noah und ich setzen uns eine Weile auf die Veranda“, sagte Giles.

„Nehmt euch nur Zeit.“ Mya lächelte ihren Mann liebevoll an. „Ihr habt bestimmt viel zu besprechen. Vermutlich schlafe ich schon, wenn du raufkommst.“

Noah hätte ihr gern anvertraut, dass es nicht ums Geschäft gehen würde, sondern um Viviana. „Ich halte ihn nicht lange auf“, versprach er stattdessen.

Kurz darauf saßen sich die Männer in bequemen Schaukelstühlen gegenüber. Der Nachthimmel war sternenklar; obwohl es Sommer war, wehte jedoch ein kühler Wind. „Diese Ruhe, dieser Frieden! Jetzt verstehe ich, weshalb du hier lebst.“

Giles grinste. „Höre ich recht? Beim letzten Besuch hast du dich noch beschwert, es sei so still, dass du die Grillen sogar tagsüber hören kannst.“

„Stimmt“, gab Noah zu. „Die Berge verändern einen Menschen. Man denkt und fühlt anders. Das heißt jedoch nicht, dass ich dauerhaft hier leben möchte.“

„Haben diese Veränderungen womöglich etwas mit einer schönen Schwarzhaarigen zu tun?“

„Was meinst du?“, stellte Noah sich dumm.

„Nicht was. Wen! Mir ist nicht entgangen, wie du Viviana Remington beim ersten Besuch angeschmachtet hast.“

„Sie ist wunderschön.“

„Stimmt. Aber Vorsicht. Derzeit will sie nichts von Männern wissen. Mya sagt, sie hat gerade eine schlimme Beziehung hinter sich.“

„Der Kerl hat ihre Identität gestohlen.“

Schlagartig fuhr Giles hoch. „Verdammt! Kein Wunder, dass sie Männern nicht mehr traut.“ Er hielt kurz inne. „In deinem Fall muss sie sich allerdings keine Sorgen machen. Du hast ihr Geld wahrlich nicht nötig. Dir ist doch klar, dass du ihr und ihrem Bruder weitaus mehr für das Land bezahlt hast, als es wert ist?“

„Das ist dir aufgefallen?“

„Natürlich. Hätte ich den Kauf nicht befürwortet, hätte dein Dad einen Aufstand gemacht. Je älter er wird, desto knickriger wird Onkel Teddy.“

Noah grinste. „Danke, dass du mich gerettet hast.“

„Ich tat es im Namen der Liebe. Und jetzt erzähl: Was willst du wegen Viviana unternehmen? Gehe ich recht in der Annahme, dass sie deinem Charme bislang nicht verfallen ist?“

„Ich will sie nicht überwältigen, schließlich erkenne ich es, wenn eine Frau nichts mit Männern zu schaffen haben will. Andererseits musste ich in den vergangenen Monaten ständig an sie denken. Sie geht mir nicht aus dem Sinn.“

„Warst du zwischenzeitlich mit einer anderen aus?“

„Nein, und ich habe es auch nicht vor.“

„Ich kann dir nur raten, sie nicht unter Druck zu setzen. Freunde dich mit ihr an, ehe du auch nur daran denkst, mit ihr zu schlafen.“

„Davon träume ich noch nicht einmal.“

„Umso besser. Lass es langsam angehen. Wie lange wirst du in der Gegend bleiben?“

„Das weiß ich noch nicht. Morgen reiche ich den Bauantrag bei der Stadt ein, anschließend warte ich auf die erste Anhörung.“

„Was hast du sonst noch vor?“

„Nichts. Das jüngste Projekt in Washington hat mir alles abverlangt. Ich arbeite seit über einem Jahr ohne Pause durch. Es ist höchste Zeit für mich, eine Weile aus dem Bauzirkus auszusteigen.“

„Mir geht es ähnlich. Sobald Myas Baby da ist, trete ich deutlich kürzer. Soll sich doch dein Bruder Rhett mit diesem verrückten Geschäft befassen!“

„Das ist unwahrscheinlich. Rhett ist genau wie Jordan Jurist mit Leib und Seele.“

„Und Chanel? Sie hat ihren Abschluss in Wirtschaftswissenschaften gemacht. Es wird Zeit für die erste Frau in der Geschäftsleitung. Wenn du mit mir am selben Strang ziehst, spreche ich das Thema bei der nächsten Vorstandssitzung an.“

„Damit werden wir uns den Zorn einiger Familienmitglieder zuziehen, aber meine Rückendeckung hast du.“

Giles lachte jungenhaft. „Sehr gut. Du bist der Einzige von uns, der eine Chance hat, aus Konfrontationen mit deinem Vater und deinem Großvater als Sieger hervorzugehen.“

„Ich lasse mich nicht von ihnen einschüchtern. Dad ist kein großes Problem, die harte Nuss ist Grandpa. Der alte Gangster bewahrt heute noch eine Pistole in seiner Schreibtischschublade auf.“

„Einmal Gangster, immer Gangster.“

Noah lachte. Es hieß, ihr Großvater habe sich als Teenager als Schutzgeldeintreiber für Kriminelle in der Lower East Side verdingt. „Was Viviana angeht, werde ich deinem Rat folgen und es langsam angehen lassen. Ich gebe ihr die Zeit, die sie braucht, um zu begreifen, dass ich sie niemals ausnutzen werde.“

„Einen Rat hätte ich noch: Tu ihr nicht weh. Sonst zieht ihr Bruder dich zur Verantwortung. Er war bei einer Spezialeinheit der Armee. Mit solchen Typen ist nicht zu spaßen.“

„Ich habe nicht vor, sie zu verletzen.“

„Pass einfach auf.“

Noah stand auf, gähnte und streckte sich. Die lange Autofahrt hatte ihn ermüdet. „Ich gehe jetzt. Gib Mya und Lily einen Kuss von mir.“

Autor

Rochelle Alers
Seit 1988 hat die US-amerikanische Bestsellerautorin Rochelle Alers mehr als achtzig Bücher und Kurzgeschichten geschrieben. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Zora Neale Hurston Literary Award, den Vivian Stephens Award for Excellence in Romance Writing sowie einen Career Achievement Award von RT Book Reviers. Die Vollzeitautorin ist Mitglied der...
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