Leidenschaft unter tausend Sternen

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Mit exotischen Düften, Speisen und Klängen endet die orientalische Trauungszeremonie: Jetzt ist Olivia die Frau von Scheich Tarek al-Khalij, dem sie einen Erben schenken muss! Aber kann sie auch das gequälte Herz dieses mächtigen Kriegerkönigs gewinnen und glücklich mit ihm werden?


  • Erscheinungstag 15.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739720
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Sie war zierlich. Und ziemlich blass. Das blonde Haar hatte sie zu einem eleganten Knoten frisiert. Die langen Ärmel und der Saum ihres bodenlangen Gewands wirkten wie der Versuch, ihre empfindliche helle Haut vor der gnadenlosen Sonne Tahars zu schützen.

Vergebliche Mühe. Nur ein paar Augenblicke dort draußen, wo er die letzten zehn Jahre seines Lebens verbracht hatte, und es würde sie umbringen.

Wie eine empfindliche weiße Lilie würde der heiße Wüstenwind sie mühelos in Staub verwandeln.

Welcher Dummkopf von Berater hatte ausgerechnet diese Frau als passende Ehekandidatin für den Scheich von Tahar ausgesucht? Noch so jemand, den er schnellstens feuern musste.

Was das Personal betraf, stellte Tarek völlig andere Anforderungen als sein Bruder Malik, das wurde von Tag zu Tag deutlicher.

Die geplante Hochzeit war dazu gedacht, eine vorteilhafte politische Allianz zu schmieden. Von Politik verstand Tarek nicht viel, aber er war bereit, die Perspektiven zu prüfen, die sich aus dieser Verbindung ergeben würden.

Doch nein. Wenn er diese ätherische Schönheit so ansah … Es würde nicht funktionieren.

„Gehen Sie lieber gleich wieder. Mit uns wird das nichts“, erklärte Tarek brüsk.

Jetzt blickte sie auf, ihre Züge waren sanft, ihr Blick stahlhart. „Nein.“

Er hob eine Braue. „Nein?“

„Ich kann hier nicht weg.“

„Natürlich können Sie. Auf demselben Weg, wie Sie hereingekommen sind.“ Er war es, der nicht wegkonnte. Er konnte nicht zurück in die tröstliche Einsamkeit der Wüste. Er, der fast sein ganzes Leben in Isolation verbracht hatte, musste jetzt irgendeinen Weg finden, ein Land mit Millionen von Einwohnern zu regieren.

Sie schob das Kinn ein bisschen vor, was ihm Gelegenheit gab, ihre ebenmäßigen, aristokratischen Gesichtszüge zu bewundern. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sich nicht mal die Mühe gemacht hatte, nach ihrem Namen zu fragen.

Eigentlich müsste er den kennen. Sein Berater hatte ihm bestimmt gesagt, wie sie hieß, als er ihm ihre Ankunft ankündigte. Tarek wusste nur, dass sie eine verwitwete Königin eines europäischen Königshauses war.

Er verfügte über ein selektives Gedächtnis, behielt nur die Dinge, die ihm wirklich wichtig schienen. Ihr Name gehörte nicht dazu, deshalb hatte er ihn wohl vergessen. So einfach war das.

„Ich fürchte, Sie verstehen nicht, Scheich“, fuhr sie mit fester Stimme fort.

„Ach nein?“ Der Titel klang immer noch ziemlich ungewohnt in seinen Ohren.

„Ich kann nicht nach Alansund zurückkehren, ohne zuvor die Allianz zu sichern. Tatsächlich wäre es am besten, wenn ich überhaupt nicht zurückkehre.“

„Und warum, wenn ich fragen darf?“

„Dort gibt es keinen Platz für mich. Ich bin keine Angehörige des Königshauses. Tatsächlich bin ich nicht mal eine Einheimische.“

„Woher kommen Sie denn ursprünglich?“

„Ich bin Amerikanerin. Ich habe meinen Mann … meinen späteren Mann, den König, kennengelernt, als wir beide noch zur Schule gingen. Jetzt ist er tot. Sein Bruder regiert an seiner Stelle und ist gerade auf Brautschau. Zum Glück komme ich nicht infrage. Aber für Sie wäre ich die passende Kandidatin. Hier bin ich also.“

„Ihr Name.“

Das schien sie zu irritieren. „Sie kennen meinen Namen nicht?“

„Für solche Nebensächlichkeiten habe ich keine Zeit. Obwohl ich kein Interesse an Ihnen habe, möchte ich Ihren Namen trotzdem wissen.“

Wieder schob sie hoheitsvoll das Kinn vor. „Verzeihen Sie, Hoheit, aber für gewöhnlich betrachtet man meinen Namen nicht als Nebensächlichkeit. Ich bin die verwitwete Königin Olivia von Alansund. Und ich war davon ausgegangen, dass wir gemeinsam die Vorzüge einer Ehe diskutieren.“

Tarek strich sich über den Bart. „Ich bezweifle, dass es da irgendwelche Vorzüge gibt.“

Sie blickte ihn aus großen blauen Augen erstaunt an. „Warum bin ich dann überhaupt hier?“

„Meine Berater waren der Meinung, es wäre vorteilhaft, mich mit Ihnen zu unterhalten. Ich teile diese Meinung nicht.“

„Geben Sie einer anderen Kandidatin den Vorzug?“

Was sollte er darauf antworten? Frauen hatten in seinem Leben im Exil nie eine Rolle gespielt. „Nein. Warum fragen Sie?“

„Ich nehme an, Sie brauchen einen Erben.“

Da hatte sie allerdings recht. Er war der letzte Spross der einst so mächtigen Sippe al-Khalij. Sein Bruder hatte nicht geheiratet, keine Kinder in die Welt gesetzt. Diese Aufgabe fiel jetzt Tarek zu, und nichts in seinem Leben hatte ihn darauf vorbereitet.

Im Gegenteil, man hatte ihm eingeimpft, dass eine Familie für jemanden wie ihn nur eine Last bedeutete. Er war darin trainiert, Lust und Begierde im Zaum zu halten. In Pflichterfüllung für sein Land hatte er sich aus einem Mann aus Fleisch und Blut in einen emotionslosen Stein verwandelt. Das wieder rückgängig zu machen war keine einfache Aufgabe.

Ganz allein stand Tarek zwischen Tahar und seinen Feinden. Nur er konnte den Untergang seiner Nation noch abwenden. Lange Zeit war er das Schwert seines Volks gewesen, jetzt war er der neue Regent. Eine Aufgabe, der er sich nicht entziehen konnte.

„Irgendwann mal, ja.“

„Bei allem Respekt, Scheich, genau deswegen treffen wir uns doch heute. Ich habe die Chance verpasst, meinem verstorbenen Mann einen Erben zu schenken. Ihr Bruder hat ebenfalls keine Nachkommen in die Welt gesetzt. Ich bezahle für mein Versagen damit, dass man mich hierher abgeschoben hat. Und Sie finden sich auf einem Thron wieder, auf dem eigentlich ein Neffe sitzen sollte. Eins habe ich im Leben gelernt: Der Preis ist hoch, wenn man die Familiengründung zu sehr aufschiebt.“

Tarek lehnte sich zurück, seine Muskeln schmerzten. Obwohl er schon ein paar Monate im Palast lebte, hatte er sich noch nicht an die modernen Möbel gewöhnen können. Er fand, man saß darin schrecklich unbequem und in einer unnatürlichen Haltung.

Allmählich begann er sich zu fragen, ob er sich in Olivia getäuscht hatte. Er hatte sie als schwach und zerbrechlich eingeschätzt, aber das war nur der äußere Eindruck. Tarek hatte genug Zeit draußen in der Wüste verbracht, um zu wissen, dass man sich nicht auf den äußeren Anschein verlassen durfte.

Seufzend fuhr er sich durchs Haar. Er sehnte sich nach dem einsamen Leben in der Wüste, dort kannte er sich aus und wusste alles richtig einzuschätzen. Hier im Palast kam er sich fürchterlich fehl am Platz vor. Würde er es schaffen, seinem Land auch als Diplomat zu dienen?

Seine ganze Seele gehörte diesem Land. Die Einwohner von Tahar hatten seit dem tödlichen Attentat auf seine Eltern unter der katastrophalen Willkürherrschaft seines Bruders Malik gelitten. Das wollte Tarek wiedergutmachen.

Einzig aus diesem Grund war er zurückgekehrt, einzig deshalb war er bereit, zu regieren, weiterzumachen. Er wollte Tahar in ein blühendes Land verwandeln und sein Volk von der traumatischen Erfahrung der Regentschaft seines Bruders heilen.

Deshalb durfte Tarek auch die Vorteile einer politisch motivierten Heirat nicht außer Acht lassen. Er brauchte eine Frau, die ihn unterstützte und seine Schwachstellen ausglich.

„In gewisser Weise haben Sie natürlich recht mit dem, was Sie sagen. Allerdings bleiben mir auch noch andere Optionen. Zumindest habe ich bewiesen, dass ich wesentlich schwieriger umzubringen bin als mein Bruder.“

Sie zog die hellen Brauen in die Höhe. „Versucht etwa jemand, das Gegenteil zu beweisen? Meine Sicherheit liegt mir am Herzen, müssen Sie wissen. Falls Sie Feinde haben, finde ich es nicht fair, wenn Sie mich oder unsere zukünftigen Kinder einer Gefahr aussetzen.“

„Es gefällt mir, dass Sie auf sich aufzupassen verstehen. Keine Sorge, der Tod meines Bruders war nichts weiter als ein Unfall. Seine Widersacher hat er mit äußerster Härte bekämpft. Es sind keine übrig, die es jetzt auf mich abgesehen haben könnten.“

„Ein tyrannischer Regierungsstil produziert geradezu Feinde. Sie sind höchstens ruhiggestellt. Bleibt nur zu hoffen, dass sie Sie nicht auch noch im Visier haben.“

„Ich bin nicht Malik. Und ich habe nicht die Absicht, in seine Fußstapfen zu treten.“ Absolut nicht. Tarek wollte im Interesse seines Volks regieren, nicht zu seinem eigenen Vorteil. Malik hatte die breite Masse eingeschüchtert, die Wirtschaft ignoriert. Hatte die Augen vor der Not der Bevölkerung verschlossen, das Geld nur so für luxuriöse Partys und Juwelen und Penthäuser für seine Gespielinnen rausgeschmissen.

Außerdem war sein Bruder ein Mörder. Tarek bedauerte seinen Tod nicht.

Olivia nickte bedächtig. „Ich verstehe. Aber auch Veränderungen können Probleme mit sich bringen.“

„Sprechen Sie da aus Erfahrung?“

Sie lächelte charmant, und ihm wurde bewusst, was für eine kultivierte, elegante Frau sie war. Völlig fremd für ihn. Er hatte nicht viel Zeit seines Lebens in der Gesellschaft von Frauen verbracht, schon gar nicht solcher wie sie.

Die Beduinenfrauen waren stark und an ein hartes, entbehrungsreiches Leben gewöhnt. Ganz anders als diese zerbrechliche Erscheinung mit dem langen, grazilen Hals. Sie sah aus, als könnte man sie mit einer Hand zerquetschen.

„Nachdem mein Mann König geworden war, setzte er eine Reihe von Reformen in Kraft. Zuvor war Alansund eines der rückständigsten Länder Skandinaviens gewesen, ein Zustand, den König Marcus grundlegend änderte.“ Sie schluckte. „Veränderung ist immer schmerzhaft.“

Er nickte langsam. „Und jetzt steht Ihrem Land eine weitere Veränderung bevor. Ein neuer König.“

„Ja. Obwohl ich darauf vertraue, dass Anton das Beste für sein Land will. Mein Schwager ist ein guter Mensch.“

„Aber nicht gut genug für Sie, um eine Ehe mit ihm in Betracht zu ziehen?“

„Es gibt da eine andere Frau, die er gerne heiraten möchte. Außerdem – verbietet nicht schon die Bibel einem Mann, die Witwe seines Bruders zur Frau zu nehmen? Überflüssig zu erwähnen, dass ich das natürlich nie mitgemacht hätte.“

Tarek fragte sich, was sie daran so verwerflich fand. Er versuchte, sich in ihre Lage zu versetzen. Wenn Malik eine Frau gehabt hätte, würde es ihn, Tarek, dann stören, Maliks Witwe zu heiraten? Nein.

Aber was wusste er schon von den komplizierten Beziehungen zwischen Mann und Frau? Auf diesem Gebiet war er aufgrund seines Einsiedlerdaseins völlig unerfahren.

„Wer hat Sie hergeschickt? Ihr Schwager?“

Sie nickte, machte einen Schritt auf ihn zu. Ihre hochhackigen Schuhe klapperten auf dem schwarzen Marmorboden. Ein ungewohntes Geräusch für Tareks Ohren.

„Ja. Er meinte, Sie brauchen vielleicht eine Königin. Und wir hatten gerade eine übrig.“

Ihr trockener Humor gefiel ihm. Vielleicht hätte er gelacht, wenn er sich noch daran erinnern würde, wie das funktionierte.

„Und uns fehlt gerade eine. Ich erkenne die Logik. Doch bedauerlicherweise sehe ich mich nicht in der Lage, eine Zusage zu machen. Finden Sie allein hinaus, oder soll ich jemanden rufen, der Sie begleitet?“

Olivia konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal irgendwo rausgeflogen war. Oder vielleicht doch? Im Grunde war es ja nichts anderes als ein Rauswurf gewesen, als Anton sie hierhergeschickt hatte, um sich dem neuen Scheich anzubieten.

Seit Marcus’ Tod war sie nichts mehr wert. Es hatte keinen Sinn, sich darüber aufzuregen. In ihren Adern floss kein Tropfen blauen Bluts. Sie hatte keinen Erben geboren. So ging es in den Palästen dieser Welt nun mal zu, es war nichts Persönliches. Allein das Wohl des Landes zählte.

Natürlich lag ihr Alansunds Wohl immer noch am Herzen, auch wenn Marcus nicht mehr lebte und sie nicht mehr Königin war. Tatsächlich war dies der zweite Versuch, den Anton unternahm, um sie zu verkuppeln. Der erste Kandidat war ein Diplomat aus Alansund gewesen, der Botschafter in den USA werden sollte. Da Olivia gebürtige Amerikanerin war, hätte diese Verbindung Sinn gemacht, aber …

Sie hatte mit diesem Mann absolut nichts anfangen können. Und die Vorstellung, nach Amerika zurückzukehren, war ihr wie ein Rückschritt vorgekommen. Nachdem sie alles verloren hatte, sehnte sie sich nach einem Neuanfang.

Und der bot sich hier. Ein neuer Scheich kam an die Macht in Tahar. Es war die perfekte Gelegenheit für eine Allianz mit einem lange Zeit isolierten Land, das reich an Öl und anderen Bodenschätzen war.

Anton hatte sie gefragt, und sie hatte zugestimmt. Einmal hatte sie ihn bereits enttäuscht, ein zweites Mal würde das nicht passieren. Der neue Scheich galt als ziemlich unkonventionell, er hatte jahrelang in der Wüste gelebt. Natürlich hatte Olivia eine gewisse Vorstellung von ihm gehabt. Aber diesen ungeschliffenen Wüstenkrieger hatte sie ganz bestimmt nicht erwartet.

Seine unglaubliche Präsenz füllte den Thronsaal mit einer beinahe animalischen Aura. Er hatte nichts mit den Fürsten und Königen gemeinsam, die sie kannte. Ihr Mann und ihr Schwager waren kultivierte Männer. Männer, die ihre Worte mit Bedacht wählten, Männer von tadelloser Haltung in tadellos sitzenden, maßgeschneiderten Anzügen.

Scheich Tarek al-Khalij besaß keine dieser Qualitäten. Er glich eher einem wilden Stammesführer als einem kultivierten Herrscher, wie er da mit lang ausgestreckten, gespreizten Beinen auf dem Thron saß.

Schön war er auch nicht. Er trug eine schlichte Tunika und Leinenhosen, das lange schwarze Haar hatte er mit einem Lederband zurückgebunden. Der dichte schwarze Bart machte es schwer, seine Züge zu erkennen.

Nein, schön war er nicht, aber faszinierend.

Seine Augen waren schwarz wie Onyx, der Blick tief und eindringlich. Es fiel Olivia schwer, sich davon zu lösen.

Im Grunde war sie fast erleichtert über seine Zurückweisung, denn er war so gar nicht ihr Typ. Sie hatte Fotos vom früheren Scheich gesehen, der in seiner kultivierten Eleganz eher Marcus geähnelt hatte.

Auf so einen Mann war sie vorbereitet gewesen. Nicht jedoch auf Tarek.

Andererseits … Was würde aus ihr werden, wenn sie in ihr altes nutzloses Dasein im Palast von Alansund zurückkehrte? Sie wollte ihren Schwager doch auf gar keinen Fall enttäuschen. Wollte nicht auch noch den letzten Verbündeten verlieren, der ihr geblieben war.

Natürlich würde Anton sie nicht einfach auf die Straße setzen. Aber im Palast gab es eigentlich keinen Platz mehr für sie. Keine Aufgabe. Sie käme sich vor wie ein funktionslos gewordenes Körperteil, das man genauso gut amputieren konnte.

Die Situation weckte bittere Kindheitserinnerungen in ihr: das unbeachtete kleine Mädchen. Alle Aufmerksamkeit hatte sich ausschließlich um Emily und ihren Gesundheitszustand gedreht.

Was sagt es über dich aus, dass du darüber nicht hinwegkommst?

Energisch schob Olivia den unbequemen Gedanken beiseite. Das war nicht mehr wichtig. Nichts davon war wichtig. Ihre Eltern hatten getan, was alle guten Eltern tun würden. Und sie hatte getan, was man von einer guten Schwester erwartete.

„Ich wünschte, Sie würden sich das noch mal überlegen.“ Die Worte waren heraus, bevor Olivia darüber nachdenken konnte.

Wollte sie denn überhaupt, dass er es sich noch einmal überlegte? Sie war sich nicht sicher. Einerseits wollte sie einfach weglaufen, wollte zurück an Bord des Privatjets, der sie hergebracht hatte. Wollte sich bis zu ihrer Ankunft in Alansund im Bett verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen.

Und das war das andere Problem: Wenn sie zurückkehrte, musste sie noch einmal an Bord eines Flugzeugs. Auf der Hinreise hatten drei Beruhigungstabletten nicht ausgereicht, um ihre Flugangst zu dämpfen.

Sie war noch nie gerne geflogen. Und Marcus’ Tod – er war bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen – hatte diese Phobie noch verstärkt.

„Wissen Sie eigentlich, welche Funktion ich lange Jahre in meinem Land ausgeübt habe?“

Tareks Ton war mild, beinahe herablassend, wie sie fand.

„Nein, aber das werden Sie mir bestimmt gleich verraten“, erwiderte sie spitz.

„Ich bin der Dolch ‚versteckt in den Falten eines Gewands‘“, erklärte er pathetisch. „Verborgen und deswegen umso gefährlicher. Ich befehle nicht die Armee. Mein Platz war in der Wüste, mein Fokus darauf gerichtet, die Stämme zu einen, um Stabilität und Loyalität zur Krone zu garantieren. Aufstände im Keim zu ersticken, bevor sie sich zu einem Buschfeuer ausweiten konnten. Es heißt, wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen. Nun, ich lebe noch. Wie gesagt, so leicht bin ich nicht umzubringen.“

Ein eisiger Schauder überlief sie. Falls er beabsichtigte, ihr Angst einzujagen, dann war ihm das gelungen. Gleichzeitig hatte er aber auch ihre Neugier geweckt. Und die überwog ihre Angst. Im Moment jedenfalls.

„Hat man Sie in irgendeiner Form auf Ihre Rolle als König vorbereitet?“, wollte sie wissen.

„Ob ich weiß, wie man mit ausländischen Diplomaten umgeht, politische Reden hält und sich bei Tisch benimmt? Nein.“

„Ich verstehe.“ Sie machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. Es war fast, als näherte sie sich einem Tiger im Käfig. Es bestand keine wirkliche Gefahr, aber das tödliche Potenzial war deutlich zu spüren. „Dann könnte ich Ihnen vielleicht auf andere Art nützlich sein.“

„Was meinen Sie?“ Er musterte sie abschätzig. „Falls Sie vorhaben, mich zu verführen, werden Sie feststellen, dass ich nicht so leicht zu beeindrucken bin.“

Heiße Röte stieg ihr in die Wangen. Ob nun vor Scham oder Verärgerung, konnte sie gar nicht sagen. Außerdem sollte es ihr egal sein, ob er sie attraktiv fand oder nicht. Sie kannte diesen Mann gar nicht. Marcus hatte sich jedenfalls nie beklagt.

Olivia tat ihr Bestes, ihre Gedanken und Gefühle hinter einer undurchdringlichen Maske zu verbergen. Hier ging es nicht um sie, sondern um den Dienst, den sie ihrem Land erweisen konnte. Das war sie Anton schuldig.

„Lust kann Ihnen jede x-beliebige Frau verschaffen“, erwiderte sie. „Aber es gibt nicht viele Frauen, die mit höfischen Manieren vertraut sind. Wie gesagt, ich bin Amerikanerin und stamme aus einer wohlhabenden Familie. Aber ich bin nicht adlig. Und ich musste eine Menge lernen, um eine passable Königin abzugeben. Ich könnte Ihnen beibringen, was Sie als König wissen müssen.“

Interesse flackerte in seinem Blick auf. „Sie glauben, darauf lege ich Wert?“

„Ja, das glaube ich, es sei denn, Sie möchten Ihrem geliebten Vaterland schaden. Diplomatie ist eine Stärke, die man nicht unterschätzen sollte. Es bedeutet harte Arbeit, diese Kunst zu erlernen.“

„Dazu muss ich Sie aber nicht heiraten.“

„Stimmt, das müssen Sie nicht. Und vielleicht ist das eine ganz gute Ausgangsbasis für uns beide.“

„Was schlagen Sie also vor?“

„Geben Sie mir ein bisschen Zeit, Ihnen meinen Nutzen zu beweisen. Ein Eheversprechen ist ein ziemlicher Schritt für zwei Menschen, die einander völlig fremd sind.“

Er neigte leicht den Kopf zur Seite. „Haben Sie denn schon mal einen Fremden geheiratet?“

„Falls Sie auf Marcus anspielen, nein. Wie ich bereits sagte, haben wir uns schon in der Schule kennengelernt. Und einen weiteren Ehemann habe ich in meiner Vita nicht vorzuweisen.“

„Es war also eine Liebesheirat?“ Tarek hob die Brauen.

„Ja.“ Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, und sie schluckte hart. „Ein Grund mehr, eine Beziehung anzustreben, die auf gegenseitigem Nutzen basiert. Ich suche nicht nach einer zweiten Liebesheirat.“

„Oh, ich kann Ihnen versprechen, dass unsere Ehe nicht mit Ihrer ersten Ehe vergleichbar sein wird.“

Daran zweifelte sie keinen Augenblick.

Sie nickte. „Gut. Schicken Sie mich nicht zurück, geben Sie mir einen Monat. Ich helfe Ihnen, Ihre Manieren zu verfeinern, und Sie nutzen die Zeit, um mir den Hof zu machen. Futter für die Medien. Falls es nicht funktioniert, kein Problem. Aber wenn es klappt … dann lösen sich auf einen Schlag eine Menge Schwierigkeiten in nichts auf.“

Er stand auf. „Königin Olivia von Alansund, wir sind im Geschäft. Ich gebe Ihnen dreißig Tage, um mich davon zu überzeugen, dass Sie unersetzlich sind. Wenn Sie das schaffen, mache ich Sie zu meiner Frau.“

2. KAPITEL

„Ich werde jemanden rufen, der Sie zu Ihrem Zimmer begleitet.“

„Vielleicht könnten Sie die paar Minuten erübrigen, um das selbst zu tun?“ Olivia fragte sich, warum sie unbedingt mehr Zeit als nötig in Tareks Gesellschaft verbringen wollte. Vielleicht war das ihre Art, um die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen.

Denn mit Kontrollverlust konnte sie nicht gut umgehen. Während der letzten zwei Jahre war sie sich vorgekommen, als sei sie ein abgesprengter Komet, der ziellos durchs Weltall trieb. Sie hasste dieses Gefühl.

„Sie setzen voraus, dass ich weiß, wo ich ein vorbereitetes Gästezimmer finde. Das weiß ich aber nicht“, stellte Tarek klar.

„Sie kennen sich in Ihrem eigenen Palast nicht aus?“

Er stieg vom Podest, auf dem der Thron stand, und kam auf sie zu. „Das ist nicht mein Palast, sondern der meines Bruders. Und dies ist der Thron meines Bruders. Ich trage die Krone meines Bruders. Sinnbildlich natürlich.“

Olivia blickte ihm entgegen, hielt den Atem an. Er glich so gar nicht den Männern, an die sie gewöhnt war. Hatte nichts mit ihrem sanftmütigen, weltgewandten Vater gemeinsam. Nichts mit ihrem gebildeten, humorvollen Ehemann und ihrem ruhigen und ernsten Schwager. Um im Bild der Weltall-Metapher zu bleiben: Tarek kam ihr vor wie ein schwarzes Loch. Ein schwarzes Loch, das alles in sich aufsaugte.

„Nichts in diesem Palast gehört mir“, sprach er weiter. „Ich war nicht für dieses Leben bestimmt. Wenn Sie mich zu Ihrem Projekt machen wollen, sollten Sie das nie vergessen.“

„Und nun? Wie wollen Sie dieses Problem lösen? Sie sind doch nun mal hier, ob Sie nun dafür bestimmt sind oder nicht“, hielt sie dagegen.

„Vielleicht sind Sie die Lösung des Problems. Die Berater meines Bruders verzweifeln an mir. Tja, das beruht auf Gegenseitigkeit. In meinen Augen sind das unterwürfige Schwächlinge. Solche Berater will ich nicht.“

„Das dürften die meisten Herrscher anders sehen …“

„Nur ein Mann aus Fleisch und Blut legt Wert auf solche Dinge. Eine Waffe will einfach nur benutzt werden. Und das, meine Königin, ist alles, was ich bin: eine Waffe.“

Autor

Maisey Yates
Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin.
Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen.

Von da an konnte nichts und niemand...
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