Lektionen der Lust

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Ein Ehemann muss her! Wenn Lucy diese Beförderung will, muss sie verheiratet sein. Vorher sollte sie dringend ihre Fähigkeiten im Bett auffrischen. Zwischen ihr und ihrem besten Freund Gideon knistert es seit jeher gewaltig - also warum nicht mit ihm üben? Er nimmt ihr alle Ängste und Hemmungen und weckt eine Lust in ihr, die sie nie für möglich gehalten hätte. Als sie sich schließlich mit den ersten Heiratswilligen trifft, steht Lucy vor der Frage: Sicherheit oder Verlangen?

Lesen Sie hier die leicht gekürzte Fassung des Romans »Lessons - Lektionen der Lust« mit CORA-Preisvorteil.


  • Erscheinungstag 22.03.2019
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738365
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Tim.
Die besten Geschichten entstehen oft erst aus zweiten Chancen.

1. KAPITEL

Beinahe hätte Gideon Novak das Treffen abgesagt. Und wenn er auch nur einen Funken Ehrgefühl in der Brust gehabt hätte, dann hätte er es auch getan. Einige Dinge im Leben waren einfach zu gut für ihn, und Lucy Baudin stand zweifellos an erster Stelle auf der Liste. Dass sie sich jetzt wieder gemeldet hatte – zwei Jahre danach …

Die Anwaltskanzlei Parker & Jones sah noch genauso aus wie bei seinem letzten Besuch. Das Team von Anwälten kümmerte sich überwiegend um Wirtschaftskriminalität – und hier vor allem um jene Fälle, die viel Geld versprachen. Diese Vorliebe spiegelte sich auch in der luxuriösen Ausstattung der Geschäftsräume. Pastelltöne an den Wänden und eine elegante, aber sachlich-nüchterne Inneneinrichtung vermittelten Vertrauen und sorgten für ein beruhigendes Ambiente.

Doch die Geradlinigkeit der Ausstattung konnte nicht verhindern, dass Gideons Anspannung mit jedem Schritt wuchs.

Normalerweise übernahm er keine Aufträge von Anwaltskanzleien. Als Headhunter bevorzugte er Technologie- oder Start-up-Unternehmen – oder anders gesagt: alles außer Juristen. Die litten nämlich ausnahmslos unter Kontrollzwang und bestanden darauf, bei jeder Kleinigkeit mitzureden – und zwar von Anfang bis Ende. Es war absolut lästig.

Du tust es für Lucy.

Im Lift auf dem Weg nach oben bemühte er sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck. Als er noch mit ihr befreundet gewesen war, hatte sie ihr Büro auf der fünften Etage gehabt und sich mit Fällen herumschlagen müssen, die den erfahreneren Anwälten zu unwichtig erschienen. Inzwischen saß sie in der neunzehnten Etage, nur zwei Stockwerke unter Parker und Jones persönlich. Seit ihrer letzten Begegnung vor zwei Jahren hatte sie also vermutlich ordentlich Karriere gemacht.

Die Aufzugtüren öffneten sich und gaben den Blick frei auf einen weitläufigen Empfangsraum mit einer Kaffeebar und Sitzgruppen mit Sofas und Wirtschaftsmagazinen auf den Beistelltischen. Hinter dem Tresen am Anfang des Korridors saß die Empfangsdame. Als sie zu ihm aufschaute, hatte er das Gefühl, er sei in das Hoheitsgebiet eines Feldherrn eingedrungen. Sieh mal an! Sie hatten also jemanden eingestellt, der sich nicht einschüchtern ließ. Das musste jedem Besucher sofort ins Auge springen. Sehr praktisch, wenn es darum ging, unangenehme Klienten in Schach zu halten.

Vor dem Empfangstresen blieb Gideon stehen und bemühte sich, einen möglichst freundlichen Eindruck zu machen. „Ich möchte zu Lucy Baudin.“

„Sie erwartet Sie bereits.“ Damit wandte sich die Frau wieder ihrem Computer zu und beachtete ihn nicht weiter.

Während der vergangenen Woche hatte er immer wieder darüber nachgedacht, warum Lucy ausgerechnet auf ihn gekommen war. In New York wimmelte es von Headhuntern. Gideon war zwar gut – um nicht zu sagen: einer der Besten –, aber angesichts ihrer gemeinsamen Vergangenheit hätte es doch bestimmt jemanden gegeben, der besser für diesen Auftrag geeignet wäre.

Du hättest ja Nein sagen können.

Aber er schuldete Lucy Baudin etwas. Ein einziges Treffen war nichts, das er ihr abschlagen konnte.

Er klopfte an die dunkle Holztür und öffnete sie sofort. Das Büro war hell und groß. Durch bodentiefe Fenster konnte man auf New York hinunterschauen. Ein L-förmiger Schreibtisch, vor dem zwei bequeme Sessel standen, beherrschte den Raum.

Lucy saß aufrecht und mit gestrafften Schultern auf ihrem Stuhl. Ihr langes dunkles Haar hatte sie auf eine Art zusammengebunden, die lässig aussah, aber vermutlich viel Zeit in Anspruch nahm. Sie streckte das schmale Kinn vor, was Gideon automatisch auf ihren Mund schauen ließ. Lucys Gesichtszüge waren ein bisschen zu markant, um als klassisch schön durchzugehen, aber ihre vollen Lippen waren von elegantem Schwung und immer zu einem Lächeln bereit.

Im Moment lächelte sie jedoch nicht.

„Lucy.“ Er schloss die Tür hinter sich und blieb erwartungsvoll stehen. Sie war es, die ihn hergebeten hatte. Eigentlich war er es nicht gewohnt, das Heft aus der Hand zu geben, aber für sie würde er eine Ausnahme machen.

Jedenfalls so lange, bis er erfahren hatte, was sie von ihm wollte.

„Gideon. Setz dich bitte.“ Sie deutete auf die Sessel vor ihrem Schreibtisch.

Sie konnte vielleicht so tun, als sei ihre Zusammenkunft nur ein ganz gewöhnliches Bewerbungsgespräch, aber er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Sie trug ein dunkelgraues Kleid, das die Blässe ihrer Haut unterstrich. Die einzigen Farbtupfer waren ihre blauen Augen und die roten Lippen, und das alles ergab ein bewundernswertes Gesamtbild.

Sie hatte ihn nicht wegen ihrer gemeinsamen Vergangenheit zu diesem Treffen gebeten. Wenn sie auf professionelle Distanz bestand, würde er das respektieren. Es war das Mindeste, das er für sie tun konnte.

Gideon ließ sich auf den Sessel fallen, beugte sich nach vorn und stützte die Ellenbogen auf seine Knie. „Du hast gesagt, es geht um einen Job.“

„Ja. Die Angelegenheit ist natürlich streng vertraulich.“

Es war keine Frage, aber er gab ihr trotzdem eine Antwort. „Ich habe keine Geheimhaltungsvereinbarung vorbereitet, doch ich könnte das selbstverständlich tun, wenn das Ganze hier offiziell sein soll.“

„Das ist nicht nötig. Dein Wort, dass die Sache unter uns bleibt, reicht mir völlig aus.“

Allmählich wurde er neugierig. Viele seiner Klienten hatten in der Vergangenheit um Vertraulichkeit gebeten – es war eher die Regel als die Ausnahme –, aber dieses Mal fühlte es sich irgendwie anders an. Er verjagte den Gedanken und konzentrierte sich auf seinen Job.

„Die Position, die ich besetzen muss, ist die eines Ehemanns.“

Verdutzt schüttelte Gideon den Kopf. Er glaubte, nicht recht gehört zu haben. „Wie bitte?“

„Ein Ehemann.“ Sie hob die linke Hand und bewegte ihren Ringfinger. „Bevor du mich weiterhin anschaust wie ein Esel, will ich es dir erklären.“

Er schaute sie ganz bestimmt nicht wie ein Esel an. Ein Ehemann. Woher zum Teufel soll ich einen Ehemann für sie nehmen? Er öffnete den Mund, um ihr diese Frage zu stellen, aber Lucy kam ihm zuvor. „Der Zeitpunkt ist nicht ideal, aber mir ist gerüchteweise zu Ohren gekommen, dass ich am Ende des Jahres Teilhaberin werden soll. Normalerweise wäre das ein Grund zum Feiern, aber ein paar von den Alteingesessenen in der Kanzlei haben gewisse Vorurteile gegenüber alleinstehenden Frauen.“ Sie verdrehte die Augen. „Es wäre lächerlich, wenn es nicht eine ernst zu nehmende Hürde auf dem Weg zu meinem angestrebten Ziel wäre. Aber ich habe erlebt, dass Georgia im letzten Jahr aus genau diesem Grund bei einer Beförderung übergangen wurde. Sie wollte nicht nachgeben, und deshalb haben sie sich für ihren männlichen Mitbewerber entschieden.“

Gideon holte tief Luft und versuchte, die Sache logisch anzugehen. Offenbar hatte sie lange darüber nachgedacht, und selbst wenn sie sich da in irgendeine verrückte Sache verrannt haben sollte, bedeutete das nicht, dass er es ihr ausreden musste. Diese Lucy war eine vollkommen andere Person als die, die er zuletzt gesehen hatte – in Tränen aufgelöst und am Boden zerstört. Er würde ganz professionell reagieren und versuchen, sie zur Vernunft zu bringen.

Aber er schaffte es nicht, ruhig und gelassen zu antworten. „Bist du vollkommen verrückt geworden, Lucy? Ich bin Personal- und kein Heiratsvermittler. Und selbst, wenn ich einer wäre: Heiraten, nur um befördert zu werden, ist absolut schwachsinnig.“

„Wirklich?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Die Leute heiraten aus viel schwachsinnigeren Gründen. Ich hätte fast mal aus Liebe geheiratet, und wir wissen beide, wie das ausgegangen ist. Es ist doch nichts Falsches daran, eine Ehe wie eine geschäftliche Vereinbarung zu betrachten. In vielen Kulturkreisen ist das durchaus üblich.“

„Wir reden nicht über andere Kulturkreise. Wir reden über dich.“

Wieder zuckte sie mit den Schultern. Als ob es ihr egal sei. Er hasste diese gespielte Gleichgültigkeit, aber es stand ihm nicht zu, ihr deswegen Vorwürfe zu machen.

Sie hielt seinem Blick stand. „Das ist sehr wichtig für mich, Gideon. Mit Kindern habe ich nichts am Hut – ich liebe meine Arbeit, und ein Baby wäre da nur im Weg –, aber ich bin einsam. Es wäre nicht schlecht, wenn es da jemanden gäbe, der abends auf einen wartet, selbst wenn es nicht die Liebe deines Lebens ist. Vor allem, wenn es nicht die ganz große Liebe ist.“

„Lucy, das ist verrückt.“ Jedes ihrer Worte drohte, seine professionelle Fassade zum Einsturz zu bringen, was er auf jeden Fall vermeiden wollte. „Wo zum Teufel soll ich einen Ehemann für dich finden?“

„Genau da, wo du auch sonst deine Kandidaten für offene Stellen findest. Bei Bewerbungsgesprächen. Wir sind in New York – wenn du es nicht schaffst, einen Mann zu finden, der zumindest gewillt ist, darüber nachzudenken, dann schafft es keiner.“

Ein plötzliches Schuldgefühl ließ ihn innehalten. Er hielt diesen Plan zwar für vollkommen bescheuert, und die Vorstellung, dass Lucy in einer Vernunftehe stranden könnte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Aber das hatte er schließlich nicht zu entscheiden.

Und zum Teil war es ja seine Schuld, dass sie im Moment allein war.

Verflucht!

Er wusste, dass ihr letzter Freund, dieser Mistkerl Jeff, sie nach Strich und Faden betrogen hatte. Trotzdem hatte Gideon einen Monat lang geschwiegen, ehe er ihr reinen Wein eingeschenkt hatte. Ein solches Schuldgefühl löste sich nicht einfach in Luft auf.

Ihm blieb tatsächlich keine Wahl. Vor etwa zwei Jahren hatte er Lucy zuletzt gesehen. Er betrachtete sie immer noch als Freundin, und eine Freundin würde er niemals im Stich lassen, wenn sie ihn brauchte. Über Gideons moralische Integrität ließ sich vielleicht streiten. Aber seine Loyalität hatte niemals außer Zweifel gestanden.

Und wenn er bei diesem irrwitzigen Plan mitmachen würde, könnte er zumindest einen kühlen Kopf bewahren, um sie vor dem Schlimmsten zu schützen – wenn er sie schon nicht vor dem Leid hatte schützen können, das Jeff ihr zugefügt hatte.

„Okay. Ich mache es.“

Lucy traute ihren Ohren nicht. Hatte er das wirklich gesagt? Es war zu schön, um wahr zu sein. Gideon Novak für ihre Absicht zu gewinnen war ihr letztes Ass im Ärmel. In ihrer verzweifelten Situation war er der Einzige, dem sie genug vertraute, um ihn mit der Suche nach einem Ehemann zu beauftragen. Obwohl sie tief in ihrem Herzen nicht mit seiner Zustimmung gerechnet hatte …

„Entschuldige bitte – hast du gerade Ja gesagt?“

„Ja.“ Er sah sie mit seinen dunklen Augen an. Um seine dichten langen Wimpern hatte sie ihn insgeheim immer beneidet. Für Lucy war Gideon immer schon auf verwirrende Weise viel zu attraktiv gewesen. Sein schwarzes Haar war auf lässige Art unordentlich, und sein markantes Kinn sowie seine vollen Lippen hätten sie nachts bestimmt um den Schlaf gebracht, wenn er nicht bloß ein Freund gewesen wäre.

Sie vertrieb den Gedanken – ebenso wie die schmerzhaften Gefühle, die immer dann hochzukommen drohten, wenn sie an ihre verkorkste Beziehung mit Jeff Larson dachte. Die war endgültig Geschichte. Bedauerlich war, dass ihre Freundschaft mit Gideon damals ebenfalls Schaden genommen hatte.

Doch das konnte sich jetzt ändern.

Gideon rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. „Wie hast du dir die Sache denn nun vorgestellt?“, riss er sie aus ihren Überlegungen.

Wenigstens darauf hatte sie eine Antwort. Lucy hatte sehr viel Zeit darauf verwendet, einen Schlachtplan zu entwickeln. Sie hatte sich vorgenommen, ihre Ziele mit so wenig Aufwand wie möglich zu erreichen: einen Ehemann ergattern und befördert werden. „Ich habe mir überlegt, dass du mir eine Aufstellung mit potenziellen Kandidaten zur Verfügung stellen könntest. Ich würde mich dann ein oder zwei Mal mit jedem treffen, und dann würden wir nach und nach die Liste zusammenstreichen, bis nur noch einer übrig bleibt.“

„Hmm.“ Nachdenklich trommelte er mit dem Finger auf sein Knie.

Sie versuchte, unter seinem durchdringenden Blick nicht nervös zu werden. Normalerweise fiel es ihr leicht, distanziert und professionell zu bleiben, wenn sie ihr Anliegen erst einmal vorgebracht hatte. Genauso war es auch bei Gerichtsverhandlungen, wenn sie ihr Eröffnungs- und Schlussplädoyer hielt. Das weitere Vorgehen war dann allerdings eine andere Sache …

„Natürlich bin ich offen für Vorschläge.“

„Natürlich.“ Er nickte, als träfe er soeben eine Entscheidung. „Sollten wir allerdings zusammenkommen – ich meine, geschäftlich –, dann zu meinen Konditionen. Ich suche die Männer aus. Ich organisiere die Treffen. Und wenn mir einer von ihnen nicht gefällt, habe ich ein Vetorecht.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein! Kommt nicht infrage.“

„Du hast mich um Rat gefragt, Lucy. Das bedeutet, du hast Vertrauen in mein Urteilsvermögen.“ Er musterte sie so intensiv, dass sie sich ein wenig unbehaglich fühlte. „So sind die Bedingungen.“

Bedingungen. Verdammt, da fiel ihr noch etwas ein – das Wichtigste hatte sie glatt vergessen.

Es muss nicht das Wichtigste sein. Er weiß noch nicht, dass es ein Teil meines Plans ist. Ich könnte noch einen Rückzieher machen. Noch ist es nicht zu spät dafür …

Aber wenn sie jetzt einen Rückzieher machte, würde sie die tief sitzende Furcht vor ihrem Ex niemals verlieren. Für den Rest ihres Lebens – und ihrer zukünftigen Ehe – würde sie dann an sich und an ihrem Mann zweifeln.

Das durfte sie auf keinen Fall zulassen, egal, wie demütigend es für sie auch sein mochte, Gideon in dieser Angelegenheit um Hilfe zu bitten.

Lucy schlug die Augen nieder, ehe sie weitersprach. Dabei zupfte sie ein wenig verlegen am Saum ihres Rocks. „Da ist noch etwas.“

„Ich höre.“

Plötzlich waren ihre Handflächen ganz feucht. Sie presste sie auf den Schreibtisch. „Triffst du dich momentan mit jemandem?“

„Was zum Teufel hat das mit deinem Auftrag zu tun?“

Eine ganze Menge! Sie hatte noch nie erlebt, dass Gideons Beziehungen länger als ein paar Wochen hielten, aber das bedeutete ja nicht unbedingt, dass er sich in den vergangenen zwei Jahren nicht geändert hatte. Der gesamte zweite Teil ihres Vorhabens beruhte jedoch darauf, dass er sich nicht verändert hatte.

Der Gideon, den sie gekannt hatte, war zwar ihr Freund gewesen, aber auch ein Playboy, wie er im Buche stand. Wenn er sich mit einer Frau traf, war es nie etwas Ernstes gewesen. Wenigstens nicht für ihn. Natürlich hatte er die Frauen nicht schlecht behandelt, aber er war auch nie lange mit ihnen zusammengeblieben.

Kurz gesagt: Er passte perfekt in Lucys Plan.

Sie musste es nur noch über sich bringen, die verflixten Worte auszusprechen. „Ich brauche … Nachhilfe“, gestand sie schließlich, während sie den Blick nicht von ihren Händen nahm, die immer noch auf der Schreibtischplatte lagen.

„Lucy, schau mich an.“

Betreten folgte sie seiner Aufforderung. Er betrachtete sie stirnrunzelnd, als bemühte er sich, ihre Gedanken zu lesen. „Erklär mir mal bitte, wovon zum Teufel du da redest.“

Wenn sie ihn anschauen musste, fiel es ihr viel schwerer, die Worte auszusprechen. Sie presste die Lippen zusammen. Sie hatte ein paar von den gewieftesten Staatsanwälten New Yorks offen und furchtlos ins Gesicht geschaut. Da würde sie es doch wohl auch schaffen, Gideons Blick standzuhalten.

Du weißt, was du zu sagen hast. Du hast es oft genug geübt.

„Ich brauche ein paar Lektionen in … Sex.“ Er sagte kein Wort. Stattdessen saß er vor ihr wie versteinert. Also fuhr sie fort: „Es würde eine arrangierte Hochzeit werden, aber eine ehrliche Ehe. Und da ich nicht noch einmal von einem Verlobten betrogen werden möchte, bedeutet es, dass Sex ein Teil der Abmachung sein muss. Es ist schon so lange her, und ich muss meine Kenntnisse ein bisschen auffrischen.“

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Jeff der einzige Mann war, mit dem ich je geschlafen habe. Und er hat keine Gelegenheit ausgelassen, mich darauf hinzuweisen, wie langweilig er unser Sexleben fand.

Und dann hatte er auch noch die Stirn, mir zu erzählen, er habe mich nur betrogen, weil ich seine Bedürfnisse nicht erfüllen konnte.

Zwar spielten Jeffs Ansichten in ihrem Leben schon lange keine Rolle mehr, aber Lucy hätte lügen müssen, wenn sie behauptete, dass sie seine Worte vollkommen vergessen hätte – und dass sie sich in den zwei Jahren ihres unfreiwilligen Single-Daseins nicht von ihnen hätte beeinflussen lassen. Sex hatte ihr immer Spaß gemacht. Und sie hatte geglaubt, Jeff hätte ebenfalls Spaß gehabt. Aber wenn sie in dieser Beziehung so falsch gelegen hatte – wer konnte garantieren, dass es ihr nicht noch einmal passieren würde?

Wenn sie Gideon zutraute, einen Mann für sie zu finden, dann traute sie ihm auch zu, ihr alles beizubringen, was sie wissen musste, um eine erfolgreiche Ehefrau zu sein. Die Gerüchte über seine Talente ließen darauf schließen, dass es keine schlechte Idee war; er war erfahren genug, um ihr einen Crashkurs in der Kunst der Verführung zu erteilen.

„Das reicht jetzt.“ Er erhob sich und knöpfte sein Jackett zu. „Für die Suche nach einem passenden Ehemann werde ich dir eine Rechnung stellen – die gleiche Summe, die ich jedem Kunden berechne. Aber ich bin kein Sex-Arbeiter, Lucy. Du kannst von einem Mann nicht verlangen, dass er dir Unterricht im Vögeln erteilt.“

Sie tat ihre Bestes, um Haltung zu bewahren.

„Ich verstehe.“

„Dennoch …“ Er schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, was er da sagte. „Komm heute Abend zu mir. Wir werden über alles reden. Und danach schauen wir weiter.“

Das … war zumindest kein Nein. Es war allerdings auch kein Ja.

„Okay.“ Mehr wagte sie nicht zu erwidern aus Angst, dass er seine Meinung ändern könnte. Nach Gideons Miene zu urteilen schien er seine Einladung bereits zu bereuen.

Er musterte sie mit einem kühlen Blick. „Um sieben Uhr. Die Adresse kennst du ja noch.“

Obwohl es keine Frage war, nickte sie bestätigend. „Ich werde da sein.“

„Komm nicht zu spät.“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verließ ihr Büro. Mit offenem Mund sah sie ihm hinterher.

Ein wohliger Schauer durchfuhr sie. Gideon hatte sich soeben bereit erklärt, ihr zu helfen. Ihm eilte der Ruf voraus, immer den richtigen Kandidaten zu finden, und was ihn persönlich anbetraf, verfügte er über alles, um ihre bevorstehende Hochzeit von Anfang an auf die richtige Schiene zu setzen.

Mit seiner Unterstützung konnte nichts schiefgehen.

Damit hatte sie die Beförderung bereits so gut wie in der Tasche. Dessen war sie sich vollkommen sicher.

2. KAPITEL

Gideon schwamm so viele Bahnen, bis jeder Muskel in seinem Körper vor Erschöpfung schmerzte. Doch es half nichts. Lucys ernste Miene und ihre Lippen, die eine Sünde wert waren, gingen ihm nicht aus dem Kopf. Wie gerne hätte er diese Sätze früher aus ihrem Mund gehört. Bring es mir bei. Die Anziehungskraft, die diese Frau auf ihn ausübte, hatte ihm nur Probleme bereitet, und offenbar würde es jetzt noch schlimmer werden, weil er ihr Ansinnen nicht kategorisch abgelehnt hatte, wie er es hätte tun sollen. Stattdessen hatte er sie zu sich nach Hause eingeladen.

Damit sie sich unterhalten konnten.

Darüber, dass er ihr Unterricht im Vögeln erteilte.

Er zog sich aus dem Becken und stellte sich auf den Rand. Was zum Teufel hatte er sich nur dabei gedacht?

Du weißt ganz genau, was du dir dabei gedacht hast.

Gideon begehrte Lucy.

Er begehrte sie seit dem Moment, als er sie vor sechs Jahren zum ersten Mal in jener überfüllten Bar in Queens gesehen hatte. Ihre positive Ausstrahlung hatte ihn sofort beeindruckt, und obwohl er schon einige Drinks intus hatte, wusste er instinktiv, dass sie etwas Besonderes war.

Leider hatte das auch Jeff Larson gewusst, und dieser Bastard war ihm zuvorgekommen. Er hatte Lucy angerufen, sich mit ihr verabredet – und ihr schließlich einen Heiratsantrag gemacht.

Gideon hatte wirklich versucht, sich für seinen besten Freund zu freuen – und sein Begehren für dessen Freundin zu vergessen. Aber so ganz war ihm das nie gelungen. Egal, mit wie vielen Frauen er danach noch ausgegangen war – sein Herz war niemals bei der Sache gewesen. Als Jeff einmal beiläufig Gideons Talent erwähnte, immer wieder gertenschlanke Brünette mit Sommersprossen zu finden, verzichtete er fortan auf Dates und beschränkte sich auf One-Night-Stands.

Er duschte und zog sich schnell an. Er würde sich beeilen müssen, um vor ihr zu sich nach Hause zu kommen. Die Versuchung, Lucy in sein Bett zu bekommen, selbst wenn es nur aus diesem bescheuerten Grund war …

Er müsste schon ein ziemlicher Mistkerl sein, wenn er so etwas täte.

Nein. Gideon wollte bei Lucys Lieblingschinesen etwas zu essen besorgen und ihr dann in aller Ruhe erklären, warum Sex für sie beide nicht infrage käme. Er würde ganz ruhig und vernünftig bleiben und sämtliche Argumente auffahren, um ihr seinen Standpunkt klarzumachen. Sie brauchte keine Unterrichtsstunden. Kein Mann mit Blut in den Adern und einem funktionierenden Schwanz würde ein Problem mit Lucy haben – und mit dem, was sie zu bieten hatte.

Bei der Vorstellung, dass irgendein anderer jeden Morgen neben ihr aufwachen würde, geriet er fast ins Stolpern. Die Vorstellung, in langen Nächten zwischen ihren Schenkeln zu liegen, sich an ihrer Haut zu reiben und die Feuchtigkeit zu spüren …

Mist!

Er ließ seinen Blick durch das Fitnessstudio schweifen und überlegte ernsthaft, die ganze Sache abzublasen und auch die nächsten drei Stunden im Schwimmbecken zu verbringen. Vielleicht würde sich der Gedanke an sie in Gesellschaft eines anderen Mannes dann in Luft auflösen.

Aber er wusste es besser.

Wenn er sich damals nicht darüber hatte freuen können, dass sein bester Freund mit ihr zusammen war, würde er bei der Vorstellung von einem vollkommen Fremden an ihrer Seite kaum glücklicher sein. Es nutzte alles nichts. Lucy würde ihren Plan in die Tat umsetzen – egal, ob er dafür oder dagegen stimmte. Vielleicht konnte er ihr den Teil mit dem Sex ausreden, aber ganz sicher nicht den Ehemann.

Bei Jeff hatte er vollkommen versagt. Obwohl er Gideons bester Freund gewesen war, hatte er die Warnzeichen erst bemerkt, als es schon fast zu spät war. Und dann hatte er noch einen ganzen Monat lang gewartet, ehe er Lucy reinen Wein eingeschenkt hatte. Er war auf ganzer Linie gescheitert, und das hatte ihn ihre Freundschaft gekostet – etwas, das ihm mehr wert war, als er sich hatte eingestehen wollen.

Solchen Mist würde er nicht noch einmal bauen!

Sie wollte einen Ehemann? Nun, dann würde Gideon sich bemühen, den anständigsten Mann für sie zu finden, um sie glücklich zu machen. Das war er ihr schuldig.

Zuhause angekommen blieb ihm kaum Zeit, das mitgebrachte Essen auf die Küchentheke zu stellen, da klopfte es bereits. Er umrundete die Couch und ging zur Tür. „Du bist früh dran.“

„Ich hoffe, es macht dir nichts aus. Dein Portier hat sich noch an mich erinnert, deshalb hat er sich nicht die Mühe gemacht, dir Bescheid zu geben, und mich einfach hereingelassen.“ Das schüchterne Lächeln, mit dem sie ihn begrüßte, versetzte ihm einen Stich ins Herz. Trotzdem war er fest entschlossen, distanziert zu bleiben.

Lucy musste zuvor noch zu Hause gewesen sein, denn sie hatte sich umgezogen: schwarze Leggings und ein leichtes, weit geschnittenes T-Shirt, das jeden Moment über ihre Schulter zu rutschen drohte. Als sie seinen Blick bemerkte, biss sie sich auf die Unterlippe. „Ich weiß, wir haben über Nachhilfe gesprochen, und ich sehe gerade nicht aus wie die geborene Verführerin, aber als ich meinen Kleiderschrank durchsucht habe, konnte ich beim besten Willen nichts Verführerisches finden. So was besitze ich gar nicht.“

Himmel, sie brachte ihn noch um den Verstand. Gideon trat einen Schritt zurück und hielt ihr die Tür auf. „Du siehst toll aus.“

„Toll?“ Sie runzelte die Stirn. „Ich weiß, dass du die ganze Sache ziemlich abgedreht findest, aber du brauchst dir jetzt keine Komplimente abzuringen. Ich habe dich darum gebeten, weil ich dir vertraue. Ich habe immer darauf vertraut, dass du mir gegenüber ehrlich bist.“

Hätte sie ihm ein Messer ins Herz gerammt, der Schmerz wäre kaum geringer gewesen. Leise schloss Gideon die Tür hinter ihr und versuchte, gelassen zu bleiben. Es war egal, für wie aufrichtig sie ihn hielt – er würde nicht mit ihr ins Bett gehen. Er konnte es einfach nicht. „Das wird nicht funktionieren, wenn du alles, was ich sage, hinterfragst. Ich habe gesagt, du siehst toll aus. Und das tust du wirklich. Ich habe dir nicht geraten, dir aufreizende Klamotten anzuziehen, Lucy. Ich habe nur gesagt, komm vorbei, damit wir reden können.“ Und auf ihre Kleidung deutend fügte er hinzu: „Das ist genau richtig für eine Unterhaltung zwischen Freunden.“

„Okay. Gut. Es tut mir leid. Ich bin nervös.“ Sie zupfte an ihrem T-Shirt, was zur Folge hatte, dass es ihr noch tiefer über die Schulter rutschte.

Autor

Katee Robert
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