Perlen für meine Geliebte

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Erst, wenn die wertvolle Perlenkette gefunden wird, die Lynette damals dem betrügerischen Sandor wutentbrannt zurückgab und die seitdem verschwunden ist, wird der faszinierende Renato an Lynettes Ehrlichkeit glauben. Bis dahin hofft sie auf seine Liebe - und ist gleichzeitig von seinem Misstrauen enttäuscht…


  • Erscheinungstag 04.11.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733753900
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Lynette Hallam kam aus der U-Bahn und blickte auf die Uhr. Wenn sie noch rechtzeitig zu ihrer Verabredung kommen wollte, musste sie sich beeilen. Sie winkte ein Taxi und bat den Fahrer, sie zum Ritz-Hotel zu fahren. Er musterte sie von Kopf bis Fuß und murmelte dann so etwas wie „Millionäre“.

Nun, eine Millionärin war sie zwar nicht, aber sie hatte eine Verabredung mit Renato Bardini, einem mehrfachen Millionär, der glaubte, sich für sein Geld alles kaufen zu können. Dass sie nicht käuflich war, schien er nicht begriffen zu haben. Heute wollte sie ihm endgültig absagen und ihn bitten, sie nicht mehr zu belästigen.

Er war schrecklich hartnäckig gewesen. Mrs. Adams, die Dame von der Arbeitsvermittlung, hatte angerufen und gesagt, dass ein Kunde eine italienisch sprechende Krankenschwester suchte. „Sie sind einfach ideal für den Job“, hatte sie erklärt. „Sie sprechen die Sprache, Sie sind unverheiratet und können also mit Signor Bardini nach Rom gehen. Er braucht eine Krankenschwester für seine Tante.“

„Es tut mir leid, aber ich kann den Job nicht annehmen“, hatte Lynette schnell gesagt und gehofft, dass ihre Stimme sie nicht verriet.

„Warum nicht?“

„Es … es ist zu weit weg.“

„Aber bis jetzt hat es Ihnen doch nichts ausgemacht, im Ausland zu arbeiten.“

„Ja, aber …“ Lynette hielt inne, beinahe hätte sie gesagt: „… aber nicht in Italien.“

Mrs. Adams schien enttäuscht. „Ich glaubte, Sie hätten keine familiären Bindungen, deshalb habe ich Sie für diesen Job vorgeschlagen. Mr. Bardini schien äußerst interessiert, ganz besonders, als ich ihm erklärte, dass Sie ausgezeichnet italienisch sprechen.“

„Aber Sie haben doch nur zufällig herausgefunden, dass ich italienisch spreche. Ein Teil meiner Qualifikation ist das nie gewesen.“

„Das tut ja nichts zur Sache. Im vorigen Jahr sind Sie doch auch nach Frankreich gegangen. Was macht es denn schon für einen Unterschied, wenn sie jetzt nach Italien gehen?“

Und ob das einen Unterschied macht, dachte Lynette. „Warum nimmt er sich nicht eine italienische Krankenschwester?“, fragte sie stattdessen.

„Diese Entscheidung müssen wir schon ihm selbst überlassen. Andere würden sich um einen solchen Job reißen, ganz besonders, da die Bezahlung außergewöhnlich hoch ist.“

„Es tut mir leid, ich bin nicht interessiert“, meinte Lynette bestimmt.

„Nun, Ihre Ablehnung enttäuscht mich sehr, denn ich versuche, mein Bestes für Sie zu tun“, erklärte Mrs. Adams und legte ohne ein weiteres Wort wieder auf. Später rief sie allerdings noch einmal an und sagte, dass Signor Bardini Lynette sprechen möchte.

„Das hat gar keinen Zweck“, meinte Lynette. „Ich werde meine Meinung nicht ändern.“

„Trotzdem könnten Sie immerhin mit ihm sprechen, da ich Sie ihm schließlich empfohlen habe. Wenn Sie sich als so unkooperativ erweisen, würde mich das wirklich sehr enttäuschen. Es ist ja nicht so, dass es zu wenige Krankenschwestern gibt.“

Lynette hatte die versteckte Drohung verstanden. Wenn sie sich weigerte, würde es sicher eine ganze Weile dauern, bis Mrs. Adams ihr eine andere Stelle bot.

„Also gut, ich werde mit ihm sprechen“, hatte sie zögernd gesagt. „Aber erklären Sie ihm bitte, dass ich den Job nicht annehmen werde.“

Jetzt war sie also auf dem Weg zum Ritz, wo sie sich mit Bardini verabredet hatte. Sie versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen. Als ausgebildete Krankenschwester wurde sie immer wieder für ihre unerschütterliche Ruhe in einer Krise bewundert, es war also ausgesprochen lächerlich, wenn sie jetzt aufgeregt war, nur weil sie einen Italiener treffen sollte. Die ganze Geschichte lag immerhin schon Vierjahre zurück.

Nein, dachte sie, es gab Dinge, über die man nie hinwegkam. Und wenn sie hundert Jahre alt würde, was damals geschehen war, als sie erst achtzehn gewesen war, würde sie nie vergessen. Auch nicht das Schuldgefühl, das sie damals auf sich geladen hatte.

„Wir sind da“, riss der Taxifahrer sie aus ihren Gedanken.

Ein paar Minuten später stand Lynette vor der Suite von Renato Bardini. Noch einmal ging sie in Gedanken ihre Rede durch, dann hörte sie Schritte, und die Tür wurde geöffnet.

Sie musste hoch blicken, um ihrem Gegenüber ins Gesicht sehen zu können. Er war mindestens einen Meter neunzig groß und sehr kräftig, mit dunklem Haar und dunklen Augen. Seine Haut warvon der Sonne gebräunt, aber was ihr am meisten auffiel, war sein Gesicht. Es war markant, mit hohen Wangenknochen versehen und sein Mund war energisch, ja beinahe hart.

Bewegungslos stand er vor ihr und sah sie an. „Miss Hallam?“, fragte er schließlich.

„Ja, ich bin Lynette Hallam.“

„Kommen Sie bitte herein.“ Als Lynette ins Zimmer trat, bemerkte sie erschreckt, dass der Tisch am Fenster für zwei Personen gedeckt war. „Ich dachte, wir könnten zusammen essen und uns dabei unterhalten“, meinte Renato, als er ihren Blick sah.

„Signor Bardini, dazu besteht überhaupt kein Anlass“, wehrte sie ab. „Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich diesen Job nicht annehmen kann. Ich werde nur einen Augenblick bleiben.“

Er hatte die Tür hinter ihr geschlossen. Aber wenn ich Ihnen nun etwas zu sagen hätte? Könnten Sie mich nicht wenigstens anhören?“

„Ich möchte nicht unhöflich sein, ich werde mir also anhören, was Sie zu sagen haben, aber …“

„Nun, das wird einige Zeit dauern, also können wir auch zusammen essen.“

Diesem Argument wusste Lynette nichts entgegenzusetzen. „Geben Sie mir Ihren Mantel“, murmelte Renato, und als Lynette sich zu ihm umwandte bemerkte sie, dass er sie wieder eindringlich ansah. Sie erwiderte seinen Blick, hielt ihm stand, nicht, weil sie das wollte, sondern weil sein Blick sie dazu aufzufordern schien. Ihr stockte der Atem, aber dann lächelte er, und der Augenblick war vorüber. Lynette war überzeugt, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“

„Einen trockenen Sherry, bitte.“

Während er den Drink eingoß, beobachtete Lynette ihn. Mrs. Adams hatte ihr gesagt, Renato sei Chef einer bedeutenden italienischen Firma. Ein eleganter teurer Anzug, der seine breiten, muskulösen Schultern nicht kaschierte, schien das zu bestätigen.

Bis jetzt hatten sie nur wenige Worte gewechselt, trotzdem spürte Lynette eine Autorität, die von ihm ausging, und die es ihm offensichtlich schwer machte, eine ablehnende Antwort zu akzeptieren. Wahrscheinlich glaubte er noch immer, er könnte sie überreden. Nun, er würde sich wundern.

Sie wünschte nur, sie wüsste den Grund, warum Bardini sie so anstarrte. Gewiss, sie sah recht gut aus, aber eine umwerfende Schönheit war sie nicht. Sie hatte dunkles glänzendes Haar und große dunkelblaue Augen, die sehr ausdrucksvoll waren und die oft Gefühle verrieten, die sie lieber verborgen hätte.

Renato reichte ihr das Glas Sherry. „Jetzt können wir reden.“

„Signor Bardini“, erklärte sie bestimmt. „Es gibt wirklich nichts zu besprechen.“

„Ganz im Gegenteil. Ich brauche jemanden, der genau Ihre Qualifikation hat. Wir haben eine ganze Menge zu bereden.“

„Aber hat Mrs. Adams Ihnen denn nicht gesagt, dass ich Ihr Angebot abgelehnt habe?“

„Das hat sie“, gab er zu. „Aber vielleicht erklären Sie es mir.“ Lynette holte tief Luft. Es würde nicht leicht sein mit ihm, dachte sie. Und sie hatte auch nicht die Absicht, ihm irgendwelche Erklärungen für ihr Verhalten zu geben. „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass meine Ablehnung Ihres Angebotes endgültig ist“, sagte sie. „Es ist ganz unmöglich, dass ich mit Ihnen nach Italien gehe. Es tut mir leid, aber so ist es.“

„Ist das die ganze Erklärung?“

„Ich sehe nicht ein, warum ich Ihnen meinen Entschluss erklären sollte. Bis jetzt hat noch niemand versucht, mich zur Rechenschaft zu ziehen, wenn ich einen Job abgelehnt habe.“

„Also lehnen Sie öfter einen Job ab?“

„Nein, das ist das erste Mal“, gab sie zögernd zu.

„Damit machen Sie alles nur noch geheimnisvoller“, warf er ein. „Ich mag aber keine Geheimnisse, Signorina.“

„Sie werden sich daran gewöhnen müssen“, versicherte sie ihm. „Ach, kommen Sie“, meinte er und lachte kurz auf. „Wir wissen doch beide, worum es hier geht.“

„Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden. Sie scheinen mich nicht zu verstehen. Dabei ist das Wort ‚nein‘ im Italienischen doch das gleiche wie in Englisch.“

„Warum sagen Sie nicht einfach, wie viel Sie verlangen.“

„Wie viel ich …? Sie glauben also, ich versuche nur, mehr Geld aus Ihnen herauszuholen?“

„Das glaube ich nicht nur, das weiß ich. Und Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen, das ist doch nur natürlich. Ich mag Menschen, die genau wissen, was sie wert sind.“

Seine Worte und sein kühler Ton machten Lynette wütend. „Das hat mit Geld überhaupt nichts zu tun. Ich würde nicht im Traum daran denken, mit Ihnen zu handeln.“

„Das ist gut“, meinte er. „Denken Sie nur daran, dass ich es als Geschäftsmann gewohnt bin zu verhandeln. Außerdem habe ich mich entschlossen, Ihnen zu zahlen, was Sie verlangen.“

„Ich bin nicht käuflich“, wehrte Lynette heftig ab. „Aber umsonst arbeiten Sie doch auch nicht.“

„Natürlich nicht. Aber so wie Sie es gesagt haben, klang es, als ob ich mich verkaufen würde, und das stimmt nicht.“

Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Die meisten Frauen sind käuflich“, murmelte er. „Ich kenne nur wenige, die es nicht sind.“ Seine dunklen Augen blitzten. „Und da wir schon davon reden: Die meisten Dinge im Leben laufen genau darauf hinaus. Aber wenn man schon über den Preis verhandelt, muss man auch wissen, wann man gewonnen hat. Sie haben gewonnen, Signorina. Sagen Sie mir, wie viel Sie verlangen.“

Einen Augenblick lang überlegte Lynette, ob sie ihm den Sherry ins Gesicht schütten sollte. Es würde sie sicherlich erleichtern, und ihm würde es klarmachen, dass sie es wirklich ernst meinte. Aber dann hatte sie eine andere Idee. „Nun gut“, sagte sie langsam. „Ich verlange fünfhundert Pfund die Woche.“

„Akzeptiert! Ich bin einverstanden. Fünfhundert Pfund die Woche.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen. „Schlagen Sie ein.“ Schnell trat Lynette ein paar Schritte zurück. „Machen Sie sich nicht lächerlich“, stotterte sie. „Das habe ich nicht ernst gemeint.“

„Aber ich. Sie haben Ihren Preis genannt, und ich habe zugestimmt.“

„Signor Bardini, zum letzten Mal, begreifen Sie bitte, dass ich nicht für Sie arbeiten will. Diese riesige Summe habe ich nur genannt, weil ich glaubte, es würde Sie abschrecken, und das wissen Sie auch. Für dieses Geld könnten Sie ein Dutzend Krankenschwestern einstellen.“

„Aber ich will nicht ein Dutzend, ich will Sie.“

„Tut mir leid, aber meine Antwort ist noch immer nein.“

Sie war erleichtert, als es genau in diesem Augenblick an der Tür klopfte. Renato öffnete, und ein Kellner schob einen Servierwagen mit Essen ins Zimmer.

Nachdem der Kellner wieder gegangen war, schob Renato ihr einen Stuhl zurecht. „Es tut mir leid, wenn ich Sie verletzt haben sollte“, meinte er. „Wir lassen das Geschäftliche beiseite und genießen jetzt unser Essen.“

Lynette trat zum Tisch und blickte aus dem großen Fenster über die Stadt. Es war ein freundlicher Sommertag, und von hier aus blickte man über die Dächer der Stadt bis zum Fluss.

„Leben Sie hier in London?“, fragte Renato.

„Ja, aber nicht in diesem Stadtteil.“ Sie nannte den Namen. „Sie werden ihn nicht kennen“, fügte sie schnell hinzu. „Es ist dort ganz anders als hier.“

„Aber sicher kenne ich die Gegend“, versicherte Renato ihr. „Ich habe dort als Student ein Jahr lang gewohnt. Kennen Sie Menottis? Ich hatte solches Heimweh nach der italienischen Küche, dass ich dort immer gegessen habe.“

Einen Augenblick lang vergaß Lynette, warum sie überhaupt hier war. Dieser wunderbaren dunklen Stimme hätte sie stundenlang zuhören können, und es tat ihr schon leid, überhaupt hierher gekommen zu sein. Einen solch gefährlich attraktiven Mann hatte sie nicht erwartet.

Zu ihrer eigenen Überraschung stellte sie fest, dass es ihr möglich war, eine ganz normale Unterhaltung mit ihm zu führen. „Mir scheint, Sie haben auch jetzt Heimweh“, meinte sie.

„Ich habe immer Heimweh, wenn ich nicht in Rom bin.“ Er lächelte sie an. „Nicht nur nach der Stadt, sondern auch nach den Menschen, die ich liebe. Allein zu leben, wäre für mich die Hölle. Wie ist das bei Ihnen? Leben Sie alleine?“

„Nein, ich teile mir eine Wohnung mit zwei anderen Krankenschwestern.“

Er verzog das Gesicht. „Die Wohnungen in diesem Teil der Stadt kenne ich, sie sind schon für eine Person zu klein, geschweige denn für drei. Die Wände sind feucht, die Fenster schließen nicht richtig, und die Mieten sind viel zu hoch. Und trotzdem ziehen Sie es einer Villa in Rom vor und einem Gehalt, das höher ist als alles, was Sie hier verdienen können? Das scheint mir sehr seltsam.“

Sie musste ihn für seine Taktik bewundern. Schließlich war es ihr eigener Fehler, wenn sie geglaubt hatte, dass er sich nur mit ihr unterhalten wollte. Sie lächelte kühl, dann sagte sie: „Und Sie? Ist es nicht auch seltsam, dass Sie aus Italien hierher kommen und sich eine Krankenschwester suchen?“

Überrascht blickte er auf, dann hob er sein Glas und prostete ihr zu. „Natürlich ist das seltsam“, stimmte er ihr zu. „Aber die letzte Pflegerin meiner Tante kam aus England. Und sie hat sehr nett für Nonna gesorgt, das ist der Grund, weshalb ich hier bin.“

„Nonna? Da heißt doch ‚Großmutter‘, nicht wahr?“

„Ja, als Kind habe ich ihr den Namen gegeben. Sie hat mich aufgezogen, nachdem meine Eltern gestorben sind. Jetzt ist sie nicht mehr sie selbst, lebt nur noch in der Vergangenheit. Sie würde gar nicht reagieren, wenn ich sie mit einem anderen Namen riefe.“

„Sie ist nicht mehr sie selbst? Soll das heißen, dass sie geisteskrank ist? Ich bin keine psychiatrische Krankenschwester, Signor Bardini.“

„So etwas brauche ich auch gar nicht. Vor ein paar Jahren ist sie gefallen und hat sich schwer verletzt. Einige Tage lang lag sie im Koma, und als sie dann die Besinnung wiedergewann, war sie verwirrt, und das ist auch so geblieben. Manchmal scheint sie ganz normal, redet ganz klar, doch dann zieht sie sich plötzlich wieder in die Vergangenheit zurück.“ Er seufzte tief auf. „Es gibt keine Heilung für sie, aber ich möchte, dass jemand sie versorgt, der geduldig und zart mit ihr umgeht. Mir liegt sehr viel daran, dass ihre letzten Jahre glücklich und zufrieden sind.“

Lynette blickte auf. „Sie lieben sie wohl sehr, nicht wahr?“

„All die Liebe, die ich je erfahren habe, kam von ihr. Was kann ich anderes tun, als zu versuchen, sie ihr tausendfach zurückzugeben?“, fragte er schlicht.

Lynette senkte den Blick, er brauchte nicht zu sehen, wie gerührt sie war. Aber auch er schien aus der Fassung zu sein, denn er beschäftigte sich angelegentlich mit der Weinflasche. Doch als Lynette wieder aufblickte, hatte er seine Fassung wiedergewonnen.

„Außer mir“, erklärte er, „lebt nur noch meine Großtante Maria mit in der Villa. Aber sie ist schon sehr alt und sieht auch nicht gut. Nonna soll eine junge Frau um sich haben, die sich um sie kümmert, das wird ihr gut tun.“

„Haben Sie denn keine Kinder in der Familie? Sie könnten sie vielleicht aufmuntern.“

„Sie haben recht. Ich habe eine Kusine mit Kindern, aber die wohnt weit weg. Ich war immer viel zu beschäftigt, um zu heiraten, leider. Nonna hätte sich über Kinder von mir sehr gefreut.“ Erstaunt registrierte Lynette, dass ihr die Tatsache, dass er nicht verheiratet war, recht gut gefiel. „Ich habe schon die eigenartigsten Gründe gehört, nicht zu heiraten, aber das ist wirklich der seltsamste“, sagte sie schließlich.

„Wie ich schon sagte, es gibt nichts, das ich nicht tun würde, um Nonna glücklich zu machen. Vielleicht heirate ich sogar noch. Ich möchte gerne, dass sie mein Kind noch in ihren Armen hält, bevor sie stirbt.“

„Wird sie denn bald sterben?“

„Ich weiß nicht. Ihre Gesundheit ist nicht sehr stabil. Sie hat einen Herzinfarkt gehabt und darf sich nicht anstrengen. Aber der Arzt meint, sie könnte noch ein paar Jahre so weiterleben.“

Lynette versuchte, sich auf ihr Essen zu konzentrieren, aber sie war verwirrt. Renato war dadurch einen großen Schritt weitergekommen, dass er sie dazu gebracht hatte, Fragen zu stellen.

„Ich hoffe, dass Sie die richtige Krankenschwester für sie finden werden“, sagte sie. „Aber es tut mir leid, ich lehne trotzdem ab.“

„Sie haben mir noch immer nicht gesagt, warum.“

„Das brauche ich auch nicht“, erklärte sie. „Es sind rein private Gründe.“

„Aber Sie haben keine nahen Verwandten“, unterbrach er sie. „Das hat mir Mrs. Adams jedenfalls gesagt und auch, dass Sie vor einigen Monaten einen Job in Frankreich angenommen haben.“

„Das war im letzten Jahr. Seitdem haben sich einige Dinge geändert.“ Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie hoffte nur, die wäre plausibel. „Ich werde nämlich bald heiraten. Sie sehen also, es ist mir unmöglich, mit Ihnen zu gehen.“

Renato runzelte die Stirn. „Warum hat Mrs. Adams mir das nicht gesagt?“

„Sie weiß nichts davon.“

„Und warum haben Sie ihr das verschwiegen? Dann wäre doch von vornherein alles klar gewesen.“

„Nun ja“, lenkte Lynette ein, „meine Verbindung mit diesem Mann ist im Augenblick in einem etwas kritischen Stadium, und da wäre es nicht gut, jetzt wegzugehen.“

„Perchè mente?“, fragte er scharf.

Empört blickte Lynette ihn an, aber dann wurde ihr klar, dass sie gar kein Recht hatte, ärgerlich auf ihn zu sein, nur, weil er sie durchschaut hatte.

„Sie haben verstanden, was ich gesagt habe, nicht wahr?“, wollte er wissen. „Oder werden Sie mir als nächstes erklären, dass Ihr Italienisch doch nicht so gut sei?“

Sie wünschte, diese Idee wäre ihr vorher gekommen, jetzt war es zu spät. „Nein, ich spreche Italienisch“, lenkte sie ein. „Sie haben gefragt, warum ich lüge.“

„Genau. Und Sie sollten das gar nicht erst versuchen, denn Ihr Gesicht verrät Sie …“ Er hielt inne und starrte sie erstaunt an.

„Was ist denn los?“, fragte Lynette.

„Nichts.“ Jetzt schien er sich wieder unter Kontrolle zu haben. „Gar nichts. Bitte entschuldigen Sie meine schlechten Manieren.“ Abrupt stand er auf, ging zur Bar hinüber und goss sich ein großes Glas Brandy ein. Auch Lynette stand auf und nahm ihre Tasche. „Ich gehe jetzt besser. Es war ein Fehler, überhaupt hierher zu kommen.“

„Ich möchte nicht, dass Sie schon gehen“, sagte er bestimmt.

„Es hat keinen Zweck, noch länger zu bleiben. Ich kann Ihnen keine andere Erklärung für meine Ablehnung geben.“

Lynette ging an ihm vorbei und wollte ihren Mantel nehmen, aber er hielt sie fest. Empört blickte sie zu ihm auf, aber als sie in seine dunklen Augen sah, beschlich sie ein eigenartiges Gefühl. „Perchè ha paura?“, fragte er.

„Nein“, wehrte sie ab, absichtlich in Englisch, „ich habe keine Angst, schon gar nicht vor Ihnen.“ Ob er ihr diese Lüge wohl auch ansehen konnte?“

„Warum wollen Sie dann weglaufen?“

Ihre Blicke begegneten sich, und sie musste sich zwingen, seinem standzuhalten. Er hatte sie jetzt ganz nahe an sich gezogen. Es stimmt, sie hatte Angst vor ihm. Es war schon lange her, dass ein Mann diese Gefühle in ihr wachgerufen hatte. Aber das war in einem anderen Leben gewesen, an das sie nicht mehr erinnert werden wollte.

Nur zögernd ließ Bardini Lynette los, aber noch immer verstellte er ihr den Weg. Er atmete schnell, als wäre er gelaufen, und Lynette trat schnell ein paar Schritte von ihm zurück. „Dieser ‚Beinahe-Verlobte’ ist doch nur eine Erfindung von Ihnen“, meinte er. „Ich vermute allerdings, dass es einen Mann gegeben hat, der für Ihr Zögern verantwortlich ist.“

„Würden Sie mir glauben, wenn ich sagte, dass das nicht stimmt?“

„Nein.“

„Also gut. Es gab einen Mann. Einen Italiener.“

„Und was ist passiert?“

„Nichts, worüber ich reden möchte“, wehrte sie ab.

Renato schwieg, und als sie jetzt in sein Gesicht sah, begann ihr Herz wie wild zu schlagen. Instinktiv legte sie eine Hand an ihren Hals, damit die heftig pulsierende Ader sie nicht verriet. Heiß brannte das Feuer in seinen Augen, aber da war noch etwas anderes, vielleicht Verblüffung. Eindringlich sah er sie an, beinahe als habe er den Boden unter seinen Füßen verloren. „Und jetzt“, fragte er ernst, „hassen Sie alle Italiener, nicht wahr?“

Sie wollte zustimmen, doch die Worte kamen nicht über ihre Lippen. Er würde ihre Lüge sofort durchschauen. „Antworten Sie mir“, drängte er. „Hassen Sie alle Italiener?“

„Sie wissen, dass das nicht stimmt“, flüsterte sie.

„Ja“, antwortete er. „Ich weiß es.“ Er hielt inne. „Und ich glaube, Sie haben recht“, fuhr er dann fort. „Es ist besser, wenn Sie nicht nach Italien kommen.“

Schmerzlich wurde Lynette bewusst, dass sie erreicht hatte, was sie wollte, aber ihr Sieg brachte ihr keine Befriedigung.

Später würde sie den Grund hierfür herauszufinden versuchen, sagte sie sich. Zunächst einmal musste sie so weit wie möglich weg von diesem Mann. Er war viel zu gefährlich. „Danke“, sagte sie. „Dann gehe ich jetzt.“

Sie nahm ihren Mantel und ging zur Tür. „Auf Wiedersehen.“

„Einen Augenblick.“ Beim Klang seiner Stimme blieb sie wie angewurzelt stehen. „Wie viel bin ich Ihnen schuldig?“

„Nichts.“

„Aber Sie sind gegen Ihren Willen hierher gekommen. Ich bin Ihnen wenigstens die Auslagen schuldig, die Sie deswegen gehabt haben.“

„Nein, das ist nicht nötig.“

„Das ist es doch“, meinte er bestimmt. „Ich bezahle immer meine Schulden.“ Er griff in seine Tasche und holte eine Zehn-Pfund-Note heraus. „Das sollte Ihre Auslagen decken.“

„Das ist viel zu viel“, protestierte Lynette.

„Nehmen Sie es trotzdem.“ Er griff nach ihrer Hand und drückte das Geld hinein. Während sie noch auf ihre Hand starrte, ging er zur Tür und öffnete sie.

Lynette legte das Geld auf den kleinen Tisch, der an der Wand stand, dann ging sie hinaus.

2. KAPITEL

Lynette war erleichtert, dass ihre beiden Zimmergenossinnen an diesem Abend nicht zu Hause waren. So hatte sie Zeit zum Nachdenken. Sie wollte Renato Bardini aus ihren Gedanken verbannen. Aber es gab Gedanken, die sich nicht so einfach verbannen ließen, auch nach Jahren noch nicht. Sandro Franconi hatte sie das gelehrt. Nie würde sie ihn vergessen, aber es war nicht Liebe, mit der sie an ihn dachte. Schon vor langer Zeit hatte sich ihre Liebe in Feindseligkeit verwandelt.

Sie hatte ihn in einer anderen Welt getroffen, in einem anderen Leben. Damals war sie Elizabeth Andrews gewesen, achtzehn Jahre alt und einziges Kind eines Pastors, der sie seit dem Tod ihrer Mutter alleine großgezogen hatte. Sie hatte ihren Vater geliebt und war glücklich gewesen. Erst heute wusste sie, dass das behütete Leben von damals sie nicht auf das vorbereitet hatte, was vor ihr lag.

Als sie sechzehn war, war ihr Vater gestorben, und damals hatte sie ihre Ausbildung als Krankenschwester begonnen. Zwei Jahre lang arbeitete sie so hart, dass sie für nichts anderes Zeit hatte. Über Krankheiten und Verletzungen wusste sie eine Menge, als sie ihre Ausbildung abschloss, aber vom Leben um sie herum hatte sie keine Ahnung.

Zur Feier ihres ausgezeichneten Abschlusses war sie zu einer Antik-Messe gegangen. Sie liebte Antiquitäten, auch wenn sie wusste, dass sie bei ihrem Gehalt als Krankenschwester für sie unerschwinglich bleiben würden. Trotzdem konnte sie nicht widerstehen, als sie eine kleine, außergewöhnliche, künstlerisch gearbeitete Vase sah. Sie nahm die Vase in die Hand, und gerade, als sie sie wieder hinstellen wollte, wurde sie von hinten gestoßen. Im nächsten Moment lag die Vase zerbrochen auf der Erde.

Der Verkäufer schrie sie an und bestand darauf, dass sie die Vase, die fünfhundert Pfund koste, bezahlen müsse. „Unsinn“, unterbrach ihn eine Stimme, und als Lynette sich umsah, erblickte sie einen großen gut aussehenden Mann, dessen dunkles Haar an den Schläfen schon leicht ergraut war. „Erst gestern habe ich Ihnen diese Vase für hundertfünfzig Pfund verkauft“, meinte er, griff in seine Tasche und holte ein Papier hervor, das er zerriss. „Das war der Scheck, den Sie mir gegeben haben“, sagte er. Dann bot er Lynette seinen Arm und ging mit ihr davon.

Beim Essen in einem exklusiven Restaurant eröffnete er, sein Name sei Sandro Franconi, und er lebe in Rom als Antiquitätenhändler. Er sei Witwer, Kinder habe er keine. Als Lynette ihm das Geld für die Vase zurückzahlen wollte, lehnte er entrüstet ab.

Die nächsten Tage führte Sandro sie aus, und es dauerte nicht lange, da war Lynette heftig in ihn verliebt. Doch als er zehn Tage später nach Italien zurückkehrte, hatte er ihr mit keinem Wort seine Liebe erklärt. Verzweifelt hatte Lynette begonnen, Italienisch zu lernen, denn das schien ihn ihr näher zu bringen.

In diesem Sommer kam er noch sehr oft nach England. Immer brachte er ihr kostbare Geschenke, doch von Liebe sprach er nie. Ihre Erziehung erlaubte es Lynette nicht, sich ihm hinzugeben ohne das heilige Sakrament der Ehe, aber nie sprach er davon.

Seine Küsse hatten das für sie völlig neue Gefühl der Leidenschaft in ihr geweckt, und einige Male war sie sehr nahe daran, die Kontrolle über sich zu verlieren.

Einmal war Sandro wütend aus dem Haus gelaufen, als sie sich ihm wieder einmal verweigert hatte, aber am nächsten Abend war er zurück, mit einem weiteren kostbaren Geschenk. Lynette ließ ihn herein, weigerte sich aber, das Geschenk zu öffnen. „Lieber Himmel, was willst du denn noch?“, hatte er aufgestöhnt. „Was auch immer es ist, sage es mir.“

„Ich will dich … für immer“, hatte sie gemurmelt. „Sandro, mein Vater war Geistlicher. Ich nehme an, du glaubst, ich sei furchtbar altmodisch, aber es gibt Dinge, über die kann ich mich nicht hinwegsetzen.“

Einen Augenblick hatte er sie angestarrt. „O Piccina“, hatte er dann leise gesagt. „Was für ein Dummkopf ich doch gewesen bin. Ich bin um so vieles älter als du, ich dachte, es sei besser, dir deine Freiheit zu lassen. Wir werden also heiraten.“

Damals war Lynette im siebten Himmel gewesen. Mit einem glücklichen Lächeln hatte sie sein Geschenk angenommen. Sandro öffnete das Päckchen für sie. Auf blauem Samt lag die wohl wunderbarste Halskette, die man sich vorstellen konnte. Es war eine doppelte Kette aus makellosen schimmernden Perlen, mit einer einzelnen großen Perle in der Mitte. Lynette stockte der Atem, noch nie hatte sie etwas so Wunderbares gesehen.

Ein paar Tage später hatte Sandro ihr ein Papier in die Hand gedrückt. Lynette hatte einen Augenblick gebraucht, ehe ihr klar geworden war, dass es eine Heiratslizenz war. „Wir werden jetzt sofort heiraten“, hatte Sandro erklärt.

„Aber das geht doch nicht. Es dauert drei Wochen …“

„Das ist eine besondere Lizenz. Wir können sofort heiraten, in jeder Kirche, die uns gefällt.“

Autor

Lucy Gordon

Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman “Das Kind des Bruders”, der in Rom spielt.

Mit dem Schreiben...

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Lucy Gordon

Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman “Das Kind des Bruders”, der in Rom spielt.

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