Tiffany Exklusiv Band 76

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DER BESTE LOVER DER WELT von DARLENE GARDNER
Ein Jahr, nachdem sie sich getrennt haben, mietet Kates Ex-Freund das Apartment neben ihrem. Sofort flammt die alte Leidenschaft wieder auf, und Kate weiß, was sie will: wieder mit dem besten Lover der Welt zusammen sein! Aber erst muss sie Riley dazu bringen, über seine Gefühle zu sprechen ...

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GEHEIMNIS EINER SINNLICHEN NACHT von DEBBI RAWLINS
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  • Erscheinungstag 19.11.2019
  • Bandnummer 76
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758851
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Darlene Gardner, Patricia Rosemoor, Debbi Rawlins

TIFFANY EXKLUSIV BAND 76

PROLOG

Kate Marino wäre am liebsten gerannt, um schneller bei Riley Carter zu sein, aber gerade deshalb zwang sie sich, besonders langsam zu gehen.

Sie sah in die Schaufenster der Läden, bewunderte ein türkisfarbenes schulterfreies Kleid und ein farbenfrohes Gemälde. Dann wünschte sie einem dicken Mann im Weihnachtsmannkostüm fröhliche Weihnachten.

Dabei bemühte sie sich zu ignorieren, wie sehr sie sich auf Riley freute. Schließlich war er bloß ein Mann wie jeder andere.

Allerdings ein ausgesprochen attraktiver, einsachtzig großer Mann, der es verstand, sie auf eine Weise zu lieben, dass sie kaum noch an irgendetwas anderes denken konnte.

Sie schüttelte unmerklich den Kopf, als könne sie allein dadurch die Erinnerungen an lange heiße Nächte und nackte Haut vertreiben.

Doch sie bebte längst vor Sehnsucht und konnte es kaum erwarten, in das Restaurant zu kommen, damit sie das Essen hinter sich bringen und dann mit dem sinnlicheren zweiten Gang beginnen konnten.

Sie beschleunigte wieder ihren Schritt und überlegte, wie es eigentlich dazu gekommen war.

Wie hatte sie zulassen können, dass sie einen Mann nicht nur wollte, sondern auch brauchte? Wo sie sich doch geschworen hatte, niemals zu lieben, bis sie auch ganz sicher sein konnte, dass dieser Mann sie ebenfalls von ganzem Herzen liebte?

Als sie die hellen Fenster des Restaurants vor sich sah, steigerte sich ihre Vorfreude noch. Umso mehr, als sie sich heute gar nicht hatten treffen wollen.

Nachmittags hatte Riley angerufen, weil er länger arbeiten musste, aber als sie gerade ihr eigenes Büro verlassen wollte, hatte ihre Kollegin Elle Dumont ihr ausgerichtet, dass Riley angerufen hatte und Kate um acht zum Essen treffen wollte.

Es hatte Kate überrascht, dass ausgerechnet Elle, die früher mal Rileys Freundin gewesen war, ihr das ausgerichtet hatte. Aber die Highschoolzeit war ja schon lange vorbei.

Kate war eine halbe Stunde zu früh im Zentrum von Charleston eingetroffen, und hatte ein bisschen die Zeit totgeschlagen.

Genau um acht betrat sie das Restaurant.

Eine Empfangsdame gab es nicht. Kate sah sich um und entdeckte Riley fast sofort, obwohl er mit dem Rücken zum Eingang saß. Sie ging ein paar Schritte auf ihn zu und bemerkte erst dann, dass eine Blondine mit an Rileys Tisch saß.

Es war Elle Dumont. Kate blieb abrupt stehen, als Elle sich plötzlich über den Tisch beugte und Riley voll auf den Mund küsste.

Zwar war Kate klar, dass Elle diese Szene arrangiert hatte, aber gleichzeitig bemerkte sie auch, dass Riley sich kein bisschen wehrte. Stattdessen erwiderte er den Kuss. Und das zerriss Kate das Herz.

„Guten Abend. Hätten Sie gern einen Tisch für eine Person, oder sind Sie mit jemandem verabredet?“, fragte eine Kellnerin.

Kate schüttelte den Kopf. „Ich wollte gerade gehen“, brachte sie mühsam heraus, ohne den Blick von Elle und Riley abzuwenden, deren Kuss nun glücklicherweise beendet war.

Sie hatte nicht laut gesprochen, aber Riley drehte sich trotzdem um. Er wirkte überrascht. Und er sah ein bisschen schuldbewusst aus. Kate wandte sich rasch ab und ging zum Ausgang.

„Kate, warte!“, hörte sie ihn rufen, als er noch hinter ihr her kam.

Aber sie wollte nichts hören. Sicher, Elle hatte diese Situation absichtlich herbeibeführt, damit Kate den Kuss sehen konnte.

Aber Riley hatte den Kuss erwidert.

1. KAPITEL

„Was für ein verrückter Zufall. Dies wäre die perfekte Wohnung für Sie, aber in dem Haus wohnt auch Kate Marino.“

Riley Carters Herz schlug schneller. Er hielt das schnurlose Telefon fester und drückte dabei unabsichtlich auf einige Knöpfe.

„Sind Sie noch da?“, fragte die Maklerin.

Riley schluckte. „Ja, Annelise. Was haben Sie gerade gesagt?“

„Nur dass diese Wohnung nicht infrage kommt. Sie ist nicht nur im selben Haus, sondern noch dazu direkt neben der von Kate.“

Nebenan? Nur eine Wand zwischen seinem Bett und dem, das Riley im letzten Dezember mit Kate geteilt hatte?

„Mal sehen, was wir sonst noch haben“, fuhr die Maklerin fort. „Hm, möblierte Wohnungen … Oh, hier ist eine. Aber sie ist in Mount Pleasant. Das geht ja nicht, wo Sie schon das Haus auf Sullivan’s Island haben.“

Riley hatte Annelise Manley durch Kate kennen gelernt, und deshalb hatte er sie angerufen, um für sich eine Wohnung zu finden. Annelise und Kate kannten sich zwar nur flüchtig, aber trotzdem hatte Riley gehofft, dass er von ihr nicht nur eine Wohnung, sondern auch Neuigkeiten über seine Exfreundin bekommen konnte, deren bloßer Name ihn sofort vor Sehnsucht erschauern ließ. Er hatte vorgehabt, Kate im Laufe des Telefonats zur Sprache zu bringen, aber nun musste er das gar nicht mehr.

„Es geht mir darum, nicht während des Berufsverkehrs über den Cooper River fahren zu müssen“, erklärte Riley, statt sofort damit herauszuplatzen, dass er das Apartment neben dem von Kate nehmen würde. Darauf würde er langsam hinarbeiten. „Deshalb suche ich eine Wohnung auf der Halbinsel.“

Riley war Architekt und hatte eine eigene Firma, die er zusammen mit seinem Bruder führte. Zurzeit bauten sie für eine Investment-Gruppe ein Luxushotel. Dieser Auftrag war eine einmalige Chance für Dave und ihn, aber es war schwierig geworden, alles im Auge zu behalten, da er so weit weg wohnte.

„Dann haben Sie kein Glück“, meinte Annelise. „Es gibt nur wenige möblierte Wohnungen, gerade im Dezember.“

Dezember. Das war der Monat, in dem Riley Kate Marino kennen gelernt hatte. Und der Monat, in dem er sie dummerweise hatte gehen lassen.

„Ich kann die Augen offen halten, aber zurzeit sehe ich da wenig Chancen“, fuhr Annelise fort.

„Warum kommt die Wohnung denn nicht infrage?“ Riley bemühte sich um einen lässigen Ton.

„Wie bitte?“

„Die Wohnung in Kates Haus, die untervermietet werden soll. Wieso kommt sie nicht infrage?“

Es entstand eine kurze Pause. „Weil Sie und Kate sich ja nicht gerade freundschaftlich getrennt haben, soweit ich mich erinnere“, sagte Annelise dann.

Riley verzog das Gesicht. Weder er noch Kate hatten sich damals wirklich bemüht, die unangenehme Sache zwischen ihnen zu bereinigen.

Damals hatte Riley geglaubt, diese heiße Beziehung wäre einfach ausgebrannt und könnte der kalten Wirklichkeit nicht standhalten.

Gewöhnlich achtete er darauf, eine Frau erst mal kennen zu lernen, bevor er mit ihr schlief, aber von Kate hatte er nicht viel mehr gewusst als ihren Namen, als sie im Bett gelandet waren, nur ein paar Stunden nachdem sie sich kennen gelernt hatten.

Eigentlich hatte es ihn nicht überrascht, dass es schief gegangen war. Immerhin war dieses Tempo ganz untypisch für ihn gewesen. Aber inzwischen war ein ganzes Jahr vergangen, und er musste immer noch ständig an Kate denken.

Schon bevor er Annelise angerufen hatte, hatte er überlegt, wie er Kate in sein Leben zurückholen könnte. Diesmal wollte er das auf die langsame Art tun, aber einen wirklichen Plan hatte er noch nicht.

„So eine schlimme Trennung war es nun auch nicht“, sagte er.

Er hielt sich davon ab hinzuzufügen, dass Kate und er immer noch Freunde waren. In Wahrheit waren sie niemals Freunde gewesen. Sie waren so schnell ein Liebespaar geworden, dass sie sich besser im Bett als außerhalb gekannt hatten. Und gerade das war ihr Problem gewesen.

„Ach, nein? Ich dachte … Sind Sie nicht mit dieser Frau zusammen, die früher in derselben Firma wie Kate gearbeitet hat?“

Riley legte eine Hand über das Telefon, damit Annelise sein Seufzen nicht hören konnte, und lief zur Terrassentür seines Hauses. Er wohnte nur ein paar Blocks vom Ozean entfernt und konnte die salzige Luft riechen. Offensichtlich war über ihn und Kate geredet worden, und er bezweifelte, dass er dabei gut weggekommen war.

Bis vor sechs Monaten hatte Kate in derselben Inneneinrichtungsfirma gearbeitet wie Elle Dumont. Elle war in Rileys Nachbarschaft aufgewachsen, einer wohlhabenden Gegend von Charleston.

Als Kate damals Elle und Riley bei ihrem Kuss überrascht hatte, zweifelte sie offenbar nicht daran, dass er fremdging. Allerdings hatte er sich auch nicht allzu sehr bemüht, sie davon zu überzeugen, dass der Kuss nichts bedeutet hatte. Und er hatte sich schuldig gefühlt, weil er Elles Kuss erwidert hatte.

„Elle und ich sind schon seit der Highschool nicht mehr zusammen.“ Riley fügte nicht hinzu, dass ihre Mütter gut befreundet waren und sich immer noch bemühten, sie zusammenzubringen. „Ich bin im Moment mit gar keiner Frau zusammen.“

„Interessant“, meinte Annelise. „Wie ich höre, hat Kate eine Menge Verabredungen.“

Verdammt, dachte Riley. Aber solange Kate weder verheiratet noch verlobt war, war die Sache ja noch nicht aussichtslos.

„Schön für sie“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Aber zurück zu dieser Wohnung. Wann kann ich einziehen?“

„Sie haben sie ja noch nicht mal gesehen.“

„Das Haus ist ca. 1800 gebaut worden, im traditionellen Stil. Es liegt in der Altstadt und enthält vier Apartments in drei Stockwerken. Stimmt das nicht?“

„Damit haben Sie das Gebäude beschrieben, aber nicht die Wohnung.“

„Ich bin nicht sehr anspruchsvoll. Ich brauche einfach nur etwas in der Nähe meiner Baustelle.“ Annelise brauchte ja nicht zu wissen, dass dieser ursprünglich einzige Grund inzwischen für Riley zweitrangig geworden war. „Ich bin sicher, dass es in Ordnung ist.“

Annelise zögerte noch. „Vielleicht sollte ich Kate fragen, was sie davon hält.“

„Sie würde sagen, dass es keine große Sache ist“, bluffte Riley. Tatsächlich vermutete er eher, dass Kate gar nicht begeistert sein würde. „Kommen Sie schon, Annelise. Ich brauche diese Wohnung.“

„Okay. Wenn Sie eine Kaution hinterlegen, gebe ich Ihnen den Schlüssel. Dann können Sie am Wochenende einziehen.“

„Heute ist erst Dienstag. Wieso kann ich nicht schon morgen einziehen?“

„Na ja, ich nehme an, das ließe sich einrichten …“

„Dann hole ich morgen früh den Schlüssel ab.“ Riley verabschiedete sich und schaltete das Telefon ab.

Inzwischen war der Plan, wie er Kate zurückgewinnen wollte, voll ausgereift. Wer hätte gedacht, dass er eine Chance in Form eines Apartments bekommen würde?

Falls es eine Hölle gab, dann zwang der Teufel bestimmt alle Singles, ständig Verabredungen zu haben.

Nicht solche, bei denen man es nicht fassen konnte, was für einen wundervollen Menschen man getroffen hatte. Nein, schlimme Verabredungen, solche mit unbehaglichem Schweigen, steifer Konversation und ohne jede sexuelle Anziehungskraft.

Das war die einzige Art von Verabredung, die Kate Marino erlebt hatte, seit sie wieder mit Männern ausging. Dies war heute der fünfte Versuch, und glücklicherweise würde es gleich zu Ende sein.

Sie rannte die Treppe zu ihrem Apartment hinauf, aber sosehr sie sich auch beeilte, Drew Lockhart ließ sich nicht abhängen. Schon auf der Veranda hatte sie versucht, sich von ihm zu verabschieden, aber noch war sie ihn nicht los.

Als sie ihr Stockwerk erreichte, hatte sie schon den Wohnungsschlüssel in der Hand, doch bevor sie aufschließen konnte, hatte Drew sie eingeholt.

„Sie waren in der Highschool bestimmt Leichtathletin. Ich konnte kaum Schritt halten.“ Er klang ein bisschen atemlos.

„Nein.“ Kate steckte den Schlüssel ins Schloss. „Ich war Cheerleader. Sie wissen schon. Gib mir ein G und so weiter. G wie Gute Nacht.“

Er lächelte. „Ich mag Sie. Sie sind witzig.“

Kate hielt den Mund. Sie wollte nicht witzig sein.

„Mir hat es sehr gefallen heute Abend“, fuhr Drew fort.

Sie kniff die Augen zusammen. War ihm nicht aufgefallen, dass sie nicht einmal ein gemeinsames Gesprächsthema gefunden hatten? Wenn Kate über Inneneinrichtung gesprochen hatte, hatte er das Thema gewechselt, und wenn er wieder auf seine Lieblingssonate von Beethoven gekommen war, hatte Kate innerlich die Augen verdreht.

„Ich würde Sie gern wiedersehen.“ Drew beugte sich vor, und Kate konnte sein Rasierwasser riechen. „Wie wäre es mit Samstag?“

Bevor sie sich weigern konnte, kam sein Mund bereits näher. Drews Kopf verdeckte die Lampe, sodass Kate kaum noch etwas sehen konnte. Unwillkürlich hob sie einen Fuß und trat zu.

„Au!“, schrie Drew und sprang zurück. „Was soll das?“

„Na ja, es war einfach … Haben Sie mal überlegt, dass ich vielleicht gar nicht geküsst werden will?“, stieß sie hervor.

„Und haben Sie mal überlegt, das einfach zu sagen?“ Ihm traten Tränen in die Augen. „Da müssen Sie doch nicht gleich gewalttätig werden!“

„Ein Tritt auf den Fuß ist nicht gerade ein Angriff mit einer Waffe.“

Er antwortete nicht, und allmählich kam in Kate doch so etwas wie Reue auf. So unangenehm die Verabredung auch gewesen sein mochte – hatte sie wirklich gleich handgreiflich werden müssen?

„Es tut mir leid.“

Drew schmollte.

„Es tut mir wirklich leid“, sagte sie. „Wie kann ich es wieder gutmachen?“

Er atmete hörbar durch die Nase ein. „Ich könnte eine gewaltfreie Verabredung vorschlagen“, meinte er dann. „Aber ich bin gewarnt. Falls Sie mich wiedersehen wollen, rufen Sie mich an.“

Er verschwand hinkend den Flur entlang. Kate überlegte, dass sie womöglich überreagiert hatte.

An der Treppe blieb Drew noch mal stehen. Kate erstarrte und war sofort bereit, noch mal überzureagieren, falls er zurückkommen sollte. Aber er trat nur zur Seite, als wollte er jemanden durchlassen.

Das war seltsam, denn Kates Nachbar war zurzeit auf einer langen Geschäftsreise an der Westküste.

Kate war neugierig, also wartete sie. Der Flur war nur schwach beleuchtet, deshalb erkannte sie den Mann, den nun auf sie zukam, nicht auf Anhieb. Sie kniff die Augen zusammen.

War das etwa … Riley Carter?

Einen Moment lang glaubte sie, ihr Unbewusstes würde ihr einen Streich spielen. Seit dem letzten Dezember trieb Riley da oft sein Unwesen. Aber diese selbstbewusste Art, sich zu bewegen, war unverkennbar, ebenso wie die große, muskulöse Gestalt und das dichte braune Haar.

Es war tatsächlich Riley Carter.

Kates Herz schlug schneller. Er musste ihretwegen hier sein. Niemand sonst wohnte auf diesem Stockwerk.

Sofort stieg Begierde in ihr auf, so wie es immer gewesen war, wenn Riley in ihre Nähe gekommen war. Aber dann dachte sie an all die Tage und Nächte, in denen sie vergeblich darauf gewartet hatte, dass er zu ihr kommen und sie um Verzeihung bitten würde.

Vor einem Jahr hätte sie ihn in ihrem Apartment – und ihrem Bett – willkommen geheißen, egal um welche Zeit. Vor elf Monaten hätte sie ihm wahrscheinlich gestattet, zu ihr zurückzukehren.

Aber jetzt nicht mehr. Es hatte zwar eine ganze Weile gedauert, bis Kate über ihn hinweggekommen war, doch inzwischen hatte sie es geschafft. Sie würde sich von bittersüßen Erinnerungen an ihre langen gemeinsamen Nächte nicht die Weihnachtstage ruinieren lassen. Sie hatte wieder Verabredungen. Sie war glücklich.

Sie richtete sich kerzengerade auf, verschränkte die Arme vor der Brust und beschloss, die sexuelle Spannung zu ignorieren, die zwischen ihnen immer so stark gewesen war.

„Hallo, Kate. Wie gehts?“ Das klang, als hätten sie sich erst gestern zum letzten Mal gesehen.

Sie redete sich ein, dass sie seinen Südstaatenakzent überhaupt nicht sexy fand, und bemühte sich um einen kühlen Ton. „Findest du nicht, dass du etwas spät dran bist?“

Er rieb sich das Kinn. Eigentlich war keiner seiner Körperteile besonders bemerkenswert, wenn man sie einzeln betrachtete, aber zusammen ergaben sie einen Anblick, bei dem Kate wie per Gesetz die Knie weich wurden. Also presste sie sie jetzt fest zusammen.

„Mag sein“, sagte Riley nun.

„Dann wird es dich nicht überraschen zu hören, dass ich inzwischen weitergezogen bin.“

Er legte den Kopf schief. „Und ich dachte, du wohnst immer noch hier.“

„Ich meine nicht, dass ich umgezogen bin“, erklärte sie ungeduldig. „Weitergezogen. Das heißt, ich treffe mich mit anderen Männern.“

„Okay.“

Sie hob das Kinn. „Du bist wahrscheinlich eben an einem dieser Männer vorbeigekommen.“

„Mister Hinkefuß?“

Er sah sie ganz unschuldig an, aber sie hatte trotzdem das Gefühl, dass er genau mitbekommen hatte, was zwischen Drew und ihr vorgefallen war. Na toll, dachte sie.

„Drew ist nur einer von den Männern, mit denen ich mich verabrede“, erklärte sie. „Es gibt noch andere.“

„Schön für dich.“

Er lächelte, und die Fältchen um seinen Mund und seine Augen verstärkten sich. Kate fand ihn so attraktiv, dass sie nun die Geduld verlor. Sie durfte sich einfach nicht noch mal in ihn verlieben.

„Schau, es ist schon spät, und ich bin müde.“ Sie schaffte es endlich, ihre Tür aufzuschließen, und betrat ihr Apartment. „Es war Zeitverschwendung, überhaupt hierher zu kommen.“

„Oh, das würde ich nicht sagen.“

Seine tiefe Stimme ging Kate unter die Haut. „Ich habe es ja auch gesagt“, erwiderte sie, bloß um zu widersprechen. „Gute Nacht, Riley.“

„Gute Nacht, Kate.“ Er machte keine Anstalten, sie daran zu hindern, sich in ihre Wohnung zurückzuziehen. Nicht dass sie das zugelassen hätte.

Sie wollte ihm gerade die Tür vor der Nase zumachen, als sie bemerkte, dass er etwas aus der Tasche nahm.

Seinen Schlüsselbund.

Zu ihrer Verblüffung sah Kate nun, wie Riley in aller Ruhe die Tür nebenan aufschloss.

„Was tust du da?“, fragte sie, obwohl sie es sich denken konnte.

„Ich habe diese Wohnung gemietet. Zur Untermiete.“ Er zwinkerte ihr zu. „Gute Nacht, Nachbarin.“

Es war noch nicht mal zehn Stunden her, seit Riley Kate zuletzt gesehen hatte, und trotzdem sehnte er sich bereits danach, sie wieder zu sehen.

Ihr dunkles Haar war lang und glatt gewesen, als sie ein Liebespaar gewesen waren, aber jetzt war es kurz und auf eine Weise gestuft, die Kates große braune Augen betonte.

Wenn er sie das nächste Mal traf, würde er es allerdings vorziehen, wenn sie ihn nicht so böse ansehen würde. Aber er war ein geduldiger Mann. Wenn sein Plan funktionierte, würde er nicht nur Kates Herz erobern, sondern auch wieder das Recht haben, mit ihr ins Bett zu gehen.

Er erinnerte sich, wie es gewesen war, ihre Haut an seiner zu spüren, während sie …

Plötzlich sah er etwas aufblitzen und trat hart auf die Bremse. Fast hätte er die rote Ampel übersehen. Er drehte sich um, und die Sonne schien ihm so in die Augen, dass er fast blind wurde.

Verdammt. Er war an der Baustelle vorbeigefahren.

Als die Ampel auf Grün umschaltete, wendete er vorsichtig, parkte und stieg aus. Dass sein Herz so schnell schlug, lag vielleicht nur daran, dass es mit dem Hotel Charleston immer weiter voranging, aber er hätte nicht darauf gewettet.

Trotzdem war es ein berauschendes Gefühl, zusehen zu können, wie seine Vision Gestalt annahm.

Er verdrängte die Gedanken an Kate, während er zu dem Bauwagen ging und die drei Stufen hinaufstieg.

Sein Geschäftspartner, der gleichzeitig auch sein Bruder war, saß am Schreibtisch und biss gerade in einen Schokoladen-Donut.

„Morgen, Dave“, sagte Riley. „Hast du mir einen aufgehoben?“

„Das ist jetzt nicht die richtige Zeit, einen Donut von mir abzustauben.“ Dave sah nicht von den Papieren auf, die vor ihm lagen.

Riley setzte sich und beobachtete seinen Bruder, der jetzt etwas von seinem Kaffee trank. Viel Sahne, zwei Stück Zucker.

Die beiden Brüder sahen sich sehr ähnlich, aber Dave war fünf Jahre älter und ein ganzes Stück größer. Trotz seiner Vorliebe für ungesundes Essen war er muskulös und hatte kaum Fett an sich.

Riley brauchte nicht lange darauf zu warten, dass Dave ihm sagte, was los war.

„Wir müssen auf den Marmorfußboden in der Halle verzichten.“

„Nein, müssen wir nicht.“ Riley blieb ruhig.

„Hier sind drei Kostenvoranschläge.“ Dave stand auf. „Sieh sie dir selbst an.“

Riley ging zum Schreibtisch und studierte die Papiere. „Das sind einfach nur drei unvernünftige Kostenvorschläge, mehr nicht.“

„Verstehst du nicht? Sie unterscheiden sich kaum. Wir können nicht so viel für den Fußboden ausgeben, vor allem da schon die Elektrik mehr gekostet hat, als wir veranschlagt haben. Den Marmor müssen wir uns abschminken.“

„Nein.“ Riley setzte sich wieder. „Ich kenne ein paar Betriebe im Berkeley County, die bestimmt bessere Konditionen haben.“

„Und wenn nicht?“

„Damit setzen wir uns auseinander, wenn es so weit ist.“

Dave rieb sich den Nacken. „Es nervt mich immer, wenn du das tust.“

„Was?“

„So ruhig bleiben.“

„Nächstes Mal fluche ich und ringe die Hände, falls du dich dann besser fühlst.“

„Nein. Das mache ich selber schon oft genug. Verdammt, Riley, machst du dir denn gar keine Sorgen?“

„Warum sollte ich? Wir sind gut in dem, was wir tun. Und wenn dieses Hotel fertig ist, werden es alle wissen.“

„Aber dieser Auftrag kann uns nicht nur berühmt machen, sondern ebenso gut ruinieren.“

„Als wir die Firma gegründet haben, habe ich dir gesagt, dass wir so einen großen Auftrag brauchen. Das war ein Teil unseres Fünfjahresplans. Und wir schaffen das.“

„Für dich ist es leicht, das zu sagen“, knurrte Dave. „Du hast dich noch nie unterkriegen lassen.“

„Danke“, sagte Riley.

Dave setzte sich auf die Schreibtischkante. „Du bist nervtötend, weißt du das?“

„Ja.“

„Was tust du überhaupt so früh hier? War auf der Brücke denn gar kein Verkehr?“

„Ich musste heute nicht über die Brücke fahren.“

Rileys Haus war ungefähr zwölf Meilen entfernt, und die Fahrt dauerte immer fast eine Stunde, weil auf der Brücke über den Cooper River ständig Stau herrschte.

„Wie schön“, sagte Dave. „Es wurde auch Zeit, dass du eine neue Frau findest.“

„Ich habe ein Apartment gefunden, damit ich während der Woche in der Stadt bleiben kann“, verbesserte Riley.

„Wo denn?“

„In der Ashley Avenue.“

Dave zog die Stirn in Falten. „Ashley Avenue. Kennst du da nicht jemanden?“

Riley ließ sich Zeit mit der Antwort. „Kate Marino wohnt dort.“

„Die Frau, die dich letztes Jahr zu Weihnachten verlassen hat?“

„Genau die.“

„Und jetzt lebst du mit ihr zusammen?“

„Nein. Ich wohne nebenan. Ich habe eine möblierte Wohnung gesucht, und die neben Kate war zu haben.“

„Und du behauptest, das war Zufall?“

„Ja.“

„Komm schon, Kleiner. Du tust doch gar nichts, was du nicht vorher genau geplant hast.“

Riley hatte seinem Bruder noch nie etwas verheimlichen können. „Es war eher eine Gelegenheit“, gestand er. „Dies könnte meine Chance sein, Kate zurückzubekommen.“

„Das ist keine gute Idee“, schnaubte Dave.

„Warum nicht?“

„Vor nicht mal fünf Minuten hast du betont, wie wichtig dieses Projekt ist. Und gestern hast du davon geredet, dass du Überstunden machen willst, damit alles perfekt wird.“

„Man kann nicht ununterbrochen arbeiten.“

„Man kann auch nicht seine Zeit mit einer Frau verschwenden, bei der man sowieso keine Chance mehr hat.“

„Woher willst du wissen, dass sie mich nicht zurück haben will?“

„Ich weiß eine Menge.“

„Ja, zum Beispiel, wie man feste Beziehungen vermeidet.“

„Ich erkenne eben den Zeitpunkt, wenn man Schluss machen muss. Diese Frau hat dich schon einmal verlassen. Wieso glaubst du, dass es diesmal anders sein wird?“

„Weil ich nicht mit ihr schlafen werde“, erklärte Riley. „Zuerst will ich mich mit ihr anfreunden.“

Dave lachte laut.

„Ich bin nicht ganz sicher warum, aber dieses Lachen nehme ich dir übel“, sagte Riley.

„Kleiner, im letzten Dezember hast du schon fast bei dieser Frau gewohnt. Falls sie dich überhaupt in ihrer Nähe duldet, wirst du die Hände nicht von ihr lassen können.“

„Doch, werde ich.“

Dave schnappte sich den letzten Donut, bevor er zur Tür ging. „Träum weiter, kleiner Bruder.“

2. KAPITEL

Die Absätze von Kates roten Schuhen klickten auf dem Parkettboden, als sie die Firma betrat. Sie nickte der Empfangsdame zu, deren Tisch weihnachtlich geschmückt war, und wollte gleich weitergehen.

„Nicht so schnell, Kate.“ Die Frau wedelte mit ein paar Notizzetteln, die mit einem Weihnachtsschlitten und Rentieren geschmückt waren. „Offenbar machst du etwas richtig. Die Leute verlangen nach dir.“

„Danke.“ Kate lächelte ihr zu, nahm die Zettel und sah sie im Weitergehen durch. Zwei Kunden hatten angerufen, ihre Mutter und ein Mann, den sie letzte Woche im Supermarkt kennen gelernt hatte. Keine Nachricht von Riley. „Zu dumm, dass nur ein Mann dabei ist, der zu haben ist“, rief sie über die Schulter.

Die Empfangsdame lachte immer noch, als Kate in ihrem Büro verschwand.

Kate sah sich schnell um und stellte erleichtert fest, dass die Stoffmuster da waren, die sie für einen Termin um zwei Uhr brauchte.

Dann schaute sie auf die dreieckige Wanduhr, die aus einem schicken kleinen Laden in New York stammte. Sie hatte noch eine halbe Stunde Zeit.

Nachdem sie ihre Wolljacke ausgezogen hatte, sank sie auf ihren gepolsterten Schreibtischstuhl.

Kein Wunder, dass sie die Stoffmuster hier vergessen hatte. Sie war schon seit neun Uhr unterwegs, hatte Möbel ausgesucht und sich mit Kunden getroffen.

Und das, nachdem sie in der letzten Nacht die meiste Zeit wach gelegen hatte. Ständig hatte sie darüber nachgedacht, ob Riley aus einem bestimmten Grund nebenan eingezogen war.

Sie blätterte die Zettel noch einmal durch für den Fall, dass sie eine Nachricht von ihm übersehen hatte. Nein, da war keine.

Sie hätte ihre Mutter zurückrufen sollen, beschloss aber, das erst später zu tun. Ihr Bruder hatte schon eine E-Mail geschickt, und deshalb wusste sie, dass ihr Vater mal wieder arbeitslos war. Kate war jetzt nicht in der Stimmung, sich Ausreden anzuhören.

Sie griff nach einem anderen Zettel. Der Zahnarzt, dessen Einkaufswagen mit ihrem zusammengestoßen war.

Daraufhin hatte der Mann sie mit auffallend weißen Zähnen angelächelt, sich für den Unfall entschuldigt, der nicht wirklich einer gewesen war, und Kate um ihre Telefonnummer gebeten.

Kate hatte es zu der Zeit für eine gute Idee gehalten, ihm die Büronummer zu geben, aber inzwischen hatte sie ungefähr genauso viel Lust, mit einem Zahnarzt auszugehen, wie auf eine Spritze auf seinem Behandlungsstuhl.

Sie wollte gerade nach dem Telefon greifen, um abzusagen, als es klopfte. Gleich darauf ging die Tür auf, und Elle Dumont steckte ihren hübschen blonden Kopf herein.

„Oh, schön. Du bist da. Es macht dir doch nichts aus, wenn ich reinkomme, oder?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, trat Elle ein. Sie sah aus wie ein Model.

Elle hatte einmal den zweiten Platz in einem Schönheitswettbewerb geschafft, und das erwähnte sie auch regelmäßig. Zurzeit trug sie ihr goldblondes Haar lang und offen. Ihr Kleid war hauteng.

„Guten Tag“, sagte Kate nervös. „Ist mir etwas entgangen? Arbeitest du etwa wieder hier?“

„Natürlich nicht. Peter könnte mir nicht annähernd das zahlen, was ich bei Dixie Kane Interiors verdiene.“ Elles Absätze waren zwar über sieben Zentimeter hoch, aber sie schien zu schweben, als sie auf den Schreibtisch zukam. „Glücklicherweise hat er verstanden, dass diese Firma inzwischen zu klein für mich geworden war und ich weiterziehen musste. Ich wollte nur bei ihm vorbeischauen, und da dachte ich, ich komme auch mal zu dir rein.“

Kate hätte am liebsten die Zähne gefletscht. „Mir war nicht klar, dass wir so zueinander stehen, dass man einfach mal so vorbeikommt.“

Elle legte die Hände an die perfekten Hüften. „Wir haben immerhin sechs Monate zusammengearbeitet, Kate. Natürlich will ich auf dem Laufenden bleiben. Vor allem, da Peter mir erzählt hat, dass du dich auch um Hotelaufträge bemühen willst. Es ist ja so tapfer von dir, dich einer solchen Konkurrenz auszusetzen.“

Kate war vollkommen klar, dass die Firma, für die Elle inzwischen arbeitete, die stärkste Konkurrenz war. „Der größte Betrieb ist nicht immer die beste Wahl für ein Projekt.“

„Vielleicht nicht, aber du könntest es trotzdem ziemlich schwer haben. Ich habe bei Dixie Kane gelernt, dass der Kampf um diese Aufträge wirklich heftig tobt. Lass uns hoffen, dass die Kunden diese modernen kleinen Privathäuser, die du eingerichtet hast, zu würdigen wissen.“

Damit wollte Elle wohl klar machen, dass Kates moderner Stil nicht in eine Stadt passte, in der so viel Wert auf Tradition gelegt wurde. Kate schloss die Augen, zählte bis drei und äußerte im Stillen einen Wunsch, der nicht erfüllt wurde. Denn als sie die Augen wieder öffnete, war Elle immer noch da. „Dann bist du also hier, um mir Unterstützung anzubieten?“

Elle seufzte leise. Das klang, als hätte sie es geübt. „Das ist nicht der einzige Grund. Ich wollte sicherstellen, dass es zwischen uns nicht peinlich wird, wenn wir uns in Zukunft öfter begegnen.“

„Warum sollte es das?“

Elle legte die perfekt manikürten Hände an die Brust. „Natürlich weil Riley in die Wohnung neben deiner gezogen ist.“

Kate bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht, obwohl in ihrem Inneren etwas zusammenzubrechen schien.

„Ich weiß, wir waren nie Freundinnen.“ Elle klimperte mit den Wimpern. „Aber ich möchte dich auch nicht zur Feindin haben.“

„Ich teile dir das nur ungern mit, Elle, aber ich denke nicht oft genug an dich, um dich als eins von beidem zu betrachten.“

„Was für eine Erleichterung. Aber ich muss zugeben, dass mir etwas unbehaglich zu Mute ist. Es wäre so viel besser gewesen, wenn Riley auf Sullivan’s Island geblieben wäre. Allerdings hatte er wohl keine Wahl, nun, da er sich so viel um das Hotel kümmern muss.“

Kate schluckte, konnte sich aber nicht zurückhalten. „Welches Hotel?“

„Das Charleston natürlich.“ Elle riss die grünen Augen weit auf. „Das große Gebäude neben dem Aquarium. Riley braucht eine Wohnung in der Stadt, weil er diese Baustelle hat.“

Natürlich. Das Hotel hatte Riley gerade entworfen, als Kate und er zusammen gewesen waren. Kate war sogar ein paar Mal vorbeigefahren, um zu sehen, wie es voranging. Aber ihr war nicht in den Sinn gekommen, dass Riley deshalb das Apartment neben ihrem gemietet haben könnte.

Eigentlich hätte sie lieber geglaubt, er hätte das getan, weil er sie zurückhaben wollte. Vor allem, da er sich damals nicht gerade bemüht hatte, sie zu behalten.

„Du verstehst also, warum ich mir Sorgen mache“, sagte Elle.

„Nein.“

„Ach, komm schon, Kate.“ Elle trat näher, und nun stieg Kate ihr blumiger Duft in die Nase. „Du warst nicht besonders freundlich zu mir, seit wir uns in dem Restaurant begegnet sind.“

Kate biss sich auf die Zunge, um Elle nicht etwas sehr Unschmeichelhaftes an den Kopf zu werfen. Rileys Geschichte hatte damals bestätigt, dass Elle das mit dem Kuss genau geplant hatte. Er hatte erzählt, Elle hätte ihn zum Dinner eingeladen, um ein Familienproblem zu besprechen, und dass sie diejenige gewesen war, die sich plötzlich über den Tisch gebeugt und ihn geküsst hatte.

Aber er hatte nicht erklärt, warum er den Kuss erwidert hatte.

„Ich bin so froh, dass wir das geklärt haben.“ Elle lächelte wieder auf eine Weise, die echt wirkte, es aber nicht war. „Das wird es für uns drei so viel leichter machen.“

„Würdest du etwas für mich tun, Elle?“, fragte Kate.

„Sicher.“

„Mach die Tür von draußen zu.“

Elles Lächeln verschwand für einen Moment, aber sie setzte es gleich wieder auf. Dann verließ sie das Büro. Kate spürte einen Anflug von Kopfschmerz. Zwar hatte Elle diesen Besuch nicht gerade gut gemeint, aber er hatte doch einen nützlichen Zweck erfüllt.

Er hatte Kate daran erinnert, wie einseitig ihre Affäre mit Riley gewesen war. Sie war diejenige, die ihn gleich am ersten Abend gebeten hatte, sie nach Hause zu begleiten. Sie hatte ihn in ihr Apartment und in ihr Bett eingeladen. Sie war bald so verrückt nach ihm gewesen, dass sie keinen anderen Mann mehr hatte treffen wollen.

Und die ganze Zeit über hatte sie sich gefragt, ob er das Gleiche für sie empfand. Aber als sie ihn dann mit Elle gesehen hatte, war das Antwort genug gewesen. Und trotzdem wünschte sie sich noch heute, es wäre anders ausgegangen.

Aber was war, wenn Elle nur wieder Probleme machen wollte? Was war, wenn Riley doch wegen ihr – Kate – in das Apartment gezogen war?

Sie rief schnell Annelise Manley an, weil sie wusste, dass die Maklerin einen Untermieter für die Wohnung gesucht hatte. Nach dem Gespräch wusste sie Bescheid, und es störte sie gewaltig, dass Riley das Apartment einfach bloß zufällig bekommen hatte.

Er hatte Annelise gesagt, sie sollte sich keine Sorgen machen. Es wäre keine große Sache, wenn er und Kate nebeneinander wohnten.

Keine große Sache.

Kate war kein Dummkopf. Gestern hatte es zwischen ihr und Riley wieder gewaltig geknistert, und ihr war klar, dass Riley das ganz genauso gespürt hatte. Wenn sie so dicht beieinander wohnten, konnte es leicht passieren, dass sie wieder im Bett landeten – außer wenn Kate ganz deutlich bewies, dass sie nicht zu haben war.

Sie griff nach dem Telefon.

„Hallo, ja bitte?“, meldete sich eine tiefe männliche Stimme einen Moment später.

„Dennis? Hier ist Kate Marino. Natürlich erinnere ich mich an die Begegnung im Supermarkt. Und ich würde gern mit Ihnen ausgehen.“

Riley hielt seinen Aktenkoffer in der einen Hand, die Tüte mit dem chinesischen Essen in der anderen, und schlug die Tür seines Geländewagens mit der Hüfte zu.

Sein vorübergehendes Zuhause war bloß ein paar Blocks von der Spitze der Halbinsel entfernt, und man konnte das Meer riechen. Der Wind war ziemlich stark, aber Riley blieb doch einen Moment stehen, um zu überlegen, was er als Nächstes tun sollte.

Kates grüner Toyota stand auf der Straße, aber Riley bezweifelte, dass sie sich schon etwas gekocht hatte. Gestern war sie erst gegen sieben von der Arbeit gekommen, und jetzt war es gerade halb sieben.

Wenn er sie zu Wan-Tan-Suppe, Frühlingsrollen und Huhn Kung Pao einlud, war das genau richtig. Eine freundliche Geste unter Nachbarn. Aber wie sollte er dies zu einem Angebot machen, das Kate nicht ablehnen konnte?

Als er sich dem Haus näherte, sah er, dass die Mieter aus dem Erdgeschoss ihre Veranda mit Weihnachtssternen geschmückt hatten. Die roten Blüten hoben sich lebhaft von der gelben Hauswand ab.

Die Weihnachtssterne erinnerten Riley an das letzte Weihnachtsfest mit Kate, und gerade weil er eben an sie dachte, erschrak er, als sie plötzlich vor ihm stand. So sehr, dass er fast das Essen fallen gelassen hätte.

Eigentlich hatte er sich vorher nie zu einem bestimmten Typ hingezogen gefühlt, aber inzwischen wusste er genau, was er bevorzugte. Durchschnittliche Größe, mittleres Gewicht, brünett, das Haar so geschnitten, das es auf kunstvolle Art zerzaust wirkte, die Augen so braun wie dunkle Schokolade. Kate trug heute Jeans und eine rote Lederjacke, dazu eine rote Mütze und einen gestreiften Schal.

Riley lächelte. „Hallo, Kate“, sagte er, gerade als ein Mann mit großer Nase und Schnurrbart neben Kate auftauchte. Riley konnte ihn nicht ausstehen, noch bevor der Kerl eine Hand besitzergreifend auf Kates Rücken legte.

„Riley.“ Kate nickte ihm kühl zu und machte Anstalten, an ihm vorbeizutreten.

Er versperrte ihr den Weg und achtete darauf, weiter zu lächeln. An einem Freitag wie heute war sie vermutlich verabredet. Aber was zur Hölle tat sie mit diesem Kerl? „Schöner Abend, nicht?“

Ein heftiger Windstoß zwang Kate dazu, ihre Mütze festzuhalten. Sie fröstelte.

„Ich meine, es ist ein schöner Abend, wenn man kalten, feuchten Wind mag“, sagte Riley. „So wie ich“, fügte er noch lahm hinzu.

Kate schwieg, schaute aber unruhig hin und her, als würde sie nach einem Fluchtweg Ausschau halten. Riley dagegen überlegte, wie er die Hand dieses Kerls von Kates Rücken entfernen könnte. Dann fiel ihm etwas ein. Er stellte seinen Aktenkoffer ab und streckte die Hand aus. „Ich bin Riley Carter.“

„Dennis McElroy.“ Der Mann ließ Kate los, um Riley die Hand schütteln zu können. Seine Zähne waren so blendend weiß, dass Riley unwillkürlich blinzelte, um seine Augen zu schützen. Aber der Händedruck war schwach. Gut.

„Dr. Dennis McElroy“, erklärte Kate.

„Ich bin Zahnarzt“, erklärte der Kerl.

Unter anderen Umständen hätte Riley ihn überhaupt nicht ernst genommen. Aber er durfte keinen unterschätzen, der es schaffte, sich mit Kate zu verabreden.

„Ich bin Architekt.“ Riley beobachtete zu seinem Ärger, dass Dennis’ Hand schon wieder auf Kates Rücken lag. „Kate und ich waren früher mal ein Paar.“

Daraufhin ließ Dennis seine Hand wieder sinken. „Sind Sie hier, um Kate zu besuchen?“

„Nein, das ist er nicht“, antwortete Kate, bevor Riley das tun konnte. „Er wohnt hier.“

Das erschütterte Dennis. „Mir war nicht klar, dass Sie mit jemandem zusammenleben, Kate.“

Kate schüttelte den Kopf. „Riley wohnt nicht bei mir, sondern nebenan.“

„Und ich könnte mir keine bessere Nachbarin wünschen.“ Riley warf Kate einen liebevollen Blick zu. „Oder eine hübschere.“

Das verwirrte Dennis sichtlich. Sehr gut.

„Riley wohnt nicht meinetwegen hier.“ Kate sah Riley böse an. „Er hat eine Baustelle neben dem Aquarium, und deshalb braucht er für ein paar Monate eine Wohnung in der Stadt.“

„Woher weißt du das?“, fragte Riley. „Ich kann mich nicht erinnern, es erwähnt zu haben.“

Kate hob das Kinn. „Deine Freundin hat es mir erzählt.“

„Wer soll das denn sein?“

„Elle natürlich“, antwortete Kate zuckersüß.

Riley zwang sich zu lachen, obwohl er das überhaupt nicht komisch fand. Es erinnerte ihn an die Trennung von Kate nach diesem dummen Kuss von Elle. „Sie ist schon seit der Highschool nicht mehr meine Freundin.“

„Woher weiß sie dann, dass du hier wohnst?“

„Sie hat es wohl von ihrer Mutter erfahren. Du erinnerst dich doch, dass meine Mutter und ihre befreundet sind.“

„Ich bin deiner Mutter nie begegnet. Und zwischen uns ist es schon so lange vorbei. Da kannst du kaum erwarten, dass ich mich an viel erinnere.“

„Ich erinnere mich an eine Menge“, erwiderte Riley leichthin. „Auch daran, dass du ein gutes Gedächtnis hast.“

Jemand räusperte sich, und Riley stellte fest, dass er Dennis vergessen hatte. „Unser Tisch ist für sieben Uhr reserviert“, sagte der nun.

„Wo geht ihr denn hin?“, fragte Riley.

„Das geht dich nichts …“, sagte Kate, als Dennis schon „Garibaldi’s“, antwortete.

„Nettes Restaurant. Kate und ich waren bei unserer ersten Verabredung dort.“

„Das stimmt nicht. Wir waren im 82 Queen.“

„Du hast recht.“ Riley zwinkerte ihr zu. „Du hast wirklich ein gutes Gedächtnis.“

Kate starrte ihn wütend an, während Dennis unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat. Riley überlegte noch, ob er sich nach Dennis’ Arbeit erkundigen sollte, aber so viel Freundlichkeit brachte er nicht zu Stande.

„Lasst euch nicht aufhalten.“ Er griff nach seinem Aktenkoffer.

Kate blickte vorsichtig in den Flur. Als sie feststellte, dass die Luft rein war, lief sie zu ihrem Apartment. Sie entspannte sich erst wieder, nachdem sie die Tür hinter sich abgeschlossen hatte.

Nach der seltsamen Begegnung mit Riley auf der Veranda wollte sie ihm nicht schon wieder gegenübertreten. Sie wusste nicht, worauf Riley eigentlich hinauswollte, aber mit Dennis war es danach schnell bergab gegangen.

Als es klingelte, zuckte Kate zusammen. Dann stellte sie fest, dass das albern war, weil es das Telefon war. Sie ging in die Küche und nahm den Hörer ab.

„Kate, Liebes, hier ist deine Mutter.“

Kate freute sich, fühlte sich dann aber gleich schuldig. „Hi. Tut mir leid, dass ich nicht zurückgerufen habe. In den letzten Tagen war viel los.“

„Hat das damit zu tun, dass dein alter Chef dich zurückhaben will? Es wäre wirklich schön, wenn du wieder in Philadelphia wohnen würdest.“

Kate dachte, dass sie ihrer Mutter gar nichts von dem Anruf hätte erzählen sollen. Sie hatte sowieso nicht vor, ihre jetzige Stellung aufzugeben. „Darüber habe ich mir kaum Gedanken gemacht. Ich bin hier in Charleston sehr glücklich. Das weißt du doch.“

„Aber es kann nicht schaden zuzuhören, wenn man einen Job angeboten bekommt. Es ist schwer, einen guten zu finden. Frag deinen Vater.“

Kate erstarrte. Es hatte nicht lange gedauert, bis ihre Mutter zum Hauptthema gekommen war. „Johnny hat mir geschrieben, dass Dad gefeuert worden ist.“

„Hat dein Bruder dir auch erzählt, dass der Chef es auf deinen Vater abgesehen hatte? Die Kündigung war schon absehbar, als er deinem Vater letzten Monat vorgeworfen hat, er würde seine Spesenabrechnung fälschen. Ist das zu fassen?“

Kate konnte sich bei ihrem Vater noch wesentlich schlimmere Dinge vorstellen, aber ihre Mutter liebte ihn so sehr, dass sie ihn immer durch eine rosarote Brille sah.

Kate verkniff es sich, ihre Meinung zu äußern. „Was hat er jetzt vor?“

„Er wird natürlich einen anderen Job finden. Du weißt doch, wie hart er immer arbeitet. Das Problem ist nur, eine angemessene Stelle zu finden. Er ist für so viele Jobs überqualifiziert.“

Kate hörte sich pflichtschuldig den weiteren Unsinn an, den ihre Mutter nachplapperte. Als Kate ein kleines Mädchen gewesen war, hatte sie ihren Vater ebenfalls vergöttert, aber dann war sie erwachsen geworden und hatte erkannt, wie wenig hinter seinem Charme steckte. Es war ihre Mutter, die ständig hart arbeitete, damit Essen auf den Tisch kam und sie ein Dach über dem Kopf hatten. Und sie durchschaute ihren Mann immer noch nicht.

Obwohl Kate nach dem Ende des Telefonats so müde war, dass ihr schon die Augen zufielen, kam sie doch nicht zur Ruhe. Der Halbmond schien durch die Wolken und zur Balkontür herein.

Kate zog ihre Jacke über und trat nach draußen. Inzwischen war es nicht mehr so windig und deshalb eher erfrischend als kalt.

Kate verdrängte ihren Ärger über die Leichtgläubigkeit ihrer Mutter, aber dann fiel ihr die Verabredung mit Dennis wieder ein.

Er hatte zwar bei Garibaldi’s einen Tisch reserviert, wäre aber gern auch woanders hingegangen, wenn Kate es gewollt hätte. Wenn ihr kalt gewesen wäre, hätte er die Heizung eingeschaltet. Er hätte zwar lieber auf ein Dessert verzichtet, aber doch eins gegessen, wenn sie eins gewollt hätte.

Kate hatte versucht, sich zu amüsieren, aber eigentlich hatte sie es gar nicht erwarten können, Dennis wieder loszuwerden. „Das war schrecklich“, sagte sie halblaut zu sich selbst.

„Die Verabredung war also ein Reinfall, ja?“

Kate wirbelte herum, als sie Rileys Stimme hörte. Er saß in einem Schaukelstuhl, der höchstens drei Meter von ihr entfernt stand. Die beiden Wohnungen teilten sich einen Balkon.

„Was tust du hier draußen?“, fragte sie.

„Ich genieße die Nacht. Genau wie du.“ Nun stand er auf und streckte sich. Kate fand seine Gegenwart so überwältigend, dass sie sich unwillkürlich am Geländer festhielt.

„Selbst wenn ich glauben würde, dass du Kälte und Feuchtigkeit magst, fällt es mir doch schwer zu akzeptieren, dass es dir Spaß macht, im Dezember draußen zu sitzen.“

Er lachte, und das brachte sie ziemlich durcheinander. „Du hast mich erwischt. Ich bin erst rausgekommen, als ich dich nach Hause kommen gehört habe.“

„Woher wusstest du, dass ich auf den Balkon kommen würde?“

„Das wusste ich nicht. Ich habe gewartet, bis du dein Telefongespräch beendet hast. Dann wollte ich an die Balkontür klopfen.“

„Warum?“ Eigentlich hatte das eiskalt klingen sollen, aber es kam eher erstickt heraus.

Riley trat so nah heran, dass Kate den Mond nicht mehr sehen konnte. Sein Gesicht war zwar im Schatten, aber was sie jetzt nicht erkennen konnte, fügte sie aus dem Gedächtnis hinzu.

Die Fältchen an den Augen, die Bartstoppeln am Kinn, die sinnlich geschwungene Oberlippe.

Kates Herz schlug heftig. Ihre Hände wurden feucht, und sie atmete schneller, genauso wie es vor einem Jahr gewesen war, sobald Riley in ihre Nähe kam. Zwar berührte Riley sie jetzt nicht, aber sie spürte ihn trotzdem mehr, als ihr lieb sein konnte.

„Ich dachte, du willst mir vielleicht von deiner Verabredung erzählen“, sagte er leise.

Sie hoffte, dass er nicht mitbekommen hatte, woran sie eben gedacht hatte. „Warum sollte ich das wollen?“

„Ich dachte, Frauen reden gern über solche Dinge.“

„Nicht mit ihren Exfreunden!“

„Dann tu so, als wäre ich jemand anders.“

„Das kann ich nicht!“

Riley zuckte mit den Schultern. „Versuch es. Ich bin ein guter Zuhörer.“

Kate fand diese Unterhaltung genauso seltsam wie die am frühen Abend auf der Veranda. „Es war eine tolle Verabredung“, log sie.

„Ach ja? Vor einer Minute hast du gesagt, sie wäre schrecklich gewesen.“

„Ist es eine Gewohnheit von dir, mich zu belauschen?“

„Ich würde es nicht lauschen nennen, wenn jemand laut mit sich selbst redet.“

„Vielleicht habe ich das Telefongespräch mit meiner Mutter gemeint, nicht die Verabredung“, bluffte Kate.

„Kommst du mit deiner Mutter nicht gut aus?“

„Doch, natürlich. Ich liebe sie.“

„Warum ist es dann so schrecklich, mit ihr zu telefonieren?“

„Ich will darüber nicht mit dir diskutieren.“ Gleich darauf hätte Kate sich am liebsten einen Tritt gegeben, weil sie zugegeben hatte, dass es etwas zu diskutieren gab.

„Dann erzähl mir von der Verabredung.“

„Es war nett“, fuhr sie ihn an. „Dennis ist sehr … rücksichtsvoll.“

„Du meinst, er ist ein Jasager? Das habe ich schon geahnt. Ist dir das auf die Nerven gegangen?“

„Erst belauschst du mich, dann hörst du nicht zu. Ich habe gesagt, es war nett.“

„Wenn das stimmt, freue ich mich für dich.“ Aber irgendwie schaffte es Riley, gleichzeitig anzudeuten, dass er das nicht tat.

Kate legte die Finger an die Schläfen. „Ich verstehe dich nicht, Riley.“

„Was meinst du damit?“

„Erst all die Fragen auf der Veranda, jetzt dieses Verhör. Was soll das?“

„Ich bin einfach nur freundlich.“

„Freundlich?“

„Ja.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich finde, wir sollten gute Freunde werden.“

„Freunde!“ Ihr war klar, als sie ständig etwas wiederholte, aber was Riley da sagte, war einfach absurd. „Wir können niemals Freunde sein.“

„Wieso nicht?“ Das klang beleidigt. „Ich gebe einen guten Freund ab.“

„Riley, wir haben den ganzen letzten Dezember im Bett verbracht.“

Er hob eine Augenbraue. „Ich weiß. Ich war dabei. Aber als Liebespaar waren wir ja nicht so erfolgreich.“

Sie spürte, wie sie rot wurde. Glaubte er etwa, sie wollte ihn wieder ins Bett locken? „Ich habe auch nicht vorgeschlagen, dass wir wieder eins werden sollten.“

„Deshalb sollten wir es ja mit Freundschaft versuchen.“

Kate schnaubte. „Ich denke, wir sollten uns eher voneinander fern halten.“

„Das ist ziemlich schwer, da wir nun mal Nachbarn sind.“

„Aber es ist nicht unmöglich. Wir könnten es durchaus schaffen, wenn wir es versuchen.“

„Du vertraust dir selber nicht, wenn du in meiner Nähe bist, was?“

Er kam einen Schritt näher, und die Nacht schien augenblicklich wärmer zu werden. Ihr Blick fiel auf Rileys Mund. Den hatte sie immer am meisten geliebt. Er konnte unglaublich weich sein, manchmal aber auch fordernd. Jetzt lächelte er.

„Das ist lächerlich.“ Sie dachte, dass ihre erhöhte Temperatur sicher nur auf Ärger zurückzuführen war.

„Dann ist es abgemacht.“ Riley wich wieder zurück. „Wir belassen es bei Freundschaft.“

Er küsste sie auf die Nase – auf die Nase! – und dann drehte er sich um und verschwand in seinem Apartment.

Kate stand im Dunkeln einfach nur da und fragte sich, wie sie sich nur auf seinen lächerlichen Vorschlag hatte einlassen können. Gleichzeitig wünschte sie sich einen kalten Windstoß vom Hafen her. Der hätte sie wieder abgekühlt.

3. KAPITEL

Denk an etwas rein Freundschaftliches, ermahnte sich Riley.

Dann klopfte er an Kates Tür. Da sie vermutlich durch den Türspion sah, bevor sie aufmachte, bemühte Riley sich um einen Gesichtsausdruck, der hoffentlich freundschaftlich und überhaupt nicht lüstern war.

Einige Sekunden vergingen, und Riley versuchte das Bild von Kate zu verdrängen, das ihm in den Sinn gekommen war, als er vorhin ihre Dusche gehört hatte.

Freundschaftliche Gedanken!

Er wollte gerade noch mal klopfen, als die Tür einen Spaltbreit geöffnet wurde. Nicht mal zwanzig Zentimeter, aber Riley konnte doch so viel von Kate erkennen, dass sein Herz schon wieder schneller schlug.

Ihr feuchtes Haar kringelte sich, und sie hatte keinerlei Make-up im Gesicht. Zwar trug sie einen dicken roten Bademantel, aber Riley erinnerte sich nur zu gut daran, wie jeder einzelne Zentimeter ihres Körpers aussah.

Er kämpfte gegen den Drang an, ihr in den verlockenden Ausschnitt zu schauen. Verdammt, war sie etwa nackt unter diesem Bademantel?

Ihre Augen blitzten auf, und für einen Moment dachte Riley, sie hätte womöglich seine Gedanken gelesen, aber dann fragte sie: „Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?“

Er sah auf die Uhr. „Fast halb neun.“

„Es ist Samstagmorgen. Da klopft man nicht so früh.“

„Wieso nicht?“

„Weil Leute da ausschlafen.“

„Du bist seit mindestens einer Dreiviertelstunde wach. Ich habe deine Dusche gehört.“

Er hatte sie im letzten Dezember mehr als einmal in dieser Dusche geliebt, aber daran durfte er jetzt nicht denken.

Offenbar fiel ihr genau dasselbe ein, doch dieser Ausdruck verschwand gleich wieder aus ihrem Gesicht. „Das heißt nicht, dass ich Besuch will“, erklärte sie angespannt.

„Danke“, sagte Riley. „Aber ich kann nicht reinkommen.“

„Ich habe dich auch gar nicht eingeladen!“

„Umso besser. Ich muss nämlich arbeiten.“

Sie presste die Lippen zusammen, und sofort musste Riley daran denken, wie sich diese Lippen auf seinem Körper angefühlt hatten, aber das verdrängte er schnell wieder.

Freundschaftliche Gedanken!

„Was willst du, Riley?“

Er zwang sich, diese Frage nicht sexuell zu verstehen. „Wusstest du, dass ich Jazz so sehr mag, dass ich für eine gute Band hundert Meilen fahre?“

„Nein.“

„Das dachte ich mir. Wir wissen eigentlich nicht besonders viel voneinander. Mir ist nicht mal klar, ob du Jazz überhaupt magst.“

Sie kniff die Augen zusammen, als würde sie überlegen, worauf er hinauswollte. „Doch, schon“, gab sie dann widerstrebend zu.

„Wen magst du lieber? Benny Goodman oder Duke Ellington?“

„Den Duke.“

„Ella Fitzgerald, Billie Holiday oder Sarah Vaughan?“

„Ella.“

„Louis Armstrong oder …“

„Hör auf“, unterbrach sie ihn.

„Weil es sowieso keinen Besseren als Satchmo gibt?“

Sie nickte und erwiderte sein Lächeln. Riley fragte sich, wie er einen ganzen Monat lang mit ihr hatte zusammen sein können, ohne zu erfahren, dass sie seine Leidenschaft für Jazz teilte.

„Was hältst du davon, heute nach Savannah zu fahren? Razzamajazz ist zwar nicht ganz so gut wie die Besten des Jazz, aber doch die Fahrt wert.“

„Nach Savannah? Mit dir?“ Das Lächeln war verschwunden. Kate sah Riley vorsichtig an.

„Mit mir und meinen Freunden Lauren, Ben und Mark“, erklärte er. „Du bist ihnen wahrscheinlich letztes Jahr mal begegnet.“

Sie schüttelte den Kopf. „Du hast mich damals überhaupt keinen Freunden vorgestellt.“

Das war ein weiterer Fehler gewesen. Er war so blind vor Lust gewesen, dass er all die üblichen Dinge versäumt hatte, die Paare stärker aneinander banden.

„Ich tue es heute Abend“, versprach er. „Wir wollen zum Dinner in die River Street gehen, danach zum Konzert und dann wieder nach Hause fahren. Wir nehmen mein Auto, also sei gegen sechs fertig.“

„Ich habe nicht gesagt, dass ich mitkomme.“

„Du hast auch nicht nein gesagt.“

Sie presste wieder die Lippen zusammen, und Riley wartete. So musste sich ein Angeklagter fühlen, bevor die Jury das Urteil verkündete.

„Ich kann nicht.“

„Wieso nicht?“, fragte Riley und sah dann zu, wie Kate sich eine Ausrede überlegte.

„Ich fahre heute nach Columbia, um mir ein paar neue Möbelläden anzusehen und Weihnachtseinkäufe zu erledigen“, erklärte sie schließlich. „Bis sechs kann ich gar nicht zurück sein.“

„Fahr morgen hin.“

„Das ist unmöglich.“

Er hätte sie gern überredet, zum Teil deshalb, weil sie die Fahrt nach Columbia wahrscheinlich ohnehin eben erst erfunden hatte, aber vor allem, weil er den Abend mit ihr verbringen wollte.

Doch er zwang sich, diesem Drang zu widerstehen. „Dann vielleicht ein andermal. Wir fahren so etwa zwei Mal im Monat irgendwohin auf ein Jazzkonzert.“

Als er gleich darauf die Treppe hinunterlief, musste er sich eingestehen, dass es doch etwas ganz anderes sein würde, wenn Kate mitkam. Von Ben oder Mark hatte er nie geträumt. Und auch bei Lauren hatte er sich nie vorgestellt, wie sie nackt aussah.

Er tröstete sich damit, dass seine Gedanken über Kate wenigstens nicht unfreundschaftlich gewesen waren.

Kate stieg die Treppe zum dritten Stock hinauf, hielt sich am Geländer fest und zerdrückte dabei ein Stück Girlande. Da erst fiel ihr auf, dass das gesamte Geländer weihnachtlich geschmückt war, mit roten Schleifen in regelmäßigen Abständen.

Wo auch immer sie hinging, es sah nach Weihnachten aus.

Sie hasste es, ein Spielverderber zu sein, aber all dieses Zeug erinnerte sie unweigerlich an Riley. Sie hatte versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, indem sie nach Columbia fuhr, aber dann hatte sie beim Anblick von Weihnachtsbäumen, Weihnachtslichtern und Weihnachtsmännern jedes Mal an ihn denken müssen.

Und da sie die meiste Zeit in Einkaufszentren verbracht hatte, war das mehr oder weniger ununterbrochen so gewesen.

Sie hatte sich ein Hotelzimmer genommen, statt am selben Tag zurückzufahren, nur um sicherzustellen, dass Riley abends nicht bei ihr anklopfte.

Und auch heute hatte sie es geschafft, eine Begegnung zu vermeiden. Sie war gerade lange genug zu Hause gewesen, um ihre Einkäufe wegzupacken und den Anrufbeantworter abzuhören. Zwei Nachrichten von ihrer Mutter, keine von Riley. Dann war sie wieder geflüchtet.

Nein, nicht geflüchtet. Weggegangen. Sie und Julia Carmichael, die mit ihrem Mann vor einem Monat oben eingezogen war, wollten den Abend zusammen verbringen, nur unter Frauen.

„Ich bin so froh, dass wir das tun“, sagte Julia und stellte eine Schüssel Popcorn auf den Tisch. „Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich damit gewartet habe, bis Phil auf Geschäftsreise ist.“

„Mir ist vollkommen bewusst, wie sehr ein frisch gebackener Ehemann einen in Atem halten kann“, sagte Kate.

„Kannst du uns etwa hören?“ Julia legte eine Hand vor den Mund. „Ich hätte es mir denken können. Das Bett quietscht so schrecklich, aber vielleicht kann ich Phil dazu bringen, weniger laut zu sein.“

Kate verkniff sich das Lachen. „Julia, das habe ich nicht gemeint. Ich kann euch nicht hören.“

„Oh.“ Jetzt war Julia so verlegen, dass Kate lachen musste. Gleich darauf stimmte Julia mit ein, und nun mochte Kate sie noch lieber.

„Du musst mich für ziemlich dumm halten“, sagte Julia dann.

„Ich finde eher, dass du großes Glück hast. Falls Phil einen Bruder hat, musst du ihn mir vorstellen.“

„Keinen Bruder.“ Julia wischte sich die Tränen ab.

„Wie wäre es mit einem Cousin? Einem Freund? Einem Kollegen? Einem männlichen Bekannten?“

Julia riss die Augen weit auf. „Meinst du das ernst? Du willst verkuppelt werden?“

„Je eher, desto besser.“

„Aber habe ich dich nicht in den letzten Wochen mit vier verschiedenen Männern gesehen?“

„Fünf.“

„Wozu brauchst du mich dann noch?“

„Ich fürchte, ich habe alle durch, die ich kenne.“

Julia lachte. „Als Lehrerin habe ich hauptsächlich weibliche Kollegen, aber ich werde Phil fragen. Ich glaube, bei ihm im Büro arbeiten ein paar Singles. Suchst du was Bestimmtes?“

„Ja.“ Kate zählte es an den Fingern ab. „Männlich, allein stehend, heterosexuell.“

„Aha, die drei Voraussetzungen. Ich würde ja den Mieter von unten vorschlagen, wenn ich nicht wüsste, dass ihr einfach befreundet seid.“

Da war das Wort wieder. Aber vielleicht meinte Julia gar nicht Riley. Unten wohnte mehr als ein Mann. „Meinst du Thomas oder Frederick?“, fragte Kate.

Julia verzog das Gesicht. „Du hast doch drei Voraussetzungen aufgezählt, und die beiden sind immer zusammen. Nein, ich habe Riley gemeint.“

Kate stöhnte. „Aber er und ich …“

Es klingelte an der Tür, und Julia stand auf. „Da wir gerade von Riley sprechen, das ist er wahrscheinlich. Er wollte Pizza und Bier mitbringen.“

Kates Herz begann heftig zu klopfen. „Du hast ihn eingeladen?“

Julia ging um das Sofa herum. „Irgendwie hat er sich selbst eingeladen. Aber da ihr beide befreundet seid, macht es dir ja sicher nichts aus.“

Kate hatte nicht genug Zeit, sich zu wappnen, bevor Riley hereinkam. Er trug ausgebleichte Jeans und hatte wieder Bartstoppeln im Gesicht. Wie konnte ein Mann, der eigentlich für einen Anzug wie geschaffen war, in lässiger Kleidung so toll aussehen?

„Hallo, Kate.“ Er lächelte charmant, bevor er ein Sixpack Dixie-Bier und eine Schachtel mit heißer Pizza auf den Couchtisch stellte.

Er steuerte direkt auf Kate zu, und sie spürte den Drang, sich Luft zuzufächeln. Wie konnte Riley bloß glauben, sie könnten einfach Freunde sein? Hatte er neulich denn gar nichts mitbekommen? Empfand er auch jetzt gar nichts?

Als er bei ihr angekommen war, beugte er sich vor. Kate drückte sich gegen die Sofalehne, aber Rileys sauberer, männlicher Duft stieg ihr trotzdem in die Nase, und ihr wurde schwindlig. Sein Gesicht kam näher, so nah, dass sie es schon nicht mehr scharf sehen konnte. Und dann küsste er sie … auf die Wange.

Ihre Haut prickelte. Sie bekam kaum noch Luft. Aber Riley schien davon nichts zu merken. Er setzte sich neben sie. „Habe ich was verpasst?“

„Nicht viel.“ Julia brachte Teller und Servietten und setzte sich dann in einen Sessel, der im rechten Winkel zum Sofa stand. „Kate hat gefragt, ob ich jemanden kenne, mit dem ich sie verkuppeln kann.“

„Wirklich?“ Riley sah Kate interessiert an. „Ich dachte, sie hat schon reichlich Verabredungen.“

„Das stimmt, aber keiner der Männer war der Richtige. Stimmt das nicht, Kate?“

„So würde ich das nicht ausdrücken“, begann Kate.

„Das hast du aber getan, bevor Riley gekommen ist. Hey, hast du ihn eigentlich schon gefragt, ob er jemand kennt?“

Kate riss sich zusammen. „Das wäre wohl etwas seltsam, wenn man bedenkt, dass wir mal ein Paar waren.“

„Das wart ihr? Wie schön, dass ihr trotzdem Freunde geblieben seid! Aber das löst dein Männerproblem nicht“, meinte Julia. „Warte mal. In meinem Webdesign-Kurs ist ein richtig netter Arzt.“

„Ein Arzt.“ Kate bemühte sich, beeindruckt zu klingen. „Wie kann ich ihn kennen lernen?“

„Einige von uns gehen nach dem Kurs immer noch was trinken. Montags um neun bei Hanrahan’s. Ich bin ziemlich sicher, dass er morgen auch da sein wird.“

„Dann komme ich hin“, sagte Kate.

„Sie könnten auch kommen, Riley“, schlug Julia vor. „Um sie zu unterstützen.“

„Das ist keine so gute Idee“, widersprach Kate. „Riley hat bestimmt bessere Dinge zu tun als mir zu helfen, einen Mann zu finden.“

„Wie auch immer.“ Julia sah nun die DVDs durch. „Was wollt ihr sehen? ‚Während du schliefst‘, ‚When a Man Loves a Woman‘, ‚Casablanca‘ oder ‚Der letzte Mohikaner‘?“

„Den letzten“, sagte Kate schnell, bevor Julia noch mehr romantische Filme aufzählen konnte. Mit Riley neben sich wollte sie lieber Action sehen. „Der soll gut sein.“

„Das ist er. Was meinen Sie, Riley?“

„Ich bin einverstanden.“ Er streckte einen Arm auf der Rückenlehne des Sofas aus.

Kate rückte näher an die Seitenlehne, so weit weg von Riley wie möglich. Und dann sah sie zwei Stunden lang zu, wie Daniel Day-Lewis sein Leben riskierte, um Madeleine Stowe vor angreifenden Indianern zu retten.

„Ist das nicht unglaublich romantisch?“, seufzte Julia schließlich. „Er hat sie gefunden, genau wie er es versprochen hat.“

„Dazu hat er allerdings gerade mal fünf Minuten Filmzeit gebraucht.“ Riley steckte sich Popcorn in den Mund. „Das macht es etwas weniger großartig, finde ich.“

Kate sah das anders, behielt ihre Meinung jedoch für sich. Als Nächstes stimmte sie für den „Terminator“. Den hatte sie nie gesehen, aber sie hatte gehört, dass es jede Menge Leichen gab.

Niemand hatte je erwähnt, dass es auch eine Liebesgeschichte war.

Als der Abspann über den Bildschirm lief, wischte sie sich die Tränen ab.

„Warst du nicht auch neidisch auf Linda Hamilton?“ Julia war ähnlich gerührt.

Kate schniefte. „Man muss sich bloß mal vorstellen, dass jemand durch die Zeit reist, um einen zu retten.“

„Wie soll man da neidisch werden?“, fragte Riley. „Sie ist den ganzen Film über vor einem unzerstörbaren Killerroboter davongelaufen.“

Kate sah ihn an und schüttelte den Kopf. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie die ganze Zeit gegen ihre Lust auf Riley hatte ankämpfen müssen.

Vor elf Monaten hatte sie ihn gewollt, und jetzt wollte sie ihn immer noch, genauso wie Cora Falkenauge gewollt hatte oder der Mann aus der Zukunft Sarah. Aber Kate war inzwischen klüger geworden. Sie wusste, dass Riley nie für sie gegen Indianer kämpfen oder durch die Zeit reisen würde.

„Wenn du das nicht verstehst, würde es zu lange dauern, es dir zu erklären.“ Sie stand auf. „Und ich muss jetzt gehen.“

„Das kannst du nicht“, protestierte Julia. „Es ist erst zehn, und wir haben ‚Braveheart‘ noch nicht gesehen.“

Kate schüttelte den Kopf. Sie würde sich keinen weiteren Liebesfilm ansehen, der angeblich ein Actionfilm war. „Braveheart“ kannte sie schon. Der Hauptgrund dafür, dass Mel Gibson mit blauer Farbe im Gesicht für die Freiheit Schottlands kämpfte, war, dass die Engländer seine geliebte Frau ermordet hatten.

„So lange habe ich seit Jahren nicht mehr still gesessen“, behauptete sie. „Außerdem rebelliert mein Magen gegen all die Pizza und das Popcorn.“

„Dann lass mich dich nach unten begleiten.“ Riley stand ebenfalls auf.

„Nein, nein.“ Es ärgerte Kate, dass ihre Stimme schrill klang. „Du bleibst hier.“

„Auf keinen Fall. Ich bin ziemlich sicher, dass ich ein Mittel gegen Verdauungsstörungen habe. Was wäre ich denn für ein Freund, wenn ich dich leiden lassen würde?“

Riley versuchte sich nicht davon entmutigen zu lassen, wie schnell Kate die Treppe hinunterlief. Sie wollte ihn ganz offensichtlich loswerden, aber das musste er ihr ja nicht allzu leicht machen.

„Du hättest gestern in den Jazzclub mitkommen sollen“, sagte er, als sie ihr Stockwerk erreicht hatten. „Razzamajazz haben zu Ehren von Satchmo all seine Stücke gespielt.“

Kate wirbelte zu Riley herum. „Das soll wohl ein Witz sein!“

„Tatsächlich ist es einer. Aber ich wollte, dass es dir leid tut, dass du nicht mitgekommen bist. Zumal es wirklich eine gute Show war.“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich Weihnachtseinkäufe erledigen musste.“

„Du hast auch gesagt, du hättest Verdauungsstörungen nach einem einzigen Stück Pizza.“

Sie wich seinem Blick aus, während sie den Schlüssel aus ihrer Jeanstasche nahm. „Dann war es wohl das Popcorn.“

„Wie viel hast du davon gegessen? Zwei Hand voll?“

Kate hob die Hände. „Okay. Du hast mich erwischt. Ich habe das bloß gesagt, um gehen zu können.“

„Ich dachte, du magst Julia.“

„Das stimmt auch. Du bist es, mit dem ich ein Problem habe.“

„Was denn für eins?“

„Das mit der Freundschaft“, platzte sie heraus. „Ich habe dir am Freitag schon gesagt, dass das nicht funktionieren wird. Und nach dem heutigen Abend bin ich mir noch sicherer.“

Das war Riley nicht. Zwar hatte er an diesem Abend mehrere Male ein Kissen auf seinen Schoß legen müssen, aber er hatte sich wie ein Freund verhalten, und so würde er auch weitermachen. Er würde sich anhören, was Kate zu sagen hatte. Letztes Jahr hatte er viel zu selten zugehört.

„Erklär mir, warum du glaubst, dass wir nicht befreundet sein können.“

„Du weißt warum“, fuhr sie ihn an. „Weil wir eine gemeinsame Geschichte haben.“

„Du meinst, was Sex angeht?“

Kates Augen blitzten auf. „Ja.“

„Darüber habe ich nachgedacht.“ Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. „Wenn wir es einfach ignorieren, können wir vielleicht darüber hinwegkommen.“

„Es ignorieren!“ Sie legte eine Hand auf sein Herz, das sofort schneller schlug. Und Kates Puls raste ebenfalls. „Wie willst du das denn schaffen?“

„Mit Willenskraft?“, schlug er vor.

Sie schaute ihn an. Er hätte bloß ein winziges bisschen vorrücken müssen, um sie zu küssen.

„Glaubst du wirklich, dass wir davon genug haben?“, fragte sie.

Er atmete ihr würziges Parfüm ein, und sein Herz schlug schneller. Dann lehnte er seine Stirn gegen die von Kate, was er früher auch oft getan hatte, wenn er seine Begierde etwas zähmen wollte. Damals hatte es nicht funktioniert, und jetzt funktionierte es ebenso wenig.

Die vertraute Hitze stieg in ihm auf. Seine Selbstbeherrschung brach zusammen. Er umfasste Kates Hinterkopf und zog sie näher zu sich heran.

Sobald ihre Lippen aufeinander trafen, war es um ihn geschehen. Sie schmeckte leicht nach Popcorn, aber beim Popcorn-Essen konnte er nach ein paar Hand voll wieder aufhören. Von Kate dagegen würde er nie genug bekommen. Wann immer er sie berührte, wurde er von Leidenschaft überwältigt. Jetzt legte er eine Hand auf ihren Rücken und zog sie noch dichter an sich.

Er hatte eine ganze Reihe von Frauen geküsst, weil er gehofft hatte, diese eine vergessen zu können, aber keine war mit Kate zu vergleichen. Er küsste sie immer wieder.

Warum nur hatte er sie gehen lassen? Warum hatte er nicht härter darum gekämpft, sie zu behalten, da er nun mal nicht ohne sie leben konnte?

Sie öffnete den Mund. Das war eine Einladung, und Riley vertiefte den Kuss, während er gleichzeitig Kates Schultern streichelte. Seine Zunge spielte mit ihrer, und die vertrauten Empfindungen durchströmten ihn.

Diese überwältigende Begierde war nichts Neues. So war es jedes Mal gewesen, wenn sie sich geküsst hatten.

Am liebsten hätte Riley Kate die Kleidung heruntergerissen und hätte sie auf der Stelle geliebt, immer wieder, bis sie beide vor Vergnügen gar nicht mehr denken konnten.

Vor einem Jahr hätte er genau das getan.

Dabei war allerdings außer großartigem Sex so gut wie nichts herausgekommen. Es war keine Bindung zwischen ihnen entstanden, die stark genug gewesen wäre, damit sie zusammenblieben. Und jetzt wäre Sex ebenfalls nicht genug gewesen. Erst mussten sie sich außerhalb des Bettes richtig kennen lernen.

Also ignorierte Riley seine sämtlichen Impulse. Er brach den Kuss ab.

Dann bemühte er sich, ganz ruhig zu wirken, während er mit der Versuchung kämpfte, Kate gleich wieder zu küssen.

Sie atmete unregelmäßig. Als er ihr das Haar aus dem Gesicht strich, zitterten seine Hände, so sehr musste er sich zusammenreißen.

Aber er durfte einfach nicht von seinem Plan abweichen. Dafür war die Sache zu wichtig. Kate selbst war zu wichtig. Er schluckte und schaffte es, dass seine Stimme ganz normal klang. „Ich denke, wir sollten einander besser kennen lernen, bevor wir miteinander schlafen.“

Kate schlug seine Hand weg. „Ich werde nicht mit dir schlafen! Ich habe nur zugelassen, dass du mich küsst, um etwas zu beweisen.“

Ihre Lippen waren voller von dem Kuss, und die Leidenschaft in ihren Augen war unübersehbar. Riley verkniff sich die Bemerkung, dass sie ihn offenbar mehr wollte, als ihr recht war.

Er ließ die Hände sinken, obwohl es ihn einige Überwindung kostete, und trat zurück.

„Das ist wahrscheinlich ganz richtig so“, sagte er, nachdem er die paar Schritte bis zu seinem Apartment zurückgelegt hatte. „Wir müssen erst mal eine echte Freundschaft aufbauen.“

4. KAPITEL

Als Kate am nächsten Abend zu Hanrahan’s kam, war sie entschlossen, ihre Wut auf Riley zu verdrängen.

Irgendwie hatte er es so hingestellt, als wäre er selbst auf Freundschaft aus, dass sie dagegen Sex wollte.

Aber den hatten sie schon gehabt, und hinterher hatte sie es bereut.

Sie konnte ebenso gut jemand anderen finden, mit dem sie ins Bett gehen würde. Jemanden, der tatsächlich mehr von ihr wollte als nur Sex. Vielleicht würde es ja dieser nette Arzt sein, wegen dem sie hergekommen war.

An der Bar tranken ein paar Leute Bier und sahen sich ein Basketballspiel im Fernsehen an, aber viel interessanter waren die drei Musiker, die auf einer Bühne spielten.

Kate entdeckte Julia an einem großen Tisch, der nicht weit von der Band entfernt stand.

Sie strich ihren Minirock glatt, rieb die Lippen gegeneinander, um das kürzlich aufgetragene Lipgloss gleichmäßig zu verteilen, und ging dann entschlossen auf den Tisch zu.

Dort saßen sechs Freunde von Julia.

Kate sagte sich, dass sie ja wohl nicht so scharf auf Riley sein konnte, wenn sie hier war, damit Julia ihr einen neuen Mann vorstellen konnte. Oder?

Sie sah sich nach diesem Mann um, von dem Julia erzählt hatte, und da fiel ihr Blick auf das Gesicht, das sie noch vor weniger als vierundzwanzig Stunden gestreichelt hatte. Riley. Er hob eine Hand zum Gruß.

Kates Ärger wuchs wieder. Es war typisch für Riley, jetzt aufzutauchen und alles zu ruinieren. Wahrscheinlich …

Doch was immer sie sich gedacht hatte, stimmte wohl nicht, denn er drehte sich zu der Frau neben ihm um. Sie hatte kurzes schwarzes Haar und ein umwerfendes Lächeln.

Wer war das? Und was hatte Riley mit ihr zu schaffen?

„Kate, hierher.“ Julia deutete auf einen leeren Stuhl neben ihrem und direkt gegenüber von Riley.

Kate setzte ein Lächeln auf, von dem ihr bald die Mundwinkel wehtaten, und setzte sich.

„Dies ist meine Freundin Kate“, stellte Julia sie allen vor, laut genug, um den Sänger zu übertönen, der eine Mischung aus Reggae und Rap von sich gab.

Kate nickte jedem einzelnen am Tisch zu, während Julia die Namen nannte, und bemühte sich, auch kein anderes Gesicht zu machen, als Riley an die Reihe kam. Obwohl er ihr zuzwinkerte.

Doch nachdem alle vorgestellt worden waren, hatte Kate sich nur einen einzigen Namen gemerkt: den der Frau, die Riley anhimmelte. Lana Murphy.

Bei näherer Betrachtung schien Lana etwa zehn Jahre älter zu sein als Riley. Außerdem hatte sie einen leichten Überbiss, doch dieser kleine Makel machte sie eher noch attraktiver.

„Ihr Outfit ist toll“, sagte Lana jetzt zu ihr. „Besonders die Fischnetzärmel des Pullovers.“

„Danke“, antwortete Kate, aber Lana strahlte schon wieder Riley an.

Kate stieß Julia mit dem Ellbogen an und sprach ihr direkt ins Ohr. „Was tut Riley hier?“

„Ich bin ihm heute Morgen über den Weg gelaufen, und da habe ich vorgeschlagen, dass er auch kommt. Und er scheint sich gut zu amüsieren, nicht?“

„Also …“

„Was hältst du nun von Matt? Er sieht doch sehr gut aus, oder?“, fragte Julia.

„Welcher Matt?“

Julia verdrehte die Augen. „Der Arzt. Er sitzt doch direkt neben dir. Nun rede schon mit ihm.“

Kate drehte sich um, und da saß wirklich dieser attraktive Doktor. Er war ungefähr fünf Jahre älter als sie und sah auf eine typisch amerikanische Art gut aus, mit Grübchen und himmelblauen Augen.

„Hi. Ich bin Kate.“

Die Grübchen vertieften sich. „Ich weiß. Ich habe ja schließlich aufgepasst, als Julia Sie vorgestellt hat. Was möchten Sie trinken?“

„Einen Gin Tonic.“

Er gab der Kellnerin ein Zeichen, was bei all dem Betrieb nicht leicht war. In weniger als einer Minute stand ein Gin Tonic vor Kate.

„Danke.“ Er bat Kate, etwas von sich zu erzählen, und erzählte dann von Kinderheilkunde, seinen Neffen und seiner ehrenamtliche Arbeit in einem Obdachlosenheim.

Gegenüber rückte Lana dichter an Riley heran. War Riley an ihr interessiert? Kate konnte es nicht beurteilen. Er schreckte nicht vor ihr zurück, beugte sich andererseits aber auch nicht vor.

„Ich mache diesen Webdesign-Kurs mit, weil das etwas so völlig anderes als die Medizin ist“, sagte Matt gerade. „Seitdem nennen mich alle bei der Arbeit Computerfreak.“

Konzentrier dich auf den Arzt, ermahnte Kate sich. Sag etwas. Irgendwas.

„Ich bin sicher, Sie geben einen guten Computerfreak ab“, sagte sie.

Er lachte. „Das ist jetzt genug über mich. Julia hat erwähnt, dass Sie Innenarchitektin sind. Sind Sie selbstständig oder bei einer Firma angestellt?“

Sie erzählte ihm von ihrer Firma und erwähnte, als er nachfragte, dass sie hoffentlich bald auch Hotels und Gaststätten einrichten konnte. „Ich bin erst sechsundzwanzig, also hatte ich noch keine richtig großen Projekte, aber jetzt stelle ich mir eine Mappe zusammen, mit der …“

Lana lachte, was irgendwie nach einem Trillern klang, und Kate brach ab. Lanas Hand lag auf Rileys Arm, und Lana sagte ihm etwas direkt ins Ohr. Riley starrte geradeaus. Sein Blick traf auf Kates.

Als sie damals zusammen gewesen waren, hatte sie ihm einmal gesagt, dass er in roter Kleidung am besten aussah. Heute trug er etwas Rotes, und das erklärte wohl auch, warum er so toll aussah. Allerdings fand Kate ihn ganz ohne Kleidung noch attraktiver.

Ihr wurde so heiß, als würde sie unter einer warmen Dusche stehen. Ärgerlich brach sie den Augenkontakt mit Riley ab und wandte sich wieder Matt zu.

„Was geht da vor?“, fragte er so leise, dass niemand außer Kate es hören konnte. „Was bedeutet Ihnen der Kerl dort?“

„Ich weiß nicht, was Sie meinen“, log Kate.

„Doch. Sie sehen ihn dauernd an. Waren Sie früher mal mit ihm zusammen, oder sind Sie jetzt scharf auf ihn?“

„Früher mal“, gab Kate widerstrebend zu. „Aber das ist schon seit fast einem Jahr vorbei. Zwischen uns ist nichts mehr.“

„Wirklich nicht?“ Matt hob eine Augenbraue.

„Wirklich nicht.“ Kate schaute schon wieder zu Riley hinüber, und als er sie dabei erwischte, wandte sie sich schnell ab. „Ich schätze, er versucht bei Lana zu landen. Wer ist sie überhaupt?“

„Eine allein erziehende Mutter, seit ungefähr zehn Jahren geschieden. Sie arbeitet als Friseuse und macht den Kurs mit, weil sie eine Website für den Schönheitssalon einrichten will, bei dem sie arbeitet.“ Matt sah Kate scharf an.

„Ich habe mich bloß erkundigt, weil Riley und ich noch befreundet sind.“

„Tatsächlich?“ Wieder hob Matt eine einzelne Augenbraue.

„Nein, eigentlich nicht“, gab Kate zu. „Riley sagt, dass er mit mir befreundet sein will, aber ich bin ziemlich sicher, dass er mit mir schlafen will.“

„Dann ist er immer noch in Sie verliebt?“

Der Sänger hüpfte auf der Bühne herum, als wollte er bei den Rolling Stones einsteigen, und brüllte einen Song, der keine erkennbare Melodie hatte. Kate beugte sich näher zu Matt, um sicherzustellen, dass niemand sonst sie hören konnte.

„Das ist es ja gerade. Er war nie wirklich in mich verliebt. Ein Mann muss nicht in eine Frau verliebt sein, um Sex mit ihr haben zu wollen, wissen Sie?“

„Ich weiß“, sagte Matt.

Der Möchtegern-Rolling-Stone kündigte eine Pause an. Ein paar Sekunden lang war es geradezu unnatürlich still, doch dann begann die Jukebox zu spielen. Kate bekam immer noch nichts von der Unterhaltung zwischen Lana und Riley mit.

Julia zog an ihrem Ärmel. „Was hältst du von Matt?“, flüsterte sie Kate ins Ohr.

„Er ist sehr nett“, antwortete Kate ehrlich.

„Dann frag ihn, ob er mit dir ausgehen will“, befahl Julia ihr, bevor sie sich wieder dem Mann an ihrer anderen Seite zuwandte.

Wieso nicht? Matt war nicht nur nett, sondern auch ein guter Zuhörer. Kate fand, dass sie es schlimmer treffen konnte. Also los.

„Mit ihnen kann man sich prima unterhalten, Matt“, begann sie. „Würden Sie sich gern mal mit mir verabreden?“

„Ja“, antwortete er. „Aber ich treffe mich nicht mit Frauen, die immer noch an ihren Exfreunden hängen.“

„Ich hänge nicht …“

„Doch.“ Matt lächelte traurig. „Falls sich das je ändert, rufen Sie mich an. Julia weiß, wo ich arbeite.“

„Sie irren sich“, sagte Kate, beobachtete jedoch gleichzeitig, wie Riley einen Schluck Bier trank. Er prostete ihr mit dem Krug zu, und sie sah schnell wieder weg.

„Es wäre schön, wenn ich mich irren würde“, meinte Matt. „Aber das glaube ich nicht.“

Kate verbrachte die nächste Viertelstunde damit, Augenkontakt mit Riley zu vermeiden, um zu beweisen, dass sie nicht an ihm hing, aber das war so anstrengend, dass sie bald ganz erschöpft war. Als die Band auf die Bühne zurückkehrte, stieß Kate Julia an. „Ich gehe jetzt.“

„Mit Matt?“

„Das hat nicht funktioniert, aber danke, dass du an mich gedacht hast.“ Sie stand auf, bevor Julia weitere Fragen stellen konnte, verabschiedete sich bei den anderen Leuten am Tisch und achtete darauf, Riley keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Sie winkte kurz und ging dann zum Ausgang, wobei sie versuchte, nicht daran zu denken, wann Riley die Bar wohl verlassen würde. Oder wer bei ihm sein würde, wenn er das tat.

Sie trat in die Nacht hinaus, holte die Autoschlüssel aus der Handtasche, drückte den Knopf für die Zentralverriegelung und zuckte zusammen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte.

Autor

Debbi Rawlins

Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...

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