Rendezvous mit einem Highlander

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DER HIGHLANDER UND DIE EISKÖNIGIN

Stolz, schön und kalt wie eine Eiskönigin steht Cristiana vor ihm. Doch Duncan the Brave weiß genau, dass sein heißer Kuss ihr Herz zum Schmelzen bringen könnte! So war es damals, als er mit ihr verlobt war, und so wird es wieder sein, wenn die Leidenschaft zwischen ihnen erneut ihren Tribut fordert. Doch nicht um die Widerspenstige zu erobern, ist der Highlander im Wintersturm zum Sitz der verfeindeten Domhnaills geritten. Sondern weil er hier mithilfe eines Amuletts einem uralten Geheimnis auf die Spur kommen will. Und noch während Cristana sein Verlangen weckt, spürt Duncan das mysteriöse Medaillon auf seiner nackten Brust brennen…

VERFÜHRT VON EINEM STOLZEN HIGHLANDER

Verhöhnt sie ihn und seine Liebe schmählich? Alex MacKinloch ist fassungslos: Seine schöne Gattin Laren zeigt ihm die kalte Schulter - dabei waren sie doch einst so glücklich miteinander! Doch jetzt verbirgt sie etwas vor ihm, verschwindet immer wieder ohne ein Wort. Und wann sie das letzte Mal sein Lager geteilt hat, weiß der Clan-Führer schon kaum mehr! Schenkt Laren etwa einem anderen ihre Gunst und liegt in dessen Armen? Der stolze Highlander nimmt seinen schwersten Kampf auf: Entweder er erobert das Herz seiner schönen Gemahlin zurück - oder er wird sie ein für allemal aus seinem Bett und seinem Leben verbannen …

DER HIGHLANDER UND DIE HURE

Zu viele blutige Fehden gab es schon in den Highlands. Als Duncan MacLerie in die Falle gelockt und gezwungen wird, die berüchtigte "Robertson-Hure" zu heiraten, bleibt ihm keine Wahl, will er die Waffenruhe zwischen den Clans nicht gefährden. Doch anders als befürchtet, entpuppt sich seine Braut Marian überraschend als kluge, zurückhaltende Schönheit. Schon begehrt er sie leidenschaftlich. Aber ist sie wirklich eine Hure? Je näher er Marian kommt, desto stärker spürt er, dass sie verzweifelt etwas vor ihm verbirgt. Doch um sie von der schweren Last ihrer Vergangenheit zu befreien, muss er nicht weniger als seine Ehre aufs Spiel setzen …


  • Erscheinungstag 15.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735456
  • Seitenanzahl 768
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Joanne Rock, Michelle Willingham, Terri Brisbin

Rendezvous mit einem Highlander

IMPRESSUM

HISTORICAL erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail: info@cora.de

© 2011 by Joanne Rock
Originaltitel: „In the Laird’s Bed“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL
Band 311 - 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Ulrike Pesold

Abbildungen: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733763930

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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PROLOG

Ihr Duft lockte ihn.

Sogar von der trostlosen Felszunge unter dem Wachturm von Domhnaill aus konnte Duncan der Tapfere Lady Cristianas Duft im Wind riechen. Der berauschende Duft kam allerdings nicht von einer Kräuterseife oder einem Bad mit Rosenblüten. Es war der Duft ihres legendären Mets, der den Steilhang hinunterwehte und Duncan und seine Männer in eine Wolke aus Nelken und Honig einhüllte.

Wer hätte gedacht, dass eine Frau, die einen so himmlischen Trank braute, einem Mann Obdach verweigern würde?

„Sagt ihr, ich bitte im Namen christlicher Nächstenliebe“, rief Duncan dem mürrischen Wachposten zu, der ihnen keinen Einlass zum angestammten Familiensitz der DomhnaillFamilie gewähren wollte. Der grauhaarige Torwächter hatte Duncans Männer lange in der Kälte warten lassen, während er Nachrichten mit seiner hartherzigen Herrin austauschte.

„Der Lairds will seinem Feind kein Obdach gewähren“, erwiderte der Wachmann, obwohl Duncan wusste, dass er log. Die Gerüchte über den schlechten Gesundheitszustand des Laird waren überall zu hören gewesen. Er regierte nicht länger seine Burg. „Er trug mir auf, Euch mitzuteilen, dass es in der Nähe ein Kloster gibt …“

„Auf der anderen Seite des Bergs“, ergänzte Duncan und machte seinem Ärger Luft. „Sag deinem Laird und seiner herzlosen Tochter, dass ich gerne meine Rüstung ablegen werde, wenn ich dafür die Eiszapfen an meinem Mantel auftauen lassen kann, bis der Sturm vorüber ist.“

Zum Teufel mit dem Stolz der Domhnaills.

In den vergangenen fünf Jahren hatten sie die Schmach nicht verziehen, die ihre Familie erlitten hatte, als Duncans Bruder das Brautbett mit Cristianas Schwester vor der Trauung genossen hatte. Sie hatten den Ehevertrag für nichtig erklärt, die Tat der Liebenden als Kriegserklärung gesehen und so die Kluft zwischen ihren Clans vergrößert.

Der Wind pfiff um die Felsen, wirbelte um die Füße der Männer und ließ die Mähnen der Pferde wild herumwehen. Den ganzen Tag hatte es heftig geschneit, sodass sie nicht weiter nach Norden reiten konnten. Duncan hatte keine andere Wahl, als einen Unterschlupf zu finden und das Ende des Sturms abzuwarten.

Genau, wie er es geplant hatte.

Der alte Wachmann über ihren Köpfen verschwand und nach ein paar Augenblicken erschien ein neues Gesicht im Schneegestöber. Die Gestalt lehnte sich aus dem Fenster des Wachturms, und langes, zimtfarbenes Haar und ein goldenes Seidentuch fielen über das Sims. Die schwere Pelzkapuze, die sie trug, konnte die vollen, offenen Haare in dem erbarmungslosen Wetter kaum bändigen.

Die Herrin des Mets persönlich.

Cristiana of Domhnaill hatte kein Lächeln für ihn übrig, als sie ihn begrüßte.

„Ihr werdet jede Klinge und jeden Pfeil abgeben, Sir“, befahl sie in einem Ton, der verriet, dass sie es gewohnt war, dass man ihr gehorchte. „Und auch dann werdet ihr erkennen, dass unsere Gastfreundschaft für Eidbrüchige begrenzt ist.“

„Ihr seht gut aus, Mylady.“ Duncan verbeugte sich im Sattel, eine schwierige Aufgabe, wenn man bedachte, dass seine Knochen schon seit ein paar Leugen steifgefroren waren. „Ich zweifle nicht, dass Eure Gastfreundschaft so großzügig wie Euer vergebendes Herz sein wird.“

„Ich freue mich, dass wir uns verstehen. Ich werde die Zugbrücke hinunterlassen, aber Ihr müsst warten, bis meine Männer euch entwaffnet haben, bevor Ihr einen Fuß daraufsetzt.“ Noch während sie sprach, knarrte der Mechanismus der Brücke laut, und die großen Zahnräder stöhnten protestierend. „Wir essen heute spät, um das neue Jahr willkommen zu heißen. Ihr könnt Euch uns dann anschließen. Ich habe Gäste, Sir, und hätte Euch sonst keinen Einlass gewährt. Aber ich kann es mir nicht leisten, unbarmherzig zu erscheinen.“

Sie verschwand in einem Wirbel goldener Schleier und zimtfarbener Strähnen und ließ den Tag so noch kälter werden. Duncans zufriedenes Grinsen konnte sie nicht mehr sehen.

„Wir haben es gewagt und waren erfolgreich.“ Dankbar bekreuzigte er sich, da das Risiko ein tödliches gewesen war. Denn obwohl er gehofft hatte, als um Hilfe bittender Reisender in die Domhnaill-Festung eingelassen zu werden, hatte er nicht vorhergesehen, wie schnell die Kälte und der Schnee sie überraschen würden. Die unbarmherzigen Winter der Highlands hatten mehr Männer das Leben gekostet als die Klingen der Feinde.

Neben ihm schnaubte einer seiner besten Ritter.

„Ihr nennt es Erfolg, wenn wir dem Feind in den Schoß fallen und nichts haben, um uns zu verteidigen?“ Misstrauisch beäugte Rory the Lothian die bewaffneten Wachen, die über die heruntergelassene Zugbrücke ritten. „Ich habe schon immer gewusst, dass Ihr ein Draufgänger seid, Duncan, aber ich dachte, Ihr würdet mit gezücktem Schwert und fluchend in den Tod gehen.“

„Manche Schlachten kann man nicht mit dem Schwert gewinnen.“ Während er seinen Schwertgurt löste, hoffte Duncan, dass er seinem Instinkt trauen konnte, wenn es um Cristianas Charakter ging.

Vor fünf Jahren hatten sie nur wenig Zeit miteinander verbracht, aber sie hatte sich ihm mit einer Leidenschaft versprochen, die er niemals vergessen hatte. Ohne die Missetat seines Bruders wären sowohl er als auch Donegal seit vielen Monden schon mit Domhnaill-Frauen verheiratet gewesen.

Das Unheil wäre nicht über seine Leute hereingefallen. Die Männer und die Reichtümer seiner Burg hätten seine Ländereien beschützt und vor dem Verfall bewahrt.

Rory blickte finster drein, als er einen eisverkrusteten Dolch aus einem Gurt an seinem Schenkel zog.

Aye. Und in diesem Fall könnte Euer Feind mit dem einzigen Schwert, das Ihr noch besitzt, bezwungen werden, wenn wir hier fertig sind.“ Rory senkte die Stimme, als die Wachen von Domhnaill näher kamen, um den wachsenden Haufen Stahl an sich zu nehmen.

All seiner Waffen entledigt, lenkte Duncan sein Pferd auf die Holzbohlen der Brücke. „Genau diese Taktik hat das letzte Mal den ganzen Ärger verursacht.“ Er hatte nie verstanden, warum die Domhnaills es für nötig gehalten hatten, einen Ehevertrag für ihre Tochter zu brechen, wenn die Ehe doch nur vorzeitig vollzogen worden war.

Ihre Entschuldigung war gewesen, dass Donegal zu grob gewesen sei. Aber welche verhätschelte Jungfrau beschwerte sich nicht nach dem ersten Mal in gleicher Weise?

Nein, der unerträgliche Stolz der Domhnaills war sie alle teuer zu stehen gekommen. Sogar Cristiana, die von Duncan mehr als gerecht behandelt worden war, hatte ihre Vermählung abgelehnt. Irgendwie hatte sie ihren Vater davon überzeugt, dass die Culcanons nur nach Domhnaill gekommen waren, um die Kluft zwischen den beiden Familien noch weiter zu vertiefen, und dass Duncan sie eines Tages ebenfalls schlecht behandeln würde, wenn sie Mann und Frau wurden. Der alte Laird, der schon damals von seinen Töchtern beherrscht wurde, hatte die Verbindung abgelehnt und die Eheschließungen verboten. Und diese Tat war der Beginn all der Probleme gewesen, die Duncans Clan in den letzten drei Jahren auseinandergerissen hatten.

Doch damit war nun Schluss. Er besaß gleichsam den Schlüssel, um das Problem seiner verwüsteten Ländereien und seiner zerstrittenen Leute zu lösen. Er hing an einem Lederband um seinen Hals, verborgen von seiner Tunika. Eine Karte, die ihn zu dem lange vergrabenen Schatz eines Urahnen, den er mit Cristiana gemeinsam hatte, führen würde. Er brauchte nur genug Zeit, um ihn zu suchen, bevor sie ihn für immer aus ihrer Burg verbannte.

1. KAPITEL

Der Duft von Nelken und Ingwer, die sie gerade in ihr dampfendes Gebräu geworfen hatte, brachte Cristiana nicht die übliche Freude. Sie atmete den herrlichen Geruch ein, der über dem kochenden Honigwasser schwebte, und überprüfte die richtige Mischung aus Hitze und Kräutern für ihren beliebtesten Met. Aber obwohl die Mischung nun ausgewogen schien, befürchtete sie, dieser Posten würde bitter werden. Ihrer Erfahrung nach braute sie den besten Met, wenn ihr das Herz leicht war, und momentan zog ihre Sorge sie mehr hinab, als es ihr eisbedeckter Mantel, den sie draußen getragen hatte, vermocht hatte.

Dass sich ein Feind unter ihrem Dach befand, war ihr in der vergangenen Stunde, in der sie die letzten Vorbereitungen für ein großes Mahl überwacht hatte, ständig durch den Kopf gegangen. Sie musste die Burg für ihren kranken Vater regieren und gleichzeitig die Aufgaben einer Dame pflegen, da ihre Mutter vor vielen Jahren gestorben und ihre Schwester weit fortgeschickt worden war, nachdem Duncans gefühlloser Verwandter sie ruiniert hatte.

Wie konnte er es wagen, sie aufzusuchen, nachdem er sich auf die Seite seines brutalen Halbbruders geschlagen hatte? Cristiana würde es sehr schwer haben, ihr Geheimnis vor Duncan zu verbergen, während er hier Zuflucht suchte.

Nachdem sie die brodelnde Mischung ein letztes Mal umgerührt hatte, verließ Cristiana den niedrigen Brauturm, den ihr Vater gebaut hatte, um die Gabe seiner Tochter zu unterstützen. Jahrelang hatte er versucht, sie am Metbrauen zu hindern, und erklärt, dass es eine Aufgabe für Töchter minderer Männer war. Aber als die Herren des Landes Interesse bekundeten, den Met zu kaufen und Könige anderer Länder Geschenke sandten, um eine kleine Menge davon zu erhalten, hatte ihr Vater eingesehen, dass es weise war, ihr nachzugeben.

Nun eilte sie durch die Burg, um sich um ihre Gäste zu kümmern, wohl wissend, dass sie keine Zeit mehr haben würde, sich vor dem Gastmahl umzuziehen. Ihr war wichtiger gewesen, noch Vorkehrungen zu treffen, damit keiner der Gäste Verdacht schöpfen konnte. Mehr hatte sie nicht tun können, um die Beweise für ihr Geheimnis vor ihrem neuen Besucher und seinen Männern zu verbergen. Die Vorbereitungen waren hastig und nicht so sorgfältig durchgeführt worden, wie sie es gerne gehabt hätte, aber ihre kurzfristige Regelung würde ausreichen, bis das Mahl vorüber war.

Das Neujahrsfest war auf Domhnaill schon immer mit großem Aufwand gefeiert worden, und Cristiana konnte es sich nicht leisten, dass eine Änderung des Festablaufs Misstrauen weckte und jemandem einen Hinweis auf die Probleme ihrer Familie gab.

Sie wischte mit dem Handrücken über ihre Stirn, auf der Schweißperlen standen, weil sie so hastig zur großen Halle geeilt war, richtete einen Wandteppich gerade aus und überlegte, was vor dem Mahl noch zu tun war. Schnell reichte sie einer kichernden Magd, die einen Bediensteten der Gäste zwickte und neckte, ihren pelzbesetzten Mantel. Cristiana sah die Magd streng an, ein Blick, der mehr Arbeit verhieß, falls sie sich nicht benahm.

„Ihr wart auch einmal so jung, Mylady.“

Eine tiefe männliche Stimme ertönte hinter ihr und erschreckte sie, da sie eine Unmenge an Erinnerungen hervorrief, die sie sich töricht fühlen ließ. Oh, wie hatte sie sich damals danach gesehnt, diese Stimme zu hören.

Als sie sich umdrehte, stand sie ihrem Feind direkt gegenüber, ohne eine schützende Mauer oder einen Burggraben, der sie trennte.

Duncan der Tapfere, legitimer Sohn von Malcolm Culcanon, erhob sich von einem Sitz im düsteren Gang vor der Großen Halle. Seine breiten Schultern verdeckten das Licht der nächsten Fackel und tauchten seine große, eindrucksvolle Gestalt in dunkle Schatten. Die fünf Jahre hatten kaum Spuren auf seinem gut aussehenden Gesicht hinterlassen. Seit seiner Jugend wetteiferten die Frauen der gesamten Highlands um seine Aufmerksamkeit. Auch Cristiana war sehr angetan von ihm gewesen, als sie sich kennengelernt hatten. Der interessierte Blick seiner dunkelgrünen Augen spiegelte seine Intelligenz wider. Das kurz geschnittene, braune Haar hatte zwar nicht die wallende Schönheit eitlerer Männer, doch Cristiana wusste die Reinlichkeit, die man an seinem Glanz erkennen konnte, zu würdigen. Vor allem bewunderte sie seine kriegerische Stärke, seine Brust, die so kräftig war, dass es sich anfühlte, als ob er ein Kettenhemd darüber trug oder genauer gesagt, für sie hatte es sich einst so angefühlt, als sie es gewagt hatte, seine Brust zu berühren. Doch sie hatte ihr Herz schon seit Langem gegen diesen arroganten Mann und seine Familie gestählt.

„Glücklicherweise war ich nie so töricht.“ Sie wandte sich von ihm ab, um zwei weitere Gäste willkommen zu heißen, die zum Fest eingeladen worden waren – einen benachbarten Lord und seine Gemahlin, die Domhnaill seit Generationen loyal verbunden waren.

„Duncan!“, rief die in Samt gehüllte Dame, Lady Beatrice of the Firth, begeistert, als sie Cristianas Begleiter sah. Sie hielt sich ihre juwelengeschmückte Hand vor die Brust, als müsse sie ihr Herz beruhigen. „Wie schön, Euch zu sehen. Wir haben gehört, wie erfolgreich Ihr die Normannen von unseren Grenzen vertrieben habt …“

„Wir müssen unsere Plätze einnehmen“, unterbrach ihr Gemahl seine Frau mit warnender, leiser Stimme. „Duncan hat nur Zuflucht vor dem Sturm gesucht. Zweifellos ist er von der Reise ermüdet.“

Da Widerspruch von Beatrice zu erwarten war, zog Peter of the Firth seine Gemahlin hastig in die Große Halle.

„Wenn Ihr nachher tanzen möchtet, Mylord“, rief Beatrice mit einem gezierten Lächeln über ihre Schulter, „wäre ich nur zu gern Eure Partnerin.“

Cristiana wollte das Gespräch nutzen, um Duncan aus dem Weg zu gehen, aber er musste ihre Absicht erraten haben, denn er umklammerte mit seiner starken Hand ihr Handgelenk und zog sie in die Dunkelheit, hinter einen großen Wandteppich.

„Sir“, protestierte sie und versuchte, ihre Hand wegzuziehen, doch es gelang ihr nicht, da er sie fest umschlungen hielt.

Angst kroch durch sie hindurch. Hier konnte sie niemand sehen. Würde er ihr Gewalt antun, so wie sein Halbbruder ihrer Schwester? Er hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass er wütend war, weil sie sich entschieden hatte, die Verlobung zu lösen.

„Wir müssen offen sprechen, bevor wir essen.“ Er flüsterte ihr die Worte ins Ohr und hielt Cristiana viel zu nah. „Ich bin bereit, Euch heute als Friedensangebot Gefolgschaft zu schwören. Werdet Ihr annehmen?“

Sie versuchte, ihre Angst zu besiegen, indem sie sich daran erinnerte, wie viele wichtige Lords und Ladys sich auf der anderen Seite des Wandteppichs befanden. Duncan konnte ihr doch nicht schaden wollen. Tief holte sie Luft und zwang sich, ruhiger zu werden. Und einen Herzschlag lang bemerkte sie den Duft seiner frisch gewaschenen Tunika und die Wärme seines kräftigen Körpers darunter. Seine Finger umspannten die Innenseite ihres Arms, während sein Schenkel ihre Röcke berührte.

Ihr Herz klopfte heftig angesichts der Kühnheit seines Vorschlags und seiner Nähe.

„Ich biete Euch Zuflucht und sonst nichts.“ Sie versuchte, nicht an das letzte Mal zu denken, als er sie so gehalten hatte. Die Süße des Kusses, die sie dazu gebracht hatte, sich zu wünschen, eine verheiratete Frau zu sein, bevor sie wusste, wie treulos ein Culcanon sein konnte. Denn obwohl Duncan wütend gewesen war, weil sie sich weigerte, ihn zu heiraten, so hatte er doch keine Zeit verloren, sich wieder mit seiner Geliebten auf einer nahe gelegenen Burg zu vergnügen. „Haltet eine wohltätige Geste nicht für selbstverständlich, sonst müsstet Ihr erleben, wie Eure Männer in aller Eile durch meine Tore hinauseskortiert werden.“

„Es wäre nicht klug, den neuen Verbündeten des Königs vor so vielen Zeugen zu brüskieren, Cristiana.“ Er lockerte seinen Griff. „Vielleicht habt Ihr nicht viele Neuigkeiten aus dem Königreich erhalten, seit Euer Vater krank ist, aber ich versichere Euch, Malcolm vereinigt sein Land und schafft eine neue Ordnung. Die Welt hat sich in den letzten fünf Jahren sehr verändert.“

Auf der anderen Seite des Wandteppichs trafen weitere Gäste ein, und ein Spielmann stimmte eine fröhliche Melodie an, um den Rest der Burg zu den Festivitäten in die Halle zu locken.

Bis heute Morgen war ihre größte Sorge gewesen, das Gastmahl reibungslos ablaufen zu lassen, um von der fortwährenden Abwesenheit ihres Vaters abzulenken. Nun deutete Duncan an, dass all ihre Bemühungen niemanden täuschen konnten und schlimmer noch, dass der Status ihrer Familie Schaden nehmen könnte, da sich kein Domhnaill am Hof des Königs aufhielt.

„Ihr vergesst Euch, Sir.“ Sie löste sich aus seinem Griff und beschäftigte ihre nervösen Hände, indem sie ihren Gürtel glättete. „Die Domhnaills waren schon immer loyale Anhänger der Krone. Und obwohl wir den König nie mit dem Unrecht behelligt haben, das Euer Verwandter meiner Schwester angetan hat, ist es noch nicht zu spät für uns, ihn um Gerechtigkeit anzusuchen, wenn Ihr wünscht, die Sache an ihn heranzutragen.“

Sie hatte die Verletzungen, die ihre Schwester erlitten hatte, nicht vergessen. Die Demütigung. Die blauen Flecken. Die Erinnerung daran stählte sie und verschloss ihr Herz für die anderen Erinnerungen an den Sommer, als die DomhnaillFrauen Verrätern ihr Herz geschenkt hatten.

„Cristiana, lasst Euch nicht von alter Wut blenden. Domhnaill braucht einen Anführer, und wenn Euer Vater keinen Nachfolger wählt, dann wird der König es für ihn tun.“

Diese Möglichkeit spiegelte ihre schlimmsten Ängste so genau wider, dass sie das Gefühl hatte, Duncan habe heute zum zweiten Mal ihre schützenden Mauern durchbrochen.

Sie war so aus der Fassung, dass sie nicht protestierte, als Duncan ihren Arm nahm und sie vom Wandteppich weg und wieder in den schwach beleuchteten Gang führte.

„Ich fühle mich geehrt, heute Abend Euer Tischnachbar sein zu dürfen“, verkündete er laut, als wären sie gerade mitten in einem harmlosen Gespräch gewesen. Indem er ihren stummen Schrecken zu seinem Vorteil nutzte, hatte er sich gerade eben den Platz neben ihr beim Gastmahl erschlichen.

Cristiana wusste, dass sie ihre fünf Sinne sammeln musste, bevor er das Kommando über das gesamte Fest übernahm.

Das Lied des Spielmanns endete mit einer hohen Note, und die Große Halle war beinahe voll. Knappen mit Wasserschalen und Leinentüchern gingen an den Tafeln entlang und boten die Schüsseln den Gästen dar, die sich die Hände waschen wollten.

„Ein armer Reisender wird immer eine Mahlzeit und ein warmes Feuer auf Domhnaill finden“, erwiderte sie mit erzwungener Fröhlichkeit und hielt sich so weit wie möglich von ihm entfernt.

Woher wusste er so viel über ihre Probleme hier? Sie schluckte ihre Furcht herunter und ließ sich durch die Menge zum Podest führen. Grüne Kieferngirlanden hingen von den Holzsparren und erfüllten den Raum mit dem Duft des Waldes. Ein Jongleur, den sie zum Meister des Festes gemacht hatte, führte die Dienerschaft an, die ein Willkommenslied anstimmte, während die Gäste ihre Plätze einnahmen.

„Heute erwärmt nur der Herd das Herz“, flüsterte Duncan ihr ins Ohr. „Ich kann mich entsinnen, dass das nicht immer so war.“

Sie erstarrte.

„Ihr habt kein Recht …“, begann sie, brach jedoch ab, als eine Dienerin sich näherte. Die Magd trug einen Krug Met und erinnerte Cristiana an ihre Pflichten als Gastgeberin.

Auch Duncan war sich dessen bewusst, denn er beugte sich zu ihr und gab sich keine Mühe, vor den Gästen zu verbergen, wie nahe er Cristiana kam.

„Vielleicht erinnert Ihr Euch an die Wärme, wenn Ihr mich bedienen müsst?“ Er löste sich etwas von ihr, überspielte seinen Rückzug aber mit einer Verbeugung über ihrer Hand.

Da sie befürchtete, dass er ihre Hand küssen könnte, wie es höfische Sitte war, zog sie sie sofort zurück. Aber Duncan lächelte nur und nahm seinen Platz am oberen Ende des Tisches ein.

Leise verfluchte sie ihn, nahm den Metkrug und ging auf das Podest zu. Die Herrin von Domhnaill hatte ihre Gäste am Anfang des Mahls immer persönlich bedient, und Cristiana hatte nicht vor, mit dieser Tradition zu brechen, nicht wenn sie so lange und hart darum gekämpft hatte, der Welt zu beweisen, dass alles hier seinen gewohnten Gang ging.

„Auf Eure Gesundheit, Mylord“, sagte sie und schaffte es sogar, ihren Kopf in seine Richtung zu neigen. Glücklicherweise halfen der erzwungene Knicks und der gebeugte Kopf, ihre brennenden Wangen zu verbergen.

Mit nur leicht zitternden Händen näherte sie sich Duncandem Tapferen und goss ihm einen Becher ihres feinsten Mets ein. Niemand ahnte in diesem Moment, dass ihre Welt gerade zerbrach. Keiner wusste, dass sie daran dachte, dass ihr Vater dem Tod geweiht und ihre geliebte Schwester ins Exil geschickt worden war.

Und dass Cristiana im Geheimen das illegitime Kind ihrer Schwester großzog.

2. KAPITEL

Die Süße blieb. Doch es war mehr daran.

Stunden später ließ Duncan den Honigwein in seinem Mund kreisen, nachdem das Mahl vorbei war und der Tanz begonnen hatte, und versuchte herauszufinden, was an Lady Cristianas berühmtem Met anders war als das letzte Mal, als er ihn probiert hatte. Er beobachtete Cristiana, als sie sich fröhlich vor ihrem Tanzpartner verneigte, einem Clanältesten, der ein Berater ihres Vaters war. Ebenso wie ihr Met war Cristiana vielschichtiger als in seiner Erinnerung. Die Zeit hatte die Weichheit ihrer Jugend aus ihrem Gesicht verschwinden lassen und eine elegantere und kultiviertere Schönheit hinterlassen. Sie bewegte sich anmutig und leicht, als sie tanzte, obwohl ihr ernster Gesichtsausdruck ihn vermuten ließ, dass sie lieber Kriegsstrategien als Festtagsfeierlichkeiten diskutieren wollte.

Weder sie noch ihr weicher Trank waren so einfach wie die Summe ihrer Teile. Man konnte keine Facette einzeln beurteilen. Doch der Gesamteindruck war faszinierend. Überwältigend. Er spürte das süße Brennen des Honigweins durch sein Blut pulsieren.

Aber möglicherweise verwechselte er auch nur die Wirkung der Frau mit ihrem Getränk.

„Ihr habt versprochen zu tanzen, Mylord.“

Die heisere Stimme in seinem Ohr war nicht die, die er gerade hören wollte. Er drehte sich um und sah sich plötzlich mit Lady Beatrices beeindruckendem Ausschnitt konfrontiert. Sie klimperte mit den Wimpern und streckte die Hand aus, um ihn dazu zu zwingen, entweder mit ihr zu tanzen oder sie öffentlich zurückzuweisen.

Oder hatte sie etwas ganz anderes im Sinn?

„Lady Beatrice.“ Duncan stellte seinen leeren Becher auf den Tisch und stand auf. „Ich bedaure, dass ich jetzt nicht tanzen kann, denn ich muss einem alten Neujahrsbrauch Rechnung tragen. Aber ich bin sicher, das Spiel wird Euch nicht enttäuschen.“ Der Brauch eines Spiels oder einer Herausforderung am Neujahrstag würde dem zweiten Teil seines Plans zugutekommen.

„Meine geschätzten Damen und Herren.“ Duncan erhob seine Stimme und übertönte die letzten Akkorde der Musik des letzten Tanzes. Daran gewöhnt, der Herrscher einer Großen Halle zu sein, kümmerte es ihn nicht, dass er den Platz des Lairds einnahm. „Ich möchte unserer Gastgeberin für ihre Gastfreundschaft und die fröhliche Stimmung danken, die sie hier geschaffen hat.“

Seine Worte wurden in der ganzen Halle wiederholt, wobei der Dank von Lady Beatrice nicht sehr herzlich ausfiel, die verärgert über den entfallenen Tanz schien. Drüben bei den Spielleuten akzeptierte Cristiana das Lob mit einem zurückhaltenden Kopfnicken, doch Duncan bemerkte, dass seine Anwesenheit ihr Unbehagen verursachte.

Aber sie verdiente es nicht, leichten Herzens zu sein, nachdem sie jegliche Verbindung zu ihm abgebrochen hatte, weil ihre Schwester launisch gewesen war.

„Und dem Geist der Jahreszeit angemessen“, fuhr er fort und verbarg seine Bitterkeit hinter einem herzlichen Tonfall, „erbitte ich den Segen der Dame.“

Alarmiert riss Cristiana den Kopf hoch. Ihr Blick wanderte durch die Halle, vielleicht auf der Suche nach Hilfe durch die Männer ihres Vaters. Aber wer würde ihn schon vom Podest führen, nachdem sie selbst ihn an ihren Tisch eingeladen hatte? Die eine Hälfte ihrer Wachen war angetrunken, die andere Hälfte umwarb die Mägde in den dunklen Ecken der Halle.

Duncan fuhr fort, entschlossen, seinen Willen durchzusetzen. „Ein Schatten ist zwischen unsere Familien gefallen, den ich eines Tages zu vertreiben hoffe. Heute erbitte ich nur einen Monat und einen Tag auf Domhnaill, um Euch einen wunderbaren Schatz zu Füßen zu legen.“ Er senkte die Stimme mit Rücksicht auf die Herausforderung, die seine Worte enthielten, und die Erzählkunst seiner schottischen Vorfahren half ihm, seine Zuhörer weiterhin zu fesseln. „Wenn Euch meine Gabe bis dahin nicht zusagt, werde ich Eure Burg für immer verlassen. Doch wenn sie Euch gefällt, dann bitte ich Euch, dass unsere Clans einen neuen Frieden schließen und die alten Wunden ein für alle Mal verheilen.“

Als er seinen Vorschlag vorgebracht hatte, wandten sich alle Köpfe im Raum zu Cristiana. Man musste ihr hoch anrechnen, dass sie ihren Gesichtsausdruck unter Kontrolle hatte, sobald sich die Aufmerksamkeit ihr zuwandte. Doch Duncan hatte das wütende Aufblitzen in ihren Augen trotzdem gesehen.

Er hätte sie nicht besser herausfordern können, wenn er ihr einen Handschuh vor die Füße geworfen hätte. Die öffentliche Bitte um einen Segen an einem Feiertag war etwas, das kein ritterlicher Hof verweigern durfte. Besonders nicht vor einer solch großen Ansammlung Verbündeter des Königs.

Es tat gut, ein wenig Rache für die alte Beleidigung zu nehmen.

„Eure Ernsthaftigkeit beindruckt mich“, erwiderte sie und knickste. Ihre schweren goldfarbenen Röcke schwangen über den Boden.

Hörte er als Einziger den Sarkasmus aus ihren Worten fließen, wie Hefeschaum über die Ränder eines Bechers floss?

Als sie sich aufrichtete, flüsterte der alte Ratgeber ihr etwas ins Ohr. Schlug er ihr vielleicht vor, Duncan in den Sturm hinauszutreiben? Oder riet er ihr, in der Öffentlichkeit zuzustimmen, bis sie heimlich eine Möglichkeit fanden, ihn aus ihrer Burg zu vertreiben?

Er würde es nie erfahren, denn Cristiana schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn angesichts des Ratschlags, den sie erhalten hatte.

„Seien all meine Gäste Eure Zeugen, so sei es.“

Sie winkte den Spielleuten zu, und die drei hoben ihre Lauten. „Und jetzt lasst uns tanzen.“

Es war die übliche Einladung zum Feiern, die eine Gastgeberin zu solchen Anlässen aussprach, aber da er an die gespannte Erwartungshaltung von Lady Beatrice neben ihm dachte und ihre Bereitschaft, sich auf ihn zu stürzen, nahm Duncan Cristianas Einladung lieber wörtlich. Zielstrebig ging er auf sie zu, schnappte sie sich, bevor sie die Tanzenden hinter sich lassen konnte, und drehte sie würdevoll.

Er konnte sich nicht helfen, er verspürte Schadenfreude nach all den Sorgen, die sie seiner Familie verursacht hatte. Nachdem sie ihn um das Domhnaill-Vermögen gebracht hatten, das ihm seine Braut eingebracht hätte, hatte Donegal sich gegen seinen eigenen Clan gewandt und hatte die CulcanonLändereien jeglichen Reichtums beraubt, während Duncan die letzten drei Jahre im Krieg gewesen war. Duncans Bemühungen im Krieg waren durch den Mangel an Männern und Waffen erschwert worden und hatten ihm seinen Aufstieg zum bedeutenden Krieger sehr schwer gemacht. Schlimmer noch – die Kämpfe hatten ihn langfristig das Leben vieler Männer gekostet.

„Ihr seid ein Schuft der niedersten Art“, zischte sie ihm leise zu, als sie bei einer Drehung nah aneinander vorbeigingen. „Was führt Ihr im Schilde, dass Ihr unbedingt auf einen Aufenthalt hier besteht?“

Duncan sah die Hitze in ihrem Blick. Die Feindseligkeit. Hatte sie sich noch nicht genug für die eingebildete Beleidigung ihrer Schwester gerächt?

Er erinnerte sich sogar an starke Leidenschaft.

Da der Tanz sie für eine Weile nicht mehr zueinanderführte, hatte er Zeit, sich eine Antwort zurechtzulegen. Als sie mit vor Ärger glänzenden Augen und geröteten Wangen wieder zu ihm zurückkehrte, legte sie ihre Hand auf seine, um langsam um ihn herumzugehen.

„Unsere Clans sollten sich aus einem bestimmten Grund vereinigen.“

Er hatte diese Antwort nicht geplant, doch die Worte verließen unkontrolliert seinen Mund. „Dieser Teil der Küste ist gefährlich und muss von einer starken Macht verteidigt werden, nicht von zwei verfeindeten Clans. Die Kluft zwischen unseren Familien hätte durch ein Bündnis geschlossen werden sollen.“

Sie übersprang einen Schritt, und ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie überrascht war, bevor ihre Miene sich änderte und sie aufgewühlt erschien.

Da sie am Ende der Gruppe von Tänzern standen, ergriff Duncan ihre Hand und zog sie von der Feier fort. Er hielt nicht an den auf Böcken gestellten Tafeln an oder an der Erhöhung, die mit bestickter Seide verziert war, sondern verließ mit ihr die Große Halle.

Unmittelbar vor der Halle blieb sie stehen.

Nay. Ich bin keine dumme Jungfer, die einem starken Ritter überallhin folgt, nur weil er es so will.“

Sie befreite ihre Finger mit mehr Kraft aus seinem Griff als nötig gewesen wäre.

„Meine Dame, Ihr seid eine viel zu berechnende und kaltherzige Frau, als dass man Euch für dumm halten könnte.“ Die Verbitterung machte ihn unvorsichtig. Aber schließlich war seine Familie noch nie für Zurückhaltung berühmt gewesen. „Wenn Ihr das lieber vor Eurem gesamten Haushalt besprechen wollt, dann nur zu.“

Er drehte sich um, um sie anzusehen. Mit verschränkten Armen stand sie da. Ausdruckslos. Sie schwieg.

„Vielleicht sollten wir in Gegenwart Eures Vaters darüber sprechen?“, drängte er und überlegte, wie lange sie es schaffen würde, den alten Mann vor ihm zu verbergen. „Am besten spricht ohnehin der Laird für seine Leute.“

Er fragte sich, ob der Laird sich überhaupt in der Burg aufhielt. Keiner der Gäste in der Halle hatte seine Abwesenheit kommentiert. Waren sie so daran gewöhnt, von einer unverheirateten Jungfrau und einem alten Ratgeber regiert zu werden, dass sie es nicht seltsam fanden?

Sie war empört. Entschlossen straffte sie sich.

„Also gut.“

Ihre weiche, volle Unterlippe lenkte ihn ab, jetzt, wo er unnachgiebig sein musste. Er erinnerte sich an ihre Berührung, als er sie vorhin hinter den Wandteppich gezogen hatte. An ihren Duft, als sie neben ihm beim Mahl saß. Der Geschmack ihres Mets, der ihn an einen Kuss vor langer Zeit erinnerte. Es war ihm nicht schwergefallen, sie vor fünf Jahren zu verlassen, weil er sicher gewesen war, dass man ihm Unrecht getan hatte. Als Mann in den besten Jahren hatte er sich keine großen Sorgen über den Verlust einer Frau gemacht, die kaum mehr als ein Mädchen gewesen war. Ein Mädchen, das er nur aus politischen Gründen heiraten wollte. Er hatte damals ohnehin eine Geliebte gehabt – eine Witwe, die ihn nur zu gern über den Verlust von Cristiana hinweggetröstet hatte.

Doch Cristiana jetzt zu sehen – ihre Stärke, ihre gereifte Schönheit – hatte ihn in schlechte Laune versetzt.

Sie hatte ihm mehr als nur Ländereien, Gold und Macht geraubt. Sie hatte ihn darum betrogen, das Bett mit ihr zu teilen.

„Wann?“, drängte er und war bereit, jetzt sofort die Kammer ihres Vaters zu suchen, um ihre Täuschung aufzudecken.

„Ich werde den Burgvogt bitten, einen Termin morgen früh zu machen.“

„Habt Ihr auch einen Termin bei ihm gebraucht, als ich heute an Eurem Tor angekommen bin? Müssen Plünderer und Kriegstreiber auch zuerst den Vogt sehen?“

„Da Ihr weder das eine noch das andere seid, ist das wohl nicht von Belang.“ Sie drehte sich um, als wollte sie zurück in die Halle gehen. „Und zählt nicht auf die Ritterlichkeit meines Hofs, Euch zu beschützen, wenn Ihr noch weitere ungeheuerliche Vorschläge macht. Trotz unserer guten Manieren sind wir Schotten, ebenso wie Ihr. Unsere Schwerter sind schnell.“

Mit raschelnden Röcken rauschte sie davon. Und obwohl er sein heutiges Ziel, Einlass in Domhnaill zu erhalten, erreicht und sich das Obdach lange genug gesichert hatte, um nach dem Schatz zu suchen, hatte er einen taktischen Fehler gemacht, als er seinen Feind unterschätzt hatte. Indem er die Tarnung als freundlich gesinnter Gast, der eine Zuflucht suchte, zu schnell hatte fallen lassen, hatte er sie mehr als geplant auf sein Motiv aufmerksam gemacht. Denn wie sanft und unschuldig Cristiana auch aussehen mochte, sie besaß das Herz eines Kriegers.

„Vater?“ Spät in derselben Nacht klopfte Cristiana an die Kammertür ihres Vaters. Sie wusste, dass es ihre Unruhe lindern würde, die die verstörenden Ereignisse des Tages in ihr ausgelöst hatten, wenn sie ihren Vater sah. Sein Körper war immer noch gesund, sein Geist jedoch verwirrt. Trotzdem hatte er auch klare Momente, die sie an die alten Zeiten erinnerten, als er der mächtigste Laird an der Ostküste gewesen war und nichts seiner Familie oder seinen Leuten Schaden zufügen konnte.

„Netta?“, rief er ihr von der anderen Seite der Tür zu. „Komm herein.“

Das war der Name ihrer Mutter. Ihre Mutter, nach der er rief. Dennoch trat Cristiana ein und ging über den Holzboden, der mit alten Teppichen bedeckt war, um die Geräusche zu dämpfen, die er an seinen weniger klaren Tagen verursachte. Er war zwar kein Gefangener hier, doch zu seinem eigenen Besten wurde er gut bewacht. Einmal war er entkommen, um an der Küste entlangzuwandern, und sie hatten ihn schon für tot gehalten.

„Vater, ich bin es, Cristiana.“ Sie stellte eine umgefallene Kanne auf dem Tisch zurecht.

Es war dunkel in der Kammer, da das Feuer heruntergebrannt war. Es waren keine Fackeln angezündet, und sie hatte ihre draußen gelassen. Aber als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie ihn am Fenster sitzen sehen, wo der Wandteppich zurückgezogen worden war, damit er über die Armlehne seines Sessels reichte.

„Ein Fremder läuft an den Klippen entlang.“ Ihr Vater wandte sich ihr zu, das schneeweiße Haar stand in Büscheln von seinem Kopf ab. Doch seine Augen waren aufmerksam und seine Stimme klar. „Einer deiner Gäste? Du solltest Wachen an den Mauern aufstellen, Mädchen. Ich kann nicht die ganze Nacht die Ländereien beobachten.“

Cristiana ging an einer offenen Truhe voller Waffen vorbei, die neben dem Bett stand, trat zu ihm ans Fenster und spähte hinaus. Im Südosten grenzte nur wenig Land an die Burg. Ein schmaler Streifen felsigen Bodens umgab die Burg, bevor die Klippen steil zum Meer hinabfielen.

Sogar aus dieser Höhe und im Licht des Halbmonds erkannte Cristiana die breiten Schultern des Mannes, von dem es hieß, er habe an der Seite des englischen Königs gekämpft, um dem schottischen Herrscher einen Gefallen zu tun.

„Es ist Duncan der Tapfere. Er ist von Williams Hof zurückgekehrt, um von seinem neu gewonnenen Ansehen bei König Malcolm zu profitieren.“ Sie war sich nicht sicher, ob ihr Vater die Wichtigkeit ihrer Worte begriff, aber er erschien ihr klarer als gewöhnlich. Und sie vermisste ihren starken, entschlossenen Vater so sehr. „Er ist diesen Monat unser Gast und hat seine Waffen abgegeben. Aber ich versichere dir, die Mauern sind gut bewacht und du musst nicht hier sitzen und Ausschau halten.“

„Das ist dein Verlobter“, bemerkte ihr Vater, der sich offensichtlich an eine vergangene Zeit erinnerte und sie mit heute verwechselte. „Siehst du, was für einen starken Mann ich dir ausgesucht habe? Siehst du, wie er dich nachts bewacht, anstatt zu schlafen? Das ist ein guter Mann.“

Die Enttäuschung brannte in ihrem Hals, als sie bemerkte, dass sie heute Abend hier keinen Trost finden würde, außer dem, dass es ihrem Vater gutging. Seit Monaten war er so – er vergaß alte Freunde und Bedienstete. Er brachte die Vergangenheit und die Gegenwart durcheinander und fragte gelegentlich nach Edwina und warum sie nicht zu ihm gekommen war. Er hatte vergessen, dass er selbst dafür gesorgt hatte, dass sie ins Exil geschickt wurde, nachdem sie Donegal of Culcanons geboren hatte.

„Du hast immer versucht, das Beste für mich zu tun“, stimmte sie zu und legte den Kopf auf die Schulter ihres Vaters, während sie Duncan dabei beobachtete, wie er die Ländereien in der Dunkelheit durchstreifte. „Das habe ich nie bestritten.“

„Aber du bist nicht hergekommen, um einen alten Mann faseln zu hören.“ Er drückte ihre Schulter und küsste ihre Stirn. „Was kann ich für dich tun, Tochter?“

„Unser Gast möchte dich unbedingt treffen.“ Sie wusste nicht, wie sie ihn vertrösten sollte, ohne unnötigen Verdacht hinsichtlich der Abwesenheit ihres Vaters zu schüren. „Ich habe mich gefragt, ob er irgendwann hier in deine Kammer kommen kann, wenn Keane bei dir ist und du ihm erklären kannst, dass … du dich nicht gut fühlst?“

Der Berater ihres Vaters würde dann den größten Teil des Gesprächs führen und leiten. Doch zumindest hätte Duncan den Laird mit eigenen Augen gesehen und würde wissen, dass der alte Schotte noch nicht auf dem Sterbebett lag.

Ein Geheimnis weniger, das sie hüten musste.

Aye, gut. Schick den Jungen einfach her. Wir brauchen hier einen starken Anführer. Dein alter Vater kann die Mauern nicht ewig schützen.“ Gedankenverloren tätschelte er ihre Schulter und erhob sich.

Cristiana konnte sich noch gut daran erinnern, dass ihr Vater einst Duncans Kopf auf einem Tablett gefordert hatte, ebenso wie den seines Halbbruders. Er war wütend gewesen, als er gehört hatte, dass seine Tochter gegen ihren Willen angefasst worden war. Und er hätte eine Armee aufgestellt, um den gesamten Culcanon-Clan zu dezimieren, wäre seine Gemahlin nicht plötzlich krank geworden. Sie hatte ihn auf dem Sterbebett angefleht, Edwina die Form der Rache bestimmen zu lassen, denn schließlich war sie es gewesen, die gelitten hatte. Edwina hatte sich dazu entschlossen, die Sache stillschweigend zu regeln.

Und ihre Aussteuer dafür zu verwenden, ihr einen Platz am englischen Hof zu erkaufen, wo niemand von ihrer Vergangenheit wusste.

Später, als Edwina bemerkt hatte, dass sie schwanger war, war ihre Mutter bereits gestorben und ihr Vater war so unglücklich, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie Edwina sich für zwei Monate in ihre Kammer zurückgezogen hatte. In dieser Zeit hatten seine Töchter ihre eigenen Vorkehrungen getroffen, um das Kind zu schützen und sicherzustellen, dass Edwina den Erinnerungen entfliehen konnte, mit denen Domhnaill nun für immer verknüpft war. Falls der Laird irgendeine Vermutung hatte, so hatte er sie nicht geäußert. Er hatte sich in der Trauerzeit völlig verändert.

„Ich werde ihn irgendwann diese Woche vorbeischicken, Da“, versicherte Cristiana ihm. Sie sah Duncan immer noch unverwandt an, als er an der Burg hinaufblickte und dann wieder über das Wasser. „Und du wirst den Clan nicht für immer beschützen müssen. Du kannst jetzt deinen Nachfolger benennen, und dann musst du dir keine Sorgen mehr machen.“

„Ich soll meiner Tochter ihr rechtmäßiges Erbe vorenthalten? Es ist schlimm genug, dass Edwina ihr Zuhause hier auf Domhnaill verloren hat. Ich werde dich nicht mit leeren Händen zurücklassen, nicht nachdem ich diese Burg zur stärksten Festung im Osten gemacht habe. Dein Gemahl wird der Laird werden, Mädchen. Und jeder Mann, der mir dient, weiß, dass das mein Wille ist.“

Sie nickte stumm, gerührt von seiner Erklärung, auch wenn sie wusste, dass es nur verwirrtes Geschwafel war. Ihre Besuche waren frustrierend, doch sie ging nie, ohne sich geliebt zu fühlen.

„Danke, Da.“ Fest umarmte sie ihren Vater, dankbar für jeden Tag, den er ihr erhalten blieb.

„Geh und leg dich schlafen, Mädchen. Du hattest einen langen Tag.“

Nickend schürte sie noch das Feuer im Kamin, bevor sie aus dem Zimmer schlüpfte. Sie würde dafür sorgen, dass Keane bei ihrem Vater sein würde, wenn Duncan ihn traf, sodass der Laird nicht mehr tun musste, als ihn zu begrüßen. Ihr Vater durfte in seiner Verwirrung nicht einer Ehe seinen Segen geben, die nie stattfinden würde.

Gleichgültig, wie stark Duncan sein mochte und wie fähig, Domhnaill zu beschützen, Cristiana traute ihm nicht. Er war aus seinen eigenen geheimen Gründen auf diese Burg zurückgekehrt und hatte ihr nicht mitgeteilt, was ihn bewog. Sie konnte es förmlich spüren, dass er ihr etwas Wichtiges verheimlichte.

Nein, sie würde Duncan nicht trauen. Sie würde ihm weder ihr Herz, noch das Erbe ihres Vaters und ganz sicher nicht das kleine Mädchen anvertrauen, das die Wärme einer liebenden Familie verdiente. Was würden Duncan und sein Bruder tun, wenn sie erfuhren, dass Cristiana ihre Erbin seit mehr als vier Jahren aufzog? Würden sie Domhnaill den Krieg erklären, um sie zurückzubekommen?

Oder schlimmer noch, verteilten sie ihren Samen so unbekümmert, dass ein weiteres Kind, das ihre unverwechselbaren grünen Augen hatte, ihnen gleichgültig war?

Um ihrer Nichte Leah willen weigerte sich Cristiana, dies herauszufinden.

*

Duncan würde diese Burg auf den Kopf stellen, um zu finden, was er suchte.

Er stand am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang auf, entschlossen, seinen Aufenthalt auf Domhnaill so kurz wie möglich zu gestalten. Als er sein Morgenmahl zu sich genommen und sich warm angezogen hatte, um die feuchte Kälte abzuwehren, die vom Wasser herangetragen wurde, trafen die Sonnenstrahlen auf das Amulett, das er um den Hals trug. Er hielt das Amulett hoch, um die metallene Karte zu betrachten. Das geheimnisvolle Zeichen musste ein signifikantes Merkmal auf den Domhnaill-Ländereien sein.

Es lag eine Kälte im Wind, die nichts mit dem Meer zu tun hatte, als er sich von den dicken Mauern entfernte. Unbehagen lauerte hinter der trotzigen Fassade der Burg, ein Gefühl unter den Leuten, dass ihr Anführer schwach geworden war. Cristiana konnte das neue Jahr noch so sehr feiern, um die Schwächen ihres Clans zu verbergen, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Domhnaill reif für eine Übernahme war.

Duncan ließ seinen Blick über die Steine der Burg schweifen und suchte nach einem Muster im Stein, das zu dem auf seinem Amulett passte. Das war eine der vielen Möglichkeiten für die Bedeutung der Karte. Doch die Aufgabe, Steinmauern zu betrachten, nahm ihn nicht annähernd genug in Anspruch, um ihn davon abzuhalten, an Cristiana zu denken.

Darüber, wie sehr sie vor fünf Jahren bereit gewesen war, ihn zu heiraten.

Bei Gott, er würde niemals die Hitze des Kusses vergessen, auch wenn sie nur eine unschuldige Jungfrau gewesen war. Man hatte sie allein im Garten spazieren lassen, da ihre Familien zu beschäftigt mit den Details für Edwinas Hochzeitsvertrag gewesen waren. Cristiana hatte nicht gezögert, seinen Arm zu nehmen, als er sie durch die Obstbäume zu einer Bank bei einem alten Wunschbrunnen geführt hatte.

Seltsamerweise erinnerte sie sich offensichtlich nicht daran, dass sie es gewesen war, die ihn dorthin geführt hatte, obwohl es derselbe Tag war, an dem Donegal Edwina entehrt hatte. Cristiana hatte Duncan vorgeworfen, sie geküsst zu haben, um sie davon abzuhalten, auf ihre Schwester aufzupassen. Doch so war es nicht gewesen. Cristiana wollte bei ihm sein, und ihre Augen hatten vor Aufregung geleuchtet, als sie ihn in den Hain gezogen hatte.

Da er momentan kein Muster in den Steinen erkennen konnte, ging Duncan weiter zu diesem Brunnen, ohne sich dessen richtig bewusst zu sein. Er würde im nächsten Monat einen Großteil der Ländereien absuchen müssen, daher war es sinnvoll, wenn er die Lage auskundschaftete.

Als er durch das Dickicht der zusammengewachsenen Obstbäume drang, erblickte er ein neues Gebäude zwischen dem Obstgarten und dem Brunnen. Ein niedriger, runder Turm, der zu weit von der Burg entfernt war, um eine Küche zu sein. Dennoch drang der Rauch eines geschürten Feuers aus einem Loch im Dach.

Was hatte der alte Laird hier erbaut?

Überrascht von der ehrgeizigen Erweiterung der Burg, verbarg Duncan sein Amulett sorgfältig unter seiner Kleidung und näherte sich dem Gebäude. Seine Stiefel wirbelten den frisch gefallenen Schnee auf.

Er versuchte, die Tür zu öffnen, obwohl er befürchtete, dass sie verschlossen war. Stattdessen schwang sie mühelos auf, und der Duft süßen Mets drang in seine Nase. Der Duft von Cristiana.

Dies war ihr Herrschaftsbereich. Also musste sie ebenso wie er im Morgengrauen aufgestanden sein, um so früh bei der Arbeit zu sein. Und dort stand sie, ganz allein, und beugte sich so tief über einen Tisch, dass er nicht sehen konnte, an was sie arbeitete. Sie hatte ihn nicht gehört, denn ihre gesamte Aufmerksamkeit galt ihrer Arbeit, was auch immer dies sein mochte.

Das Gebäude war ein Brauhaus, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Es war weitaus mehr als eine Ecke in der Küche, wo besondere Kessel zum Metbrauen an einer Seite standen. Das gesamte Gebäude schien Cristianas Gabe Met zu brauen gewidmet zu sein.

Ein Feuer brannte inmitten des Raums und wurde von Steinen geschützt. An einem Teil der Mauer war Holz gestapelt, doch der größte Teil der Wände war von Kesseln gesäumt.

Die einzigen niedrigen Fenster des Gebäudes befanden sich über dem Arbeitstisch, an dem Cristiana stand. Die mit Leder bezogenen Öffnungen ließen das Morgenlicht über die Tontöpfe mit den getrockneten Kräutern und Gewürzen hinwegfluten. Jetzt konnte er sehen, dass sie einige Zimtstangen in kleinere Stücke geschnitten hatte und ihre Hände von duftendem Staub bedeckt waren.

„Cristiana.“ Er sprach leise, um sie nicht zu erschrecken, doch ihr Name wurde zu einem vertrauten Laut auf seinen Lippen.

Dennoch erschrocken, wirbelte sie herum, als erwartete sie eine Horde plündernder Dänen zu sehen.

„Duncan.“ Eine Hand an die Brust gepresst, schien sie ihr Herz gewaltsam beruhigen zu wollen. „Um diese Zeit bin ich für gewöhnlich allein hier.“

Als sie sich wieder zum Arbeitstisch wandte, waren ihre Wangen von der Hitze des Feuers gerötet. Ihr amethystfarbenes Kleid wogte um ihre Füße, als sie sich bewegte, und der Stoff hob und senkte sich im Rhythmus ihrer Schneidebewegungen.

„Ihr kümmert Euch gut um Eure Tränke, Cristiana.“ Er trat einen Schritt weiter in den Raum herein und betrachtete die Girlanden von Blüten, die an den Sparren aufgehängt waren.

Der Duft der Gewürze und getrockneten Beeren vermischte sich mit dem Geruch von Hefe. In diesem Brauhaus zu sein war, als befände man sich an einem Spätsommertag draußen und könnte das volle Aroma der fruchtbaren Ernte um sich herum riechen.

„Der Domhnaill-Met wird hoch gehandelt. Aber ich muss vorsichtig sein, wenn ich ihn herstelle, da ich nur eine gewisse Menge an Honig habe. Sobald er aufgebraucht ist, kann ich meine Vorratskammern erst wieder im Frühling auffüllen, daher wage ich es nicht, ihn anbrennen zu lassen.“

Vorsichtig kratzte sie die Reste des Zimts von dem Arbeitstisch und fegte sie in ihre Hand. Als sie alles aufgefangen hatte, brachte sie es zu einem Topf an der gegenüberliegenden Wand und verteilte es auf der Oberfläche des Gebräus.

Kein Wunder, dass sie die ganze Zeit über diesen verlockenden Duft an sich hatte. Sie musste den Duft durch ihre Haut in sich aufnehmen.

„Euer Vater hat viel in diesen Handel gesteckt.“ Als er zur Decke blickte, bemerkte er die überzähligen Dachsparren, die Extraplatz für das Trocknen der Kräuter außerhalb der Reichweite der dampfenden Kessel schufen.

Mörser und Stößel, Becher und kleine Krüge waren in einem offenen Schrank aufgestellt.

„Wir verkaufen unseren Met zu einem sehr guten Preis. Im Gegenzug sorgen die vollen Truhen dafür, dass wir unsere Männer bezahlen und starke Verbündete an uns binden können.“

Sie wusch sich die Hände in einer Schüssel mit Wasser, die vor der Herdstelle stand, und trocknete sie mit einem Leinentuch, das an ihrem Gürtel hing.

„Euer Vater hat seit vielen Jahren keine Streitmacht mehr aufgestellt“, bemerkte er und durchquerte den Raum, um den Inhalt der Gärkessel zu begutachten. „Seine Truhen müssen förmlich überfließen. Er hätte schon vor langer Zeit eine gute Ehe für Euch arrangieren können.“

Die Mitgift, die Duncan vor fünf Jahren für sie bekommen hätte, war mehr als großzügig gewesen, besonders wenn man bedachte, dass seine Söhne eines Tages die Herrscher von Domhnaill geworden wären. Was würde der Laird dem Mann bieten, der Cristiana irgendwann heiraten würde?

„Ich glaube nicht, dass er die Absicht hat, einen Ehemann für mich zu finden.“ Während sie ihr geflochtenes Haar mit einer Hand zurückhielt, beugte sie sich über den Kessel in der Mitte des Raums und schnupperte vorsichtig.

Der Stoff ihrer Tunika fiel nach vorne, als sie sich vorbeugte, und präsentierte ihm einen so verführerischen Anblick, dass er abrupt stehen blieb. Er spürte, dass sein Interesse an ihr mit einem Schlag zurückkehrte. Aber sie zu begehren war töricht. Sie war keine erfahrene Frau, die sich einen Mann zum Vergnügen suchte, sondern eine unverheiratete Jungfrau, die eine gute Ehe eingehen musste. Eine Verbindung, die ihrem Rang entsprach.

Und er würde lieber alle Feuer der Hölle ertragen, als der Mann für diese Ehe zu sein, nachdem sie ihn so kalt abgewiesen hatte.

Doch dieses Wissen hielt die Hitze nicht davon ab, durch seine Adern zu schießen, als er ihre weiße, zarte Haut sah. Der Augenblick endete zu schnell, als sie sich aufrichtete und einen Löffel nahm, um das Gebräu umzurühren. Er versuchte, sich daran zu erinnern, worüber sie geredet hatten. Ah, ja. Ein Ehemann.

„Nur ein sehr törichter Vater würde die Notwendigkeit, Euch zu vermählen, nicht erkennen. Und Euer Da ist kein Narr.“ Ein sturer, harter Mann vielleicht. Doch außer dem Fehltritt der aufgekündigten Verlobung war der alte Laird ein guter Herrscher. Oder war es zumindest gewesen.

Vielleicht hatte sie seinen Blick auf ihrem Körper gespürt, denn sie hielt in ihrem Rühren inne, um zu ihm aufzusehen. Obwohl sie einige Schritte voneinander entfernt waren, spürte er, wie sich die Luft zwischen ihnen auflud. Würde Cristiana als unberührte Jungfrau überhaupt die Quelle dieser Hitze kennen?

„Ich habe beschlossen, nicht zu heiraten.“ Ihre Worte standen in solchem Widerspruch zu all seinen Gedanken, dass er eine Weile brauchte, um zu verstehen, was sie gesagt hatte.

„Unmöglich.“ Er kam näher und redete sich ein, dass er nur ihr Gesicht betrachten wollte, um zu sehen, dass sie log. Doch er wusste, dass er von einer Macht zu ihr hingezogen wurde, die er nicht kontrollieren konnte. Trotz ihres gegenseitigen Misstrauens faszinierte sie ihn. „Euer Vater hat keine Söhne. Er hat keine andere Wahl, als sich – Eure Leute – mit einem starken Clan zu vereinen, der seine Ländereien schützen kann.“

Sie nahm den Löffel aus dem köchelnden Gebräu neben ihr und hängte ihn an einem Haken in der Nähe des Kesselgriffs auf.

„Er wird seinen Nachfolger bestimmen, wenn es an der Zeit ist. Ich muss nicht heiraten, um unsere Zukunft zu sichern.“

Das war Wahnsinn. Ihr Vater duldete dies? Er würde den alten Mann dazu befragen, wenn er ihn sprechen durfte, denn es würde Duncans Vorhaben hier leichter machen, wenn er keinen Verehrer bekämpfen musste, der ebenfalls die Kontrolle über Domhnaill erlangen wollte. Doch in diesem Moment verlangte es ihn nach einer ganz anderen Antwort von ihr.

Mit ihren kühlen, grauen Augen sah sie zu ihm auf. Sie war eine praktische Frau geworden. Tüchtig und sehr fleißig. Doch er erinnerte sich an eine andere Seite von ihr. Eine leidenschaftliche, ungehemmte Seite, die sie nach jenem Tag am Brunnen in sich verschlossen hatte, als hätte es sie nie gegeben.

Plötzlich musste er wissen, ob dieser Teil von ihr noch existierte oder ob er für immer von der kühlen pragmatischen Art ersetzt worden war.

„Ihr würdet Euch die Berührung eines Mannes für den Rest Eures Lebens versagen?“ Er streckte seine Hand nach ihr aus und sagte sich, er täte es nur, um sie zu reizen. Um sie einen Bruchteil der Enttäuschung fühlen zu lassen, die er vor Jahren verspürt hatte.

Unverwandt sah sie ihm in die Augen. Vielleicht bemerkte sie die Bewegung seiner Hand nicht, bevor er ihr eine Haarsträhne direkt an der Schläfe aus dem Gesicht strich. Die Berührung wirkte schicksalhaft, und er erinnerte sich an eine andere Berührung, einen anderen Kuss, einen anderen Augenblick, der diesem so ähnlich gewesen war. Dass Cristiana ihm nicht länger gehörte, änderte nichts an seinem unwiderstehlichen Verlangen, sie zu nehmen. Um ihr und diesem Moment all das zu entlocken, was möglich sein könnte.

3. KAPITEL

Cristiana hielt den Atem an, als sie spürte, wie Duncans Finger über ihre Schläfe strichen und sanft über ihr Haar glitten. Es war töricht, eine solche Berührung zu gestatten, jetzt, wo sie ganz allein hier waren. Das Leben ihrer Schwester war bereits zerstört worden und sie zahlte immer noch dafür. Würde Cristiana es ihr gleichtun?

Dennoch wollte ein Teil von ihr wissen, ob sie sich das Vergnügen, das sie einst bei Duncans Zärtlichkeiten verspürt hatte, nur eingebildet hatte.

Gott steh ihr bei, es war keine Einbildung gewesen.

„Ich weiß, dass meine Entscheidung Opfer mit sich bringt“, erwiderte sie schließlich und zwang sich, einen Schritt zurückzutreten, um nicht mehr in seiner Reichweite zu sein.

Doch ihr Herz klopfte so nachdrücklich in ihrer Brust, und ihre Füße wollten ihr nicht gehorchen. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie jede Nacht davon geträumt, diesem Mann zu gehören – mit Leib und Seele.

„Ach ja?“ Sanft strich er mit dem Daumen über ihre Wange und am Kinn entlang. „Wisst Ihr wirklich, was Euch entgeht, wenn Ihr es nie erfahren habt?“

Ihr wurde heiß, als er näher kam. Jetzt konnte sie die goldenen Flecken in seinen grünen Augen sehen. Dann blickte sie auf seinen Mund, und sie erinnerte sich an das wunderbare Gefühl, das sie verspürt hatte, als seine Lippen auf ihre trafen. Sein Kuss war unglaublich sanft gewesen. Geduldig. Erregend.

Eine neue, kleine Narbe spaltete seine Oberlippe mit einer schmalen weißen Linie. Sie fragte sich, wie sich die verletzte Haut an ihrem Mund anfühlen würde, wenn er sie küsste.

Ihr Herz schlug schneller, die Erwartung brannte in ihren Adern auch dann noch, als sie sich daran erinnerte, dass er dieses Spiel wesentlich besser beherrschte als sie. Hatte er sie nicht vor fünf Jahren glauben lassen, dass sie ihn nicht interessierte, und war dann in die Arme einer anderen Frau geeilt, ohne jemals zuzugeben, dass Edwina durchaus berechtigt gegen Donegals brutales Benehmen geklagt hatte?

„Ich vermute, es ist leichter, etwas nicht zu vermissen, wenn man es niemals gekannt hat.“ Sie flüsterte. Es war ein leises Geständnis, das nur für ihn bestimmt war.

Die Zeit kroch dahin. Sie wünschte sich irgendeine Unterbrechung, um den Bann, in den er sie geschlagen hatte, zu brechen. Aber vielleicht, wenn sie nur dieses eine Mal nachgab – wenn sie sich entschied, sich ein kleines Vergnügen von ihm zu ihren Bedingungen zu nehmen –, würde sie nicht mehr so verzweifelt über die Anziehung zwischen ihnen nachdenken, die sie nicht leugnen konnte.

„Kein guter Stratege trifft eine Entscheidung ohne ausreichende Information.“ Sein Blick fand ihren. Er behandelte sie sanft, dabei hatte sie die Brutalität der Culcanons immer gefürchtet.

„Vielleicht habt Ihr nur die Macht eines einfachen Kusses vergessen.“

Sein Mund bedeckte den ihren, bevor sie anfangen konnte, sich mit ihm zu streiten. Aber war es nicht falsch von ihr, dass sie sich überhaupt nicht streiten wollte? Dieser arrogante junge Laird hatte vielleicht im Sinn, eine Übernahme der Burg zu planen, und dennoch interessierte sie in diesem Moment nur, ob ihre verträumten Erinnerungen dem wahren Mann aus Fleisch und Blut entsprachen.

Das Verlangen durchflutete sie schneller, als starker Met das Blut wärmte. Als er seinen Mund auf ihren presste, wurden ihre Knie weich. Seine Hand schloss sich um ihren Nacken und hielt sie ruhig, während seine Zunge sanft über ihre vollen Lippen glitt. Sie meinte innerlich zu schmelzen, ihr Körper schwankte, bis er von seiner Stärke aufgefangen wurde. Schließlich öffnete sie sich seinem Kuss.

Wer A sagte, musste auch B sagen. Zumindest dieses eine Mal. Verzweifelt um Halt ringend, hielt sie sich an seinem Mantel fest. Sie krallte ihre Finger in die edle Wolle, während ihr Körper unter den verschiedenen Lagen abgetragenen Leinens, das für die Arbeit im Brauhaus gedacht war, erschauerte. Im Moment schützte der weiche, oft gewaschene Stoff sie kaum vor der rauen Männlichkeit seines muskulösen Körpers. Ihre Brüste drückten sich fest an seine Brust, und die angenehme Reibung weckte sinnliche Gedanken, die keine Jungfrau sich gestatten durfte.

Doch das Gefühl seines Körpers, der sich an ihren presste, entfachte eine Leidenschaft in ihr, die sie zu verzehren drohte. Darum wollte sie nicht heiraten. Die Erinnerung an Duncans Kuss war ebenso verlockend gewesen und sie befürchtete, mit einem anderen wäre es nicht dasselbe. Denn obwohl sie eine Jungfrau war, wusste sie tief in ihrem Inneren, dass diese Art von Leidenschaft nicht zwischen jedem Mann und jeder Frau existierte. Und nachdem sie einst für einen winzigen Augenblick diese unglaubliche Erregung verspürt hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, eine gefühllose Zweckehe mit einem Mann einzugehen, der doppelt so alt war wie sie.

„Cristiana.“ Duncan sagte ihren Namen zwischen zwei Küssen. „Ihr seid dafür geschaffen, berührt zu werden. Geküsst zu werden. Gekostet zu werden.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, drückte ihren Mund erneut auf den seinen und lockte ihn, erneut diese Magie anzuwenden, die sie vor Verlangen fast besinnungslos werden ließ. Sie wollte nur noch einen Augenblick von ihm. Ein paar Minuten, um die Leidenschaft zu fühlen, die sie nie wieder spüren würde.

Seine Hände umfingen ihre Taille, doch er hielt sie davon ab, sich enger an ihn zu drücken. Verwirrt blinzelte sie.

„Warum habt Ihr mich abgewiesen?“ Seine Stimme klang heiser, und der sanfte Verehrer war verschwunden. „Weshalb habt Ihr uns beide für eine Sünde bestraft, die wir nicht begangen hatten? Reichte es nicht, dass Edwina ihr Verlöbnis mit Donegal gebrochen hat? Musstet Ihr Eures auch brechen?“

Ihr Verstand kehrte so schnell zurück, dass das Verschwinden der leidenschaftlichen Hitze sie frösteln ließ. Sie versuchte, sich loszureißen. Jetzt bedauerte sie ihre Schwäche. Sein Griff war jedoch unnachgiebig. Der Blick der smaragdgrünen Augen bohrte sich in ihre und verlangte Antworten, die sie bereits gegeben hatte.

„Gebt nicht vor, dass Ihr Euch bestraft fühltet, wo Ihr doch mit solcher Hast in die Arme Eurer Geliebten geeilt seid wie ein Mann, der Jahre auf See verbracht hat“, klagte sie ihn an. Dass er in die Arme einer anderen Frau geflüchtet war, hatte Salz in ihre Wunden gerieben, zumal er den Tag zuvor süße Worte, wie er sie lieben würde, in ihr Ohr geflüstert hatte.

„Seid Ihr so kaltherzig, dass Ihr einem Mann jeglichen Trost verwehrt? Vielleicht hätte ich mich lieber sofort in die Schlacht stürzen sollen, um meine Wut an einem nichts ahnenden Feind auszulassen?“ Seine Miene wirkte hart. Unversöhnlich. Jetzt hatte er nichts mehr mit dem Mann gemein, den sie geküsst hatte.

Auch gut. Es war ihr lieber, diesem Mann in nächster Zeit nicht zu nahe zu kommen.

„Es geht darum, dass Ihr Eure Geliebte nicht aufgegeben habt, als Ihr vorgabt, mir den Hof zu machen. Und es war nicht meine Schwester, die das Verlöbnis aufgekündigt hat“, beharrte sie. „Donegal nahm sich einfach, was er wollte, ohne Rücksicht auf den Ehevertrag. Ich, für meinen Teil, würde niemals einen Mann heiraten, der sich so schnell auf die Seite seiner Familie schlägt, dass er die Wahrheit nicht mehr erkennt.“

„Ich könnte dasselbe von Euch sagen. Warum seid Ihr so sicher, dass Eure Schwester sich nicht willig in Donegals Bett begeben und es später schlichtweg bereut hat? Ihr habt selbst erlebt, wie überzeugend die Berührung eines Mannes sein kann.“ Diese bissige Bemerkung rührte tief in ihrer alten Wunde. Sie wurde so wütend, dass sie die Stärke fand, sich zurückzuziehen.

„Wie schmeichelhaft, zu wissen, dass Ihr nur küsst, wenn Ihr einen bestimmten Zweck verfolgt. Aber ich werde mich oder meine Schwester nicht länger vor Euch verteidigen. Ihr habt vor langer Zeit beschlossen, Euch auf die Seite Eures Bruders zu schlagen, der, wie ich gehört habe, Euch seitdem ebenfalls sein wahres Ich gezeigt hat. Denn er hat Eure Abwesenheit genutzt, um Eure Ländereien ausbluten zu lassen und Eure Leute zu entzweien. Dennoch glaubt Ihr, er hat sich meiner Schwester gegenüber nichts zuschulden kommen lassen?“ Sie stolzierte auf die andere Seite des Kessels, denn sie brauchte einen begrenzenden Schutz zwischen sich und diesem Mann, der sie so wütend machen konnte.

Aufgrund seines Bedürfnisses, sie zu demütigen, hatte sie so viel verloren. Ihre Familie. Und konnte er tatsächlich Donegals Charakter gegenüber immer noch so blind sein? Wie sollte sie ihm ihre Leute anvertrauen, wenn er die Wirklichkeit nicht klar erkennen konnte?

„Vielleicht hat er sich nicht anständig um die Ländereien und die Menschen gekümmert, aber ich verstehe nicht, wieso ihn das zu der Bestie macht, als die Eure Schwester ihn beschrieben hat.“ Er ging zum Schrank und nahm ein Gefäß heraus, dann tauchte er es in einen offenen Kessel mit gärendem Met. „Außerdem habe ich selbst gesehen, wie Edwina die Halle mit Donegal verlassen hat, in der Nacht, als sie ihre Verbindung vollzogen haben. Sie haben sich im Hof geküsst, als sie gingen. Und ich versichere Euch, Edwina hat ihm diese Küsse nicht widerwillig gegeben.“

„Hört auf.“ Cristiana wollte nicht mehr an diese Nacht denken. Sie wollte nicht darüber nachgrübeln, mit welchem leichtsinnigen, eigenwilligen Herzen ihre Schwester die Burg verlassen hatte, nur um mit blauen Flecken und einem gebrochenen Geist, der sich niemals ganz erholt hatte, zurückzukehren. Ihr Hass auf Donegal hatte es Edwina unmöglich gemacht, eine Bindung zu seinem Kind aufzubauen, das sie geboren hatte. Er hatte sie somit sogar der Freuden der Mutterschaft beraubt.

Edwina hatte Cristiana angefleht, ihr Kind aufzuziehen. Die Entscheidung hatte ihrer Schwester das Herz gebrochen, doch zumindest war ihr Entschluss selbstlos gewesen. Edwina hatte erkannt, dass ihr Leben im Exil und ihre Verbitterung ihr nicht dabei helfen würden, ein Kind großzuziehen. Sie wollte, dass Leah alle Vorteile genoss – ein sicheres Heim, Schutz vor ihrem brutalen Vater und eine Mutter, deren Herz nicht durch Gewalt erkaltet war.

Um das Kind vor seinem Vater zu schützen und um Edwinas Ruf zu retten, hatte Cristiana geschworen, Leahs Existenz geheim zu halten, bis sie eine erwachsene Frau war. Und es war nicht an ihr, das Geheimnis zu lüften.

„Womit soll ich denn aufhören? Euch zu zwingen einzusehen, dass eine unschuldige Jungfrau vielleicht wusste, wohin Küsse führen können?“ Er stürzte den Inhalt des Bechers hinunter und knallte ihn auf den Arbeitstisch. „Ihr habt Eure Zukunft mit beiden Händen weggeworfen, wegen eines Vorfalls, an dem Edwina ebenso Schuld hatte wie jeder andere.“

„Hinaus.“ Mehr Worte brachte sie nicht heraus. Nicht, bevor sie ein paar Mal tief Luft geholt hatte, um sich zu beruhigen und sich an einen der Pfosten zu lehnen, der die Sparren stützte. „Ihr müsst gehen und dürft nie wieder davon sprechen, wenn Ihr unter meinem Dach zu bleiben gedenkt. Einen schönen Tag, Sir.“

„Aber es ist nicht Euer Dach, und das wird es auch nie sein, wenn Ihr nicht einen starken Mann heiratet, der Domhnaill für Euch regiert. Vielleicht werde ich meinen Namen als Nachfolger Eures Vaters ins Spiel bringen, um mein Obdach im Winter zu sichern.“

Er marschierte aus dem Brauhaus hinaus, drehte sich aber an der Tür noch einmal um. „Ich hoffe, Ihr habt eine Zeit gefunden, zu der ich ihn treffen kann?“

„Morgen.“ Sie hatte gewünscht, es müsste nicht so bald geschehen, aber vielleicht würde ein kühler Empfang Duncan und seine Männer schneller verschwinden lassen. „Nach dem Abendmahl.“

Mit einem kurzen Nicken stieß er die Tür auf und ließ einen eisigen Windstoß hinein.

„Und Ihr braucht Euch keine Sorgen um Euren Verbleib zu machen, Cristiana. Wenn ich hier Laird bin, dann benötige ich mit Sicherheit eine Metbrauerin. Oder vielleicht wünscht Ihr, meine Geliebte zu werden?“

Diese bissige Bemerkung traf sie ins Herz, gerade als sie dachte, er könne sie nicht noch mehr verletzen.

„Ein kluger Mann macht sich eine kräuterkundige Frau nicht zur Feindin“, warnte sie ihn und verfluchte sich dafür, dass sie ihm je das Tor, und schlimmer noch, das Herz geöffnet hatte. Doch er verschwand bereits im Wirbel des frisch fallenden Schnees draußen.

Das war der Gipfel der Arroganz. Wie konnte er es wagen, ihr zu drohen, sie ihres Rangs zu entheben? Doch sie selbst hatte den größten Fehler des Tages gemacht. Was hatte sie sich dabei gedacht, sich von ihm küssen und berühren zu lassen, wo sie doch wusste, dass er ein Mann mit großen Verführungskünsten war. Wobei sie vor allem das gereizt hatte. Seit Duncan angekommen war, hatte die Vergangenheit sie verfolgt. Erinnerungen an heimliche Momente vor fünf Jahren. Genau hier hatten sie sich geküsst.

Duncan glaubte, sie opferte viel, wenn sie unverheiratet blieb. Doch in Wahrheit war es nicht schwierig gewesen, die anderen Verehrer abzuweisen, nachdem sie ihn geküsst hatte. Es war nur schwer gewesen, zu wissen, dass sie ihn niemals heiraten konnte.

Doch er war an dem Tag ihr Feind geworden, an dem ihre Schwester nach Hause zurückgekehrt war. Sie hatte damals geschworen, dass kein Culcanon jemals das Erbe der Domhnaills in die Finger bekommen würde. Und keine noch so leidenschaftliche Begegnung mit ihrem ehemaligen Verlobten würde sie dazu bringen, diesen Eid zu brechen.

An diesem Abend hätte Cristiana gerne darauf verzichtet, mit ihren Gästen am Nachtmahl teilzunehmen. Doch es waren die Feiertage, und sie hatte viele Verbündete ihres Vaters eingeladen, da sie hoffte, unter ihnen würde sich ein starker Nachfolger für ihren Vater befinden. Nach ihrer Begegnung am Morgen verspürte sie kein Bedürfnis, Duncan wiederzusehen.

Aber sie wusste, dass es unmöglich war. Denn sie hatte dieses Fest seit Monaten zusammen mit Keane geplant, dem ältesten Berater ihres Vaters, auf den sie gerade vor der Großen Halle wartete. Im Gegensatz zu seinem Lehnsherrn hatte Keane seinen Verstand nicht verloren, er war noch ebenso scharf wie je zuvor; doch seinem Schwertarm fehlte die Stärke, die Burg selbst zu übernehmen.

Mit seinem unregelmäßigen Gang, der von einer Kriegsverletzung herrührte, schritt der Ratgeber durch den Korridor auf sie zu. Sein kurz geschnittenes, weißes Haar stand ihm vom Kopf ab. Er trug immer noch eine Klinge an der Hüfte, obwohl es bereits Jahre her war, dass er in die Schlacht gezogen war. Er wusste mehr von dem, was vor fünf Jahren auf Domhnaill vorgefallen war, als die meisten anderen, aber er wusste nichts von Edwinas Kind. Außer einer Hebamme und ihrer Dienstmagd, die Zeuginnen der Geburt gewesen waren, dachten alle, die von Leahs Existenz Kenntnis hatten, dass sie ein verwaistes Kind eines Edelmanns sei, das man vor Cristianas Tür ausgesetzt hatte. Eine Ähnlichkeit mit Kindern anderer Clans oder Dörfer war nichts Ungewöhnliches, da viele der Lairds ihre Ländereien mit illegitimen Kindern bevölkerten.

„Guten Abend, Sir.“ Sie begrüßte den Ratgeber rasch, zog ihn beiseite und setzte ihn schnell von dem Treffen, das sie zwischen Duncan und ihrem Vater arrangiert hatte, in Kenntnis. „Wenn Ihr also den Laird kurz vor der Begegnung an seinen Hass auf die Culcanons erinnern könntet, dann würde es unserem Wunsch dienlich sein, Duncan und seine Männer loszuwerden.“

Der gebeugte alte Ritter verschränkte die Arme und stützte das Kinn in die Hand. Dann schüttelte er heftig den Kopf.

Nay. Das ist das Letzte, was wir wollen.“ Er sah zur Großen Halle hinüber, um sicherzustellen, dass sie unter sich waren. Dann beugte er sich vor und sprach: „Ich weiß, ihr Mädchen habt die Verlobungen gelöst, nachdem ihr mit den jungen Herren gestritten habt, aber haltet Ihr es für klug, den Groll so lange aufrechtzuerhalten, jetzt, da Duncan der angesehenste Ritter im ganzen Königreich ist? Domhnaill braucht einen Mann wie ihn als Laird.“

Einen Augenblick lang fragte sich Cristiana, ob Keane derselben Krankheit wie ihr Vater erlegen war, denn seine Worte ergaben keinen Sinn. Doch der Scharfsinn leuchtete noch in seinen lebhaften blauen Augen.

„Niemals.“ Sie musste sich nicht rechtfertigen. Dennoch ließ ihr die Angst das Blut in den Adern gefrieren. „Es ist eine sehr heikle Familienangelegenheit, Sir, und ich kann das nicht zulassen.“

Mehr Gäste trafen ein, und das laute Geschwätz der Dorfbewohner mischte sich mit der kultivierteren Sprechweise der Adelsfamilien. Der Duft von gebratenem Geflügel und Fisch durchdrang die Räumlichkeiten und lockte die Feiernden von überall her.

„Ich mag ein alter Mann sein, Fräulein, aber ich versichere Euch, ich kann mir vorstellen, welche heiklen Angelegenheiten es gibt, die eine junge Dame beleidigen. Ich habe es nie für richtig gehalten, einen Vertrag zu brechen, aber Euer Vater hatte immer ein weiches Herz, wenn es um euch Mädchen ging. Ich sage nicht, dass Ihr den Mann heiraten sollt. Ich sage nur, dass er die beste Wahl wäre, wenn es darum ginge, einen Nachfolger für Euren Vater zu bestimmen.“

Als sie Protest erheben wollte, trat er einen Schritt zurück, und sein ungleichmäßiger Gang verursachte ihr ein schlechtes Gewissen, als er weiterhumpelte.

„Es bringt nichts, sich zu streiten“, beteuerte er und zog seine Tunika glatt. „Denkt nur daran, was das Beste für Domhnaill ist. Das hat Euer Vater auch immer getan.“

„Keane …“ Doch sie hätte ihm folgen müssen, um weiterzusprechen. Der Ratgeber eilte, so schnell er es vermochte, in die Große Halle.

„Seht Euch heute Abend an, welche Möglichkeiten Ihr noch habt“, rief er ihr über seine Schulter hinweg zu, während er vorwärtshumpelte. „Ihr werdet sehen, dass ich recht habe.“

Verzweiflung machte sich in ihr breit. Sie waren noch nicht ansatzweise fertig mit diesem Gespräch. Es stimmte, sie hatte unter ihren Gästen noch keinen starken Kandidaten gefunden, der Domhnaill beherrschen konnte. Das bedeutete aber nicht, dass sie sich auf den hochmütigen Duncan einlassen würde, der sich mit der Gerissenheit einer Schlange seinen Aufenthalt hier erschlichen hatte. Nur weil ein Mann einer der fähigsten Ritter des Landes war, hieß das noch lange nicht, dass er einen Teil ihrer Heimstatt verdiente.

„Erscheint Ihr bei jedem Fest so verärgert in der Großen Halle, Lady Cristiana?“

Diese unwillkommene Frage drang von ihrer linken Schulter in ihr Ohr, wo Duncan plötzlich stand. Er war aus dem Nichts aufgetaucht, als sie sich ihren Weg durch die Menge zu ihrem Platz auf dem Podest bahnte.

Dieser Mann bewegte sich mit der List eines Jägers.

„Nur wenn ich hochmütige, aufdringliche und fordernde Herren über die Feiertage bewirten muss“, versicherte sie ihm und wünschte sich, dass seine Nähe sie nicht mit Wärme erfüllen würde. Sie konnte nur hoffen, dass niemand bemerkte, wie sich ihre Wangen röteten.

Sie hätte ihren Schritt beschleunigt, wären nicht so viele Leute anwesend gewesen, die hätten sehen können, wie sie ihrem Ärger nachgab. Sich von ihren Gästen zu entfernen, das wäre wohl kaum ein Zeichen von guten Manieren.

Stattdessen zwang sie sich zu lächeln, als Duncan ihr den Arm bot und sie zu dem Tisch auf der Erhöhung geleitete. Sie nahm den Platz in der Mitte ein, wenn ihr Vater nicht in der Halle speiste. Dies geschah inzwischen an den meisten Tagen. Normalerweise saß sie zur Linken ihres Vaters und Keane zur Rechten, doch während der Feiertage hatten die ranghöchsten Gäste an der Tafel auf der Erhöhung Platz genommen. Alle, die dort saßen, waren mit ihren Gemahlinnen zu den versprochenen Festlichkeiten angereist. Daher war die Anzahl der Gäste gerade und einmal mehr blieb der Platz neben Cristiana leer. Normalerweise hätte Keane, als Ratgeber ihres Vaters, den Platz neben ihr eingenommen, doch er saß bereits bei den Rittern. Sie hatte keine andere Wahl, als ein weiteres Mal mit Duncan vorliebzunehmen.

„Ihr glaubt, ich verlange zu viel?“ Er beugte sich nach vorne, um ihre Röcke ein wenig anzuheben, damit sie ihren Fuß über die Bank heben und ihren Platz einnehmen konnte. „Ihr könnt gerne Eure Forderungen an mich stellen. Ich würde das im Grunde begrüßen.“

Dass der Stoff über ihren Knöchel nach oben geschoben wurde – noch dazu von ihm verursacht –, traf sie völlig unerwartet. Was für eine seltsame Schlacht er auch gegen sie führte, sie war ihm beim Taktieren offensichtlich unterlegen.

So schnell wie möglich setzte sie sich hin und mühte sich mit ihrem Kleid unter dem Tisch ab. Schließlich ließ er den Stoff los, doch nicht, bevor sein Fingerknöchel ihren Oberschenkel gestreift hatte. Sie konnte die Berührung durch all die Schichten Leinen und Samt nur zu gut spüren.

„Tatsächlich? Dann bereitet Euch vor, Sir.“

Bevor sie es sich anders überlegen konnte, stand Cristiana auf. Da ihr Vater abwesend war, war sie die Herrin der Halle. Sie konnte sich an das Volk von Domhnaill wenden, wenn es ihr beliebte. Es wurde augenblicklich still im Raum, als sich ihr alle Gesichter zuwandten.

„Meine lieben Gäste“, begann sie und meinte damit sowohl die hochrangigen Stadtbewohner als auch die Adeligen der benachbarten Burgen. „Ich möchte Duncan von Culcanon heute erneut willkommen heißen, und ich hatte Zeit, über seine Bitte nachzudenken.“

Er erstarrte neben ihr. Gut.

„Ihr habt mir großzügigerweise einen Teil eines geheimnisvolllen Schatzes am Ende Eurer Zeit bei uns versprochen.“ Man hörte ein paar Leute nach Luft schnappen und ein paar zynische Lacher. „Doch ganz im Geiste der Feiertage, guter Herr, bitten wir Euch um einen kleinen Hinweis auf das, was Ihr zu finden gedenkt. Eure Suche könnte unserer Unterhaltung dienen.“

Sie suchte nach Antworten und hoffte, dies sei eine Möglichkeit, sie zu erhalten. Zumindest hatte sie ihren Hof von seinen Absichten in Kenntnis gesetzt. Zweifellos konnte er jetzt nichts mehr heimlich unternehmen, wenn jeder Anwesende wusste, was er vorhatte. Vielleicht würde seine Suche von so vielen Neugierigen behindert werden, dass er frustriert und mit leeren Händen gehen würde.

Nach seinem finsteren Gesichtsausdruck zu urteilen, glaubte sie einen Augenblick lang, ihn erfolgreich überlistet zu haben. Doch als er sich erhob, hellte sich sein Gesicht auf und er war wieder ganz der unbekümmerte Ritter.

Bereit, ihre Herausforderung anzunehmen.

„Meine Dame, das werde ich Euch nicht verweigern.“ Obwohl er vor der versammelten Gesellschaft sprach, stand er nahe bei ihr. Zu nahe. Als wären sie beide die Herrscher dieser Halle.

Mit Mühe sah sie lächelnd zu ihm auf und wünschte sich, sie könnte sich ebenso heftig von ihm losreißen, wie sie ihre Röcke aus seinen Fingern gezerrt hatte.

„Nun, wie geht es mit Eurer Schatzsuche voran? Erzählt uns, was Ihr sucht.“

Dank ihrer Worte beobachtete der ganze Hof ihn. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Dennoch sah er sie unverwandt an.

„Bis jetzt kann ich diesen guten Menschen nur erzählen, was ich gefunden habe“, sagte er und brach den Blickkontakt mit ihr ab, um die versammelte Menge anzugrinsen. „Jeden Tag von nun an werde ich es ihnen stattdessen zeigen.“

Die Menge murmelte interessiert, als Duncan sich erneut ihr zuwandte.

„Heute, Freunde, habe ich dies gefunden.“

Wie ein Raubvogel stieß er so schnell auf sie herab, dass sie völlig verwirrt war. Er schloss sie vor der versammelten Gesellschaft in die Arme, dann zog Duncan von Culcanon sie an sich und küsste sie mitten auf den Mund.

4. KAPITEL

Es war ein kleiner Sieg, aber der würde nicht von Dauer sein. Doch Duncan würde niemals vergessen, wie wunderbar es war, als er Cristiana küsste.

Sie war so überrascht gewesen, ihr Mund leicht geöffnet, weil sie etwas sagen wollte, als seine Lippen sich auf ihre pressten. Welcher Mann würde keinen Vorteil aus einer solch unwiderstehlichen Versuchung ziehen? Nach dem, was sich zwischen ihnen im Brauhaus ereignet hatte, zählte er darauf, dass ihr Körper sich nicht wehren würde, wenn er sie berührte. Er hatte gewusst, dass sie sich nicht zurückziehen würde. Was auch immer vor Jahren in ihnen erwacht war, es wurde nun zu einer mächtigen Kraft.

Als Rufe und Gelächter in der Halle laut wurden, erkannte er, dass es an der Zeit war, sich zurückzuziehen. Bedauernd ließ er sie los.

Da er vermutete, dass sie bald sehr verärgert sein würde, genoss er noch den flüchtigen Augenblick, in dem sie verzückt aussah. Einen Moment lang vergaß er sogar, dass er wegen eines Täuschungsmanövers hier war. Dass er gekommen war, um ihr die Burg zu entreißen. Entschlossen schob er diesen Gedanken beiseite, nahm sein Trinkhorn, um der Gesellschaft zuzuprosten und die Aufmerksamkeit von Cristiana abzulenken.

„Ich bin mir sicher, es gibt keinen anderen Schatz, der so lohnend ist.“ Er hob das Horn, während seine Ritter ihm lauthals zuprosteten. „Auf die Gesundheit des Lairds und seiner zauberhaften Tochter.“

Cristianas Gesicht war immer noch leuchtend rot, als sie auf das Wohl ihres Vaters trank und dann der Dienerschaft bedeutete, mit dem Auftragen der Speisen zu beginnen. Als er sich setzte, bemerkte Duncan, dass ihre Hände ein wenig zitterten, als sie nach dem kleinen Messer an der Kette um ihre Taille griff.

Er glaubte nicht einen Moment, dass sie aus Leidenschaft für ihn zitterte. Nay, er spürte den Ärger, der von ihr ausging, wie die Hitze von der Sonne.

„Ihr habt mir keine Wahl gelassen.“ Er neigte den Kopf, um seine entschuldigenden Worte zu unterstreichen, denn er musste noch eine Weile auf ihre Gunst hoffen. Er hatte ihre Geduld bereits im Brauhaus strapaziert, doch jetzt mochte er das bisschen an Gastfreundschaft, das er genossen hatte, ganz aufgebraucht haben. Obwohl er mit einer großen Gefolgschaft auf Domhnaill angekommen war, waren sie doch unbewaffnet und man konnte sie daher leichter aus einer Burg entfernen, auf der sie nicht erwünscht waren.

Aber es war dringend erforderlich, dass sie unter ihrem Dach blieben. Er hatte nicht die Streitmacht, um die Burg von draußen zu erobern.

Überall um sie herum hörte man die begeisterten Ausrufe der Tafelnden, die ein weiteres aufwändiges Fest für die Feiertage lobten. Das mächtige Weihnachtsholzscheit brannte noch immer im Kamin und spiegelte die flackernden Fackeln, die in der Großen Halle verteilt waren, wider. Der Duft von Kiefern und Met vermischte sich mit den Gewürzaromen der Saucen und dem herzhaften Duft gebratenen Fleischs.

„Ihr hättet Euer Vorhaben einfach mit den anwesenden Gästen teilen können, als ich Euch gefragt habe. Oder Ihr hättet lügen können, um uns von der Wahrheit abzulenken.“ Sie sah ihn nicht an, als sie ihm Met aus einer Kanne nachfüllte, die auf dem Tisch stand. Ein breiter Silberring mit Rubinen klirrte gegen den Krug aus gehämmertem Metall.

„Ich konnte nicht riskieren, dass die gesamte Burg erfährt, wie ernst es mir mit meiner Suche ist. Ganz zu schweigen davon, dass jeder Eurer Dorfbewohner und alle Eure Gäste Eure Ländereien auseinandernehmen würden, nur um an der Suche teilzuhaben.“

„Das kann nicht Euer Ernst sein.“ Stirnrunzelnd wartete sie nicht ab, bis er ihr ein Stückchen der gebratenen Ente gab, sondern spießte selbst eines mit der Spitze ihres Messers auf. Sie probierte, wie heiß das Fleisch war, indem sie den Bissen nahe an ihre Lippen hielt, bevor sie abbiss.

„Ihr habt noch nicht erraten, was ich suche?“

Seltsamerweise erbleichte sie bei diesen Worten. Was befürchtete sie, dass er suchte? Er schob die Frage beiseite, um ein andermal darüber nachzudenken. Jetzt würde er seine Pläne mit ihr teilen, wenn auch nur, um sie miteinzubeziehen und dafür zu sorgen, dass sie schwieg, während er sein Vorhaben anging.

„Ich kann mir wirklich nicht vorstellen …“

Er nahm ihr das Messer aus der Hand und legte es beiseite, entschlossen, sie zu bedienen, und sei es nur, um den Anschein des Wohlwollens zwischen ihnen aufrechtzuerhalten.

„Das ist kein Gespräch für die Große Halle, wo jeder uns belauschen könnte“, erklärte er und wählte ein dampfendes Stück geräucherten Fischs für sie aus.

„Es gibt nichts in unseren Besitzungen, auf das Ihr einen rechtmäßigen Anspruch haben könntet.“ Sie schien den Bissen Fisch, den er vor ihr hin und her bewegte, nicht zu bemerken. Es gab keinen Zweifel. Ihr Gesicht hatte jegliche Farbe verloren.

Wusste sie etwas von dem Schatz, den er suchte?

„Ich habe ebenso ein Anrecht auf den Schatz wie Ihr.“ Er sprach leise, als er den Fisch zurück auf das Brett legte. „Er gehört den Culcanons genauso wie den Domhnaills.“

„Er?“

Duncan wusste nicht, welches Gefühl sie hinter dem ungläubig geäußerten Wort versteckte.

Leise fluchend legte er seine Lippen nah an ihr Ohr und verriet ihr flüsternd das Ziel seiner Suche. „Der alte Wikingerschatz. Ich habe einen glaubwürdigen Hinweis darauf, wo er sich befindet.“

Er hatte erwartet, dass sie erfreut sein würde. Es wurde viel von dem Reichtum eines lange verstorbenen, gemeinsamen Vorfahren gemunkelt, der den Schatz vor der Invasion der Wikinger vergraben hatte, um ihn zu schützen. Doch er hatte nicht mit ihrer offensichtlichen Erleichterung gerechnet, die die Farbe zurück in ihre Wangen brachte und sie laut auflachen ließ.

„Ihr sucht nach einer Kiste voller Plunder, die niemand in den letzten zweihundert Jahren zu Gesicht bekommen hat?“ Die Neuigkeit schien ihren Appetit anzuregen, denn sie streckte die Hand aus, um ihr Messer zu nehmen.

Er hielt den juwelenbesetzten Griff auf dem Tisch fest und fütterte sie stattdessen mit seinem Stück Fisch. Sie nahm es, ohne zu zögern, und ihre gute Laune schien ebenso wiederhergestellt zu sein wie ihr Appetit. Bei Gott, worüber hatte sie sich nur Sorgen gemacht? Welchen Schatz, befürchtete sie, könnte er auf Domhnaill finden?

Aye.“ Eines Tages würde er ihr anvertrauen, wie er zu dem Amulett mit der Karte, das er um seinen Hals trug, gekommen war. Und dass seine Leute es nicht durch einen weiteren Winter schaffen würden, ohne einen Anteil an solchen Reichtümern.

Doch wenn er die Reichtümer des gerissenen alten Ahnen, der vor langer Zeit sowohl den Culcanon- als auch den Domhnaill-Clan gezeugt hatte, nicht fand, würde es noch entscheidender sein, Cristianas Ländereien für sich zu beanspruchen. Sie mochte über den Wikingerschatz lachen, doch ihn zu finden war ihre einzige Hoffnung, ihre Ländereien zu behalten. Und selbst dann? Er konnte sich nicht vorstellen, den Reichtum und die Stärke Domhnaills einfach aufzugeben. Wenn er Domhnaill nun nicht in Besitz nahm, welcher kriegstreiberische Ritter würde es ihr entreißen? Duncan konnte es sich nicht leisten, einen feindlichen Ritter in seiner Nähe zu haben.

„Mylady.“ Eine erschöpft aussehende Magd, die Duncan noch nie zuvor gesehen hatte, ging auf Cristiana zu.

Die Magd biss sich auf die Lippe und runzelte die Stirn. Ihr Kopftuch saß schief, und dunkle Locken lugten an den Seiten hervor, als hätte sie hart an einer schwierigen Aufgabe gearbeitet.

„Ja?“ Cristiana stand augenblicklich auf. Sie spürte wohl, dass die Sache wichtig war.

Da das Mahl bereits in vollem Gange war, konnte er sich nicht vorstellen, dass die junge Frau hier war, um von einem Problem in der Küche zu berichten. War die Magd vielleicht eine Pflegerin des alten Lairds?

Duncan war plötzlich angespannt. Er hatte den Herrn von Domhnaill immer gemocht, und ihm wurde auch bewusst, dass er nur ungern Neuigkeiten hören würde, die Cristiana aufregen könnten. Wie seltsam, dass seine Welt sich wieder so schnell mit ihrer verbunden hatte.

„Ihr habt gesagt, ich soll Euch sofort holen, wenn …“

„Natürlich“, murmelte Cristiana und nahm den Arm des Mädchens, als es versuchte, sich vom Tisch zu entfernen.

Duncan stand auf, um ihr zu helfen, hob ihren Rock, damit sie über die Bank klettern konnte, und erntete diesmal nicht einmal einen unwilligen Blick. Allerdings schien sie auch in Gedanken woanders zu sein.

„Ich werde Euch begleiten.“ Der verstörte Ausdruck auf ihrem Gesicht bereitete ihm Sorge.

„Nein!“, riefen beide Frauen wie aus einem Mund. Die Magd sah Cristiana an, als wolle sie von deren Gesichtsausdruck ablesen, was in ihr vorging. Was verbargen die beiden?

„Ein Krankenzimmer ist nicht der geeignete Ort für einen Krieger, dessen Stärke von seiner Gesundheit abhängt“, erklärte Cristiana. „Eines der Kinder hat ein Fieber, das von Kräutern gemildert werden kann, und ich komme hier auf Domhnaill einer Kräuterfrau am nächsten. Bitte, genießt den Minnesang und das Tanzen.“

Ohne seine Antwort abzuwarten, drehte sie sich auf dem Absatz um und eilte mit der Magd aus der Halle.

Etwas stimmte nicht.

Duncan glaubte, sie würde ihn nun sicherlich zum alten Laird führen, wenn sie das kranke Kind behandelt hatte, sodass er den Zustand ihres Vaters endlich mit eigenen Augen einschätzen könnte. Daher nahm er eine Kerze von ihrem Platz neben dem Kamin und folgte den Frauen durch das Labyrinth der dunklen Burg.

„Ich glaube, dass Mädchen schläft jetzt, Mylady“, erklärte die Magd Cristiana ein paar Stunden später.

Cristiana hielt Leahs schmalen Körper auf ihrem Schoß, der Kopf ihrer Nichte war an ihre Schulter geschmiegt, während sie ihrer kleinen Patientin das dritte Schlaflied vorsang. Ihre Stirn war nicht mehr so heiß, doch Cristiana hatte sich noch nicht von ihrem Schrecken erholt, der sie erfasst hatte, als sie beim Betreten der Kammer das Mädchen schwitzend und blass vorgefunden hatte.

Leah fühlte sich jedoch besser, nachdem sie eine heiße Brühe mit beruhigenden Kräutern zu sich genommen hatte.

„Es macht mir nichts aus, sie noch ein wenig länger zu halten“, versicherte Cristiana der Magd und strich eine kastanienbraune Locke aus Leahs Stirn. „Um diese Zeit brauchen meine Gäste mich nicht mehr.“

„Dennoch, ich habe nicht gesehen, wie sich der junge Culcanon Laird in der Großen Halle zur Ruhe gebettet hat.“ Die Magd goss frisches Wasser in eine Schüssel neben Leahs Bett und faltete frische Leinentücher, die sie danebenlegte, falls die Haut des Mädchens in der Nacht gekühlt werden müsste. „Ich erwähne es nur, weil er vorhin besorgt um Euch schien. Vielleicht wartet er darauf, von Euch zu hören.“

Cristiana glaubte nicht, dass das der Fall war. Doch was war, wenn Duncan nachts in der Burg umherstreifte, während alle anderen schliefen? Suchte er vielleicht sogar nachts nach dem Schatz? Oder suchte er im Schutze der Dunkelheit nach etwas anderem?

Ein Furcht einflößender Gedanke durchfuhr sie. Was, wenn die ganze Geschichte von der Suche nach einem Schatz nur eine Erfindung war, die verbergen sollte, was er wirklich wollte?

Völlig verängstigt sah sie auf Leah hinab.

„Also gut.“ Sie erhob sich vorsichtig, um das Kind, das sie als ihr eigenes großgezogen hatte, nicht zu stören. „Ich lasse sie in deiner Obhut zurück, aber bitte lass mich augenblicklich rufen, falls das Fieber zurückkommt oder es ihr schlechter geht.“

„Natürlich.“ Die Magd stand auf, um das leinene Betttuch um Leahs Schultern zu legen. „Gute Nacht, Mylady.“

Cristiana war erleichtert, dass der Gang vor der Kammer leer war, die Leah mit einer Amme und zwei weiteren Kindern teilte – einem älteren Mädchen, das auf Domhnaill aufgezogen wurde, und einem acht Jahre alten Jungen, der von einem der Ritter gezeugt worden war. Sie hatte schon befürchtet, dass Duncan vor der Tür lauern würde. Offenbar war er ihr nicht gefolgt.

Unfähig, ihre müden Schritte zu beschleunigen, ging sie die Treppen des Turms hinab und blieb stehen, als sie sich der Großen Halle näherte. Alle Fackeln waren für die Nacht gelöscht worden, doch das Feuer in der Feuerstelle loderte, als sei es erst kürzlich geschürt worden. Bei all dem Stöhnen und Keuchen, Kichern und Seufzen von Paaren in unterschiedlichen Phasen der Leidenschaft zog Cristiana unwillkürlich den Kopf ein und eilte in Richtung der Treppe, die zum Turm hinaufführte, wo ihr eigenes Bett sie erwartete.

In ihrer Hast lief sie beinahe in einen Mann und eine Frau hinein, die sich in den Schatten direkt vor der Halle vergnügten. Ihre Beine waren von einem anderen Paar Beine umschlungen, ihre Röcke in den Beinlingen eines Mannes verfangen, der nahe an den Turmstufen stand.

Die breite, kräftige Statur des Mannes war sogar dann unverwechselbar, wenn man sie nur als Schatten wahrnahm.

„Duncan?“ Während sie sich straffte, hörte sie das leise Kichern einer Frau und erinnerte sich daran, dass der Ritter nicht allein war.

„Cristiana.“ Er löste sich von der Frau – einer Magd, die in der Küche arbeitete – und richtete sich auf. „Ich habe darauf gewartet, mit Euch zu sprechen.“

„Es scheint Euch keine Unannehmlichkeiten verursacht zu haben.“ Sie ging um das Paar herum und fand die Treppe. „Guten Abend.“

„Wartet.“ Er folgte ihr die Stufen hinauf, als das Geräusch der Schritte seiner Begleiterin in der Nacht verhallte. „Wir müssen unter vier Augen sprechen.“

Cristiana blieb auf der Treppe stehen und drehte sich um. Sie hoffte, sie würde nicht im Dunkeln vornüber auf ihn stürzen. Warum hatte sie keine größere Fackel mitgebracht? Der Span, den sie sich genommen hatte, war kaum hell genug, um zwei Schritte nach vorne zu sehen.

„Habt Ihr noch nicht genug vertrauliche Begegnungen für einen Tag gehabt?“ Sie tastete nach den grob gehauenen Steinmauern neben sich und stützte sich ab, während sie sich daran erinnerte, dass Duncans fleischliches Verlangen nie weit unter der Oberfläche gelauert hatte, als er sie noch vor der geplanten Ehe umworben hatte. „Ihr habt Euer Schauspiel mit mir bereits in aller Öffentlichkeit aufgeführt, und da ich an Euren Küssen nicht interessiert bin, sucht Ihr Euch eine willigere Partnerin.“

Sie war überraschend wütend auf ihn. Auf sich selbst. Und auf die Magd, die sich auf das Stelldichein in einer dunklen Ecke eingelassen hatte.

„Ich wollte mich nicht mit Euch treffen, um einen Annäherungsversuch zu wagen.“ Seine Stimme klang rau, kehlig. Vielleicht müde? Sie erinnerte sich, dass auch er heute sehr früh auf gewesen war. „Wir wollten meine Suche besprechen. Darf ich Euch zu Eurem Gemach geleiten? Oder irgendwohin, wo man uns nicht belauschen kann?“

Sie hatte seine Schatzsuche vollkommen vergessen. In der Zeit, als sie in Leahs Kammer gewesen war und befürchtet hatte, dass er von der Existenz des kleinen Mädchens wusste, hatte sie die Suche für einen Vorwand gehalten. Jetzt war sie erneut unsicher.

„Mein Gemach ist kein angemessener Ort für einen männlichen Gast“, erwiderte sie kalt. „Besonders nicht für einen, der die Ehre einer Frau so geringschätzt wie Ihr. Vielleicht können wir morgen früh miteinander reden, dort wo unser Gespräch mitangesehen, aber nicht gehört werden kann.“

Da sie sich nichts weiter wünschte, als sich in ihr Bett zu begeben und der Sorge, die ständig ihre Gedanken beherrschte, zu entfliehen, hob sie den Span hoch und stieg weiter die Treppe hinauf.

„Dann sagt mir zumindest das eine.“ Duncans Stimme verfolgte sie durch die Dunkelheit, auch wenn seine Füße es nicht taten. „Was ist das für ein Kind, um das Ihr Euch heute so rührend gekümmert habt?“

Als sie sich umdrehte, sah Cristiana aus wie ein schöner Geist. Ihre Augen leuchteten groß, und ihre Haut war jeglicher Farbe beraubt.

„Ich habe Euch bereits gesagt …“

Aye. Aber nun möchte ich wissen, wer sie wirklich ist. Sie trägt die Kleidung eines adeligen Kindes, sie spricht wie ein adeliges Kind. Ihr habt sie in den Armen gehalten, als ob …“

„Ihr habt uns nachspioniert?“ Seltsamerweise klang ihre Stimme ängstlich, nicht wütend. Und sie war offensichtlich verängstigt.

„Ich hatte kein Bedürfnis, in der Halle zu bleiben, sobald Ihr gegangen wart. Ich folgte Euch, um mit Euch zu sprechen, sobald Ihr Eure Pflichten erledigt hattet.“ Doch anstatt ein paar Kräuter auszugeben und wieder zu gehen, hatte Cristiana das Kind stundenlang im Arm gehalten.

Dieser Anblick – errungen in den Momenten, in denen er durch die Tür blickte, die die Magd nicht ganz geschlossen hatte – hatte in ihm einen Beschützerinstinkt geweckt, der ihm bis dahin unbekannt gewesen war. Die mütterliche Seite Cristianas zu sehen erinnerte ihn an alles, dessen sie ihn beraubt hatte. Dabei ging es nicht nur um Ländereien, Reichtum und das Ansehen, Herrscher über Domhnaill zu sein. Er hatte eine Frau verloren, die eine starke und zugleich liebende Mutter war.

Duncan fluchte leise. Er schuldete ihr kein Mitleid. Wenn er mit dem kleinen Mädchen recht hatte, dann hatte Cristiana ihn ebenso getäuscht wie er sie, als er sich unter einem Vorwand Zutritt zur Burg verschafft hatte.

„Und was wolltet Ihr von mir?“ Ihre Stimme war ein Hauch auf der zugigen Wendeltreppe.

„Ihr seid ihre Mutter.“ Die Erkenntnis traf ihn wie ein Erdrutsch.

Wortlos starrten sie sich einen Augenblick lang an. Unzählige Gefühle spiegelten sich auf ihrem Gesicht wider. Wollte sie es leugnen? Ihr langes Zögern bestätigte seine Vermutung.

„Wagt es nicht, mich anzulügen“, warnte er sie.

„Es stimmt. Sie ist meine Tochter.“ Sie nickte kurz und presste die Lippen aufeinander.

Dennoch schien sie erleichtert zu sein. Als ob ihr ein Gewicht von den Schultern genommen worden wäre, jetzt, da sie die Wahrheit gesagt hatte.

Ärger stieg in ihm auf, und ihm schien, als ob eine Faust seine Eingeweide zerquetschte. Es war Eifersucht, die ihn quälte.

„Sie ist noch keine fünf Jahre alt, aber nicht mehr weit davon entfernt. Welcher Halunke hat es gewagt, Euch anzurühren, als Ihr noch mir gehörtet?“ Er näherte sich ihr und sah sie unentwegt an. Es sollte ihn nicht kümmern, ob sie damals einen Liebhaber gehabt hatte. Bis zu dem Tag, an dem er sie am Brunnen geküsst hatte, hatte er ihr kaum Aufmerksamkeit geschenkt, da er der Verlobung nur aus Pflichtgefühl zugestimmt hatte.

Schließlich hatte er selbst eine Geliebte gehabt. Doch das war etwas anderes, und sie wusste es. Er würde den Mann zur Strecke bringen, der sie berührt hatte.

„Niemand, ich schwöre es.“ Sie schüttelte den Kopf, als wäre der Gedanke abstoßend. „Ich würde lieber sterben, als derart wortbrüchig zu sein.“

Die Heftigkeit, mit der sie die Worte ausstieß, war so überzeugend, so leidenschaftlich. Konnte es wahr sein?

„Wann ist es denn geschehen?“ Vor Wut zog sich seine Brust zusammen. Er hätte es niemals für möglich gehalten, dass die stolze Cristiana sich selbst so entehren würde. Aber er hatte das Mädchen gesehen. Mit ihren zimtfarbenen Locken und dem fein geschnittenen Gesicht glich sie den Domhnaill-

Frauen bis aufs Haar.

„Es war der Sommer, nachdem Ihr und Euer Bruder abgereist waren. Ich … ich war am Boden zerstört.“ Sie sprach leiser. Sanfter. „Ich wollte nicht mehr heiraten, nach dem, was geschehen war.“

Der Gedanke, dass sie einen anderen Mann berührt hatte, so kurz nach ihrem Kuss, sandte einen Strudel an Gefühlen durch ihn hindurch. Er atmete so heftig wie ein Mann, der den ganzen Tag auf dem Schlachtfeld gewesen war.

Es sollte ihn nicht so sehr bewegen, doch bei allem, was heilig war, das Kind, um das sie sich kümmerte, hätte seines sein sollen. Wut und Besitzgier umklammerten ihn und nahmen ihm die Luft.

„Dennoch konntet Ihr Euch nicht die Leidenschaft versagen. Leidenschaft, die ich Euch gelehrt habe. Leidenschaft, die mein hätte sein sollen.“ Er konnte die Heftigkeit in seiner Stimme nicht verbergen, auch wenn er es gewollt hätte.

Sie wich einen Schritt zurück, aber sie musste sich mit ihrem Absatz im Saum ihres Kleides verfangen haben, denn sie stolperte und fiel nach vorne. Ihr flackernder Span fiel ihr aus der Hand und polterte die Stufen hinab. Das Licht verlosch, als der in Bienenwachs getränkte Span fortrollte.

„Oh!“

Duncan fing sie auf, aber er war nicht mehr in der Stimmung, sanft mit ihr umzugehen. Sie war keine Jungfrau, die sich seinen Kuss und weibliche Freuden versagte. Sie war zu einem anderen Mann gegangen und hatte sich ihm freudig hingegeben, nachdem sie ihn beiseitegeschoben hatte.

Er würde es nicht zulassen, dass sie ihn erneut zurückwies.

Rüde schlang er den Arm um ihre Taille und presste ihre Brüste an seine Brust. Ihr heftig pochendes Herz glich sich dem Hämmern des seinen an. Erbarmungslos machte er da weiter, wo sie im Brauhaus aufgehört hatten. Während er mit der Hand durch ihr Haar fuhr, bog er ihren Kopf zurück und bedeckte ihren Mund mit dem seinen.

Die Dunkelheit umgab sie und hüllte sie in eine Welt, die nur von leidenschaftlichem Verlangen erleuchtet wurde. Er lehnte sie an die Mauer, schützte ihren Rücken mit seiner Hand vor dem harten Stein und schürfte dabei seine Fingerknöchel an dem unversöhnlichen Granit auf. Während er mit einer Hand ihren Kopf hielt, drückte er mit der anderen ihre Hüften an seine.

Sie gab einen unterdrückten Laut von sich, der sowohl Vergnügen als auch Schmerz bedeuten konnte, doch sie versuchte nicht, sich zu befreien.

Im Gegenteil, ihr Mund entspannte sich unter dem Druck des seinen, ihr Rücken bog sich ihm entgegen, sodass ihre Brüste über den Ausschnitt ihres Kleides drängten. Er spürte, wie Samt und Leinen unter seinem Angriff verrutschten, wie die Spitzen ihrer Brüste hart wurden, ein eindeutiges Zeichen, dass sie nicht mehr nur eine neugierige Jungfrau war, sondern eine Frau, die es nach seiner Berührung verlangte.

Mit einem Ruck löste er das Band, das ihr Kleid auf einer Seite zuschnürte. Der Samt glitt von ihren Schultern und nur noch das dünne Leinen, das kaum mehr ein Hindernis für ihn war, schützte ihre warme, weiße Haut.

Er küsste ihren Hals, bahnte sich mit seinen Küssen den Weg hinab bis zum Schlüsselbein und genoss den Geschmack ihrer duftenden Haut. Dann küsste er ihre Schulter und den Ansatz ihrer Brust.

Als sich sein Mund um die harte Knospe schloss, schrie sie auf. Ihre Finger gruben sich in seine Tunika, öffneten und schlossen sich wieder, als er sie tief in den Mund nahm. Hatte ihr erster Liebhaber ihr ein solches Vergnügen verschafft?

Unmut regte sich in ihm, und er konnte sich nur damit besänftigen, dass er ihr noch mehr Lust verschaffte. Immer mehr. Und dafür sorgte, dass sie den Bastard, der ihr die Unschuld geraubt hatte, für immer vergaß.

Schließlich löste er sich von ihr und hob sie vorsichtig hoch, da ihr Kopf nahe an der Steinmauer war. Sein Herzschlag hämmerte in seinen Ohren, als ihr Atem im Turm widerhallte.

„Ich bringe Euch in Euer Bett.“ Er stieg die Stufen hinauf und hielt sie eng an seinem Körper. Und auch wenn er ihr Gesicht im dunklen Turm nicht sehen konnte, der nur von dem fahlen Licht des Wintermonds, das durch ein paar Schießscharten fiel, erhellt wurde, so konnte er sich doch vorstellen, wie sie gerade aussah.

Ihr zimtbraunes Haar fiel über seinen Arm und bedeckte seine Schulter. Ihre Haut war rosig und feucht von seinen Küssen. Ihre Waden waren entblößt und erwarteten eine genauere Erforschung.

Nay.“ Das geflüsterte Wort wurde beinahe von seinen Schritten übertönt. „Das dürfen wir nicht.“

„Ihr. Gehörtet. Mir.“ Jedes Wort fiel mit einem seiner stampfenden Schritte zusammen, die seinen festen Willen unterstrichen, sie nicht mehr loszulassen. Als er endlich das Stockwerk erreicht hatte, erklärte er: „Ich habe Euch niemals betrogen. Ich habe nichts getan, um Eure Feindschaft zu verdienen.“

Das gesamte Ausmaß ihrer Treulosigkeit – den Ehevertrag zu brechen und sich einem anderen willig hinzugeben – war eine neu aufgerissene Wunde, die nicht ohne ein Zugeständnis ihrerseits heilen würde. Ein Eingeständnis, dass sie im Unrecht war. Ein Geständnis, dass sie ihn gewollt hatte und nicht einen niederträchtigen Schurken, der ihr nichts gegeben hatte.

„Ihr habt uns in dem Glauben gelassen, Euer Halbbruder wäre ebenso ein Culcanon wie Ihr.“

Die kalten Worte verlangsamten seinen Schritt, als er eine Tür erreichte, von der er nur vermuten konnte, dass sie in ihre Kammer führte. Die äußeren Türme Domhnaills waren schmal und beherbergten jeweils nur eine Waffenkammer und ein Gemach.

„Er ist der Sohn meines Vaters.“ Duncan hatte seinem Halbbruder niemals seinen rechtmäßigen Anteil am Erbe missgönnt. „Die Hälfte von Culcanon gehört Donegal.“

„Aber ich habe gehört, dass er versucht hat, alles für sich zu beanspruchen, während Ihr auf Geheiß des Königs in fernen Ländern weiltet. Kein Culcanon, der des Namens würdig ist, würde sein eigenes Blut verraten. Ich kann nicht glauben, dass Ihr sein verräterisches Herz nicht kanntet, als Ihr auf Brautschau nach Domhnaill gekommen seid.“

Das eisige Gift in ihrer Stimme drang durch seinen Zorn hindurch. Die Wut war immer noch da, doch er musste sie lange genug zügeln, um diese neue Anklage zu verstehen. „Es stimmt, dass Donegal versucht hat, die Herrschaft an sich zu reißen, als ich fort war. Er hat sich verändert, seit Eure Schwester ihn abgewiesen hat. Bitterkeit kann einen Mann zugrunde richten.“ Er blickte Cristiana in die Augen, die er nun im Schein der kleinen Fackel erkennen konnte, die jemand neben ihrer Tür hatte brennen lassen. „Seit heute kenne ich diesen Stachel besser als jemals zuvor.“

Die heftigen Gefühle, die in ihm aufwallten, wollten ausbrechen. Verlangten eine Erklärung für ihre Treulosigkeit.

Doch als sie sich in seinen Armen wand, wusste er, dass er niemals Befriedigung finden würde, wenn er sich einer Frau aufzwang, die er einst zu ehren gelobt hatte. Es war gleichgültig, dass er den Eid niemals vor einem Priester geschworen hatte. Er hatte es ihr wortlos versprochen, als sie sich geküsst hatten.

„Lasst mich los“, verlangte sie. Vermutlich war ihr nicht einmal bewusst, dass sie ihn durch die Bewegungen ihres Körpers nur daran erinnerte, wie schnell ihr Ärger zu etwas werden konnte, das für sie beide wesentlich vergnüglicher war.

Mit Bedauern setzte er sie ab.

„Ich werde nicht aus Zorn etwas nehmen, was Ihr mir nicht freiwillig gebt“, versprach er. „Aber seid Euch bewusst, dass ich Euch nicht länger wie eine unschuldige Jungfrau behandeln werde. Ihr seid eine Frau mit Erfahrung und das werde ich nicht vergessen. Das nächste Mal, wenn wir uns in einem leeren Gang treffen, nehmt Euch in Acht. Wenn ich Euch wieder berühre, werde ich all mein Geschick einsetzen, um Euch nach mehr betteln zu lassen.“

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Mit einem zitternden kleinen Nicken bestätigte sie, dass sie seine Warnung sehr wohl verstanden hatte, und floh in ihr Gemach.

Es überraschte ihn nicht zu hören, wie auf der anderen Seite der Tür der Riegel vorgeschoben wurde.

Edwina of Domhnaill wusste, wie es war, wenn einem das Herz gebrochen wurde.

Auch wenn sie ihr eigenes Leid hinter sich gelassen hatte, hatte sie den Schmerz anderer Menschen oft genug miterlebt, dass sie es spürte, wenn sich Ärger am Horizont zusammenbraute. In dem Augenblick, als sie dem leichtsinnigen Flüstern von Rebellion der Dorfbewohner lauschte, während sie auf dem kleinen Markt von Evesburh einkaufte, konnte sie beinahe die unabänderliche Verzweiflung dieser armen Seelen spüren, die töricht genug waren, sich gegen die Herrschaft ihres Anführers, William des Bastards, aufzulehnen.

Oder des Eroberers, wie ihn seine Biografen nun lieber nannten. Wie er auch heißen mochte, Edwina bewunderte die unbezwingbare Stärke des Königs. Sie wurde von den Rüpeln hier, die Fleischpasteten bei den leeren Prangern in diesem kleinen Weiler in Northumbria in sich hineinschlangen, unterschätzt. Doch Edwina machte nicht den Fehler, einen starken Mann zu unterschätzen, seit Donegal, der Rohling – wie sie ihn für sich nannte –, ihr vorgemacht hatte, dass er sie heiraten wollte, um sie dann schamlos zu verführen.

Und ihr Gewalt anzutun.

„Edwina.“

Sie wusste genau, wem die tiefe männliche Stimme hinter ihr gehörte, doch sie tat so, als erkenne sie sie nicht, um ihren neuesten Verehrer aus der Reserve zu locken.

„Wer würde mich mit meinem Taufnamen ohne Rücksicht auf meinen Ruf in der Öffentlichkeit ansprechen?“ Sie schloss die Augen und tippte sich scheinbar nachdenklich mit dem Zeigefinger auf den Mund.

Edwina erledigte gerade eine Besorgung für eine ortsansässige Edelfrau, die zu den unzähligen, vom Glück begünstigten Normannen gehörte, die das Land nach der Katastrophe von Hastings übernommen hatten. Edwina sollte gute Kräuter suchen, um neue Farben für das Stickgarn der Dame herzustellen.

„Mylady.“ Der Ritter hinter ihr senkte die Stimme und beugte sich näher zu ihr, damit sie ihn hörte. „Ich wollte Euch nicht beleidigen.“

„Ja, Henry, aber ich hoffe, eines Tages werdet Ihr es tun“, neckte sie ihn und drehte sich auf dem Absatz um, um ihn anzublicken. Sie öffnete die Augen und tat, als freute sie sich, sein pockennarbiges Gesicht zu sehen.

Henry Osgood hätte ein gut aussehender junger Mann sein können, doch eine Krankheit in seiner Kindheit war nicht freundlich zu ihm gewesen. Edwina bewunderte seine kriegerische Stärke, auch wenn er nicht besonders klug war. Genau genommen arbeitete seine Begriffsstutzigkeit für sie, da er kein Ohr für die Nuancen des Hofklatsches hatte und sich standhaft weigerte, jemandem zuzuhören, der schlecht von ihr sprach.

Das war neu für sie.

Seit sie vor vier Jahren an König Williams Hof gekommen war, als Verbannte – und noch dazu als ruinierte Frau –, war sie oft Gegenstand von Andeutungen und Gerüchten gewesen. Niemand wusste Genaues über ihre Vergangenheit, aber die Tatsache, dass sie nie darüber redete, sprach Bände. Nur Edwina wusste hier von dem Kind, das sie geboren hatte. Das Kind, das sie aufgegeben hatte, um ihm ein besseres Leben zu ermöglichen. Allein bei dem Gedanken zog sich ihr Herz zusammen und schmerzte.

Doch so war es am besten gewesen. Ihre Schwester würde sich um Leah kümmern und sie vor dem Gerede schützen, das Edwina für immer verfolgen würde. Anstatt sich vom Leben besiegen zu lassen, war sie selbst zu so etwas wie einem Krieger geworden und war jedem von Nutzen, der sie der Rückkehr in ihre Heimat näherbringen konnte.

Während sie über ihren nächsten Schritt nachdachte, drehte sie sich wieder zu den Behältern mit frischen Kräutern um, die sie ausgesucht hatte, bevor er angekommen war, und wählte die Blätter und Stiele mit den intensivsten Düften und den leuchtendsten Farben.

„Ihr seid zu grausam mit Euren Launen, wo sie mich doch bis ins Mark treffen.“ Sie war seltsam stolz darauf, Männer manipulieren zu können, und manchmal betete sie dafür auf Knien in der Kirche um Vergebung. Andererseits hatte sie ihrem Angreifer niemals vergeben können, was er ihr angetan hatte. Und jeder Mann, den sie dazu brachte, ihr zu geben, was sie wollte, linderte eine Wunde, von der sie dachte, dass sie niemals heilen würde.

Aber nicht jeder Mann wäre auf eine solch offensichtliche List hereingefallen, doch Edwina sah es als Teil ihrer Gabe. Sie wusste, welche Männer so hinters Licht geführt werden konnten und bei welchen Männern sie Gerissenheit oder Offenheit anwenden musste.

„Wie das?“ Henry berührte ihre Schulter, um ihren Blick einzufangen. Eine Liebkosung, von der er beinahe sofort zurückzuckte.

Sie wusste, sie hatte eine starke Wirkung auf ihn.

„Bitte nicht“, bat sie ihn lächelnd und strich bedeutungsvoll mit ihren Fingern über die Stelle, die er gerade berührt hatte, als ob die Berührung seiner Hand eine Liebkosung wäre, nach der sie sich sehnte. „Ihr wisst, dass ich nicht heiraten werde, solange ich hier in der Verbannung bin. Ich muss nach Hause zurückkehren. Keine Frau will ihre Ehegelübde in einem fremden Land unter Menschen abgeben, denen sie gleichgültig ist. Liegt Euch so wenig an meiner Zukunft?“

Oder an ihrer Mitgift?

Diesen Gedanken sprach sie jedoch nicht laut aus, denn sie wusste, dass sie Henrys edle Seele mit dieser Anspielung wieder sehr verletzen würde.

Um sie herum begannen die Gewürzhändler und Bäcker, die Metallarbeiter und Weber ihre Waren einzupacken, da sie die Marktstände zum Mittag hin schlossen.

„Bedeutet es Euch so viel?“, drängte Henry und nahm ihr zwei Beutel voll Kräuter aus der Hand, damit sie die übrigen Behälter ungehindert durchstöbern konnte. „Genug, um Eure Sicherheit zu gefährden?“

„Domhnaill liegt an der Küste, also muss man keine gefährlichen Straßen bereisen.“ Wenn er darauf wartete, bis die Straßen frei waren, würde sie hier bis zum Frühling feststecken. „Jetzt, da die Dänen aufgegeben haben, ist das Meer sehr sicher für Reisende.“

Aufgeregt hatte sie sich zu ihm umgewandt, und einen Augenblick lang glaubte sie, dass er über ihre Worte nachdachte. Doch dann lachte er bellend und reichte ihr ihre Kräuter.

„Edwina, Eure Augen vermögen einen Mann fast dazu zu bringen, darüber nachzudenken.“ Er grinste und schüttelte den Kopf. „Ich werde warten, bis Ihr wieder zur Vernunft kommt. Aber ich werde auf Euch warten, meine Liebe.“

Seine zärtlichen Worte linderten ihre kalte Wut nicht, aber sie bemühte sich, nur ein wenig verstimmt zu wirken. Sie würde Henry und seinen Schutz noch brauchen. Wie sonst sollte sie ohne die Genehmigung ihre Vaters und ohne Geld nach Domhnaill zurückkehren?

Bald würde sie des Nachts aus ihrem Bett schlüpfen und all ihre weiblichen Waffen einsetzen. Armer Henry, seine Ehre würde dann auf den Prüfstand gestellt werden.

5. KAPITEL

Ich weiß nicht, warum ich hier mit Euch warten muss“, grummelte Keane ein paar Tage später, als er neben Cristiana in der Großen Halle stand. „Könnt Ihr nicht auf den jungen Culcanon warten und ihn zur Kammer Eures Vaters bringen, wenn er wieder da ist?“

„Nein.“ Sie hielt das Handgelenk des alten Ratgebers fest, nicht gewillt, auch nur einen Augenblick mit Duncan allein zu sein.

Obwohl er sich in den letzten drei Tagen untadelig verhalten hatte, hatte sie die Warnung, die er vor ihrer Kammertür ausgesprochen hatte, nicht vergessen. Sie würde nicht so töricht sein, das Schicksal herauszufordern und unbegleitet seinen Weg zu kreuzen. In der Vergangenheit hatten seine heimlichen Küsse sie viel zu sehr in Versuchung geführt. Wie groß wäre der Reiz, wenn er alles aufbot, um sie zu verführen?

Sie schämte sich zuzugeben, wie viel Zeit sie aufgebracht hatte, darüber nachzugrübeln. Ihr Körper brannte immer noch vor Verlangen, wenn sie daran dachte, was auf der Treppe, die zu ihrem Gemach führte, geschehen war.

„Nun, ich weiß nicht, wie Euer Vater den Mann vertreiben soll, wenn man ihm nicht erklärt und ihn daran erinnert, was Ihr Euch von diesem Treffen erhofft.“ Keane kraulte das verfilzte Fell eines Jagdhundes, während er vor dem Kamin hin und her ging. „Der Laird ist verwirrt. Er wird nicht begreifen, dass er mir das Reden überlassen muss.“

Sie hatten das Treffen bereits einmal verschoben, da es dem Laird an dem Tag, an dem Duncan ursprünglich mit ihm sprechen sollte, besonders schlecht gegangen war. Cristiana hatte Keane gebeten, Duncan eine Nachricht mit dem Siegel ihres Vaters zu senden, da sie nicht selbst mit ihm über das Thema sprechen wollte. Sie hatte beschlossen, dass es am sichersten war, ihm aus dem Weg zu gehen und alles zu tun, was in ihrer Macht stand, damit er sich schnell verabschiedete.

„Ich war vorhin in seiner Kammer, um ihn daran zu erinnern.“

Cristiana hatte ihren Vater nicht vergessen lassen, dass ein Culcanon Edwina vor der Eheschließung angerührt hatte. Und wenn ihr Vater auch nichts von dem Kind wusste, das auf diese Weise entstanden war, so war er doch tagelang durch die Burg gestürmt und hatte mit Krieg gedroht. Cristiana war sich sicher, dass er sich zumindest für ein paar Stunden an die Feindschaft erinnern würde. „Er weiß, dass wir Duncan loswerden wollen und uns dann wieder auf die Suche nach einem brauchbaren Nachfolger begeben …“

„Mylady. Keane.“ Duncans tiefe Stimme drang durch die Halle und weckte sofort Unruhe bei ihr. Er stand in der Tür und verbeugte sich knapp zur Begrüßung. Sein gerötetes Gesicht und das feuchte Haar deuteten darauf hin, dass er bereits draußen gewesen war.

„Wollen wir?“

Keane kraulte den Hund ein letztes Mal und eilte zu ihm.

Aye.“ Sie krächzte das Wort, als hätte sie seit einer Woche nichts gesagt. In den letzten paar Tagen hatte sie beim Abendmahl schweigend neben ihm gesessen, hatte schnell gegessen und dann mit den anderen Gästen gefeiert.

Keane schien jedoch ihre Verlegenheit nicht zu bemerken. Er eilte in Richtung der Tür, während der Hund mit dem verfilzten Fell seinen Rückzug mit lautem Gebell bedachte.

„Hier entlang.“ Er bedeutete Duncan, ihm zu folgen. „Der Laird erwartet uns, aber er hat heute viel zu tun und wird daher nicht viel Zeit für Euch haben.“

Cristiana hörte die Nervosität in der Stimme des Ratgebers, als sie die Treppe hinaufgingen, die direkt von der Halle zum Gemach des Lairds führte. Würde Duncan seine Besorgnis ebenfalls bemerken?

Zum ersten Mal betrachtete Cristiana ihren Haushalt so, wie Duncan ihn vermutlich sah – von schwachen Männern mit der Hilfe einer Frau regiert. Bis jetzt war sie überzeugt gewesen, dass Domhnaills starke Mauern, der legendäre Reichtum und ihre Großzügigkeit sie schützen würden, bis ein anderes Mitglied des Clans seinen Platz als Laird einnehmen würde. Doch was, wenn ihre Schwäche allzu offensichtlich war?

Könnte Duncan tatsächlich die Burg im Namen des Königs übernehmen?

Mehr als jemals zuvor wünschte sie sich, dass sie diesem Treffen nicht zugestimmt hätte.

„Es wird nicht lange dauern, dem Laird meine Botschaft mitzuteilen.“ Duncans kurze Antwort stimmte sie etwas zuversichtlicher.

Doch gleich darauf kamen ihr wieder Zweifel. Was, wenn er nur seine Absicht, Domhnaill zu beanspruchen, kundtun wollte? Er hatte es an dem Tag im Brauhaus angedroht, doch sie hatte ihn nicht ernst genommen.

„Duncan, wartet.“ Sie blieb vor den Räumlichkeiten ihres Vaters stehen.

Doch ihr ehemaliger Verlobter ließ sich nicht aufhalten. Stattdessen klopfte er an die Tür, die von einem einzelnen Wachposten bewacht wurde.

„Ich soll warten? Euer Ratgeber hat doch eben vorgeschlagen, dass wir uns beeilen sollen. Wir können uns später unterhalten.“ Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, während sein Blick sich verdunkelte. „Vielleicht können wir dann endlich einmal unter vier Augen sprechen?“

Seine Stimme ließ all ihre Sinne vibrieren und erinnerte sie an seine Warnung und die Einladung, die mit diesem Angebot zusammenhing. Sie hasste ihr Herz dafür, dass es schneller schlug, wohl wissend, dass sie ihre eigene Schwäche mehr fürchten musste als ihn. Er hatte bewiesen, dass er sich, im Gegensatz zu seinem Bruder, beherrschen konnte.

Doch eben dieser Sinn für Anstand und Ehre, der ihm eigen war und der die Wahrung der Unschuld in ihre eigenen Hände legte, würde es ihm nicht erlauben, Leah von ihrem Vater fernzuhalten.

„Wir können hineingehen“, versicherte Keane ihnen und sah von einem zum anderen, als könne er verstehen, worum es ging, wenn man ihm nur genug Zeit gäbe.

Cristiana glaubte, dass nicht einmal sie selbst verstand, welche Kräfte zwischen ihr und Duncan herrschten. Wie klug der Ratgeber ihres Vaters auch sein mochte, sie vermutete nicht, dass ihm das gesamte Ausmaß ihres Wortwechsels bewusst war.

Keane öffnete die Tür, die zu den Gemächern ihres Vaters führte. Cristiana folgte ihm rasch und schlüpfte an Duncan vorbei, der ihr die Tür aufhielt. Sogar dieser kurze Augenblick der Nähe reichte aus, um ihre Sinne zu erregen. Die Wärme seines starken Körpers rief ihr die Momente in seinen Armen ins Gedächtnis, als er sie zu ihrer Kammer getragen hatte. Sein Duft nach Kiefer und Leder erinnerte sie daran, wie viel Zeit er draußen verbrachte, wie stark seine Präsenz auf den Domhnaill-Ländereien war, auch wenn er die Menschen nicht anführte.

Gütiger Himmel. Was, wenn er die ganze Woche das Land abgeritten hatte, um einen genauen Eindruck von der Größe der Ländereien zu bekommen, die er an sich reißen wollte?

„Ich hatte nicht erwartet, dass ein Culcanon es wagen würde, auf meine Burg zurückzukehren“, erklärte ihr Vater, anstatt Duncan zu begrüßen, und riss Cristiana damit aus ihren ängstlichen Gedanken.

Da sie nun mehr Kampfgeist in ihm spürte als seit Langem, regte sich Hoffnung in Cristiana. Sie setzte sich auf den Platz neben ihn, während Keane den auf der anderen Seite einnahm. Die Kammer des Lairds war ein großer langer Raum, der einstmals die ganze Familie beherbergt hatte, während die Türme errichtet wurden. Nun stand ein großer Tisch auf dem nicht mehr benötigten Platz, an dem der Laird sich um seine Geschäfte kümmern oder sich mit seinen Ratgebern unter vier Augen treffen konnte. Duncan setzte sich ihnen gegenüber an den Tisch.

„Und ich hätte nie erwartet, dass einer der mächtigsten Lairds des Königreichs es zulassen würde, dass seine Burg so lange ungeschützt bleibt.“ Duncan legte seine Unterarme auf den Tisch und beugte sich nach vorne. „Wollt Ihr eine kriegerische Auseinandersetzung heraufbeschwören? Sogar auf der anderen Seite der Grenze, am Hofe Williams, sagt man, Domhnaill sei wie eine reife Frucht, die nur gepflückt werden muss.“

Keane sprang auf. Dieser Vorwurf verletzte ihn in seiner Ehre als Highlander. Der Laird hingegen schien wieder verwirrt zu sein.

„Was sagen sie?“ Die dichten Augenbrauen zusammengezogen, schüttelte er den Kopf. „Ich habe genug Gold, um die Wachen auf den Mauern für zwei Jahre zu bezahlen.“

„Aber Ihr habt niemanden, der sie anführt. Und Ihr wisst so gut wie ich, dass bezahlte Wachen nur so lange loyal sind wie die nächste Münze, die sie erhalten, wenn sie keinen starken Anführer haben.“

„Wir werden bald einen Wechsel haben“, versicherte Keane ihm. „War das der Grund, warum Ihr Euch mit dem Laird treffen wolltet? Um seine Regentschaft zu beleidigen, während Eure eigene Burg in Eurer Abwesenheit vor die Hunde geht? Wir haben alle gehört, dass Euch Euer Bruder auf dieselbe Weise bestohlen hat, wie er uns vor fünf Jahren bestohlen hat.“

Cristiana verspannte sich. Keanes Angriff auf Duncan verwirrte sie, wo der Ratgeber ihn doch noch vor einer Woche für den fähigsten Mann, Domhnaill zu übernehmen, gehalten hatte. War der alte Mann wieder zur Vernunft gekommen? Oder waren seine Anschuldigungen eine Art politisches Manöver? Wenn doch nur ihr Vater bei klarem Verstand wäre, dann würde sie seinem Urteil blind vertrauen.

„Edwina wollte sich nicht einmal mit uns treffen, um ihre Anschuldigungen vorzubringen“, rief Duncan ihm in Erinnerung. „Es gab keinen Grund für uns, ihr mehr zu glauben als Donegal.“

Cristiana biss sich fest auf die Lippe, um nicht in das Gespräch einzufallen. Es würde nichts bringen, seinen Halbbruder nun zu beschimpfen. Doch wie konnte Duncan erwarten, dass Edwina ihre blauen Flecken an intimen Stellen als Beweis öffentlich zur Schau stellte?

Keane sank auf seinen Platz zurück.

Aye. Ihr hattet damals keinen Grund, an dem Wort Eures Bruders zu zweifeln. Wie sieht es nun aus? Glaubt Ihr, dass Ihr vielleicht ein wenig zu schnell die Partei des Halunken ergriffen habt, nun da Ihr seinen Verrat am eigenen Leib spürt?“

„Ich bin bereit, einzugestehen, dass Edwina Unrecht geschehen ist.“ Duncan sah sie nicht an. Und er erwähnte nicht, dass er Cristiana erst kürzlich genau das Gegenteil gesagt hatte.

„Wartet einen Augenblick …“ Ihr gefiel das Gespräch nicht, das wie eine Verhandlung klang.

„Ihr besitzt das Wohlwollen des Königs?“, fragte ihr Vater. In seinen Augen lag die Klugheit, die früher immer in seinem Blick erkennbar gewesen war und jetzt nur noch gelegentlich erschien.

„Ich habe ihm auf dem Festland gut gedient. Er würde mir Culcanon sofort zusprechen, aber ich wünsche keinen Krieg unter meinen Leuten. Ich werde Donegal meinen Teil entreißen. Domhnaill wird mein Lohn sein.“

Diese Mitteilung traf sie wie ein Schlag.

„Nein.“ Sie betrachtete sein Gesicht und suchte nach einem Hinweis dafür, dass er diese Neuigkeiten erfunden hatte. „Ihr seid an unsere Tore gekommen, um Zuflucht zu suchen. Ich habe Euch nur aus Nächstenliebe eingelassen.“

„Ich hoffte, friedlich mit Eurem Vater sprechen zu können und Euren Leuten unnötige Furcht zu ersparen. Ich habe auf Culcanon selbst gesehen, wie schnell die Loyalität schwinden kann, wenn die Stadtbewohner verängstigt sind.“

Sie konnte seine Worte kaum aufnehmen. In den letzten drei Tagen war sie ihm gegenüber so vorsichtig gewesen, hatte den Moment abgewartet, an dem er verschwinden würde, damit ihre Welt wieder ihren gewohnten Gang gehen konnte. Und die ganze Zeit über hatte er gewusst, dass sie abgesetzt werden und er derjenige sein würde, der hier in Zukunft herrschte.

Nun würde also doch ein Culcanon das Erbe der Domhnaills antreten, gleichgültig, was sie ihrer Schwester versprochen hatte.

„Ihr habt uns Milde gezeigt“, gab ihr Vater zu, obwohl in seiner Stimme eine Erschöpfung mitklang, die ihr das Herz brach. „Nachdem Ihr eingesehen habt, dass Ihr Euch in Donegal geirrt habt, werdet Ihr vielleicht noch etwas mehr Milde walten lassen.“

„Ich denke, wir sind uns einig, dass ich bereits sehr geduldig war.“ Duncan stand auf, und sein großer Körper türmte sich über ihnen auf. „Wir werden es heute Abend den Gästen beim Abendmahl bekannt geben, bevor morgen alle abreisen.“

„Erwägt noch ein wenig mehr Großzügigkeit den Menschen auf Domhnaill gegenüber, da ihr Wohlwollen Euch gegenüber ihre Loyalität sicherstellen wird“, drängte ihr Vater. Er stand nun ebenfalls auf, obwohl er sich dabei auf den Tisch stützen musste. Dennoch, der alte Krieger war nahezu so groß wie Duncan und wäre genauso groß gewesen, wenn alte Verletzungen nicht seinen Rücken gekrümmt hätten.

„Sir, bittet mich nicht darum“, warnte ihn Duncan, der vermutlich erriet, welche Großzügigkeit der alte Mann erwartete.

Cristiana, vielleicht abgelenkt davon, wie sehr ihr Leben sich durch die Vereinbarung für immer verändern würde, sah nicht voraus, um was der Laird gleich bitten würde.

„Nehmt meine Tochter.“ Er wedelte mit dem Finger vor Duncans Gesicht herum. „Heiratet Cristiana, wie Ihr es einst vorgehabt habt, und Ihr werdet hier mehr Akzeptanz gewinnen, als eine Demonstration der Stärke oder ein Vertrag des Königs Euch je einbringen könnten.“

„Niemals.“ Nun war es an ihr, aufzustehen. Sie würde diesen Vorschlag nie und nimmer akzeptieren. Es könnte Leah in Gefahr bringen. „Ich mag in der Lage sein, mein Knie vor einem neuen Laird zu beugen und das Leben, das ich kannte, hinter mir zu lassen. Aber verlangt nicht von mir, ein Gelübde abzulegen, das mich an einen falschzüngigen Schurken bindet, der an mein Mitleid appelliert hat, um Einlass in die Burg zu erlangen, und der jeden Tag gelogen hat, wenn es um den Zweck seines Aufenthalts ging. Das werde ich um keinen Preis tun.“

Die Herrin von Domhnaill mochte ihm nicht glauben. Doch seit seiner Ankunft hatte Duncan sein Wort gehalten. Er hatte zum Beispiel jeden Abend kleine Schätze mit Cristiana und ihren Leuten geteilt.

Nachdem er sie am ersten Tag geküsst hatte – bis jetzt seine angenehmste Entdeckung –, hatte er ihr Stechpalmengirlanden zum Dekorieren der Halle mitgebracht, einen Sack voller Fasane, um das Fest eines Heiligen zu feiern und einen fremdartigen Singvogel, den er unter Gefahr für Leib und Leben gefangen hatte, in der Hoffnung, dass sein ungewöhnlicher Gesang ihr gefallen würde.

Keines der Geschenke war von ihr besonders gut aufgenommen worden. Obwohl es während des Kusses einen Augenblick gegeben hatte, als er glaubte, dass vielleicht …

Doch sie weigerte sich weiterhin, über eine Ehe auch nur nachzudenken, der sie einst freudig zugestimmt hätte. Er grübelte über ihre Zurückweisung nach, als er mit seinen Männern ihre Kampfkünste auf einem Feld mit jungen Obstbäumen verfeinerte, nachdem sie eine Woche lang faul herumgesessen waren. Duncan hatte ihre Waffen nach seiner Unterredung mit dem alten Laird zurückbekommen, nachdem er ihm versichert hatte, nicht die Absicht zu haben, die Wachposten anzugreifen, die die Mauern bewachten.

Duncan plante, sie weiterhin zu beschäftigen, doch bis er seine Übernahme der Burg verkünden würde, ließ er seine Männer ihre Übungen außer Sichtweite absolvieren.

Wenn Cristiana seine Absichten erriet, würde es keine verführerischen Küsse mehr geben. Doch wenn er ehrlich war, wollte er sie wieder auf seinen Lippen schmecken.

„Ihr habt den Ort ohne Blutvergießen und ohne Braut erobert.“ Rory the Lothian blockte einen Hieb von Duncans Schwert mit seinem Schild ab, und der Aufprall hallte bis in sein Innerstes wider.

„Er gibt viel darauf, dass ich dem König gedient habe.“ Duncan hatte nicht übertrieben, als er von Malcolms Versprechen beide Burgen betreffend gesprochen hatte. Aber er hatte keine Verfügung oder Urkunde, da Malcolm niemals bewaffnete Truppen schicken würde, um Ländereien zu sichern, die Duncan allein für sich in Anspruch nehmen konnte.

Doch Duncan hatte sich in eine unhaltbare Situation gebracht, indem er die Burg nicht mit Waffengewalt erobert hatte. Aus Respekt für Cristiana und ihre Leute hatte er sich dafür entschieden, sie zu beschützen. Das bedeutete, dass er sich einer noch schärferen Waffe bedient hatte.

Eines gerissenen Plans, den sie nicht gutheißen würde, wenn sie es herausfand.

„Was ist mit dem Mädchen?“ Rory parierte das Schwert auf Kniehöhe und trieb Duncan zurück gegen einen dicken Ast.

Es war die Erinnerung an seine Zeit mit Cristiana, die ihn wie einen Knappen kämpfen ließ und nicht wie einen erfahrenen Krieger. Hastig stürzte er sich nach vorne, zwang Rorys Klinge beiseite und erreichte so das, was er nicht mit Taktik schaffen konnte, mit brutaler Gewalt.

Vielleicht hatte er all seine Klugheit im Streit mit Cristiana aufgebraucht.

„Sie will nicht heiraten.“ Er schob seinen Freund beiseite und schwitzte von der Kampfübung, obwohl ein kalter Wind von der See her blies und der Schnee unter ihren Füßen frostige Kälte verbreitete.

„Es interessiert mich nicht, was sie will.“ Rory schwang sein Schwert in einem Bogen über seinem Kopf und nahm dann das Heft in die andere Hand, um die Bewegung zu wiederholen. „Was wird aus ihr werden? Werdet Ihr sie fortschicken, damit sie bei entfernten Verwandten leben kann, oder werdet Ihr der Dame gestatten, auf Eurem Land zu bleiben? Würde Euch eine Ehe zwischen ihr und einem Eurer Männer nützen?“

Duncan erstarrte. Er sah dem Ritter ins Gesicht, doch Rory war viel zu beschäftigt damit, sich im Schwertkampf zu üben und einen unsichtbaren Feind in der Schlacht zu besiegen.

„Was fragt Ihr da?“ Besitzgier rührte sich in ihm, wie eine riesige Bestie, die zum Leben erwachte. „Wollt Ihr etwa vorschlagen, dass ich sie Euch überlasse?“

Rory sah von seinen Schwertübungen auf.

„Ihr wollt doch sicher nicht, dass eine abgesetzte Erbin einen mächtigen Feind ehelicht, der sie dafür benutzt, einen Anspruch auf Domhnaill zu erheben.“ Sein Blick wankte nicht, als er Duncan abschätzig ansah. „Besser, sie an jemanden zu binden, der Euch ergeben ist. Jemand, der nicht mächtig ist.“

„Ihr wollt sie.“ Die Erkenntnis beruhigte die Bestie in seiner Brust nicht. Und der Schnee, der vom Himmel fiel, kühlte ein solch hitziges Temperament nicht. „Ihr habt in ihrer Halle gesessen und sie begehrt.“

Der Gedanke, dass sein Freund Hand an Cristiana legen könnte, ließ eine Ader in seiner Schläfe pulsieren. Eine stürmische Wut wirbelte in seinem Bauch.

„Ich biete Euch an, Euch von einer möglichen Last zu befreien und die geschickteste Metbrauerin des ganzen Landes zu behalten.“ Rory kniff die Augen leicht zusammen. „Aber ich würde es natürlich nicht vorschlagen, wenn ich die Aussicht unerfreulich fände, sie zu heiraten.“

Seine Schläfe pulsierte noch mehr.

„Sie will nicht heiraten.“ Er erinnerte sich lebhaft an ihre heftigen Worte. Cristiana hatte den Vorschlag ihres Vaters so vehement abgelehnt, dass sie bei der bloßen Erwähnung einer Verbindung das Zimmer des Lairds verlassen hatte.

Als ob sie immer noch eine hochrangige Ehe eingehen könnte, wo sie doch nicht einmal mehr unschuldig war.

„Sie ist eine Adelige aus einer wichtigen Familie. Sie hat keine Wahl.“

Der Ritter klang so vernünftig, dass Duncans Ärger etwas abebbte. Auch wenn er es nicht schätzte, dass ein anderer Mann über Cristiana als Ehefrau nachdachte, so konnte er doch die praktische Seite an Rorys Strategie respektieren.

Es war ein gutes Argument, dass sie zu einer Bedrohung werden könnte, wenn sie jemanden heiratete, der ein Auge auf Domhnaill geworfen hatte.

„Ihr Vater wünscht, dass ich sie zur Frau nehme.“ Er hatte dieses Gespräch immer wieder in seinem Kopf wiederholt und erinnerte sich mit beunruhigender Klarheit an den Ruck, den dieser Vorschlag in ihm ausgelöst hatte.

„Das wäre das Klügste. Aber wenn Ihr sie nicht wollt …“

„Doch, das tue ich.“ Die wütend ausgesprochene Wahrheit hallte in seinem Kopf nach. „Ich habe mich nicht mehr daran erinnert, bis wir auf ihre Ländereien zurückgekehrt sind.“

Er war jung gewesen, als sie das Verlöbnis gebrochen hatte. Er hatte es bedauert, doch andere Frauen gefunden, mit denen er sich trösten konnte. Die Tatsache, dass sie einen anderen Mann gefunden hatte, war ein heftiger Schlag gewesen, den er niemals erwartet hätte.

Konnte er ihr vertrauen? Konnte er es schaffen, das Kind eines anderen mit einem gnädigen Herzen aufzuziehen? Er war sich nicht sicher. Doch sein Verlangen nach ihr – das war nie ein Thema gewesen. Er wollte sie mehr als je eine Frau zuvor.

„Dann habt ihr mehr, das für diese Ehe spricht, als die meisten Männer.“ Rory steckte sein Schwert zurück ins Futteral, da er offensichtlich wusste, wann er nachzugeben hatte. „Lasst Euch nicht von ihrem Stolz – oder Eurem – davon abhalten, das zu tun, was das Beste für Domhnaill ist. Ein Preis wie dieser ist ein solches Opfer wert.“

Als Rorys Stiefel auf dem Weg zurück zur Burg im harten Schnee knirschten, ließ Duncan seinen Blick über die Landschaft gleiten. Es war eine großartige Burg, mit einer florierenden Stadt. Es war ebenso die Heimstatt seiner Ahnen wie der Cristianas, und die Ländereien waren einst unter einem Banner vereint gewesen.

Er würde die Domhnaill-Ländereien zusammen mit ihrer Erbin beanspruchen. Bei ihm wäre sie am sichersten. Und wenn sie auch nicht mehr das unschuldige Mädchen war, das er vor fünf Jahren in den Gärten geküsst hatte, so war sie doch eine Frau, deren Leidenschaft ihn in kalten Winternächten wärmen würde.

Aber er würde Cristiana ebenso wenig in eine Ehe drängen, die sie nicht aus eigenem Willen eingehen wollte, wie er den Ländereien und den Menschen schaden würde.

Vor drei Nächten hätte sie sich ihm beinahe hingegeben, als er sich ihr gegenüber anständig verhalten hatte. Nun stand mehr auf dem Spiel. Er konnte es sich nicht leisten, ihr Zeit zum Nachdenken zu geben, damit sie sich nicht sträubte, wenn die heiße Leidenschaft entfacht wurde.

Das nächste Mal würde er ihr Begehren erfüllen. Er würde sie beide bis zum Äußersten treiben, bevor sie bemerkte, dass er auf Zeit spielte.

6. KAPITEL

Mutter, komm, spiel mit mir.“

Cristiana blickte von dem Brief, den sie schrieb, auf und sah, wie Leah einen Haufen flacher Steine in einer Ecke des Gemachs aufeinanderhäufte. Sie hatte sie niemals davon abgehalten, das liebevolle Wort „Mutter“ zu gebrauchen. Diese Ehrenbezeugung hatte Leah selbst bereits in jungen Jahren gewählt. Falls die Bediensteten dachten, es sei sonderbar, dass sie sich einem verlassenen Waisenkind so verbunden fühlte, so sagten sie nichts.

Ein Tag war vergangen, seit Cristianas Welt durch die Enthüllung, dass es eine Übernahme geben würde, die vom König gutgeheißen wurde, bis auf die Grundfesten erschüttert worden war. Im Verlauf eines Nachmittags hatte sie nicht nur ihre Stellung als Herrin von Domhnaill verloren, sondern auch den Eid gebrochen, den sie ihrer Schwester geschworen hatte. Da es ihr nicht gelungen war, schneller einen neuen Laird zu finden, der den Platz ihres Vaters einnahm, hatte sie es zugelassen, dass die Burg bereit zur Übernahme erschien.

„Ich muss einen Brief an deine Tante schreiben“, begann sie, doch als sie auf das Pergament blickte, auf dem kaum ein Strich zu sehen war, musste sie sich eingestehen, dass sie wenig erreicht hatte. „Aber vielleicht brauche ich eine kurze Pause.“

Sie erhob sich von dem kleinen Tisch, der das einzige Möbelstück außer zwei Stühlen im Raum war, und setzte sich zu Leah an die Feuerstelle. Edwinas Tochter – eigentlich Cristianas Tochter, wenn man es recht betrachtete – hatte sich schnell von ihrem Fieber erholt. Dennoch sorgte sie dafür, dass das Mädchen immer in ihrer Nähe war, damit sie sie im Auge behalten konnte.

Sie war so stolz auf Leah. Unter der zierlichen Gestalt des Mädchens lauerte ein wildes Herz. Als sie zur Welt gekommen war, hatte sie geschrien und ihre winzigen Fäuste geschüttelt. Und in den letzten vier Jahren hatte sie viel darüber gelernt, wie sie die Welt ihrem Willen beugen konnte. Cristiana versuchte, ihr nicht zu sehr nachzugeben, aber es fiel ihr schwer, nicht insgeheim zu lächeln, wenn sie an die schnelle Auffassungsgabe und ihr Talent dachte, ihren Willen durchzusetzen. Sogar die älteren Kinder bewunderten sie und folgten ihr.

„Was spielen wir denn?“, fragte Cristiana, dankbar für die Ablenkung von den düsteren Gedanken, die sie Tag und Nacht verfolgten.

Sie wusste nicht, wie sie ihren Gästen an dem Abend, der für die meisten von ihnen der letzte auf Domhnaill sein würde, entgegentreten sollte. Wie sollte sie es schaffen, neben Duncan zu sitzen, während er verkündete, dass er die Herrschaft übernahm? Aber vielleicht würde sie nun gar nicht mehr am hohen Tisch sitzen. Vielleicht würde sie in die Große Halle kommen und sehen, dass die Seidenvorhänge hinter dem Platz des alten Lairds von Duncans Banner ersetzt worden waren.

„Wir verteidigen die Festung“, erklärte ihr Leah ernst, die grünen Augen auf einen Haufen Steine auf dem Boden gerichtet, der in Intervallen von ringförmig angeordneten Steinen umgeben war. Sie hielt einen Stock in der Hand und brach Stückchen ab, die sie zwischen den Steinen platzierte. „Die Zweige sind meine Männer, und sie verteidigen die Mauern. Ich bin der König, und du kannst mein Knappe sein.“

Leah reichte ihr den Stock. Die langen, zimtbraunen Haare fielen ihr über die Schultern. Sie war Cristiana ähnlicher als Edwina, sowohl was ihre Haarfarbe und die Form ihres Gesichts betraf. Sie hatten sogar einige Eigenarten gemeinsam. Cristiana fand es immer noch verblüffend, zuzusehen, wie Leah an dem Tag, an dem sie neben ihr arbeiten durfte, ihren kleinen Kessel mit Met im Brauhaus umrührte. Das Kind rührte dreimal im Uhrzeigersinn und dreimal entgegen des Uhrzeigersinns, ebenso wie sie.

„Ich bin der Knappe?“ Cristiana nahm den dünnen Ast, der raschelte, weil ein paar unnachgiebige, verwelkte Blätter noch daran hingen.

„Ja.“ Leah verschränkte die Arme und schob die Unterlippe vor, ganz wie ein verdrießlicher Monarch. „Du musst tun, was ich dir sage.“

Cristiana sah ihr Kind eingehend an, das sein Spiel so ernst nahm. Mit ihrem verschobenen Reif und ihrem Schleier, der über ihre Schulter fiel, wirkte sie wie ein Mädchen, das sich seinem Spiel hingab. Doch ihr vorgestrecktes Kinn und ihre sichere Klarheit über die Rollen in ihrem Spiel ließen Cristiana die Situation, in die sie sie beide gebracht hatte, noch ängstlicher betrachten.

Wenn sie Edwina gegenüber loyal blieb – also gegen Duncans Herrschaft hier ankämpfte –, könnte Cristiana stolz auf die Treue zu ihrer Familie sein. Aber würde das auf Leahs Kosten geschehen? Warum sollte Leah die ohnehin schwache Stellung als illegitimes Kind des Adels verlieren, um nur ein weiteres vaterloses Kind zu werden? Leahs Zukunft war an die Entscheidung, die Cristiana nun treffen würde, geknüpft.

„Ich werde mein Bestes tun, Sire“, spielte sie mit, nahm den Ast und brach mehr Stückchen ab, die als Wachposten auf den imaginären Burgmauern dienten. „Aber die Streitkräfte, die uns bedrohen, werden größer, und ich weiß nicht, ob wir sie abwehren können.“

Bei diesen Worten brach ihre Stimme, und ihr Herz wurde schwer von dem Gewicht der Verantwortung, die sie zu tragen hatte. Ihre Liebe zu Leah – und auch ihre Pflicht, sie großzuziehen – rührten etwas wütend Mütterliches in ihrer Brust.

„Domhnaill ist die stärkste Festung im Osten!“, rief Leah mit einem entschlossenen Zug um den Mund, der Cristiana an ihren Vater erinnerte. „Man wird uns nicht besiegen.“

Ihre Hände ruhten auf dem Ast. „Wie kannst du so sicher sein, meine Süße?“ Sie legte den Stock beiseite, genoss die Wärme des Feuers in ihrem Rücken und die Gelegenheit, bei Leah zu sein. Zwei Wochen lang hatte sie ihre eigene Tochter gemieden, um alles so normal wie möglich erscheinen zu lassen. Je weniger Leah bemerkt wurde, desto geringer war die Möglichkeit, dass jemand nach ihrer Herkunft fragen würde.

Oder die auffallende Ähnlichkeit ihrer hellgrünen Augen und der moosgrünen Schattierung bemerkte, die allen Culcanons zu eigen war.

„Wir bewerfen sie mit Feuer“, flüsterte Leah, als sie sich über ihr Spiel beugte und ihre zimtfarbenen Locken auf den Boden fielen und ihre Festung bedeckten. „Und leeren die Nachttöpfe über ihren Köpfen aus. Die Köchin hat gesagt, dass sie genug Wasser kochen kann, um einen ganzen Trupp schwachköpfiger, diebischer Angreifer zu verbrühen.“

Cristiana wusste, dass Leah gelegentlich mit den anderen Kindern Zeit in der Küche verbrachte, wo sie morgens ein Extramahl zu sich nahmen, um ihre immer hungrigen Mägen zu füllen. Offensichtlich hatte das Gespräch Leahs Phantasie angeregt.

Dennoch, wie kam es, dass das Kind praktisch über Nacht vom krähenden Kleinkind zur Schlachtstrategin geworden war?

„Ich erinnere mich, als das so passierte.“ Cristiana war damals selbst noch ein Kind gewesen. Das Gefecht war einer der Gründe gewesen, warum ihr Vater die Familie mit Duncans vereinen wollte – ihre gebündelten Kräfte wären gewaltig gewesen und hätten sie unbesiegbar gemacht. „Ich hatte große Angst, als das geschah.“

Die Erinnerung machte ihr bewusst, dass Duncans unblutige Übernahme – obwohl auf ihre Weise vernichtend – zumindest ihren Leuten die Angst erspart hatte, von einfallenden Barbaren getötet oder ruiniert zu werden.

„Du hattest Angst?“ Leah richtete sich auf und starrte Cristiana ungläubig an. „Ich hätte keine Angst gehabt. Ich würde das Schwert des Lairds nehmen und jeden durchbohren, der die Mauern erklimmt!“

Autor

Joanne Rock
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