So verboten, so verlockend

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Mit seinen sexy Tattoos, seinem teuflischen Grinsen und dem athletischen Körper bedeutet Baseballprofi Jace Monroe nichts als Ärger! Zumindest für Primaballerina Noelle. Denn sie muss sich eigentlich voll und ganz aufs Tanzen konzentrieren, nicht auf frivole nächtliche Spiele!


  • Erscheinungstag 17.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719074
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ja, Jace! Genau so!“

Die Frauenstimme hinter der geschlossenen Tür klang angestrengt und leicht heiser. „So ist es richtig.“

Eine tiefe Männerstimme erklang. „Fühlt sich gut an.“

„Nicht ganz so stark. Nur noch ein bisschen mehr.“

„Ja. Oh ja.“

Noelle Nelson erstarrte. Mit einer Hand umklammerte sie ihre Krücke, mit der anderen den Türgriff des Raums, an dem „Physiotherapie“ stand.

So spät am Abend war dieser Raum sonst immer unbesetzt, aber anscheinend spielte sich bei dem Pärchen dort drin eine ganz andere Art von Therapie ab …

Igitt!

Noelle ließ die Hand sinken. Sobald ihr Kreuzbandriss verheilt war und sie ihr Knie wieder belasten konnte, wollte sie fit und bereit sein, aber heute mussten ihre abendlichen Dehnübungen warten.

Entschlossen umfasste sie die Gummigriffe ihrer Krücken, um zurück zu ihrem Zimmer zu humpeln, aber dann beugte sie sich doch vor und hielt das Ohr an die Tür.

Ihre Neugier war einfach zu stark. Wer war dort drin?

Es war schon eine Weile her, seit sie selbst auch etwas Spaß in dieser Richtung gehabt hatte. Leider gab es in der gesamten Reha-Klinik niemanden, mit dem sie sich vorstellen konnte, den Massagetisch mal auf ganz andere Weise zu nutzen.

„Das ist tief genug.“ Die Frauenstimme klang jetzt etwas höher.

„Ach, komm schon.“ Der Mann lachte leise.

„Schluss jetzt, Jace, das ist mein Ernst!“

„Nur noch ein bisschen weiter. Ehrenwort.“

„Ich habe Nein gesagt.“

Fassungslos presste Noelle den Kopf dichter an die Tür. Kein Protest, kein Kampf. Nur metallisches Klirren, als würde jemand die Gewichte benutzen.

Was in aller Welt ging dort drin vor?

Wieder griff sie nach dem Türknauf. Nur ein kleiner Blick, sagte sie sich. Sobald ich mich überzeugt habe, dass es der Frau dort drin gut geht, humple ich zurück.

Sie öffnete die Tür einen winzigen Spalt. Und noch etwas mehr. Mist, sie konnte noch immer nichts sehen! Sie schob die Tür etwas weiter auf, damit sie den mysteriösen Jace und seine Gespielin sehen konnte. Da! Jetzt sah sie zwei Köpfe, dicht beisammen. Einer blond, einer dunkel. Mit angehaltenem Atem beugte sie sich weiter vor.

Eine der Krücken rutschte weg.

„Mist, verdammter!“ Hastig griff sie nach der Tür, doch die schwang auf, und Noelle fiel nach vorn.

Mit so viel tänzerischer Eleganz wie möglich warf sie auch die zweite Krücke weg und streckte die Hände nach vorn.

Zum Glück konnte sie den Sturz etwas abfangen. Sie landete auf dem kratzigen Bodenbelag, das verletzte Knie in der Schiene nach hinten gestreckt.

„Mist“, wiederholte sie und hob den Kopf.

Nirgends lag verstreute Kleidung. Keine nackten Körper, keine Anzeichen von Gewalt, nichts Sexuelles oder Bedrohliches.

Sara, eine der Therapeutinnen, beugte sich über einen Mann, der auf einer der Übungsbänke saß und all seine Energie auf das Gewicht konzentrierte, das er in der Faust hielt.

Und was für ein Mann das war! Selbst mit der Schiene, die vom Oberarm bis zum Handgelenk reichte, wirkte sein tätowierter Bizeps ungemein kraftvoll.

Noelle war ihr Leben lang von durchtrainierten Tänzern gehoben und in die Luft geworfen worden, doch diese Männer waren alle schlank und grazil.

Mit seinem muskelbepackten Körper wirkte der Mann vor ihr wie ein Verteidiger beim Football. Das Tanktop klebte ihm an der breiten Brust, und unter der Sport-Shorts zeichneten sich kraftvolle Schenkel ab. Er hielt den Kopf vorgebeugt, und die dichten schwarzen Locken im Nacken waren schweißnass.

Eine unbeugsame Entschlossenheit ging von ihm aus.

„O nein, was machst du denn?“ Sara lief zu Noelle und überprüfte das Knie in der Schiene. „Alles okay?“

„Ich glaube schon.“ Mühsam setzte Noelle sich auf. „Außer meinem Stolz ist nichts verletzt.“

Sara nickte bestätigend. „Glück gehabt.“

Richtig. Sie schlug ausgerechnet vor dem Kerl hin, bei dessen Anblick sie das erste Mal Lust auf Sex bekam, seit Yannick sie vor dem gesamten Ensemble abserviert hatte. Sechs Monate war das jetzt her – ein halbes Jahr Enthaltsamkeit. Und Sara fand, sie habe Glück gehabt?

„Beweg dich nicht. Ich hole schnell ein Kühlpack, bevor es anschwillt.“

„Mir geht’s gut, wirklich“, beharrte Noelle. „Lasst euch nicht bei eurer Trainingssession stören.“

„Wir sind hier fertig.“ Sara sah Jace warnend an, bevor sie zur Tür ging. „Dieses Training war nur zur Eingewöhnung. Nicht dass du dich gleich am ersten Tag zu Tode rackerst.“

Sara verschwand in den Flur, und Jace nahm ihren Platz an Noelles Seite ein. Mit seinen eins neunzig wirkte er im Vergleich zur zierlichen Sara riesig.

Noelle sah ihm in die goldbraunen Augen. Er wirkte besorgt.

„Sie haben da was verloren.“ Belustigt reichte er ihr die Krücken.

„Danke.“ Vergeblich versuchte Noelle, auf die Füße zu kommen. Sie musste unbedingt weg von dem großen dunkelhaarigen Fremden. So schnell das auf Krücken ging.

„Warten Sie.“ Mit dem unversehrten Arm stützte er sie am Ellbogen. „Stützen Sie sich auf mich.“

Noelle spürte plötzlich ein Kribbeln bis in die Fingerspitzen. Hastig löste sie sich aus seinem Griff. Sie war nicht quer durchs Land geflogen, um sich mit irgendeinem Kerl einzulassen, auch wenn er noch so heiß war. Sie war lediglich hier, um so schnell wie möglich auf die Bühne zurückkehren zu können. „Ich komme sehr gut allein zurecht.“

Wieder umfasste er ihren Ellbogen, und sofort war dieses verdammte Prickeln wieder da. „Wieso sich allein abquälen, wenn ein starker, fast gesunder Mann zur Stelle ist, um Ihnen zu helfen?“

„Also schön.“ Sie schluckte. „Aber passen Sie auf mein Bein auf.“

„Ihr Wunsch ist mir Befehl.“ Spöttisch verbeugte er sich, legte Noelle den unversehrten Arm um die Taille und hob sie behutsam hoch, wobei er sie dicht an sich zog. Sie hatte fast den Eindruck, an seinen festen Muskeln emporzugleiten. Er roch männlich, nach Schweiß und Seife – erregend.

Das hier war mehr als dumm. Es war komplett idiotisch, wie ein Drahtseiltanz ohne Auffangnetz.

„Den Rest schaffe ich allein, danke.“ Sie klemmte sich die Krücken unter die Arme. „Ich würde Ihnen gern die Hand geben, aber ich bin auf diesen Dingern noch nicht allzu sicher.“

„Das erklärt, wieso Sie mit der Tür ins Zimmer stürzen und meine Übungen unterbrechen.“ Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust, musterte Noelle von Kopf bis Fuß und lächelte anerkennend.

Mühsam kämpfte sie gegen die Erregung an, die der Mann in ihr auslöste. „Ich habe nicht damit gerechnet, hier so spät noch jemanden anzutreffen. Ich wollte ein paar Dehnübungen machen, aber dann habe ich Stimmen gehört …“

„Sie haben gelauscht?“ Lächelnd sah er sie an. „Und? Was Spannendes gehört?“

Sie zog die Lippen zusammen. „Es hat sich angehört, als würden Sie zwei da drin intim werden. Dann hat Sara ‚Schluss jetzt‘ gesagt, aber Sie haben nicht aufgehört. Da habe ich gedacht, sie sei vielleicht … in Schwierigkeiten.“

„Mal im Ernst, Prinzessin, ich habe es nicht nötig, eine Frau zu irgendwas zu zwingen.“ Er musste lachen. „Und dann haben Sie die Tür aufgemacht, um mal einen Blick zu riskieren? Eine schmutzige Fantasie, das gefällt mir.“

„So war das gar nicht!“ Das Gespräch entwickelte sich immer mehr zu einem verbalen Vorspiel. Sollte sie flüchten und nach Sara und dem Kühlpack suchen?

Bevor sie sich entscheiden konnte, ging Jace zum Regal mit den Gewichten, schnappte sich mit jeder Hand eine Fünfkilohantel und fing an, Kniebeugen zu machen.

„Hey!“ Sie humpelte ein paar Schritte vor. „Sara hat gesagt, Sie seien für heute fertig.“

„Nur ein kleines Beintraining. Mir ist egal, was die Quacksalber in Sacramento sagen. Zur nächsten Saison bin ich so fit wie nie zuvor.“

„Zur nächsten Saison?“ Eingehend musterte sie ihn. Das pechschwarze Haar, das ihm in die Stirn fiel, die Tattoos, die teilweise von der Armschiene verdeckt waren, das Logo vom Blitze schleudernden Thor mit dem Baseballschläger in der Hand auf dem schweißnassen Top – auf einmal fügte sich alles zusammen. „Sie sind dieser Baseballspieler! Jace Morgan. Letztes Jahr waren Sie beim All-Star-Spiel dabei!“

Ihr Bruder Gabe und sein Kumpel Cade hatten begeistert davon erzählt, und sogar Noelle hatte begriffen, wie außerordentlich das war.

„Jace Monroe“, korrigierte er sie. „Wollen Sie ein Autogramm?“

„Träumen Sie weiter.“ Sie wollte nichts, als dass er verschwand. Für diese Rehaklinik in Spaulding hatte sie sich entschieden, weil hier großer Wert auf Diskretion gelegt wurde. Aber wenn ein Sportstar wie er hier war, würde es trotzdem nicht lange dauern, bis Reporter hier auftauchten und die gesamte Welt des Balletts erfuhr, wohin Noelle Nelson, die Primaballerina des New York City Ballet, sich verkrochen hatte, um ihren Kreuzbandriss auszukurieren. Den schlimmsten Albtraum jedes Tänzers.

Sie humpelte zurück zur Tür.

„Gehen Sie schon?“

Bei seinem herausfordernden Tonfall wandte sie sich um. Er trainierte immer noch, sein perfekter knackiger Po war angespannt, genau wie die Schenkel. Es dauerte einen Moment, ehe sie die Sprache wiederfand. „Nicht jede Frau ist für Ihren Charme empfänglich.“

Er lächelte ihr zu. „Dann geben Sie also zu, dass ich Charme habe.“

Sie blies sich eine blonde Strähne aus der Stirn. „Gar nichts gebe ich zu.“

Kopfschüttelnd legte er die Fünfkilohanteln weg und nahm stattdessen eine Zehnkilohantel. „Mich dünkt, die Dame protestiert zu viel.“

„Ich protestiere überhaupt nicht, ich …“ Sie verstummte, weil ihr klar wurde, dass sie gerade wieder protestierte. Seufzend kratzte sie sich unter der Knieschiene. „Shakespeare? Im Ernst?“

„Nicht alle Sportler sind dumm.“ Er setzte sich auf die Bank und hob die Hantel schnell und fließend mit dem gesunden Arm. „Bei mir gibt’s mehr zu entdecken als nur das Äußerliche.“

Genau das hatte sie befürchtet. „Ich glaube, ich könnte das Kühlpack doch gebrauchen. Ich suche mal nach Sara.“

„Jetzt kennen Sie meinen Namen, Prinzessin.“ Er legte das Gewicht ab. „Aber ich weiß nicht, wer Sie sind.“

„Pech für Sie.“ Sie flüchtete, so schnell sie konnte. In ihren Plan passte kein Bad Boy mit herzerwärmendem Lächeln und Shakespeare-Kenntnissen, auch wenn er ein großer Baseball-Star war.

Jace hob und senkte die Hantel immer schneller. Nein, er wollte nicht über die namenlose Prinzessin nachdenken. Wie endlos lang ihre Beine waren! Ihr süßer Po hatte hinreißend gewackelt, als sie aus dem Raum gehumpelt war! Selbst auf Krücken war sie noch sexy.

Doch ein hübsches Gesicht und ein sexy Körper durften ihn nicht ablenken. Zu Beginn des Frühjahrstrainings musste er wieder in der Kluft der „Storms“ stecken und so gut Baseball spielen wie noch nie in seinem Leben.

Mit schmerzverzerrter Miene ließ er das Gewicht auf den Boden sinken. Es war nicht der erste Bänderriss in seinem Wurfarm, aber diesmal hatte er operiert werden müssen, und er musste sich eingestehen, dass er Angst hatte.

Sein Handy summte, und er zog es aus der Tasche in seiner Shorts. „Hey, Kumpel. Tut mir leid, wie das Spiel gelaufen ist.“

Am anderen Ende der Leitung fluchte Cooper Morgan, der zweite Basemann der „Sacramento Storms“. „Knappe Niederlagen tun weh. Wie läuft die Reha?“

Quälend langsam. „Bestens. Ich bin schneller zurück, als ihr denkt.“

„Nicht vor der nächsten Saison.“ Cooper klang zurückhaltend. Mit Jace und Reid Montgomery zusammen wurde er in der Presse als „the Good, the Bad and the Ugly“ bezeichnet, wobei Cooper immer als der Gute galt, Jace als der Böse und Reid Montgomery, der mit der Narbe auf der Wange wie ein moderner Pirat aussah, als „der Hässliche“.

„Ich weiß. So haben die verdammten Ärzte es mir erklärt.“

„Hörst du zur Abwechslung auf das, was sie sagen?“

„Wer hat dich denn zu meinem Aufpasser gemacht?“

„Es war ein knappes Rennen zwischen Reid und mir. Und Reid hat da diese Neue, deshalb ist er …“

Lachend griff Jace nach der Flasche Wasser, die er unter der Bank abgestellt hatte. „Lass mich raten: blond, heiß und mit einem IQ knapp über Raumtemperatur.“

„Bingo.“ Cooper lachte schallend.

Genau wie die Prinzessin, dachte Jace, abgesehen vom IQ. Jace schätzte, dass sie in dieser Hinsicht deutlich mehr aufzuweisen hatte als Reids übliche Gespielinnen.

Schön und klug – was für eine gefährliche Kombination.

Jack trank einen Schluck Wasser. „Steht der Plan? Ihr zwei kommt her, sobald Spielpause ist?“

„Glaubst du, sie lassen dich einen oder zwei Tage raus?“

„Wenn ich artig bin.“ Jace trank sein Wasser aus, stand auf und reckte sich. „Ich muss auflegen. Um zehn Uhr müssen hier alle im Bett liegen.“

„Ist das eine Reha oder ein Drill-Camp?“

„Beides.“ Er bückte sich und hob das Gewicht auf. „Ich ruf dich an. Lass es für mich krachen in St. Louis.“

„Darauf kannst du wetten.“

Jace beendete das Gespräch, legte die Hantel zurück ins Regal und kehrte in sein Zimmer zurück. Er schaltete das Licht an und erstarrte. „Was, in aller Welt …“

Auf seinem Bett lag eine aufgeblasene Gummipuppe!

Die Nippel ragten nach oben, der rote Mund war zu einem ständigen O geöffnet. Zwischen den gespreizten Schenkeln stand ein Karton mit der Aufschrift „Viel Spaß, aber sei nicht zu grob zu ihr.“

Jack untersuchte den Karton eingehender. Kein Absender, nur ein Stempel aus Chicago, wo die Storms das letzte Auswärtsspiel absolviert hatten.

Mit seinem Taschenmesser öffnete Jace den Karton und packte aus. Kondome, Gleitcreme und mehr Sexspielzeug als auf jeder Junggesellinnen-Party.

Das war Coopers und Reids Vorstellung von einem Care-Paket. Wahrscheinlich hatten sie einen der Pfleger bestochen, damit er das hier in Jaces Zimmer schmuggelte. Vielleicht hatten sie ihm auch Logenplätze beim nächsten Spiel der Storms in Phoenix versprochen.

„Sehr witzig, ihr Arschlöcher!“

Trotzdem musste er lächeln. Er packte alles wieder in den Karton, bis nur noch die Puppe auf dem Bett lag. Seufzend machte Jace das Ventil auf.

Nichts geschah.

Erst als er die Puppe hochhob und drückte, zischte die Luft pfeifend aus dem Ventil. „Komm schon, Baby. Zeig’s mir.“

Als hinter ihm ein schriller Frauenschrei ertönte, wandte Jace sich mit der Puppe in seinen Armen zur Tür um.

„Tut mir leid.“ Noelle lehnte am Türrahmen und umklammerte die Krücken. Ihre Wangen waren rot. „Wieder mal.“

„Gucken Sie immer heimlich in fremde Zimmer?“ Jace lockerte den Griff um die Puppe. „Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein grauenhaftes Timing haben?“

„Vielleicht liegt das nicht an meinem Timing.“ Ihr Blick ging zu der Puppe. „Vielleicht liegt’s eher an Ihren Trieben.“

„Sehr witzig.“ Er konnte das Lächeln nicht unterdrücken. „Zwischen Sara und mir war nichts, das wissen Sie genau.“

„Das erklärt aber nicht“ – sie deutete zu der Puppe – „was Sie mit der da tun.“

„Das ist nur ein Scherz von ein paar Freunden.“

„Tolle Freunde.“

Er warf die Puppe auf den Boden und trat auf eine der Plastikbrüste. Zischend drang die Luft heraus, und Jace plättete die Puppe mit den Füßen.

„Sie machen sie noch kaputt. Vielleicht brauchen Sie sie noch … für irgendwas.“

„Wie ich bereits sagte, habe ich keine Schwierigkeiten, weibliche Gesellschaft zu finden.“

„Das sah für mich gerade eben anders aus.“

Er hörte auf, auf der Puppe herumzutrampeln. „Was ist denn der Grund für diesen späten Besuch? Konnten Sie nicht schlafen? Haben Sie sich einsam gefühlt? Mich vermisst?“

„Sara meinte, ich solle mich fürs Lauschen entschuldigen.“ Sie stieß die Luft aus. „Also schön: Es tut mir leid. Zufrieden?“

„Kaum.“ Er stopfte die luftleere Puppe in den Karton. „Aber fürs Erste muss es reichen.“

„Mehr kommt nicht, da brauchen Sie nicht zu warten.“ Sie wandte sich zum Gehen um. „Ich bin hier, um wieder auf die Beine zu kommen, nicht, um Freunde zu finden.“

„Das werden wir ja sehen, Prinzessin.“ Wieso kannte er immer noch nicht ihren Namen? Er sah ihr nach, als sie mit ihrem perfekten süßen Hintern verschwand. Nur noch das leise Quietschen der Krücken auf dem Flur war zu hören.

Was für eine beeindruckende und eigenwillige Frau! Im Blick ihrer Augen konnte ein Mann sich verlieren, und ihr Körper war wie geschaffen für sündige Spiele.

Durch sie könnte er vergessen, was ihn bedrückte, seit er auf dem Spielfeld zu Boden gegangen war. Vielleicht würde diese Reha doch nicht die reinste Qual werden.

2. KAPITEL

Am nächsten Vormittag kam Jace fast eine Stunde zu früh zur Physiotherapie, um sich vorher noch ein bisschen aufzuwärmen.

„Was tust du hier?“ Sara lief zu ihm, noch bevor er seine Flasche Wasser abstellen konnte. „Dein Termin ist erst um zwölf Uhr.“

„Ich wollte vorher noch ein bisschen aufs Laufband.“

„Auf keinen Fall. Ich muss mir erst ein Bild von deiner Belastbarkeit machen.“ Sara deutete zu den belegten Trainingsgeräten. „Im Moment habe ich noch andere Patienten.“

Jace sah zu der ihm bereits bekannten Frau auf dem Trainingsrad in der hintersten Ecke. Immer wenn sie in die Pedale trat, wippte ihr blonder Pferdeschwanz.

Das Laufband direkt neben ihr war leer. Jace lächelte. Perfekt! „Und wieso darf sie trainieren?“

„Weil sie schon ein paar Wochen hier ist. Heute ist ihr erster Tag ohne Krücken.“

„Und wenn ich es langsam angehe? So wie die Prinzessin?“

„Die Prinzessin?“ Sara zog die Brauen zusammen.

Verdammt, wieso war ihm das rausgerutscht? „Genau. Weswegen ist sie hier? Ist sie auf ihren High Heels umgeknickt? Bei der Schnäppchenjagd umgerannt worden?“

„Das ist Noelle Nelson vom New York City Ballet.“ Sara stieß ihm vor die Brust. „Die berühmteste Ballerina des ganzen Landes. Vielleicht der ganzen Welt. Sie tanzt.“

Über Ballett wusste Jace so viel wie über Kernphysik, doch ihm war klar, dass man dafür zwei voll belastbare Knie brauchte. Der klobigen Schiene an ihrem Bein nach zu urteilen, saß sie im selben Boot wie er, was ihre Karriere betraf. Hilflos treibend, ohne Paddel.

Er beobachtete sie auf dem Trainingsrad. Schweiß rann ihr die Schläfe hinab. So langsam, wie sie in die Pedale trat, musste es unglaublich anstrengend sein. „Mist.“

„Ja, Mist.“ Sara gab ihm einen Schubs. „Geh aufs Laufband, aber sobald ich mehr als normales Schritttempo sehe, schalte ich es ab.“

„Abgemacht.“ Gelassen schlenderte er zum Laufband.

Er stellte sein Wasser in die Halterung am Laufband. „Guten Morgen, Prinzessin.“

Mehr als einen kurzen Seitenblick hatte sie nicht für ihn übrig. „Waren wir uns nicht einig, uns voneinander fernzuhalten?“

„Das war Ihr Entschluss. Ich habe nur gelächelt.“ Er warf ihr ein unwiderstehliches Lächeln zu und schaltete das Laufband ein. Das Tempo stellte er so hoch ein, wie er konnte, ohne sich Saras Zorn einzuhandeln.

„Wenn Sie schon direkt neben mir trainieren, könnten Sie dann wenigstens den Mund halten?“

„Bei diesem Tempo könnte ich nebenbei die Unabhängigkeitserklärung zitieren.“ Über die Schulter sah er sich nach Sara um und stellte das Laufband etwas schneller. „Leider habe ich den Text vergessen.“

Noelle sah zu ihm. „Was verstehen Sie nicht daran, wenn ich sage, dass ich nicht hier bin, um Freundschaften zu schließen?“

„Immer nur Arbeit, das ist nicht gesund. Zum Leben gehört auch Spaß.“

„Ich bin nicht zum Spaß hier.“ Sie wandte sich wieder nach vorn. „Sie sind nicht der Einzige hier, dessen Job auf dem Spiel steht.“

„Sara sagt, Sie seien eine berühmte Ballerina.“

„Sara redet zu viel.“

„Was ist passiert?“ Er deutete zu ihrem Knie. „Kreuzbandriss?“

„Woher wissen Sie das?“

„Habe ich schon ein paarmal gesehen. Allerdings noch nicht bei einem Tänzer.“

Wieso sprach er das Wort Tänzer so abfällig aus? „Tänzer sind Athleten, genau wie Baseballspieler. Und wir Tänzer sitzen nicht den Großteil der Zeit auf einer Bank, kauen Kaugummi und spucken in die Gegend. Die Jungs, mit denen ich gearbeitet habe, heben mit einem Arm Ballerinas und nicht nur einen Schlagstock.“

„Verstanden, Prinzessin. Keine abfälligen Bemerkungen mehr über Tänzer.“ Er hob die Hand. „Sie finden also, Tänzer seien bessere Athleten als Ballspieler?“

„Nicht besser.“ Nachdenklich zog sie die Stirn kraus. „Anders. Aber wir verdienen unseren Lebensunterhalt mit unseren Körpern, genau wie Sie.“

„Endlich.“ Wieder lächelte er sie strahlend an, allerdings ohne die erhoffte Wirkung. „Etwas, das wir gemeinsam haben.“

„Ich bezweifle stark, dass wir irgendwelche Gemeinsamkeiten haben.“ Sie stieg vom Trainingsrad und ging zu den Gewichten.

Jace ließ sich von ihrer abweisenden Haltung nicht beeindrucken. Wahrscheinlich überspielte sie damit lediglich die Angst, dass ihr hart erkämpfter Erfolg ein abruptes Ende gefunden hatte. Wenn sie sich noch länger unterhalten hätten, hätte er ihr womöglich gestanden, dass er im Leben schon sehr viele Enttäuschungen erlebt hatte.

Als das Laufband abrupt anhielt, stolperte er fast. „Verdammt, was ist denn jetzt los?“

Sara stand neben ihm, den Finger am Ausschalter. „Ich habe dich gewarnt. Du bist fast gerannt.“ Sie reichte ihm ein Handtuch. „Zeit fürs Training. Jetzt stehst du unter meinem Kommando, Kleiner.“

Na, toll! Es war noch nicht mal Mittag, und schon waren zwei Frauen sauer auf ihn. Entnervt stöhnend folgte er Sara. Offenbar stand ihm ein grauenhafter Tag bevor.

Autor

Regina Kyle
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