Tiffany Exklusiv Band 77

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NUR EIN SINNLICHES SPIEL? von ELIZABETH BEVARLY
Angefangen hat alles mit einer gemeinsamen Hypnose. Seitdem knistert es wie verrückt zwischen ihnen! Turners heiße Küsse sind wie ein erotisches Vorspiel, und seine raffinierten Zärtlichkeiten lassen Becca nur an eines denken: Endlich Sex mit ihm zu haben …

WER MIT DEM FEUER SPIELT von KATHLEEN O’REILLY
Als sie in der Firma zufällig denselben Fahrstuhl nehmen, nutzt Jessica die Chance: Sie zeigt Adam, wie unwiderstehlich sie ihn findet. Zwar könnte er ihren Aufstieg im Unternehmen gefährden, trotzdem kann Jessica nicht die Finger von ihm lassen. Das Spiel mit dem Feuer wird jeden Tag heißer!

ZWEI WOCHEN VOLLER LEIDENSCHAFT von JENNIFER LABRECQUE
Tammys neuer Nachbar Niall, scheint genau der Richtige für eine heiße Affäre zu sein: groß, gut gebaut und überaus sexy! Schon bald verbringen sie sinnliche Stunden auf Tammys Veranda unterm sternklaren Himmel. Es wird allerdings kompliziert, als Niall plötzlich von Liebe spricht ...


  • Erscheinungstag 03.01.2020
  • Bandnummer 77
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726928
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Elizabeth Bevarly, Kathleen O’Reilly, Jennifer Labrecque

TIFFANY EXKLUSIV BAND 77

1. KAPITEL

„Wir müssen damit aufhören, Turner“, flüsterte Becca Mercer in der dunklen Abstellkammer, in die sie und ihr Kollege sich vor dem Stumpfsinn ihres Jobs geflüchtet hatten, um ihrem geheimen kleinen Laster zu frönen. Doch noch während sie die Nachwirkungen ihres verbotenen Handelns genossen, wusste Becca, dass das, was sie sagte, vergebens war. Es würde nicht lange dauern, bis ihr schmutziges Verlangen von Neuem erwachte. Es war, als hätte es ein Eigenleben. Doch vorerst war Becca noch zufrieden und entspannt, und sie schloss die Augen, um das angenehme Gefühl auszukosten.

Um nichts auf der Welt wollte sie auf diese heimlichen Momente mit Turner verzichten. Sie konnte sich glücklich schätzen, jemanden wie ihn zu haben, dessen Lust auf diese verbotenen Handlungen ebenso unstillbar war wie ihre. Mit seinen blauen Augen und dem leicht zerzausten Haar wurde er von vielen Frauen begehrt. Langsam fuhr Becca sich durch die schulterlangen goldbraunen Haare, die noch von dem, was sie gerade getan hatten, dufteten. Sie liebte diesen Duft.

Turner und sie gingen in die winzige Abstellkammer am Ende des Flurs, wann immer der Drang ihrer gemeinsamen Leidenschaft zu groß wurde. Aus heiterem Himmel tauchten sie dann aus ihren gegenüberliegenden Büroabteilen bei Englund Advertising auf, ihre Blicke trafen sich, und sie wussten, dass sie es ganz schnell brauchten. Manchmal, besonders unter Termindruck, mussten sie sich bis zu fünf Mal am Tag in diese Kammer flüchten, so groß war ihr Bedürfnis.

„Wir müssen aufhören mit dieser Heimlichtuerei“, fügte Becca leise hinzu, obwohl sie gleichzeitig das Ende ihrer heimlichen Treffen während der Arbeit fürchtete. „Was ist, wenn uns jemand erwischt?“

„Und wenn schon?“, flüsterte Turner. „Ich habe ohnehin genug davon, es zu verheimlichen. Wir sind erwachsene Menschen und geben einfach einem natürlichen Verlangen nach, mehr nicht.“

„So natürlich ist es nicht“, konterte sie. „Nicht, wenn es dermaßen stark ist. Außerdem geben wir ihm nicht nach, wir erliegen ihm regelrecht.“

Turner murmelte zufrieden etwas und stieß sie mit dem Ellbogen an. „Ja, Süße, und genau so mag ich es.“

„Aber wir müssen aufhören. Es könnte uns den Job kosten. Und es könnte uns persönlich schaden. Es wird allmählich gefährlich.“

„Mag sein, dass es gefährlich wird“, räumte er ein, „aber du kannst ebenso wenig damit aufhören wie ich. Wir haben es versucht, Becca. Das weißt du. Und trotzdem haben wir immer wieder damit angefangen. Seit wir Teenager waren, hat es uns im Griff. Wir können nicht aufhören. Es ist für uns beide eine Sucht.“

Das stimmt, dachte sie, denn sie kannte Turner McCloud so gut wie sich selbst. Sie waren in der ersten Klasse Freunde geworden, als der gemeinsame Anfangsbuchstabe ihres Nachnamens ihnen einen Platz nebeneinander im Klassenraum beschert hatte. Sie entdeckten gleich eine Gemeinsamkeit, da sie beide Brote mit Erdnussbutter und Banane in Star-Wars-Brotdosen mitgebracht hatten. Jahr um Jahr saßen sie Dank der Beliebtheit der alphabetischen Einteilung nebeneinander, was ihre Freundschaft festigte.

Frustriert vom engen Kleinstadtleben in Indiana, legten sie als Teenager das übliche wilde Benehmen an den Tag. Eine Angewohnheit ließ sie nicht mehr los, und sie genossen sie gemeinsam, so oft sie konnten. Sie wussten, dass sie es lieber nicht tun sollten, waren aber unfähig, zu widerstehen. Sie erzählten niemandem davon, aus Furcht, andere würden versuchen, sie zum Aufgeben zu bewegen. Nach der High School besuchten sie gemeinsam die Indiana University und stellten fest, dass ihre Sucht fernab von zu hause nur noch größer wurde. Als Erwachsene fanden sie Arbeit in Indianapolis, sodass sie zusammenbleiben konnten, und da die Großstadt in diesen Dingen toleranter war, fanden sie genug Möglichkeiten und Wege, ihrem Verlangen nachzugeben.

Unglücklicherweise galt das nicht für ihren Arbeitsplatz.

„Erinnerst du dich noch an das erste Mal?“, fragte Turner jetzt. „Es war verboten, und wir wussten, dass wir es nicht tun sollten. Alle warnten uns vor den Gefahren, sagten uns, wir seien zu jung und würden es nicht vertragen. Aber wir haben es sehr gut vertragen, nicht wahr, Becca? Und es war so gut beim ersten Mal, dass wir es gleich noch mal machen mussten. Du warst sogar noch schärfer darauf als ich. Erinnerst du dich?“

Die Augen immer noch geschlossen, ließ Becca die Erinnerungen an jene Zeit an sich vorbeiziehen. Sie waren in ihrem vorletzten Jahr auf der High School gewesen und hatten der braven Schulfeier entfliehen wollen. Nachdem sie eine Stunde durch die Gegend gefahren waren, hatten sie am Ufer des Ohio River angehalten und waren auf den Rücksitz von Turners rotem Camaro geklettert. Der Vollmond glitzerte auf dem Wasser, eine kühle Brise wehte durch das offene Fenster herein, und sie waren beide aufgeregt und gespannt. Eines führte zum anderen, und dann, plötzlich … plötzlich waren sie gefangen von den angenehmsten Empfindungen, die sie je gehabt hatten.

„Und ob ich mich erinnere“, flüsterte sie. „Es war wunderbar. Die meisten Leute behaupten, das erste Mal sei nicht angenehm. Viele kommen damit nicht klar. Aber du und ich …“

Sie brauchte nicht zu Ende zu sprechen, denn sie wusste, dass Turner sich daran noch ebenso gut erinnerte wie sie. Alles in jener Nacht war ganz natürlich gewesen.

„Ich weiß noch, wie du sie herausholtest und ich sie anfasste“, sagte sie andächtig. „Anfangs hatte ich Angst, eine zu berühren, aber als ich sie dann in die Hand nahm, fühlte es sich gut an, sie einfach zu halten und anzusehen. Aus der Nähe hatte ich noch nie eine gesehen. Sie war so lang und glatt. So … verboten. Und es war so aufregend, sie mir in den Mund zu stecken. Ich wollte es und konnte es kaum erwarten, meine Lippen darum zu schließen. Es war herrlich, daran zu saugen, und dann füllte sich mein Mund mit …“

„Ich erinnere mich“, unterbrach Turner sie mit belegter Stimme. „Es war unglaublich an jenem Abend.“ Er inhalierte tief. „Noch eine, Becca“, sagte er heiser, „bevor wir wieder an die Arbeit gehen. Dann überstehe ich den restlichen Tag. Ich brauche es.“

„Na schön. Ich brauche es auch. Dringend.“

„C’mon, baby, light my fire“, sang er leise.

Beccas Herzschlag beschleunigte sich, als sie die Hand ausstreckte. Doch gerade als ihre Finger sich um das Objekt der Begierde schlossen und sie tatsächlich ein Feuer entfachen wollte, wurde die Tür der Kammer aufgerissen, und grelles Neonlicht erhellte ihre dunkle Höhle.

„Was, zur Hölle, ist denn hier los?“, donnerte eine tiefe Stimme.

Und nicht bloß irgendeine Stimme, sondern die von Robert Englund, dem Namensgeber der Firma, für die Becca und Turner arbeiteten. Und wenn es ein Wort gab, um ihren Chef zu umschreiben, dann war es „tugendhaft“. Unter keinen Umständen konnte er gutheißen, wobei er sie ertappt hatte.

Becca blinzelte im grellen Licht und konnte lediglich die rundliche Silhouette ihres Arbeitgebers ausmachen. Die dröhnende Stimme ließ keinen Zweifel an seiner Wut.

„Ach, verdammt noch mal!“, polterte er los. „Macht ihr zwei das schon wieder? Ihr werdet noch das ganze Gebäude niederbrennen. Wie oft muss ich es euch noch sagen? Hier herrscht absolutes Rauchverbot! Und jetzt macht die Zigarette aus.“ Damit stapfte er davon und ließ Becca und Turner in der Kammer zurück.

„Bist du jetzt endlich überzeugt, dass wir aufhören müssen? Oder wäre es dir lieber, wenn wir unseren Job verlieren?“

Becca zupfte sich einen Fussel von ihrem Pullover und schaute Turner zu, wie er im Konferenzraum von Englund Advertising auf und ab lief. Obwohl sich keiner von beiden besonders um die Kleiderordnung der Firma scherte, da sie für ihren Geschmack ein wenig zu konservativ war, hielt Turner sich insgesamt deutlich weniger daran als Becca.

Seine schwarzen Dockers-Schuhe passten nicht ganz zu den Anzügen, auf denen ihr Arbeitgeber bestand, und statt des vorgeschriebenen weißen Hemdes trug Turner ein cremefarbenes Button-down-Hemd. An die Krawattenvorschrift hielt er sich allerdings, nur dass seine Krawatte mit dürftig bekleideten Hula-Tänzerinnen bedruckt war.

Andererseits hing Beccas Kostümjacke ebenfalls an einem Haken in ihrem Büroabteil, und statt einer Bluse trug sie einen Pullover, also steckte auch in ihr noch etwas Rebellisches.

Draußen hatte es leicht zu schneien begonnen, obwohl es erst Mitte November und daher noch viel zu früh dafür war. Zwanzig Minuten waren vergangen, seit Englund sie beim Rauchen in der Kammer erwischt hatte. Zeit genug, um sie beide in sein Konferenzzimmer zu beordern und ihnen eine ordentliche Standpauke zu halten.

Unter anderem hatte er gesagt, er habe vor, sie beide genau im Auge zu behalten, und dass er ihnen kündigen würde, falls er sie noch einmal beim Rauchen erwischen sollte. Becca wollte sich lieber nicht nach einem neuen Job umsehen, denn ihre jetzige Arbeit gefiel ihr trotz der konservativen Kleiderordnung und des Rauchverbots. Und trotz der fehlenden Bereitschaft, mutige neue Werbung auszuprobieren. Und obwohl das Unternehmen ein vorsintflutliches Image hatte und Kreativität eher unterdrückte als förderte. Trotz der lausigen Zuschüsse zur Krankenversicherung und der aggressiven Rezeptionistin. Und trotz des entsetzlich schlechten Kaffees.

Na schön, vielleicht war sie doch nicht so verrückt nach diesem Job. Aber sie war auch nicht scharf darauf, sich nach einem neuen umzusehen, besonders jetzt, wo Weihnachten vor der Tür stand.

„Turner?“ sagte sie, da er nicht reagierte. „Hast du gehört, was ich gesagt habe?“

„Ja, ich habe es gehört.“ Er machte am anderen Ende des Zimmers kehrt. „Es gefällt mir nur nicht“, fügte er gereizt hinzu. „Es ist nicht fair, dass er eine solche Regel aufstellen kann.“

„Es ist sein Unternehmen“, erinnerte sie ihn. „Er kann so viele Regeln aufstellen, wie er will. Und wenn wir nicht aufhören zu rauchen, wird er uns rausschmeißen.“

„Wir müssen nicht ganz aufhören“, widersprach Turner und blieb stehen. „Wir dürfen es nur nicht mehr am Arbeitsplatz tun.“

„Als ob das so einfach wäre! Wann hast du es zuletzt geschafft, einen ganzen Arbeitstag ohne Zigarette durchzuhalten.“

„Dann gehen wir zum Rauchen eben nach draußen“, schlug er vor und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

Becca deutete mit dem Kopf zum Fenster hinter ihm. „Turner, wir befinden uns im achtzehnten Stock. Englund hat die ganze Etage gemietet, und das Unternehmen unter uns ist auch fast vollständig rauchfreie Zone. Wir müssten bis ganz nach unten auf die Straße, um zu rauchen, und meistens brauchen wir dazu zehn Minuten, weil der Fahrstuhl so langsam fährt. Falls du nicht der Meinung bist, wir könnten hier und da mal für eine halbe Stunde verschwinden, wird es mit dem Rauchen draußen nicht klappen.“ Er wollte protestieren, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Und heute schneit es“, setzte sie hinzu. „Ich will nicht draußen in der Kälte stehen, nur um eine Zigarette zu rauchen.“

Turner atmete schwer aus, sagte aber nichts.

„Außerdem wäre da noch dieser wichtige Kunde, den wir zu gewinnen versuchen“, erinnerte sie ihn.

„Der wichtige Kunde, den wir gewinnen werden“, verbesserte er sie.

Ja, sie würden ihn bekommen, das wusste sie. Denn die Kampagne, an der sie arbeiteten, war brillant. Sie und Turner waren jetzt seit fünf Jahren bei Englund, standen jedoch noch immer nicht für eine Beförderung an. Bei diesem Tempo würden sie noch bis zur Rente in ihren kleinen Büroabteilen hocken. Diesen Kunden für Englund zu gewinnen, würde sie die Karriereleiter ein ganzes Stück hinaufkatapultieren.

„Und wenn wir den Kunden erst haben, werden wir im Dauerstress sein“, prophezeite sie. „Wenn wir so hart arbeiten müssen, qualmen wir noch mehr.“

Diesmal betrachtete Turner sie nur schweigend mit vorgeschobener Unterlippe, wie ein schmollendes Kind.

Becca musste ein Lächeln unterdrücken. Manchmal war er wirklich süß. Nicht, dass sie ihm das verraten würde. Er war sogar sexy, wenn man auf große, dunkelhaarige, dreiste Typen stand, was auf Becca absolut nicht zutraf. Sie hatte sich stets zu harmlosen, gelehrten Typen hingezogen gefühlt, und zu denen gehörte Turner nicht. Natürlich war der Sex mit diesen Männern auch immer recht harmlos gewesen – und gelehrt, dachte sie bei der Erinnerung an ihren letzten Freund, der darauf bestanden hatte, dass wenn sie, wie Becca es wollte, das „Kamasutra“ zurate zogen, es vom rein literarischen Standpunkt taten, weil er Menschen verabscheute, die sich nur die Bilder in Büchern ansahen. Also sollte sie vielleicht doch ihren Geschmack, was Männer anging, ändern …

In Turner jedenfalls sah sie lediglich einen Freund.

Na ja, vielleicht hatten sie als Teenager ein- oder zweimal ein bisschen miteinander experimentiert. Aber das war zu erwarten gewesen, da sie in einer Kleinstadt im Mittleren Westen aufgewachsen und von ihren Hormonen überwältigt gewesen waren. Aber Turner hatte nie einen gewissen Punkt überschritten.

Na ja, und dann hatten sie vor ein paar Jahren beide auf einer Weihnachtsfeier zu viel getrunken und wären beinah miteinander im Bett gelandet. Aber das war nichts Ungewöhnliches, weil an jenem Abend eine ausgelassene Stimmung geherrscht hatte und viele Leute beinah miteinander ins Bett gegangen wären. Und außerdem passierte wieder nichts, weil Turner nicht weiter ging und sich kaum bis zu diesem Punkt vorwagte.

Zugegeben, hin und wieder träumte sie von ihm, und in diesen Träumen waren sie nackt und hatten Sex miteinander. Wie in dem Traum, den sie vor einigen Nächten gehabt hatte, in dem Turner in einer vom Mondlicht beschienenen heißen Quelle badete, von aufsteigendem Dampf umgeben, während das Wasser an seinem muskulösen, nackten Körper herablief und in seinen schwarzen, zurückgestrichenen Haaren wie Diamanten glitzerte. Und dann war sie plötzlich bei ihm in der Quelle gewesen, ebenfalls nackt, und hatte mit ihren Fingerspitzen die Spuren der Wassertropfen auf seinen Armen nachgezeichnet, hatte einen Tropfen von seinen Lippen geleckt, war dann tiefer geglitten, langsam, ganz langsam, um mit einem Finger unter Wasser über einen seiner kräftigen Schenkel zu streichen, bevor sie ihre Hand um seinen großen und …

Wo war ich stehen geblieben? fragte sie sich abrupt. Offenbar hatte sie ein wenig den Faden verloren.

Ach ja, jetzt fiel es ihr wieder ein. Sie hatte an Turner als Freund gedacht und sonst nichts. So hatte sie ihn immer gesehen, wirklich immer. Denn wieso sollte sie etwas anderes in ihm sehen?

Doch nicht alle Frauen sahen einen Freund in ihm. Zum Beispiel diese schamlose Rothaarige, die Englund letzten Monat eingestellt hatte. Lucy soundso. Ja, der Name passte irgendwie. Lucy, die Lüsterne. Die scharwenzelte ständig um Turner herum. Also was manche Frauen alles anstellten, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu bekommen … Nicht, dass es Becca kümmerte. Sie achtete gar nicht darauf.

Äh, wo war sie doch gleich? Schon wieder schien sie den Faden verloren zu haben …

Ach ja. Sie hatte an ihren guten Freund Turner gedacht. Genau, mehr war er nicht für sie. Ihr guter Freund. Im Moment ihr aufgebrachter guter Freund.

„Ich sage dir, Becca“, meinte er, während er wieder auf und ab zu wandern begann, „wir sollten uns selbstständig machen. Nur du und ich, als Partner. Diese Firma passt doch gar nicht richtig zu uns.“

„Kann schon sein“, entgegnete sie. „Aber wir hatten Glück, beide hier einen Job zu bekommen. Die Bezahlung und die Vergünstigungen sind gut. Bis auf die lausigen Zuschüsse zur Krankenversicherung. Außerdem ist es keine gute Zeit, um sich nach einem neuen Job umzusehen. Die Wirtschaft lahmt, und Weihnachten steht vor der Tür. Und für den Start eines eigenen Unternehmens ist der Zeitpunkt noch schlechter. Woher sollen wir denn das Kapital bekommen?“

„Durch einen kleinen Unternehmenskredit“, antwortete er.

„Glaub mir, dies ist kein günstiger Zeitpunkt, ein Unternehmen zu gründen. Aber es ist ein guter Zeitpunkt, mit dem Rauchen aufzuhören.“

„Becca …“

Sie hatten schon unzählige Male darüber diskutiert, dass sie mit dem Rauchen aufhören mussten, und sei es nur, weil es ungesund war. Sicher, sie waren erst siebenundzwanzig und fühlten sich unsterblich, doch es wäre wirklich besser, wenn sie es aufgaben. Und jetzt, wo ihre Jobs auf dem Spiel standen, hatten sie auch die nötige Motivation. Wenn sie die Sache gemeinsam angingen, würden sie es diesmal vielleicht schaffen. Sie konnten es mit Hilfe des bekannten Zwölfschritteprogramms probieren und sich gegenseitig anrufen, wenn einer von ihnen schwach zu werden drohte.

„Turner, dies ist ein Zeichen, dass es für uns endlich Zeit zum Aufhören wird“, sagte Becca. „Diese Gewohnheit ist ungesund, teuer, heutzutage gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert, und jetzt könnte sie uns auch noch den Job kosten. Wir haben nichts zu verlieren, wenn wir das Rauchen aufgeben, aber alles zu gewinnen. Gemeinsam könnten wir es schaffen, das weiß ich.“

„Das haben wir schon früher erfolglos probiert“, erinnerte Turner sie. „Wir haben es mit kaltem Entzug versucht, mit Nikotinpflaster und mit Kaugummi. Wir haben es sogar damit versucht, uns gegenseitig zu ohrfeigen, sobald wir sehen, wie einer von uns sich eine ansteckt. Aber nichts hat funktioniert.“

„Wir haben es noch nicht mit Hypnose versucht“, gab sie zögernd zu bedenken.

Er sah sie an und sagte nichts.

Wow! dachte Becca. Sie hatte ihn noch nie sprachlos erlebt. Vielleicht bedeutete es, dass er ihren Vorschlag wenigstens in Betracht zog.

Aber dann meinte er: „O nein. Auf gar keinen Fall. Ich werde mich von niemandem hypnotisieren lassen. Das ist doch alles nur Humbug.“

„Es könnte funktionieren. Es hat bei anderen Leuten auch geklappt. Meine Tante Louise hat auf diese Weise mit dem Nägelkauen aufgehört.“

Natürlich verriet Becca ihm nicht, dass Tante Louise sich wegen ihrer Auberginen-Phobie hatte hypnotisieren lassen und nach wie vor Schweißausbrüche bekam beim Anblick von Ratatouille. Die Hypnose hatte ihrer Tante geholfen, nur anders als geplant.

„Es könnte funktionieren“, wiederholte Becca. „Wir werden es nicht wissen, wenn wir es nicht versuchen.“

Mit drei Schritten war Turner bei ihr und ließ sich in den Sessel neben ihr fallen. Er saß da wie in der High School, in lässiger, sehr selbstbewusster Haltung. Nur nahm er heute mehr Platz ein als damals. Auf der High School war er so mager gewesen. Jetzt war er wie ein Fels.

Becca verscheuchte diese Gedanken. „Wir könnten es doch wenigstens versuchen.“

Er begegnete ihrem Blick, und erneut dachte Becca, was für schöne blaue Augen er hatte. Irgendwie konnte sie es Lucy nicht verübeln, dass sie sich in seiner Gegenwart wie ein Flittchen aufführte.

„Klar“, meinte er knapp. „Wir lassen uns hypnotisieren, und ehe wir’s uns versehen, befinden wir uns mit einem Typen namens Amazing Mesmiro, der einen zerknitterten roten Samtanzug trägt, auf einer Bühne in Las Vegas, wo er uns wie Hunde bellen und wie Hühner mit den Armen wedeln lässt. Willst du das?“ Turner kam ein Stück näher und lächelte verführerisch. „Denn du weißt ja, ich kann dich auch zum Bellen bringen, wenn ich die richtigen Worte benutze und dich auf eine bestimmte Art berühre …“

In seiner Stimme lag nur ein Hauch von Anzüglichkeit, aber genug, um Becca an ihre erotischen Träume von ihm zu erinnern. Sie ignorierte den prickelnden Schauer, der sie durchlief. Ihr wurde stets unbehaglich, wenn Turner sich benahm, als wollte er Sex, auch wenn er nur Spaß machte. Die wenigen Male, wo sie sich geküsst und gestreichelt hatten, hatten mit Verlegenheit geendet, und es dauerte anschließend Tage, manchmal Wochen, bis sie wieder unbefangen miteinander umgehen konnten. Besonders Turner schien Schwierigkeiten damit gehabt zu haben, zur Normalität zurückzukehren. Auf Grund ihrer Reaktion nach den relativ harmlosen Intimitäten wussten sie, dass es nicht gut war für sie. Sie waren viel bessere Freunde als Liebhaber. Und Becca wollte es nicht riskieren, diese Freundschaft zu verlieren.

Sie ignorierte den letzten Teil dessen, was er gesagt hatte, um sich auf den ersten zu konzentrieren, wobei sie sich eine sarkastische Bemerkung verkniff.

„Nicht diese Art von Hypnose“, erklärte sie geduldig. „Ich rede von Hypnotherapie.“

„Und was ist da der Unterschied?“

„Hypnotherapeuten sind schon mal besser angezogen“, witzelte sie. „Sie tragen weiße Jacken mit Namensschildern.“

Er verdrehte die Augen.

„Und sie haben Lizenzen“, fügte sie rasch hinzu. „Sie sind berechtigt, solche Sachen zu machen. Sie durchlaufen eine lange Ausbildung, wohingegen Amazing Mesmiro sich seine Tricks wahrscheinlich irgendwo abgeschaut hat.“

Turners Miene blieb ausdruckslos. „Hypnotherapeuten sind berechtigt und ausgebildet, Leute dazu zu bringen, wie Hunde zu bellen und wie Hühner mit den Armen herumzuwedeln? Wow. Und ich habe meine Zeit mit einem Wirtschaftsstudium verschwendet.“

„Sie sind ausgebildet, Menschen zu helfen“, sagte Becca mit zusammengebissenen Zähnen.

„Es wird nicht funktionieren“, sagte er.

Sie musterte ihn nachdenklich und kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich schließe eine Wette mit dir ab.“

Das war genau die richtige Methode. Turner war arrogant genug, um bei einer Wette niemals zu kneifen. Gleichzeitig hatte eben diese Arroganz dazu geführt, dass er kaum jemals eine Wette gewonnen hatte, die er mit ihr eingegangen war.

„Was für eine Wette?“ wollte er wissen.

Bingo, dachte sie. „Morgen ist Samstag. Wenn du es schaffst, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen keine Zigarette zu rauchen, werde ich kein Wort mehr über das Aufhören verlieren. Dann werden wir draußen rauchen, wann immer uns das Verlangen überkommt. Wirst du aber schwach und zündest dir nur eine an, musst du mit mir zum Hypnotherapeuten.“

Er grinste, offenbar zuversichtlich, eine solche Wette nicht zu verlieren. „Kein Problem.“

Becca lächelte ebenfalls. Von wegen, dachte sie und nahm sich vor, schon mal in den Gelben Seiten unter H wie „Hypnotherapeut“ nachzuschlagen, sobald sie zu Hause war.

2. KAPITEL

Turner lag auf seiner Couch und döste, obwohl es erst zehn Uhr war. Im Fernseher lief der Abspann von „Die Zombies von Mora Tau“, als er etwas hörte, was er in seinem benommenen Zustand für das Hämmern eines dieser Zombies hielt.

Träge stand er auf, zog das Band seiner schwarzen Jogginghose fest und stolperte zur Tür. Als er durch den Spion spähte, entdeckte er auf der anderen Seite ein viel gefährlicheres Wesen als ein Zombie.

Mit einem resignierten Seufzer öffnete er die Tür. „Hallo, Becca.“

Sie lächelte strahlend. „Hallo. Ich dachte mir, du hättest vielleicht gern Gesellschaft.“

„Um zehn Uhr abends?“

Sie zuckte auf eine Art die Schultern, die, wie er vermutete, gleichgültig sein sollte. Aber wenn Becca eines nicht wahr, dann gleichgültig. Nein, Becca Mercer war …

Wundervoll, das ist sie, dachte er und betrachtete die schulterlangen goldbraunen Haare und die kaffeebraunen Augen, die sein Herz schneller schlagen ließen, als alles Koffein der Welt es gekonnt hätte. Diskret ließ er den Blick über ihren Körper wandern, über ihre enge verwaschene Jeans, die ihre wohlgeformten Hüften zur Geltung brachte, und den knappen schwarzen Pullover, der ihre vollen Brüste umschmiegte. O ja. Becca hatte Kurven an all den richtigen Stellen …

Und sie war intelligent, das wusste er und unterbrach seine Gedanken, bevor seine Fantasie mit ihm durchgehen konnte, denn das würde doch nur in Frustration enden, wie jedes Mal, wenn es um Becca ging. Sie ist auch witzig, zählte er im Stillen weiter ihre positiven Eigenschaften auf. Und geistreich. Und süß. Und freundlich. Und aufregend. Vor allem aber war sie seine allerbeste Freundin.

Verdammt!

Denn obwohl Turner dankbar war für diese schon zwei Jahrzehnte währende Freundschaft, ging das, was er insgeheim für Becca empfand, doch weit über Freundschaft hinaus. So ungern er es auch zugab, das, was er für sie empfand, konnte tatsächlich „das große L“ sein.

Nicht Lust, obwohl davon auch genug vorhanden war. Nein, es war jenes andere Wort mit L – Liebe. Wenn er lange genug darüber nachdachte, musste er zugeben, dass er seine beste Freundin tatsächlich liebte. Deshalb ließ er diesen Gedanken meistens gar nicht erst zu.

Denn Becca empfand nicht dasselbe für ihn. Ja, sie liebte ihn, aber mehr als Freund. Sie war nicht in ihn verliebt. Und er hatte nicht vor, ihr seine wahren Gefühle zu gestehen, weil er fürchtete, sie sonst zu verlieren. In der Vergangenheit war stets sie es gewesen, die Stopp gesagt hatte, wenn sie sich näher gekommen waren. Außerdem hatte sie immer betont, wie glücklich sie sich schätzen konnte, einen männlichen Freund wie ihn zu haben, und dass sie beide doch viel zu schlau wären, um es zu verderben, indem sie etwas miteinander anfingen. Denn sie hatte zu viele Freundschaften zwischen Männern und Frauen gesehen, aus denen mehr wurde. Am Ende ging alles in die Brüche, inklusive der Freundschaft.

Vermutlich hatte sie recht, und es war besser, alles so zu lassen, wie es war. Turner wollte mit Becca lieber eine platonische Freundschaft als gar keine Beziehung. Und wenn das bedeutete, dass er den Rest seines Lebens heimlich in sie verliebt war, ließ sich das auch nicht ändern.

Ihm fiel auf, dass sie eine größere Tasche als sonst bei sich trug. Diese Tasche war groß genug, um zum Beispiel Kleidung zum Wechseln zu enthalten. Und möglicherweise Schlafzeug. Und Frauensachen wie Make-up und eine Zahnbürste …

„O nein“, sagte er, als er ihre Absicht durchschaut hatte. „Auf keinen Fall. Nein. Não. Njet.“ He, er hatte gewusst, dass ihm das Buch „Wie man eine Frau in jeder Sprache anspricht“, das er sich auf dem College vor seiner Europareise zugelegt hatte, irgendwann mal von Nutzem sein würde. Nur hatte er eigentlich das Wort in allen Sprachen benutzen wollen.

„Du wirst nicht die Nacht hier verbringen“, stellte er klar.

„Wie kommst du denn darauf, ich würde die Nacht bei dir verbringen wollen?“, erwiderte sie unschuldig.

Er betrachtete sie misstrauisch. „Wieso bist du dann hier?“

„Weil ich die Nacht hier verbringe“, eröffnete sie ihm und machte einen Schritt vorwärts.

Sofort stützte Turner sich mit beiden Armen am Türrahmen ab und versperrte ihr den Weg. „Wieso?“

Becca wich nicht zurück. Sie stand so nah vor ihm, dass er ihren wundervollen Duft einatmen konnte, der verriet, dass sie geduscht hatte, bevor sie zu ihm gefahren war. Wahrscheinlich war ihre Haut noch warm und rosig vom heißen Wasser und fühlte sich weich wie Seide an. Becca stand so nah vor ihm, dass er ihr leicht eine Hand unter den Pullover hätte schieben können, um es herauszufinden. Er hätte eine Hand zu ihren Brüsten wandern lassen können, um ihre Knospen zwischen Zeigefinger und Daumen zu reiben, während er mit der anderen Hand ihre Jeans aufknöpfte und …

Er unterdrückte ein leises Stöhnen. Er musste aufhören, auf diese Weise an sie zu denken. Sie war an ihm nur als Freund interessiert, auch wenn sie in jener Nacht, in der er an ihren Brustspitzen gesaugt und ihren sensibelsten Punkt liebkost hatte, lustvoll gestöhnt hatte. Auch wenn er sich nichts Schöneres vorstellen konnte, als wenigstens einmal mit ihr zu schlafen.

Allerdings würde ein einziges Mal mit Becca ihm niemals genügen. Aber es wäre immerhin ein Anfang.

„Ich traue dir nicht“, erklärte sie. „Deshalb.“

Tja, damit wären wir schon zwei, dachte er. Dann fiel ihm ein, dass sie gerade über etwas ganz anderes gesprochen hatten, nur wusste er nicht mehr genau, worüber.

„Wovon redest du?“, fragte er.

„Über unsere Wette.“

Aha, dachte er. „Selbstverständlich kannst du mir vertrauen“, log er.

„Von wegen.“

„Becca …“

„Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen“, erinnerte sie ihn.

„Ich weiß, und daran werde ich mich auch halten.“

„Und ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass du das auch wirklich tust.“

„Du vertraust mir nicht“, beklagte er sich.

„Das habe ich doch gerade gesagt.“

„Becca, ich bin zutiefst gekränkt.“

„Vergiss es, Turner“, sagte sie und schob einen seiner Arme weg, um in seine Wohnung zu gelangen und zu der Couch, die er eben erst verlassen hatte. „Ich werde morgen hier sein, wenn du aufwachst“, verkündete sie und warf ihre Tasche auf das eine Ende der Couch, „und ich werde hier sein, wenn du schlafen gehst. Nur um sicherzugehen, dass du dein Wort nicht brichst.“

„Ich habe mein Wort noch nie gebrochen.“

Sie wirkte nicht überzeugt. „Hast du Popcorn?“

Statt zu antworten, warf Turner die Tür zu. Es würde ein langer Samstag werden.

„Ich liebe diesen Film“, erklärte Becca seufzend, während sie die Lautstärke von „Reise aus der Vergangenheit“ höher stellte und in die Popcornschüssel griff – die zweite, die sie und Turner sich an diesem Abend teilten.

Vor „Reise aus der Vergangenheit“ hatte sie darauf beharrt, dass sie sich „Die Kameliendame“ anschauten. Er wollte sich lieber nicht ausmalen, was für sentimentale, kitschige Filme sie noch mitgebracht hatte. Bestimmt hatte sie keinen einzigen Gruselfilm dabei.

„Iss das Popcorn nicht so schnell“, sagte er. „Das ist der Rest.“

Das war seine Art, sie dezent darauf hinzuweisen, dass ein Uhr morgens ein guter Zeitpunkt war, um Feierabend zu machen. Doch sie reagierte nicht darauf. Stattdessen griff sie nach den Zigaretten auf dem Couchtisch und schüttelte die letzte aus der Packung. Nicht, dass Turner deswegen besorgt war. Wie jeder echte Raucher – oder Alkoholiker oder Drogensüchtige, dachte er unwillkürlich – hatte er überall in der Wohnung Vorräte. Außerdem bei der Arbeit und im Auto. Und im Waschkeller.

„Macht es dir etwas aus?“, fragte sie.

„Nur zu.“

„Aber es ist die Letzte in der Packung. Es könnte deine Letzte überhaupt sein.“

„Nein.“

„Wenn du morgen nach dem Aufwachen eine Zigarette rauchst, musst du mit mir zum Hypnotherapeuten“, erinnerte sie ihn, „und dann ist es vorbei mit dem Rauchen. Willst du diese Letzte wirklich nicht?“

„Erstens ist das nicht die letzte Zigarette in der Wohnung. Was wäre ich denn für ein Raucher, wenn ich keine Vorräte hätte? Zweitens, selbst wenn wir zu einem Hypnotherapeuten gingen, würde es nicht funktionieren, also brauche ich mir keine Sorgen zu machen, dass ich nie wieder rauche. Und drittens“, schloss er, „hast du gesagt, ich darf am Samstag vom Aufstehen bis zum Schlafengehen nicht rauchen.“

„Genau“, bestätigte sie misstrauisch.

„Tja, dann werde ich heute Nacht nicht schlafen, was bedeutet, dass ich morgen früh nicht aufwachen kann und somit die Bedingungen unserer Wette nicht mehr stimmen. Ich könnte sogar so weit gehen, zu behaupten, dass die Wette damit hinfällig ist und ich morgen rauchen kann, so viel ich will.“

„Wie bitte?“

„Wenn ich nicht schlafe, werde ich auch nicht aufwachen, und dann kannst du mich nicht mehr auf die Wette festnageln.“

„Aber das ist nicht fair!“

Er griff in die Popcornschüssel. „Natürlich ist das fair. Schließlich hast du die Bedingungen aufgestellt. Ich mache sie mir nur zunutze, indem ich beschließe, heute Nacht nicht zu schlafen, weshalb ich weiterhin rauchen darf, du somit die Wette verloren hast und ich nicht mit dir zu Amazing Mesmiro gehen muss.“

Becca schwieg für einen Moment. Dann hellte sich ihre Miene plötzlich auf. „Habe ich dir schon erzählt, welche Filme ich noch dabeihabe?“

Oje …

„Nach ‚Reise aus der Vergangenheit‘ kommt ‚Opfer einer großen Liebe‘ und danach ‚Stella Dallas‘. Dann kommt ‚Solange es Menschen gibt‘, und zu guter Letzt ‚Die große Liebe meines Lebens‘.“

Du liebe Zeit, dachte Turner. Auf keinen Fall würde er all diese Filme hindurch wach bleiben können. Und selbst wenn ihm das gelänge, würde der Kitsch ihn umbringen.

Er schaute auf die Zigarette, die Becca anmutig zwischen ihren Fingern hielt. Dann sah er zum Fernseher. Dann wieder zu Beccas Gesicht. Dann wieder auf die Zigarette. „Gib mir die“, sagte er und schnappte sie ihr weg.

Lachend hielt sie ihm das Feuerzeug hin. „Du wirst nicht mal bis mittags durchhalten.“

„Wart’s ab.“ Er blies den Rauch aus.

„Das werde ich“, versicherte sie ihm. „Ich werde ganz genau aufpassen, Turner. Darauf kannst du dich verlassen.“

Obwohl Turner schon bei einem der ersten Filme eingenickt war, gelang es ihm, immerhin bis mittags zu schlafen, sodass der halbe Tag bereits herum war. Benommen sah er zur Uhr auf dem Kaminsims und stellte erleichtert fest, dass es nur noch zwölf Stunden, vier Minuten und zweiunddreißig Sekunden waren bis zum Zubettgehen. Einunddreißig Sekunden. Dreißig Sekunden. Neunundzwanzig … achtundzwanzig … siebenundzwanzig …

Was soll’s, vielleicht würde er einfach den ganzen Tag hier auf der Couch verbringen und die Sekunden zählen. Das würde ihn davon ablenken, wie sehr er sich nach einer Zigarette sehnte.

Verdammt!

Er widerstand dem Impuls, die Hand zum Beistelltisch auszustrecken, wo gewöhnlich eine Schachtel lag. Dann fiel ihm ein, dass sie nicht mehr da war, weil er die letzte Zigarette vor Stunden geraucht hatte. Danach musste Becca ihn zugedeckt haben, denn eine Baumwolldecke bedeckte seine Brust. Offenbar hatte er wie ein Murmeltier geschlafen.

Jetzt hatte er einen steifen Nacken – und Becca hatte vermutlich sein Bett okkupiert. Allein diese Erkenntnis verstärkte sein Verlangen nach einer Zigarette. Denn seit sie Teenager waren, hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als Becca eines Tages in seinem Bett zu finden. Nur, na ja, mit ihm darin. Immerhin war ein Teil dieses Traums in Erfüllung gegangen.

Er setzte sich auf und versuchte, nicht daran zu denken, dass Becca nur aus dem Grund in seinem Bett lag, weil sie ihm misstraute. Er bewegte den Kopf, um die Verkrampfung im Nacken zu lösen, und rieb sich das Gesicht, um langsam wach zu werden.

Kaffee, dachte er. Den brauchte er jetzt am dringendsten. Nun, vielleicht am zweitdringendsten. Er stand auf. Was er am dringendsten brauchte, lag in seinem Bett.

Er ging in die Küche, um Kaffee zu kochen, wobei er so viel Lärm wie möglich machte, damit Becca aufwachte. Wieso sollte ihr Erwachen angenehm sein, wenn er einen höllischen Tag vor sich hatte? Doch er hörte keinen Laut von ihr. Anscheinend schlief auch sie wie ein Murmeltier.

Beim Aufbrühen atmete er tief den Kaffeeduft ein, und das gab ihm die nötige Kraft, zu seinem Schlafzimmer zu gehen. Die Tür war halb offen, daher spähte er hinein. Sofort wünschte er, er hätte es nicht getan. Denn Becca schlief nicht nur fest ohne ihn in seinem Bett, sondern hatte auch noch die Decke ans Fußende gestrampelt. Ihr langärmeliges, mit albernen Kätzchen bedrucktes Nachthemd war hochgerutscht, sodass ihr süßer Po, von roter Baumwolle bedeckt, sichtbar war, ebenso ihre sexy Beine.

Turners Verlangen erwachte.

Er kniff die Augen zu, um Beccas tollen Po auszublenden, aber dadurch wurde das Bild nur lebhafter. Wahrscheinlich weil seine Fantasie einsetzte, sobald er die Augen schloss. Also machte er die Augen wieder auf und sah, wie der tolle Po des Objekts seiner Fantasie sich bewegte.

Turner sagte sich, dass er lieber verschwinden sollte, bevor Becca ihn dabei ertappte, dass er sie wie ein liebeskranker Teenager anstarrte. Doch er schaffte es nicht, sich von der Tür wegzubewegen. Hauptsächlich, weil Becca sich in diesem Moment auf den Rücken drehte und sich streckte, wodurch ihr Nachthemd noch höher rutschte. Mit beiden Händen umklammerte sie die Sprossen am Kopfteil des Bettes, während sie die Beine zu den unteren Ecken der Matratze spreizte.

Oje, das brachte Turner dazu, Dinge tun zu wollen, die er lieber nicht tun sollte. Nicht mit seiner besten Freundin, die seine Gefühle ganz sicher nicht erwiderte. Becca würde wohl ein klein wenig erschrocken sein, wenn er sich jetzt aufs Bett stürzte, ihr den Slip herunterriss und seinen Kopf zwischen ihren Schenkeln vergrub.

Allerdings würde sie dann wenigstens wach werden …

Offenbar hatte er ein Geräusch gemacht, denn plötzlich hielt sie beim Strecken inne und sah zur Schlafzimmertür. „Guten Morgen“, begrüßte sie ihn mit einem verschlafenen Lächeln.

Turner räusperte sich. „Möchtest du Kaffee?“

3. KAPITEL

Es dauerte einen Moment, bis Becca Turners Frage begriff, da sie viel zu sehr damit beschäftigt war, sich über das seltsame Verlangen zu wundern, das in ihr aufstieg, als sie ihn an der Schlafzimmertür stehen sah. Und darüber, dass er sie beobachtet hatte.

Du liebe Zeit, sah er sexy aus morgens! In all den Jahren ihrer Freundschaft hatte sie nie die Nacht mit ihm verbracht, daher hatte sie ihn auch nie zerzaust, unrasiert und verschlafen erlebt. Sie verspürte den Wunsch, ihm die schwarzen Haare aus der Stirn zu streichen, ihm mit der Hand durch die Haare zu fahren, seinen Nacken zu umfassen und ihn zu sich herunterzuziehen, damit er sie küsste. Und dann würde sie seinen Kopf nach unten schieben, zu ihren Brüsten, ihrem Bauch und zwischen ihre Schenkel …

Sie brauchte dringend eine Zigarette. Aber es wäre wohl ein wenig unfair, vor Turner zu rauchen, wo er den ganzen Tag ohne auskommen musste.

Sie atmete tief durch und sagte: „Ja, ich hätte gern Kaffee.“

Er lächelte, als wüsste er genau, was sie eigentlich wollte, und Becca dachte, dass Zigaretten heute möglicherweise nicht die größte Versuchung sein würden.

Becca war eben damit fertig, Turners Bett zu machen, als sie hörte, wie im Badezimmer das Wasser abgestellt wurde. Er hatte ihr großzügig angeboten, zuerst zu duschen und sich anzuziehen, daher fand sie, dass sie dafür wenigstens seine Laken wechseln konnte.

Noch immer fragte sie sich, was ihre Reaktion auf ihn heute Morgen beim Aufwachen zu bedeuten gehabt hatte. Vermutlich hatte es an Schlafmangel gelegen. Nicht ohne Grund setzten einige Regierungen Schlafentzug als Foltermethode ein. Das machte einen verrückt. Verrückt genug, Dinge zu tun und zu sagen, die man normalerweise nie tun oder sagen würde. Wie zum Beispiel vor Lust erschauern, weil einem der beste Freund plötzlich unglaublich sexy vorkam.

Das war ihre Version der Erklärung, und daran würde sie sich halten.

Doch dann kam Turner aus dem Bad, und das warf ihre Theorie über den Haufen.

Erleichtert stellte sie fest, dass er sich immerhin ein Handtuch um die Hüften geschlungen hatte. Was allerdings nichts mehr an ihren sündigen Gedanken änderte.

Es liegt nur am Schlafmangel, sagte sie sich wieder, und schloss die Augen.

„Oh, Verzeihung“, murmelte er und wich ins Bad zurück, wobei er die Tür halb zumachte. „Ich wusste nicht, dass du hier drin bist.“

„Nein, mir tut es leid“, versicherte sie ihm. „Ich dachte, du würdest länger brauchen.“ Sie floh ins Wohnzimmer.

Ein paar Minuten später kam er ins Zimmer, jetzt mit einer verwaschenen engen Jeans bekleidet und einem verwaschenen Arbeitshemd, das er nicht einmal zugeknöpft hatte. Sofort fiel Beccas Blick auf die dunklen Haare auf seiner breiten Brust. Sie hatte ihn schon öfter mit nacktem Oberkörper gesehen, doch irgendwie war es jetzt anders. Bei früheren Gelegenheiten waren sie an öffentlichen Orten gewesen, beim Schwimmen, oder er trainierte im Garten seiner Eltern oder spielte Basketball. Hier in seiner Wohnung kam es ihr viel intimer vor.

Es liegt am Schlafmangel, versuchte sie sich wieder etwas zu beruhigen. Nur deshalb war sie in seiner Gegenwart nervös.

„Was willst du heute machen, wo du doch zu misstrauisch bist, um mich allein zu lassen?“, erkundigte er sich, während er sein Hemd zuknöpfte. „Ich meine, abgesehen davon, so zu tun, als wollten wir beide keine Zigarette.“

„Ich weiß nicht. Wir könnten uns einen Film ansehen.“

„Oh, vielen Dank“, erwiderte er ironisch.

„Du hattest genug, was?“

„Sagen wir so: mein Bedarf an Liebesschnulzen ist vorerst gedeckt.“

„Hm.“

Sie schaute fasziniert zu, wie er sein Hemd zuknöpfte, die Ärmel hochkrempelte und sich mit beiden Händen durch die noch feuchten Haare fuhr. „Was?“, fragte er.

„Wie ‚was‘?“

„Wieso siehst du mich so an? Habe ich noch Zahnpasta an der Lippe?“

„Nein, schon gut“, versicherte sie ihm schnell.

Er kniff die Augen zusammen. „Was ist los?“

„Wie kommst du darauf, dass etwas los ist?“

„Du siehst mich so eigenartig an.“

„Tja, ich fühle mich aber nicht eigenartig.“

„Wie fühlst du dich denn?“ wollte er wissen.

Darauf wollte Becca lieber nicht antworten. Sie brauchte dringend Ablenkung, daher ging sie zu dem Stuhl, an den sie ihre Handtasche gehängt hatte, und kramte darin herum, bis sie gefunden hatte, was sie suchte – eine krumme Zigarette, die wer weiß wie lange dort gelegen hatte, und ein Feuerzeug. Mit beidem ging sie zurück zu Turner.

„He“, protestierte er. „Du darfst heute nicht rauchen.“

„Wieso nicht?“

„Weil wir eine Wette abgeschlossen haben.“

Ich habe keine Wette abgeschlossen“, konterte sie und steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen. „Du hast gewettet. Ich darf rauchen, wenn ich will.“

„Aber das ist nicht fair!“

Sie lächelte. „Ja, ich weiß.“

„Aber … aber …“

Sie nahm die Zigarette wieder aus dem Mund und hielt sie ihm hin. „Möchtest du sie lieber haben?“

Aus irgendeinem Grund schien es plötzlich unbedingt notwendig zu sein, ihn zum Rauchen zu bringen. Nicht nur, damit er die Wette verlor und sie dafür zum Hypnotherapeuten begleiten musste, sondern weil sie dann auch wieder gehen konnte. Zu Hause würde sie dann darüber nachdenken, weshalb sie sich in Turners Gegenwart auf einmal so merkwürdig fühlte. Deshalb hielt sie ihm die Zigarette hin und rollte sie sanft zwischen den Fingern, damit er das Tabakaroma riechen konnte, dem er ganz sicher nicht widerstehen konnte.

„Komm schon, ich weiß doch, dass du es willst. Riechst du es?“ lockte sie mit sinnlicher Stimme und machte noch einen Schritt auf ihn zu, bis ihr Körper seinen fast berührte. Sie hielt ihm die Zigarette dicht vor die Nase. „Hm, es geht doch nichts über Tabakduft.“

Turner wandte sich ab.

Becca umfasste sein Kinn, damit er sie wieder ansah. „Sieh sie dir an“, forderte sie ihn sanft auf.

„Ich will sie mir nicht ansehen.“ Er drehte den Kopf erneut weg.

Becca ließ sein Kinn nicht los und zwang ihn, wieder hinzusehen. „Schau sie dir an“, befahl sie mit Nachdruck. „Sieh dir an, wie glatt und rund sie ist.“

Er gehorchte, betrachtete die Zigarette und hob den Blick rasch wieder zu Beccas Gesicht. „Ja. Und?“

„Möchtest du sie berühren?“, flüsterte sie.

Er schüttelte langsam den Kopf, doch er sah erneut auf die angebotene Zigarette. „Nein“, erwiderte er rau. „Ich will sie nicht berühren.“

„Natürlich willst du sie berühren“, widersprach sie und fuhr ihm durch die Haare. „Du sehnst dich so sehr danach, sie zu berühren.“

„Nein, tue ich nicht“, behauptete er.

„Tust du doch. Du willst sie anfassen, streicheln und in der Hand halten. Du willst deine Finger darum schließen und sie zwischen Daumen und Zeigefinger rollen. Das fühlt sich gut an, nicht wahr? Ich liebe dieses Gefühl.“

Becca hob die Zigarette zum Mund, und Turners Blick folgte. Statt sie zwischen die Lippen zu stecken, fuhr sie mit der Zigarette langsam über ihren Mund. „Doch so gut es sich auch anfühlt, sie zu berühren, es ist kein Vergleich dazu, sie in den Mund zu nehmen, oder?“

„Becca …“, warnte er sie.

„Du willst sie an deinen Lippen spüren“, murmelte sie. „Den Geschmack auf der Zunge haben. Du willst sie dir in den Mund stecken, nicht wahr, Turner?“

„Nein, will ich nicht.“ Aber er klang sehr unsicher.

„Doch, das willst du. Du willst deine Lippen darum schließen und an ihr saugen. Kämpf nicht dagegen an. Nimm dir, was du willst. Nimm es dir jetzt.“

Einen Moment lang glaubte sie, er würde nachgeben, denn er hob die Hand. Aber dann ließ er sie wieder sinken und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Nein“, erklärte er. „Ich werde mich nicht durch ihren Anblick verführen lassen.“ Wie um seine Worte zu unterstreichen, wich er einen Schritt von Becca und der Zigarette zurück.

„Na schön“, gab sie nach und schob sich die Zigarette zwischen die Lippen. „Dann wirst du ja wohl nichts dagegen haben, wenn ich rauche.“

Er schien erneut protestieren zu wollen, überlegte es sich jedoch anders. „Nur zu, dies ist schließlich keine Nichtraucherwohnung.“

„Danke. Mach dir nichts draus.“

„Trotzdem, du spielst nicht fair“, warf er ihr vor, nachdem sie sich die Zigarette angezündet hatte. Ohne auf eine Erwiderung zu warten, marschierte er in sein Schlafzimmer und warf die Tür hinter sich zu.

Becca musste sich zusammenreißen, um ihm nicht zu folgen. Und zwar nicht, weil sie fürchtete, dass er dort heimlich rauchte, sondern weil sie nach wie vor heftiges Verlangen nach ihm verspürte. Sie begnügte sich damit, tief den Rauch zu inhalieren und auf die gewohnte beruhigende Wirkung zu warten.

Doch zum ersten Mal blieb diese Wirkung aus.

Es war schon nach elf an diesem Abend, als Turner endlich nicht mehr so tat, als seien die Ereignisse dieses Tages spurlos an ihm vorübergegangen, und dem Verlangen nach einer Zigarette nachgab. Denn trotz der späten Stunde war ihm klar, dass er noch lange nicht würde schlafen können. Den ganzen Tag schon war er aufgewühlt gewesen, nicht nur, weil er nicht geraucht hatte, sondern weil Becca wie selbstverständlich an seinem Leben teilgenommen hatte, als gehöre sie dorthin.

Es war nicht so, dass sie irgendetwas Ungewöhnliches getan hätten, doch genau das war der springende Punkt. Sie verbrachten den Tag mit den alltäglichsten Dingen, die zwei gute Freunde tun konnten. Sie frühstückten zusammen in einem Fast-Food-Restaurant, besuchten einen Baumarkt, weil Becca ihre Wohnung umdekorieren wollte, und aßen in einem Lokal in der Nähe von Englund Advertising zu Abend.

Eigentlich besuchte Turner gern Baumärkte, aber da war Becca auch nie dabei. Plötzlich kam ihm alles ganz verändert vor. Wenn sie ihm über die Schulter schaute, während er Werkzeug ausprobierte, schien auf einmal alles, was er tat, mit einer unterschwelligen Erotik behaftet zu sein.

Trotzdem schaffte er es, den Tag ohne eine Zigarette zu überstehen, obwohl seine Nerven blank lagen. Besonders schlimm war es gewesen, als Becca sich im Baumarkt über einen Farbeimer beugte und ihr sexy Po seine Hüfte streifte. Es hatte ihn Mühe gekostet, seine Begierde unter Kontrolle zu bekommen und seine Hände bei sich zu behalten.

Das Fass zum Überlaufen brachte Becca dann, als sie zur Nacht gekleidet im Wohnzimmer erschien, wo sie sich zu einem weiteren Filmmarathon treffen wollten – diesmal durfte er die Filme aussuchen. Becca wollte eine weitere Nacht bei ihm verbringen, um auch ganz sicherzugehen, dass er vom Aufstehen bis zum Schlafengehen nicht geraucht hatte.

Das Problem für Turner bestand darin, dass sie, als sie aus seinem Schlafzimmer kam, nichts außer seinem alten College-Footballtrikot und Kniestrümpfen trug. Er starrte sie fasziniert an. Zwar reichte das Trikot bis auf ihre Schenkel und bedeckte alles, was bedeckt werden musste, nur handelte es sich bei diesem Outfit um das zweitliebste aus einer seiner erotischen Fantasien von ihr. Und sie jetzt tatsächlich in diesem Aufzug zu sehen war einfach zu viel für ihn.

„Tut mir leid, dass ich mir Sachen von dir borgen musste“, sagte sie, zupfte am Saum des Trikots und wirkte nervöser, als sie sein sollte, da sie doch nur Freunde waren und es keinen Grund gab, in Gegenwart des anderen nervös zu sein. „Aber als ich heute Morgen Milch über meine Cornflakes gießen wollte, habe ich die Tüte fallen lassen und mein Nachthemd bekleckert. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich etwas von dir angezogen habe.“

Turner betrachtete sie schweigend, von ihren seidigen blonden Haaren bis zu den Kniestrümpfen, und verspürte eine Begierde wie nie zuvor. Und dann griff er benommen zur Zigarettenpackung, die Becca auf den Couchtisch geworfen hatte, schüttelte eine heraus und sagte: „Gut. Wann ist denn der Termin bei Amazing Mesmiro? Soll ich fahren oder fährst du?“

4. KAPITEL

Der Name auf der Tür lautete nicht Amazing Mesmiro, wie Becca bei ihrem Termin am Dienstagmorgen registrierte, sondern Dorcas Upton, RN, BSN, LHT. Darunter stand zur Erläuterung „Zugelassene Hypnotherapeutin“.

„Staatlich geprüft“, bemerkte Becca gut gelaunt zu Turner und deutete auf die ersten beiden Buchstaben vor Dorcas Uptons Namen. „Das ist gut. Es beweist, dass sie nicht doof ist.“

„Es beweist aber leider nicht, dass sie nie in Vegas aufgetreten ist“, entgegnete er mürrisch. „Wofür steht denn BSN? Und LHT?“

„LHT steht für ‚Lizensierte Hypnotherapeutin‘“, erklärte Becca. „Was BSN bedeutet, weiß ich allerdings auch nicht.“

„Vermutlich ‚Bescheuerte stupide Närrin‘“, schlug er vor.

„Das bezweifle ich“, meinte Becca mit zusammengebissenen Zähnen.

„Vielleicht ‚Blöder, sinnloser Nichtsnutz‘.“

„Es reicht, Turner.“

Er schaute auf seine Armbanduhr. „Wir sind über eine halbe Stunde zu früh“, stellte er fest.

Becca sah auf ihre eigene Uhr. Er hatte recht. Sie hatte einen Termin für zehn Uhr vereinbart, und jetzt war es erst Viertel nach neun. „Ich dachte, der Verkehr würde schlimmer sein“, erklärte sie.

Sie und Turner hatten sich beide für den Besuch bei der Hypnotherapeutin einen Tag freigenommen. Becca hatte kein schlechtes Gewissen deswegen, da sie Samstag zu einem Meeting ins Büro kommen mussten. Robert Englund hatte sich auch nicht beklagt, außerdem taten sie dies ebenso für ihn wie für sich selbst.

Na ja, das war vielleicht ein wenig übertrieben. Aber morgen würden Becca und Turner ihre Kampagne für den neuen großen Kunden vorstellen, den Englund Advertising zu gewinnen hoffte – ein Kunde, der nicht nur einen beträchtlichen Etat zu vergeben hatte, sondern Turner und ihr eine hübsche Beförderung einbringen sollte –, und bei dem Meeting am Samstag sollten sie ihre Kampagne präsentieren. Da war es nur sinnvoll, dass sie für den Rest der Woche in Bestform sein wollten.

Und dazu gehörte, nicht zu rauchen, fand Becca. Denn nur so konnten sie sich hundertprozentig auf die Kampagne konzentrieren, statt ständig daran denken zu müssen, wann sie sich das nächste Mal für eine Zigarette davonstehlen konnten.

„Vielleicht nimmt Miss Upton uns früher dran“, sagte sie und öffnete die Tür. „Es war jedenfalls kein Problem, gestern den Termin zu vereinbaren. Daraus schließe ich, dass sie nicht voll ausgebucht ist.“

„Ich schließe daraus, dass sie eine Kurpfuscherin ist“, bemerkte Turner.

Becca ermahnte ihn, still zu sein, musste jedoch einräumen, dass er recht haben könnte. Und er musste sich in dieser Meinung noch bestärkt fühlen, als sie die Praxis der Hypnotherapeutin betraten, denn die war leer. Obwohl eine kleine Milchglasscheibe am Empfangstresen hochgeschoben war, saß keine Empfangsdame dort.

Trotzdem war es ein hübsches Büro, mit gelben Tapeten, pflaumenblauen Sitzgelegenheiten, sanfter Beleuchtung und vielen Farnen. Außerdem musste jemand hier sein, denn leise klassische Musik war zu hören, und irgendwo auf der anderen Seite der Milchglasscheibe am Empfang telefonierte jemand.

„Hier scheint nicht gerade viel Betrieb zu herrschen“, stellte Turner fest. „Ich wette, sie kann uns früher drannehmen.“

„Falls sie da ist.“

Kaum hatte Becca die Worte ausgesprochen, wurde eine Tür auf der anderen Seite des Raumes geöffnet, und eine schlanke grauhaarige Frau um die sechzig kam herein. Als sie Becca und Turner sah, schien sie ebenso überrascht zu sein wie die beiden, doch erholte sie sich rasch und lächelte. „Hallo“, sagte sie. „Ich bin Dorcas Upton. Kann ich Ihnen helfen?“

Kein weißer Kittel, dachte Becca und fühlte sich unerklärlicherweise gleich besser. Dorcas Upton sah aus wie eine Schulbibliothekarin, ihre dunklen Augen strahlten Intelligenz aus, Kompetenz und gute Laune. Becca mochte das.

„Ich weiß, wir sind zu früh gekommen“, sagte Becca statt einer Begrüßung und schaffte es nicht ganz, die Nervosität aus ihrer Stimme zu verbannen. „Aber könnten Sie uns trotzdem behandeln?“

„Selbstverständlich“, erwiderte Miss Upton und deutete zum leeren Wartezimmer. „Wie Sie sehen können, wartet im Moment niemand. Wenn Sie mir also folgen wollen.“

Dorcas Upton lächelte das Paar an und entschied augenblicklich, den beiden zu verzeihen, dass sie zwanzig Minuten zu spät gekommen waren. Nicht bloß, weil sie das süßeste Paar waren, das sie je gesehen hatte. Nein, sie verzieh es ihnen auch, weil sie ihre Praxis erst vor zwei Monaten eröffnet hatte und die Patienten ihr nicht gerade die Tür einrannten.

Eine neue Praxis zu eröffnen war nicht leicht. Und Dorcas war noch nicht lange Hypnotherapeutin. Es gab noch viel an ihrer Methode und an ihrer Praxis zu verbessern. Also würde sie Mr. und Mrs. Feder behandeln, auch wenn die beiden zu spät zu ihrem Neunuhrtermin kamen. Und sie würde sich ihres Problems annehmen. Anschließend konnten sie nach Hause gehen und den Rest des Tages gemeinsam verbringen. Sobald Dorcas mit ihnen fertig war, würde ihre Ehe nicht länger frustrierend sein.

Denn sie war überzeugt, den beiden frisch Verheirateten bei ihrem kleinen Problem helfen zu können. Es handelte sich um ein delikates kleines Problem, und daher wunderte Dorcas sich nicht, dass die beiden zu spät gekommen waren. Wenn extreme Schüchternheit und Hemmungen die beiden schon daran hinderten, miteinander zu schlafen, waren sie vor diesem Termin, der sie davon befreien sollte, sicher so nervös gewesen, dass sie deshalb zu spät gekommen waren.

„Kommen Sie bitte mit in mein Büro“, sagte sie und lächelte ihnen ermutigend zu.

Das Paar tauschte einen letzten Blick, dann nickte Mrs. Feder. „Wir sind bereit“, sagte sie.

Dorcas ging voran und setzte sich hinter ihren Schreibtisch, wo sie in ihren Terminkalender schaute, um die Vornamen der Feders zu finden. Doch offenbar hatte ihre Sprechstundenhilfe diese nicht mit notiert, als sie den Termin vereinbart hatte.

Was soll’s, dachte Dorcas. Sie hatten genug Zeit, um sich miteinander bekannt zu machen. Zwar war der nächste Termin schon um zehn, doch handelte es sich dabei um eine langweilige Sitzung zur Raucherentwöhnung. Das konnte Dorcas im Schlaf. Es würde nicht lange dauern. Der Fall der Feders hingegen …

Es passierte nicht jeden Tag, dass man einem Paar begegnete, das sich wild und leidenschaftlich lieben wollte, jedoch seine Hemmungen nicht überwinden konnte. Noch dazu ein frisch verheiratetes Paar! Aber das machte nichts. Wenn Dorcas mit ihnen fertig war, würden sie regelrecht übereinander herfallen.

„Entschuldigen Sie bitte unser schlechtes Timing“, meinte Mrs. Feder, während sie vor dem Schreibtisch Platz nahm. „Es war einer dieser Morgen, an denen …“

„Sprechen Sie nicht weiter“, unterbrach Dorcas sie in sanftem Ton. „Und machen Sie sich keine Gedanken. Es ist wirklich kein Problem.“

Trotz dieser Worte wirkte Mrs. Feder noch immer nervös. Und Mr. Feder schien sogar zu misstrauisch zu sein, um ganz hereinzukommen, denn er war an der Tür stehen geblieben.

„Bitte sagen Sie mir noch einmal Ihre Vornamen“, forderte Dorcas sie auf. „Meine Sprechstundenhilfe hat sie nicht in meinen Terminkalender geschrieben.“

Mrs. Feder lächelte. „Ich bin Becca, und das ist Turner.“

Dorcas erwiderte das Lächeln. „Und Sie beide müssen mich Dorcas nennen. Nun, dann wollen wir mal anfangen, oder?“

Becca sah zu ihrem Mann, der noch zögerte. Seltsam, dachte Dorcas, er sieht gar nicht aus wie ein Mann, der Schwierigkeiten hatte, die Ehe zu vollziehen. Im Gegenteil, er kam ihr vor wie einer, der sich auf die Frau stürzte, die ihn interessierte. Und er schien sich für seine Frau sehr zu interessieren, so wie er sie ansah.

Er wandte sich an Dorcas. „Sie werden uns zu Ihrer Belustigung nicht wie Hunde bellen lassen, während wir hypnotisiert sind, oder?“

„Natürlich nicht.“ Sie wartete sein Aufatmen ab und fügte dann hinzu: „Ich werde Sie wie Hühner mit den Armen wedeln lassen. Das finde ich unterhaltsamer.“ Sie musste über seinen panischen Gesichtsausdruck lachen. „Tut mir leid, ich konnte nicht widerstehen.“

Er sagte nichts und wirkte nach wie vor misstrauisch.

„Machen Sie sich keine Gedanken, Turner“, beruhigte Dorcas ihn. „Ich führe eine professionelle, zugelassene Praxis. Hypnotherapie mag von vielen Leuten noch nicht verstanden werden, aber es ist zweifellos für viele eine gute Behandlungsmethode. Es interessiert Sie vielleicht zu erfahren, dass nicht jeder Mensch hypnotisierbar ist.“

„Tatsächlich?“, meldete Becca sich zu Wort. Ihre Stimme verriet eine Mischung aus Neugier und Besorgnis.

„Und von denjenigen, die hypnotisiert werden können, sprechen längst nicht alle auf Hypnotherapie an. Sollte das bei einem von Ihnen der Fall sein, kann ich einen anderen Therapeuten empfehlen, der Ihnen bei Ihrem Problem möglicherweise mit konventionelleren Methoden helfen kann.“

„Die haben wir bereits ausprobiert“, sagte Becca. „Die Hypnotherapie ist gewissermaßen unsere letzte Hoffnung. Wenn Sie uns nicht helfen können …“

Sie beendete den Satz nicht, doch bei der Aussicht auf ein Scheitern dieser Bemühungen sah sie regelrecht verzweifelt aus.

„Nun, seien Sie ganz unbesorgt“, meinte Dorcas. „Entspannen Sie sich, und wir versuchen unser Bestes. Wirklich, ich glaube, Sie werden mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein. So, Turner, wenn Sie jetzt neben Becca Platz nehmen, dann können wir anfangen.“

Als Dorcas auf den freien Platz deutete, kam Turner widerstrebend näher. Nach kurzem Zögern setzte er sich.

„So ist es gut“, sagte Dorcas lächelnd. „Und jetzt werde ich Sie beide hypnotisieren.“

Sie begann die Sitzung auf dieselbe Weise wie immer, mit Entspannungstechniken, zu denen tiefes Einatmen und Visualisierungsübungen gehörten. Schritt für Schritt führte Dorcas Becca und Turner durch die einzelnen Phasen, bis sie sicher war, dass sie sich in tiefer Trance befanden. Erst dann gab sie ihnen die posthypnotische Suggestion ein, an die sie sich nicht mehr erinnern würden, sobald sie wieder wach waren, nach der sie aber hoffentlich bei entsprechendem Stimulus handeln würden.

In diesem Fall hatte sie sich über den auslösenden Reiz viele Gedanken gemacht und entschieden, dass es am besten war, in diesem Fall ein Wort zu verwenden. Allerdings musste es ein Wort sein, dass sie privat benutzen oder zu Hause hören würden. Schließlich wollte sie nicht, dass die beiden an einem öffentlichen Ort von Leidenschaft überwältigt wurden. Letztlich hatte sie sich für das Wort „Unterwäsche“ entschieden, da es vermutlich nicht allzu oft verwendet wurde und außerdem wahrscheinlich nur zu Hause. Dennoch war es gebräuchlich genug, dass es von Zeit zu Zeit fallen würde.

Und Dorcas war überzeugt, dass es nur einmal ausgesprochen oder gehört werden musste, denn nachdem die beiden das erste Mal miteinander geschlafen hätten, würden ihre Hemmungen wohl verschwinden, unabhängig davon, ob sie nun hypnotisiert worden waren oder nicht. Sobald sie erst Sex miteinander gehabt hatten, würden sie keinen posthypnotischen Befehl mehr brauchen. Denn nach diesem ersten Mal würden sie erkennen, dass es für Schüchternheit oder Hemmungen keinen Grund gab, und ganz natürlich aufeinander reagieren. Bis dahin würde der Auslöser ihnen helfen müssen.

„Wann immer Sie das Wort ‚Unterwäsche‘ hören, wird jeder den anderen ansehen oder an ihn denken und wilden, leidenschaftlichen Sex mit ihm haben wollen. Sie werden weder Scheu noch Schuld oder Scham empfinden. Sie werden darauf brennen, jedem sexuellen Impuls nachzugeben, jede erotische Fantasie auszuleben, jede Stellung, die Sie sich jemals vorgestellt haben. Das Wort ‚Unterwäsche‘ ist das Signal für Sie, Ihre Hemmungen zu vergessen und sich einander mit all der Leidenschaft zuzuwenden, die Sie füreinander empfinden.“

Dorcas hielt einen Moment inne und überlegte, dass es besser wäre, ihnen eine Art Aus-Schalter für ihre Leidenschaft mitzugeben, für den Fall, dass sie sich in einer Situation befanden, in der sie das Wort zwar hörten, aber nicht zusammen waren oder Sex nicht möglich wäre. Es war schließlich nicht sinnvoll, dass sie in einem Zustand permanenter Erregung herumliefen.

Daher sagte sie: „Das Einzige, was Ihre Begierde dämpft, wird Sex sein oder Schlaf.“

Das müsste genügen, dachte Dorcas. Ihre Arbeit war beendet. Behutsam brachte sie Turner und Becca wieder in den Wachzustand zurück. Ihre Lider öffneten sich gleichzeitig, fast als wären sie ein Körper. Becca lächelte verträumt, verschränkte die Finger vor sich und streckte sich. Turner hingegen sprang sofort auf und schaute sich skeptisch um.

„Ich glaube, es hat nicht funktioniert“, sagte er. „Sie haben mich nicht hypnotisieren können.“

„Doch, das habe ich“, widersprach Dorcas gelassen. Seine Reaktion war für Männer nicht ungewöhnlich. „Sie können sich nicht erinnern, weil ich es Ihnen gesagt habe. Aber Sie waren ganz sicher hypnotisiert, Turner.“

„Habe ich wie ein Hund gebellt?“

Dorcas grinste. „Nein, und ich habe Sie auch nicht Ihre Arme bewegen lassen, als wären Sie Hühner.“

„Ich fühle mich überhaupt nicht verändert“, stellte er fest.

„Das ist nicht ungewöhnlich“, erklärte sie. „Sie sollen sich auch gar nicht verändert fühlen.“ Zumindest noch nicht, fügte sie im Stillen hinzu. Aber wartet nur ab, bis ihr das Wort „Unterwäsche“ hört. „Nur entspannt und ausgeruht.“

„Ich fühle mich aber nicht entspannt oder ausgeruht“, behauptete er.

„Ich schon“, sagte Becca. „Sehr sogar. Als hätte ich ein ausgiebiges Nickerchen gemacht.“

„Nun, unabhängig davon, wie Sie sich jetzt fühlen, habe ich Ihnen beiden eine posthypnotische Suggestion eingegeben, die Ihnen bei Ihrem Problem helfen sollte. Sollten Sie nächste Woche um diese Zeit immer noch Schwierigkeiten haben, rufen Sie mich an, dann versuchen wir es erneut. Aber ich versichere Ihnen, Sie waren alle beide tief in Trance. Erinnern Sie sich an irgendetwas von dem, was ich zu Ihnen gesagt habe?“

Die beiden tauschten einen Blick und schüttelten die Köpfe.

„Dann bin ich sicher, dass Sie Ergebnisse sehen werden“, versprach Dorcas ihnen. „Falls nicht, melden Sie sich, und wir schauen, ob eine zweite Sitzung hilft. Aber ich denke, Sie werden zufrieden sein.“ Es machte ihr solche Freude, Menschen zu helfen, und die beiden schienen ein wirklich nettes Paar zu sein.

„Gehen Sie jetzt nach Hause und ruhen sich aus“, sagte sie. „Nehmen Sie den restlichen Tag für sich und warten Sie ab, was sich entwickelt. Sie könnten vielleicht Wäsche waschen“, schlug sie vor. „Mal sehen, was passiert, wenn Sie sie wegräumen. Sie können bei meiner Sprechstundenhilfe bezahlen, sie müsste ihr Telefonat inzwischen beendet haben.“

Die Feders machten wegen des Vorschlags mit der Wäsche verwirrte Gesichter, doch Dorcas grinste nur und führte sie hinaus. Die beiden Turteltäubchen sollten so schnell wie möglich in die Nähe von Unterwäsche kommen, damit sie endlich miteinander schliefen.

Kaum waren sie unten auf der Straße, wusste Turner, dass die Hypnose nicht funktioniert hatte. Denn er fühlte sich nicht nur nicht entspannt oder ausgeruht – obwohl er zugeben musste, dass Becca so entspannt wie seit langem nicht mehr wirkte –, sondern er sehnte sich auch noch nach einer Zigarette wie nie zuvor nach etwas in seinem Leben. Mit Ausnahme von Becca vielleicht.

„Es hat nicht funktioniert“, erklärte er auf dem Weg zum Wagen.

„Was meinst du damit?“ Becca blieb stehen. „Woher weißt du, dass es nicht funktioniert hat? Es ist doch noch viel zu früh, um das zu wissen.“

Turner blieb ebenfalls stehen. „Ich weiß es, weil ich dringend eine Zigarette brauche. Du nicht?“

Sie dachte einen Moment darüber nach, dann sagte sie deprimiert: „Doch, ich auch.“

„Ich habe dir gleich gesagt, dass Hypnotherapie Unfug ist.“

Sie gingen weiter, aber in langsamerem Tempo. „Dorcas hat gesagt, wir können es noch mal probieren“, erinnerte Becca ihn. „Vielleicht sollten wir gleich wieder nach oben gehen. Es ist zehn, unser eigentlicher Termin. Sie müsste also Zeit haben für uns.“

„Auf keinen Fall“, erklärte Turner. „Noch mal mache ich diesen Zirkus nicht mit. Wenn es beim ersten Mal nicht funktioniert hat, wird es auch beim zweiten Mal nicht funktionieren.“

„Was glaubst du, was sie mit ihrem Vorschlag gemeint hat, wir sollten ein bisschen Wäsche waschen?“, fragte Becca.

„Keine Ahnung.“

Beccas Enttäuschung war offensichtlich. „Ich war mir so sicher, dass es klappen würde. Was machen wir jetzt?“

Turner sah zu einem Drugstore. „Ich weiß ja nicht, wie es mit dir steht, aber ich kaufe mir jetzt eine Schachtel Zigaretten.“ Er wollte losgehen, doch Becca legte ihm die Hand auf den Arm.

„Warte“, bat sie.

„Wieso?“

„Vielleicht schaffen wir es auch allein. Mit kaltem Entzug.“

„Das haben wir doch schon versucht“, erwiderte er gereizt. „Auf dem College. Es war zwecklos.“

„Damals waren wir noch Jugendliche“, erinnerte sie ihn. „Heute würden wir es besser hinbekommen, weil wir viel mehr Stehvermögen haben.“

Oh, wieso muss sie ein Wort wie „Stehvermögen“ benutzen? dachte Turner. Zu gern würde er ihr sein Stehvermögen zeigen. Nur nicht, wenn es darum ging, mit dem Rauchen aufzuhören.

„Turner?“ Ihre Stimme riss ihn aus seinen Fantasien.

„Was ist?“

„Du siehst ein wenig …“

„Ja?“

Doch statt zu antworten, kaute sie auf ihrer Unterlippe, was seine Fantasie erneut beflügelte. Verdammt, wieso war ihr die Freundschaft mit ihm so wichtig? Wieso konnte sie ihn nicht weniger mögen und dafür mit ihm schlafen? Das Leben war wirklich unfair.

„Tut mir leid“, sagte er in sanfterem Ton. „Ich werde nur ein wenig gereizt, wenn ich so lange nicht geraucht habe.“

„Na ja, da du ohnehin schon gereizt bist, könnten wir ruhig probieren, die Pausen zwischen den Zigaretten zu verlängern. Wir müssen keinen kalten Entzug machen, wir könnten einfach weniger rauchen. Was hältst du davon? Wir haben den ganzen Tag frei“, fuhr sie fort, ohne auf eine Antwort zu warten. „Amüsieren wir uns. Lass uns etwas unternehmen, was uns vom Rauchen ablenkt. Wir könnten ins Kino gehen. Du darfst auch den Film aussuchen. Und hinterher koche ich für dich bei mir zu Hause.“

„Wir sollten uns irgendwann über den neuen Kunden unterhalten“, meinte Turner, um ihre berufliche Beziehung ins Spiel zu bringen, weil es leichter war, daran zu denken, als an ihre private Beziehung. „Wir haben zwar den Rest des Tages frei, aber bis zur Präsentation am Samstag ist noch viel zu tun.“

„Das machen wir morgen“, beschloss sie. „Wir haben noch den Rest der Woche Zeit, um die Präsentation vorzubereiten. Und mal ohne falsche Bescheidenheit – wir wissen doch beide genau, wie brillant unser Entwurf ist. Wenn wir diesen Kunden nicht für Englund Advertising gewinnen, kann es niemand.“ Lächelnd hakte sie sich bei ihm unter und schlenderte die Straße entlang. „Montagmorgen werden wir beide an der Kampagne arbeiten. Ich weiß es. Montagmorgen wird der Etat für Bluestocking Lingerie uns gehören.“

5. KAPITEL

Unsere Präsentation mag ja brillant sein, dachte Turner am nächsten Abend, während alle bei Englund Advertising sich auf den Heimweg machten, aber sie ist noch nicht fertig. Weshalb alle anderen nach Hause gingen und er und Becca noch in ihren Büroabteilen über ihren Entwürfen brüteten. Sicher, ihnen blieben noch zwei ganze Tage, um die Präsentation zu perfektionieren, aber es wäre viel beruhigender, wenn sie jetzt schon perfekt wäre. Und da keiner von ihnen Pläne für den Abend hatte, hatten sie kein Problem darin gesehen, noch ein wenig länger zu arbeiten.

Wenn nur nicht dieses heftige Verlangen nach einer Zigarette gewesen wäre.

Diese verdammte Hypnotherapie! dachte Turner. Am Ende des gestrigen Tages hatten sie ihrem Bedürfnis, zu rauchen, nachgegeben, mindestens ein halbes Dutzend Mal. Was immer die Hypnotherapeutin während der Hypnose zu ihnen gesagt hatte, es hatte nicht funktioniert. Was Turner nicht überraschte. Tja, es sah für ihn und Becca doch nach einem frühen, stinkenden Grab aus.

„Wir brauchen einfach einen einprägsameren Slogan“, sagte Becca in diesem Augenblick.

Ihr Büroabteil war genau wie seines quadratisch und exakt vier Quadratmeter groß, was zwar nicht viel war, aber immer noch mehr, als die meisten Angestellten bei Englund Advertising hatten. Das lag daran, dass Turner und Becca für eine Beförderung zu Account Managern, also Kundenbetreuern, anstanden, was ihnen ein richtiges Büro einbringen würde. Ohne Fenster zunächst, aber irgendwann, wenn genügend Kollegen in den Ruhestand gingen oder kündigten, würden sie die atemberaubende Aussicht der Skyline von Indianapolis genießen können, die von den besten Büros und dem Vorstandszimmer aus zu sehen war.

Vorläufig hatte Becca sich ihre eigene Aussicht kreiert. Außer der Telefonliste und dem Kalender hatte sie die Zeitschriftenanzeigen an die beigefarbenen Wände geklebt, die sie und Turner entworfen hatten. Es waren Hochglanzfotos von lokalen kleinen Brauereien bis hin zu lokalen Winzern und Restaurants. Erst in den letzten zwei Jahren hatte Englund Advertising sich über Indianapolis hinaus ausgedehnt, doch in dieser kurzen Zeit hatte die Firma eine Reihe großer, landesweit operierender Kunden gewonnen. Turner und Becca hatten jedoch weiter mit kleineren Kunden aus der Stadt gearbeitet.

Bis jetzt.

Bluestocking Lingerie würde Englund Advertisings bisher größter Kunde werden, falls – nein, sobald sie ihn gewonnen hatten, denn der Hersteller von teurer, modischer, sexy Unterwäsche war ein schnell wachsendes Unternehmen. Die meisten Sachen, die das Unternehmen an die Werbefirma geschickt hatte, waren nicht gerade unter praktischen Gesichtspunkten entworfen worden. Das konnte selbst Turner sehen. Als Becca den Karton mit den Musterstücken auf ihren Schreibtisch ausgekippt hatte, waren darunter Sachen aus Spitze, Seide und Dessous mit Nieten gewesen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Dabei hatte er sich stets für einen Kenner dessen gehalten, was Frauen so unter ihrer Kleidung trugen.

Unwillkürlich hatte er sich gefragt, ob Becca Bluestocking-Produkte besaß. Jetzt gerade versuchte er allerdings, nicht daran zu denken. Er hatte seinen Sessel in ihr Büro gerollt und saß eingeklemmt zwischen der Wand und der Schreibtischseite. Er hatte seine mit psychedelisch bunten Farben bedruckte Krawatte gelockert und die Ärmel seines weißen Oxfordhemds hochgekrempelt. Er wollte sich an die Arbeit machen, denn es wurde ein wenig stickig in dem engen Büroabteil.

Becca schien ebenfalls unruhig zu sein, denn sie lehnte sich ungeduldig zurück und öffnete ihre Schildpatt-Haarspange, nur um sich durch die Haare zu fahren und sie anschließend zu einem noch strafferen Pferdeschwanz zusammenzubinden.

Turner beobachtete sie verstohlen und registrierte, wie ihre Brüste sich dabei unter der cremefarbenen Bluse abzeichneten und die champagnerfarbene Spitze ihres BHs im Ausschnitt sichtbar wurde. Er nahm sich zusammen und zwang sich, woanders hinzusehen. Doch dabei fiel sein Blick auf ihre langen schlanken Beine, die von einer schwarzen Strumpfhose und einem kurzen schwarzen Rock verhüllt waren.

Wenigstens hatte sie ihre Pumps mit den Pfennigabsätzen abgestreift. Er versuchte sich einzureden, dass in Strumpfhosen steckende Füße nicht so aufregend sein konnten, wie er Beccas plötzlich fand. Trotzdem hatten die Bilder von Haaren, Brüsten, Beinen und Füßen sich in seinem Hirn festgesetzt und ergaben zusammen immer anschaulicher werdende Fantasien.

O ja. Turner konnte jetzt dringend eine Zigarette brauchen. Aber das war nicht alles, wonach er sich sehnte.

„Wir brauchen etwas Kurzes, aber Einprägsames als Slogan“, fuhr Becca fort, ohne von Turners Aufgewühltheit etwas zu bemerken. „Es muss die aufstrebende, beruflich erfolgreiche Frau ansprechen.“

„Mir gefällt mein Vorschlag immer noch“, sagte er, nach wie vor ein wenig beleidigt, weil sie seinen Slogan so entschieden verworfen hatte.

Sie verdrehte die Augen. „Du meine Güte, halte mich ruhig für skeptisch, aber ich bin nun mal nicht überzeugt, dass die Frauen Amerikas auf einen Slogan wie ‚Bluestocking Lingerie – zieh sie an, zieh sie aus‘ ansprechen.“

„Nein, nicht den, der andere“, sagte er.

„,Bluestocking Lingerie – macht Affären heißer‘?“

„Nein, den danach.“

„,Bluestocking Lingerie – er kriegt den Schock und Sie guten Sex‘?“

„Nein, den danach.“

Sie überlegte einen Moment. „Ach ja. Du meinst: ‚Bluestocking Lingerie – wenn es heiß werden soll‘.“

„Genau den“, rief Turner.

„Ich finde ihn nicht so gut.“

„Aber er ist kurz und einprägsam.“

„Ich glaube nicht, dass es das ist, was unser Kunde sich vorstellt“, gab Becca zu bedenken. „Komm schon. Es muss doch etwas geben. Normalerweise ist das für uns die leichteste Phase einer Kampagne. Vielleicht sollten wir uns auf eine Hand voll Designs konzentrieren, statt auf die gesamte Kollektion.“

Sie wühlte in den knappen Dessous auf ihrem Schreibtisch, für die Bluestocking-Werbung offenbar am wichtigsten war. Für Turner sah es einfach nach einem Haufen aus BHs und Slips aus, die sich kaum unterschieden.

„Für mich sieht das alles gleich aus“, sagte er. „Ich finde, wir sollten uns an die gesamte Kollektion halten.“

„Die sind überhaupt nicht alle gleich“, protestierte Becca und wählte ein paar Slips und BHs aus. Sieh dir doch nur mal die Slips an.

Das tat Turner, konnte jedoch noch immer keinen großen Unterschied erkennen, weder in Farbe, noch was den Stoff anging. „Und?“

„Na, es gibt Jazz Pants, Boxershorts, French Knickers, Taillenslips und Stringtangas mit so fantasievollen Bezeichnungen wie Minibikinis und Mini-Micro-Bikinis“, erklärte sie, indem sie die Schilder der einzelnen Wäschestücke zeigte.

Er kniff die Augen zusammen. „Was ist der Unterschied?“

Sie schien es ihm erklären zu wollen, aber dann zuckte sie nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Die in der Mitte sehen für mich auch alle gleich aus. Aber die Jazz Pants und die Boxershorts unterscheiden sich doch voneinander. Und die Stringtangas sind wiederum ganz anders als …“

„Ja, da sehe ich den Unterschied auch“, verkündete er begeistert. Zu gern hätte er einen dieser kleinen Fetzen an Becca gesehen. „Was ist mit den BHs?“ wollte er wissen und überlegte, wie er am besten den Vorschlag anbrachte, dass Becca ihm die Sachen vorführen sollte. Das wäre wirklich inspirierend.

„Da hätten wir den Full-Cup, den Semi-Cup, den Mini-Cup und den Mini-Micro-Cup“, erklärte sie und hielt auch hier die Schilder der BHs hoch.

„Das klingt vage vertraut“, sagte Turner. „Aber wo ist der String-BH?“

Sie warf ihm einen tadelnden Blick zu. „So etwas gibt es nicht.“

„Und wieso nicht?“

Becca musste sich ein Grinsen verkneifen. „Ich vermute mal, dass es für die Trägerin zu unbequem wäre. Ganz zu schweigen davon, dass er nicht den geringsten Halt böte.“

„Ach, aber ein Stoffstreifen zwischen den Pobacken ist nicht unbequem?“ konterte er. „Frauen tragen doch solche Sachen nicht, weil sie bequem sind oder Halt bieten. Sie ziehen das an, weil sie ihre Männer scharf machen wollen.“

„Nicht immer“, widersprach sie. „Manche Frauen tragen gern solche Sachen mit Rüschen und Spitze unter ihrer Kleidung, weil sie sich dann erotischer und femininer fühlen.“

Er musterte sie. „Das hört sich an, als würdest du aus Erfahrung sprechen.“

Was sie, wie er sehr wohl wusste, auch tat, nachdem er einen kurzen Blick auf das erhascht hatte, was sie unter ihrer Bürokleidung trug. Er wollte sie nur ein wenig aufziehen, ohne genau zu wissen, warum eigentlich.

Sie biss die Zähne zusammen, sagte jedoch nichts mehr, sondern sammelte sämtliche Wäscheteile ein und schob den Haufen an den Rand ihres Schreibtisches. „Gut, dann sollten wir uns jetzt die Kollektion als Ganzes ansehen“, gab sie nach.

Turner rieb sich müde die Augen und lehnte sich zurück. „Mann, ich kann gar nicht glauben, was für einen Aufwand wir betreiben, um ein bisschen Unterwäsche zu verkaufen.“

Er ließ die Hände wieder sinken und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass Becca ihn interessiert ansah, als versuche sie gerade, aus ihm schlau zu werden.

„Was ist denn?“, fragte er.

„Was hast du gerade gesagt?“ Ihre Stimme klang sanft und leise und … seltsam erregt? Bestimmt nicht. Das war bloß Wunschdenken. Die Vorstellung von ihr in der sexy Unterwäsche hatte ihn erregt, daher glaubte er, das müsste ansteckend sein.

Autor

Elizabeth Bevarly
Elizabeth Bevarly stammt aus Louisville, Kentucky, und machte dort auch an der Universität 1983 mit summa cum laude ihren Abschluss in Englisch. Obwohl sie niemals etwas anderes als Romanschriftstellerin werden wollte, jobbte sie in Kinos, Restaurants, Boutiquen und Kaufhäusern, bis ihre Karriere als Autorin so richtig in Schwung kam.

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