Neues Jahr, neues Glück?

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Zac ist am Ende! Seine Schwester hat ihm ein besonderes Erbe hinterlassen: ihre Tochter Lucy. Gut, dass seine Assistentin Chloe sich um die Kleine kümmert. Während der Festtage genießt auch Zac ihre betörende Nähe. Doch ein gemeinsames Leben? Für den Playboy unvorstellbar ...


  • Erscheinungstag 28.12.2019
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729059
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der Telefonanruf, der Chloe Meadows Leben verändern sollte, kam, als sie gerade den heldenhaften Versuch unternahm, eine weihnachtliche Lichterkette an der Bürodecke zu befestigen. Sie balancierte dabei auf einem Stuhl, der wiederum auf einem Tisch stand. Es war Mittwochabend und schon ziemlich spät. Das Schrillen des Telefons kam so überraschend, dass Chloe fast aus ihrer schwindelerregenden Position hinuntergestürzt wäre. Vorsichtig kletterte sie nach unten.

Etwas atemlos erreichte sie das Telefon und griff nach dem Hörer.

„Hallo? ZedCee Management Consultants.“ Wer um Himmels willen rief um diese Uhrzeit noch im Büro an?

„Hallo? Ich rufe aus London an“, sagte eine Männerstimme mit eindeutig britischem Akzent. „Könnte ich bitte Mr. Zachary Corrigan sprechen?“ Es klang sehr offiziell.

„Tut mir leid, aber Mr. Corrigan ist nicht im Büro.“ Ihr Chef war bestimmt schon auf irgendeiner Party.

Zac Corrigan ging zwar sowieso jeden Abend aus, aber in einer Woche war Weihnachten. Daher besuchte zurzeit fast jeder ununterbrochen Partys. Das hieß, jeder außer Chloe, ihre gesellschaftlichen Aktivitäten waren selbst zu dieser Jahreszeit eher bescheiden.

Es war traurig, aber wahr: Der einzige Termin in Chloes Festtagskalender war die Weihnachtsfeier im Büro. Seit drei Jahren übernahm sie es, die Party zu organisieren. Sie bestellte Champagner, Wein und Bier und auch die köstlichen Canapées. Sie hatte sich darauf gefreut, heute Abend zu bleiben und das Büro mit festlichen Lichterketten, Lametta und Girlanden aus Stechpalmen zu schmücken.

Früher war sie an Weihnachten immer nach Hause gefahren. Doch ihre Eltern zeigten keine große Begeisterung für kitschige Weihnachtsdekoration. Deshalb war die Feier mit den Kollegen eine gute Gelegenheit für Chloe, auch ein bisschen Weihnachtsspaß zu haben.

„Mit wem spreche ich?“, bellte der Typ in London ins Telefon.

„Mein Name ist Chloe Meadows. Ich bin Mr. Corrigans Assistentin.“

„Ms. Meadows, ich bin Sergeant Davies von der Metropolitan Police und rufe vom Royal London Hospital an. Ich fürchte, die Angelegenheit ist dringend. Ich muss Mr. Corrigan sprechen.“

„Natürlich.“ Chloe vergab dem Polizisten seinen herrischen Ton und griff nach Papier und Bleistift. „Ich rufe Mr. Corrigan sofort an und sage ihm, er soll Sie zurückrufen.“

Sergeant Davies gab ihr seine Nummer, und Chloe dankte ihm. Mit einem unangenehmen Gefühl im Magen wählte sie Zac Corrigans Handynummer.

Der Reißverschluss des schwarzen Kleides öffnete sich langsam und enthüllte einen entzückenden Rücken. Zac Corrigan lächelte. Die Frau war wirklich zauberhaft.

Mit der Routine des erfahrenen Lovers liebkoste er die cremeweißen Schultern. Das Mädchen kicherte. Du lieber Himmel, warum kicherten Mädchen immer, wenn sie Champagner getrunken hatten?

Nicht wichtig. Ihre Haut war weich und warm, ihre Figur hinreißend. Und für eine Nacht, die genauso heiß zu werden versprach wie die vom letzten Wochenende, würde er ihr sogar das alberne Gekicher verzeihen.

Er beugte sich über sie und drückte einen Kuss auf ihren Nacken, strich zart mit den Lippen über ihre Haut. Sie kicherte schon wieder, aber sie roch wunderbar. Zacs Erregung wuchs, während er ihre Schulter mit kleinen Küssen bedeckte.

Das plötzliche Summen seines Handys verdarb alles. Leise fluchend warf Zac einen wütenden Blick in Richtung Sessel, wo er das Handy zusammen mit seinem Jackett und Schlips deponiert hatte.

„Ich geh ran!“, quietschte das Mädchen.

„Nein, lass es.“

Zu spät. Sie hatte sich bereits losgemacht und hechtete aufgeregt lachend zum Sessel. Gerade so, als wäre es das schönste Spiel, den Anruf zu beantworten.

Chloe unterdrückte ein Stöhnen, als sie die leicht schleppende Frauenstimme hörte. „Hi“, zwitscherte das Mädchen. „Kung Fu’s China Service. Was kann ich für Sie tun?“

„Hi, Jasmin.“ Leider kannte sie die meisten Freundinnen ihres Chefs. Gewöhnlich waren sie eher mit Schönheit als mit Intelligenz gesegnet. Das hieß, dass sie ihn fortwährend im Büro anriefen, und Chloe viel zu viel Zeit damit verbringen musste, sie abzuwimmeln. „Hör auf mit dem Blödsinn und gib mir Zac.“

„Jasmin?“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang empört. „Zac, wer ist Jasmin?“

Aua. Unter anderen Umständen hätte Chloe sich jetzt entschuldigt, aber heute Abend sagte sie laut und deutlich: „Hier ist Mr. Corrigans Assistentin. Die Sache ist dringend. Ich muss ihn sofort sprechen.“

„Schon gut, schon gut.“ Jetzt war das Mädchen eindeutig sauer. Dann sagte sie in einer Art spöttischem Singsang: „Mr. Corrigan, Ihre Assistentin möchte Sie sprechen. Sie sagt, Sie sollten sich besser beeilen.“ Es folgte ein albernes Gekicher.

„Gib her!“ Zac klang ungeduldig. „Was zum Teufel ist los, Chloe?“

„Ein dringender Anruf aus London“, sagte Chloe. „Von der Polizei. Aus einem Krankenhaus.“

„Aus London?“ Das Entsetzen in seiner Stimme war nicht zu überhören.

„Ja. Der Polizist sagte, Sie sollten sofort zurückrufen.“

Sie hörte, wie er nach Luft schnappte. Dann war da so ein Geräusch … nein, das war bestimmt kein Schluchzen. Sie musste sich verhört haben. Während der ganzen drei Jahre, die sie nun schon für ihn arbeitete, hatte sie nie auch nur die kleinste Schwäche an ihm entdeckt.

„Gut.“ Er klang immer noch fremd, gar nicht wie der Zac, den sie kannte. „Haben Sie die Nummer?“

Chloe gab sie ihm und hörte, wie er sie wiederholte. Eigentlich verbot sie sich jedes Mitgefühl, was das Privatleben ihres Bosses betraf. Es war nämlich das reinste Chaos. Aber diese Situation jetzt war anders. Irgendwie beängstigend. Ihr war keine Verbindung zwischen ihrem Chef und London bekannt. Dabei wusste sie doch fast alles über ihn.

„Ich melde mich, falls ich Sie brauche“, sagte Zac.

Er wählte die Londoner Nummer. Dieser Notfall musste etwas mit Liv zu tun haben. Ganz bestimmt. Immer hatte er sich einzureden versucht, dass seine kleine Schwester endlich erwachsen war und sehr gut ihr eigenes Leben führen konnte. Besonders, nachdem sie, gegen seinen Willen, mit diesem höchst zweifelhaften Freund nach England gegangen war. Aber …

Liv.

Seine kleine Schwester.

Sie war alles, was ihm von seiner Familie geblieben war …

Er war doch verantwortlich …

„Hallo“, meldete sich eine geschäftsmäßige Stimme. „Hier spricht Sergeant Davies.“

„Hier ist Zac Corrigan. Ich glaube, Sie haben versucht, mich zu erreichen.“

„Oh ja, Mr. Corrigan.“ Die Stimme des Polizisten wurde sofort liebenswürdiger, was auf Zac alles andere als beruhigend wirkte. „Kann ich davon ausgehen, dass Sie Zachary James Corrigan sind?“

„Ja.“ Was hatte Liv angestellt? Doch nicht schon wieder eine Überdosis? Bei ihrem Telefonat vor zwei Wochen hatte sie geschworen, sie wäre clean. Schon seit über einem Jahr.

„Und Sie sind der Bruder von Olivia Rose Corrigan?“

„Ja, bin ich. Man sagte mir, Sie hätten aus einem Krankenhaus angerufen. Warum?“

„Es tut mir leid, Mr. Corrigan“, sagte der Polizist. „Ihre Schwester ist heute an den Folgen eines Unfalls gestorben.“

Oh Gott!

Unmöglich.

Der Schock traf Zac wie eine Explosion, er drohte zusammenzubrechen. Liv konnte nicht tot sein. Das war einfach nicht möglich.

„Es tut mir leid“, sagte Sergeant Davies noch einmal.

„Ich … ich verstehe“, brachte Zac mühsam hervor. Es war dumm, das zu sagen, aber sein Gehirn war wie betäubt vor Schmerz.

„Haben Sie irgendwelche Verwandte hier in England?“, fragte der Polizist.

„Nein.“ Nur vage nahm er das Mädchen wahr, Daisy. Das schwarze Kleid hing ihr über die Schultern. Sie beugte sich über ihn, in ihren stark geschminkten Augen las er Neugier. Er wandte ihr den Rücken zu.

„Dann werden Sie unser Kontaktmann sein, nehme ich an?“

„Ja“, erwiderte Zac steif. „Aber sagen Sie mir, was passiert ist.“

„Ich leite Sie weiter an jemanden vom Krankenhaus, Sir. Der Arzt kann all Ihre Fragen beantworten.“

Benommen und verzweifelt wartete Zac. Es klickte ein paar Mal im Telefon, dann meldete sich eine weibliche Stimme.

„Mr. Corrigan?“

„Ja“, antwortete er.

„Ich bin Dr. Jameson von der Entbindungsstation.“

Das konnte doch nur ein Scherz sein!

„Es tut mir sehr leid, Mr. Corrigan. Ihre Schwester wurde nach einem Verkehrsunfall bei uns eingeliefert. Sie hatte schwere Kopf und Brustverletzungen. Sie kam sofort in den OP, aber ihre Verletzungen waren zu schwer.“ Eine kleine Pause. „Wir taten unser Bestes, leider konnten wir sie nicht retten.“

Zac wurde es plötzlich eiskalt. Jetzt war es also passiert. Seine schlimmsten Ängste waren wahr geworden. In all den Jahren hatte er es immer wieder mit Liv versucht. Und war immer wieder gescheitert.

Dieses Mal war es zu spät, um es noch einmal zu versuchen.

Er konnte nicht atmen, nicht denken. Von Entsetzen geschüttelt kämpfte er gegen die Bilder in seinem Kopf, die Vorstellung, wie der Unfall abgelaufen war. Stattdessen klammerte er sich an seine Erinnerungen, an damals, als seine schöne, rebellische Schwester kaum sechzehn Jahre alt gewesen war. Er sah sie am Strand von Stradbroke Island, wie sie die schlanken, braun gebrannten Arme ausbreitete und ihre wilde dunkle Haarmähne im Seewind flatterte. Lachend drehte sie sich in kindlicher Freude im Kreis, und ihre weißen Zähne blitzten.

Wie gut er sich an sie erinnerte! In ihrem leuchtend bunten Sarong über dem gelben Bikini war sie so schön gewesen! Und unschuldig. Zumindest hatte Zac das geglaubt. Und immer, immer so voller Lebensfreude.

Er konnte nicht glauben, dass sie nicht mehr am Leben war.

„Wir konnten aber das Baby retten“, sagte die englische Ärztin.

Baby? Zac bekam vor Schreck weiche Knie und setzte sich auf die Bettkante. Wieso gab es ein Baby?

„Sind Sie noch da, Mr. Corrigan?“

Er schluckte schwer. „Ja.“

„Sie werden hier als der nächste Verwandte Ihrer Schwester genannt. Also nehme ich an, Sie wussten von der Schwangerschaft?“

„Ja“, log er, obwohl er in Wahrheit keine Ahnung gehabt hatte. Bei ihrem Telefongespräche vor gerade mal zwei Wochen hatte Liv ihre Schwangerschaft mit keinem Wort erwähnt.

„Ihre Schwester hatte bereits Wehen“, berichtete die Ärztin. „Wir nehmen an, sie war auf dem Weg ins Krankenhaus, als der Unfall passierte.“

„Verstehe.“ Zac stützte die Ellbogen auf die Knie. „Also …“, Er stockte und holte zitternd Luft. „Das Baby … ich meine, ist es ok?“

„Ja. Ein wunderschönes kleines Mädchen, völlig unverletzt. Wir holten sie durch Kaiserschnitt.“

Zac presste seine zitternde Hand gegen die schmerzende Stirn. Diese Frau versuchte ihm gerade zu erklären, dass durch eine verrückte Wendung des Schicksals seine Schwester gestorben und an ihrer Stelle ein Baby aufgetaucht war. Wie bizarr war das denn?

Am liebsten hätte er das Gespräch beendet. Er wollte nichts mit diesen entsetzlichen Neuigkeiten zu tun haben, die man ihm gerade in aller Seelenruhe mitteilte.

Aber er wusste natürlich, dass er keine Wahl hatte.

Mit äußerster Anstrengung verdrängte er seinen Schmerz. Ganz der coole Geschäftsmann, der er normalerweise auch war, zwang er sich, sich den Tatsachen zu stellen.

„Ich vermute, Sie haben den Vater des Kindes kontaktiert?“ Er erinnerte sich an den Mann, der Liv überredet hatte, mit ihm durchzubrennen. Irgend so ein Bursche aus einer Band, die keiner kannte. Ein schon älterer Mann mit rastlosen Augen, die immer Zacs Blick ausgewichen waren.

„Ihre Schwester konnte uns den Namen des Vaters nicht nennen. Es war ein Mann bei ihr im Wagen. Aber er behauptete, er sei nur ein Nachbar und nicht der Vater. Unsere Bluttests haben das auch bestätigt.“

„Aber er könnte Ihnen doch …“

„Ich befürchte, er kennt den Vater auch nicht.“

„Verstehe.“ Zac holte tief Luft und straffte die Schultern. „Dann trage ich praktisch die alleinige Verantwortung für das Baby?“ Noch während er sprach, merkte er, wie kalt und gefühllos er klang. „Ich werde … äh … dafür sorgen, dass ich so schnell wie möglich nach London kommen kann.“

Chloe hatte gerade die letzte Dekoration aufgehängt, als ihr Chef zurückrief.

„Chloe, ich weiß, es ist spät, aber Sie müssen mir einen Flug nach London buchen.“ Seine Stimme klang geschäftsmäßig, aber etwas gepresst. So wie jemand spricht, der Mühe hatte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. „Der erste Flug morgen früh, wenn möglich.“

„Natürlich. Soll ich auch ein Hotel reservieren?“ Chloe hoffte, dass sie nicht zu besorgt klang. Wenn er in Schwierigkeiten steckte, war eine verunsicherte Assistentin das Letzte, was er brauchte.

„Ja, bitte. Irgendwo im Zentrum.“

„Kein Problem.“ Sie fuhr schon ihren Computer hoch.

„Und könnten Sie Foster anrufen und ihm sagen, dass Jim Keogh mich bei der morgigen Besprechung vertreten wird?“

„In Ordnung.“ Chloe wartete, ob noch mehr Anweisungen kamen.

„Genau genommen …“

„Ja?“

„Buchen Sie besser zwei Flüge nach London. Nur Hinflüge. Ich weiß nicht, wie lange ich dort bleiben muss.“

Es war lächerlich, aber Chloe wurde das Herz schwer. Eine dumme Reaktion. Was kümmerte es sie, wenn ihr Chef dieses giggelnde Mädchen zu einem Trip nach London mitnahm?

„Auf welchen Namen lautet das zweite Ticket?“, fragte sie ruhig, während sie die Website der Fluglinie auf ihrem Bildschirm aufrief.

„Äh, gute Frage …“

Pause. Chloe fing an, das Formular auszufüllen. Abflug ab … Brisbane, Australien. Flugziel … London, UK. Datum …

„Haben Sie viel zu tun, Chloe?“

„Wie bitte?“

„Könnten Sie sich einige Tage freinehmen?“

„Um nach London zu fliegen?“

„Ja. Das ist ein Notfall. Ich brauche jemand, der … kompetent und zuverlässig ist.“

Chloe ließ fast den Hörer fallen. Fragte Zac sie tatsächlich, ob sie mit nach London fliegen wollte? An Weihnachten?

„Ich weiß, das kommt überraschend. Und es ist auch noch Weihnachten und so …“

Ihr drehte sich der Kopf. Zuerst vor Schreck, dann vor Aufregung und dann bei dem Gedanken an ihre Eltern. Die warteten auf sie. Ohne Chloe würden sie niemals zurechtkommen. Sie musste sich um die Einkäufe kümmern, das Weihnachtsessen kochen und die beiden in die Kirche fahren.

„Tut mir leid, Zac. Ich glaube wirklich nicht, dass ich so kurzfristig hier weg kann.“

Während sie das sagte, hörte sie, wie die Tür hinter ihr geöffnet wurde. Sie sprang auf, drehte sich um und sah ihren Chef das Büro betreten.

Wie immer, wenn sie ihm begegnete, machte ihr Herz einen kleinen Sprung. Inzwischen hatte sie sich an diese lästige Reaktion gewöhnt. Es hatte auch gar nichts zu bedeuten. Die meisten Frauen reagierten so, wenn sie Zac Corrigan sahen. Er gehörte zu dieser besonderen Sorte Mann: groß, dunkel und gut aussehend.

Heute Abend war er blasser als sonst, und seine grauen Augen verrieten, dass er einen Schock erlitten hatte, der ihm immer noch zusetzte.

„Wenn Sie mit mir kommen, zahle ich Ihnen einen saftigen Weihnachtsbonus“, meinte er und trat an ihren Schreibtisch.

Aber den hatte sie doch schon erhalten. „Sagen Sie mir, worum es geht?“, fragte sie. „Was ist passiert?“

Was passiert ist?

Zac rieb sich die Stirn. Die leise pochenden Kopfschmerzen, die ihn seit dem Anruf aus dem Krankenhaus quälten, drohten stärker zu werden.

„Alles in Ordnung, Zac? Sie sehen …“

Chloe schob ihm rasch einen Stuhl hin. „Hier, setzen Sie sich.“

Abwehrend hob er die Hand. „Schon gut, danke. Ich bin o. k.“

„Sorry, sieht nicht so aus.“

Zu Zacs Erstaunen packte seine Assistentin ihn energisch am Arm. „Sie sollten sich besser hinsetzen, bevor Sie mir noch zusammenbrechen.“

Er setzte sich.

„Soll ich Ihnen eine Tasse Tee bringen?“ Wäre er nicht so fertig gewesen, er hätte über dieses altmodische Angebot seiner biederen, immer pflichtbewussten Assistentin lächeln müssen. Sie trug eines ihrer üblichen Business-Kostüme. Die weiße Bluse war züchtig zugeknöpft und keines ihrer braunen Haare lag nicht so, wie es sollte. Die gute alte, verlässliche Chloe!

Zac war überaus erleichtert, sie heute Abend zu sehen. Er hatte die kichernde Daisy so schnell wie möglich loswerden wollen. Im Gegensatz zur ihr war die kühle, beherrschte Chloe ein beruhigender und tröstlicher Anblick.

„Ich brauche keinen Tee“, sagte er. „Ich möchte nur die Sache mit diesen Flügen auf die Reihe bringen. Und ich könnte Ihre Hilfe in London wirklich gut brauchen.“

„Ich vermute, das hängt wohl alles mit dem Telefonanruf aus dem Krankenhaus zusammen.“

„Ja.“ Zac schluckte schwer und versuchte, den brennenden Schmerz zu verdrängen, der sich in seiner Kehle eingenistet zu haben schien. „Ich fürchte, das war keine gute Nachricht“, erwiderte er bedrückt. „Eine schlimme Nachricht. Die schlimmste überhaupt.“

„Oh nein … Das tut mir leid.“

Zac konnte das Mitleid in Chloes sanften braunen Augen nicht ertragen. Während er blind auf den grauen Teppichboden starrte, erzählte er ihr dann alles.

Als er geendet hatte, brauchte Chloe eine Ewigkeit, bis sie etwas darauf erwiderte. „Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll“, meinte sie endlich. „Das ist alles so schrecklich. Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Schwester hatten.“

„Ja … also …“ Er brachte es nicht über sich, ihr zu sagen, wie fremd ihm Liv geworden war. Und dass er nichts von dem Baby gewusst hatte. Dass Liv ihm weder etwas von der Schwangerschaft, noch von ihrem neuen Wohnort London erzählt hatte.

„Vermutlich werden Sie Hilfe brauchen … wenn man den Vater des Babys nicht findet.“

„Ja, ich werde sein … ich meine, ihr Vormund sein.“ Nach Livs Überdosis hatte er nämlich darauf bestanden, dass sie ein Testament verfasste. Er hatte gehofft, dass sie dadurch ein wenig zur Vernunft kommen würde. „Ich schaffe es aber nicht allein.“

Babys hatte er noch nie auf seinem Radar gehabt. Für ihn waren sie nichts als eine verschwommene Möglichkeit in ferner Zukunft gewesen, wenn er ruhiger geworden war und vielleicht eine Frau haben würde. Und obwohl er bereits zweifacher Patenonkel war, hatte er noch nie ein Baby auf dem Arm gehalten. Ihm hatte es genügt, die teuersten Geschenke zu kaufen und sich im Hintergrund zu halten.

„Wir werden sicher jemanden finden.“ Chloe war bereits damit beschäftigt, sich durch irgendeine Liste zu scrollen.

„Jemanden finden?“, fragte Zac und runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?“ Er brauchte niemanden zu finden. Er hatte doch Chloe.

Sie drehte sich zu ihm und lächelte ihn fast schon mitleidig an. „Das hier ist eine Liste Ihrer Freundinnen.“

„Die haben Sie alle im Computer?“

„Was glauben Sie denn, wie ich es schaffe, alle Ihre …“

„Schon gut, schon gut.“ Er wedelte ungeduldig mit der Hand. Er wusste, dass Chloe das reinste Wunderwesen war, was das Management seiner zahlreichen Freundinnen betraf. Sie war es, die ihnen die Einladungen, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke schickte, aber er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie sie den Überblick behielt.

„Was ist mit Marissa Johnson?“, fragte sie jetzt. „Sie kam mir immer einigermaßen vernünftig vor.“

„Nein“, sagte Zac und dachte daran, dass die Trennung von ihr ziemlich ungemütlich gewesen war. Ungeduldig sprang er auf. „Es hat keinen Zweck, in diese Liste zu schauen. Ich will keine von denen. Ich will Sie, Chloe. Seit drei Jahren arbeiten wir jetzt schon zusammen, und ich weiß, Sie wären genau die Richtige.“

Zu seiner Überraschung überzog eine leichte Röte ihre Wangen. Dass ihr das Erröten so gut stand, brachte ihn leicht aus der Fassung.

„Ich verstehe aber nicht viel von Babys“, sagte sie.

„Wirklich nicht?“ Zac runzelte die Stirn. Aber sie war doch eine Frau! „Bestimmt genug, um Windeln zu wechseln, oder? Und wenn man Ihnen zeigt, wie man Fläschchen gibt, können Sie es nachmachen. Es ist doch nur für ein paar Tage, Chloe. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass ich das Kind hierher mitnehmen muss. Ich brauche Hilfe. Wenigstens, bis ich alles geregelt habe.“

Wobei er keine Ahnung hatte, ob sich dieses Problem überhaupt regeln lassen würde. Im Moment war er einfach noch zu sehr geschockt. Zu traurig. Er wollte nicht über ein neues kleines Leben nachdenken, wo Liv doch gerade …

„Tut mir leid“, sagte Chloe hastig. „Ich würde ja gerne helfen, aber ich kann nicht so mir nichts dir nichts nach Europa fliegen. Da sind ja auch noch meine Eltern …“

„Ihre Eltern?“ Wieso dachte eine Frau um die Dreißig an ihre Eltern? Aber dann fiel ihm ein, dass Familie bei ihm ja keine große Rolle spielte. Seine Eltern waren gestorben als er achtzehn war. Seit fast siebzehn Jahren kam er ohne sie zurecht.

Aber jetzt gab es da ein Baby … eine Nichte … ein anderes kleines Mädchen, für das er die Verantwortung trug. Unversehens erwachte ein heftiger Schmerz in seiner Brust. Auf eine makabre Art wiederholte sich alles.

„Es ist Weihnachten“, sagte Chloe, als würde das alles erklären. Sie betrachtete die hübsche Dekoration, mit der sie das Büro geschmückt hatte. „Soll ich mich um eine Kinderschwester kümmern?“

Zac stieß einen schwachen Seufzer aus. „Das Letzte, was ich jetzt noch brauche, sind Einstellungsgespräche mit Nannys.“

„Ich kann das für Sie tun.“

„Nein“, stieß er wütend hervor. „Dazu haben wir keine Zeit.“

Für diese delikate Angelegenheit brauchte er jemanden, den er kannte. Eine vertrauenswürdige, loyale Frau, vernünftig und tüchtig. Eine Frau, die ihn nicht durch ihre erotische Ausstrahlung ablenkte.

Chloe Meadows erfüllte all diese Voraussetzungen.

2. KAPITEL

Chloe konnte nicht glauben, dass das alles wirklich passierte. Sie saß mit ihrem Chef bei Kaffee und Croissants in der Lounge des Flughafens von Brisbane, hatte ein Ticket nach London in ihrer Handtasche, ihre graue Winterjacke und ein rosa Schal lagen sorgfältig gefaltet auf dem Sitz neben ihr und zu ihren Füßen stand eine gepackte Reisetasche.

Sie wusste immer noch nicht, wie es Zac fertiggebracht hatte, sie zu überreden. Er hatte ihre Argumente einfach beiseite gewischt.

Zu ihrem Erstaunen hatte er sogar ihre berechtigten Bedenken wegen ihrer Eltern pflichtgemäß zur Kenntnis genommen und dann rasch und zur Zufriedenheit aller aus der Welt geschafft.

Chloe war ziemlich verblüfft gewesen, als er sie gestern Abend fragte, ob er ihre Eltern besuchen könnte. „Mum und Daddy sind bestimmt schon im Bett“, hatte sie schwach zu protestieren versucht.

„Warum rufen Sie sie nicht an. Dann wissen Sie es“, hatte er nur gemeint.

Zu ihrer Überraschung waren sie noch auf gewesen. Und was noch verwunderlicher war, sie hatten behauptet, sie würden sich freuen, Chloes Chef kennenzulernen. Er müsste nur entschuldigen, dass sie schon in Morgenrock und Pantoffeln wären.

Zac sagte, das würde ihm nicht das Geringste ausmachen.

Dann hatte er seinen ganzen Charme spielen lassen. Und darin war ihr Chef wirklich ein Meister. Zum Schluss hatte er ihren Eltern auch noch angeboten, sie im Riverslea Hotel einzuquartieren, inklusive Weihnachtsbankett und natürlich alles auf seine Kosten. Chloe war überzeugt gewesen, sie würden ablehnen. Normalerweise wäre ihnen das alles viel zu viel Tamtam gewesen.

Doch bevor ihre Eltern widersprechen konnten, hatte Zac noch einen Wagen mit Fahrer draufgelegt, der sie an Weihnachten in die Kirche oder zum Doktor oder sonst wohin fahren würde. Und dazu noch eine Krankenschwester, die aufpassen sollte, dass sie täglich ihre Medikamente einnahmen.

Chloes Mutter schien immer noch Zweifel zu hegen. Ihr Mann gab ihr schließlich einen kleinen Rippenstoß. „Das wäre doch wie Ferien, Schatz“, meinte er.

Trotzdem war Chloe überzeugt, dass ihre Eltern Nein sagen würden. Aber dann erzählte Zac ihnen im Brustton der Überzeugung, wie wahnsinnig wichtig, nein, unbezahlbar ihre Tochter für ihn wäre und wie sehr er sie für diese sehr wichtige Angelegenheit in London bräuchte.

Irgendwie traf er den richtigen Ton. Als er fertig war, schnurrten die beiden fast vor Entzücken wie Kätzchen, denen man die Bäuchlein gekrault hatte.

Und jetzt … heute Morgen hatten ihre Eltern in ihren altmodischen Kleidern und mit bescheidenem Gepäck in der luxuriösen Hotelsuite mit goldenen Wasserhähnen im Bad ziemlich deplatziert gewirkt. Aber das Lächeln auf ihren Gesichtern sprach Bände.

„Geh, und schau nach deinem netten Mr. Corrigan“, hatten sie zu Chloe gesagt und sie praktisch aus der Tür gedrängt. „Um uns brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“

Wahrscheinlich erkundeten sie jetzt wie aufgeregte Kinder ihre Suite, entdeckten die kleinen Fläschchen mit Shampoo und Schaumbad und ließen sich auf die Matratze des großen Bettes fallen. Zac Corrigan hatte ein kleines Wunder vollbracht.

Und sie selbst war auf dem Weg nach London!

Okay. Tief Luft holen. Hoffentlich machte sie keinen großen Fehler. Schließlich wusste sie, warum ihr Chef keine seiner Freundinnen bitten wollte, ihn auf dieser sehr persönlichen Reise zu begleiten. Er liebte nur flüchtige, unbedeutende Beziehungen. Und dieser Aufenthalt in London würde alles andere als unbedeutend sein.

Sie wusste auch, warum ihr Boss sie für die passende Wahl hielt. Sie war kompetent und unkompliziert. Und er vertraute darauf, dass sie es auch blieb. Das war ihr übrigens nur recht so. Ehrlich. Ganz bestimmt.

Ja, schon … es bestand eine gewisse Gefahr, dass diese dummen sehnsüchtigen Gefühle, die sie manchmal für Zac empfand, wieder in ihr aufsteigen könnten. Aber sie hatte schon genug Erfahrung damit, um sie unter Kontrolle zu halten. Die paar Tage würde sie das enge Beieinandersein schon aushalten können.

So war es vielleicht auch ganz in Ordnung, wenn sie sich eingestand, dass sie ein winziges bisschen aufgeregt war. Oder es zumindest wäre, wenn sie sich keine Sorgen wegen Zac und der traurigen Pflicht machen würde, die ihn nach der Landung erwartete.

Tatsächlich waren sie ins Flugzeug gestiegen und flogen jetzt, laut der Karte auf dem Bildschirm, hoch über dem Indischen Ozean.

Autor

Barbara Hannay
Die Kreativität war immer schon ein Teil von Barbara Hannays Leben: Als Kind erzählte sie ihren jüngeren Schwestern Geschichten und dachte sich Filmhandlungen aus, als Teenager verfasste sie Gedichte und Kurzgeschichten.
Auch für ihre vier Kinder schrieb sie und ermutigte sie stets dazu, ihren kreativen Neigungen nachzugehen.
Doch erst als...
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