So schön kann Küssen sein

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Für Randi Cullen ist klar, dass sie helfen muss: Der FBI-Agent Manny Sanchez möchte für einige Zeit auf ihrer Ranch wohnen, um einen Baby-Schmugglerring auffliegen zu lassen. Weil sie seine Ermittlungen nicht gefährden will, gerät Randi schon bald in eine heikle Situation: Sheriff Wade Reese wundert sich über den plötzlich aufgetauchten fremden Mann auf ihrer Ranch, sodass Randi einfach zu einer Notlüge greift! Sie gibt Manny als ihren Verlobten aus. Um ihre intime Nähe zu demonstrieren, geht sie sogar noch ein Stück weiter und küsst ihn vor Wades Augen stürmisch. Beruhigt zieht der Sheriff davon, aber mit Randis Ruhe ist es vollkommen vorbei: aufregende Träume jede Nacht - Sex pur mit Manny! Dass muss ein Ende haben! Bisher gab es noch keinen Mann, bei dem Randi den Wunsch verspürt hat, mit ihm die Liebe kennen zu lernen. Aber jetzt weiß sie, wer ihr zeigen soll, wie man Leidenschaft richtig genießen kann ...


  • Erscheinungstag 15.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746568
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Einen Vorteil hatte der Wolkenbruch. Manny Sanchez wurde bei der nächtlichen Verfolgungsjagd auf seiner Harley nicht so leicht entdeckt. Trotzdem verwünschte er das Unwetter und den Schneeregen.

Im nächsten Moment flammten die Bremslichter des Minivans vor ihm auf und wirbelten von einer Straßenseite zur anderen. Blitzartig kamen Erinnerungen an schreckliche Unfälle in Manny hoch, die er in seinen vierunddreißig Lebensjahren schon gesehen hatte – auch sehr persönliche, schmerzvolle Erinnerungen.

Nein, nicht noch einmal! In dem Van befand sich ein kleiner Junge. Das Leben an sich war grausam genug, wie Manny oft erfahren hatte, doch das Leben dieses Kindes durfte noch nicht enden. Nicht so. Das konnte er nicht zulassen.

Durch den Regenschleier, der über das Visier seines Motorradhelms floss, beobachtete er entsetzt, wie der Minivan mit dem „Kojoten“ und seiner Fracht vor einer Brücke auf der vereisten Straße ins Schleudern geriet.

¡Ay, Dios mío! Das überstand niemand lebend!

Im nächsten Augenblick verlor Manny auf dem Glatteis die Kontrolle über das Motorrad, obwohl er das Gas zurückgenommen hatte. Mit der durch die dicke Lederjacke geschützten linken Schulter prallte er voll auf den Seitenstreifen neben der Straße, spürte jedoch wegen des Schocks und der Kälte kaum etwas. Das würde erst später kommen.

Die schwere Maschine schleuderte Funken sprühend über den Asphalt und landete zum Glück im Feld, während Mann in die andere Richtung rutschte. Die derbe Jeans bewahrte ihn dabei vor ernsthaften Verletzungen durch kleine Steine auf der nassen Fahrbahndecke.

Kaum wurde er nicht mehr vom eigenen Schwung herumgewirbelt, als Manny auch schon aufsprang. Wenigstens konnte er noch gehen. Um gebrochene Knochen und offene Wunden musste er sich später kümmern. Er riss sich den Helm vom Kopf, ließ ihn fallen und rannte zur Brücke.

Wie in Zeitlupe rutschte der Minivan von der Straße ins dahinschießende Wasser, kippte auf die Seite und wurde von der heftigen Strömung mitgerissen.

Für einen Moment stockte Manny der Atem. Schock und Schuldgefühle lähmten ihn. Wieso hatte er diesen Auftrag nicht schon gestern oder wenigstens heute abgeschlossen, bevor alles dermaßen außer Kontrolle geraten war?

Metall schrammte kreischend über Steine. Das Wasser rauschte und zischte, und der Regen prasselte auf die Straße.

Jetzt war keine Zeit für Selbstvorwürfe. Manny reagierte, wie man ihm das beigebracht hatte – nicht zögern, sondern handeln.

Der Minivan blieb an einem Haufen Treibholz hängen, das gegen die Weiden am Ufer gespült worden war. Manny wollte das ausnutzen und stürmte los, bevor der Wagen sich wieder losreißen und weitergetrieben werden würde.

Der Van lag auf der Seite, war schon etwa einen Meter im schwarzen Wasser versunken und sackte immer tiefer ab. Manny überlegte blitzschnell, was er machen könne und ob in dem Fahrzeug überhaupt noch jemand lebte. Vom Ufer aus sah er nur das Wagendach und konnte daher nichts feststellen.

Ohne auf seine schmerzende Schulter zu achten, kletterte er auf die Motorhaube und schob sich auf dem im Wasser schwankenden Wagen weiter vor. Der nasse Lack war glatt und erschwerte zusätzlich das Vorankommen.

Wertvolle Zeit ging verloren, bis er es zur Beifahrertür geschafft hatte, sich hinkniete und an der Tür zerrte. Erst nach Sekunden ließ sie sich öffnen.

„Hören Sie mich?“, rief er in den dunklen Innenraum und beugte sich tiefer.

Hinter dem Steuer war niemand. Nichts regte sich im Wagen. Manny wollte sich gerade ins Fahrzeug gleiten lassen, als ein Kind schrie.

Der Kleine lebte also noch, doch in der Dunkelheit konnte er ihn nicht ausmachen.

Hastig fasste Manny ins schlammige Wasser. Der Fahrer war nicht da. Offenbar war der Schmuggler aus dem Fahrzeug geschleudert worden.

So schnell wie möglich stemmte Manny sich wieder hoch und rüttelte und zerrte an der seitlichen Schiebetür. Je mehr er sich anstrengte, desto schlimmer schmerzte seine Schulter, doch endlich glitt die Tür zur Seite. Jetzt sah er auch das Kind, das in der schräg hängenden Tragetasche festgeschnallt war.

Das Wasser stieg unaufhörlich. Manny tastete nach dem Sicherheitsgurt, fand den Verschluss und zog. Doch nichts tat sich. Das Ding klemmte.

Mit den Beinen voran glitt Manny in den Wagen, vorbei an dem beängstigend stillen Kind und hinein ins eisige Wasser. Er landete auf dem linken Seitenfenster und stand bis zu den Hüften im Wasser, als er das Taschenmesser aus der Jeans zog. Gerade wollte er die Klinge aufklappen, als ein Händchen seine Wange berührte.

„Hi, Kleiner, tut dir was weh?“, fragte er möglichst ruhig. „Ich hole dich hier gleich heraus.“

Das dunkelhaarige Kind hatte nichts am Leib außer einem roten Sweater und einer Windel. Es begann zu weinen, nicht laut, aber herzzerreißend.

„Papa?“, fragte der Kleine und versuchte, sich an Mannys Jacke festzuhalten.

„Ich bin nicht dein Papa, hijo, aber du brauchst trotzdem keine Angst zu haben. Dir passiert nichts.“

Die Eltern hatte der Kleine bereits verloren. Das reicht, dachte Manny und schwor sich, dass von jetzt an er für seine Sicherheit sorgen würde, egal, was es ihn kosten würde und wie andere darüber dachten.

Ohne Rücksicht auf seine schmerzende Schulter schnitt er den Sicherheitsgurt nun kurzerhand durch. Sobald der Kleine freigekommen war, schlang er Manny die Ärmchen um den Nacken und hielt sich verzweifelt an ihm fest.

Manny klappte das Taschenmesser zusammen, steckte es wieder ein und wehrte sich gegen die aufkommende Panik. Denn wie sollte er sich mit der verletzten Schulter und mit dem Jungen auf dem Arm aus dem Wagen stemmen?

„Geben Sie mir das Kind!“

Beim Klang der Frauenstimme erschrak Manny fürchterlich. Er blickte hoch, sah aber nur Arme, die sich ihm entgegenstreckten. Woher kam die Frau? Hatte sie vielleicht im Van gesessen und sich selbst befreit? Nein, unmöglich. Aber wie …

„Schnell, wir haben nicht viel Zeit!“

Mit dem gesunden Arm hob er das Kind hoch, das sich dabei jedoch schreiend an ihm festhielt.

„Schon gut, Schatz, ich habe dich“, sagte die Frau sanft und beruhigend.

Manny löste den Klammergriff des Kleinen so behutsam wie nur möglich, während die Frau beschwichtigend weitersprach und das Kind hochzog. Kaum waren die beiden aus seiner Sicht verschwunden, als Manny sich auch schon mit dem rechten Arm und den Beinen aus dem Wagen stemmte.

Die Frau stand auf dem glatten Dach, drückte das Kind an sich und blickte unsicher zum Ufer. Der Regen prasselte unvermindert heftig auf sie alle herunter und machte jede Bewegung noch schwerer und gefährlicher.

Manny traf rasch eine Entscheidung, ließ sich vom Wagendach gleiten und fand auf dem nassen Treibholz und den Zweigen einen einigermaßen festen Halt. „Geben Sie ihn mir wieder“, sagte er und streckte der Frau den Arm hin. „Ich stütze Sie, wenn Sie herunterkommen.“

Sie zögerte. „Sie haben sich am Arm verletzt. Können Sie das Kind denn halten?“

„Es ist nur eine Prellung.“

Die Frau wirkte nicht überzeugt, reichte ihm aber den Jungen, der sich sofort wieder an seiner schwarzen Lederjacke festkrallte. Die Fremde stieg vom Wagendach und Manny gab ihr Halt. Schließlich standen sie beide am schlammigen Ufer.

„Ist noch jemand im Wagen?“ Sie schrie, um das Rauschen von Wind und Wasser zu übertönen.

Manny schüttelte den Kopf.

Die Frau wandte sich zum Wagen und drehte sich dann wieder zu ihm um. Erst jetzt konnte Manny sie genauer betrachteten. Sie reichte nicht ganz an seine eins achtzig heran. Das nasse lange Haar klebte ihr auf dem Rücken. Die neongelbe Regenjacke wirkte an ihrer schlanken Gestalt drei Nummern zu groß. Er schätzte sie auf Mitte zwanzig, womöglich war sie auch jünger. In der Dunkelheit erkannte er nicht, welche Farbe ihre Augen hatten – große, faszinierende Augen, die Sanftheit und gleichzeitig Stärke verrieten. Im Moment war sie jedoch sichtlich verstört.

Manny überlegte, ob der Mann, der den Minivan gefahren hatte, vielleicht doch noch lebte. Der Kerl war in Del Rio in Panik geraten und hatte vermutlich direkt zu seinem Boss fahren wollen.

In all den Jahren, in denen Manny nun schon als verdeckter Ermittler in der Operation „Wiegenlied“ Kinderschmuggler jagte, war er keinem von ihnen so weit von der Grenze weg gefolgt. Normalerweise wurden die Kinder in Mexiko entführt, und nachdem sie über die Grenze geschleust worden waren, in den texanischen Großstädten verkauft. Die Vorstellung, dass Entführer, die auch vor einem Mord nicht zurückschreckten, und ihre Handlanger in einer vermeintlich sicheren Kleinstadt lebten, beunruhigte ihn.

Da es jedoch unmöglich wäre, sich noch in dieser Nacht Gewissheit zu verschaffen, schob Manny seine Bedenken beiseite. Das Kind war jetzt viel wichtiger. Während er den Kleinen mit dem gesunden Arm festhielt, stützte er mit der verletzten Schulter die Frau.

„Wir müssen schnell aus dem Regen heraus“, sagte er.

„Gehen wir zu meinem Wagen“, erwiderte die Frau knapp.

Er führte sie zur Straße. Sie hatten erst wenige Schritte getan, als das schäumende Wasser den Minivan losriss und wegspülte. Das Kreischen von Metall auf Steinen und das dumpfe Poltern gingen Manny durch Mark und Bein und trieben ihn an.

Oben auf der Straße stand das Fahrzeug der Frau, ein etwa fünfzehn Jahre alter Geländewagen. Der Motor lief, die Scheinwerfer waren eingeschaltet.

„Können Sie fahren?“, fragte er sicherheitshalber.

Sie nickte, stieg ein, öffnete ihm von innen die Beifahrertür und nahm ihm den Jungen ab. Manny setzte sich neben sie, schloss die Tür und nahm wieder das Kind. Er öffnete seine dicke Lederjacke, legte das Kind an seine Brust und zog den Reißverschluss hoch. Falls der Wagen auf der vereisten Straße einen Unfall haben würde, war das zwar gefährlich, doch der Kleine brauchte jetzt Körperwärme.

Die Frau hatte sich angeschnallt, aber ihre Hände zitterten so heftig, dass sie womöglich das Lenkrad nicht würde halten können. Manny fasste an dem Kind vorbei und schaltete das Heizungsgebläse ein.

„Schaffen Sie es wirklich?“, fragte er.

„Ja“, versicherte sie mit bebender Stimme. „Wenn das Wasser steigt, werden wir von zwei Flüssen eingeschlossen sein. Das passiert jedes Mal bei starken Regenfällen. Meine Ranch liegt an der Straße. Wir müssen dorthin. Das ist die einzige Möglichkeit.“

Sie legte den Rückwärtsgang ein, wendete und fuhr langsam vom Fluss weg.

Manny kannte weder ihren Namen noch wusste er, wieso sie ihm plötzlich zu Hilfe gekommen war. „Ich muss mich bei Ihnen bedanken. Das war sehr mutig von Ihnen, aber auch sehr unvorsichtig.“

Sie blickte starr nach vorn und konzentrierte sich auf die glatte Straße.

„Ich bin Manny Sanchez, und wer sind Sie?“

„Randi Cullen. Ich lebe auf der Running-C-Ranch.“

Die Running-C-Ranch? Verdammt, den Namen hatten die Schmuggler in dem Café in Del Rio erwähnt. Hatte diese Frau etwas mit ihnen zu tun? Womöglich war seine Retterin in Wahrheit der unbekannte Boss, hinter dem er her war.

Manny war fest entschlossen, Randi Cullen im Auge zu behalten und vorerst nicht mehr von ihrer Seite zu weichen. Und dafür sollte ihm jedes Mittel recht sein.

Randi hielt das Lenkrad fest umklammert, während sie einen Blick auf den Mann warf, der neben ihr saß und sie eingehend musterte. Der dunkelhaarige Fremde strahlte eine unglaubliche Energie aus. Er jagte ihr Angst ein – und erregte sie gleichzeitig.

Randi hatte keine Ahnung, was sie sich dabei gedacht hatte, auf den Wagen im Fluss zu klettern. Sie hatte an der Brücke gehalten, ein Kind weinen gehört und nicht mehr an drohende Gefahren gedacht.

Nie zuvor hatte sie so viel gewagt. Sogar jetzt noch zitterte sie bei dem Gedanken daran, was sie getan hatte. Gleichzeitig hatte sie sich aber auch schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt.

Es mochte gefährlich sein, diesen Mann in ihrem Haus aufzunehmen, doch das war ihr egal. Sie spürte, dass sie ihm vertrauen konnte. Irgendwie erinnerte er sie an ihren guten Freund, den Hilfssheriff.

Der Mann war offenbar mit seinem kleinen Kind unterwegs gewesen. Da konnte er doch kein schlechter Mensch sein. Darüber hinaus brauchten er und sein Kind Hilfe. Etwas hatte sie für die beiden bereits tun können. Das frustrierende Gefühl, nicht helfen zu können, das Randi jahrelang nicht losgeworden war, fiel allmählich von ihr ab.

„Ein ungewöhnlicher Name für eine Frau, nicht wahr?“, bemerkte er.

„Randi? Das war der Spitzname meiner Großmutter. Es ist eine Abkürzung für Miranda“, fügte sie hinzu, als er sie verwirrt ansah.

„Ich finde Randi schön.“

Verlegen blickte sie kurz zu ihm. Er lächelte sie an. Dieses Lächeln machte ihn zum faszinierendsten Mann, den sie jemals getroffen hatte.

Er sah nicht so blendend gut aus wie ein Filmstar. Dafür war sein Kinn zu kantig und die Nase zu groß. Aber mit dem dunklen Haar und den dunklen Augen besaß er eine starke Ausstrahlung. In gewisser Weise erinnerte er sie an ein Raubtier. Außerdem war er sehr kräftig gebaut. Ihr stockte der Atem, als sie merkte, wie viel Platz er im Wagen beanspruchte.

„Meine Mutter hat mir diesen Namen gegeben“, sagte sie unsicher.

„Hören Sie, Randi, ich beklage mich ganz sicher nicht darüber, aber wieso waren Sie bei diesem Wolkenbruch überhaupt unterwegs?“

„Ich kam gerade aus der Stadt zurück.“ Sie hatte sich noch immer nicht beruhigt. „Weil ich gehört hatte, dass ein Unwetter aufzieht, habe ich nach der Arbeit noch rasch Lebensmittel eingekauft. Deshalb war ich noch so spät unterwegs.“

Randi holte tief Atem und fing dabei den Geruch von nassem Leder auf. Vorsichtig warf sie einen Blick auf den Ringfinger des Mannes.

„Am Fluss habe ich dann die Scheinwerfer gesehen“, fuhr sie fort. „Jeder hier aus der Gegend weiß aber, dass man bei einem Unwetter diese Brücke, die nur bei Niedrigwasser sicher ist, nicht befahren darf. Da war mir klar, dass es sich um Fremde handelt und dass etwas passiert ist.“

Er trug zwar keinen Ring, aber das bedeutete heutzutage ja eigentlich nicht mehr viel. Unwillkürlich blickte sie zu seinem Sohn. Zu ihrer Überraschung streichelte dieser Desperado mit dem zerzausten schwarzen Haar dem Kind, das still an seiner Brust lag, sanft den Rücken.

„Zum Krankenhaus können wir erst fahren, wenn das Wasser zurückgeht. Geht es dem Baby gut? Kommen Sie klar?“, fragte sie.

„Das werden wir bald herausfinden“, erwiderte er.

„Wie heißt der Kleine?“

„Ich … Ricardo … Ricky.“

War er vielleicht deshalb ins Stocken geraten, weil er ähnlich verunsichert war wie sie? Nein, bestimmt nicht dieser kraftstrotzende Mann, dem es trotz des Unwetters gelungen war, ihr und dem Kind ans Ufer zu helfen.

„Ich glaube schon, dass es ihm gut geht. Er hat bereits zu zittern aufgehört.“ Manny betrachtete den Kopf des Kindes und blickte dann aus dem Fenster in die dunkle Nacht. „Ich würde ihn nur gern trocken reiben.“

„Sicher. Wir waren schneller als der Fluss und sind auch schon fast da.“

Gleich darauf tauchte vor ihnen das rostige Tor mit dem Zeichen der Running-C-Ranch auf.

Randi hielt und stieg aus, um das Tor zu öffnen, was wegen des schlammigen Wassers, das über die Schotterstraße floss, gar nicht so einfach war. Sie seufzte, weil sie schon jetzt wusste, in welch schlimmem Zustand die Straße erst nach dem Regen sein würde. Und diesmal würde sie nicht genug Geld haben, um sie wieder ausbessern zu lassen.

Frustriert drückte sie das schwere Tor auf und lief zum Wagen zurück. Sollte das verdammte Ding doch offen bleiben. Ihr war das gleichgültig. Bei diesem Regen würde sie jedenfalls nicht noch einmal aussteigen, um das Tor zu schließen.

Während Randi weiterfuhr, liefen ihr Wassertropfen unter den Kragen und über den Rücken. Sie fröstelte, presste die Lippen aufeinander und konzentrierte sich auf den Weg. Jetzt war es nur noch ein knapper Kilometer. Allerdings kamen ihr die wenigen Minuten, die sie brauchte, wie eine halbe Ewigkeit vor. Anstatt den Wagen wie sonst unter dem Baum abzustellen, fuhr Randi ganz nah an die hintere Veranda heran.

„Wir sind da. Warten Sie, bis ich Licht gemacht habe. Dann komme ich wieder und helfe Ihnen mit dem Kind.“ Entschlossen drückte sie die Tür auf, zog den Kopf zwischen die Schultern und wagte sich erneut in den strömenden Regen hinaus.

Gleich an der Tür stampfte Manny mit den Füßen auf, um möglichst viel Wasser abzuschütteln. Viel brachte das nicht. Aber er war ja auch bis auf die Haut durchnässt.

Im Schein der Verandabeleuchtung hatte er einen ersten Eindruck von Randis Haus bekommen. Es machte keinen tollen Eindruck. Die Stufen der Verandatreppe waren schief, und die Hintertür musste dringend gestrichen werden.

Jetzt stand er in einem Flur mit einem alten Linoleumbelag auf dem Fußboden und vergilbten Tapeten an den Wänden. Das Kind drückte er fest an seine Brust, damit es nicht fror. Denn auch hier drinnen im Haus war es reichlich kalt.

„Das ist schon alles.“ Randi brachte zwei volle Einkaufstüten herein. „Kommen Sie in die Küche. Ich mache Feuer im Herd. Dann wird es gleich warm.“ Sie zog die Regenjacke aus, schüttelte sie und hängte sie an einen Haken, ging in die Küche und schaltete das Licht ein.

Ohne Regenjacke sah sie wie eine nasse Ratte aus. Nein, eher wie eine nasse Maus. Sie war mager und blass. Das lange glatte Haar war aschblond. Die dunkle Hose war nass und verknittert.

Das einzig Bemerkenswerte an ihr waren die Augen. Auf einem Fahndungsformular würde als Farbe Haselnussbraun angegeben sein. Doch bei ihr wechselte die Farbe von Hellgrün mit einem blauen Rand um die Iris zu Dunkelgold mit braunen Punkten. Noch mehr als das interessante Farbenspiel faszinierte ihn jedoch die Verwundbarkeit, die er in Randis Augen las.

Als Manny plötzlich merkte, dass er, so durchnässt wie er war, bereits einen kleinen See auf dem Holzfußboden hinterlassen hatte, trat er rasch auf einen der Läufer. Das Kind drückte er dabei fest an sich. Es tat ihm leid, dass er einen Namen hatte erfinden müssen. Doch wie es aussah, musste er den Kleinen vorerst und trotz der laufenden Ermittlungen bei sich behalten.

Manny schaute sich um. Der geräumige Küchenbereich war vermutlich in den vierziger Jahren eingerichtet worden. Der Kühlschrank lief mit Propangas. Darauf stand ein Ventilator. In dem vom Fußboden bis zur Decke reichende Raumteiler waren die Vorräte untergebracht. In der Mitte der Küche diente ein fünfzig Zentimeter dicker Hackblock als Tisch.

Die altmodische Einrichtung erinnerte ihn an Häuser in Mexiko. Alles sah abgenutzt, aber gepflegt und sauber aus.

Randi öffnete die Klappe des großen gusseisernen Herds und legte klein gehacktes Holz hinein. Diese Herde waren in einigen Gegenden des Westens sehr in Mode gekommen, doch Manny bezweifelte, dass Randi ihn sich deshalb angeschafft hatte. Randis Herd stand wohl schon seit ewigen Zeiten hier.

Sie entzündete das Holz und schloss die Herdklappe. „Gleich wird es warm“, versicherte sie, sah ihn flüchtig an und blickte wieder weg. „Ich hole Handtücher und eine Decke für das Kind.“

Betroffen stellte Manny fest, dass er ihr nicht nur mit dem üblichen Interesse eines FBI-Agenten nachsah. Ihre haselnussbraunen Augen hatten ihn erneut abgelenkt. Wenn sie sprach, wirkte sie ein bisschen wie ein schüchternes Reh. Ihre Haut war sehr hell mit einigen Sommersprossen auf der Nase. Sie war durchschnittlich groß, und er fand sie etwas zu mager. Doch ihre Hüften waren verführerisch gerundet. Das erklärte aber noch lange nicht das Verlangen, das jedes Mal in ihm aufstieg, wenn ihre Blicke sich trafen.

Randi kam mit einem Stapel Handtücher und ein paar Decken zurück. „Geben Sie mir Ricky, ziehen Sie die Jacke aus und trocknen Sie sich ab.“

Nachdem sie Handtücher und Decken abgelegt hatte, reichte er ihr den Kleinen und entledigte sich der nassen Lederjacke. Im Raum war es bereits überraschend warm, doch Manny war sich nicht ganz sicher, ob das an dem Feuer im Herd oder an der Nähe dieser Frau lag.

Während er die Stiefel auszog, fiel ihm der Geruch von brennendem Mesquiteholz, getrockneten Kräutern und Orangen auf, und er hatte das seltsame Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Es war fast so, als sei er nach Hause zurückgekehrt. Vielleicht kam das daher, dass ihn er hier Zuflucht gefunden hatte und dieses Haus ihn an das seiner Großmutter in Mexiko erinnerte.

In jeder Hand einen mit Wasser gefüllten Stiefel, stand Manny regungslos da und sah zu, wie Randi das Kind auszog und sein Haar mit einem Handtuch trocknete. Dabei ging sie mit Ricky so warmherzig und mütterlich um, dass es Manny völlig verwirrte.

Verdammt, diese Frau konnte unmöglich etwas mit den Kinderhändlern zu tun haben. Das war ausgeschlossen.

Zum ersten Mal, seit er den Diensteid geleistet hatte, hasste er seine Arbeit, weil sie es häufig mit sich brachte, dass er sich für etwas ausgab, das er nicht war, und anständigen Menschen Angst machte.

Doch sollte es hart auf hart kommen und Randi doch etwas mit den Schmugglern zu tun haben, würde er seine Pflicht erfüllen und sie festnehmen. Die skrupellosen, international arbeitenden Kinderhändler verdienten keine Gnade. Er konnte nur hoffen, dass diese Frau wirklich so harmlos und unschuldig war, wie sie wirkte. Und er musste seine Gefühle beherrschen und aus ihrem Haus und ihrem Leben verschwinden, bevor er seinen Wünschen nachgeben würde und damit nur Schaden anrichtete.

2. KAPITEL

„Das Telefon hängt hinter Ihnen an der Wand“, sagte Randi. „Ich finde, Sie sollten den Sheriff anrufen.“ Sie hielt Ricky mit einer Hand fest, während sie sich zu Manny drehte. „Wir sollten Ihren Unfall melden, damit etwas unternommen werden kann.“

Bevor er mit dem Sheriff sprechen würde, musste Manny sich mit seinem Boss bei der Operation „Wiegenlied“ in Verbindung setzen. Wortlos schob er die durchweichte Lederjacke und die Stiefel in den Flur zu den anderen nassen Sachen und nahm den Hörer ab. „Die Verbindung ist unterbrochen.“

„Ach, du lieber Himmel, das Unwetter ist noch schlimmer, als ich dachte. Dann fällt der Strom auch bald aus.“ Randi wickelte das Kind in eine dicke Decke und reichte es Manny. „Neben der Flurtür geht es zur Dusche. Sie und das Kind haben das warme Wasser dringend nötig. Ich mache inzwischen Feuer im Wohnzimmer.“

Als sie sich abwandte, hielt Manny sie am Arm fest. Ihre Haut war eiskalt. „Ist noch jemand im Haus, oder erwarten Sie jemanden?“

Randi schüttelte den Kopf und wollte sich zurückziehen, doch er gab sie noch nicht frei.

„Sie frieren genau wie wir. Sie zittern sogar. Gehen Sie mit dem Kind unter die Dusche, und ich mache Feuer.“

„Nein.“ Sie löste sich von ihm. „Ich weiß, wo alles ist, Sie aber nicht. Außerdem will ich vorsichtshalber auch schon die Kerosinlampen anzünden. Bestimmt steht auf dem Dachboden eine Truhe mit Babysachen. Vielleicht sind sogar ein paar Sachen dabei, die Ihnen passen.“

Bei dem prüfenden Blick, den sie über seinen ganzen Körper wandern ließ, nahmen seine Gedanken erneut eine Richtung, die er lieber vermeiden sollte.

„Ich denke, ich werde schon etwas für Sie finden“, erklärte sie, drehte sich um und ging zur Tür. „Wenn ich schon oben bin, ziehe ich mich gleich um. Es ist alles in Ordnung“, sagte sie noch, bevor sie verschwand.

„Und ob“, murmelte Manny. „Es ist alles bestens.“

Der Strom fiel aus, bevor Randi ins Erdgeschoss zurückkehrte. Sie hatte Zeit verloren, weil sie sich so viele Gedanken über den Fremden und das Kind gemacht hatte.

Das Licht flackerte. Dann wurde es dunkel. Sofort griff sie nach der Kerze und den Streichhölzern, die sie für Notfälle auf dem Dachboden aufbewahrte. In letzter Zeit fiel der Strom wegen der unterschiedlichsten Probleme ungefähr ein bis zwei Mal im Monat aus, und sie hatte kein Geld, um einen neuen Generator zu kaufen.

Nachdem sie die Kerze angezündet hatte, tastete Randi sich zur Treppe zurück und dachte dabei an den breitschulterigen Mann, der ganz in Schwarz gekleidet war. Als er in der Küche seine Lederjacke ausgezogen hatte, hatten sich dabei unter seinem schwarzen T-Shirt und der schwarzen Jeans harte Muskeln abgezeichnet.

Der Mann strotzte vor Kraft. Nie zuvor hatte sie einen so maskulinen Mann gesehen. Außerdem war er nett und sehr attraktiv. Aber das waren nur Äußerlichkeiten. Er wirkte darüber hinaus entschlossen, mutig und verwegen. Immer wieder musste sie an seine dunklen Augen denken. Sein Blick war so intensiv, dass es ihr vorkam, als würde er alle ihre Wünsche und Sehnsüchte erraten. Und selbst wenn er sich gar nicht bewegte, strömte eine enorme Energie von ihm aus.

Autor

Linda Conrad
Mehr erfahren