Paradiesische Stunden in deinen Armen

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Sie ist nur die Tochter der Köchin - und er der Sohn des einflussreichen Plantagenbesitzers. Trotzdem widerstehen sie der überwältigenden Anziehungskraft nicht, die sie einander in die Arme treibt. Heiß lodert ihr Verlangen auf, sodass Anna und Naldo alles andere vergessen und sich auf Paradiso ihren Sehnsüchten bedenkenlos hingeben. Plötzlich erfährt er jedoch, dass Anna Juwelen, ein mysteriöses Kochbuch und sogar einen Teil der Plantage erbt. Als Naldo dem Geheimnis dahinter auf die Spur kommt - wird ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt …


  • Erscheinungstag 09.06.2008
  • Bandnummer 1514
  • ISBN / Artikelnummer 9783863499112
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Was machen Sie hier?“ Eine herrische Stimme dröhnte durch das winzige, finstere Cottage.

Er war es.

Sie hatte gewusst, dass sie Reynaldo De Leon früher oder später sehen würde – schließlich war es sein Haus –, doch sie wollte diesen Moment in besserer Stimmung und chic gekleidet erleben. Nicht verschwitzt, ungepflegt und emotional aufgewühlt, nachdem sie den ganzen Tag die Habseligkeiten ihrer Mutter sortiert hatte.

Anna Marcus hielt die Tüte mit dem fettigen Fast Food fest in der Hand.

Er blickte auf sie herab. Eine Falte zeigte sich zwischen seinen schwarzen Augenbrauen. „Sind Sie gekommen, um hier sauber zu machen?“

Er wirkte riesig in der engen Küche, und in dem schwachen Licht der einzigen Glühbirne konnte sie seine arroganten Gesichtszüge und die vollen, sinnlichen Lippen sehen. Die Mundwinkel hatte er verächtlich nach unten gezogen. „Wenn Sie stundenweise bezahlt werden, werde ich Sie für heute Abend entschädigen, aber Sie müssen Ihrem Arbeitgeber sagen, dass er sich mit mir in Verbindung setzen soll, bevor irgendetwas entfernt wird.“

Er hält mich für eine Putzfrau? Erkannte er sie denn nicht?

Plötzlich war ihr alles zu viel. Ihre sanftmütige Mutter war im Alter von nur achtundvierzig Jahren bei einem Unfall auf einer Fernstraße in Florida ums Leben gekommen.

„Nun?“ Er verschränkte die Arme über dem teuren Hemd.

Tränen schimmerten in ihren Augen. Fang jetzt bloß nicht an zu weinen. Sie hatte den geschäftlichen Bankrott und ihre Scheidung überlebt und auch den Verlust des einzigen Menschen auf der ganzen Welt, auf den sie sich immer hatte verlassen können. Sie würde sich jetzt nicht von diesem Mann aus der Fassung bringen lassen …

Sie biss sich auf die Lippen.

„No hablas inglés?“ Fragend zog er die schwarzen Augenbrauen hoch.

„Natürlich spreche ich Englisch“, stieß sie hervor.

„Die Tüte tropft.“

„Was?“ Sie folgte seinem Blick auf die braune Papiertüte in ihrer Hand. „Oh, das ist mein Abendessen.“

Sein Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. „Na los, dann essen Sie schon.“ Er deutete auf den mit Resopal beschichteten Tisch. „Lebensmittel sollten nicht vergeudet werden.“

Vielleicht konnte sie mitspielen, bis er ging. Ihn in dem Glauben lassen, dass sie tatsächlich eine schlecht bezahlte Putzfrau war. Welche Rolle spielte es schon? Weder er noch sein Vater hatten es für nötig gehalten, zu der Beerdigung ihrer Mutter zu kommen, obwohl Letty Marcus mehr als fünfzehn Jahre hier gelebt und für die Familie gekocht hatte. Die „Helden des Alltags“ wie sie und ihre Mutter waren für diese Leute völlig unwichtig.

Sicher, sie besaß einen Hochschulabschluss und hatte kurzfristig eine erfolgreiche Immobilienfirma geleitet, doch im Moment befand sie sich eher auf der Schattenseite des Lebens, war völlig abgebrannt und hatte kein Dach über dem Kopf.

Als sie einen Teller vom Tresen nahm und sich an den Tisch setzte, spürte sie seine Blicke. Diese Augen hatten sie in ihren Teenagerträumen verfolgt und sie hoffen lassen, dass er sie eines Tages …

… lieben würde?

Wie lächerlich. Sie nahm den Big Mac mit Käse aus der Tüte und legte ihn auf den Teller. Dann setzte sie sich, doch der Appetit war ihr vergangen. „Wollen Sie dort stehen bleiben und mir zusehen?“

„Natürlich. Ich kann eine Fremde nicht unbeobachtet auf dem Familienbesitz herumhantieren lassen. Das verstehen Sie doch sicherlich.“

Eine Fremde? Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.

Sie war also nur eine weitere unbedeutende Person auf dem großen Anwesen. Niemand Besonderes. Er hatte wahrscheinlich nicht einen einzigen Gedanken an sie verschwendet, seit sie sich das letzte Mal auf dem Tennisplatz gegenübergestanden hatten.

Sie dagegen hatte an ihn gedacht. Häufiger, als sie zugeben wollte. Sie legte den Burger auf den Teller und stand auf. „Ich muss gehen.“

Naldo griff in seine Gesäßtasche und zog einen Zwanzigdollarschein aus der Geldscheinklammer. „Hier. Sie können morgen wiederkommen.“

Nachdem ich gefunden habe, wonach ich suche.

„Ich will Ihr Geld nicht.“ Sie wandte sich ab. „Und ich bin nicht hungrig. Sie können den Burger essen.“

Naldo unterdrückte ein Lächeln bei dem Gedanken, den fettigen Burger der Putzfrau zu essen. Im Haus wartete ein frisch zubereiteter Hummer auf ihn.

Obwohl er heute eigentlich gar keinen Appetit verspürte.

Er sah sich nach einem Stück Papier um, um seine Telefonnummer aufzuschreiben. Wenn er die Putzfrau noch einen Tag hinhalten konnte, dann war alles okay. Heute Abend würde er finden, wonach er suchte. Das Cottage war winzig.

Die junge Frau sagte nichts, deshalb schrieb er die Nummer auf den herzförmigen Notizblock neben dem Telefon, riss den Zettel ab und reichte ihn ihr. Ein kleiner Schweißtropfen glänzte wie eine winzige Perle über ihren pinkfarbenen Lippen.

Als sie den Zettel nahm, berührten ihre Fingerspitzen seine Handfläche, und er hatte das Gefühl, einen elektrischen Schlag zu bekommen. Ihre Blicke begegneten sich, und plötzlich erkannte er sie.

„Anna.“

Sie hob den Kopf.

Einen Moment lang starrte er sie an, als könnte er seinen Augen nicht trauen. Diese magere, nervöse Frau entsprach so gar nicht dem frechen Wildfang, der sie einst gewesen war. „Es ist lange her.“

„Scheint so.“ Verächtlich verzog sie den Mund.

„Du hast dich verändert.“ Die Worte kamen ihm über die Lippen, bevor er darüber nachdenken konnte.

„Das bringt die Zeit mit sich. Zumindest bei einigen Menschen. Du hast dich überhaupt nicht verändert.“

„Du bist so dünn.“

„Das entspricht dem Mode-Ideal.“

„Deine Haare. Damals waren sie rot.“

„Ich habe sie gefärbt.“

„Du färbst deine Haare?“ Unvorstellbar, dass die jungenhafte Anna, an die er sich erinnerte, so etwas typisch Weibliches tat.

„Sieh mich nicht so geschockt an. Die meisten Frauen tun es.“

„Du warst nie wie die meisten Frauen.“

„Wer sagt, dass ich es jetzt bin?“ Ihre Augen blitzten.

„Ich habe gehört, dass du sehr erfolgreich bist.“ Ihre stolze Mutter hatte ihn immer auf dem Laufenden gehalten: Hochschulabschluss mit magna cum laude, ein Job bei einem erstklassigen Bauunternehmer, der Vorstoß in die Selbstständigkeit als Maklerin.

Ein Ehemann.

„Es ist alles relativ. Was den Erfolg angeht, meine ich. Meine Mutter hat mir erzählt, dass ihr jetzt auch im Einzelhandel tätig seid.“ Ihre Stimme klang kühl, beherrscht. Es war die Stimme einer Geschäftsfrau. Ein faszinierender Gegensatz zu ihrer ungepflegten Erscheinung.

„Ja, wir produzieren Marinaden, die auf Zitrusfrüchten basieren, Salatdressings und Dips. Verkauft sich alles sehr gut.“

Sie sah ihn unbeirrt an. „Ich bin sicher, die De Leon Zitrusplantage wird auch die nächsten vierhundert Jahre überleben.“

Gott sei Dank konnte ich das Thema wechseln. Panik ergriff sie, als er von ihrem „Erfolg“ sprach. Ganz gleich, welch kurzen Erfolg sie gehabt hatte, er gehörte der Vergangenheit an. Trotzdem war es nicht nötig gewesen, dass er sie in diesem schrecklichen Zustand sah. So müde, blass und abgemagert, dass er sie nicht einmal erkannte.

„Der Tod deiner Mutter bestürzt uns alle sehr.“ Das Mitgefühl in seinen Augen und die Ernsthaftigkeit in seiner samtenen Stimme ließen sie fast vergessen, dass er nicht einmal zum Begräbnis gekommen war.

„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass sie nicht mehr da ist.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Mein Vater ist heute Morgen gestorben.“

„Was?“ Robert De Leon hatte immer vor Gesundheit und Kraft gestrotzt, war so groß, stolz, robust und unzerstörbar gewesen wie die Orangenbäume, die in Hülle und Fülle auf dem riesigen Imperium wuchsen, das er regierte.

„Ein schwerer Herzanfall. Er lag noch drei Tage im Koma, doch die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun.“

„Oh, Naldo.“ Fassungslos sah sie ihn an und hätte ihn am liebsten in die Arme geschlossen.

Denk nicht einmal daran.

Sie war immer scharf auf Naldo De Leon gewesen. Hatte sich nach seiner Berührung gesehnt, seiner Bewunderung – seiner Liebe. Mittlerweile wusste sie, dass sie all das nie bekommen würde.

„Das Anwesen gehört jetzt dir“, sagte sie ruhig.

„Ja.“

„Die Plantage hat eine lange, bedeutungsvolle Geschichte. Du trittst ein beeindruckendes Erbe an. Ich weiß, du wirst im Sinne deines Vaters handeln.“

Naldo entgegnete nichts. Mit der Arroganz der Konquistadoren, von denen er abstammte, starrte er sie einfach nur an.

Sie überlegte, was sie sagen sollte, um die gefühlsgeladene Atmosphäre aufzulockern. Fang bloß nicht an zu heulen.

Sie musste unbedingt raus aus dem Cottage. Zwei Tage hatte sie gebraucht, um überhaupt die Courage aufzubringen hierherzukommen. Doch offensichtlich war es noch zu früh gewesen.

„Ich vermute, du willst das Cottage einem anderen Angestellten überlassen. Ich komme also morgen wieder, um die restlichen Sachen zu packen. Ich wohne in der Stadt und muss jetzt los.“ Sie merkte, dass sie immer noch das herzförmige Stück Papier mit seiner Telefonnummer in der Hand hielt.

Sie hatte ihn nie angerufen. Ihre Beziehung war eher eine lockere Affäre gewesen. He, wollen wir zusammen Tennis spielen? Keine geplanten Verabredungen oder förmlichen Einladungen. Sie waren „Kumpel“ gewesen, aber nie Freunde im wirklichen Sinne.

Sie ließ die Nummer auf dem Tresen liegen, nahm ihren Burger und warf ihn in die schwarze Tüte, die eigentlich für die Sachen ihrer Mutter vorgesehen war. Doch bisher hatte sie es nicht übers Herz bringen können, irgendetwas wegzuwerfen. Sie holte tief Luft und ging an die Tür. „Ist es okay, wenn ich morgen wiederkomme?“

Naldos beharrliche Anwesenheit unterstrich die Tatsache, dass das kleine Cottage ihrer Mutter sein Eigentum war. „Natürlich. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst.“

Sie wartete noch einen Moment, darauf hoffend, dass … ja, worauf eigentlich? Auf eine nette Unterhaltung? Eine Einladung zum Dinner?

Vergiss es, Mädchen.

Sein Schweigen ließ eher vermuten, dass er auf ihr Verschwinden wartete. Also stürmte sie aus der Tür und kletterte in ihren uralten Van, der wie durch ein Wunder die Fahrt von Boston hierher überlebt hatte.

Heiße Tränen trübten ihren Blick durch die verschrammte Windschutzscheibe, als sie den Van über den kurvenreichen Weg zum herrschaftlichen Eingangstor lenkte. Wie oft würde sie diese Fahrt noch unternehmen? Einmal? Vielleicht zweimal? Jetzt, da ihre Mutter tot war, hatte sie kein Zuhause mehr, und niemand wartete auf sie. Aber sie war zäh, und sie würde es schaffen, ein Leben zu führen, das ihre Mutter mit Stolz erfüllt hätte.

Zwei Tage später saß Anna frierend in dem prachtvollen klimatisierten Wohnzimmer der De Leons. Die Standuhr schlug vier Uhr. Fremde liefen und standen herum und unterhielten sich im gedämpften Ton, während sie darauf warteten, dass das Testament verlesen wurde. In ihrem Hotel hatte sie den Anruf eines Anwalts erhalten, mit der Bitte, bei der Verlesung anwesend zu sein. Schon immer war es bei den De Leons Tradition gewesen, ihren treuen Angestellten eine kleine Summe zu vermachen. Und zu denen hatte auch ihre Mutter gehört, deren Erbin sie jetzt war.

Anna war nicht zu der kleinen privaten Begräbnisfeier eingeladen gewesen, die am Morgen auf dem Anwesen stattgefunden hatte.

Es gab eine scharfe Trennung zwischen den Hausangestellten, die bei dieser Gelegenheit normale Kleidung trugen, und den elegant gekleideten Familienmitgliedern, die ebenfalls anwesend waren. Naldo stand zwischen Letzteren, atemberaubend gut aussehend in seinem schwarzen Anzug. Die schwarzen Haare waren zurückgekämmt, was seine markanten Gesichtszüge betonte. Falls er sie bemerkt hatte, so zeigte er es nicht. Anna stand allein am Fenster und starrte hinaus auf Tausende von Morgen fruchtbarster Zitrushaine.

Sie hatte sich sorgfältig gekleidet, ein Kostüm und hohe Schuhe angezogen. Mit Ohrringen, Make-up und hochgesteckten Haaren hoffte sie, so auszusehen wie die Frau, mit der ihre Mutter immer liebevoll geprahlt hatte.

„Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie Platz.“ Ein dem Anlass entsprechend gekleideter junger Mann drängte die Anwesenden zu den Queen-Anne-Stühlen, die normalerweise im Esszimmer standen und jetzt in vier Reihen aufgestellt waren. Anna kannte das Haus ziemlich gut, zumindest die Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich waren, obwohl sie die meiste Zeit bei ihrer Mutter in der Küche verbracht hatte, wenn diese die Mahlzeiten für die Familie zubereitete.

Als er die lange Liste verlas, wurde die Stimme des Anwalts zusehends eintöniger. Dabei handelte es sich immer um Geld. Über die Jahrhunderte hinweg wurde vom Besitz der De Leons nicht das kleinste Stückchen Land abgeteilt. Der älteste Sohn – Naldo – war der Haupterbe. Ihm wurden das Land und alle anderen Besitztümer überschrieben. Seine Schwester bekam eine monatliche Zahlung. Da sie mindestens zehn Jahre älter war als ihr Bruder und in Europa lebte, hatte Anna sie nie kennengelernt und konnte sie nicht einmal unter den wenigen Verwandten ausmachen.

Sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, ihre unbequemen Schuhe drückten. Zweitausend und zehntausend Dollar schienen die gewöhnlichen Beträge für die Angestellten zu sein. Mann, kam das Geld gelegen! Ihre gutherzige Mutter hatte all ihre Ersparnisse einem Haus für unverheiratete Mütter vermacht. Sie hatte nicht wissen können, dass Anna völlig blank war.

„Leticia Marcus, treue Angestellte und hochgeschätzte Freundin …“ Anna richtete sich auf. „… vermache ich das Cottage mit Grund und Boden, wie in beigefügter Karte markiert, und das Kochbuch, das wir zusammen entwickelt haben.“

Der Anwalt verlas schon den nächsten Punkt, als Anna das eben Gehörte begriff.

Überhaupt kein Geld?

Das Herz rutschte ihr in die Hose.

Ein scharrendes Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit, und alle drehten sich um, als Naldo aufsprang. „Was?“ Seine tiefe Stimme bebte vor kaum beherrschter Wut.

„Mr. De Leon, dürfte ich Sie kurz draußen sprechen?“ Ein älteres, grauhaariges Mitglied des Anwaltsteams stand auf und deutete auf die Tür. Naldo stürmte hinaus. Seine Wut schwappte wie eine Welle über die Anwesenden und löste ein aufgeregtes Flüstern aus.

Die Menschen drehten sich um und schauten verstohlen zu Anna. Die Tochter, hörte sie jemanden flüstern. Sie schluckte und versuchte, hocherhobenen Hauptes dazusitzen, während sie merkte, wie sie errötete.

Warum hinterließ Robert De Leon ihrer Mutter etwas anderes als allen anderen Angestellten?

„Das kann nicht Ihr Ernst sein.“ Naldo lief im Foyer auf und ab. Er kochte vor Wut. „Mein Vater hätte das nie zugelassen.“

„Es war sein ausdrücklicher Wunsch. Ich habe selbst versucht, es ihm auszureden. Ich habe versucht zu erklären, dass die Gesamtheit des Besitzes …“

„Die Gesamtheit des Besitzes? Dieses Vermächtnis ist der reinste Hohn. Seit meine Vorfahren 1583 von Spanien hierherkamen, wurden die Grenzen der De Leon Plantage nur bei Expansionen verändert. Und jetzt wollen Sie mir weismachen, dass mein Vater dieser Frau einen Morgen unseres Landes vererbt hat? Es ist einfach unglaublich!“ Er unterstrich seine Fassungslosigkeit mit einem lauten Schlag an den Türrahmen, der den Anwalt zusammenschrecken ließ.

„Es tut mir leid, Sir, aber ich fürchte, es war der ausdrückliche Wunsch Ihres Vaters. Sie wissen, dass wir eine Schweigepflicht haben, aber Sie kennen die Umstände …“

„Ja, ich kenne die Umstände.“

Die Affäre meines Vaters mit Letty Marcus. Zehn Jahre lang hatte er sich daran gestört, und noch immer beschmutzte sie die Erinnerung an seine Mutter.

Er raufte sich die Haare. „Können wir nichts dagegen tun? Unsere Vorfahren wollten ganz sicher nicht, dass so etwas je passiert“, entgegnete er aufgebracht.

„Sie würden sich im Grab umdrehen, wenn sie es wüssten, Sir.“ Der Anwalt grinste schmierig und machte Naldo damit noch wütender. „Ich schlage vor, dass Sie mit der Tochter sprechen. Wenn Sie ihr Geld anbieten …“

„Sie wird verkaufen.“

Als die Anwälte ihre Unterlagen einpackten und die Anwesenden aufstanden, betrachtete Naldo Annas elegantes Profil, das von der strengen Frisur noch betont wurde. Das perfekt aufgetragene Make-up betonte ihre Schönheit. Aus dem kleinen Wildfang mit dem roten Haarschopf und den Sommersprossen auf der Nase war eine atemberaubend schöne Frau geworden.

Eine Frau, mit der er sich gern ein wenig die Zeit vertreiben würde.

„Isst du mit mir zu Abend?“

Entsetzen flackerte in ihren schönen Augen auf. „Was?“

„Es gibt Red Snapper, und die Köchin hat versprochen, ihn so zu grillen, dass er innen saftig und außen schön kross ist.“ Er konnte nicht umhin, auf ihre sinnlichen Lippen zu starren, als sie nervös mit der Zunge darüberstrich.

„Du hast schon eine neue Köchin?“

„Ja. Sie kocht natürlich nicht so gut wie deine Mutter …“ Es war vielleicht ein Fehler gewesen, die Köchin zu erwähnen. „Aber irgendjemand muss es ja tun.“

„Natürlich.“

Las er leichte Verärgerung in ihrem Gesicht?

Er nahm ihre Hand. Hellhäutig und weich, die Nägel kurz, aber sorgfältig gefeilt. Als er ihre langen schlanken Finger in seiner Hand spürte, empfand er wieder dieses Lustgefühl, das er schon einmal verspürt hatte, als er sie im Cottage wiedererkannt hatte.

Langsam hob er die Hand an seinen Mund und drückte seine Lippen auf die zarte Haut. Dass sie nicht nach einem teuren Parfum duftete, wie er erwartet hatte, erregte ihn noch mehr. „Iss mit mir, Anna. Jetzt, wo mein Vater tot ist …“ Er sah ihr tief in die Augen.

Er wollte unbedingt, dass sie Ja sagte, und das nicht nur, weil er keine Lust hatte, allein zu essen. Es gab ein Problem, das er lösen musste, und plötzlich hatte er ein paar sehr angenehme Ideen, wie er das bewerkstelligen konnte.

2. KAPITEL

„Okay.“ Kaum hatte Anna das Wort ausgesprochen, bedauerte sie es auch schon.

„Ausgezeichnet.“ War das Triumph, was in seinem Gesicht aufblitzte? Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

Er gab einem jungen Mann in einer schwarzen Hose und einem weißen Hemd ein Zeichen. „Bitte zwei Mojitos auf die Veranda, Tom.“

Die Hand immer noch auf ihrer – die schon schrecklich heiß wurde –, beugte er sich vor und sagte leise: „Ich verabschiede noch die letzten Anwesenden, und dann komme ich zu dir nach draußen.“

Draußen auf der Veranda lief Anna nervös auf den hellen Holzdielen auf und ab. In der Hand hielt sie einen Drink, um den sie nicht gebeten hatte.

Jetzt musste sie auch noch während eines schicken Abendessens die erfolgreiche Geschäftsfrau spielen. Naldo sollte auf keinen Fall wissen, was passiert war. Er würde sie bemitleiden und über ihre albernen Ansprüche auf ein Leben, das er als selbstverständlich betrachtete, lachen.

Sie nippte an ihrem Drink. Der Limettensaft und die frische Minze prickelten auf ihrer Zunge – kühl und wohlschmeckend und so berauschend wie die Gefühle, die sie in Aufruhr versetzten.

Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie diesen Ort vermisst hatte. Sie bewunderte die endlosen Reihen von Orangenbäumen unter dem strahlend blauen Himmel und atmete den Duft der reifen Orangen ein. Der Besitz war unter dem Namen Paradiso bekannt, und die Bezeichnung passte. Diese Plantage war ein Paradies. Ein kleines Stück Himmel auf Erden.

Oder ein großes Stück, je nachdem, wie man es sah.

Und ein ganz, ganz winziges Stück davon gehörte jetzt ihr.

„Anna!“ Sie zuckte zusammen, als Naldo durch die Terrassentür kam. „Ich dachte schon, ich werde die anderen nie los.“

Er löste seine Krawatte, öffnete den obersten Knopf seines Hemdes und erlaubte damit einen Blick auf seine verführerisch gebräunte Haut. Dann nahm er sein Cocktailglas vom Tisch. Sie starrte auf die langen kräftigen Finger, die ihre so zärtlich und gleichzeitig mit unwiderstehlicher Kraft gehalten hatten. Er hob das Glas hoch, legte den Kopf in den Nacken und trank.

„War das ein Tag“, sagte er und stellte das halb leere Glas auf dem Tisch ab. Dann schlüpfte er aus seinem teuren Jackett und warf es achtlos über einen Schaukelstuhl. „Lass dich ansehen.“

Sie stand wie angewurzelt da, als er sie unbefangen von Kopf bis Fuß musterte.

Sein warmer, anerkennender Blick berauschte sie, und ihre Fingerspitzen und Brustwarzen fingen an zu kribbeln. Sie überspielte ihre Verlegenheit, indem sie einen Schluck trank.

„Sei nicht so verlegen. Ich kann es einfach nicht glauben, dass du das kleine freche Mädchen mit den kurzen Haaren bist, das mich zum Armdrücken herausgefordert hat.“ Er zwinkerte ihr amüsiert zu.

„Du hast mich immer gewinnen lassen.“

„Ich habe dich nie gewinnen lassen. Du hast mir immer die Hölle heiß gemacht, bis ich älter wurde.“

Bis deine Mutter starb und du nicht mehr nach Hause kamst.

Sie hatte sich früher schrecklich darauf gefreut, wenn im Internat Ferien waren. Energiegeladen und zu allem bereit kam er nach Hause. Doch nach dem Tod seiner Mutter hatte sich alles geändert – Skilaufen in Aspen, Polo in Argentinien, Reise durch Italien. Sie hatte ihn eigentlich nie wiedergesehen. Als er mit dem Studium fertig war und zurückkehrte, lebte sie schon nicht mehr hier.

„Ich habe dich auch beim Tennis besiegt, stimmt’s?“ Sie erinnerte sich gern daran, dass er ihr nie einen Satz hatte abnehmen können.

„Du warst nicht zu schlagen. Spielst du noch?“ Seine dunklen Augen funkelten.

„Nein.“ Sie trank von ihrem Cocktail, um den Anflug von Traurigkeit zu überspielen. „Seit ich von hier weg bin, habe ich keine Zeit mehr für solche Dinge.“

„Das Leben sollte nicht nur aus Arbeit bestehen. Das ist ungesund. Ich komme gar nicht darüber hinweg, wie dünn du geworden bist. Was ist mit deinen Muskeln geschehen, auf die du so stolz warst?“

Aufgefressen wie der Rest meiner Kraft. Aufgezehrt von einer schlechten Ehe und einer noch schlechteren geschäftlichen Partnerschaft.

Sie zuckte mit den Schultern und rang sich ein Lächeln ab. „Das Leben ist kein Zuckerschlecken, weißt du.“

„Deine Mutter hat mir erzählt, dass du geschieden bist. Das tut mir leid.“

Sie hatte ihrer Mutter das Scheitern ihrer Ehe nicht verschweigen können. Zumindest hatte sie nie von Annas finanziellem Ruin als Folge der Scheidung erfahren.

„Solche Dinge passieren eben.“ Sie trank noch einen Schluck von ihrem bittersüßen Getränk. Der Alkohol wärmte ihr Blut und entspannte sie ein wenig. „Bist du verheiratet?“

„Ich denke, du kennst die Antwort auf die Frage.“

Sie war merkwürdig erleichtert. „Nein? Du wirst irgendwann heiraten müssen. Die Zukunft der De-Leon-Dynastie hängt davon ab.“

„Stimmt. Eine schwere Last.“

„Wirst du die Tradition fortsetzen und eine berühmte, schöne Adelige aus Spanien heiraten?“ Sie erinnerte sich noch genau, wie fantastisch seine Mutter selbst mit fünfzig noch ausgesehen hatte. Einschüchternd, aber unbestreitbar schön.

„Vielleicht. Vieles spricht für Traditionen.“

„Dein Vater hat nicht wieder geheiratet. War er einsam?“

„Ich war bei ihm.“ Seine barsche Antwort verwirrte sie.

„Du warst im Internat und dann am College. Du bist erst fünf Jahre nach dem Tod deiner Mutter hierher zurückgekehrt.“

„Ich rieche den Fisch. Lass uns hineingehen.“

Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verließ die Terrasse. Anna fühlte sich unbehaglich. Hatte sie etwas Falsches gesagt?

In dem hellen, freundlichen Frühstücksraum war ein Tisch für zwei gedeckt. Ihr hatte dieses Zimmer immer besser gefallen als das herrschaftliche Esszimmer. Es wirkte gemütlich und einladend. In den Kristallgläsern glitzerte Weißwein, die glänzenden Silberbestecke und das handbemalte Porzellan schimmerten im Kerzenlicht. Ein junger Mann servierte dampfenden Fisch.

„Ist das chinesisches Porzellan?“

„Ja. Achtzehntes Jahrhundert. Mein Vorfahr Francisco Alvaro De Leon brachte es von seinen Reisen in den Orient mit.“

Selbst das Geschirr hier hatte eine Herkunft, die über zweihundert Jahre zurückverfolgt werden konnte. Ganz im Gegensatz zu ihr. Sie kannte nicht einmal ihren Vater.

Vorsichtig stach sie mit der Gabel in den saftigen, perfekt zubereiteten Fisch.

„Du bist Immobilienmaklerin?“, fragte er neugierig. Seine merkwürdige Gereiztheit war verschwunden.

Sie holte tief Luft. „Mein Mann und ich haben ein Unternehmen gegründet, das gewerbliche Immobilien kauft und verpachtet.“

„Faszinierend, aber ein hartes Geschäft. Deine Mutter hat gesagt, dass du deine Sache gut machst.“

„Ja.“ Eine Zeit lang. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, ihrer Mom zu erzählen, was wirklich passiert war. „Nach der Scheidung haben wir die Firma aufgelöst. Ich habe noch nicht entschieden, was ich als Nächstes machen will.“

Der köstliche Geschmack des Fisches mit einem Hauch scharfer Gewürze verwöhnte ihren Gaumen. „Deine neue Köchin ist gut.“ Sie fühlte sich wie eine Verräterin, als sie den nächsten Happen in den Mund schob.

Naldo hob sein Weinglas an die Lippen und sah Anna ununterbrochen an. Das Kerzenlicht reflektierte in seinen schwarzen Augen. „Wir alle werden deine Mutter vermissen.“

Anna schluckte. „Ich war so lange weg. So beschäftigt. Und dann auch noch in Boston. Ich bin nicht so oft hierhergekommen, wie ich …“

„Sie hatte Verständnis dafür. Glaub mir, dein Erfolg hat sie sehr glücklich gemacht. Sie war so stolz auf dich, hat immer deine Briefe herumgezeigt und mit deinen Leistungen geprahlt.“

Anna bekam ein schlechtes Gewissen. Trotzdem, sie war froh, dass ihre Mutter in dem Glauben gestorben war, die Tochter wäre erfolgreich.

Naldo zeigte beim Lächeln weiße, ebenmäßige Zähne, perfekt bis auf einen leicht schiefen Schneidezahn. Eine winzige Unvollkommenheit, die ihm einen besonderen Reiz verlieh. Warum musste er nur so unglaublich attraktiv sein?

„Du hast es sicher eilig, zurück nach Boston zu kommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine große, angestaubte Farm besonders reizvoll für dich ist, jetzt, wo du hier keine Familie mehr hast.“

„Ich finde nicht, dass die De Leon Plantage eine angestaubte Farm ist.“

Autor

Jennifer Lewis

Jennifer Lewis gehört zu den Menschen, die schon in frühester Kindheit Geschichten erfunden haben. Sie ist eine Tagträumerin und musste als Kind einigen Spott über sich ergehen lassen. Doch sie ist immer noch überzeugt davon, dass es eine konstruktive Tätigkeit ist, in die Luft zu starren und sich Wolkenschlösser auszumalen....

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