Playboys für immer?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

So heiß flirtet nur ein Playboy
Liegt es am Champagner? Zwischen Imogen und dem aufregenden Unbekannten, dem sie in einer exklusiven Galerie in die Arme läuft, prickelt es verführerisch. Hemmungslos genießt sie den sinnlichen Flirt mit ihm. Bis er ihr seinen Namen verrät. Jack Taylor? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Er gilt als Prototyp des reichen, gewissenlosen Playboys. Genau die Sorte Mann also, auf die Imogen niemals wieder hereinfallen wollte! Sofort reißt sie sich von Jack los und stürmt davon. Doch damit scheint sie seinen Jagdinstinkt erst recht herauszufordern …

Auf der Jacht mit dem Playboy
Warum nur hat Gail sich überreden lassen, bei Sexy & Single mitzumachen? Sie sucht einen Mann zum Heiraten, aber in der Dating-Show wird ihr ausgerechnet Russell Holloway als Kandidat präsentiert: ein steinreicher Hotelier - und berüchtigter Playboy! Gail ist auf der Hut, dennoch schmilzt die schöne Geschäftsfrau bei seinen Komplimenten dahin. Und als sie auf einer Jacht alle Hüllen für ihn fallen lässt, fühlt sie sich begehrenswert wie nie zuvor. Nicht lange, und sie glaubt, dass Russel es ernst mit ihr meint. Da lüftet seine Exgeliebte ein skandalöses Geheimnis …

Sambanächte mit dem Playboy
Woher eine gute Story nehmen? fragt die junge Reporterin Holly sich ratlos. Der Zufall kommt ihr zu Hilfe: Sie teilt sich ein Appartment mit dem argentinischen Polospieler und Millionär Ruiz Acosta. Und schon ist ihre Kolumne "WG mit einem Playboy" geboren! Ein toller Erfolg: Ganz London will lesen, wie es ist, mit einem schwerreichen Verführer zu wohnen, der den Pferdesport gleich nach Sex für das Beste im Leben hält! Doch Holly fühlt sich immer hilfloser. Denn nach einer Nacht, in der Ruiz ihr mehr als sinnlichen Samba beibringt, ist es restlos um sie geschehen …

Ein Playboy zum Verlieben!
Ausgerechnet Cal! Mit vierzehn war Ava in ihn verknallt, mit sechzehn hat sie frech mit ihm geflirtet – und mit neunzehn war er ihr erster Lover! Zwar dauerte ihre Mini-Affäre nur eine heiße Nacht lang, weil Ava Angst vor einer festen Bindung hatte. Aber jetzt sieht sie ihn auf der Hochzeit ihres Bruders wieder. Lässig, sexy – damals wie heute ein Playboy zum Verlieben! Und Cal geht aufs Ganze: Er entführt Ava in seinem Sportwagen und küsst sie kurz darauf heiß und prickelnd! Will er ihr etwa zeigen, dass er genau weiß, wie sehr sie ihn will und braucht?


  • Erscheinungstag 08.12.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787561
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Lucy King, Katherine Garbera, Susan Stephens, Ally Blake

Playboys für immer?

LUCY KING

So heiß flirtet nur ein Playboy

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail: info@cora.de

© 2012 by Lucy King
Originaltitel: „The Couple Behind the Headlines“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 152013 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Tina Beckmann

Fotos: Edvard March / Corbis

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-95446-520-0

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan von CORAVerlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Zweihundertfünfzigtausend Pfund????

Imogen konnte es nicht glauben. Das musste ein Irrtum sein. Ein Tippfehler oder eine Verwechslung. Niemand, der noch bei klarem Verstand war, würde eine viertel Million für dieses … Machwerk auf den Tisch legen.

Der „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ war so grottenhässlich, dass es Imogen echte Überwindung kostete, den Kopf vom Ausstellungskatalog zu heben und sich ein weiteres Mal seiner verheerenden Wirkung auszusetzen. Riesige, aggressiv hingeklatschte schwarze Farbkleckse, durchzogen von schwefelgelben und giftgrünen Schlieren, verbanden sich auf der gut zwei mal drei Meter großen Leinwand zu einem Gesamteindruck, der selbst das sonnigste Gemüt in tiefe Depressionen gestürzt hätte.

Leider waren an diesem Abend sämtliche Wände der Galerie mit ähnlichen, ebenso absurd teuren Scheußlichkeiten behängt, sodass Imogen sich den kostenlos servierten Champagner sauer hatte verdienen müssen.

Eine Weile beobachtete sie die anderen Besucher des exklusiven Verkaufsevents. Mit konzentriert geneigten Köpfen und nachdenklich an die Lippe gelegten Zeigefingern schritten sie in ihren trendy Outfits von Gemälde zu Gemälde und gaben dabei so tiefgründige Kommentare über Allegorien und Metaphysik von sich, dass Imogen für einen Moment ins Grübeln kam.

Vielleicht bin ich ja nicht offen genug, überlegte sie. Möglicherweise hat der Maler ja tatsächlich versucht, etwas auszudrücken, das sich einem nicht auf den ersten Blick erschließt. Sie schloss kurz die Augen und bemühte sich aufrichtig um eine vorurteilsfreie Haltung. Dann öffnete sie die Augen wieder, doch auch auf den dritten Blick sah sie nichts weiter als gequirlten Schwachsinn.

Was konnte man nicht alles mit einer viertel Million Pfund anfangen! Erst gestern hatte ihre Abteilung exakt diesen Betrag an eins der Projekte der Christie-Stiftung überwiesen. Das Geld würde Hunderten von Not leidenden Menschen zu einer besseren Lebensqualität verhelfen, während andere dieselbe Summe für solchen Schrott aus dem Fenster warfen.

Aber was verstand sie schon davon?

Seit Max sie vor zwei Monaten wegen ihrer besten Freundin Connie sitzen gelassen hatte, traute Imogen ihrem Urteilsvermögen ohnehin nicht mehr. Der anfängliche Schock war zwar inzwischen in einen Zustand stumpfer Teilnahmslosigkeit übergegangen, aber manchmal – so wie jetzt – kam plötzlich alles wieder hoch und drohte ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Bei der letzten Ausstellung war sie mit Connie hier gewesen. Sie hatten wie aufgekratzte Teenager herumgealbert, sich lautstark über die elitäre Gästeschar lustig gemacht und dabei die Platten mit Kanapees geplündert, bevor sie bestens gelaunt zu einem neu eröffneten Club in der Nähe weiterzogen waren.

Jetzt war sie wieder hier, aber diesmal mutterseelenallein.

Belogen, betrogen und schmählich verlassen, während die falsche Schlange Connie vermutlich gerade mit Max auf ihrem pinkfarbenen Samtsofa kuschelte und Hochzeitspläne schmiedete.

Als Imogen die Tränen aufsteigen spürte, blinzelte sie mehrmals kräftig und straffte die Schultern. Was gingen sie Connies Pläne an? Was machte es schon, dass eine Freundschaft, die im Kindergarten begonnen und fünfundzwanzig Jahre lang gehalten hatte, sich in den zehn Sekunden auflöste, die sie gebraucht hatte, um Max’ lapidare Nachricht zu lesen?

An jenem Abend hatte Imogen das Gefühl gehabt, mit einem Schlag die zwei wertvollsten Menschen in ihrem Leben zu verlieren. Inzwischen war sie jedoch zu der Einsicht gelangt, dass die beiden ihr im Grunde einen Gefallen getan hatten.

Wer brauchte schließlich Freunde, die einem so etwas antaten?

Okay, mit seinem Charme, dem dunklen lockigen Haar und den großen schokoladenbraunen Augen besaß Max echte LatinLover-Qualitäten. Aber je länger man ihn kannte, umso deutlicher zeigte sich, dass er im Grunde nur ein verwöhnter, egozentrischer Schaumschläger war. So gesehen war das eigentlich Schockierende an ihrer Beziehung nicht ihr unrühmliches Ende, sondern die Tatsache, dass sie sich überhaupt so lange dahingeschleppt hatte.

Dass die Presse von ihr eine ganz ähnliche Meinung hatte, wusste Imogen nur zu gut, aber wenn alles klappte, würde sie sehr bald ihren Kritikern – und auch sich selbst – beweisen, dass sie durchaus imstande war, etwas Sinnvolles zu leisten.

Sollte Max doch den Rest seines Lebens damit verbringen, Daddys Geld auszugeben und sein Ego zu pflegen. Sie wünschte ihm viel Spaß dabei, und wenn Connie Lust hatte, ihm dabei zu helfen – nur zu!

Mit finsterem Blick fixierte Imogen den „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“. Sie hatte ein für alle Mal genug von gelangweilten, reichen Playboys, verlogenen besten Freundinnen und dreist anmaßender Pseudokunst!

Wenigstens hatte sie bekommen, weshalb sie hierhergekommen war. Zwei Gläser eiskalter, supertrockener Champagner hatten ihr vorzüglich dabei geholfen, den Schock über die Nachricht von Max’ und Connies Verlobung zu dämpfen. Ihr Körper fühlte sich angenehm beschwingt an, und in ihrem Kopf herrschte gnädige Benommenheit.

Hey, so schlecht ging es ihr doch gar nicht, oder? Genau betrachtet, war sie sogar weit besser dran als der Großteil der Menschheit. Sie besaß vieles, von dem andere nur träumen konnten. Sie war jung, gesund, hatte vor, etwas Lohnendes mit ihrem Leben anzufangen, und genau darauf würde sie sich von jetzt an konzentrieren.

Mit diesem Vorsatz drehte Imogen sich schwungvoll um – und prallte gegen eine massive Wand.

Sekundenlang stand sie völlig verdattert da, fest gegen dieses Etwas gedrückt, das ihr alle Luft aus den Lungen gepresst hatte und sie jetzt auch noch wie eine riesige Krake zu umschlingen schien. Als der erste Schreck nachließ, stellte sie fest, dass dieses Etwas atmete und ausgesprochen gut roch. Und dass es in Wirklichkeit gar keine Wand war, sondern ein großer Mann mit breiten Schultern und harten Muskeln, der sie fest in seinen starken Armen hielt!

Entsetzt spürte Imogen, wie ihr ganzer Körper auf ihn reagierte. Ihr Magen flatterte wie verrückt, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und zwischen ihren Schenkeln breitete sich eine verräterische Hitze aus. Sie wollte sich noch enger an ihn pressen, wollte den Kopf an seine breite Brust schmiegen und seinen verführerisch männlichen Duft einatmen, während seine Arme sie weiter festhielten und ihr Schutz und Geborgenheit gaben.

Der Impuls war so unwiderstehlich, dass Imogen ihm um ein Haar nachgegeben hätte, doch zum Glück schaltete sich gerade noch rechtzeitig ihr Verstand wieder ein.

War sie denn von allen guten Geistern verlassen? Ganz abgesehen davon, dass sie weder Schutz noch Geborgenheit brauchte, war sie erst vor wenigen Wochen eiskalt von ihrem Freund abserviert worden. Und nun brannte sie buchstäblich darauf, sich dem nächstbesten Kerl in die Arme zu werfen!

Mit einem undeutlich gemurmelten „Tut mir leid“ riss Imogen sich los und trat einen Schritt zurück, um festzustellen, wer diese idiotische Reaktion in ihr ausgelöst hatte.

Alle Gedanken an Connie und Max und Selbstschutz verschwanden, als sie in die schönsten Augen blickte, die sie je gesehen hatte. Sie waren so blau wie der Himmel an einem strahlenden Sommertag und von dichten schwarzen Wimpern umgeben, für die Imogen sofort ihre gesamte Designergarderobe geopfert hätte. Aus den feinen Linien, die sich fächerförmig zu den Schläfen hin ausbreiteten, schloss sie, dass sie einem Mann gegenüberstand, der gern lachte. Allerdings sah sie auch dieses gewisse Glitzern tief in seinen Augen. Es ließ an Gefahr und Aufregung und ungezogene Dinge denken und versprach jede nur denkbare Art von Vergnügen.

Jedenfalls für eine Frau in der entsprechenden Verfassung. Sie selbst war für so etwas emotional zu geschunden.

Auch der Rest seines Gesichts wurde Imogens Erwartungen – falls sie welche gehabt hätte – mehr als gerecht. Vor allem der breite, sinnliche Mund schien himmlische Küsse schenken zu können.

Aber wie gesagt, sie war nicht interessiert.

Wirklich nicht.

„Mein Fehler“, sagte er mit einem Lächeln, bei dem Imogens Magen erneut einen Salto schlug.

„Und nicht ein Tropfen verschüttet.“ Sie deutete auf die beiden Champagnerflöten in seiner Hand. „Wirklich beeindruckend.“

„Ich habe viel Übung.“

War es einer seiner Anmachtricks, fremde Frauen in sich hineinlaufen zu lassen, um sie anschließend mit seinem Lächeln zu betören? Imogen fiel es nicht schwer, sich das vorzustellen.

„Bitte sehr …“ Er reichte ihr eins der Gläser, wobei sich sein Lächeln noch etwas vertiefte. „Sie sahen aus, als könnten sie es gebrauchen.“

Hatte er sie beobachtet? Gegen ihren Willen schmeichelte Imogen der Gedanke. „Ich wollte gerade gehen“, verkündete sie mit einer Stimme, die weit atemloser klang, als ihr lieb war.

Sein Blick ging kurz zu dem Gemälde hinter ihr. „Nicht wegen des Skorpions, hoffe ich?“

„Das soll es also darstellen? Also, darauf wäre ich nie im Leben gekommen!“

„Das Bild erschließt sich nicht auf den ersten Blick.“

„In der Tat“, bestätigte Imogen.

„Es drückt den Kampf des Menschen gegen die Ungerechtigkeit des Kapitalismus aus.“

„Aha.“ Sie kräuselte abfällig die Lippen. „Finden Sie es nicht etwas widersprüchlich, eine viertel Million Pfund für ein Stück Leinwand und ein paar Pinselstriche zu verlangen, die die Ungerechtigkeit des Kapitalismus anprangern sollen?“

Der schöne Fremde zuckte die breiten Schultern. „Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Sie scheinen allerdings nicht viel von dem Bild zu halten.“

Imogen, die sich flüchtig fragte, was eigentlich aus ihren Aufbruchsplänen geworden war, trank einen Schluck Champagner. „Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?“

„Ich bin immer sehr für Ehrlichkeit.“

Sie glaubte ihm kein Wort. Schließlich war er ein Mann, genau wie Max, diese verlogene, hinterhältige Ratte.

„Na schön“, sagte sie bissiger als beabsichtigt. „Für mich sieht es aus, als hätte mein fünfjähriger Neffe sich ein paar Farbeimer geschnappt und einen seiner berüchtigten Wutanfälle ausgelebt.“

Sein Lachen kam tief aus der Kehle und ließ Imogen wohlig erschauern. „Und ich habe mir tatsächlich eingebildet, es besäße echte Originalität, eine großartige Lichtstimmung und eine fast schmerzhafte Tiefe.“

Ein furchtbarer Gedanke kam Imogen. „Sie sind doch nicht etwa der … Künstler?“

Er neigte den Kopf leicht zur Seite und musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Sehe ich Ihrer Meinung nach so aus?“

Er sah dunkel, gefährlich und verboten sexy aus. Genau die Sorte Mann, die eine Frau dazu bringen konnte, den Kopf zu verlieren, wenn sie nicht gut aufpasste.

„Eigentlich nicht“, antwortete Imogen gespielt lässig, was er mit einem erleichterten Seufzer quittierte.

Das Glitzern in seinen Augen war eine deutliche Warnung und sein Lächeln geradezu tödlich, aber an einer harmlosen Unterhaltung war noch niemand gestorben, oder?

„Wie kommt es, dass Sie so viel über dieses Bild wissen?“, erkundigte Imogen sich nach einem weiteren Schluck Champagner.

„Es gehört mir.“

„Oh …“ Wie enttäuschend! Dieser Mann mochte zum Niederknien aussehen, aber sein Geschmack ließ gelinde gesagt einiges zu wünschen übrig.

„Ich habe es bei einem Charity-Event ersteigert“, fügte er in leicht amüsiertem Tonfall hinzu.

„Heißt das, dass außer Ihnen noch jemand dafür geboten hat?“ Imogen fiel es schwer zu glauben, dass mindestens zwei Menschen dieses Monstrum gewollt hatten.

„Der andere Bieter war ein Freund von mir.“

„Kein sehr enger, nehme ich an?“

„Genau gesagt, ist er mein bester Freund. Wir haben hart darum gekämpft.“

„Aber er hat am Ende nachgegeben?“

„Ja, das hat er.“

„Er muss ein vernünftiger Mann sein.“

„Er hatte keine große Wahl. Ich mag es, zu gewinnen.“

Imogen hatte bereits festgestellt, dass er ein sehr entschlossenes Kinn hatte. Hinzu kam das draufgängerische Funkeln, das bei seinen letzten Worten in seine Augen getreten war. Oh ja, er mochte es, zu gewinnen! Und zwar um jeden Preis, wie sie vermutete.

„Tja, wie es aussieht, haben Sie in diesem Fall verloren“, spöttelte sie, worauf er ihr so lange und so intensiv in die Augen sah, dass ihr Mund trocken wurde und ihre Beine sich in Pudding verwandelten.

„Sieht ganz so aus.“

Imogen kämpfte gegen das schmelzende Gefühl in ihren Gliedern an, indem sie sich vor Augen hielt, dass dieser Typ ein Idiot mit mehr Geld als Verstand war, aber dummerweise funktionierte es nicht. „Dann sind Sie im Grunde also eher zufällig in den Besitz dieses Bildes gekommen?“

Er hob kurz die Schultern und grinste. „Ein recht glücklicher Zufall, wenn man bedenkt, dass sein Wert seitdem um das Zehnfache gestiegen ist.“

Imogen presste die Lippen zusammen. „Und das ist Ihnen natürlich wichtig.“

„Profit ist immer wichtig.“

„Während etwas so Bedeutungsloses wie die Liebe zur Schönheit vermutlich keine Rolle für Sie spielt.“

Er musterte sie ungeniert vom Scheitel bis zur Sohle. „Ach, ich weiß nicht …“

Brennende Hitze stieg Imogen ins Gesicht und ließ Stellen an ihrem Körper kribbeln, von denen sie geglaubt hatte, dass sie nie wieder kribbeln würden. „Wie auch immer …“ Sie straffte den Rücken und lachte ein wenig zu laut auf. „Als Besitzer dieses grässlichen Schinkens haben Sie in jedem Fall mein Mit­gefühl.“

„Aber ein Kaufangebot machen Sie mir trotzdem nicht, oder?“

Wenn er sie noch zehn Sekunden so anlächelte, würde sie Wachs in seinen Händen sein und alles tun, was er von ihr verlangte. Dann würde der Stachel im Fleisch der Gesellschaft an ihrer Wohnzimmerwand hängen und sie langsam, aber sicher in den Wahnsinn treiben.

Fest entschlossen, unter keinen Umständen zu Wachs zu werden, gab Imogen ein weiteres gezwungenes Lachen von sich. „Das soll wohl ein Scherz sein! Ich bin doch keine Masochistin.“

„Zu schade“, meinte er und rieb sich mit seiner feingliedrigen, gebräunten Hand das Kinn. „Allmählich befürchte ich, dass es heute Abend nicht mehr verkauft wird.“

„Überrascht Sie das etwa?“

„Nicht wirklich. Aber in dem Fall wird Luc – das ist der Freund, den ich damals überboten habe – es mich nie vergessen lassen. Dabei habe ich zu diesem Thema schon genug Sticheleien von ihm ertragen müssen.“

Er sah plötzlich aus wie ein mürrischer kleiner Junge, was Imogen ein unfreiwilliges Lächeln entlockte. „Können Sie ihm das ernsthaft übel nehmen?“

„Eigentlich nicht“, gab er nach kurzem Zögern zu. „Im umgekehrten Fall hätte ich wahrscheinlich dasselbe getan.“ Er leerte sein Glas und stellte es auf dem Tablett eines vorbeikommenden Kellners ab. „So, nun wissen Sie, warum ich hier bin. Verraten Sie mir im Gegenzug, was eine so scharfe Kritikerin moderner Kunst an diesen Ort verschlagen hat?“

Oje, was sollte sie ihm bloß darauf antworten? Dass sie erst vor einer halben Stunde von Connies und Max’ Verlobung erfahren hatte – und das auch noch über Facebook? Dass sie dringend einen Drink gebraucht hatte, um die Kränkung herunterzuspülen, und deswegen zur Galerie herübergelaufen war, die nur wenige Schritte von ihrem Büro entfernt lag?

Wohl kaum!

Da er jedoch offensichtlich auf eine Antwort wartete, und sein prüfender Blick sie zunehmend aus der Fassung brachte, fühlte Imogen sich genötigt, irgendetwas zu sagen. „Ich habe vor Kurzem festgestellt, dass ich meinen Horizont erweitern muss“, behauptete sie unverbindlich, was zumindest nicht ganz gelogen war.

Er schenkte ihr ein sexy Lächeln. „Brauchen Sie dabei eventuell noch Hilfe?“

Imogen schaffte es, diesmal nicht rot zu werden, obwohl die Art, wie er sie ansah, unschwer erkennen ließ, welche Art von Hilfe ihm vorschwebte.

„Danke für das Angebot, aber ich glaube nicht.“

„Sind Sie sicher? Horizonterweiterung ist eine meiner Spezialitäten.“

„Davon bin ich überzeugt.“

Sein bezwingender Blick nagte an den Fundamenten ihrer inneren Schutzmauern. Obwohl er sich keinen Zentimeter bewegt hatte, kam es Imogen vor, als stünde er plötzlich viel dichter bei ihr.

„Lassen Sie sich von mir zum Dinner einladen“, bat er sie mit samtweicher Stimme, „und ich beweise Ihnen, wie gut ich darin bin.“

2. KAPITEL

„Dinner?“, wiederholte Imogen, als hätte sie das Wort zum ersten Mal gehört. Sie hätte nicht sagen können, warum seine Einladung sie so aus der Fassung brachte. Schließlich war er nicht der erste Mann, der sie um eine Verabredung bat.

Er nickte. „Genau, Dinner. Das nimmt man nach dem Mittagessen und vor dem Frühstück zu sich. Ungefähr um diese Uhrzeit.“

Imogen ging auf seinen spielerischen Tonfall ein und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Ach, das meinen Sie!“

„Genau“, lobte er sie. „Und wie sieht es aus?“

Imogen war sich fast sicher, dass die Antwort Nein lauten musste. Mehr als nur fast sicher, denn hatte sie nicht gerade festgestellt, dass die Männer ihr für die nächste Zukunft gestohlen bleiben konnten? Sie sollte ihren armen, rücksichtslos niedergetrampelten Gefühlen eine Erholungspause gönnen, anstatt sich in den Bann eines so gefährlich attraktiven Mannes ziehen zu lassen.

Andererseits konnte ihre angeschlagene Psyche nach zwei Monaten freudloser Selbsterforschung gut eine kleine Vitaminspritze gebrauchen. Und für ihren Magen wäre nach drei Gläsern Champagner eine ordentliche Mahlzeit auch nicht verkehrt.

Also überhörte Imogen geflissentlich die Stimme in ihrem Innern, die ihr verzweifelt zurief, dass sie im Begriff war, eine große Dummheit zu begehen. Ja, sie hatte sich gerade empfindlich die Finger verbrannt, aber so schlimm war sie auch wieder nicht dran. Und ein Dinner verpflichtete zu nichts. Was konnte es schon schaden, ein paar Stunden in der Gesellschaft eines interessanten Mannes zu verbringen?

„Ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen“, stellte sie fest.

„Jack Taylor.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen.

„Imogen Christie.“

Die elektrische Reaktion bei der Berührung war so stark, dass der Name zuerst nicht zu Imogen durchdrang. Ihr ganzer Körper vibrierte, war von null auf hundert zu neuem Leben erwacht und freute sich auf das Dinner mit …

Das Lächeln auf ihren Lippen gefror.

Jack Taylor? Das durfte doch wohl nicht wahr sein!

Bruchstückhafte Informationen wirbelten in ihrem Kopf herum, als sie ihre Hand ruckartig aus seiner zog. Fakten, die sie über die Jahre hinweg über ihn gelesen und gehört hatte, fügten sich zu einem Gesamtbild zusammen, dass ebenso schillernd wie abschreckend war.

Die Wirtschaftspresse feierte ihn als Superstar im Investmentbereich. Durch riskante Spekulationen, die manche für Wahnsinn, andere für Genie hielten, machte er manchmal an einem einzigen Tag Millionen. Inzwischen war er reich wie Midas und ein feststehender Begriff in der internationalen Finanzwelt.

Aber auch den Medien, die mehr an Klatsch als an Finanzen interessiert waren, hatte Jack Taylor einiges zu bieten. Er galt als der Prototyp des Herzensbrechers – unverschämt attraktiv, charmant, charismatisch und zugleich eiskalt und schwer zu fassen.

Plötzlich erinnerte sich Imogen auch wieder an die Geschichte von Amanda Hobbs, die die Freundin einer Freundin einer Freundin war. Nachdem sie einige Monate mit Jack Taylor ausgegangen war, hatte er die Beziehung ohne Vorwarnung auf eine so verletzende Art und Weise beendet, dass die Ärmste völlig traumatisiert bis nach Italien geflüchtet war, um dort ihre Wunden zu lecken.

Und dann gab es noch diese berüchtigte Internetauktion, die vor einigen Jahren für reichlich Schlagzeilen gesorgt hatte. Es war auf eine Frau geboten worden, und Jack Taylor, der anscheinend ein Fan von Versteigerungen war, hatte kräftig mitgemischt und dabei den Usernamen „greatsexguaranteed“ benutzt.

Garantiert fantastischer Sex – das sagte ja wohl alles!

Imogen spürte, wie sie sich mit jeder Sekunde mehr von diesem Mann distanzierte. Im Gegensatz zu dem Nichtsnutz Max schien er zwar hart zu arbeiten, aber privat waren beide aus demselben Holz geschnitzt. Einer wie der andere triebgesteuerte, gewissenlose Egomanen, um die jede Frau mit Verstand einen großen Bogen machen sollte.

Mit fast wissenschaftlichem Interesse beobachtete sie, wie er seinen erprobten Charme zum Einsatz brachte und die provozierenden Funken in seinen Augen tanzen ließ. Wieso hatte sie ihn nicht sofort durchschaut? Diese lässige Direktheit, kombiniert mit der unübersehbaren Aura von Reichtum. Die angeborene Arroganz. Das blendende Lächeln eines Mannes, dem bewusst war, dass ihm die Frauen wie reife Früchte ins Bett fielen … All das wies ihn als erfolgsverwöhnten Siegertypen aus, der vermutlich nur mit den Fingern zu schnippen brauchte, um zu bekommen, was er wollte.

Aber dieses Mal wirst du eine herbe Enttäuschung erleben! dachte Imogen grimmig. Zwar fühlte sich ein winziger Teil von ihr geschmeichelt, dass der berüchtigte Jack Taylor sie angebaggert hatte. Dieser Teil hätte auch gern gewusst, ob er tatsächlich fantastischen Sex garantieren konnte, doch zum Glück war ihr gesunder Menschenverstand stärker. Und wenn es noch so erwartungsvoll in seinen Augen funkelte – ein Abendessen mit ihm kam überhaupt nicht infrage!

„Ich kenne ein erstklassiges kleines Restaurant genau um die Ecke.“

Klar, wahrscheinlich kennst du in jeder Ecke von London eins.

„Tut mir leid“, lehnte Imogen rundheraus ab. „Aber ich halte das für keine gute Idee.“

Ein überraschter Ausdruck huschte über sein Gesicht, seine Wangenmuskeln spannten sich unmerklich an. „Nein …?“

„Nein“, wiederholte sie, wobei sie das Kinn leicht anhob und eine stählerne Note in ihre Stimme legte. Es war ungemein befriedigend, seinem aufgeblasenen Ego einen Dämpfer zu verpassen. Die Erfahrung würde ihm sicher guttun.

„Und wieso nicht?“, wollte er wissen, während er fortfuhr, sie mit diesem irritierend eindringlichen Blick zu betrachten.

„Ich habe zu tun.“

„Wie wäre es dann mit einem anderen Abend?“

„Ich bin in der nächsten Zeit sehr beschäftigt.“

„Rund um die Uhr?“

Himmel noch mal, wie hartnäckig kann man eigentlich sein?

„Hat noch nie jemand Nein zu Ihnen gesagt, Jack?“, erkundigte Imogen sich spitz.

„Nicht in letzter Zeit“, meinte er mit einem breiten Grinsen.

Sie verzog keine Miene. „Tja, für alles gibt es ein erstes Mal.“

Deutlicher konnte sie ihm wirklich nicht mehr signalisieren, dass sie kein Interesse hatte. Doch anstatt sich schulterzuckend von ihr abzuwenden und sich nach einer leichteren Beute umzusehen, wurde sein Lächeln noch verführerischer.

Dann legte er ihr ohne Vorwarnung eine Hand in den Nacken und brachte sein Gesicht dicht an ihres. „Angesichts Ihrer Zeitknappheit könnten wir ja Vorspeise und Hauptgang auslassen und gleich zum Dessert übergehen“, raunte er ihr ins Ohr.

Endlos lange Sekunden verstrichen, in denen Imogen vollauf damit beschäftigt war, die Schauer zu ignorieren, die Jacks warmer Atem an ihrer Wange auslöste. Als endlich die Bedeutung seiner Worte zu ihr durchdrang, war sie sicher, sich verhört zu haben … bis sie seinem frechen Blick begegnete, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie ihn durchaus richtig verstanden hatte.

Hastig trat sie einen Schritt zurück und funkelte ihn verächtlich an. „Das ist ja wohl der unverschämteste Vorschlag, der mir je gemacht wurde!“

„Tatsächlich?“, fragte Jack sie leise.

Kaum imstande zu atmen, registrierte Imogen sein wissendes Lächeln und den unterschwelligen Triumph in seinen Augen.

Da hatte sie plötzlich genug.

Von allem!

„Haben Sie immer noch nicht kapiert, dass Sie bei mir nicht landen können?“, zischte sie ihn wütend an. „Wenn Sie solchen Hunger haben, sollten Sie sich ein anderes Opfer suchen, über das Sie sich hermachen können!“

Nach diesen unmissverständlichen Worten drehte Imogen sich auf dem Absatz um und ließ den verdutzten Jack mitsamt seinem „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ stehen.

Jack Taylor hasste pseudoelitäre Veranstaltungen wie diese, und für moderne Kunst hatte er noch nie etwas übriggehabt. Der einzige Grund für seine Anwesenheit hier war die Hoffnung gewesen, seinen eigenen, ausgesucht hässlichen Beitrag zu dieser Ausstellung an den Mann zu bringen.

Doch während die meisten anderen Exponate wie warme Semmeln weggegangen waren, schien der „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ von einem unsichtbaren Bannkreis umgeben zu sein. Er wurde so offenkundig ignoriert, dass Jack sich schließlich mit dem unerfreulichen Gedanken abfand, das verdammte Ding wieder mit nach Hause nehmen zu müssen.

Er hatte gerade beschlossen, den Abend als komplettes Desaster abzuhaken, noch einen letzten Drink zu nehmen und dann aufzubrechen, als er Imogen entdeckte. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und betrachtete völlig versunken sein von allen anderen verschmähtes Bild.

Aus alter Gewohnheit hatte Jack sie näher in Augenschein genommen. Er hatte langes goldblondes Haar registriert, das in weichen Wellen unter einer schwarzen Baskenmütze hervorquoll. Sehr weibliche Kurven unter einem knielangen, ebenfalls schwarzen Mantel. Und sensationelle, seidenbestrumpfte Beine in hochhackigen schwarzen Pumps.

Ihr Anblick hatte spontanes Begehren in ihm ausgelöst, und als sie sich nach einer Weile halb umdrehte, um den Ausstellungskatalog ans Licht zu halten, wäre ihm fast die Luft weggeblieben. Sie war einfach umwerfend! Hohe Wangenknochen, eine schmale, gerade Nase, samtiger Teint und dazu ein Mund, der zum Küssen wie geschaffen war.

In seinem unverwüstlichen Optimismus hatte Jack gedacht, dass sich der Abend vielleicht doch noch ganz nett entwickeln könnte. Also hatte er sich kurz entschlossen zwei Gläser Champagner geschnappt und war zu ihr hinübergegangen.

Was eine ziemlich blöde Idee gewesen war, überlegte er nun, während er Imogens davoneilender Gestalt nachblickte und zu begreifen versuchte, was gerade geschehen war.

Er solle sich lieber ein anderes Opfer suchen, über das er sich hermachen könne!

Was zum Teufel hatte sie damit gemeint?

Er hatte ihr ein harmloses Abendessen vorgeschlagen, aber nach ihrer Reaktion zu schließen, hätte man meinen können, er habe sie sich über die Schulter geworfen und versucht, sie an einen dunklen Ort zu schleppen, um dort seine kranken Triebe an ihr auszuleben.

Ratlos fuhr Jack sich mit den Fingern durch das dichte dunkle Haar, während er die Begegnung mit Imogen Christie noch einmal rekapitulierte. Bis zu dem Moment, als sie plötzlich ausgeflippt war, hatte die Sache sich eigentlich ganz vielversprechend angelassen.

Als ihr Körper auf seinen geprallt und ihr Duft ihm in die Nase gestiegen war, hatte sein Denkvermögen vorübergehend ausgesetzt, doch er hatte das Aufflackern von Interesse in ihren Augen gesehen und ihren hämmernden Herzschlag an seiner Brust gespürt. Angesichts solch eindeutiger Anzeichen hatte er getan, was ihm so selbstverständlich war wie das Atmen: Er hatte mit ihr geflirtet.

Und sie hatte zurückgeflirtet! Ihm mit ihren Blicken, ihrem Lächeln und ihren atemlosen kleinen Seufzern zu verstehen gegeben, dass die Anziehung gegenseitig war. Also hatte er sie als nächsten logischen Schritt zum Dinner eingeladen, um herauszufinden, wie sich die Chemie zwischen ihnen entwickelte.

Stirnrunzelnd rieb Jack sich das Kinn, als er sich an den Moment erinnerte, in dem ihre Stimmung umgeschlagen war. Er hatte ihre Hand gehalten, die elektrische Reaktion in seinem ganzen Arm gespürt und sich gefragt, wieso auf einmal die Worte „Das ist sie!“ in leuchtender Neonschrift vor seinem geistigen Auge auftauchten. In diesem Moment hatte er gespürt, wie sie sich verspannte. Eine Sekunde später hatte sie sich von ihm losgerissen, als wäre er von einer ansteckenden Krankheit befallen, und er hatte begriffen, dass sich gerade etwas dramatisch verändert hatte.

Bloß was?

Bei der Erinnerung an ihren verächtlichen Gesichtsausdruck, als sie ihm seine Einladung vor die Füße geworfen hatte, presste Jack die wohlgeformten Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Zugegebenermaßen war die Bemerkung mit dem Dessert etwas daneben gewesen, aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, ihn dermaßen zu beleidigen.

Mit brütendem Blick starrte er vor sich hin, während Ärger und Frustration durch sein Blut rauschten. Wie konnte sie es wagen, ihn wie einen schleimigen, aufdringlichen Lüstling zu behandeln? Ihm das Gefühl zu geben, er wäre ihr unangenehm dicht auf die Pelle gerückt?

Bisher waren ihm noch keine derartigen Beschwerden zu Ohren gekommen, ganz im Gegenteil. Wahrscheinlich hatte sie irgendein Problem, das mit ihm nichts zu tun hatte, aber er würde ganz sicher nicht versuchen, es zu ergründen. Keine Frau war diesen Aufwand wert, besonders keine so oberflächliche wie Imogen Christie.

Oh ja, er wusste, wer sie war. Nach der Anzahl ihrer Auftritte in der Presse war das schließlich auch kein Wunder. Imogen Christie war nichts weiter als ein hohles Partygirl. Eine dieser ziellosen Frauen, die auf jedem Promievent vertreten waren und deren einziger Ehrgeiz darin bestand, es möglichst oft mit Namen und Foto in die Klatschspalten zu schaffen. Eine wie seine Mutter.

Sie hatte ihn während ihrer kurzen Unterhaltung zum Lachen gebracht, was soll’s? Und was bedeutete es schon, dass sein Körper so intensiv auf sie reagiert hatte? Jack verachtete Frauen wie sie, und sollte er je noch einmal an diesen Abend zurückdenken, würde er dankbar sein, dass ihm eine nähere Bekanntschaft mit ihr erspart geblieben war.

Nachdem Jack das für sich geklärt hatte, verspürte er keinerlei Drang mehr, sie zu verführen. Er wollte lediglich wissen, was ihr ihrer Meinung nach das Recht gab, so rüde zu ihm zu sein, und was genau ihr an ihm nicht passte.

Denn es ging einfach nicht an, dass eine Imogen Christie in dieser Angelegenheit das letzte Wort behielt. Er brauchte ein paar Antworten, und die würde er auch bekommen. Ob es ihr nun gefiel oder nicht.

3. KAPITEL

Was für ein Idiot! sagte Imogen sich zum ungefähr zwanzigsten Mal, während sie fröstelnd in der kalten Februarluft stand.

Natürlich war es richtig gewesen, Jack Taylor abblitzen zu lassen, aber die Bemerkung mit dem Opferverschlingen hätte sie sich besser verkneifen sollen. Warum hatte sie nicht einfach behauptet, sie habe einen Freund, und der Fall wäre erledigt gewesen? Anscheinend hatte die Geschichte mit Max und Connie sie doch mehr aus der Bahn geworfen, als sie wahrhaben wollte.

Auf der Suche nach einem Taxi spähte sie die regennasse Straße hinunter und trat dabei von einem Fuß auf den anderen, um nicht ganz kalt zu werden. Jack Taylor repräsentierte alles, was sie an Männern verachtete – vielleicht abgesehen von seiner äußeren Erscheinung – aber das war keine Rechtfertigung für ihr rüdes Verhalten ihm gegenüber.

Natürlich könnte sie in die Galerie zurückgehen und sich bei ihm entschuldigen, doch was würde das bringen? Sie müsste dann eine Erklärung für ihr seltsames Verhalten abgeben, und das wiederum würde sie zwingen, sich mit den Gründen dafür auseinanderzusetzen.

Nein, unter diesen Bedingungen zog sie es vor, dass Jack Taylor sie für eine durchgeknallte Hysterikerin hielt und den ganzen schrecklichen Nachmittag aus seinem Gedächtnis strich.

Wären ihr Bruder und seine Familie in London gewesen, hätte Imogen sich jetzt zum Abendessen bei ihnen eingeladen. Sie hätte sich mit Wein und Zuneigung verwöhnen lassen, mit ihrer Nichte und ihrem Neffen herumgetollt und sich für eine Weile nicht ganz so einsam und unglücklich gefühlt. Aber leider waren sie beim Skifahren in den Alpen.

Es gab zwar einige Partys, zu denen sie eingeladen war, doch die Aussicht, den unvermeidlichen Fragen nach dem frisch verlobten Paar ausweichen zu müssen, war alles andere als verlockend. Und nach Connies Treuebruch hatte sie nun auch keine beste Freundin mehr, bei der sie ihre Sorgen und Nöte loswerden konnte.

Energisch riss Imogen sich zusammen, um nicht völlig im Selbstmitleid zu versinken. Immerhin hatte sie noch ihr gemütliches Haus in Chelsea, das stets ein sicherer Hafen für sie gewesen war.

Sobald sie zu Hause wäre, würde sie ein langes, entspannendes Bad nehmen und dann bei Kerzenschein und einem Glas guten Wein von dem pressefreien und sinnvollen Leben träumen, das sie in New York führen würde. Vorausgesetzt natürlich, dass ihre Bewerbung um einen Studienplatz dort angenommen wurde.

Endlich kam ein Taxi.

Imogen hob den Arm, und der Wagen hielt am Straßenrand. Ja, genau das werde ich machen, beschloss sie, als sie sich zum Fahrer vorbeugte und ihre Adresse nannte. Sie würde alles, was heute geschehen war, vergessen und …

„Einen Moment, bitte!“

Als sie die tiefe Stimme direkt an ihrem Nacken hörte und sich eine große, kräftige Hand auf ihre Schulter legte, erstarrte Imogen. Panik schnürte ihr die Kehle zu und schien sie vollständig zu lähmen, doch dieser Zustand währte nicht lange. Schon eine Sekunde später schoss ihr Ellbogen mit aller Kraft nach hinten, worauf ein lang gezogenes, schmerzerfülltes Aufstöhnen ertönte.

Wütend wirbelte sie herum, um sich den aufdringlichen Kerl anzusehen, der sich von hinten an sie herangeschlichen hatte … und glaubte ihren Augen nicht zu trauen.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht und mühsam nach Luft ringend stützte Jack Taylor sich mit einer Hand am Taxi ab, während er die andere auf seinen Magen presste.

„Wofür, zum Teufel, war das?“, wollte er wissen, sobald er seiner Stimme wieder mächtig war.

„Es war ein Reflex“, erklärte Imogen. „Sie haben mich erschreckt, tut mir leid.“

„Erinnern Sie mich daran, dass ich das nie wieder tue“, murmelte er, während er sich nur langsam wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete.

Hilflos registrierte Imogen, wie seine körperliche Nähe sie erneut erschauern ließ. „Wollten Sie etwas Bestimmtes von mir?“, fragte sie ihn und versuchte, dabei eine möglichst unschuldige Miene aufzusetzen.

„Sie sind mitten in unserem Gespräch einfach abgehauen“, erinnerte Jack sie mit finsterer Miene, während er sich die schmerzenden Rippen massierte. „Das war nicht gerade höflich.“

Imogen untersagte sich jedes Schuldgefühl und erwiderte herausfordernd seinen Blick. „Was mich betrifft, war das Gespräch zu Ende“, informierte sie ihn.

„Ich bezweifle nicht, dass Sie das so sehen.“

Er selbst war offensichtlich anderer Meinung, doch im Grunde war es gar nicht so schlecht, dass er ihr gefolgt war. So konnte sie ihre Entschuldigung anbringen und einen sauberen Schlussstrich unter diese ebenso kurze wie stürmische Bekanntschaft ziehen. Danach würde sie mit dem Taxi in die Dunkelheit entschwinden und einen Tag beschließen, der sich hoffentlich nie wiederholen würde.

Sie zwang sich, ihm weiter in die Augen zu sehen, und tastete dabei unauffällig nach der Wagentür. „Meine Bemerkung mit dem Opfer tut mir leid“, sagte sie steif. „Sie war unangemessen, und ich entschuldige mich dafür.“

Jack runzelte Stirn. „Und was hat sie ausgelöst?“

„Das müssen Sie noch fragen?“

„Offenbar, sonst würde ich es ja nicht tun.“

„Ich mag keine Desserts.“

„Nie?“

„Zurzeit jedenfalls nicht.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. „Liegt es daran, dass Sie selbst so süß sind?“

Imogen verdrehte die Augen. „Oh bitte …“

Er betrachtete sie einen Moment, und sein Lächeln verschwand. „Wie auch immer, Sie haben jedenfalls ziemlich überreagiert.“

„Wofür ich mich hiermit erneut entschuldige.“ Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. „Leider habe ich einen Termin. Wenn das also alles war, würde ich mich jetzt gern verabschieden.“

„Wenn das alles war?“, wiederholte er ungläubig. „Aber wir haben doch noch gar nicht richtig angefangen!“

Imogen blickte zu ihm auf und spürte erneut diese fatale Schwäche in den Knien. „Vielleicht laufen wir uns ja irgendwann mal wieder über den Weg.“ Zum Glück war das nicht sehr wahrscheinlich. „Aber für heute sage ich Gute Nacht.“

Sie öffnete den hinteren Wagenschlag und stieg eilig ein, doch als sie die Tür wieder zuziehen wollte, stellte sie fest, dass Jack die Hand auf den oberen Rand gelegt hatte und keinerlei Anstalten machte, zurückzutreten.

„Was soll das?“, brachte sie unsicher hervor. Der entschlossene Ausdruck in seinen Augen ließ ihren Puls vor Nervosität flattern.

„Wäre es okay für Sie, mich ein Stück mitzunehmen?“

Imogen zuckte innerlich zusammen. Er wollte sich zu ihr in dieses enge Taxi setzen und womöglich durch die halbe Stadt mit ihr fahren? Völlig ausgeschlossen!

„Ich glaube nicht, dass wir in dieselbe Richtung müssen.“

„Ich schon“, entgegnete Jack gelassen, und es klang nicht so, als würde er das im geografischen Sinne meinen.

„Sicher kommt gleich ein anderes Taxi.“

„Es fängt an zu regnen, und ich habe keinen Schirm.“

Sein mitleiderregender Gesichtsausdruck ließ Imogens Widerstand bröckeln. Sie glaubte zwar nicht, dass Jack sich groß vom Wetter beeindrucken ließ, aber trotzdem wäre es ihr gemein vorgekommen, ihn einfach im Regen stehen zu lassen. Sie mochte viele Fehler haben, doch Gemeinheit gehörte nicht dazu. Außerdem würde es aussehen, als hätte sie ein Problem mit ihm, wenn sie noch länger zögerte. Dass sie tatsächlich ein Problem mit ihm hatte, brauchte er schließlich nicht zu wissen.

„Ich muss nach Westen“, teilte sie ihm widerwillig mit.

„Großartig. Da muss ich auch hin.“

Als Jack neben ihr Platz nahm und schwungvoll die Tür schloss, befahl Imogen sich streng, nicht zurückzuweichen. Schließlich war es nur eine Taxifahrt. Außerdem war genug Platz zwischen ihnen, die zu überbrücken es nicht den geringsten Grund gab. Alles würde gut gehen.

Und so war es auch, bis der Fahrer Gas gab und mit einem scharfen Schwenk nach links auf die andere Straßenseite wechselte. Imogen, die darauf nicht vorbereitet war, gab einen erschrockenen Schrei von sich, als sie Jack quasi in die Arme geschleudert wurde. Ihr Kopf knallte gegen seine Schulter, und ihre linke Hand landete auf seinem Oberschenkel, gefährlich nah an seiner Leiste.

Sie spürte, wie ein Ruck durch ihn ging.

Hörte ihn scharf einatmen.

Mit hochrotem Kopf machte Imogen sich von ihm los, murmelte eine Entschuldigung und zog sich bis ans äußerste Ende der Rückbank zurück.

„Das war schon das zweite Mal an einem Abend.“ Mit einem selbstverliebten Grinsen brachte Jack sich in eine bequeme Position und fing an, in aller Ruhe seinen Mantel aufzuknöpfen. „Wäre Ihr dramatischer Abgang vorhin nicht gewesen, könnte man fast meinen, dass Sie sich unwiderstehlich zu mir hingezogen fühlen.“

Konnte dieser Tag noch schlimmer werden?

„Sie waren doch derjenige, der mich verfolgt hat und unbedingt das Taxi mit mir teilen wollte“, erinnerte Imogen ihn. Und weil sie innerlich so aufgewühlt war, fügte sie ohne nachzudenken hinzu: „So etwas könnte man fast schon als Stalking bezeichnen.“

Nun war es Jack, der sich verspannte. Die Hände an seinen Mantelknöpfen verharrten einen Moment lang reglos, sein Blick gefror zu Eis. Etwas beklommen und mit leicht beschleunigtem Herzschlag beobachtete Imogen den winzigen Muskel, der an seiner Wange zuckte.

„Stalking … sich über Opfer hermachen …“, sinnierte er gefährlich leise. „Sie sollten mit solchen Anklagen nicht so sorglos um sich werfen, Imogen.“ Nachdem er seinen Mantel aufgeknöpft hatte, entledigte Jack sich seiner Krawatte, schob sie in die Manteltasche und löste den obersten Hemdknopf.

Natürlich hatte er recht, aber dennoch machte sein Kommentar Imogen wütend. „Ich kann den Begriff Stalker durchaus realistisch einordnen“, informierte sie ihn in scharfem Tonfall. „Vor einiger Zeit bin ich von einem Mann verfolgt worden, was ihm eine saftige Gefängnisstrafe eingebracht hat.“

Wie immer, wenn sie an den Mann dachte, der ihr sechs Monate lang das Leben zur Hölle gemacht hatte, spürte Imogen einen beklemmenden Druck auf der Brust. Jack warf ihr einen raschen Seitenblick zu, und der sonderbare Ausdruck in seinen Augen beschleunigte ihren Puls.

„Sie sind von einem Stalker verfolgt worden?“

Sie nickte knapp.

„Hm … Das erklärt natürlich den Schlag in den Magen, den Sie mir verpasst haben.“

„Tut es das?“, fragte Imogen honigsüß. Sie war fest entschlossen, jede Anwandlung von Mitleid schon im Keim zu ersticken. „Vielleicht kann ich Sie ja einfach nicht leiden.“

Jack Taylor lächelte sein unwiderstehliches Lächeln. „Doch, das tun Sie. Vielleicht gefällt es Ihnen nicht, aber Sie mögen mich.“ Dann wurde er plötzlich ernst. „Hören Sie, es tut mir ehrlich leid, wenn ich Ihnen Angst gemacht habe.“

Imogen überlegte kurz und kam zu dem Schluss, dass eine Diskussion darüber, ob sie ihn nun mochte oder nicht, zu nichts führen würde. „Sie haben mir keine Angst gemacht“, stellte sie lediglich klar. „Sie haben mich erschreckt, was ein erheblicher Unterschied ist.“

„Wenn Sie es sagen. Nur interessehalber … wo fahren Sie eigentlich hin?“

„Das geht Sie gar nichts an.“

Jack schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Warum denn so unfreundlich, liebste Imogen?“

„Weil ich mich nicht sehr freundlich fühle, nachdem Sie praktisch mein Taxi geentert haben.“

Hätte man Imogen in diesem Moment gefragt, wie sie sich denn stattdessen fühlte, wäre sie in Verlegenheit geraten. Nervös war sie, das konnte sie auf jeden Fall festhalten. Außerdem schien sie plötzlich mit hypersensiblen Antennen ausgestattet zu sein, da sie mit fast schmerzhafter Deutlichkeit selbst die kleinste Bewegung des Mannes neben ihr wahrnahm.

Liebste Imogen … Wie es wohl war, ihn diese Worte sagen zu hören, wenn er sie wirklich so meinte? Imogen fielen dazu gleich mehrere Szenarien ein, und in allen war sie nackt und befand sich in seinen Armen.

Wie schaffte er das bloß? Jack Taylor sah ohne Frage extrem gut aus und hatte einen Körper zum Niederknien, aber im Laufe ihres Lebens war Imogen vielen attraktiven, gut gebauten Männern begegnet. Und keiner von ihnen hatte auch nur annähernd so animalische Gelüste in ihr geweckt.

Sie wollte sich rittlings auf seinen Schoß setzen, wollte beide Hände unter sein Hemd schieben und genüsslich seine Muskeln erkunden, während sie ihn küsste, bis ihnen beiden die Sinne vergingen. Und das wäre erst der Anfang …

Es war das Verrückteste, was Imogen je erlebt hatte. Etwas, das sich mit dem Verstand nicht fassen ließ und daher umso beunruhigender war. Zumal sie genau wusste, wer Jack Taylor war und was sie von ihm zu halten hatte!

Aber vielleicht war genau das gemeint, wenn von sexueller Chemie die Rede war.

Sie musterte Jack von der Seite und beobachtete dabei ganz sachlich ihre körperliche Reaktion. Tatsächlich, es war beinahe wie ein Reflex. Eine brennende Anziehung, die nichts mit Logik, Vernunft oder realen Gegebenheiten zu tun hatte. Ja, sie begehrte diesen Mann, es wäre albern, es abzustreiten. Aber sie konnte ihm widerstehen! Es war alles nur eine Frage der Willenskraft.

„Warum schauen Sie mich eigentlich so an, wenn Sie mich nicht mögen?“

Imogen wurde rot wie ein Schulmädchen, das man bei etwas Verbotenem ertappt hatte. Eilig blickte sie beiseite und kurbelte das Fenster ein Stück herunter. „Aus keinem besonderen Grund“, behauptete sie gespielt gleichmütig. „Ich versuche nur, den Feind einzuschätzen.“

Um Jacks Mundwinkel zuckte es leicht. „Heißt das, dass wir uns im Kriegszustand befinden?“

„Natürlich nicht, es ist nur …“, Imogen verstummte und kämpfte einen Moment mit sich. Dann wandte sie ihm wieder das Gesicht zu und fragte ohne Umschweife: „Was wollen Sie von mir, Jack?“

„Was glauben Sie denn, was ich von Ihnen will?“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

„Ich will immer noch eine Erklärung, Imogen. Warum sind Sie so auf mich losgegangen, obwohl ich Sie nur zum Abendessen eingeladen habe?“

Nur zum Abendessen? Das kannst du vielleicht deiner Großmutter weismachen, aber nicht mir!

„Mir kam es so vor, als hätten Sie mir weit mehr als nur ein Abendessen angeboten“, bemerkte sie spitz.

„Das lag vielleicht daran, dass mir weit mehr als nur das im Angebot zu sein schien.“

„Wie bitte!?“ Vor Empörung schnappte Imogen förmlich nach Luft. „Also, Sie sind wirklich … unglaublich!“

Jack lächelte selbstgefällig. „Ich weiß. Aber wieso hört sich das aus Ihrem Mund nicht wie ein Kompliment an?“

„Weil es keins war, verdammt!“

Verärgert über ihre Unbeherrschtheit presste Imogen die Lippen zusammen und befahl sich, tief ein- und wieder auszuatmen. Wieso regte sie sich eigentlich so auf? Dieser Mann litt an krankhafter Selbstüberschätzung, und gegen dieses Leiden war bekanntermaßen kein Kraut gewachsen.

Jack beobachtete sie mit nachsichtiger Miene und schüttelte langsam den Kopf. „Imogen, Imogen …“, murmelte er. „Was ist nur Ihr Problem?“

Sie wünschte, er würde ihren Namen nicht so aussprechen. Bisher hatte sie ihn immer etwas langweilig gefunden, aber Jack Taylor schaffte es, ihn sexy, ja geradezu verrucht klingen zu lassen.

„Ich habe kein Problem“, stellte sie klar, obwohl sie es schon ein bisschen problematisch fand, dass sie diese absurde Unterhaltung regelrecht genoss. „Ist es wirklich so schwer zu glauben, dass ich mit Ihnen weder essen noch sonst etwas tun will?“

Darauf begann Jack, sie von Kopf bis Fuß zu mustern. Langsam und eingehend, als wollte er sich jede Einzelheit ihres Körpers auf die Netzhaut brennen. Als er seine Inspektion beendet hatte und sein Blick zu ihrem Gesicht zurückkehrte, kam es Imogen vor, als hätte sie kein einziges Kleidungsstück mehr am Leib. Ihr ganzer Körper schien zu glühen, und das heftige Kribbeln in ihrem Schoß sprach nicht gerade von einem eisernen Willen. Sie konnte nur beten, dass er nicht merkte, wie es in ihr aussah, doch Jacks wissendes Lächeln ließ da nicht viel Hoffnung.

„Vielleicht wollen Sie nicht mit mir essen“, räumte er großzügig ein. „Aber mich wollen Sie definitiv.“

Imogen blinzelte ungläubig, und das sinnliche Netz, das er um sie gewebt hatte, zerriss. Da war sie wieder, diese machohafte Überzeugung, über alles Bescheid zu wissen. Inklusive ihrer Person! In diesem Augenblick hasste und begehrte Imogen ihn gleichzeitig. Sie wollte immer noch auf seinen Schoß springen und alles mit ihm tun, was Mann und Frau nur miteinander tun konnten, aber erst, nachdem sie ihn mit ein paar kräftigen Ohrfeigen von seinem hohen Ross heruntergeholt hatte.

„Ich würde Sie nicht einmal wollen, wenn Sie der letzte Mann auf Erden wären!“, erklärte sie verächtlich und hob das Kinn, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Leider erreichte sie damit nur, dass sich Jacks Aufmerksamkeit jetzt ganz auf ihre Lippen konzentrierte.

„Sie wissen selbst, dass ich Ihnen jederzeit das Gegenteil beweisen könnte“, stellte er sanft fest.

„Versuchen Sie es doch“, forderte Imogen ihn heraus. „Ich würde mir allerdings keine großen Erfolgschancen ausrechnen.“

„Ach, ich bin da ganz zuversichtlich.“

Sein siegessicheres Grinsen gab Imogen den Rest. Es ging ihr nicht mehr darum, wer von ihnen beiden recht hatte. Es ging ihr nur noch um Jack Taylor und alle anderen Kerle, die genauso waren wie er. All die verletzten Gefühle, die hilflose Wut und die nagenden Selbstzweifel, die sie bisher so erfolgreich verdrängt hatte, überschwemmten sie wie eine übermächtige Woge. Sie wollte mit den Fäusten auf seine Brust einschlagen, wollte ihm schonungslos ins Gesicht schleudern, was sie von ihm und seinesgleichen hielt, doch bevor sie ihren Impuls in die Tat umsetzen konnte, setzte ihr Verstand wieder ein.

Was hätte sie davon, wenn sie jetzt ihren aufgepeitschten Emotionen freien Lauf ließ? In den letzten sechs Stunden hatte sie bereits mehr psychische Labilität an den Tag gelegt als in ihrem ganzen bisherigen Leben. Wenn sie jetzt die Nerven verlor, würde sie vor ihm – und auch vor sich selbst – endgültig als seelisches Wrack dastehen.

Und das war sie nicht.

Jedenfalls nicht völlig.

Also schloss Imogen die Augen, atmete tief durch und begab sich innerlich an einen Ort, an dem warme Sonne ihre Haut streichelte und der Martini in Strömen floss.

So schwierig konnte es doch nicht sein, sich zusammenzureißen.

4. KAPITEL

Was, zum Teufel, ist denn jetzt mit ihr los?

Stirnrunzelnd beobachtete Jack, wie Imogen mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen dasaß, sich in die Nase kniff und etwas Unverständliches vor sich hin murmelte.

Eine eigenartige Frau. Irgendwie bezaubernd, aber trotzdem eigenartig. In einem Moment war sie noch ein heißes, sinnliches Versprechen, im nächsten eine aufgebrachte Furie, und dann verhielt sie sich plötzlich wie ein störrischer Esel. Und jetzt … ja, was machte sie eigentlich gerade? Meditierte sie? Dachte sie sich eine neue Überraschung für ihn aus?

Nach einer Weile öffnete sie wieder die Augen und blickte gelassen zu ihm auf. „Wollen Sie wirklich wissen, was mein Problem ist?“, fragte sie ihn mit honigsüßer Stimme.

„Ja“, erwiderte Jack, ohne zu zögern, obwohl sein Instinkt ihm sagte, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde.

Sie lächelte so betörend, dass er sie am liebsten auf der Stelle geküsst hätte. „Tja, ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Vielleicht mit ihrem Größenwahn?“

Jacks dunkle Brauen schossen hoch. Von allen möglichen Vorwürfen war dies der abwegigste. „Wie kommen Sie zu der Annahme, ich sei größenwahnsinnig?“

„Meinen Sie abgesehen von dem, was sich aus unserem Gespräch ergeben hat?“

Eilig durchforstete Jack sein Gehirn. Waren sie sich früher schon einmal begegnet? Nein, unmöglich. Daran würde er sich mit Sicherheit erinnern.

„Also, ich weiß wirklich nicht, worauf Sie …“

„Greatsexguaranteed“, half sie ihm auf die Sprünge und sah ihm dabei bedeutungsvoll in die Augen.

Jacks Puls beschleunigte sich rapide. Er hatte doch gleich gewusst, dass ihre Kratzbürstigkeit nur Fassade war. „Ist das ein Angebot?“, erkundigte er sich hoffnungsvoll.

„Selbstverständlich nicht“, stellte Imogen umgehend klar. „Es war nur eine kleine Erinnerung an Ihre Ebay-Episode.“

Also das fuchste sie so … Vor vier Jahren hatte er Luc überredet, mit ihm an dieser Dating-Auktion teilzunehmen, um ihn von der Trauer über den Tod seiner Frau abzulenken. Die Dame, um die es dabei ging, war inzwischen Lucs zweite Ehefrau, und den Benutzernamen „greatsexguaranteed“ hatte Jack sich aus reinem Jux für diesen Zweck zugelegt.

Sehr interessant, dass sie sich ausgerechnet auf dieses Detail eingeschossen hatte!

„Ja, ich erinnere mich“, bestätigte er.

Imogen rümpfte die zierliche Nase. „So etwas von sich selbst zu behaupten, zeugt ja wohl von ziemlicher Selbstüberschätzung.“

Jack grinste. „Was macht Sie da so sicher?“

Ihm waren bezüglich seiner Leistungen im Bett noch keine Beschwerden zu Ohren gekommen, und es war so herrlich leicht, sie auf die Palme zu bringen.

Auch dieses Mal enttäuschte sie ihn nicht. In ihrer Empörung erinnerte sie ihn an einen wutschnaubenden kleinen Drachen. Es fehlte nur noch, dass sie Feuer spuckte und zischende Dampfwolken ausstieß.

Als sie sich mit der Zungenspitze über die volle Unterlippe fuhr, übermannte Jack ein heftiger Anflug von Begehren. Die Spannung zwischen ihnen ließ die Luft im Wageninnern förmlich knistern und beschwor Bilder von ihm und Imogen herauf, die definitiv nicht jugendfrei waren. Sein Puls beschleunigte sich rasant, es juckte ihn in allen Fingern, sie an sich zu reißen und seine Fantasien auf der Stelle umzusetzen …

Nun mal langsam, Taylor! Was ist denn mit dir los? Du bist doch sonst nicht so leicht zu überwältigen.

„Und das untermauert nur meinen nächsten Punkt …“

Es dauerte eine Weile, bis Imogens kühle Stimme zu Jacks Hirn vordrang. Ihr nächster Punkt? Was für ein Punkt? Er wollte sie so sehr, dass es schon an Schmerz grenzte. Noch nie hatte er einen so primitiven Drang verspürt, etwas – oder jemanden – zu besitzen. Es war direkt beängstigend!

„Und der wäre?“, erkundigte er sich heiser und verschränkte die Arme vor der Brust, um wenigstens den Anschein von Gelassenheit vorzutäuschen.

„Ihre Arroganz und Rücksichtslosigkeit.“

Jack gab dazu keinen Kommentar ab. Imogen wartete zwar ganz offensichtlich auf eine Reaktion, doch er zog es vor, sich erst einmal anzuhören, was sie noch alles auf Lager hatte.

„Fahren Sie nur fort“, forderte er sie trocken auf. „Sie brauchen sich meinetwegen nicht zurückzuhalten.“

„Das hatte ich auch nicht vor.“ Ihr Lächeln erreichte ihre Augen nicht. „Mir ist außerdem zu Ohren gekommen, dass Sie unsensibel und gefühlskalt sind.“

Noch immer gab Jack keine Reaktion zu erkennen, obwohl es hinter der neutralen Fassade inzwischen ziemlich brodelte. Als arrogant und rücksichtslos bezeichnet zu werden, war gerade noch erträglich. Es mochte sogar eine Spur von Wahrheit darin liegen, obwohl er selbstbewusst und zielstrebig passender gefunden hätte. Aber unsensibel und gefühlskalt? Das war nun wirklich voll daneben. Was war falsch daran, sein Innenleben für sich zu behalten? Es trug nun mal nicht jeder sein Herz auf der Zunge.

„Mir war nicht klar, dass ein gemeinsames Abendessen besondere emotionale Tiefe erfordert.“

„Ich bezweifle, dass irgendetwas, was Sie tun, emotionale Tiefe verlangt.“

Ihr Tonfall war sanft, ja sogar eine Spur amüsiert, aber das änderte nichts daran, dass sie gerade eine weitere Beleidigung losgelassen hatte. Und überhaupt – woher hatte sie diesen Unsinn eigentlich?

„Sie kennen mich doch gar nicht.“

„Ich kenne Männer wie Sie.“

„Männer wie mich …?“, wiederholte Jack langsam. Die Vorstellung, mit irgendwelchen anderen Kerlen in eine Schublade gesteckt zu werden, ging ihm entschieden gegen den Strich.

„Oder besser gesagt, Männer mit Ihrem Ruf.“

Er dachte einen Moment lang darüber nach. „Mit anderen Worten“, stellte er schließlich mit milder Verachtung fest, „basieren ihre Vorwürfe einzig und allein auf Klatsch und Tratsch.“

Sie zuckte die Schultern. „Wo Rauch ist, ist auch Feuer.“

Nein, so war es eben nicht!

Jack war nicht annähernd so schlimm, wie sein Ruf es vermuten ließ, auch wenn er nie viel unternommen hatte, um das negative Bild von sich zu korrigieren. Es hatte durchaus Vorteile, wenn sich die Leute vor einem in Acht nahmen, besonders wenn es um Frauen ging. Auf diese Weise wurden übertriebene Erwartungen schon im Keim erstickt.

Jetzt wäre es ihm allerdings lieber gewesen, wenn alle ihn für einen sympathischen Gutmenschen gehalten hätten.

„Ich glaube, dass Sie mich vorschnell beurteilt haben“, gab er zu bedenken.

„Schon möglich“, räumte Imogen ein. „Andererseits hatte ich dafür Gründe.“

„Und die wären?“

„Amanda Hobbs, zum Beispiel.“

Amanda Hobbs? Jack kramte in seiner Erinnerungskiste und wurde schließlich fündig. „Ja und? Was ist mit ihr?“

„Sie haben ihr das Herz gebrochen.“

„Habe ich das?“ Jack wusste genau, dass er nichts dergleichen getan hatte, da er mit Amanda nie das Stadium erreicht hatte, in dem das Thema „Herzen“ überhaupt eine Rolle spielte.

Imogen starrte ihn ungläubig an. „Sie wollen doch nicht behaupten, Sie wüssten nichts davon?“

„Genau das will ich.“

Imogen drohte erneut, von Empörung überwältigt zu werden. „Also, ich kann einfach nicht glauben, dass Sie wirklich so abgestumpft sind! Haben Sie denn tatsächlich nicht bemerkt, was Sie da angerichtet haben?“

Jack wusste nicht, was er hätte bemerken sollen, aber das Feuer, das aus Imogens goldbraunen Augen sprühte, war hinreißend.

„Dann klären Sie mich doch auf“, schlug er ihr vor.

„Amanda Hobbs“, wiederholte sie grimmig. „Hatten Sie so viele Frauen, dass Sie kein Gesicht mehr mit dem Namen verbinden können?“

So viele waren es bei Weitem nicht gewesen, aber Jack fand nicht, dass sie das wissen musste. Jedenfalls nicht sofort. Daher machte er nur eine unbestimmte Handbewegung und schenkte ihr ein unschuldiges Lächeln, was sie noch mehr in Rage brachte.

„Sie sind drei Monate lang mit ihr ausgegangen! Klingelt es jetzt vielleicht?“

Drei Monate …? Jack zog leicht die Brauen hoch und erwiderte nichts.

„Sie wollten mit ihr zusammenziehen, und dann haben Sie ihr per SMS den Laufpass gegeben. Das dürfte wohl die mieseste Art sein, eine Beziehung zu beenden, die mir je untergekommen ist!“

„Noch etwas?“, erkundigte Jack sich ruhig.

„Reicht das etwa nicht?“

„Ich bin sicher, Sie haben noch mehr auf Lager.“

„Haben Sie seitdem überhaupt einen einzigen Gedanken an sie verschwendet?“ Mit hocherhobenem Kinn blitzte Imogen ihn an, ihr ganzer Körper bebte vor Zorn. „Oder daran, dass das arme Mädchen so fertig war, dass es bis Italien flüchten musste, um sich von dem Schlag zu erholen?“

Ehrlich gesagt, hatte Jack tatsächlich nicht mehr an sie gedacht. Und warum auch? Und wieso regte Imogen sich so darüber auf? War sie eine Freundin von Amanda? Zumindest hatten beide denselben Hang zum Melodramatischen.

„Sind Sie ein Racheengel mit der Mission, alle Verbrechen zu ahnden, die ich angeblich begangen habe?“, erkundigte er sich interessiert. „Falls dem so ist, kann ich Ihnen versichern, dass es in diesem Fall nichts zu ahnden gibt.“

Ihr Blick verriet eindeutig, dass sie ihm kein Wort glaubte.

„Na schön, dann liefere ich Ihnen jetzt die Fakten. Ich habe von ihren Räuberpistolen nämlich langsam genug.“

Als Imogen etwas einwerfen wollte, legte Jack ihr kurz entschlossen die Hand über den Mund. „Nein“, erklärte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Jetzt rede ich!“

Ihre Augen wurden weit vor Schreck, aber Jack ignorierte es ebenso wie das erregende Gefühl ihrer warmen Lippen unter seiner Handfläche. „Amanda und ich sind drei-, höchstens viermal miteinander ausgegangen“, erklärte er mit Nachdruck. „Als ich merkte, dass sie mehr von mir wollte als ich von ihr, habe ich die Sache beendet, und das war’s. Wir hatten nie eine Beziehung und ganz sicher nicht vor zusammenzuziehen.“

Er konnte förmlich zusehen, wie es in Imogen arbeitete, während sie die neuen Informationen verdaute. „Das ist die reine Wahrheit“, beteuerte er mit samtweicher Stimme, wobei er unmerklich ein wenig näher rückte. „Was immer Amanda in Italien treibt, hat mit mir nichts zu tun, okay?“

Sie betrachtete ihn über den Rand seiner Finger hinweg mit einem langen, prüfenden Blick. Dann nickte sie.

„Und wo wir schon dabei sind …“ Warum sollte er nicht die Gelegenheit nutzen und noch ein paar andere Dinge klären? „… ist es eher mein Ruf, der aufgebläht ist, und nicht mein Ego.“

Das war eindeutig eine Tatsache zu viel zu verdauen. Jack las es deutlich in ihren Augen.

„Sie glauben mir nicht?“

Sie schüttelte entschieden den Kopf.

„Ich verstehe …“, murmelte er und nickte dabei nachdenklich. „Dann nehme ich an, dass es ebenfalls wahr ist, was ich über Sie gehört habe.“ Zufrieden nahm Jack zur Kenntnis, wie sie sich bei seinen letzten Worten verspannte. „Laut meinen Quellen sind Sie nämlich ein oberflächliches, geistloses Luxuspüppchen, das planlos in den Tag hineinlebt.“

Als er sah, wie der Feuer speiende Drache wieder in ihr erwachte, fügte er treuherzig hinzu: „Oder stimmt das etwa nicht?“

Erneutes grimmiges Kopfschütteln.

„Okay. Und warum sollte es in meinem Fall anders sein?“

Er gab Imogen einen Moment Zeit, um in sich zu gehen. Dann beugte er sich ein wenig nach vorn und murmelte: „Vielleicht bin ich ja doch nicht so verrucht, wie Sie mich gern hätten?“

Jack spürte, wie sie erschauerte, sah, wie ihre Augen eine Nuance dunkler wurden. Erneut packte ihn heißes Verlangen. Was wäre nur alles möglich, wenn sie es beide zuließen, einmal so richtig verrucht zu sein! Er wollte ihren Kopf zu sich ziehen, sie küssen, bis sie die Welt um sich her vergaß, und dann …

Nein, das wäre ein riesengroßer Fehler!

Was genau ihn zurückhielt, hätte Jack nicht erklären können. Eigentlich sprach nichts dagegen, seine Einladung zum Dinner zu wiederholen und Imogen dazu zu bringen, ihrer gegenseitigen Anziehung nachzugeben. Das einzige Hindernis war die Alarmglocke, die ununterbrochen in seinem Hinterkopf schrillte, seit er ihr in der Galerie die Hand gegeben hatte und ihm die Worte „Das ist sie!“ durch den Kopf geschossen waren.

Mit irgendwelchen Gefühlen hatte das natürlich nichts zu tun. Wahrscheinlich hatte ihm ein spontanes Aufflammen sexueller Besitzgier diesen Gedanken eingegeben. Trotzdem riet ihm sein Instinkt, diese Episode jetzt zum Abschluss zu bringen. Er hatte herausgefunden, worin Imogens Problem bestand, und die Dinge richtiggestellt. Und das Taxi hielt praktischerweise gerade an einer roten Ampel.

„Okay“, sagte er mit einer Entschiedenheit, die mehr ihn selbst als Imogen überzeugen sollte. „War es das?“

Sie nickte.

„Keine weiteren Anklagen mehr?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Dann sage ich jetzt Gute Nacht.“

Bevor Jack seine Meinung noch einmal ändern konnte, gab er ihren Mund frei, öffnete die Tür und sprang aus dem Wagen.

5. KAPITEL

Einige Stunden später rückte Imogen zum x-ten Mal ihr Kissen zurecht. Noch immer spürte sie Jacks große, warme Hand auf ihren Lippen, und auch das sehnsüchtige Verlangen, das seine körperliche Nähe ausgelöst hatte, war noch da.

Gut, dass er so plötzlich das Weite gesucht hat, sagte sie sich. Denn wenn er es nicht getan hätte, wäre höchstwahrscheinlich das geschehen, woran sie schon den ganzen Abend nicht zu denken versuchte.

Leider ohne den geringsten Erfolg.

Als sie zu Hause angekommen war, hatte sie genau das getan, was sie sich vorgenommen hatte. Sie hatte ein langes, heißes Bad genommen und es sich anschließend mit einem Glas Wein auf ihrem Lieblingssessel bequem gemacht, doch die erhoffte Wirkung war ausgeblieben. Der Wein war ihr eine Spur sauer vorgekommen, und das Bad hatte ihre innere Hitze nur noch verstärkt.

Nicht einmal das wohlige Träumen von ihrem neuen Leben in den Staaten hatte funktioniert, da ihr ständig irgendwelche wilden Fantasien von ihr und Jack in die Quere kamen. Als letztes Mittel hatte sie sich noch einmal eingehend den „Greatsexguaranteed“-Teil ihrer Unterhaltung ins Gedächtnis gerufen, was aber nur zu Selbstvorwürfen geführt hatte. Wieso war ihr bloß kein anderes Beispiel eingefallen, um seinen schlechten Charakter bloßzulegen?

Imogen seufzte in die Dunkelheit hinein. Natürlich hatte sie nur noch daran denken können, nachdem sie es einmal erwähnt hatte.

Fantastischer Sex.

Mit Jack.

Garantiert.

Selbst als sie ihn als arrogant, rücksichtslos und gefühlskalt beschimpft hatte, war sie so begierig nach ihm gewesen, dass sie ihm am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte. Und dann war da plötzlich seine Hand auf ihrem Mund, während seine weiche, einschmeichelnde Stimme wie süßes Gift in jede Zelle ihres Körpers drang …

Tatsächlich hatte nur die Gegenwart des Taxifahrers sie davon abgehalten, alle Skrupel in den Wind zu schlagen und den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen.

Den Blick starr an die Decke gerichtet, gab Imogen einen weiteren Seufzer von sich. Sie hatte Jack von der ersten Sekunde ihrer Begegnung an gewollt, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.

Denn während sie zusehends dahingeschmolzen war und sich gefragt hatte, ob es wirklich so schlimm wäre, ihren Gefühlen nachzugeben, hatte er bereits seinen Abgang geplant. Was im Rückblick völlig verständlich war. Sie hatte sich ihm gegenüber unmöglich benommen und hätte an seiner Stelle vermutlich dasselbe getan.

Mit dieser Erkenntnis zog Imogen sich die Bettdecke über den Kopf, als könnte sie so die Erinnerung an diesen von vorne bis hinten verkorksten Abend ausblenden.

Nur gut, dass sie Jack Taylor nie wiedersehen würde.

„Jetzt rück schon endlich raus damit! Was ist passiert?“

Jack blickte von seiner Speisekarte auf, die er seit einer vollen Minute anstarrte, ohne etwas von deren Inhalt wahrzunehmen.

Vielleicht bekomme ich ja eine Grippe, überlegte er. Oder eine Lungenentzündung. Irgendetwas musste schließlich dafür verantwortlich sein, dass er sich die ganze Nacht mit schmerzendem Körper im Bett gewälzt und kein Auge zugetan hatte. Nachdem ihm klar geworden war, dass er jeden Gedanken an Schlaf vergessen konnte, war er schließlich aufgestanden und ins Büro gefahren.

Dafür, dass er schon um sechs Uhr dort angekommen war, hatte er allerdings nicht viel geschafft. Stattdessen hatte er völlig grundlos seine zuverlässige Sekretärin angeschnauzt, sich am Telefon mit einem guten Kunden angelegt und eine sträflich leichtsinnige Investition getätigt. Als ihm um die Mittagszeit herum allmählich die Decke auf den Kopf fiel und er die innere Spannung nicht länger aushalten konnte, hatte er schließlich Luc angerufen und sich mit ihm zum Lunch verabredet.

„Gar nichts ist passiert“, beantwortete er nun mürrisch die Frage seines Freundes. „Wieso fragst du?“

Luc zuckte die Schultern. „Vielleicht, weil du von dem, was ich in den letzten fünf Minuten gesagt habe, kein einziges Wort mitbekommen hast.“

Jacks Miene wurde noch finsterer. Normalerweise verlor er nie den Gesprächsfaden. Seine Fähigkeit, selbst unter größtem Stress konzentriert bei der Sache zu bleiben, hatte ihm schon viele Millionen eingebracht. Und normalerweise hatte er auch kein Problem damit, sich ein Essen zu bestellen. Vielleicht sollte er einen Psychiater aufsuchen. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen.

„Tut mir leid“, murmelte er. „Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.“

„Hoffentlich bei etwas Interessantem“, meinte Luc trocken.

„Nicht der Rede wert.“ Jack beschloss, ein Steak zu essen, und klappte die Speisekarte zu. „Also, was hast du gerade gesagt?“

„Ich wollte nur wissen, ob es bei Samstag bleibt.“

Bei dem Gedanken an den kommenden Samstag und Daisy wurden Jacks Züge weich. In einem leichtsinnigen Augenblick hatte er angeboten, auf seine kleine Patentochter aufzupassen, damit Luc und Emily zu einer Hochzeit in Cornwall fahren konnten. Er hatte zwar null Erfahrung mit der Betreuung von dreijährigen Mädchen, aber für Luc und Emily würde er so ziemlich alles tun. Außerdem bedeutete es für ihn kein besonders großes Opfer, einen Samstag mit der hinreißenden Daisy zu verbringen.

„Logisch bleibt es dabei“, versicherte er Luc.

„Ich frage nur, weil ich sicher eine Lösung finden würde, falls du andere Pläne hast.“

„Habe ich aber nicht.“

„Bestimmt nicht?“

„Nein, zum Teufel! Soll ich es dir schriftlich geben, oder was?“

„Natürlich nicht. Ich wollte dir nur eine Ausstiegsklausel anbieten, falls du sie brauchen solltest.“

Jack verdrehte genervt die Augen. „Hör zu, wenn du mir etwas Bestimmtes sagen willst, dann spuck es ohne Schnörkel und Umwege aus!“

Luc betrachtete ihn grinsend. „Na ja, es könnte ja sein, dass du den Abend lieber mit Imogen Christie als mit Daisy verbringen würdest.“

Jack hielt den Atem an. „Wie kommst du denn auf die Idee?“

„Gerüchteküche“, informierte Luc ihn. „Eine Freundin von Emily hat euch gestern bei einer Kunstausstellung gesehen. Sie fand, dass die Art, wie ihr euch unterhalten habt, ziemlich intim gewirkt hat, und als sie später zu ihrem Auto ging, hat sie gesehen, wie ihr zusammen in ein Taxi gestiegen seid. Natürlich brennt Emily jetzt auf die Details.“

Und du wahrscheinlich noch mehr, ergänzte Jack im Stillen. Seit Luc vor drei Jahren geheiratet hatte, versuchte er immer wieder, seinen Freund dazu zu motivieren, seinem Beispiel zu folgen. Was aus seiner Sicht durchaus verständlich war. Er führte eine ausgesprochen glückliche Ehe mit Emily, sie hatten eine entzückende Tochter, und ein weiteres Baby war unterwegs. Doch obwohl Jack ihm sein Glück von Herzen gönnte, würde er um keinen Preis mit Luc tauschen wollen. Trautes Familienleben war nun mal nicht sein Ding. War es nie gewesen und würde es auch nie sein.

„Du kannst Emily und ihrer Freundin ausrichten, dass es nichts zu berichten gibt. Ich habe Imogen zufällig in der Galerie getroffen. Es hat sich ein Gespräch zwischen uns entwickelt, das wir im Taxi fortgesetzt haben. Dann bin ich ausgestiegen, und sie ist allein weitergefahren. Ende der Geschichte.“

„Aber warum?“

Jack warf Luc einen verständnislosen Blick zu. „Was meinst du?“

„Warum siehst du sie nicht wieder? Nach allem, was man hört, soll sie sehr gut aussehen.“

Imogen war viel mehr als nur das. Sie war wunderschön, widersprüchlich, faszinierend und außerdem höllisch sexy.

„Ja, sie sieht sehr gut aus“, bestätigte er ausdruckslos.

„Was stimmt dann nicht mit ihr?“

„Sie ist einfach nicht mein Typ.“

„Nicht dein Typ? Sie ist doch ein weibliches Wesen, das atmet.“

„Sehr witzig“, brummte Jack verdrießlich.

„Sorry, aber ich konnte einfach nicht widerstehen.“

„Dann bemüh dich gefälligst um mehr Selbstbeherrschung!“

Als Jack den betroffenen Ausdruck in Lucs Augen sah, bereute er seine scharfe Bemerkung sofort. „Tut mir leid“, murmelte er zerknirscht. „Ich bin heute einfach nicht gut drauf.“

„Schon vergessen“, meinte Luc, der noch nie nachtragend gewesen war. „Ich hätte das Thema gar nicht erst anschneiden sollen.“

Jack seufzte und fuhr sich langsam mit beiden Händen durchs Haar. „Wenn du es unbedingt wissen willst: Ich habe sie zum Essen eingeladen, und sie hat mich abblitzen lassen.“

„Mist.“ Luc schnalzte mitfühlend mit der Zunge. „Und warum?“

„Ihr gefällt mein Ruf nicht.“

Luc nickte nachdenklich. „Und du hast das Bild von dir nicht geradegerückt?“

„Natürlich habe ich das.“

„Dann kapiere ich es nicht. Was ist passiert?“

Das war die große Preisfrage. Und wenn Jack ehrlich war, vermied er die Antwort darauf schon seit dem Moment, in dem er beschlossen hatte, aus dem Taxi zu steigen. Oder besser gesagt: zu flüchten.

Die Wahrheit war nämlich, dass er Angst bekommen hatte. Trotz Imogens harter Kritik an ihm war es offensichtlich gewesen, dass sie ihn als Mann attraktiv fand. Doch anstatt seine Chance zu ergreifen, hatte er sich feige zurückgezogen, weil er aus einem unerfindlichen Grund davon überzeugt war, dass sie eine massive Bedrohung für ihn darstellte.

Um zu erkennen, wie lächerlich das war, brauchte Jack sich nur den erschrockenen Ausdruck in ihren großen goldbraunen Augen in Erinnerung zu rufen, als er ihr den Mund zugehalten hatte, um Klartext mit ihr zu reden. Diese Frau war ungefähr so gefährlich wie ein Marshmallow, und seine Überreaktion konnte man nur als theatralisch bezeichnen!

Andererseits war er mehrere Stunden lang dem Anblick wahrhaft grauenvoller „Kunstwerke“ ausgesetzt gewesen. Er hatte einer der heftigsten Attacken sexueller Begierde standhalten müssen, die er je erlebt hatte, musste eine krasse Ablehnung seiner Essens­einladung hinnehmen und wurde in den Magen geboxt. Und als wäre das noch nicht genug, hatte er sich auch noch anhören müssen, er sei arrogant und ein emotionaler Krüppel.

War es angesichts solcher Widrigkeiten ein Wunder, dass sein seelisches Gleichgewicht ein wenig aus dem Lot geraten war?

Jetzt konnte er es ganz klar sehen: Imogen Christie war nur eine von vielen Frauen, die im Laufe der Jahre seine Aufmerksamkeit erregt hatten. Eine unerledigte Angelegenheit, die er unbedingt noch abschließen wollte, mehr nicht.

„Ich war ein Idiot“, sagte Jack und spürte, wie der Plan, Imogen zu finden und zu verführen, ihn mit neuer Energie und Tatkraft erfüllte.

„Und was wirst du jetzt tun?“, wollte Luc wissen.

„Sie ausfindig machen, natürlich.“

Und danach würde er sie dazu bringen, die brodelnde Chemie zwischen ihnen anzuerkennen, und wenn es das Letzte war, was er tat. Er würde jede Taktik anwenden, die er kannte – und er kannte viele –, und wenn er mit ihr fertig war, würde sie ihn anflehen, sie in die Arme zu nehmen und das brennende Verlangen zu stillen, das er in ihr entfacht hatte.

„Weißt du schon, wie du vorgehen willst?“

Jack hatte keine Ahnung, doch er wusste, dass er mit der eisernen Entschlossenheit, die er in diesem Moment empfand, kaum scheitern dürfte.

6. KAPITEL

Verdrossen blickte Imogen aus dem Wagenfenster des Taxis. Sie hatte nicht die geringste Lust, auf den Valentinsball zu gehen, doch da sie die Einzige war, die an diesem Abend die Familie repräsentieren würde, blieb ihr keine Wahl.

Wenn sie nur nicht so erschöpft wäre! Nicht, dass ihre Arbeit sie überfordert hätte. Der gemütliche Job in der Finanzabteilung der Christie-Stiftung war alles andere als herausfordernd, und außerdem hatte sie ihn sowieso nur bekommen, weil sie war, wer sie war. Es lag auch nicht daran, dass sie bis zum Morgengrauen gefeiert hätte. Aus Angst, Max und Connie über den Weg zu laufen, hatte sie in der letzten Zeit jede soziale Aktivität vermieden.

Nein, der Grund für ihre schlaflosen Nächte war Jack.

Es war zum Verrücktwerden, aber sie schaffte es einfach nicht, ihn aus ihrem Kopf zu verbannen. Kaum lag sie im Bett und schloss die Augen, war er da. Mit seiner Stimme, seinen Augen, seinem Geruch und dem Gefühl seiner Hand auf ihren Lippen.

Leider war es auch im Wachzustand nicht viel anders. Imogen hatte ihren Laptop im Schrank einschließen müssen, um sich davon abzuhalten, stundenlang das Internet nach Informationen über ihn zu durchforsten. Und vor drei Tagen hatte sie sich tatsächlich Amanda Hobbs Handynummer besorgt und sie in Italien angerufen, um die Wahrheit aus ihr herauszuholen.

Imogen seufzte und biss sich auf die Lippe, als ihre Gedanken schon wieder in die verbotene Richtung drifteten. Das Telefonat mit Amanda hatte ergeben, dass Jacks Version der Geschichte in allen Punkten stimmte. Das machte ihn natürlich noch nicht zum Heiligen, aber möglicherweise war es doch ein Fehler gewesen, seine Einladung zum Dinner so vorschnell auszuschlagen.

Als das Taxi vor dem Fünfsternehotel am Hyde Park vorfuhr, nahm Imogen ihre Puderdose aus dem Abendtäschchen und warf einen prüfenden Blick in den kleinen Spiegel. Ihre Haare saßen perfekt, und das Make-up war makellos. Wenigstens würde sie gut aussehen, wenn es zu der Begegnung kam, vor der sie sich schon so lange fürchtete. Sie hatte nämlich Connies und Max’ Namen auf der Gästeliste gesehen, und heute würde es keine Möglichkeit geben, sich vor den beiden zu verstecken.

Egal, sagte sie sich. Haltung bewahren ist alles, der Rest wird sich dann schon irgendwie ergeben. Mit einer Anmut, die das Produkt jahrelanger Übung war, stieg Imogen aus dem Wagen, erklomm die breiten steinernen Eingangsstufen und trat durch die riesigen Glastüren.

Dies war eine wichtige Veranstaltung für den Konzern. Der Valentinsball brachte jedes Jahr Unsummen für gute Zwecke ein, und sie würde nichts tun, um das zu gefährden. Sie würde Max und Connie nicht die Augen auskratzen, sondern charmant mit ihnen plaudern und so allen beweisen, dass sie keineswegs verletzt war, sondern diesen unbedeutenden Vorfall längst zu den Akten gelegt hatte.

„Imogen?“

Beim Klang der vertrauten weiblichen Stimme hinter ihr machte Imogens Herz einen plötzlichen Satz. Wie in Zeitlupe drehte sie sich um – und da standen sie. Dicht aneinandergeschmiegt und einfältig grinsend wie die Honigkuchenpferde. Connies Hand lag auf Max’ Arm, und ihr protziger Verlobungsring funkelte mit den kristallenen Kronleuchtern um die Wette.

Das Blut rauschte in Imogens Ohren, als sie schweigend zwischen den beiden hin- und herblickte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, in ihrem Kopf herrschte völlige Leere. Dann begann es zu ihrem Entsetzen vor ihren Augen zu flimmern …

Na, da ist sie ja endlich, dachte Jack zufrieden, als er Imogen in der Hotellobby entdeckte.

Wenigstens dieses eine Mal hatte seine Mutter mit ihrem oberflächlichen, sprunghaften Leben etwas Positives bewirkt. Sie in dieser Angelegenheit um Hilfe zu bitten, war eine echte Verzweiflungstat gewesen, aber was tat ein Mann nicht alles, um seine Ziele zu erreichen? Niemand kannte sich in Londons gesellschaftlicher Szene besser aus als Jessica Taylor, und Jack war schon immer sehr pragmatisch gewesen. Also hatte er sie angerufen und sich erkundigt, wo man am besten hinging, um Imogen Christie zu treffen.

Glücklicherweise war dazu keine große Finesse nötig gewesen, da Jessica wie immer zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, um sich für den Grund seiner Recherchen zu interessieren. Bei Imogen dagegen war ein subtiles Vorgehen durchaus angebracht, da sie ihm vermutlich nicht gleich widerstandslos in die Arme sinken würde.

Vor allem, wenn man ihr spektakuläres Aussehen an diesem Abend bedachte!

Das kunstvoll hochgesteckte Haar schimmerte wie gesponnenes Gold. An Hals und Ohrläppchen glitzerten Diamanten, und das trägerlose schwarze Abendkleid, das an einer Seite hoch geschlitzt war, zeichnete liebevoll jede ihrer aufregenden Kurven nach.

Beim Näherkommen stellte Jack allerdings fest, dass Imogens Schultern ziemlich angespannt waren. Außerdem war ihr Gesichtsausdruck merkwürdig starr, ja regelrecht schockiert. Und sie war so blass, dass man glauben konnte, sie würde gleich ohnmächtig werden.

Unwillkürlich beschleunigte Jack den Schritt. Da stimmte etwas ganz und gar nicht!

„Ist alles in Ordnung, Imogen?“, fragte er besorgt, als er sie endlich erreicht hatte.

Sie wirbelte herum und starrte ihn an, als hätte sie ihn noch nie in ihrem Leben gesehen. Ihre Augen wirkten riesig und seltsam desorientiert. Dann ging urplötzlich ein strahlendes Lächeln über ihr Gesicht, und ehe Jack begriff, wie ihm geschah, hatte sie ihm die Hand in den Nacken gelegt und einen raschen Kuss auf seinen Mundwinkel gedrückt.

„Jack, Darling“, säuselte sie. „Du hast es also geschafft.“

Ihre Brüste drückten gegen seinen Arm, ihr Körper schmiegte sich sanft und warm an seinen. Doch dies war nicht der Moment, um ihr zu zeigen, wie sinnlos es war, gegen die Anziehungskraft zwischen ihnen anzukämpfen.

Jetzt brauchte sie ganz offensichtlich seine Hilfe.

Er sah das unruhige Flackern, den flehenden Ausdruck in ihren Augen. Was immer hier passierte – Imogen wollte eindeutig, dass er rücksichtsvoll zu ihr war. Also würde er rücksichtsvoll sein. Was er ja ohnehin vorgehabt hatte. Er war zwar davon ausgegangen, vorher noch eine Menge Feldarbeit erledigen zu müssen, aber wenn die Umstände die Angelegenheit nun vereinfachten, wäre er ein Dummkopf, sich das nicht zunutze zu machen.

Also legte er ihr, ohne lange zu hadern, den Arm um die Taille, zog sie liebevoll an sich und blickte ihr tief in die Augen. „Du hast doch wohl nicht ernsthaft daran gezweifelt?“, fragte er sie rau.

Er spürte, wie sie sich entspannte. Sah, wie die besorgten Schatten aus ihren Augen wichen und einem verlangenden Leuchten Platz machten. Fasziniert beobachtete Jack die Veränderung. Er konnte es kaum noch erwarten, Imogen in seinen Armen zu halten und all ihre Geheimnisse zu enträtseln.

„Ich war mir nicht sicher“, erwiderte sie leise.

„Du solltest mehr Vertrauen zu mir haben.“

„Kannst du mir verzeihen?“

Solange ihre Stimme so zärtlich und atemlos klang und sie sich auf diese Weise an ihn schmiegte, würde Jack ihr absolut alles verzeihen.

Leicht beunruhigt über diesen Gedanken, lockerte er seinen Griff ein wenig und wandte sich dem Paar neben Imogen zu. „Willst du mich nicht deinen Freunden vorstellen, Liebling?“

Imogen blinzelte verwirrt, dann riss sie sich zusammen. „Oh ja, natürlich. Das sind Max Llewellyn …“ Als sie den Namen aussprach, wurde ihr Lächeln so starr, dass Jack sich unwillkürlich fragte, ob ‚Freunde‘ die richtige Formulierung gewesen war. „… und Connie Nicholson.“

„Jack Taylor.“

Man nickte einander zu und schüttelte Hände.

Etwas an Max bewirkte, dass Jack auf der Stelle eine heftige Abneigung gegen ihn fasste. Vielleicht war es diese aalglatte Mister-Perfect-Aura, die ihn umgab. Seine Zähne waren zu weiß, die Lockenpracht zu gepflegt, die Fingernägel zu makellos manikürt.

„Max und Connie haben sich gerade verlobt.“

Imogens steifer Tonfall bestätigte Jacks Verdacht, dass es zwischen den dreien gewisse Spannungen gab.

„Gratuliere“, sagte er trocken.

„Vielen Dank.“ Connies Blick huschte verstohlen zu Imogen, deren Lächeln an brüchiges Eis erinnerte.

Ein längeres Schweigen trat ein, in dessen Verlauf alle außer Jack peinlich darauf achteten, niemanden anzusehen. Schließlich hielt Jack es für angebracht, die Situation mit einer unverfänglichen Bemerkung übers Wetter zu entschärfen, aber Imogen kam ihm knapp zuvor.

„Ist es nicht nett hier?“, bemerkte sie fröhlich.

„Ganz wundervoll“, bestätigte Jack beflissen.

„Ich muss wirklich sagen, dass eure Event-Abteilung ganze Arbeit geleistet hat“, meldete Connie sich zu Wort.

„So sollte es auch sein, wenn die Eintrittskarten vierstellige Summen kosten.“ Imogen gab ein Lachen von sich, das sich knapp an der Grenze zur Hysterie bewegte. „Seht ihr das …?“ Sie deutete auf die verschwenderisch über den Marmorboden verstreuten Rosenblätter. „Das sind Damaszener-Rosen aus Marokko! Zweihunderttausend Stück, um genau zu sein. Die Kerzen stammen von dem Lieferanten, der auch die Westminster Abbey bestückt. Und nicht zu vergessen das Casino. Soweit ich es verstanden habe, hat man die Croupiers extra für diesen Abend aus Monte Carlo einfliegen lassen. Ihr müsst sie nachher unbedingt testen. Ich empfehle euch Roulette, aber natürlich kein russisches …“ Wieder lachte sie schrill auf.

„Sind Sie ein Spieler?“, schaltete Jack sich eilig ein. Nicht, weil ihn Max Llewellyns Gewohnheiten auch nur im Leisesten interessierten, sondern weil er glaubte, dass Imogen ihm später dankbar dafür sein würde.

„Du liebe Güte, nein! Das wäre mir viel zu riskant“, näselte Max mit unverkennbarem Eton-Akzent. „Moderne Kunst ist schon eher mein Gebiet.“

Dämlicher Lackaffe! „Ach, wirklich? Wie interessant!“

„Nicht wahr? Ich habe gerade erst eine sensationelle Neuerwer­bung getätigt. Oder besser gesagt hat mein Agent das für mich getan.“ Max senkte vertraulich die Stimme. „Ich selbst bleibe bei solchen Transaktionen lieber als graue Eminenz im Hintergrund. Das macht das Ganze noch eine Spur aufregender, wenn Sie verstehen, was ich meine …“

„Absolut“, murmelte Jack, der im Stillen hoffte, dass Imogen keine allzu enge Beziehung mit diesem Dünnbrettbohrer verband.

„Natürlich hat das Bild mich ein Vermögen gekostet, aber wenn es um wahre Kunst geht, darf nicht schnöder Mammon regieren, habe ich recht?“

„Ich hätte es nicht treffender formulieren können.“

„Es soll sich mit dem Kampf des Menschen gegen die Ungerechtigkeit des Kapitalismus auseinandersetzen“, warf Connie ein. „Ich kann das zwar nicht ganz nachvollziehen, aber die Farben sind herrlich dekadent.“

Jacks Miene blieb unverändert gelassen, während er sich insgeheim feixend auf die Schenkel schlug. Am Tag nach der Ausstellung hatte ihn die Galerie informiert, dass sich in letzter Minute noch ein Liebhaber für den „Stachel im Fleisch der Gesellschaft“ gefunden hatte. Ein guter, solventer Kunde, der aber zum Schutz seiner Privatsphäre lieber anonym bleiben wolle.

Manchmal war das Schicksal eben doch gerecht!

Er fing Imogens Blick auf, und das Funkeln in ihren Augen verriet ihm, dass sie dasselbe dachte wie er. Jack antwortete mit einem leichten Lächeln und versenkte seinen Blick noch tiefer in ihren. Die Geräusche im Saal verschwammen zu einem diffusen Rauschen. Es gab nur noch sie und ihn …

„… auch wirtschaftlich gesehen eine hervorragende Investition. Ich war immer schon der Ansicht …“

Wie ein lästiges Insekt drang Max’ Stimme an Jacks Ohr und drohte, den magischen Moment zu zerstören. Da hatte er plötzlich genug. Von diesem Schwachkopf, seiner Verlobten und dieser ganzen abstrusen Konversation. Sein Körper schmerzte vor Verlangen. Er wollte endlich tun, weswegen er hierhergekommen war. Vorhin hatte Imogen ihn gebraucht, und er war ihr, ohne zu zögern, zu Hilfe gekommen. Jetzt war es an ihr, sich für die Gefälligkeit zu revanchieren.

„Lass uns ein bisschen herumgehen, Liebling, was meinst du?“

Jack verstärkte den Griff um Imogens Taille, was sie noch enger an seine untere Körperhälfte brachte. Sie hielt den Atem an, und ihre Augen wurden eine Nuance dunkler, was schon mal ein guter Anfang war.

„Ja, das ist eine tolle Idee“, stimmte sie ihm atemlos zu. Mit einer hektischen Handbewegung verabschiedete sie sich von Connie und Max. „Es war nett, euch zu treffen. Amüsiert euch noch schön …“

Während Jack sie zielstrebig aus dem Foyer heraus und in einen menschenleeren Korridor dirigierte, wünschte Imogen, sie könnte das ganze Gespräch noch einmal führen. Aber diesmal so souverän und überlegen, wie sie es sich vorgenommen hatte. Und vor allem, ohne diese peinliche Nummer mit Jack abzuziehen!

Als sie ihm einen verstohlenen Seitenblick zuwarf und sein unbewegtes Profil sah, wurde ihr ganz mulmig zumute. Was mochte er jetzt wohl über sie denken? Und wohin wollte er mit ihr? Das Dinner würde gleich anfangen, und sie musste an diesem Abend die Tischrede halten!

Imogen spielte schon mit dem Gedanken, sich von ihm loszureißen und die Flucht zu ergreifen, als Jack plötzlich stehen blieb und sie gegen eine geschlossene Tür drängte. Seine blauen Augen fixierten sie intensiv, und in der Stille, die sie umgab, hörte Imogen ihren eigenen Herzschlag wie eine dröhnende Trommel.

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie weit weg von den anderen Gästen waren. Dass der Korridor düster und völlig verlassen dalag und Jack nicht annähernd so gelassen war, wie sie geglaubt hatte. Bei dieser Erkenntnis begann ihr Herz noch wilder zu rasen.

„Okay, … Darling“, ergriff er nach einer Weile das Wort und beugte sich dabei ein Stück zu ihr vor. „Was hatte das eben zu bedeuten?“

Seine Stimme klang tief und sehr verführerisch. Imogen schluckte hart und widerstand der Versuchung, sich mit der Zunge über die trockenen Lippen zu fahren.

„Wenn ich jetzt sagen würde, dass ich mich einfach gefreut habe, Sie zu sehen, würden Sie mir nicht glauben, oder?“

Er schüttelte den Kopf, ohne den Blick von ihr zu lösen.

„Das dachte ich mir schon.“ Imogen seufzte und biss sich auf die Lippe. „Es tut mir leid …“

„Das braucht es nicht.“ Er wirkte immer noch angespannt, aber nicht mehr ganz so sehr. „Ich fand die Situation nämlich ausgesprochen amüsant.“

Imogen blinzelte überrascht und auch ein bisschen pikiert. „Es freut mich, dass Sie die Show genossen haben“, erwiderte sie spröde.

Jack zog grinsend eine Braue hoch und lehnte sich mit einer Schulter gegen die Wand. „Sie werfen sich also nicht jedem Mann an den Hals, über dessen Auftauchen Sie sich freuen?“

„Natürlich nicht! Ich war nur ein bisschen … nervös. Aber auf jeden Fall danke für die Hilfe.“

„Immer zu Diensten. Aber warum waren Sie so nervös?“

Was sollte sie darauf sagen? Natürlich hatten ihre Nerven geflattert, als sie plötzlich Max und Connie gegenübergestanden hatte. Das hatte sich jedoch in dem Moment gelegt, als Jack auftauchte. Von da an war alles, was in ihr vorgegangen war, das Ergebnis seiner körperlichen Nähe gewesen. Und dann dieser unglaubliche Augenblick, als sie gleichzeitig begriffen, wer Jacks grässliches Gemälde gekauft hatte! In diesen wenigen verzauberten Sekunden hatte sie sich so verbunden mit ihm gefühlt, als wäre er seit Jahren ihr engster Vertrauter.

Aber da sie ihm das natürlich nicht auf die Nase binden wollte, würde sie wohl oder übel die Sache mit Max und Connie erklären müssen. Das setzte sie zwar nicht gerade in ein schmeichelhaftes Licht, aber nach allem, was Jack bereits mit ihr erlebt hatte, konnte sie in seiner Achtung kaum noch tiefer sinken.

„Na schön“, sagte sie gespielt gleichgültig. „Vor Connie war ich mit Max zusammen, wenn Sie es unbedingt wissen müssen.“

„Ich verstehe.“

Hatte da eine Spur von Enttäuschung in seiner Stimme geschwungen? Oder war es eher Ärger oder Eifersucht gewesen? Imogens Herz setzte einen Schlag lang aus, dann befahl sie sich, nicht so töricht zu sein. Warum sollte er ihretwegen Ärger oder gar Eifersucht empfinden?

Da er nichts weiter sagte, blickte sie zu ihm auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was ist?“ Sie hob das Kinn als Antwort auf sein Stirnrunzeln und zum Teil auch aus Ärger über sich selbst, denn sie wünschte sich tatsächlich, dass er eifersüchtig wäre.

„Ich muss zugeben, dass ich etwas überrascht bin.“

„Ach ja? Und warum?“

„Vielleicht, weil sich der Kunstgeschmack Ihres Ex so stark von Ihrem unterscheidet.“

„Glauben Sie wirklich, dass er den Schinken gekauft hat?“

„Er oder eine andere graue Eminenz, die lieber im Hintergrund bleiben wollte.“

Ein winziges Lächeln spielte um Imogens Lippen. „Lieber, dummer Max …“

Jack gab ein verächtliches Schnauben von sich. „Er ist ein Trottel.“

„Mag sein, aber immerhin war er mein Trottel“, sagte sie trotzig. „Jetzt ist er Connies Trottel, und das tut weh.“

„Wieso das? Ich dachte, Sie wären froh, ihn los zu sein?“

„Jetzt bin ich es auch. Aber davor war ich ziemlich unglücklich.“

„Was ist passiert?“

Was soll’s, dachte Imogen. Nachdem sie einmal davon angefangen hatte, konnte sie ihm auch gleich alles erzählen.

„Wir waren ungefähr ein Jahr lang zusammen. Ich dachte, alles liefe bestens, bis ich von einem Wochenendbesuch bei meinen Eltern zurückkam und eine SMS von Max erhielt. Darin teilte er mir mit, dass er und Connie schon länger ineinander verliebt seien und er die Beziehung mit mir beenden wolle, um mit ihr zusammenzuleben.“

Jack presste die Lippen zusammen. „Wie gesagt, der Kerl ist wirklich ein Trottel.“

„Connie war meine beste Freundin! Wir sind zusammen eingeschult worden, haben alles gemeinsam unternommen. Ich dachte, ich würde sie in- und auswendig kennen, und dann tut sie mir so etwas an …“

„Das klingt, als würde der Verlust Ihrer Freundin Sie tiefer treffen als der Ihres Liebhabers.“

„Vielleicht“, murmelte Imogen. „Auf jeden Fall bin ich mordswütend auf sie.“

Doch noch während sie es sagte, wurde ihr bewusst, dass sie eigentlich gar nicht mehr so wütend war. Während der letzten Tage war sie innerlich so mit Jack beschäftigt gewesen, dass sie kaum dazu gekommen war, über Max und Connie und deren bevorstehende Hochzeit nachzugrübeln.

Ihre Gedanken kehrten zu dem traumatischen Nachmittag zurück, an dem sie von der Verlobung der beiden erfahren hatte, und zu ihrer eigenen Verwunderung empfand sie dabei gar nichts. Nicht einmal einen winzigen Stich, was einerseits erfreulich, aber zugleich auch etwas beunruhigend war.

„Jedenfalls war ich sehr wütend“, korrigierte sie ihre letzte Bemerkung. Jack hatte ihr so hervorragend aus der Klemme geholfen, und da das Ganze ihr nichts mehr auszumachen schien, schuldete sie ihm vielleicht auch noch den Rest. „Als wir uns an dem Nachmittag in der Galerie trafen, war ich ein wenig …“

„… neben der Spur?“, schlug Jack vor.

„Verletzt und durcheinander“, korrigierte Imogen ihn mit blitzendem Blick. „Ich hatte erst eine Stunde vorher von der Verlobung der beiden erfahren.“

Jack nickte verständnisvoll. „Tja, das erklärt eine Menge.“

„Sparen Sie sich ihren gönnerhaften Tonfall! Sie waren an dem Abend nicht gerade eine Hilfe.“

„Nicht?“

„Sie haben mich an Max erinnert.“

Jacks Miene verfinsterte sich. „Ich habe nichts mit diesem Menschen gemeinsam.“

Er schaute so beleidigt drein, dass Imogen sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. „Das weiß ich jetzt auch, aber zu dem Zeitpunkt tat ich es nicht. Ich konnte nur sehen, dass ich schon wieder einen attraktiven, selbstverliebten Schürzenjäger vor mir hatte.“

Jack zuckte unmerklich zusammen. „Und aufgrund dieser Annahme haben Sie mich wahllos in die Schublade gesteckt, die Ihnen am passendsten erschien.“

„Haben Sie das etwa nicht getan?“, konterte Imogen. Immerhin hatte er sie als oberflächliches, geistloses Luxuspüppchen bezeichnet.

Er sah sie so lange an, bis ihr abwechselnd heiß und kalt wurde. „Stimmt, das habe ich getan“, gab er zu. „Und ich entschuldige mich dafür.“

Besänftigt blickte Imogen zu ihm auf. Dann fiel ihr wieder ein, was sie ihn schon die ganze Zeit über fragen wollte. „Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen? Soweit ich weiß, standen Sie nicht auf der offiziellen Gästeliste.“

„Ich habe mein Ticket erst in letzter Minute erworben. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie heute hier sein würden, und ich wollte Sie unbedingt wiedersehen.“

In seinen Augen glomm ein dunkles Feuer. Plötzlich fiel es Imogen schwer zu atmen.

„Warum?“, fragte sie heiser. „Sie müssen mich doch für völlig verrückt halten.“

Jack stieß sich von der Wand ab und baute sich so dicht vor ihr auf, dass sie die Hitze spüren konnte, die von ihm ausging. „Ich halte Sie nicht für verrückt.“

„Nicht?“

„Nein, kein bisschen …“ Er neigte den Kopf und schenkte ihr ein betörendes Lächeln. „Möchten Sie gern wissen, was ich stattdessen über Sie denke?“

„Sicher, warum nicht?“, meinte Imogen und hoffte, dass sie nicht allzu begierig klang.

„Ich glaube, dass Sie gerade eine schwere Zeit durchgemacht haben.“

„Das kann man wohl sagen.“ Sein Verständnis war Balsam für ihre verletzte Seele.

„Außerdem halte ich Sie für eine wunderschöne Frau.“

Ja bitte, nur weiter so! „Wirklich?“

„Und ob!“ Seine Augen nahmen ein tiefes, unergründliches Blau an, während er eingehend ihren Mund betrachtete. „Und ich glaube, dass zwischen Ihnen und mir noch etwas Unerledigtes steht, das wir dringend zu Ende bringen sollten.“

Vielleicht war sie ja doch nicht so tief in seiner Achtung gesunken, wie sie gedacht hatte!

„Etwas Unerledigtes …?“, wiederholte Imogen schwach.

„Ganz genau. Es hat am Dienstagabend begonnen und ist durch Missverständnisse und falsche Annahmen ins Stocken geraten.“ Er hob eine Hand und ließ die Fingerspitzen sanft an ihrem nackten Arm hinaufgleiten. „Aber jetzt scheint uns nichts mehr daran zu hindern, den wesentlichen Fakten ins Auge zu sehen.“

„Was für wesentliche Fakten?“, flüsterte Imogen. Sie hatte zwar eine vage Vorstellung, aber solange er ihr so aufreizend über den Arm strich, fiel es ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Dass ich dich will …“, erwiderte er heiser, „… und du mich ebenfalls.“

Erleichterung durchströmte Imogen. „Ach, diese Fakten meinst du.“

„Ja …“ Seine Finger liebkosten ihre Schulter und näherten sich langsam ihrem Hals. „Und ich hoffe sehr, dass du nicht wieder anfängst, sie infrage zu stellen.“

Imogen schluckte. „Das würde mir nicht einmal im Traum einfallen.“

Was würde es auch nützen? Er hatte ja so recht. Sie wollte ihn mehr, als sie je einen Mann gewollt hatte. Sie wollte die Gefahr, die Aufregung und die Lust, die sein heißer Blick versprach. Und das Wissen, dass sein Begehren ihrem um nichts nachstand, verstärkte noch ihren Zustand prickelnder und zugleich angstvoller Erwartung.

„Jack, ich …“, begann sie, verlor aber urplötzlich den Faden, als er mit der freien Hand die Tür hinter ihr öffnete und sie in eine dunkle Kammer schob.

„Was tust du da?“, fragte sie erschrocken, worauf er ihr zart ins Ohrläppchen biss.

„Beenden, was wir angefangen haben, natürlich. Hast du irgendwelche Einwände?“

Irgendwo in dem Nebel, der durch Imogens Kopf waberte, gab es sicher welche. Musste sie nicht eine Rede halten?

„Das Dinner beginnt gleich“, murmelte sie in einem schwachen Versuch, sich auf ihre Pflichten zu besinnen.

„Du hast ja so recht.“

„Ich bin der Ehrengast und kann mich nicht in irgendeiner Besenkammer verstecken …“ Sie versuchte, sich in dem schummrigen Zwielicht zu orientieren, nahm aber nur Jacks Blick wahr, der begehrlich auf ihrem Mund ruhte.

„Fünf Minuten“, flüsterte er.

„Hm, vielleicht zwei?“

„Wir werden sehen …“

Kaum spürte Imogen seine Lippen auf ihren, brannte sie auch schon lichterloh. Dabei war es nur eine federleichte Berührung, die schon vorbei war, kaum dass sie begonnen hatte. Als sie leise seufzte, folgte ein weiterer Schmetterlingskuss. Beim dritten Mal lag schon ein Hauch von Frustration in ihrer Stimme. Er hatte doch wohl nicht vor, sie mit dem bloßen Hinweis auf das, was er zu bieten hatte, abzuspeisen?

Um sicherzugehen, dass dies nicht geschah, legte Imogen ihm die Arme um den Nacken, vergrub ihre Finger in seinem Haar und bewegte leicht ihre Hüften an seinen.

Eine Maßnahme, die glänzend funktionierte.

Mit einem tiefen, rauen Laut riss Jack sie an sich und presste so verlangend seinen Mund auf ihren, dass Imogen buchstäblich die Luft wegblieb. Während ihre Zungen ein wildes, erregendes Duell ausfochten, durchströmten sie die köstlichen Empfindungen, die auch noch den letzten Rest Vernunft in ihr zum Schweigen brachten.

Selbstvergessen schmiegte sie sich an ihn, sodass sie deutlich den unwiderlegbaren Beweis seiner Erregung spüren konnte. Er schien nur aus harten Muskeln und schierer Kraft zu bestehen, und das Wissen, dass all diese Herrlichkeit für sie war, wenn sie es nur zuließ, machte sie ganz schwindlig. Gut, dass er sie so fest hielt, sonst wäre sie wie ein willenloses Bündel Gefühle vor seinen Füßen zusammengesackt.

„Du gehst ja ganz schön ran“, murmelte Jack, als er nach einer Ewigkeit ihren Mund freigab, um stattdessen die samtige Haut über ihrem Schlüsselbein zu erkunden.

„Du aber auch“, gab sie atemlos zurück, während eine Serie unkontrollierbarer Schauer durch ihren Körper jagte. „Ich war noch nie so froh, ein trägerloses Kleid zu tragen.“

Sie war sogar noch froher, als Jack die eng anliegende Korsage ein Stück herunterzog und eine ihrer Brüste mit seiner großen, kräftigen Hand umschloss. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt! Langsam umkreiste er mit dem Daumen die aufgerichtete Spitze, bis Imogen unter der sinnlichen Berührung aufstöhnte und sich ihm ungeduldig entgegenbog. Oh ja, bitte mach weiter! flehte sie im Stillen, und als hätte Jack ihre stumme Bitte gehört, beugte er sich über die andere Brust, um die empfindsame Knospe ebenso gekonnt mit Lippen und Zähnen zu reizen.

Das Verlangen, ganz mit ihm eins zu werden, ihn in sich zu spüren, wurde so übermächtig, dass es fast schon mehr Qual als Lust war. Als Imogen sicher war, die unerhörte Anspannung nicht länger ertragen zu können, hob Jack den Kopf und blickte ihr lange ins Gesicht. Seine Augen waren fast schwarz vor zurückgehaltenem Begehren, sein Atem ging heftig und unregelmäßig. Dann ließ er sie unvermittelt los und trat einen Schritt zurück.

„Wir müssen aufhören“, sagte er rau und rückte das Oberteil ihres Kleides mit sichtlichem Bedauern wieder an seinen Platz.

„Aber … warum?“, fragte Imogen überrascht. Sie hatten doch noch gar nicht richtig angefangen!

„Weil wir das Fünf-Minuten-Limit bereits überschritten haben“, klärte Jack sie auf. „Und wenn wir so weitermachen, kann es leicht damit enden, dass wir uns hier ein Zimmer nehmen.“

Ein Zimmer …? Natürlich, dies war ja ein Hotel, das hatte sie ganz vergessen. „Also für mich wäre das in Ordnung.“

Angesichts ihrer entwaffnenden Direktheit lachte Jack leise auf. „Für mich wäre es das erst recht, meine Schöne, aber du bist der Star des Abends. Man wird einen Suchtrupp nach dir ausschicken, wenn du nicht zu deiner Rede erscheinst.“

Ach verdammt, diese verflixte Rede! In wenigen Minuten würde sie vor Hundert Leuten stehen und über die Aktivitäten der Christie-Stiftung berichten. Wenn sie sich nicht bis auf die Knochen blamieren wollte, wurde es tatsächlich höchste Zeit, sich darauf einzustimmen.

„Du hast recht“, sagte sie lustlos.

„Ich weiß. Und jetzt ab mit dir, und zwar sofort, sonst ändere ich noch meine Meinung.“

„Und was ist mit dir?“ Imogen wünschte innig, nicht gehen zu müssen.

„Ich folge dir in einer Minute.“

„Sehe ich dich nach dem Dinner?“

Jack zog sie in seine Arme und gab ihr einen schnellen leidenschaftlichen Kuss. Dann bedachte er sie mit einem Blick, der ein einziges heißes Versprechen war. „Darauf kannst du wetten, Darling.“

7. KAPITEL

Tja, wetten kann man auf vieles, ging es Imogen durch den Kopf, als sie nach dem Dinner in den Wintergarten flüchtete und sich dort in einen der tiefen Rattansessel fallen ließ.

Nachdem sie Jack verlassen hatte, war sie förmlich in den Speisesaal geschwebt. Bestimmt hatte ihr jeder ansehen können, wie es in ihr aussah, aber es war ihr egal gewesen, denn es ging ihr so gut wie schon seit Langem nicht mehr. Sie hatte ihren Platz eingenommen und ihre Tischnachbarn begrüßt. Hatte das Essen gelobt und sich locker an verschiedenen Unterhaltungen beteiligt. Und die ganze Zeit über war sie mit ihren Gedanken in dieser Besenkammer gewesen.

Irgendwie hatte sie sich durch ihre kurze Rede gebracht, die, wenn man nach dem Applaus urteilte, ein voller Erfolg gewesen war. Dann war sie vom Podium gestiegen, hatte den Blick noch einmal durch den Raum schweifen lassen … und dabei die Frau entdeckt, die neben Jack saß.

Eine Blondine unbestimmbaren Alters, die auf eine etwas verlebte Art und Weise sehr attraktiv war. Und der es offenbar nicht gelang, ihre Hände länger als fünf Sekunden von Jack zu lassen.

Was ihn in keiner Weise gestört zu haben schien, dachte Imogen säuerlich. Während des Desserts, das nach ihrer Rede gereicht wurde, hatte sie ihm immer wieder unauffällige Blicke zugeworfen, und jedes Mal hatte er wie ein zufriedener Pascha dagesessen und sich seelenruhig betatschen lassen.

Wahrscheinlich tat er es noch, wo immer er sich auch gerade befand. Nachdem das Dinner beendet war, hatte Imogen noch eine Weile im Speisesaal ausgeharrt, aber Jack und seine Begleiterin waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt gewesen.

So viel zu Männern und ihren Versprechungen.

Rein rational betrachtet gab es eine Menge Möglichkeiten, warum er aufgehalten worden sein könnte. Aber keine davon konnte den überwältigenden Verdacht abschwächen, dass Jack sich gerade mit der Blondine in der Besenkammer vergnügte.

Frustriert schwang Imogen die Füße auf die Fensterbank und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Woher kannte er die Örtlichkeiten hier überhaupt so genau? Nach der Zielstrebigkeit zu urteilen, mit der er sie in diesen verlassenen Korridor gelotst hatte, könnte man fast glauben, dass er genau gewusst hatte, wohin er wollte.

Bestimmt hatte er es gewusst! Wahrscheinlich konnte man ihn mit verbundenen Augen in irgendeinem Londoner Tophotel absetzen, und er würde dort jede einzelne Besenkammer finden.

Autor

Katherine Garbera

Katherine kann sich nichts Schöneres vorstellen, als zu schreiben. Jedes Buch gibt ihr die Gelegenheit, die unterschiedlichen Verhaltensmuster der Menschen hervorzuheben. Leidenschaftliche Liebesromane zu verfassen, bedeutet für sie die Verwirklichung eines Traumes.

Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann, den sie in "Fantasyland" kennenlernte, und den beiden gemeinsamen Kindern in Florida.

...
Mehr erfahren
Ally Blake
Ally Blake ist eine hoffnungslose Romantikerin. Kein Wunder, waren die Frauen in ihrer Familie doch schon immer begeisterte Leserinnen von Liebesromanen.

Sie erinnert sich an Taschen voller Bücher, die bei Familientreffen von ihrer Mutter, ihren Tanten, ihren Cousinen und sogar ihrer Großmutter weitergereicht wurden. Und daran, wie sie als junges Mädchen...
Mehr erfahren
Lucy King
Lucy King lebte schon immer am liebsten in ihrer eigenen Welt, inmitten der bunten Liebesgeschichten von Mills & Boon. Bereits in der Schule schrieb sie lieber über glorreiche Helden und die Magie der Liebe, anstatt Mathematikaufgaben zu lösen.
Ihrem ganz persönlichen Helden begegnete sie eines Morgens während eines einsamen Spaziergangs...
Mehr erfahren
Susan Stephens
Das erste Buch der britischen Schriftstellerin Susan Stephens erschien im Jahr 2002. Insgesamt wurden bisher 30 Bücher veröffentlicht, viele gehören zu einer Serie wie beispielsweise “Latin Lovers” oder “Foreign Affairs”.

Als Kind las Susan Stephens gern die Märchen der Gebrüder Grimm. Ihr Studium beendete die Autorin mit einem MA in...

Mehr erfahren