Verliebt in einen Verführer?

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Er ist ein Traummann - na und? Niemals wird sich Blair in einen Verführer wie Dr. Oz Manning verlieben! Doch warum tut sie dann so, als wäre es ihr egal, wenn eine andere Frau bei der Junggesellen-Auktion ihrer Klinik ein Date mit ihm ersteigert? Und bietet dann selbst mit?


  • Erscheinungstag 20.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759599
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Wie zum Teufel sollte es Blair Pendergrass gelingen, Oz Manning zu meiden, wenn er ihr ständig über den Weg lief? Und das nicht nur während ihrer Arbeit als Kardiologieschwester, sondern auch in fast allen anderen Bereichen ihres Lebens.

Sie versuchte, jeden Gedanken an den neuen Herzchirurgen des Madison Memorial Krankenhauses zu verscheuchen, und begann, ihrem Patienten Latham Duke einen Venenkatheter zu legen. Mit geübten Bewegungen ließ sie die Nadel in den Arm des Bankers gleiten.

„Sie machen das wirklich gut“, lobte Mr Duke und entspannte sich. „Beim letzten Mal hat mich die Krankenschwester fast umgebracht.“

Blair lächelte. Sie liebte ihren Job und setzte allen Ehrgeiz daran, ihren Patienten so wenig Schmerzen wie möglich zuzufügen.

„Na, dann wollen wir hoffen, dass Dr. Manning nicht zu Ende bringt, was diese andere Schwester begonnen hat“, neckte ihn Blair.

Beim Gedanken an seine bevorstehende Herzkatheteruntersuchung runzelte Mr Duke besorgt die Stirn.

Seit Oz Manning angekommen war, spielten sämtliche Frauen in Lower Alabama verrückt.

Alle außer Blair. Sie mied den hochgewachsenen Chirurgen, von dem behauptet wurde, er würde mindestens genauso viele Herzen brechen, wie er operierte. Schon vor Jahren hatte sie Oz, der regelmäßig im Madison Memorial auftauchte, um seinen Mentor Dr. Talbot zu besuchen, für einen unverbesserlichen Playboy gehalten.

Er brauchte nur mit dem kleinen Finger zu schnippen, und schon lagen ihm die Frauen reihenweise zu Füßen. Doch Blair hatte einschneidende und wenig erfreuliche Erfahrungen mit Männern gemacht, die ihren Charme rücksichtslos ausnutzten. Ihr Bedarf war gedeckt. Und zwar für immer.

Im Augenblick war sie jedoch bereit, sein unerträgliches Verhalten als Schürzenjäger zu tolerieren, denn Oz kümmerte sich rührend um Dr. Talbot.

Blairs Herz zog sich zusammen. Seit über einem halben Jahr kämpfte Dr. Talbot gegen den Krebs, der in seinem Darm begonnen und sich dann aggressiv auf Bauchspeicheldrüse, Leber und Milz ausgebreitet hatte.

„Ich weiß ja, dass diese Untersuchung ein Standardeingriff ist, aber ehrlich gesagt habe ich Angst bei der Vorstellung, dass mir etwas durch die Leiste bis zu meinem Herzen geschoben wird.“ Mr Duke sah sie niedergeschlagen an. „Vor allem, wenn es auch noch ein ganz neuer Arzt macht.“

Beruhigend tätschelte Blair seine Hand. „Dr. Manning ist zwar neu hier am Madison Memorial, aber er ist trotzdem kein Anfänger. Er hat vorher in einem der führenden Herzzentren unseres Landes gearbeitet.“

Blair spritzte Mr Duke ein Beruhigungsmittel. „Jetzt, da Dr. Talbot wegen seiner Erkrankung ausfällt, ist Dr. Manning unser mit Abstand fähigster Chirurg. Es gibt niemanden, dem ich mein Herz eher anvertrauen würde.“ Blairs Worte waren aufrichtig, denn an Oz’ fachlicher Kompetenz gab es nicht nur nichts auszusetzen, er war der Star unter den Operateuren.

„Das ist ja wundervoll“, ertönte plötzlich eine männliche, begeistert klingende Stimme. „Ich wusste ja gar nicht, dass Sie mir so schmeichelhafte Gefühle entgegenbringen.“

Blair verfluchte sein Timing.

Als sie Oz ansah, grinste er selbstzufrieden, wobei sich Grübchen in seinen Wangen bildeten, die ihn wie den sprichwörtlichen netten Jungen von nebenan aussehen ließen. Blair rollte verzweifelt die Augen. Wieso konnte er nicht hässlich und langweilig sein? Das würde den Umgang mit ihm so viel einfacher machen!

Doch er sah nun einmal unverschämt gut aus. Und er wusste es.

Zu ihrem Ärger wurde sie rot.

„Guten Morgen“, begrüßte Oz seinen Patienten und ließ seinen Blick über die verschiedenen Monitore wandern. „Behandelt Schwester Blair Sie gut?“

„Erstklassig“, murmelte Mr Duke, bei dem bereits das Beruhigungsmittel zu wirken begonnen hatte. „Es hat überhaupt nicht wehgetan, als sie mich gestochen hat. Sie ist meine absolute Lieblingsschwester.“

„Diesen Satz habe ich schon oft gehört“, sagte Oz und sah Blair neckend an. „Vor allem von den männlichen Patienten.“

Dieser Schleimer! Mit ihrem kurzen, dunklen Haar und den grünen Augen sah sie bestenfalls durchschnittlich aus. Außerdem hatten Schwangerschaft und Geburt ihre Hüften breit und ihre Brüste zu groß werden lassen. Von den fünf Kilo Übergewicht, die sie noch immer mit sich herumschleppte, einmal ganz zu schweigen. Schon seit langer Zeit hatte kein Mann mehr wirkliches Interesse an ihr gezeigt.

Eigentlich noch nie.

„Schön und auch noch kompetent“, sinnierte Mr Duke. „Sie ist wirklich außergewöhnlich. Passen Sie auf, dass sie Ihnen nicht entwischt.“

„Sie haben vollkommen recht“, stimmte Oz zu und musterte sie ungeniert. Als ihre Blicke sich trafen, blitzte etwas in seinen blauen Augen auf.

Blair zuckte zurück, erschrocken über die Intensität, mit der er sie ansah. Er liebte es, sie herauszufordern, und gerade weil es ihm so großen Spaß machte, versuchte sie, ihm nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Doch gerade eben war er irgendwie anders gewesen als sonst. Ernster. Fast schon gefährlich.

Ohne sie noch einmal anzusehen, wandte Oz sich wieder den Geräten zu. Ruhig und gelassen erklärte er Mr Duke jeden einzelnen Schritt und ließ dann das Kontrastmittel in die Vene laufen. „Es könnte sein, dass Sie jetzt ein Gefühl von aufsteigender Wärme empfinden“, erklärte er. „Das ist ganz normal.“ Konzentriert blickte er auf den Monitor.

„Ist sie Single?“

Blair blinzelte. Hatte Mr Duke das wirklich gerade gefragt?

„Ja …“, Oz konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Aber ich dachte, Sie seien verheiratet.“

„Mein Sohn ist gerade zurück nach Madison gezogen. Er hat im Dezember in Yale seinen Abschluss in Ökonomie gemacht.“ Es war nicht zu überhören, dass Mr Duke sehr stolz war. „Ein wirklich netter Junge. Intelligent und gut aussehend – genau wie sein Vater.“ Er sah Blair bedeutungsvoll an. „Es wäre wunderbar, wenn er bald ein nettes Mädchen kennenlernen würde.“ Wieder sah er zu Blair. „Um endlich zu heiraten und eine Familie zu gründen.“

Heiraten? Familie gründen? Bei diesem Gedanken schüttelte Blair sich innerlich. Sie hatte keine Zeit für Verabredungen und schon gar nicht für eine Heirat. Ihr Leben war ausgefüllt mit ihrer fünfjährigen Tochter Addy, ihrer jüngeren Schwester Reesee und Dr. Talbot.

Da hatte sie keine Lust, sich auch noch um das Ego eines Mannes zu kümmern, und sie dachte nicht im Traum daran, jemandem Zutritt zu ihrem geordneten Leben zu gewähren. Es gefiel ihr, wie es war. Abgesehen natürlich von Dr. Talbots Krankheit – und der nervtötenden Anwesenheit von Oz.

„Sie sollten Ihrem Sohn von der Spendengala erzählen, die wir für Dr. Talbots Behandlungskosten veranstalten“, schlug sie vor. „Wir planen eine Auktion für gespendete Sachen, aber die Hauptattraktion wird die Versteigerung von Junggesellen und – gesellinnen sein.“

„Eine Junggesellenauktion?“ Verwirrt sah Mr Duke sie an.

„Ja. Es geht darum, einen Abend mit der entsprechenden Person zu ersteigern. Fragen Sie Ihren Sohn doch bitte, ob er mitmachen möchte. Ein attraktiver, erfolgreicher Geschäftsmann wird sicher einen guten Preis erzielen.“

„Ihnen fehlen also immer noch Männer dafür?“, erkundigte sich Oz, ohne den Blick von seinem Patienten abzuwenden. „Ich habe doch schon Will Majors angeworben. Von Stephanie weiß ich, dass er zugesagt hat.“

Obwohl Oz seine Hilfe für die Veranstaltung angeboten hatte, wollte er überraschenderweise nicht selbst an der Auktion teilnehmen. Weder Blair noch Stephanie, die Koordinatorin, hatten es geschafft, ihn zu überreden. Blair wunderte sich darüber, denn sie hatte angenommen, dass ein Mann wie Oz Manning es genießen würde, wenn sich mehrere Frauen öffentlich um eine Verabredung mit ihm stritten.

„Wir brauchen noch zwei Männer, damit die Anzahl von Männern und Frauen gleich ist.“

„Zwei Junggesellen also“, murmelte Oz nachdenklich. Obwohl er mit ihr plauderte, galt seine ganze Aufmerksamkeit der Behandlung von Mr Duke. Gerade führte er das Instrument die Femoralarterie hinauf zum Herzen.

Blair hielt den Atem an. Obwohl sie es bereits hundertfach miterlebt hatte, konnte sie ihre Anspannung bei solchen Eingriffen nicht verleugnen. Sie war erst wieder beruhigt, wenn ihr Patient alles gut überstanden hatte. Lag es vielleicht daran, dass ihre Mutter bei einem Routineeingriff verstorben war, als Blair gerade neunzehn war?

„Hier haben wir also unser erstes Problem“, verkündete Oz. „Eine kleine Blockade in der rechten Koronararterie. Aber ein Stent dürfte reichen.“

Oz positionierte das Instrument so dicht wie möglich an der Verengung in der Arterie, die verhinderte, dass ausreichend Blut, und damit Sauerstoff, in Mr Dukes Herzen ankam. Mit einer zielgenauen Bewegung öffnete er die Blockade. Sofort konnte das Blut wieder ungehindert fließen.

Oz hatte wirklich magische Hände, wenn es um das Reparieren von Herzen ging.

Blair hatte Mr Duke nicht angelogen. Es gab keinen Kardiologen, dem sie mehr vertraute als Oz Manning. Er war ein begnadeter Arzt.

Seine fachliche Seriosität stand in einem scharfen Kontrast zu seinem provozierenden Benehmen. Er hatte eine Affäre nach der anderen und machte seinem Ruf als Schürzenjäger seit Jahren alle Ehre. Seit er hier war, um Dr. Talbot zu vertreten, hatte er allerdings auf seine üblichen Eroberungen verzichtet.

Im Laufe der Katheteruntersuchung setzte Oz noch zwei weitere Stents in Mr Dukes Arterie. Scheinbar unbeschwert plauderte er dabei mit seinem Patienten.

Dr. Talbot hatte eine vollkommen andere Arbeitsweise. Außerhalb der Klinik war er der gutmütigste und sanfteste Mensch, den man sich vorstellen konnte, doch während einer Operation wurde er zu einem unnachgiebigen Herrscher. Blair hatte sich im Laufe der Zeit an seinen Befehlston gewöhnt, sodass Oz’ sorglose Art sie immer wieder verwirrte.

Genau genommen verwirrte sie nicht nur seine Art, sondern alles an ihm.

Gerade jetzt konnte sie seinen herben Moschusduft riechen und war sich seiner breiten Schultern nur allzu bewusst. Von ihrem Bedürfnis, mit den Fingerspitzen über seine rauen Bartstoppeln zu streicheln, einmal ganz zu schweigen.

Nun gut, Oz war ausgesprochen attraktiv. Na und? Sie war schließlich nicht blind. Doch egal, wie gut er aussah – sie würde es niemals zulassen, dass ein Mann wie er ihr zu nah kam. Nie wieder! Manche Erfahrungen reichten für ein ganzes Leben.

Blair schluckte und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Patienten und nicht länger auf den sexy Chirurgen zu lenken.

„Leider kann ich Ihre defekte Herzklappe nicht mit dem Katheter reparieren“, bedauerte Oz. „Die Schädigung ist zu groß.“ Obwohl er nicht mehr in seinem Forschungsteam in Minnesota arbeitete, war er noch immer damit beschäftigt, ein Verfahren zu entwickeln, das ein minimalinvasives Reparieren von Herzklappen ermöglichen sollte. Er hatte hier am Madison Memorial bereits einige Tests gemacht.

Nachdem er vorsichtig den Katheter aus der Arterie gezogen hatte, presste Blair eine Kompresse auf die Leiste des Patienten.

Mr Duke war blass geworden. „Heißt das, ich muss am offenen Herzen operiert werden?“, fragte er entsetzt.

„Das ist leider unvermeidlich.“ Oz setzte sich neben ihn. „Wenn Sie dem Eingriff zustimmen, werden wir Sie gleich für morgen auf den OP-Plan setzen. Auf jeden Fall sollten Sie es innerhalb der nächsten Wochen machen lassen.“

Mr Duke schüttelte entschlossen den Kopf. „So schnell geht das nicht. Ich bin nicht darauf vorbereitet, im Krankenhaus zu bleiben. Zuerst muss ich alles regeln und eine Vertretung im Büro organisieren.“

„Und wer kümmert sich um Ihre Bank, wenn Sie in der Zwischenzeit sterben? Wer wird dann für Ihre Familie sorgen?“

Blair konnte den Blick nicht von Oz abwenden. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst, und die kleine Kerbe in seinem Kinn schien viel tiefer zu sein als sonst. Doch es waren seine Augen, die sie am stärksten fesselten.

In diesem Augenblick bemerkte sie, dass der coole Dr. Oz Manning verletzlich war. Auch er hatte schon einmal gelitten. Die Welle von Empathie, die sie erfasste, gefiel Blair ganz und gar nicht. Schnell fing sie an, geschäftig das Behandlungszimmer aufzuräumen.

„Könnte ich wirklich sterben, wenn ich den Eingriff nicht machen lasse?“ Mr Duke schluckte schwer. „Reichen denn nicht die Stents, die Sie mir heute gesetzt haben? So schlecht ging es mir doch gar nicht. Das bisschen Atemnot …“

„Natürlich könnte es sein, dass nichts passiert.“ Oz zuckte die Achseln. „Aber wahrscheinlicher ist es, dass Ihr Herz plötzlich aufhört zu schlagen, oder dass weitere Schädigungen auftreten. Die Stents haben dafür gesorgt, dass die Blutversorgung wieder einigermaßen funktioniert, aber gegen Ihre defekte Herzklappe helfen sie nicht.“

Mr Duke dachte einen Augenblick nach, bevor er antwortete. „Wenn ich also nichts mache, dann wird es meinem Herzen immer schlechter gehen?“

„Mit Sicherheit“, erklärte Oz ohne zu zögern. „Je länger Sie warten, desto schlimmer ist die Schädigung, und desto umfangreicher wird der Eingriff sein. Im Augenblick könnte ich noch Ihre eigene Herzklappe reparieren. Wenn wir jedoch noch länger warten, werden Sie eine künstliche Klappe benötigen.“

„Ich brauche etwas Zeit“, bat Mr Duke und holte tief Luft. „Oder muss ich mich jetzt gleich entscheiden?“

„Nein.“ Oz schüttelte den Kopf. „Ich komme später noch einmal vorbei. Im Augenblick müssen Sie nur genau das machen, was diese entzückende Schwester Ihnen sagt.“

Blair ignorierte das galante Kompliment.

Nachdem Oz seine Handschuhe ausgezogen hatte, schüttelte er Mr Duke die Hand. „Falls Sie oder Ihre Familie noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Blair. Sie ist sehr erfahren auf diesem Gebiet und weiß genauso gut über den Eingriff Bescheid wie ich.“

Daran hatte Blair so ihre Zweifel.

Noch immer etwas benommen nickte Mr Duke.

„Bitte denken Sie daran, Ihrem Sohn von der Spendenaktion zu erzählen.“ Oz warf Blair einen verschmitzten Blick zu. „Wenn er Glück hat, bietet vielleicht Blair für ihn.“

Blair sah Oz kühl an und fuhr fort, ihren Patienten für den Transport in den Aufwachraum vorzubereiten. Kein Wunder, dass sie diesen aufgeblasenen Kerl verabscheute. Ständig flirtete er, warf mit unaufrichtigen Komplimenten nur so um sich und provozierte jede Frau in seiner Umgebung. Ein Schürzenjäger eben. „Achten Sie gar nicht auf ihn“, bat sie ihren Patienten. „Ich fürchte, er hat einmal zu oft am Narkosegas geschnuppert.“

Oz lachte schallend. Es war ein tiefes, kehliges Lachen, das bei Blair erstaunlicherweise ein Gefühl von Einsamkeit hervorrief. Wie lange war es her, seit sie das letzte Mal mit einem Mann zusammen gewesen war und einfach nur gelacht und einen netten Abend gehabt hatte?

Wie kam sie bloß auf solche Gedanken?

Es gab wohl kaum etwas, was sie weniger brauchte – und wollte! – als einen Mann wie Oz. In seiner Gegenwart fühlte sie sich unsicher, ihr Herz klopfte, als hätte sie einen Marathon hinter sich, und sie hatte Mühe, Luft zu bekommen.

Nachdem sie Mr Duke abgeliefert hatte, ging sie schnell zur kardiologischen Station zurück, wo sie ihm schon wieder begegnete.

Lässig lehnte er am Empfangstresen, sah sexy wie die Sünde aus und flirtete mit zwei Krankenschwestern.

Alles wie gehabt.

Kanesha Biles, die Oberschwester, war glücklich verheiratet, doch auch sie war weit davon entfernt, immun gegen Dr. Oz zu sein. Ihre dunklen Augen glitzerten vor Vergnügen, und sie kicherte über jede seiner Bemerkungen.

Becky starrte ihn mit so unverhohlener Bewunderung an, dass jedem Betrachter klar war, wie weit sie für eine Nacht mit ihm gehen würde.

„Oz Manning, Sie sind einfach furchtbar“, schalt Kanesha ihn gerade und schüttelte den Kopf. „Ein böser Junge.“

„Sie wissen doch, was man über die bösen Jungs sagt, oder?“, fragte Oz und sah Blair herausfordernd an.

Sie nahm eine Krankenakte und achtete darauf, nicht in seine blauen Augen zu sehen. Denn diese Augen ließen selbst die vernünftigsten Frauen dahinschmelzen. Dummerweise erinnerte der betörende Blick, den Oz so verschwenderisch jedem weiblichen Wesen zuwarf, Blair an einen anderen Mann, der ebenfalls seinen Charme ohne Rücksicht auf Verluste eingesetzt hatte, um zu seinem Ziel zu gelangen. Damals war Blair dieses Ziel gewesen.

Genau wie Chris wusste Oz nur zu gut, wie er auf das andere Geschlecht wirkte.

„Was sagt man denn über böse Jungen?“, hakte Becky kokett nach.

Obwohl sie es nicht wollte, sah Blair zu ihm. Er hatte den Blick nicht von ihr gewandt, und sie hatte das beängstigende Gefühl, dass er auf den Grund ihrer Seele blicken konnte.

„Ganz tief in ihrem Herzen sind die bösen Jungs sehr, sehr nett.“ Seine Stimme klang verführerisch, fast schon beschwörend.

Wie ein Versprechen.

Als spräche er direkt zu Blair, ohne dem Rest der Welt auch nur die geringste Beachtung zu schenken.

Um Himmels willen! Blairs Lungen schienen platzen zu wollen, denn sie hatte das Ausatmen vergessen. Ihre Knie wurden so weich, dass sie sich am Empfangstresen festhalten musste.

Sie durfte nicht vergessen, dass sie ihn nicht ausstehen konnte. Schließlich war er ein Playboy, der es darauf anlegte, Frauen das Herz zu brechen.

Egal, wie fasziniert alle anderen Frauen auch von ihm waren – sie würde ihm niemals eine Chance geben. Die Ähnlichkeiten mit Addys Vater waren einfach zu beängstigend.

Wie gut, dass sie in diesem Augenblick nicht an einen der Überwachungsmonitore angeschlossen war. Denn dann wäre längst das Alarmsignal ertönt, und alle Anwesenden könnten sehen, wie verräterisch heftig ihr Herz klopfte.

2. KAPITEL

Mit einem schwer beladenen Tablett bahnte Oz sich seinen Weg durch die Cafeteria und suchte nach einem ruhigen Plätzchen. Da er wenig geschlafen und lange operiert hatte, wollte er die Mittagspause dazu nutzen, sich ohne den üblichen Small Talk etwas zu erholen.

Er erblickte einige Kollegen, die gemeinsam an einem Tisch saßen. Blair war ebenfalls dabei.

Gerade strich sie sich das kurze, dunkle Haar aus der Stirn und lachte über eine Bemerkung der Oberschwester.

Blair.

Oz wusste nicht genau, warum er immer zuerst sie sah. Lag es an der hinreißenden Art, wie sie errötete, wenn ihre Blicke sich trafen? Oder eher an ihrem demonstrativen Desinteresse?

Sie gefiel ihm. Schon seit er sie zum ersten Mal getroffen hatte. Sie war eine durch und durch schöne Frau, und zwar nicht nur äußerlich. Oz hatte sie vom ersten Augenblick an begehrt; seit dem Tag, an dem Dr. Talbot sie miteinander bekannt gemacht hatte.

Aber für Oz kamen grundsätzlich nur unverbindliche Affären infrage. Mehr konnte keine Frau von ihm erwarten. Blair hingegen war eine Frau, die von einer Beziehung wesentlich mehr als nur körperliches Vergnügen erwartete.

Genau aus diesem Grund hielt er sich zurück. Er neckte sie zwar und warf ihr mehr oder weniger unverschämte Blicke zu, doch weiter würde er niemals gehen. Denn Blair ließ keinen Zweifel daran, dass sie nicht das geringste Interesse an ihm hatte.

Wahrscheinlich war es besser so.

Dr. Talbot ging es immer schlechter, und das Letzte, was Oz gebrauchen konnte, war eine anstrengende Frauengeschichte. Er musste seinen Freund im Herzzentrum vertreten und sich auch um alle anderen Bereiche in Dr. Talbots Leben kümmern.

Als er an ihrem Tisch vorbeikam, begrüßte Oz die drei Krankenschwestern. „Hallo, Kanesha. Blair. Becky.“

„Dr. Manning!“, rief Kanesha begeistert und lächelte ihn glücklich an. „Möchten Sie sich zu uns setzen?“

„Oh ja, bitte!“, stimmte Becky zu und schob ihr Tablett zur Seite. „Hier neben mir ist noch Platz.“

Noch vor kurzer Zeit hätte Oz sich neben die attraktive Blondine gesetzt und die Einladung, die seit Wochen in ihren Augen stand, ohne zu zögern angenommen. Doch das war, bevor Dr. Talbot krank geworden war.

Oz hatte beschlossen, seinem Freund das Leben so angenehm wie möglich zu machen, und dafür scheute er keine Mühen. Selbst seinen spannenden Forschungsjob hatte er aufgegeben und war nach Lower Alabama gezogen, damit er bei Dr. Talbot sein konnte. Nicht zuletzt, um ihn in der Klinik zu vertreten, denn ohne Oz’ Hilfe hätte er inzwischen seinen Anspruch auf Krankenversicherung verloren. Oz hatte also keine Zeit, sich mit Krankenschwestern zu vergnügen – egal, wie attraktiv sie waren.

Sehnsüchtig blickte er zu einem leeren Tisch in der hintersten Ecke der Cafeteria.

„Na, kommen Sie schon, Dr. Manning. Wir versprechen auch, dass wir nicht beißen.“ Einladend klopfte Kanesha auf den Stuhl neben ihr.

Seufzend stellte Oz sein Tablett ab und setzte sich Blair und Becky gegenüber.

Kanesha nippte an ihrem Eistee. „Wie ging es Dr. Talbot heute Morgen?“

Der ältere Herzchirurg war Oz’ Rettung gewesen. Das einzig Gute, das er im Leben erfahren hatte. Dr. Talbot war weit mehr als sein Professor oder sein Mentor. Er war eher wie ein Vater für Oz. Ganz im Gegensatz zu dem Mistkerl, der sein biologischer Vater gewesen war.

Oz öffnete seine Mineralwasserflasche. „Ich habe mit Dr. Talbots Krankenschwester gesprochen, nachdem die beiden von der Chemotherapie zurück waren. Die Behandlung hat gut angeschlagen, aber er war natürlich völlig fertig.“

„Ich habe heute Morgen auch schon mit ihm gesprochen“, sagte Blair, ohne ihn anzusehen. „Er hörte sich schrecklich an.“

„Letzte Nacht konnte er nicht schlafen. Ich habe stundenlang an seinem Bett gesessen.“

Mit ihrem langen, kunstvoll lackierten Fingernagel strich Kanesha über Oz’ Handrücken. „Sie Ärmster. Ich dachte, er hat eine Privatpflegerin?“

Obwohl Dr. Talbot es viel zu teuer fand, hatte Oz darauf bestanden, eine private Pflegekraft zu engagieren, die sich Tag und Nacht um Dr. Talbot kümmerte. Natürlich hatte die Krankenkasse sich geweigert, diesen Luxus zu bezahlen, und so finanzierte Oz diese Ausgabe aus eigener Tasche.

Die Pflegerin blieb von Sonntagabend bis Freitagnachmittag, und Oz übernahm ihren Job an den Wochenenden. Blair und Stephanie unterstützten ihn, wann immer sie konnten.

„Angie ist kurzfristig ausgefallen, weil ihr Enkel krank geworden war und ihre Tochter zur Arbeit musste.“ Da Dr. Talbot nicht schlafen konnte, hatte Oz sich nach seinem harten Tag in der Klinik die halbe Nacht zu ihm gesetzt.

„Aber heute Nacht ist sie wieder da, oder?“ Besorgt sah Blair ihn an.

Oz hielt den Atem an. Verdammt! Ihre Augen waren einfach unglaublich. Es war das tiefste Grün, das er jemals gesehen hatte. Ihre natürliche Schönheit, die vollkommen ohne Make-up auskam, hatte ihm schon öfter den Atem verschlagen. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er aus ganzem Herzen bedauerte, dass sie nicht seinem Beuteschema entsprach. Er nickte. „Soweit ich weiß, wird Angie da sein.“

„Ich könnte sonst heute Nacht kommen und mich zu ihm setzen, damit Sie ein bisschen schlafen können.“

Sehr witzig. Als ob er schlafen könnte, wenn Blair im selben Haus war. „Schon gut. Es macht mir nichts aus, bei Dr. Talbot zu sein.“ Oz genoss die Zeit mit seinem Freund. Wie lange würde er wohl noch mit ihm reden können?

Es machte Oz fertig, den einst so energischen und lebensfrohen Mann schwach und kraftlos zu sehen, aber das würde er natürlich niemals zugeben.

Schon gar nicht Blair gegenüber.

„Sie können nicht jede Nacht bei ihm am Bett sitzen“, mahnte Blair. „Früher oder später wird Ihre Gesundheit darunter leiden. Von Ihrer Arbeit mal ganz zu schweigen.“

Ihre Sorge um ihn verursachte ein bittersüßes Ziehen in Oz’ Brust. Hatte sich, abgesehen von Dr. Talbot, jemals jemand um ihn Sorgen gemacht? Vielleicht seine Mutter, als er noch ein kleiner Junge war. Doch als er zwölf war, hatte sie ihn in ein Internat gesteckt, und von dem Augenblick an war sein Elternhaus nie wieder sein Zuhause gewesen. „Falls Angie absagt, melde ich mich bei Ihnen, Blair“, gab er nach.

Autor

Janice Lynn

Janice Lynn hat einen Master in Krankenpflege von der Vanderbilt Universität und arbeitet in einer Familienpraxis. Sie lebt mit ihrem Ehemann, ihren 4 Kindern, einem Jack-Russell-Terrier und jeder Menge namenloser Wollmäuse zusammen, die von Anbeginn ihrer Autorenkarriere bei ihr eingezogen sind.

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